Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 20. Feb. 2018 - 5 Bf 213/12

bei uns veröffentlicht am20.02.2018

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 wird aufgehoben, soweit darin der Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der zu vollstreckenden Kosten leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zum Handelskammerbeitrag 2011.

2

Die Klägerin ist eine im Jahr 2010 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Betriebsstätte in Hamburg. Die Beklagte ist die örtliche Industrie- und Handelskammer (IHK). Für die Geschäftsjahre 2009 bis 2011 weisen die von Präses und Hauptgeschäftsführer der Beklagten jeweils im März des Folgejahres vorgelegten Bilanzen sowie die jeweils im Juli des Folgejahres vom Plenum der Beklagten beschlossenen Jahresabschlüsse folgende Rücklagen und Ergebnisse (gerundet auf 1.000,-- Euro) aus:

3

 Geschäftsjahr

2009   

2010   

2011   

        

Vorlage
15.3.2010

Abschluss
1.7.2010

Vorlage
25.3.2011

Abschluss
7.7.2011

Vorlage
5.3.2012

Abschluss
5.7.2012

Ausgleichsrücklage

19.000

20.000

20.186

20.500

20.500

21.000

Umbau-/
Instandhaltungs-
Rücklage

6.333 

6.833 

11.133

11.133

11.133

21.133

Rücklage für
Sonderprojekte

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

Rücklage zur
Abdeckung von
Risiken der
Neubewertung der
Pensionsrückstellung

15.000

16.500

0       

0       

0       

0       

Rücklage BID N.

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

Rücklage für die
Sicherung
bedeutsamer
Wirtschaftsarchive

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

Rücklage für
ganzjährige Aktivitäten
verschiedener Art
anlässlich des
350jährigen
Kammerjubiläums

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

Rücklage
Azubi-Wohnheim in
Hamburg

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

        

Bilanzergebnis

3.444 

6.025 

16.596

Ergebnisvortrag auf
neue Rechnung

444     

5.711 

3.096 

4

Die Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2011 in ihrer ursprünglichen Fassung wurde vom Plenum am 4. November 2010 beschlossen. In dem zugrundeliegenden Erfolgsplan 2011 finden sich insbesondere folgende Einträge (gerundet auf 1.000,-- Euro):

5
        

Ist 2009

Plan 2010
 inkl.
Nachtrag

Plan 2011

1. Erträge aus Handelskammer-Beiträgen

43.444

44.120

35.325

7.-10. Betriebsaufwand

40.151

41.090

40.337

20. Jahresergebnis

13.552

-8.700

0       

21. Ergebnisvortrag

292     

0       

0       

22. a) Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage

0       

0       

0       

22. b) Entnahmen aus anderen Rücklagen

10.400

16.500

0       

23. a) Einstellung in die Ausgleichsrücklage

1.000 

0       

0       

23. b) Einstellung in andere Rücklagen

9.400 

7.800 

0       

24. Ergebnis

3.444 

0       

0       

6

Der am 3. März 2011 beschlossene Erste Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 lässt den Erfolgsplan unverändert. Dem am 3. November 2011 beschlossenen Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 liegt ein geänderter Erfolgsplan zugrunde, der insbesondere folgende Eintragungen enthält (gerundet auf 1.000,-- Euro):

7
        

Ist 2010

Plan 2011

1. Erträge aus Handelskammer-Beiträgen

46.488

43.500

7.-10. Betriebsaufwand

42.980

41.337

20. Jahresergebnis

-6.619

6.655 

21. Ergebnisvortrag

444     

5.711 

22. a) Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage

0       

0       

22. b) Entnahmen aus anderen Rücklagen

16.500

0       

23. a) Einstellung in die Ausgleichsrücklage

314     

0       

23. b) Einstellung in andere Rücklagen

4.300 

0       

24. Ergebnis

5.711 

12.366

8

Gegenüber der Klägerin nahm die Beklagte mit Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 eine „vorläufige Veranlagung“ zum IHK-Beitrag 2011 in Höhe eines Grundbeitrags von 153,-- Euro vor und teilte nachrichtlich einen offenen Betrag aus anderen Beitragsjahren in Höhe von 153,-- Euro mit. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2011 zurück.

9

Die Klägerin hat am 29. Juli 2011 beim Verwaltungsgericht Hamburg Klage erhoben und zur Begründung vorgebracht: Die Zwangsmitgliedschaft in einer Industrie- und Handelskammer verletze sie in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1, 9 Abs. 1 GG. Hilfsweise sei der geforderte Betrag zu hoch. Art und Umfang der von der Beklagten gebildeten Rücklagen verstoße gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG.

10

Die Klägerin hat beantragt,

11

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2011 aufzuheben,

12

hilfsweise,

13

die Beklagte zu verpflichten, den auf die Klägerin für das Jahr 2011 entfallenden Beitrag angemessen zu reduzieren.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Die Beklagte hat zur Begründung ausgeführt: Die bundesgesetzlich angeordnete Pflichtmitgliedschaft sei mit dem Grundgesetz vereinbar und verstoße nicht gegen Europarecht. Ein Beitragsverweigerungsrecht zur Beanstandung der Kammertätigkeiten sei nicht gerechtfertigt. Die gebildeten Rücklagen dienten mittelbar dem Ziel einer pfleglichen Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Mit der Ausgleichsrücklage solle Vorsorge getroffen werden, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch dann aufrecht zu erhalten, wenn es aus konjunkturellen Gründen zu einem spürbaren Rückgang der Gewerbeerträge und der entsprechenden Erträge der Kammer aus Beiträgen komme. Mit den anderen Rücklagen solle Vorsorge getroffen werden, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch dann aufrecht zu erhalten, wenn besondere Kosten und Aufwendungen anfielen wie etwa größere Instandhaltungsmaßnahmen am denkmalgeschützten Kammergebäude oder besondere Projekte, die das Plenum zur Förderung des Wirtschaftsstandorts unterstützen oder selbst initiieren wolle. Im Übrigen sei 2010 ein erheblicher Teil der in den letzten Jahren gebildeten Rücklagen dazu verwendet worden, den mit dem neuen Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vorgegebenen Bewertungsregeln für die Pensionsrückstellungen Rechnung zu tragen. So habe sich für 2010 eine Reduzierung der gesamten Rücklagen um 11,7 Mio. Euro ergeben. Die Beitragsveranlagung laufe nicht unmittelbar parallel zur Gewerbesteuerentwicklung. Vielmehr richteten sich die Erträge aus Umlagen für das aktuelle Jahr zunächst nach den letzten der Beklagten bekannten Gewerbeerträgen. Die Bemessungsgrundlagen seien in aller Regel zwei bis drei Jahre alt. Die endgültigen Daten würden von der Finanzverwaltung üblicherweise erst nach Abschluss des Geschäftsjahres festgestellt. Für das Jahr 2011 sei bei der Beitragskalkulation in Rechnung gestellt, dass die Umlage gegenüber dem Vorjahr von 0,31 auf 0,28 v. H. des Gewerbeertrags gesenkt worden sei und die „Krisenjahre“ 2008 und 2009 zur endgültigen Abrechnung angestanden hätten. Vor diesem Hintergrund seien in der Wirtschaftssatzung 2011 die Erträge aus Beiträgen in Höhe von 35,325 Mio. Euro zu Recht vorsichtig angesetzt. Der Beitragsanspruch selbst bleibe von behaupteten oder tatsächlichen Aufgabenüberschreitungen unberührt.

17

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26. September 2012 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für die Beitragspflicht. Das Verfahren der Beitragsfestsetzung sei nicht zu beanstanden. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle habe der weitgesteckten Gestaltungsfreiheit der Beklagten hinsichtlich der Beitragsregelung Rechnung zu tragen und greife erst dann ein, wenn gegen allgemeine Grundsätze, insbesondere das Äquivalenzprinzip oder den Gleichheitsgrundsatz in flagranter Weise verstoßen werde. Für einen derartigen qualifizierten Verstoß sei nichts ersichtlich, insbesondere weil die Klägerin nur zum Mindestbeitrag herangezogen worden sei. Die Auffassung der Klägerin, die Beklagte entfalte Aktivitäten, welche den ihr durch § 1 Abs. 2 IHKG gesteckten Rahmen überschritten, sei ohne beitragsrechtliche Relevanz. Die Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung folge ferner nicht aus einer von der Klägerin geltend gemachten unzulässigen Rücklagenbildung durch die Beklagte. Für einen Verstoß gegen das in § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG angesiedelte Kostendeckungsprinzip sei nichts ersichtlich. Dabei müsse nicht näher darauf eingegangen werden, ob die Beklagte angesichts der bestehenden Rücklagen in unzulässiger Weise Vermögen bilde. Die Klägerin habe nicht im Ansatz dargetan, dass die Beklagte in einem solchen Umfang Rücklagen gebildet habe, dass ihre Tätigkeit i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG „anderweitig gedeckt“ und sie von Rechts wegen gehalten wäre, den allein streitigen Mindestbeitrag auf „Null“ zu setzen. Der von der Klägerin hilfsweise gestellte Antrag sei mangels Durchführung des Vorverfahrens unzulässig.

18

Die Beklagte erließ gegenüber der Klägerin unter dem 3. Dezember 2015 einen zusätzlichen Beitragsbescheid, in dem für das Beitragsjahr 2011 der Betrag von 153,-- Euro als „mit früheren Bescheiden festgesetzt“ und der Betrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ angegeben ist. Dieser zweite Bescheid schließt den Hinweis ein, dass „[w]enn zu den oben aufgeführten Beitragsjahren bereits Beitragsbescheide ergangen“ seien, „diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben“ würden.

19

Der Senat hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts auf Antrag der Klägerin die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung, mit der die Klägerin allein den erstinstanzlichen Hauptantrag weiterverfolgt, bringt sie vor, die Voraussetzungen für eine öffentlich-rechtliche „Zwangskorporation“ bestünden nicht mehr. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid sei rechtswidrig, da die Beklagte das Kostendeckungsprinzip i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG nicht gewahrt habe. Die Erhebung von Beiträgen zur Erfüllung von Kammeraufgaben, für die anderweitige Deckungsmittel im Kammerhaushalt bereitstünden, sei rechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315) komme zwischenzeitlich zu dem Schluss, dass eine pauschale Festlegung von Rücklagen ohne konkrete jährliche Risikoabschätzung unzulässig sei. In dieser Form gebildete Rücklagen seien als anderweitige Mittel vor einer Beitragsveranlagung dem Haushalt zuzuführen. Das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris) habe mittlerweile eine rechtswidrige Beitragsveranlagung durch die Beklagte für die Jahre 2010 und 2013 angenommen und somit nach Erlass des angefochtenen Urteils richtigerweise eine Kehrtwende in seiner Rechtsprechung vorgenommen. Im Einzelnen trägt die Klägerin Beanstandungen zu folgenden Positionen vor:

20

Die Ausgleichsrücklage in einem vom Finanzstatut bestimmten Rahmen sei unzulässig. Jährlich sei eine Risikokalkulation zur exakten Bestimmung der im jeweiligen Geschäftsjahr erforderlichen (Mindest-)Rücklagenhöhe erforderlich, die der (zusätzlichen) Bildung eines darüber hinausgehenden (Höchst-)Betrages entgegenstehe. Es müssten die drei Fragen beantwortet werden, ob die Beklagte das ihr zustehende „Ermessen“ ausgeübt habe, ob die Schätzung sachlich nachvollziehbaren Kriterien genüge und ob die Beklagte bei überdotierten Rücklagen über ausreichende Mittel verfüge, um vor der Beitragsveranlagung ihre Kosten anderweitig zu decken. Die Ausgleichsrücklage sei zu keiner Zeit – selbst nicht in den Zeiten der Finanzkrise – in Anspruch genommen worden.

21

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage stelle „offenkundig“ freies Vermögen dar, welches i. S. d. Gesetzes als anderweitige Mittel dem Haushalt hätte zugeführt werden müssen. Erst am 5. April 2012 sei ein Architektengutachten vorgelegt worden, das für Sanierungsmaßnahmen eine Summe von 14.747.235,65 Euro angebe. Die Bilanz der Beklagten weise schon vor der Erstellung eines Gutachtens eine „millionenschwere“ und später aufgestockte Umbau-/Instandhaltungsrücklage aus. Die Rücklagenbildung unterliege den engen Vorgaben der ausreichenden zeitlichen, sachlichen und finanzplanerischen Konkretisierung. Neben dem „offenkundigen Mangel“ notwendiger Einzelbeschlüsse über die Rücklage fehle es auch „ganz offensichtlich“ an jeglicher Rechtfertigung und Beschlusslage für die Bildung und Erhöhung der Umbau- und Instandhaltungsrücklage vor dem 5. Juli 2012. Es fehle ein gesonderter Beschluss darüber, ob eine Finanzierung aus Fremd- oder Eigenmitteln geleistet werden und in welchem Zeitrahmen eine Rücklagenbildung oder eine Tilgung erfolgen solle.

22

Die Rücklage für Sonderprojekte, die über alle Jahre gebildet und niemals angetastet worden sei, erfülle den Tatbestand der rechtswidrigen Vermögensbildung. Schon aus der allgemeinen Namensgebung ergebe sich, dass es keinerlei sachliche und zeitliche Konkretisierung gebe. Ohne eine sachliche und zeitliche Konkretisierung erweise sich die vom Bundesverwaltungsgericht als zwingende Voraussetzung gebotene Abschätzung als unmöglich. Es würden hier Mitgliedsbeiträge ohne Sinn und Zweck als freies Vermögen geparkt.

23

Aus dem Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 ergebe sich, dass die Beklagte für das Haushaltsjahr 2011 mit einem Überschuss von 6,655 Mio. Euro geplant habe. Soweit es hinsichtlich der Verwendung eines solches Überschusses im Sinne einer Aufgabenerfüllung im Rahmen des Gesetzes keine Beschlüsse des Plenums gebe, sei eine Haushaltsplanung mit einem solchen Überschuss ein Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip. Erwirtschafte eine Kammer einen erheblichen Gewinn, indiziere dies, dass die Beiträge zu hoch bemessen gewesen seien. Erfolge ein Gewinnvortrag zudem kontinuierlich über mehrere Jahre hinweg in erheblicher Höhe, stehe dies einer unzulässigen Vermögensbildung gleich.

24

Die Klägerin beantragt,

25

das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 aufzuheben, soweit darin der Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist.

26

Die Beklagte beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Die Beklagte hält die gesetzliche Mitgliedschaft eines Gewerbetreibenden in einer IHK für verfassungsgemäß und die Beitragserhebung auch der Höhe nach für nicht zu beanstanden. Die Klägerin sowie das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris) verkennten die wesentlichen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts und die hieraus resultierenden Maßstäbe für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Wirtschaftsplanung einer Kammer, insbesondere der Rücklagenbildung. Soweit das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315) eine Verletzung des Gebots der Schätzgenauigkeit bejaht habe, beruhe dies maßgeblich auf dem Umstand, dass die dort beklagte IHK während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Anhaltspunkte für das Vorliegen relevanter Risiken dargelegt habe. Der Gesetzgeber habe mit der Umstellung auf die Doppik vor allem eine Erhöhung der Transparenz für die Kammermitglieder und eine Stärkung des Etatrechts der IHK-Vollversammlungen erstrebt. Auch aus diesem Grund sei es nicht angezeigt, bei einer gerichtlichen Prüfung der Einhaltung des Gebots der Schätzgenauigkeit bei Aufstellung des Wirtschaftsplans überzogene Anforderungen zu stellen. Maßgeblich sei, ob die Rücklagenbildung auf einer sachgerechten und vertretbaren Prognose basiere. Was vertretbar sei, richte sich nach einer Gesamtbewertung der konkreten Entscheidungssituation unter Berücksichtigung des betroffenen Sach- und Regelungsbereichs, der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung und deren Folgen sowie der verfügbaren Tatsachengrundlagen für die Prognose. Im Übrigen führe deshalb nicht jeder Fehler in der Wirtschaftsplanung zur Rechtswidrigkeit der gesamten Beitragsveranlagung, weil anderenfalls die beitragsrechtliche Grundlage des betreffenden Beitragsjahres haushaltsrechtlich unheilbar rechtswidrig sei, obwohl objektiv-rechtlich eine Pflicht zum Erlass eines Beitragsbescheids bestehe. Für die Feststellung eines etwaigen Verstoßes gegen das Gebot der Schätzgenauigkeit sei eine materielle Betrachtung maßgeblich. Es sei nicht entscheidend, ob eine Vollversammlung die Risiken im Zeitpunkt der Aufstellung des Wirtschaftsplans uneingeschränkt zutreffend erfasst und validiert habe. Maßgeblich sei, ob die dotierten Rücklagen dem Grunde nach zulässig seien und der Höhe nach in einem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlich relevanten Risiken der jeweiligen IHK stünden. Sei die Mittelbedarfsfeststellung im Ergebnis richtig, seien die Beitragssätze rechtmäßig. Es komme nicht auf den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2009, sondern auf die Wirtschaftsplanung des jeweils streitgegenständlichen Beitragsjahrs, ggf. in Gestalt der Nachtragsplanung, an.

29

Die Dotierung der Ausgleichsrücklage sei dem Grunde und der Höhe nach gerechtfertigt, damit die Handlungsfähigkeit und eine sachgerechte Aufgabenerfüllung der Beklagten zu jeder Zeit gewährleistet seien. Die Vorgaben des Finanzstatuts seien eingehalten. Die Regelung eines Rücklagerahmens sei nicht zu beanstanden. Die Ausgleichsrücklage solle „im Fall der Fälle“, d. h. im „worst case“, zur Verfügung stehen. Sie diene dem zulässigen Zweck, haushalterische Risiken abzudecken, die mit unvorhergesehenen Beitragsschwankungen einhergingen. Sie werde gebildet, um eine hinreichende Risikovorsorge zu betreiben und die Beiträge auch gerade bei schwankender Konjunktur stabil zu halten. Werde der durch das Finanzstatut gezogene Rahmen für eine Rücklagenhöhe eingehalten, spreche eine Vermutung für ihre Angemessenheit. Die mit der Ausgleichsrücklage abzufangenden möglichen Schwankungen könnten sich insbesondere ergeben infolge der heterogenen Wirtschaftsstruktur eines Industrie- und Handelskammerbezirks und der damit einhergehenden vielfältigen Abhängigkeit von strukturellen und gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen bis hin zu der Gefahr mehrjähriger wirtschaftlicher Rezessionen, des Ausfallrisikos von großen Beitragszahlern und der Orientierung des Kammerbeitrags an der gewerbesteuerlichen Bezugsgröße des Gewerbeertrags. Vor allem diese Risiken lägen tatsächlich jedes Jahr vor und machten die Vorhaltung einer angemessenen Ausgleichsrücklage zwingend erforderlich. Das Risiko der Beitragsschwankungen sei mit dem Umstand der Gegenwartsveranlagung mit mehrjähriger Verzögerung der endgültigen Abrechnung zu erklären. Die Ausgleichsrücklage sei im Hinblick auf die Schwankungsrisiken auf Basis der Erfahrungen der Beitragsveranlagungen der vergangenen Jahre unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte der letzten Konjunkturkrisen gebildet. Für konjunkturelle Schwankungen müsste zunächst ein Anteil von 15 v. H. der geplanten Beiträge veranschlagt werden, ausgehend davon, dass das Gewerbesteueraufkommen in den Jahren 1999 bis 2001 um 17 v. H. und in den Jahren 2008 bis 2009 um 19 v. H. rückläufig gewesen sei. Der Anteil von 15 v. H. müsse multipliziert werden mit zwei bis vier, um zwei bis vier Jahre andauernde Schwankungen abzubilden. Für das Risiko des Ausfalls großer Beitragszahler werde ein weiterer Betrag von 1.000.000,-- Euro angesetzt, dies entspreche dem Beitrag der beiden größten einzelnen Beitragszahler. Für das Schwankungsrisiko endgültiger Beitragsabrechnungen werde der Zehnjahresdurchschnitt der Umlagen angenommen und dieser Wert um 1.000.000,-- Euro verringert. Es errechne sich danach, dass die Ausgleichsrücklage angemessen sei.

30

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage diene bezogen auf das Geschäftsjahr 2011 einem hinreichend konkretisierten Zweck. Zunächst habe im Jahr 2007 (Rücklagenhöhe damals etwa 5,3 Millionen Euro, seinerseits 10 v. H. des Versicherungswerts) der Schwerpunkt des Rücklagenzwecks bei der Finanzierung größerer Instandhaltungsaufwendungen für das historische Handelskammergebäude gelegen. Die Rücklagenerhöhungen 2007 und 2010 seien gerechtfertigt gewesen. Der voraussichtliche Mittelbedarf sei in der Folgezeit weiter konkretisiert worden durch das Architektengutachten vom 5. April 2012.

31

Die Rücklage für Sonderprojekte diene dazu, auch künftig besondere Projekte zu finanzieren, ohne die Beiträge zu erhöhen. Sie solle kurzfristige Handlungsspielräume für notwendige ad-hoc-Aktivitäten schaffen. Es seien 1.000.000,-- Euro für „standortpolitisch bedeutsame Projekte“, 2.000.000,-- Euro für die Unterstützung einer neuen Olympia-Bewerbung, eventuelle Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 sowie die „aktuelle Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten“ und weitere 900.000,-- Euro ohne besondere Zuordnung in Ansatz gebracht worden.

32

Die positiven Ergebnisse der Vorjahre seien im Beitragsjahr 2011 ordnungsgemäß verwendet worden. Es stehe der Kammer frei, ein positives Ergebnis für eine Beitragsrückerstattung zu nutzen, durch gesonderten Beschluss des Plenums einer aufgabengemäßen Verwendung zuzuführen oder in den nächsten Wirtschaftsplan einzustellen. Ein ex post festgestelltes positives Ergebnis indiziere keine Missachtung des Kostendeckungsprinzips.

33

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind die Sachakten in zwei Bänden. Darauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

34

I. Die zulässige, auf den erstinstanzlichen Hauptantrag beschränkte, Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Sie führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Stattgabe der zulässigen (hierzu unter 1.) und begründeten Klage (hierzu unter 2.).

35

1. Die Klage ist im allein weiterverfolgten Hauptantrag zulässig, insbesondere als Anfechtungsklage statthaft. Sie zielt gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO auf die gerichtliche Aufhebung des Bescheids vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011, soweit darin für das Geschäftsjahr 2011 ein Handelskammerbeitrag vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist. Dieses Rechtsschutzbegehren geht nicht ins Leere, obwohl durch einen zweiten Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 eine weitere Beitragsfestsetzung für das Jahr 2011 vorgenommen worden ist. Der erste Beitragsbescheid ist als Verwaltungsakt weiterhin wirksam. Ein Verwaltungsakt bleibt gemäß § 43 Abs. 2 HmbVwVfG (vgl. § 124 Abs. 2 AO) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Der streitgegenständliche erste Beitragsbescheid ist weder aufgehoben noch erledigt. Im Einzelnen:

36

Eine Aufhebung des ersten, allein streitgegenständlichen, Beitragsbescheids ist mit dem zweiten Beitragsbescheid nicht ausgesprochen worden. Dem zweiten Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 kann nach dem entsprechend §§ 133, 157 BGB auch für die Auslegung von Verwaltungsakten maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont keine behördliche Aufhebung des ersten Beitragsbescheids entnommen werden, sondern nur eine Ergänzung desselben durch Forderung eines zusätzlichen Beitrags. Im zweiten Beitragsbescheid ist für das Beitragsjahr 2011 der Betrag 153,-- Euro ausdrücklich als „mit früheren Bescheiden festgesetzt“ und der Betrag 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ angegeben, verbunden mit dem Hinweis, dass wenn bereits Beitragsbescheide ergangen sind, diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben werden. Dieser Wortlaut streitet gegen eine neuerliche Sachentscheidung (vgl. VG Schleswig, Urt. v. 15.2.2018, 12 A 173/16, juris Rn. 19, für den entsprechenden Bescheidwortlaut). Da die Regelungswirkung sich auf die Festsetzung des Mehrbetrags beschränkt, handelt es sich hinsichtlich des bereits festgesetzten Betrags um eine wiederholende Verfügung und nicht um einen Zweitbescheid (vgl. Jahn, GewArch 2016, 263, 270).

37

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der erste Bescheid eine „vorläufige Veranlagung“ vornimmt und der zweite Bescheid einen solchen Hinweis nicht enthält. Zwar hat das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris 3. Ls) angenommen, dass dann, wenn ein zweiter Bescheid „den IHK-Beitrag durch Abrechnung festsetzt“, nachdem zuvor im Wege vorläufiger Veranlagung ein erster Beitragsbescheid ergangen war, es sich bei dem zweiten Bescheid um eine eigenständige Sachentscheidung über den insgesamt zu leistenden Beitrag und nicht um eine – teilweise – wiederholende Verfügung handele. Doch ist bereits die vom Verwaltungsgericht Hamburg in der zitierten Entscheidung angenommene Voraussetzung nicht gegeben, dass der zweite Bescheid „den IHK-Beitrag durch Abrechnung festsetzt“. Nach den vorstehenden Ausführungen beschränkt sich der Regelungsgehalt des zweiten Bescheids ausdrücklich auf den Mehrbetrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“. Der Umstand, dass der erste Bescheid als „vorläufige Veranlagung“ ergangen ist, führt nicht zu einer seinem Wortlaut widersprechenden Auslegung des zweiten Bescheids. Die „vorläufige Veranlagung“ hat dabei lediglich folgende Bewandtnis:

38

Die Beitragsveranlagung erfolgt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 der Beitragsordnung der Beklagten (v. 14.5.2004, Amtl. Anz. S. 1057 m. spät. Änd. – BO) durch schriftlichen Bescheid. Sofern der Gewerbeertrag oder der Zerlegungsanteil für das Bemessungsjahr noch nicht vorliegt, kann der Kammerzugehörige gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 BO aufgrund des letzten vorliegenden Gewerbeertrags oder – soweit ein solcher nicht vorliegt – aufgrund einer Schätzung in entsprechender Anwendung des § 162 AO vorläufig veranlagt werden. Dieser Satz findet gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 BO entsprechende Anwendung auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb und auf den Umsatz, die Bilanzsumme und die Arbeitnehmerzahl, soweit diese für die Veranlagung von Bedeutung sind.

39

Eine im Zuge der vorläufigen Veranlagung nach § 15 Abs. 3 BO vorgenommene Festsetzung lässt zwar die Möglichkeit einer erneuten Festsetzung nach § 15 Abs. 1 BO zu. Es besteht Anlass für eine endgültige Abrechnung für das Beitragsjahr, sobald die Parameter für die Festsetzung des Kammerbeitrags (Gewerbeertrag, Gewinn aus Gewerbebetrieb, Umsatz, Bilanzsumme oder Arbeitnehmerzahl) feststehen, hinsichtlich derer zuvor nur die bislang letzten vorliegenden Zahlen oder Schätzung zugrunde gelegt worden war. Einer erneuten, endgültigen Festsetzung bedarf es aber nur, soweit sich im Ergebnis eine Änderung der Beitragshöhe errechnet (a. A. VG Hamburg, Urt. v. 2.3.2016, a. a. O., Rn. 56).

40

Eine endgültige Festsetzung eines bereits im Wege der vorläufigen Veranlagung festgesetzten (Teil-)Betrags ist nicht erforderlich. Auch eine Festsetzung im Wege der vorläufigen Veranlagung kann in Bestandskraft erwachsen. Der Umstand, dass nach § 165 AO ergangene vorläufige Steuerbescheide nicht in materielle Bestandskraft erwachsen können (vgl. Cöster, in König, AO, 3. Aufl. 2014, § 351 Rn. 13), ist nicht auf die Beitragsfestsetzung im Wege vorläufiger Veranlagung übertragbar (a. A. VG Hamburg, Urt. v. 2.3.2016, a. a. O., Rn. 64). § 15 Abs. 3 BO verweist nicht auf § 165 AO, sondern hinsichtlich der Schätzung der Bemessungsgrundlagen auf eine entsprechende Anwendung des § 162 AO. Aus dem Verweis des § 15 Abs. 3 BO auf § 162 AO folgt nicht, dass die vorläufige Veranlagung selbst in entsprechender Anwendung des § 162 AO vorgenommen würde. Zum einen enthält § 162 AO keine Regelung über eine vorläufige Veranlagung, sondern nur über eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen. Zum anderen verweist § 15 Abs. 3 Satz 1 BO in seiner zweiten Tatbestandsalternative – „soweit ein solcher [Gewerbeertrag] nicht vorliegt“ – nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 162 AO bei der vorläufigen Veranlagung, sondern bei der Schätzung der Bemessungsgrundlagen. Für den Fall, dass keine letzten Zahlen vorliegen, erweitert § 15 Abs. 3 Satz 2 BO den Anwendungsbereich der Schätzung der Bemessungsgrundlagen auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb und auf den Umsatz, die Bilanzsumme und die Arbeitnehmerzahl, soweit diese Parameter für die Veranlagung von Bedeutung sind.

41

Auch eine Erledigung des ersten Beitragsbescheids vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 ist nicht eingetreten. Eine Erledigung des Verwaltungsaktes setzt voraus, dass der Verwaltungsakt aufgrund nachträglicher Entwicklungen seinen Regelungszweck nicht mehr erreichen kann (Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 209b). Dies ist hier nicht der Fall. Der erste Beitragsbescheid spricht zwar eine „vorläufige Veranlagung“ aus, enthält aber nicht wie ein vorläufiger Verwaltungsakt eine auflösende Bedingung, aufgrund derer er mit Eintritt einer auflösenden Bedingung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 HmbVwVfG entfiele. Der mit dem ersten Beitragsbescheid verfolgte Regelungszweck, einen Kammerbeitrag von zunächst 153,-- Euro Höhe festzusetzen, dauert fort, obwohl mittlerweile mit dem zweiten Beitragsbescheid ein zusätzlicher Beitrag festgesetzt worden ist. Diese Festsetzung beschränkt sich auf einen Mehrbetrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ und macht die bereits bestehende Festsetzung von 153,-- Euro somit nicht entbehrlich.

42

2. Die Klage ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründet. Der Bescheid vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011, soweit darin ein Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 auf vorläufig 153,-- Euro festgesetzt worden ist, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten. Zwar ist die Klägerin dem Grunde nach beitragspflichtig (hierzu unter a)). Doch fehlt der konkreten Beitragserhebung für das Geschäftsjahr 2011 eine Rechtsgrundlage durch eine rechtswirksame abstrakte Bestimmung der Beitragshöhe. Die in der Wirtschaftssatzung für das Geschäftsjahr 2011 enthaltene abstrakte Festsetzung der Beiträge (hierzu unter b)) ist rechtswidrig und daher nach dem sog. Nichtigkeitsdogma rechtsunwirksam. Unter Verstoß gegen den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgezeigten Maßstab (hierzu unter c)) kann der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 (hierzu unter d)) mangels rechtmäßiger Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer nicht als Maßgabe der Beitragserhebung dienen (hierzu unter e)). Der streitgegenständliche Beitragsbescheid kann aufgrund dessen auch nicht zum Teil aufrechterhalten bleiben (hierzu unter f)).

43

a) Die Klägerin ist dem Grunde nach gegenüber der Beklagten zu einem Handelskammerbeitrag verpflichtet.

44

Die Industrie- und Handelskammern sind gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (v. 18.12.1956, BGBl. I S. 920 m. spät. Änd. – IHKG) Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG Grundbeiträge und Umlagen. Die Vollversammlung beschließt gemäß § 4 Satz 2 Nr. 2 IHKG über die Festsetzung des Maßstabes für die Beiträge. Die Kammerzugehörigkeit ist in § 2 IHKG geregelt. Die benannten Vorschriften sind wirksam. Sowohl die Beitragserhebung nach § 3 Abs. 2, Abs. 3 IHKG als auch die Pflichtmitgliedschaft nach § 2 Abs. 1 IHKG sind verfassungsgemäß (BVerfG, Beschl. v. 12.7.2017, 1 BvR 2222/12 u. a., NVwZ 2017, 1282, juris Rn. 87 ff.). Für einen zur Unanwendbarkeit der Regelungen im Einzelfall führenden Verstoß gegen Unionsrecht ist nichts ersichtlich (vgl. VGH München, Beschl. v. 30.7.2012, 22 ZB 11.1509, juris Rn. 31 f.; OVG Koblenz, Urt. v. 20.9.2010, 6 A 10282/10, juris Rn. 45).

45

Die Beklagte ist unter der Bezeichnung als Handelskammer gemäß § 13 IHKG i. V. m. Art. I § 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Rechtsverhältnisse der Handelskammer Hamburg v. 27.2.1956, HmbGVBl. S. 21 m. spät. Änd. – HmbHKG) die Industrie- und Handelskammer für das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Klägerin ist, da sie eine zur Gewerbesteuer veranlagte juristische Person des privaten Rechts mit Betriebsstätte in Hamburg ist, gemäß § 2 Abs. 1 IHKG seit ihrer Gründung im Jahr 2010 Kammerzugehörige der Beklagten und gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG dem Grunde nach beitragspflichtig.

46

b) Als abstrakte Festsetzung, die als Grundlage für die konkrete Festsetzung der Beitragshöhe für das Geschäftsjahr 2011 dienen könnte, kommt nur Abschnitt II der einschlägigen Wirtschaftssatzung in Betracht. Die Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2011 (v. 4.11.2010, Amtl. Anz. S. 2335, in der Fassung der Änderungen durch den Ersten Nachtrag v. 3.3.2011, Amtl. Anz. S. 786, und den Zweiten Nachtrag v. 3.11.2011, Amtl. Anz. S. 2555 – WirtS 2011) ist vom Plenum der Beklagten als Vollversammlung gemäß Art. I § 5 Nr. 1 HmbHKG beschlossen und durch zwei Nachträge geändert worden.

47

In Abschnitt II WirtS 2011 werden (Nr. 1) die Freistellungsgrenzen, (Nr. 2) die Grundbeiträge sowie (Nr. 3) der Hebesatz der Umlage bestimmt, (Nr. 4) das Geschäftsjahr 2011 als Bemessungsjahr festgelegt und (Nr. 5) die Erhebung einer Vorauszahlung geregelt. Die Klägerin ist nicht vom Kammerbeitrag befreit, da dies unter den näheren Voraussetzungen des Abschnitts II Nr. 1 WirtS 2011 nur nicht in das Handels- oder Genossenschaftsregister eingetragene Kammerzugehörige und natürliche Personen sind, die Klägerin aber nach §§ 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 GmbHG eine in das Handelsregister eingetragene juristische Person ist. Der von Kaufleuten zu erhebende Grundbeitrag, gestaffelt nach Gewerbeertrag oder Gewinn, ist in Abschnitt II Nr. 2.2 WirtS 2011 auf mindestens 153,-- Euro festgesetzt. Die Klägerin gilt gemäß § 6 Abs. 1 HGB i. V. m. § 13 Abs. 3 GmbHG als Kaufmann. Soweit ein Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb für das Bemessungsjahr nicht bekannt ist, wird gemäß Abschnitt II Nr. 5 WirtS 2011 eine Vorauszahlung des Grundbeitrages und der Umlage auf der Grundlage des letzten der Beklagten „vorliegenden“, d. h. bekannten, Gewerbeertrages bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb erhoben.

48

c) Der Senat macht sich die höchstrichterliche Rechtsprechung zu eigen, nach der die abstrakte Festsetzung der Beitragshöhe in der das jeweilige Geschäftsjahr betreffenden Wirtschaftssatzung nur dann rechtmäßig ist, wenn sie auf einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer in dem auf das Geschäftsjahr bezogenen Wirtschaftsplan beruht. Im Einzelnen:

49

Der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG als Maßgabe der Beitragserhebung dienende Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Wie vom Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 12) ausgeführt, legt das Gesetz mit Blick auf die Beitragserhebung damit eine zweistufige Willensbildung der Kammer zugrunde: Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) auf. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) gilt für ein Haushaltsjahr (Wirtschaftsjahr) und ist – als Plan – im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

50

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert ausgehend davon auch die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 13). Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen und unterliegt nach dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 81). Dem steht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 15) nicht entgegen, dass der Kammerbeitrag mit Blick auf die Kammertätigkeit verwendungsneutral ist. Er dient der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit und kann daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer einzelnen Tätigkeit zugeordnet werden. Ein Kammermitglied kann die Kammer zwar gerichtlich auf Unterlassung von Tätigkeiten in Anspruch nehmen, die außerhalb ihres gesetzlichen Aufgabenkreises liegen, jedoch nicht mit dieser Begründung die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern. Das führt jedoch nicht dazu, die Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) im Beitragsprozess generell ungeprüft als gegeben hinzunehmen. Gerade die gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung selbst berühren das einzelne Kammermitglied regelmäßig nur über die Beitragspflicht; dann muss es deren Einhaltung gerade im Beitragsprozess zur gerichtlichen Prüfung stellen können.

51

Die Kammer besitzt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 16) bei der Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht freilich nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist. Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gebietet die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Ferner sind seit der Einfügung des § 3 Abs. 7a IHKG die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung anzuwenden. Unabhängig davon sind ferner die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen.

52

Mit Blick auf die Rücklagenbildung präzisiert die höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 17) die zu stellenden Anforderungen wie folgt: Der Kammer ist die Bildung von Vermögen verboten. Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Bei den Mitteln für angemessene Rücklagen handelt es sich ebenfalls um Kosten der Industrie- und Handelskammer i. S. d. § 3 Abs. 2 IHKG, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind. Die Bildung von angemessenen Rücklagen ist auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaften weiterhin notwendig und gehört zu einer geordneten Haushaltsführung.

53

Weiter hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 18) ausgeführt, dass auch das Maß der Rücklage vom jeweiligen sachlichen Zweck gedeckt sein muss. Eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage ist nicht mehr angemessen und käme einer unzulässigen Vermögensbildung gleich. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) – und damit jährlich – erneut treffen. Ein Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält.

54

Bei der Prüfung, ob das Maß der Rücklage noch von einem sachlichen Zweck gedeckt ist, hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20) dabei angenommen, dass der Industrie- und Handelskammer ein Beurteilungsspielraum durch den in der (kameralen) Haushalts-, Kassen- und Rechnungsordnung oder in dem (doppischen) Finanzstatut vorgegebenen Rahmen eingeräumt sei. Im veröffentlichten 2. Leitsatz ist dazu ausgeführt, dass dann, wenn nach dem Finanzstatut der Industrie- und Handelskammer bei der Bildung des Haushaltsansatzes für eine Rücklage ein Beurteilungsspielraum besteht, das Gericht nicht seine Beurteilung an die Stelle der behördlichen Einschätzung setzen darf, es jedoch zu prüfen hat, ob allgemeingültige Wertungsmaßstäbe, insbesondere das haushaltsrechtliche Gebot der Schätzgenauigkeit, beachtet sind.

55

Hinsichtlich der Frage, ob die abstrakte Festsetzung der Beitragshöhe auf einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan beruht, ist eine materielle Betrachtung vorzunehmen. Eine formelle Betrachtung, ob die Mitglieder der Vollversammlung die Prognose in Kenntnis der dafür maßgeblichen Grundlagen getroffen haben, ist nicht anzustellen (a. A. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 21.11.2017, 19 K 903/16, juris Rn. 47; VG Koblenz, Urt. v. 25.11.2013, 3 K 121/12.KO, GewArch 2014, 116, juris Rn. 37; wohl auch VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 355). Denn die Antwort auf die maßgebliche Frage, ob der in der Wirtschaftssatzung festgesetzte Beitragssatz dem Kostendeckungsprinzip genügt, hängt davon ab, ob der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG durch Beiträge zu deckende Mittelbedarf im Wirtschaftsplan in der Sache vertretbar in Ansatz gebracht ist. Der Wirtschaftsplan bedarf formell keiner Begründung. Ebenso wenig hängt seine materielle Rechtmäßigkeit von einer Begründung ab (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 88). Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 16) billigt der Kammer bei der Aufstellung ihres Wirtschaftsplans ausdrücklich einen sehr weiten Gestaltungsspielraum zu. Die Rechtmäßigkeitskontrolle einer in dem Gestaltungsspielraum getroffenen Entscheidung unterscheidet sich von derjenigen einer Ermessenentscheidung im Einzelfall (Jahn, GewArch 2014, 116, 119; GewArch 2016, 263, 265 f.). Während nach § 114 Satz 1 VwGO und § 40 HmbVwVfG die von der Behörde in Ausübung ihres Ermessens bei einer Einzelfallentscheidung angestellten Erwägungen zu überprüfen sind, gilt entsprechendes nicht für die vom Normgeber in Ausübung seines Gestaltungsspielraums bei einer Normsetzung angestellten Erwägungen.

56

Aus dem von der Beklagten vorgebrachten Argument, sie sei nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG objektiv-rechtlich zur Beitragserhebung verpflichtet, bei Unwirksamkeit des Haushaltsplans sei aber die beitragsrechtliche Grundlage des betreffenden Beitragsjahres haushaltsrechtlich unheilbar rechtswidrig, leitet sich nicht her, den gerichtlichen Prüfungsmaßstab zurückzunehmen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat eine fehlerhafte Mittelbedarfsfeststellung im maßgeblichen Wirtschaftsplan die Rechtswidrigkeit der Beitragsveranlagung zur Folge. Eine Fehlerhaftigkeit der Mittelbedarfsfeststellung lässt sich nicht deshalb verneinen, weil ihre Rechtsfolge, die Rechtswidrigkeit der Beitragsveranlagung, unerwünscht wäre. Inwieweit eine rückwirkende Heilung oder ein rückwirkender Neuerlass einer unwirksamen Wirtschaftssatzung möglich wäre, kann dahinstehen, da das Plenum der Beklagten einen Neuerlass nicht unternommen hat.

57

d) Der die Maßgabe für die Beitragserhebung nach Abschnitt I WirtS 2011 bildende und deshalb nach dem Vorstehenden hinsichtlich der Feststellung des Mittelbedarfs inzident zu überprüfende Wirtschaftsplan in Abschnitt II WirtS 2011 hat seine letztgültige Gestalt durch den Zweiten Nachtrag vom 3. November 2011 gefunden. In Übereinstimmung mit dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten ist die Wirtschaftsplanung des jeweils streitgegenständlichen Beitragsjahrs maßgeblich, ggf. in Gestalt der Nachtragsplanung (ebenso VG Berlin, Urt. v. 14.4.2015, 4 K 199/14, juris Rn. 55; VG Köln, Urt. v. 15.2.2017, 1 K 1473/16, GewArch 2017, 194, juris Rn. 51).

58

Der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 ist durch den Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung ausdrücklich neu festgestellt worden. Innerhalb der mit Blick auf die Beitragserhebung zweistufigen Willensbildung (dazu BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 12, s. o. c)) hat die Beklagte, indem sie am 3. November 2011 den Wirtschaftsplan in Abschnitt I der Wirtschaftssatzung neugefasst hat, die erste Stufe der Willensbildung erneut betreten. Eine Änderung des Wirtschaftsplans durch Nachträge ist jedenfalls bis zum Abschluss des Geschäftsjahres möglich (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 86 f.). Wie bereits ausgeführt, steht auf erster Stufe der Willensbildung der Wirtschaftsplan. Der Wirtschaftsplan prognostiziert vor dem Hintergrund der in dem Geschäftsjahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

59

Der Maßgeblichkeit des erst am 3. November 2011 neu festgestellten Wirtschaftsplans im hiesigen Beitragsprozess steht nicht entgegen, dass das prozessual mit der Anfechtungsklage zu verfolgende Aufhebungsbegehren gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur dann Erfolg hat, wenn der Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 rechtswidrig ist. Selbst dann, wenn im Hinblick auf den prozessual geltend gemachten Aufhebungsanspruch auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 14. Juli 2011 abgestellt würde, müssen doch auch solche Änderungen in der Mittelbedarfsfeststellung Berücksichtigung finden, die die abstrakte Festsetzung der Beiträge rückwirkend rechtswidrig und damit unwirksam machen. Ohne rechtswirksame abstrakte Festsetzung der Beiträge fehlt der konkreten Festsetzung des Beitrags durch Bescheid die Rechtsgrundlage. Die abstrakte Festsetzung der Beiträge in Abschnitt I WirtS 2011 ist nur dann rechtmäßig und damit rechtswirksam, wenn sie einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs nach dem als Maßgabe dienenden Wirtschaftsplan entspricht. Der Wirtschaftsplan bildet eine auf das jeweilige Geschäftsjahr bezogene Sinneinheit. Für das Geschäftsjahr 2011 ist er durch den Zweiten Nachtrag der Wirtschaftsplan insgesamt und damit rückwirkend ab dem 1. Januar 2011 neu festgestellt worden.

60

Der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 in der Gestalt vom 3. November 2011 dient als Maßgabe der Beitragserhebung für das Geschäftsjahr 2011 unabhängig davon, wann der einzelne Beitragsbescheid erlassen worden ist. Die Beklagte hat mit dem (streitgegenständlichen) ersten Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 eine vorläufige Veranlagung zu einem Beitrag von 153,-- Euro ausgesprochen. Der erste Beitragsbescheid ließ – als „vorläufige Veranlagung“ – eine endgültige Abrechnung zu einem späteren Zeitpunkt offen. Auf der kalkulatorischen Grundlage der endgültigen Abrechnung war in dem Fall, dass sich für das Geschäftsjahr ein Minderbetrag ergeben würde, der erste Beitragsbescheid durch einen zweiten Beitragsbescheid teilweise aufzuheben, und in dem Fall, dass sich ein Mehrbetrag ergeben würde, neben dem fortbestehenden ersten Beitragsbescheid eine weitere Festsetzung durch einen zweiten Beitragsbescheid vorzunehmen. Eben dies ist mit dem (nicht streitgegenständlichen) Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 geschehen (s. o. 1.). Unabhängig vom Erlassdatum des ersten oder auch des zweiten Beitragsbescheids sucht die konkrete Festsetzung der Kammerbeiträge für das Geschäftsjahr 2011 ihre Rechtsgrundlage in der abstrakten Festsetzung der Beiträge in Abschnitt II WirtS 2011, als deren Maßgabe der Wirtschaftsplan in Abschnitt I WirtS 2011 dient.

61

e) Die der abstrakten Festsetzung der Beiträge in Abschnitt II WirtS 2011 zugrundeliegende Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer gemäß dem Wirtschaftsplan in Abschnitt I WirtS 2011 ist zulasten der Beitragspflichtigen fehlerhaft. Dies folgt zunächst daraus, dass im Wirtschaftsplan der Höhe nach sachlich nicht gerechtfertigte Rücklagen aufrechterhalten und die entsprechenden Mittel nicht zugunsten der Beitragspflichtigen zur Begleichung der Kosten der Kammertätigkeit im Geschäftsjahr 2011 freigegeben worden sind. Im Einzelnen betroffen sind die Ausgleichsrücklage (hierzu unter aa)), die Umbau-/Instandhaltungsrücklage (hierzu unter bb)), die Rücklage für Sonderprojekte (hierzu unter cc)) und etwaig auch – was jedoch letztlich dahinstehen kann – die Rücklage BID N. (hierzu unter dd)). Die Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer für das Geschäftsjahr 2011 ist unabhängig davon deshalb fehlerhaft, weil der vorhandene positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nach der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 keiner sachlichen Verwendung zugeführt werden sollte (hierzu unter ee)).

62

aa) Die Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro ist dem Grunde nach gerechtfertigt, aber der Höhe nach nicht angemessen.

63

Die Ausgleichsrücklage ist im Geschäftsjahr 2011 in Höhe von 20.500.000,-- Euro aufrechterhalten worden. Zuvor war diese Rücklage im Zuge der Ergebnisverwendung des Jahres 2009 um 1.000.000,-- Euro von 19.000.000,-- Euro auf 20.000.000,-- Euro erhöht worden (Plenarsitzung v. 1.7.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 7). Sodann hatte die Beklagte die Erlöse aus der Auflösung von Jubiläumsrückstellungen in Höhe von 186.418,-- Euro in die Ausgleichsrücklage eingestellt, die somit in der am 25. März 2011 von Präses und Hauptgeschäftsführer vorgelegten Bilanz 2010 eine Höhe von 20.186.418,-- Euro aufwies (Jahresabschluss 2010, S. 19). Eine weitere Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 313.582,-- Euro auf 20.500.000,-- Euro hatte das Plenum am 7. Juli 2011 zur teilweisen Verwendung des Ergebnisses aus 2010 vorgenommen (Plenarsitzung v. 7.7.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 7 f.). Im Zuge der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 sind alle Rücklagen in der Höhe aufrechterhalten worden, die sie in dem vom Plenum am 7. Juli 2011 beschlossenen Jahresabschluss 2010 erreicht hatten. Der Wirtschaftsplan ist in Abschnitt I WirtS 2011 im Erfolgsplan mit dem Saldo der Rücklagenveränderung in Höhe von 0,-- Euro festgestellt worden. Der zugrundeliegende Erfolgsplan weist unter Nr. 22 Buchst. a und b Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage und anderen Rücklagen von je 0,-- Euro sowie unter Nr. 23 Buchst. a und b Einstellungen in die Ausgleichsrücklage und andere Rücklagen von ebenfalls je 0,-- Euro aus. Die nachträgliche Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 500.000,-- Euro gemäß dem am 5. Juli 2012 erstellten Jahresabschluss 2011 bleibt hinsichtlich der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 unberücksichtigt, da sie erst nach dessen Ende vorgenommen worden ist.

64

Dem Grunde nach ist die Ausgleichsrücklage für das Geschäftsjahr 2011 allerdings rechtmäßig. Eine Ausgleichsrücklage dient der Vorsorge, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch bei Schwankungen im Beitragsaufkommen aufrecht zu erhalten, und damit einem dem Grunde nach hinreichenden sachlichen Zweck. Das im Geschäftsjahr 2011 aufrechterhaltene Maß der Ausgleichsrücklage ist jedoch, entgegen den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 18, s. o. c)), nicht mehr vom sachlichen Zweck gedeckt. Die überhöhte Rücklage hätte im Zuge der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 auf ein zulässiges Maß zurückgeführt werden müssen.

65

Zwar überschreitet die Höhe der Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro (gerade noch) nicht den durch das – ältere und auf das Geschäftsjahr 2011 anwendbare – Finanzstatut (v. 2.6.2005, Amtl. Anz. 2006, S. 329 – FSt 2005) gezogenen Rahmen. Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 ist, um Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen, eine Ausgleichsrücklage anzusammeln, die zwischen 30 und 50 v. H. der Betriebsaufwendungen beträgt. Die Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro erreicht 49,6 v. H. des in Abschnitt I WirtS 2011 veranschlagten Betriebsaufwands von 41.337.000,-- Euro. Besteht nach dem Finanzstatut der Industrie- und Handelskammer bei der Bildung des Haushaltsansatzes für eine Rücklage ein Beurteilungsspielraum, darf das Gericht nicht seine Beurteilung an die Stelle der behördlichen Einschätzung setzen, es hat jedoch zu prüfen, ob allgemeingültige Wertungsmaßstäbe beachtet sind (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., 2. Ls., Rn. 20). Hält sich die Rücklage in dem vom Finanzstatut gezogenen Rahmen ist damit aber im Allgemeinen keine Vermutung der Angemessenheit verbunden (a. A. noch VGH München, Beschl. v. 30.7.2012, 22 ZB 11.1509, juris Rn. 34; VG Braunschweig, Urt. v. 20.4.2017, 1 A 40/16, UA S. 12 f.; VG München, Urt. v. 20.1.2015, M 16 K 13.2277, juris Rn. 18), sondern bleibt insbesondere das haushaltsrechtliche Gebot der Schätzgenauigkeit zu prüfen (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20; VGH Mannheim, Urt. v. 2.11.2016, 6 S 1261/14, juris Rn. 36; VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 345). Ob davon eine Ausnahme dann zu machen ist, wenn sich die Ausgleichsrücklage an der Untergrenze des durch das Finanzstatut gezogenen Rahmens bewegt und lediglich 26, 30 oder 36,82 v. H. des Betriebsaufwands erreicht (so VG Köln, Urt. v. 15.2.2017, 1 K 1473/16, GewArch 2017, 194, juris Rn. 82, zustimmend VG Schleswig, Urt. v. 15.2.2018, 12 A 173/16, juris Rn. 33; VG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2017, 20 K 5579/17, juris Rn. 35; VG Mainz, Urt. v. 10.11.2017, 4 K 1310/16.MZ, juris Rn. 28), kann dahinstehen, da die Ausgleichsrücklage der Beklagten im Geschäftsjahr 2011 nahezu die Höchstgrenze von 50 v. H. des geplanten Betriebsaufwands ausmacht.

66

Das Gebot der Schätzgenauigkeit erfordert eine Prognose, die aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfällt. Die Prognose muss sich im Fall der Ausgleichsrücklage darauf beziehen, in welcher Höhe Schwankungen im Beitragsaufkommen zu besorgen sind. Einerseits müssen die in Ansatz gebrachten Schwankungen im Beitragsaufkommen weder sicher noch auch nur überwiegend wahrscheinlich sein. Vielmehr sind aller Voraussicht nach im Geschäftsjahr eintretende Einbußen bereits im Haushaltsansatz des Beitragsaufkommens zu berücksichtigen, da dieser Haushaltsansatz ebenfalls dem haushaltsrechtlichen Gebot der Schätzgenauigkeit unterliegt. Die Ausgleichsrücklage sichert das ungewisse Risiko zu befürchtender Beitragsausfälle ab. Andererseits dürfen die angenommenen Schwankungen im Beitragsaufkommen auch nicht so unwahrscheinlich sein, dass ihre Annahme rein spekulativ erscheint oder das abgesicherte Risiko nur in einem fernliegenden „worst case“ eintreten kann. Eine nachvollziehbare Prognose bedarf einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Die vorliegend in Ansatz gebrachte Ausgleichsrücklage könnte daher nur mit einer auf hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten gründenden Prognose gerechtfertigt werden, dass die mit ihr auszugleichenden Schwankungen im Beitragsaufkommen möglicherweise bis fast zur Hälfte des Betriebsaufwands reichen könnten. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20), die für eine Liquiditätsrücklage von annähernd 50 v. H. der laufenden Ausgaben gefordert hat, dass das Risiko eines kurzfristigen Liquiditätsausfalls in dieser Höhe sich aus Erfahrungen der Beitragsveranlagungen belegen läßt.

67

Ausgehend von diesem Maßstab findet die fast vollständige Ausschöpfung des vom Finanzstatut gezogenen Rahmens bis nahe an die Höchstgrenze von 50 v. H. des Betriebsaufwands keine Rechtfertigung. Im Einzelnen:

68

Tatsächliche Anhaltspunkte, aufgrund derer das Risiko von Beitragsschwankungen mit fast der Hälfte des Betriebsaufwands hätte abgeschätzt werden können, ergeben sich weder aus den Beschlüssen des Plenums, die bis zum Ende des Geschäftsjahres 2011 die Ausgleichsrücklage auf 20.500.000,-- Euro haben anwachsen lassen, noch aus den Protokollen vorbereitender Gremiensitzungen. Bei Einführung der Ausgleichsrücklage mit einer Bandbreite zwischen 30 bis 50 v. H. des Betriebsaufwands durch § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 heißt es zur Erläuterung lediglich, „die zwingend vorgeschriebene Ausgleichsrücklage solle 30-50 Prozent des Jahresbudgets betragen“ (Plenarsitzung v. 2.6.2005, TOP 6, S. 9 f.). Hinsichtlich der letzten Erhöhungen der Ausgleichsrücklage bis zu dem Stand im Geschäftsjahr 2011 ist in den Protokollen der Gremiensitzungen allenfalls dokumentiert, dass ohne die Erhöhung der durch § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 gezogene Rahmen noch nicht ausgeschöpft sei, aber kein sachlicher Grund dafür dargelegt, weshalb eine solche Ausschöpfung angezeigt sein könnte. Eine Erhöhung einer Rücklage, nur weil die Erhöhung nicht bereits vom Finanzstatut verboten ist, bliebe ohne einen auf den sachlichen Zweck der Rücklage bezogene Rechtfertigung und wäre damit sachfremd. Eine Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 1.000.000,-- Euro auf 20.000.000,-- Euro unter teilweiser Verwendung des Ergebnisses des Jahres 2009 hat das Plenum am 1. Juli 2010 ohne dokumentierte Diskussion beschlossen (Plenarsitzung v. 1.7.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 7). Der entsprechende Vorschlag des Innenausschusses (Sitzung des Innenausschusses v. 10.5.2010, TOP 1 Jahresabschluss 2009, S. 2) lässt keine Begründung erkennen. Innerhalb des Präsidiums (Sitzung des Präsidiums v. 3.6.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 4) ist insoweit lediglich geäußert worden, dass zur Ergebnisverwendung „entsprechend dem gewachsenen Betriebsaufwand 1 Millionen Euro der Ausgleichsrücklage, 1,5 Millionen Euro der Rücklage für Pensionsrisiken und 0,5 Millionen Euro der Umbau- und Instandhaltungsrücklage zuzuführen“ seien. Sodann hat die Beklagte die Erlöse aus der Auflösung von Jubiläumsrückstellungen in Höhe von 186.418,-- Euro in die Ausgleichsrücklage eingestellt, die somit in der am 25. März 2011 von Präses und Hauptgeschäftsführer vorgelegten Bilanz 2010 eine Höhe von 20.186.418,-- Euro aufwies (Jahresabschluss 2010, S. 19). Eine weitere Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 313.582,-- Euro hat das Plenum am 7. Juli 2011 zur teilweisen Verwendung des Ergebnisses aus 2010 vorgenommen (Plenarsitzung v. 7.7.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 7 f.). Nähere Begründungen finden sich in den Sitzungsniederschriften des Innenausschusses (v. 11.5.2011), des Präsidiums (v. 9.6.2011) und des Plenums (v. 7.7.2011) nicht. In der Beschlussvorlage an das Präsidium (v. 31.5.2011) ist nur ausgeführt, zunächst solle „die Ausgleichsrücklage wieder dicht an den möglichen Wert (50 % des Betriebsaufwands) ‚aufgerundet‘ werden“.

69

Auch im Übrigen finden sich keine tatsächlichen Anhaltspunkte, die ex ante eine Prognose von Beitragsschwankungen bis zu 50 v. H. des Betriebsaufwands zugelassen hätten. Die Beklagte bringt schriftsätzlich vor, zu Schwankungen im Beitragsaufkommen könnten konjunkturbedingte Schwankungen, der Ausfall einzelner großer Beitragszahler und die Orientierung des Kammerbeitrags an dem erst nach mehreren Jahren endgültig feststehenden Gewerbeertrag führen. Soweit die Beklagte zum Zweck der Quantifizierung Zahlen vorlegt, sind diese nur rechnerisch nachvollziehbar. Die Beklagte veranschlagt für konjunkturelle Schwankungen 15 v. H. der geplanten Beiträge, ausgehend davon, dass das Gewerbesteueraufkommen in den Jahren 1999 bis 2001 um 17 v. H. und in den Jahren 2008 bis 2009 um 19 v. H. rückläufig gewesen sei. Der Anteil von 15 v. H. müsse multipliziert werden mit zwei bis vier, um zwei bis vier Jahre andauernde Schwankungen abzubilden. Für das Risiko des Ausfalls großer Beitragszahler werde ein weiterer Betrag von 1.000.000,-- Euro angesetzt, dies entspreche dem Beitrag der beiden größten einzelnen Beitragszahler. Für das Schwankungsrisiko endgültiger Beitragsabrechnungen werde der Zehnjahresdurchschnitt der Umlagen aus dem Vorjahr angenommen und dieser Wert um 1.000.000,-- Euro verringert. Dieses von der Beklagten vorgetragene Rechenmodell entbehrt einer nachvollziehbaren tatsächlichen Grundlage. Zum einen ist bereits die gedankliche unmittelbare Anknüpfung der Höhe der Ausgleichsrücklage an das erwartete Beitragsaufkommen unplausibel. Da ein Anteil von zweimal bis viermal 15 v. H., also 30 bis 60 v. H., des Beitragsaufkommens veranschlagt wird, wäre nach der Berechnung der Beklagten die Ausgleichsrücklage umso höher anzusetzen, je höher das zu erwartende Beitragsaufkommen ist. Dies ist nicht nachvollziehbar. Zum anderen lässt sich die Höhe der Ausgleichsrücklage entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht auf die Erfahrungen der Beitragsveranlagungen der vergangenen Jahre stützen. Dazu im Folgenden:

70

Wie hoch die einzelnen Rücklagen sein dürfen, hängt hinsichtlich der eingehenden Mitgliedsbeiträge von bestehenden Erfahrungen der Kammer selbst und sonst von den anstehenden Finanzierungsvorhaben ab (Wiemers, NVwZ 2016, 615, 616). Zwar wäre der Umkehrschluss nicht richtig, dass die Bildung oder Beibehaltung von Rücklagen allein deswegen ausgeschlossen wäre, weil in der Vergangenheit befürchtete Risiken tatsächlich nicht eingetreten sind (VG Mainz, Urt. v. 10.11.2017, 4 K 1310/16.MZ, juris Rn. 28 a. E.). Doch bedarf es stets positiv tragfähiger Anhaltspunkte, die im jeweiligen Geschäftsjahr ex ante die Bildung oder Beibehaltung einer Rücklage in bestimmter Höhe vertretbar erscheinen lassen. Dabei sind insbesondere die Erfahrungen in den letzten Jahren zu berücksichtigen (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 372). Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20) hat gefordert, dass ein der Rücklage entsprechendes Risiko sich aus den Erfahrungen der Beitragsveranlagungen belegen lassen muss.

71

In die für das Geschäftsjahr 2011 anzustellende Risikoprognose hätte die Beklagte ihre Erfahrung einstellen müssen, dass sie die Ausgleichsrücklage in der Vergangenheit zu keiner Zeit – selbst nicht in den Zeiten der Finanzkrise – hatte in Anspruch nehmen müssen. Die Ausgleichsrücklage dient der Vorsorge, um bei einem verringerten Beitragsaufkommen die Kammertätigkeit fortzuführen. Sie ist über Jahre hinweg ungeachtet konjunktureller Schwankungen nicht verringert, sondern noch erhöht worden. Musste die Ausgleichsrücklage in der Vergangenheit bei konjunkturellen Krisen nicht in Anspruch genommen werden, so bedarf es besonderer Umstände, aus denen sich das durch die Rücklage abzusichernde Risiko schwankender Beitragsaufkommen erhöht, um zu rechtfertigen, dass sie bis zur Höchstgrenze aufrechterhalten wird. An solchen besonderen Umständen fehlt es jedoch.

72

Aus der Wirtschaftskrise 2008/2009 ergibt sich kein risikoerhöhender Umstand für das Beitragsaufkommen 2011. Vielmehr hat die Beklagte bereits in der Beschlussvorlage zur ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans 2011 (Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, S. 2) die Einschätzung mitgeteilt:

73

„Offensichtlich hat die Unternehmenssteuer-Reform des Jahres 2007 mit der veränderten Ermittlung des steuerlichen Gewerbeertrags ab 2008 zu einer Ausweitung der Gewerbeerträge geführt und somit die aus der Wirtschaftskrise resultierenden Einbußen ausgeglichen.“

74

Überdies hat die Beklagte – im Spannungsverhältnis zu ihrer soeben wiedergegebenen Einschätzung – die Auswirkungen der Wirtschaftskrise 2008/2009 bei dem für das Geschäftsjahr 2011 erwarteten Beitragsaufkommen mindernd in Ansatz gebracht und ausgeführt (Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, S. 3):

75

„Für die Erträge aus Handelskammerbeiträgen erwarten wir 35.325 TEUR (Plan 2010 mit Nachtrag 44.120 TEUR). Für die Veranlagung 2011 haben wir dabei konstante Bemessungsgrundlagen unterstellt; bei Reduzierung des Umlagesatzes von 0,31 auf 0,28 % des Gewerbeertrages ergäbe sich somit für die Position Umlagen lfd. Jahr im Vergleich zu 2010 ein Minus von knapp 2,9 Mio. EUR; wegen der insbesondere bei den Abrechnungen 2009 wirksam werdenden Auswirkungen der Finanzmarktkrise haben wir bei den Veranlagungen für alte Jahre sehr vorsichtig kalkuliert und gehen von einem Minus von 6 Mio. EUR gegenüber dem aktualisierten Plan 2010 aus. Bei voraussichtlich gleich bleibenden Mitgliederzahlen werden sich die Grundbeiträge etwa auf dem Niveau des Jahres 2010 bewegen.“

76

Eine zusätzliche Berücksichtigung von – zumal durch die Beklagten selbst in Abrede gestellten – negativen Auswirkungen der Wirtschaftskrise 2008/2009 bei der Ausgleichsrücklage erscheint daher ausgeschlossen.

77

Besondere neue Gesichtspunkte, die geeignet gewesen wären, die hohe Ausgleichsrücklage zu rechtfertigen, sind auch nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres 2011 aufgetreten. In dem am 25. März 2011 erstatteten Lagebericht zur Bilanz 2010 haben Präses und Hauptgeschäftsführer ausgeführt: Die Hamburger Wirtschaft habe sich nach dem krisenbedingten Tief im ersten Quartal 2009 schnell erholt und es zeige sich nach Wirtschaftszweigen ein durchgehend positives Bild (S. 5). Die Arbeit der Beklagten habe 2010 überwiegend im Zeichen der wirtschaftlichen Erholung gestanden (S. 6). Besondere Risiken, die für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Beklagten von Bedeutung sein könnten, bestünden nicht (S. 11). Die Geschäftsführung hat in Vorbereitung des Jahresabschlusses 2010 erläutert (Sitzung des Innenausschusses v. 11.5.2011, TOP 1 Jahresabschluss 2010, S. 2), dass die allgemeine Beitragsentwicklung ausgesprochen positiv zu bewerten sei, es „zeige der Beitragsverlauf des aktuellen Jahres, dass mit Einbrüchen nicht zu rechnen sei“. In Vorbereitung des Zweiten Nachtrags zum Wirtschaftsplan 2011 hat die Geschäftsführung (Sitzung des Innenausschusses v. 19.9.2011, TOP 1 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2) „von der weiterhin positiven Beitragsentwicklung“ berichtet, „der erwartete Rückgang der Beiträge aufgrund der Senkung des Umlagesatzes und der Auswirkungen der Lehman-Krise 2008/2009 sei ausgeblieben“.

78

bb) Die im Geschäftsjahr 2011 aufrechterhaltene Umbau-/Instandhaltungsrücklage ist allenfalls dem Grunde nach rechtmäßig, jedenfalls aber überhöht.

79

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage war im Zuge des Jahresabschlusses 2009 am 1. Juli 2010 von 6.333.439,80 Euro um 500.000,-- Euro auf 6.833.439,80 Euro erhöht worden (vgl. Jahresabschluss 2009, S. 4). Mit dem erst nach dem Jahresabschluss 2009 beschlossenen Ersten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2010 (v. 4.11.2010, Amtl. Anz. S. 2234, vorbereitend Präsidiumssitzung v. 7.10.2010, TOP 3 b Nachtragswirtschaftsplan 2010, S. 5) war ein weiterer Betrag von 4.300.000,-- Euro in die Umbau-/Instandhaltungsrücklage eingestellt worden. Die Rücklage hat damit im Geschäftsjahr 2011 entsprechend dem im Jahresabschluss 2010 am 7. Juli 2011 ausgewiesenen Stand eine Höhe von 11.133.439,80 Euro erreicht. Die nachfolgende Erhöhung der Rücklage für Umbauten um 8.000.000,-- Euro sowie für Instandhaltungen um 2.000.000,-- Euro im Zuge des Jahresabschlusses 2011 am 5. Juli 2012 ist im Geschäftsjahr 2011 nicht mehr wirksam geworden und bleibt deshalb für die Wirtschaftsplanung 2011 außer Betracht.

80

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage könnte dem Grunde nach rechtmäßig sein, was aber letztlich dahinstehen kann. Der Bildung dieser Rücklage steht jedenfalls nicht bereits das Satzungsrecht entgegen. Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 und 4 FSt 2005 dürfen neben der verpflichtend vorgesehenen Ausgleichsrücklage „andere Rücklagen“ gebildet werden. Wie jede Rücklage bedarf die Umbau-/Instandhaltungsrücklage mit Rücksicht auf das eine bloße Vermögensmehrung verbietende Kostendeckungsprinzip der Rechtfertigung durch einen hinreichenden sachlichen Zweck (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20). Dieser sachliche Zweck bedarf aufgrund dessen einer weitergehenden (besonderen) Konkretisierung als dies bei der (allgemeinen) Ausgleichsrücklage zu fordern ist. Dieses gesetzliche Erfordernis kommt nunmehr zum Ausdruck in dem – neueren und für das Geschäftsjahr 2011 allerdings nicht anwendbaren – Finanzstatut der Beklagten (v. 23.5.2013, Amtl. Anz. S. 915 – FSt 2013), wonach die Bildung von „zweckbestimmten Rücklagen“ („anderen Rücklagen“) zulässig ist, jedoch der Verwendungszweck und der Umfang hinreichend zu konkretisieren sind (§ 15a Abs. 2 Satz 3 bis 5 FSt 2013). Teilweise wird bereits aus dem Gesetz gefolgert, dass „andere Rücklagen“ als die Ausgleichsrücklage einer strengen Zweckbindung unterliegen und fest umrissen ein genau definiertes Risiko abdecken, ihre Bildung auch mit einem Zeitplan unterlegt ist, innerhalb dessen die Rücklagen für den vorgesehenen Zweck zu verbrauchen (aufzulösen) sind (Jahn, GewArch 2016, 263, 267). Bei strenger Handhabung dieser Vorgaben wäre die Aufrechterhaltung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage im Geschäftsjahr 2011 bereits dem Grunde nach zumindest zweifelhaft. Eine sachliche Konkretisierung geringen Grades und auch nur hinsichtlich eines Teil des Rücklagenzwecks könnte jedoch daraus hergeleitet werden, dass der Immobilienbestand im Verwaltungsgebrauch der Beklagten in einem funktionsfähigen Zustand gehalten werden muss. Eine zeitliche Konkretisierung könnte hinsichtlich des Teilzwecks „Instandhaltung“ dann für entbehrlich gehalten werden, wenn auf einen sich etwaig unerwartet aktualisierenden Instandhaltungsbedarf abgestellt würde. Hinsichtlich des Teilzwecks „Umbau“ bietet sich allerdings keine entsprechende Möglichkeit einer Rechtfertigung. Wenngleich die von der Beklagten vorgebrachte Überlegung, die für bauliche Maßnahmen oder ähnliche erhebliche Investitionsmaßnahmen voraussichtlich benötigten Mittel vorher sukzessive aufzubauen, nachvollziehbar ist, muss doch zumindest für eine Rücklage für eine über die bloße Instandhaltung hinausgehende Sanierungs- oder Umbaumaßnahme bereits ein gewisser sachlicher und zeitlicher Planungsstand erreicht sein, um mit der Rücklagenbildung nicht eine bloße Vermögensmehrung auf Vorrat zu betreiben.

81

Jedenfalls der Höhe nach ist die Umbau-/Instandhaltungsrücklage im Geschäftsjahr 2011 nicht zu rechtfertigen. Das Maß der Rücklage ist entgegen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigten Anforderungen nicht vom sachlichen Zweck der Rücklage gedeckt.

82

Dabei kann dahinstehen, ob dem Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris Rn. 45) darin zu folgen ist, dass bereits die in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 ausgewiesene Umbau-/Instandsetzungsrücklage von damals 5.333.439,80 Euro – die 10 v. H. des damaligen Versicherungswerts der von der Beklagten genutzten Gebäude A.-Straße x und S.-Straße x entsprach – überhöht war. Auch die Rechtmäßigkeit der weiteren, geringeren Erhöhungen der Rücklage bis zum Stand von 6.833.439,80 Euro im Jahresabschluss 2009 kann dahinstehen. Jedenfalls hätte die am 4. November 2010 vorgenommene erhebliche Aufstockung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage um 4.300.000,-- Euro im Geschäftsjahr 2011 nicht aufrechterhalten bleiben dürfen. Ein noch bei Abschluss der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 am 3. November 2011 tragfähiger Grund für die erhöhte Rücklage ist nicht ersichtlich.

83

Keine Rechtfertigung findet die erhöhte Rücklage darin, dass sich im Jahr 2011 im Handelskammergebäude im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss an der Verbindung zwischen dem Börsensaal und dem Foyer Risse gezeigt hatten (dazu Beschlussvorlage für die Präsidiumssitzung v. 9.6.2011, TOP 3 Jahresrechnung 2010, S. 2). Innerhalb des Präsidiums (Sitzung v. 9.6.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 6) war allerdings zunächst angemerkt worden, dass die „Risse im Eingangsbereich des Handelskammergebäudes, […] erhebliche Renovierungskosten“ nach sich zu ziehen drohten, und insoweit ein Betrag von 4.300.000,-- Euro genannt worden. Doch hat der Hauptgeschäftsführer in einer weiteren Präsidiumssitzung (Sitzung v. 6.10.2011, TOP 3 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2) diesen Befürchtungen die Grundlage entzogen, indem er erläutert hat:

84

„Die ursprünglich geplanten Rücklagen für die Sanierung des Gebäudes unserer Handelskammer aufgrund des Risses in der Fassade würden voraussichtlich nicht in der Höhe benötigt werden. Das vorliegende Gutachten eines renommierten Hamburger Architekten beziffere die notwendigen Ausgaben zur Beseitigung des Risses auf lediglich mehrere 10.000 Euro. Eine größere Instandsetzung sei nach Auffassung dieses Architekten nicht notwendig.“

85

Wenngleich der Präses sich in der Präsidiumssitzung „aufgrund der potentiell drohenden Schäden für das Gebäude“ für ein „zweites Gutachten in Bezug auf die Sanierung des Gebäudes“ ausgesprochen hat, ist kein belastbarer Anhaltspunkt dafür ersichtlich, die vorherige Erhöhung der Rücklage um 4.300.000,-- Euro aus einem lediglich „potentiellen“ Grund aufrechtzuerhalten.

86

Die 2010 vorgenommene Erhöhung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage um 4.300.000,-- Euro lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass das Plenum 2011 die Entscheidung zugunsten eines Erweiterungsbaus getroffen hat (Plenarsitzung v. 3.3.2011, TOP 3 Beschlussfassung über einen Erweiterungsbau der Handelskammer „Handelskammer Innovations-Campus, HKIC“, S. 7 f.). Für das Gesamtprojekt wurde dabei ein Bedarf von 13.592.000,-- Euro in Ansatz gebracht. In der Finanzplanung für das Geschäftsjahr 2011 wurden gemäß dem Ersten Nachtrag zum Wirtschaftsplan zunächst Investitionskosten von 6.997.000,-- Euro veranschlagt (Beschlussvorschlag in Anlage 2 b zu TOP 5 zu der auf den 3.3.2011 vertagten Plenarsitzung v. 3.2.2011, S. 1, S. 3, Nr. 11 im Finanzplan) und dieser Ansatz sodann im Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan (Beschlussvorschlag in Anlage TOP 4 b zur Plenarsitzung v. 3.11.2011, S. 2, S. 6, Nr. 11 im Finanzplan) wegen aufgetretener Verzögerungen verringert. Keinen Raum ließ die Investitionsentscheidung für eine – nochmalige – Berücksichtigung bei der Umbau-/Instandhaltungsrücklage. Die Aktualisierung von Umbauplänen unter Ansatz entsprechender Aufwendungen im Wirtschaftsplan deutet eher darauf hin, die Berechtigung einer bisherigen Rücklage für noch nicht aktuelle Baumaßnahmen zu überdenken. Eine Sicherheitsreserve für Unvorhergesehenes war bereits innerhalb der in Ansatz gebrachten Investitionskosten des Gesamtprojekts Erweiterungsbau i. H. v. 1.500.000,-- Euro veranschlagt worden.

87

Ferner durfte die Beklagte im Geschäftsjahr 2011 die um 4.300.000,-- Euro erhöhte Umbau-/Instandhaltungsrücklage nicht deshalb aufrechterhalten, weil das am 5. April 2012 und damit nach Abschluss des Geschäftsjahres 2011 vorgelegte Architektengutachten einen Mittelbedarf für beabsichtigte Sanierungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Erhaltung der Bausubstanz von 14.747.235,65 Euro ausweist. Aus der späteren Vorlage des Architektengutachtens kann nicht darauf geschlossen werden, dass bereits im Geschäftsjahr 2011 eine Rücklage in dieser Größenordnung für damals anstehende Umbau- oder Instandhaltungsmaßnahmen berechtigt gewesen wäre. Die Beklagte selbst hat das Architektengutachten nicht als nachträgliche Rechtfertigung der übernommenen Rücklagenhöhe gebraucht, sondern im Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2011 am 5. Juli 2012 und damit im zeitlichen Zusammenhang mit der Vorlage des Architektengutachtens die Rücklage für Umbauten um weitere 8.000.000,-- Euro sowie für Instandhaltungen um weitere 2.000.000,-- Euro auf insgesamt 21.133.439,80 Euro erhöht.

88

Schließlich rechtfertigt sich die Höhe der Umbau-/Instandhaltungsrücklage nicht aus den kleineren und größeren laufenden Arbeiten und Instandhaltungen an den Kammergebäuden. So waren bereits nach der ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans für das Geschäftsjahr 2011 für laufende Instandhaltung und größere Umbaumaßnahmen insgesamt 1.560.000,-- Euro vorgesehen, darunter für die Dachsanierung über dem Börsensaal 300.000,-- Euro, für den Austausch von Fenstern im Obergeschoss an der Johannisstraße 100.000,-- Euro, für die Modernisierung der Klimatechnik in den Sitzungssälen 150.000,-- Euro sowie den Abschluss der Modernisierung der Commerzbibliothek 300.000,-- Euro (Beschlussvorschlag, Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, Wirtschaftsplan 2011, S. 5). Für zunächst bereits im Vorjahr 2010 beabsichtigt gewesene und erst im Geschäftsjahr 2011 durchgeführte Instandhaltungsmaßnahmen wurde der geplante Aufwand um etwa 300.000,-- Euro erhöht (Beschlussvorschlag, Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, Zweiter Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2).

89

cc) Die Rücklage für Sonderprojekte, in die im Geschäftsjahr 2011 ebenso wie in den Vorjahren durchgängig ein Betrag von 3.900.000,-- Euro eingestellt war, ist überhöht.

90

Eine Rechtmäßigkeit dieser Rücklage dem Grunde nach kann dahinstehen. Es könnte an jeglicher sachlicher und zeitlicher Konkretisierung fehlen, so dass die vom Bundesverwaltungsgericht als zwingende Voraussetzung geforderte Einhaltung des Gebots der Schätzgenauigkeit unmöglich sein könnte. Für eine Rechtmäßigkeit könnte allenfalls ins Feld geführt werden, dass auf Ausgabenseite unvorhergesehene und unvorhersehbare Umstände während des laufenden Geschäftsjahres zu entsprechenden Aufwendungen für unvorhergesehene Vorhaben („Sonderprojekte“) führen können, so dass für das Unvorhergesehene vorab Mittel reserviert werden könnten. Die Beklagte bringt hierzu vor, die Rücklage solle kurzfristige Handlungsspielräume für notwendige ad-hoc-Aktivitäten schaffen.

91

Zumindest ist die Rücklage der Höhe nach rechtswidrig. Da im Geschäftsjahr geplante Aufwendungen wegen des Gebots der Schätzgenauigkeit bereits im Betriebsaufwand zu berücksichtigen sind, können Rücklagen neben dem Risiko zukünftiger Ertragsausfälle (dazu s. o. aa)) nur das Risiko bestimmter zukünftiger, noch nicht aktueller Aufwendungen abdecken. Es ist nicht nachvollziehbar, dass noch nicht im Betriebsaufwand berücksichtigte „Sonderprojekte“ in Höhe von immerhin 9,6 v. H. des Betriebsaufwands von 41.337.000,-- Euro zu erwarten gewesen wären. Falls die Rücklage für Sonderprojekte dem Grunde nach gerechtfertigt wäre, so trüge diese Rechtfertigung allein die Vorsorge für unvorhersehbare Projekte mit einem Aufwand in einer gegenüber dem Gesamthaushalt untergeordneten, eine gesonderte Nachtragswirtschaftsplanung nicht rechtfertigenden Höhe. Das Plenum muss die Entscheidungen über die wesentlichen Haushaltsansätze selbst konkret treffen und darf sie nicht dem Präsidium oder der Geschäftsführung der Kammer überlassen. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, das Plenum habe in Ausübung seines Beurteilungsspielraums über die Rücklagenhöhe entschieden und andere Organe könnten im Rahmen der getroffenen grundlegenden Weichenstellungen agieren, dürfte dies in dieser Allgemeinheit hier nicht zutreffend sein. Denn in der erheblichen Größenordnung von einem Zehntel des Betriebsaufwands fehlt es an grundlegenden Weichenstellungen durch das Plenum als Haushaltsgeber.

92

Auch der Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, bei jedem Bauprojekt bringe der Architekt einen Anteil von 10 v. H. für Unvorhergesehenes in Ansatz, lässt keine Rechtfertigung der Höhe des Rücklage für Sonderprojekte erkennen. Es steht nicht die Abschätzung des sich in der Zukunft entwickelnden Aufwands für ein sachlich und zeitlich bestimmt bezeichnetes Vorhaben in Rede. Vielmehr dient die Rücklage für Sonderprojekte der Vorsorge dazu, die Kosten für in der Zukunft erst noch ad hoc aufzugreifende Vorhaben zu decken.

93

Der von der Beklagten vorgetragene Strauß an möglichen Sonderprojekten ist nicht geeignet, die Rücklagenhöhe zu rechtfertigen. Die Beklagte trägt vor, dass 1.000.000,-- Euro für „standortpolitisch bedeutsame Projekte“, 2.000.000,-- Euro für die Unterstützung einer neuen Olympia-Bewerbung, eventuelle Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 sowie die „aktuelle Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten“ und weitere 900.000,-- Euro ohne besondere Zuordnung in Ansatz gebracht worden seien. Die Vielfalt denkbarer Zwecke verdeutlicht, dass es zumindest bei einer Rücklage in der in Rede stehenden Größenordnung an einer Konkretisierung des Rücklagenzwecks gemangelt hat. Ein Teilbetrag der Rücklage von 900.000,-- Euro wird überdies auch von der Beklagten keinem genaueren Zweck als dem der „Sonderprojekte“ zugeordnet.

94

dd) Die Rechtmäßigkeit der durch den Wirtschaftsplan nach Abschnitt I WirtS 2011 aufrechterhaltenen Rücklage BID N. in Höhe von 1.000.000,-- Euro kann nach dem Vorstehenden dahinstehen. Der betreffende Business Improvement District (BID) wurde erst im Jahr 2014 durch die Verordnung zur Einrichtung des Innovationsbereichs N. (v. 5.8.2014, HmbGVBl. S. 334) mit einem Gesamtaufwand von 9.320.000,-- Euro (§ 4) einschließlich einer Verwaltungspauschale von 20.000,-- Euro (§ 5) für die Laufzeit von fünf Jahren (§ 6) für einen das von der Beklagten genutzte Hauptgebäude an der A.-Straße einschließenden Innovationsbereich (§ 2) eingerichtet. Offen bleiben kann, ob die Aufrechterhaltung einer Rücklage von 1.000.000,-- Euro in der langjährig vorausgehenden Planungsphase mit dem Kostendeckungsprinzip vereinbar gewesen ist. Überlegenswert erschienen wäre allenfalls, den Betrag zurückzulegen, der im Fall der Einrichtung des Innovationsbereichs einem jährlichen Anliegerbeitrag entsprochen hätte.

95

ee) Die Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer für das Geschäftsjahr 2011 ist darüber hinaus deshalb fehlerhaft, weil der vorhandene positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nach der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 keiner sachlichen Verwendung zugeführt werden sollte.

96

Nach dem am 7. Juli 2011 festgestellten Jahresabschluss 2010 wurde ein positives Ergebnis in Höhe von 5.711.000,-- Euro in das Geschäftsjahr 2011 vorgetragen. Die Wirtschaftsplanung ging dahin, dass dieser Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 in keiner Weise zugunsten der Beitragszahler zur Kostendeckung im Geschäftsjahr 2011 verwendet werden sollte. Vielmehr sollte der Ergebnisvortrag aus 2010 in einem geplanten positiven Ergebnis aus 2011 fortgeschrieben werden. Darin liegt ein Verstoß gegen das Verbot der Gewinnorientierung, das der Kammer untersagt, ihre Tätigkeit auf eine bloße Vermögensmehrung anzulegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17). Im Einzelnen:

97

In der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 hat die Beklagte den Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nicht dazu genutzt, im Rahmen zulässiger Vorsorge eine neue angemessene Rücklage zu bilden. Auch hat sie den positiven Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 in der Wirtschaftsplanung 2011 nicht dazu verwendet, ein zu erwartendes negatives Jahresergebnis aus dem Geschäftsjahr 2011 auszugleichen und auf diese Weise die anfallenden Betriebsaufwendungen mitzutragen. Vielmehr hatte die Beklagte im Erfolgsplan nach der ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans für das Geschäftsjahr 2011 vom 4. November 2010 zunächst ein neutrales Jahresergebnis von 0,-- Euro erwartet. Im Erfolgsplan, wie er dem Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan vom 3. November 2011 zugrunde lag, hat die Beklagte aus dem Geschäftsjahr 2011 ein hohes positives Jahresergebnis von 6.655.000,-- Euro (Nr. 20) erwartet, das sich angesichts fehlender Entnahmen aus Rücklagen (Nr. 22) und Einstellungen in Rücklagen (Nr. 23) nach Addition mit dem hohen positiven Ergebnisvortrag aus 2010 von 5.711.000,-- Euro (Nr. 21) zu einem noch höheren positiven Ergebnis des Jahres 2011 von 12.366.000,-- Euro (Nr. 24) aufsummieren sollte.

98

Der bereits feststehende positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010, der im Geschäftsjahr 2011 nicht zur Kostendeckung verwendet werden, sondern ins Folgejahr 2012 fortgeschrieben werden sollte, kommt der Bildung einer nicht einem sachlichen Zweck dienenden Rücklage gleich. Eine solche Rücklage ist nach dem Maßstab der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17; s. o. c)) als bloße Vermögensmehrung unzulässig. Die Kammer darf im Rahmen ihrer Wirtschaftsplanung nicht von vornherein einen Überschuss ihrer Beitragseinnahmen über die erforderlichen Aufwendungen gezielt zur Vermögensbildung planen (Jahn, GewArch 2016, 263, 265).

99

Die Beklagte hat noch im Geschäftsjahr 2011 eingeräumt, dass dieses „überplanmäßig“ verlaufe (Schriftsatz v. 26.10.2011). Sie hätte spätestens bei Befassung über den Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung am 3. November 2011 dafür Sorge tragen müssen, dass angesichts des seit dem 7. Juli 2011 feststehenden Überschusses aus dem Vorjahr dem Kostendeckungsprinzip noch im Geschäftsjahr 2011 Genüge getan wird. Der Beklagten hätten dafür verschiedene Wege zu Gebote gestanden. Die Beklagte war nicht auf einen bestimmten Weg festgelegt, jedoch darauf, einen das Kostendeckungsprinzip achtenden Weg einzuschlagen. Etwa hätte die Beklagte das Vorjahresergebnis im Rahmen zulässiger Vorsorge einer neuen angemessenen Rücklage zuführen können. Auch hätte die Beklagte das positive Vorjahresergebnis zum Ausgleich eines negativen Jahresergebnisses verwenden können. Dies hätte allerdings vorausgesetzt, dass die Beklagte nach ihrer Wahl die geplanten Aufwendungen erhöht hätte oder die geplanten Erträge gesenkt hätte. Die geplanten Aufwendungen hätte die Beklagte etwa dadurch erhöhen können, dass sie im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenkreises nach § 1 Abs. 1 IHKG sowie im Rahmen der Gebote von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und der pfleglichen Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG ihre Tätigkeiten ausgeweitet hätte. Die geplanten Erträge hätte die Beklagte etwa dadurch verringern können, dass sie hinsichtlich der für das Geschäftsjahr 2011 zu leistenden Kammerbeiträge den Grundbeitrag und/oder die Umlage verringert und/oder die Freigrenzen erhöht hätte.

100

Dahinstehen kann, ob die Beklagte nach Feststellung des Überschusses aus dem Vorjahr am 7. Juli 2011 eine Verringerung der Beitragssätze noch im laufenden Jahr hätte unterlassen dürfen, wenn ihr unüberwindliche praktische Hindernisse entgegengestanden hätten. Letzteres ist nicht erkennbar. Dies folgt aus dem bereits dargestellten (s. o. 1.) System der Beitragserhebung zunächst aufgrund vorläufiger Veranlagung und sodann aufgrund endgültiger Abrechnung. Auch ausgehend von der Unterstellung, dass am 7. Juli 2011 alle Beitragspflichtigen bereits durch einen ersten Beitragsbescheid im Wege der „vorläufigen Veranlagung“ nach § 15 Abs. 3 BO zum Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 herangezogen worden wären, hätte doch gegenüber allen Beitragspflichtigen eine endgültige Abrechnung ausgestanden. Unerheblich ist dabei, dass die endgültige Abrechnung ursprünglich nur der Einstellung der für die Beitragsfestsetzung maßgebenden Parameter dienen sollte. Das vorhandene Instrumentarium hätte ohne Schwierigkeiten dafür genutzt werden können, zugunsten der Beitragspflichtigen des Geschäftsjahres 2011 bei der anstehenden endgültigen Abrechnung einen verringerten Grundbeitrag und/oder einen verringerten Umlagesatz und/oder eine erhöhte Freigrenze zu berücksichtigen. Auf der kalkulatorischen Grundlage der endgültigen Abrechnung wäre in dem Fall, dass sich ein geringerer Gesamtbetrag ergeben hätte, der erste Beitragsbescheid durch einen zweiten Beitragsbescheid teilweise aufzuheben gewesen. In dem Fall, dass sich ein höherer Betrag ergeben hätte, wäre neben dem fortbestehenden ersten Beitragsbescheid eine weitere Festsetzung durch einen zweiten Beitragsbescheid vorzunehmen gewesen.

101

Eine etwaige Verwendung des im Geschäftsjahr 2011 erzielten positiven Ergebnisses in den Folgejahren genügt nicht, um das geschäftsjährlich und ex ante zu beachtende Kostendeckungsprinzip des § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG zu wahren. Vielmehr hätte das mit dem Jahresabschluss 2010 feststehende positive Ergebnis aus dem Vorjahr zugunsten der Beitragszahler des Geschäftsjahres 2011 für eine zulässige Rücklagenbildung, für höhere Aufwendungen oder für niedrigere Beitrage genutzt werden müssen. Die Erhebung von Beiträgen für eine bestimmte Beitragsperiode rechtfertigt sich nur in dem Umfang, wie sie zur Tragung sonst nicht gedeckter Kosten der Tätigkeit der Kammer erforderlich ist. Es verstößt gegen das Verbot der Gewinnorientierung, wenn die Kammer sehenden Auges Überschüsse erzielt und eine Reaktion erst für eine folgende Beitragsperiode in Aussicht gestellt hat. Dieser Fall ist hier gegeben. Das Präsidium hat dem Plenum vor der Beschlussfassung über den Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan 2011 berichtet (Plenarsitzung v. 3.11.2011, TOP 4 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 7),

102

„dass entgegen der Planung und trotz Senkung des Umlagesatzes auch 2011 mit steigenden Erträgen aus Beiträgen und entsprechenden Überschüssen zu rechnen sei. Deshalb wolle die Handelskammer im nächsten Jahr eine spürbare Senkung der Beiträge vorschlagen.“

103

f) Der streitgegenständliche Beitragsbescheid kann auch nicht zum Teil aufrechterhalten bleiben. Die Feststellung des Mittelbedarfs für das Geschäftsjahr 2011 ist insgesamt fehlerhaft, weil in Abschnitt I WirtS 2011 überhöhte Rücklagen aufrechterhalten worden sind und ein positives Vorjahresergebnis keiner sachlichen Verwendung zugeführt worden ist (s. o. e)). Wegen dieser Fehler kann die Feststellung des Mittelbedarfs nicht als Maßgabe für die Beitragserhebung dienen. Die in Abschnitt II WirtS 2011 enthaltene abstrakte Festsetzung der Beiträge ist rechtswidrig und damit rechtsunwirksam, so dass sie keine taugliche Grundlage für eine konkrete Festsetzung der Beiträge bietet. In Übereinstimmung damit hat auch das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 11) angenommen, dass bei einem zur Rechtsunwirksamkeit führenden Fehler der Wirtschaftssatzung die konkrete Beitragserhebung insgesamt rechtswidrig ist.

104

II. Die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten unter Abwendungsbefugnis ist § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO zu entnehmen. Ein Grund, die Revision nach § 132 Abs. 1, Abs. 2 VwGO zuzulassen, ist nicht gegeben.

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Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 20. Feb. 2018 - 5 Bf 213/12 zitiert 28 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 40


(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Stre

Abgabenordnung - AO 1977 | § 162 Schätzung von Besteuerungsgrundlagen


(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. (2) Zu schätzen ist insbesondere dann, we

Abgabenordnung - AO 1977 | § 165 Vorläufige Steuerfestsetzung, Aussetzung der Steuerfestsetzung


(1) Soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer eingetreten sind, kann sie vorläufig festgesetzt werden. Diese Regelung ist auch anzuwenden, wenn1.ungewiss ist, ob und wann Verträge mit anderen Staaten über die Besteue

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 13 Juristische Person; Handelsgesellschaft


(1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. (2) Für die Verbindlichkeiten der Ges

Abgabenordnung - AO 1977 | § 124 Wirksamkeit des Verwaltungsakts


(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern - IHKG | § 3


(1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts. (2) Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch

Handelsgesetzbuch - HGB | § 6


(1) Die in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften finden auch auf die Handelsgesellschaften Anwendung. (2) Die Rechte und Pflichten eines Vereins, dem das Gesetz ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens die Eigenschaft eines Kaufmann

Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern - IHKG | § 1


(1) Die Industrie- und Handelskammern haben, soweit nicht die Zuständigkeit der Organisationen des Handwerks nach Maßgabe der Handwerksordnung oder die Zuständigkeit der Kammern der freien Berufe in Bezug auf die Berufspflichten ihrer Mitglieder gege

Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern - IHKG | § 2


(1) Zur Industrie- und Handelskammer gehören, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, natürliche Personen, Handelsgesellschaften, andere Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, welche im Bezirk der I

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 11 Rechtszustand vor der Eintragung


(1) Vor der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft besteht die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche nicht. (2) Ist vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich

Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern - IHKG | § 4


(1) Die Organe der Industrie- und Handelskammer sind 1. die Vollversammlung,2. das Präsidium,3. der Präsident,4. der Hauptgeschäftsführer und5. der Berufsbildungsausschuss im Rahmen der in § 79 Berufsbildungsgesetz genannten Aufgaben. (2) Über di

Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern - IHKG | § 13


Die Handelskammern Bremen und Hamburg sind berechtigt, ihre bisherige Bezeichnung weiterzuführen.

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Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 20. Feb. 2018 - 5 Bf 213/12 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

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Verwaltungsgericht München Urteil, 20. Jan. 2015 - M 16 K 13.2277

bei uns veröffentlicht am 20.01.2015

Tenor I. Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 18. April 2013 wird aufgehoben. II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte da

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 15. Feb. 2018 - 12 A 173/16

bei uns veröffentlicht am 15.02.2018

Tenor Der Bescheid vom 02. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2016 wird insoweit aufgehoben, als er die vorläufige Veranlagung des IHK – Beitrages für das Jahr 2016 betrifft. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 10. Nov. 2017 - 4 K 1310/16.MZ

bei uns veröffentlicht am 10.11.2017

Diese Entscheidung zitiert Tenor Der Bescheid der Beklagten vom 21. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 2016 wird aufgehoben. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist hinsichtl

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 02. Nov. 2016 - 6 S 1261/14

bei uns veröffentlicht am 02.11.2016

Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. November 2013 - 4 K 1546/13 - geändert. Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 01.03.2013 und deren Widerspruchsbescheid vom 10.04.2013 werden aufgehoben.D

Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 02. März 2016 - 17 K 2912/14

bei uns veröffentlicht am 02.03.2016

Tenor 1. Der Beitragsbescheid vom 1. Februar 2013 in der Gestalt des Beitragsbescheides vom 31. Januar 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 wird hinsichtlich der Festsetzung der Beiträge für das Geschäftsjahr 2010 in Höhe von 14

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 09. Dez. 2015 - 10 C 6/15

bei uns veröffentlicht am 09.12.2015

Tatbestand 1 Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Industrie- und Handelskammer. Sie wendet sich gegen die Höhe ihrer Beiträge.

Verwaltungsgericht Koblenz Urteil, 25. Nov. 2013 - 3 K 121/12.KO

bei uns veröffentlicht am 25.11.2013

Tenor Der Bescheid der Beklagten vom 17. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012 wird aufgehoben. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherh

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Sept. 2010 - 6 A 10282/10

bei uns veröffentlicht am 20.09.2010

Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Klägerin w
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Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 13. Nov. 2018 - 17 K 1035/18

bei uns veröffentlicht am 13.11.2018

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwe

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts.

(2) Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.

(3) Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen. Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden. Natürliche Personen und Personengesellschaften, die nicht in das Handelsregister eingetragen sind, und eingetragene Vereine, wenn nach Art oder Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, sind vom Beitrag freigestellt, soweit ihr Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder soweit für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, ihr nach dem Einkommensteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb 5 200 Euro nicht übersteigt. Die in Satz 3 genannten natürlichen Personen sind, soweit sie in den letzten fünf Wirtschaftsjahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt haben, noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren, für das Geschäftsjahr einer Industrie- und Handelskammer, in dem die Betriebseröffnung erfolgt, und für das darauf folgende Jahr von der Umlage und vom Grundbeitrag sowie für das dritte und vierte Jahr von der Umlage befreit, wenn ihr Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro nicht übersteigt. Wenn nach dem Stand der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Wirtschaftssatzung vorliegenden Bemessungsgrundlagen zu besorgen ist, dass bei einer Industrie- und Handelskammer die Zahl der Beitragspflichtigen, die einen Beitrag entrichten, durch die in den Sätzen 3 und 4 genannten Freistellungsregelungen auf weniger als 55 vom Hundert aller ihr zugehörigen Gewerbetreibenden sinkt, kann die Vollversammlung für das betreffende Geschäftsjahr eine entsprechende Herabsetzung der dort genannten Grenzen für den Gewerbeertrag oder den Gewinn aus Gewerbebetrieb beschließen. Wird für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag festgesetzt, ist Bemessungsgrundlage für die Umlage der Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, andernfalls der nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb. Bei natürlichen Personen und bei Personengesellschaften ist die Bemessungsgrundlage um einen Freibetrag in Höhe von 15.340 Euro zu kürzen. Die Kammerzugehörigen sind verpflichtet, der Kammer Auskunft über die zur Festsetzung der Beiträge erforderlichen Grundlagen zu geben, soweit diese nicht bereits nach § 9 erhoben worden sind; die Kammer ist berechtigt, die sich hierauf beziehenden Geschäftsunterlagen einzusehen. Kapitalgesellschaften, deren gewerbliche Tätigkeit sich in der Funktion eines persönlich haftenden Gesellschafters in nicht mehr als einer Personenhandelsgesellschaft erschöpft, kann ein ermäßigter Grundbeitrag eingeräumt werden, sofern beide Gesellschaften derselben Kammer zugehören. Gleiches gilt für Gesellschaften mit Sitz im Bezirk einer Kammer, deren sämtliche Anteile von einem im Handelsregister eingetragenen Unternehmen mit Sitz in derselben Kammer gehalten werden.

(4) Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis nach § 19 der Handwerksordnung eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sind beitragspflichtig, wenn der Umsatz des nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteils 130.000 Euro übersteigt. Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, werden mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages oder, falls für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag nicht festgesetzt wird, ihres nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. Satz 2 findet auch Anwendung auf Kammerzugehörige, die oder deren sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausüben oder Land- oder Forstwirtschaft auf einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Grundstück oder als Betrieb der Binnenfischerei Fischfang in einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Gewässer betreiben und Beiträge an eine oder mehrere andere Kammern entrichten, mit der Maßgabe, dass statt eines Viertels ein Zehntel der dort genannten Bemessungsgrundlage bei der Veranlagung zu Grunde gelegt wird.

(5) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Kosten, welche mit der Begründung, Unterhaltung oder Unterstützung von Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) verbunden sind, Sonderbeiträge von den Kammerzugehörigen derjenigen Gewerbezweige erheben, welchen derartige Anlagen und Einrichtungen ausschließlich oder in besonderem Maße zugute kommen. Den Beteiligten ist vor Begründung solcher Anlagen und Einrichtungen Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(6) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Inanspruchnahme besonderer Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) oder Tätigkeiten Gebühren erheben und den Ersatz von Auslagen verlangen.

(7) Sonderbeiträge gemäß Absatz 5 werden nach Maßgabe einer Sonderbeitragsordnung, Gebühren und Auslagen nach Absatz 6 nach Maßgabe einer Gebührenordnung erhoben. In der Beitragsordnung, der Sonderbeitragsordnung sowie in der Gebührenordnung ist Erlaß und Niederschlagung von Beiträgen, Gebühren und Auslagen zu regeln.

(7a) Für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern sind die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.

(8) Hinsichtlich der Beiträge, Sonderbeiträge, Gebühren und Auslagen sind

für die Verjährung
die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verjährung der Steuern vom Einkommen und Vermögen,
für die Einziehung und Beitreibung
die für Gemeindeabgaben geltenden landesrechtlichen Vorschriften
entsprechend anzuwenden. Durch Landesrecht kann Verfahren und Zuständigkeit für Einziehung und Beitreibung abweichend geregelt werden.

(1) Die Industrie- und Handelskammern haben, soweit nicht die Zuständigkeit der Organisationen des Handwerks nach Maßgabe der Handwerksordnung oder die Zuständigkeit der Kammern der freien Berufe in Bezug auf die Berufspflichten ihrer Mitglieder gegeben ist, die Aufgaben:

1.
das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks, einschließlich der Gesamtverantwortung der gewerblichen Wirtschaft, die auch Ziele einer nachhaltigen Entwicklung umfassen kann, auf regionaler, nationaler, europäischer und internationaler Ebene wahrzunehmen,
2.
für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft ihres Bezirks zu wirken,
3.
für die Wahrung von Anstand und Sitte der ehrbaren Kaufleute, einschließlich deren sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung, zu wirken
und dabei stets die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen. Im Rahmen ihrer Aufgaben haben die Industrie- und Handelskammern insbesondere
1.
durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten,
2.
das Recht, zu den im Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden liegenden wirtschaftspolitischen Angelegenheiten ihres Bezirks in behördlichen oder gerichtlichen Verfahren sowie gegenüber der Öffentlichkeit Stellung zu nehmen.
Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben haben die Industrie- und Handelskammern den angemessenen Minderheitenschutz zu gewährleisten,
1.
indem im Rahmen der Kommunikation auf abweichende Positionen hingewiesen wird und
2.
abweichende Stellungnahmen in zumutbarer Form öffentlich zugänglich gemacht werden.

(2) Die Industrie- und Handelskammern können Anlagen und Einrichtungen, die der Förderung der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewerbezweige dienen, begründen, unterhalten und unterstützen sowie Maßnahmen zur Förderung und Durchführung der kaufmännischen und gewerblichen Berufsbildung unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des Berufsbildungsgesetzes, treffen.

(2a) Die Industrie- und Handelskammern können allein oder zusammen mit anderen Kammern für die gewerbliche Wirtschaft Maßnahmen zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung treffen, insbesondere Schiedsgerichte und andere Einrichtungen der alternativen Konfliktlösung begründen, unterhalten und unterstützen. § 111 Absatz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes bleibt unberührt. Die Industrie- und Handelskammern können zudem die ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks zu Fragen der Früherkennung von Unternehmenskrisen und deren Bewältigung beraten.

(3) Den Industrie- und Handelskammern obliegt die Ausstellung von Ursprungszeugnissen und anderen dem Wirtschaftsverkehr dienenden Bescheinigungen, soweit nicht Rechtsvorschriften diese Aufgaben anderen Stellen zuweisen.

(3a) Die Länder können durch Gesetz den Industrie- und Handelskammern die Aufgaben einer einheitlichen Stelle im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes übertragen. Das Gesetz regelt, welche Aufgabenbereiche von der Zuweisung erfasst sind. Dabei kann das Gesetz vorsehen, dass die Industrie- und Handelskammern auch für nicht Kammerzugehörige tätig werden. Das Gesetz regelt auch die Aufsicht.

(3b) Die Länder können den Industrie- und Handelskammern durch Gesetz ermöglichen, sich an Einrichtungen zu beteiligen, die die Aufgaben einer einheitlichen Stelle im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes erfüllen.

(4) Weitere Aufgaben können den Industrie- und Handelskammern durch Gesetz oder Rechtsverordnung übertragen werden.

(5) Nicht zu den Aufgaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 gehören die grundrechtlich geschützten Aufgabenbereiche der Vereinigungen im Sinne des Artikels 9 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes, insbesondere die Aufgabenbereiche der Tarifpartner sowie die arbeitsgerichtliche Vertretung von Unternehmen. Zudem sind Stellungnahmen ausgeschlossen zu sozial- und arbeitsmarktpolitischen Fragen, soweit diese in der ausschließlichen Entscheidungszuständigkeit der Gremien der sozialen Selbstverwaltung liegen.

(1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts.

(2) Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.

(3) Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen. Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden. Natürliche Personen und Personengesellschaften, die nicht in das Handelsregister eingetragen sind, und eingetragene Vereine, wenn nach Art oder Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, sind vom Beitrag freigestellt, soweit ihr Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder soweit für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, ihr nach dem Einkommensteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb 5 200 Euro nicht übersteigt. Die in Satz 3 genannten natürlichen Personen sind, soweit sie in den letzten fünf Wirtschaftsjahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt haben, noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren, für das Geschäftsjahr einer Industrie- und Handelskammer, in dem die Betriebseröffnung erfolgt, und für das darauf folgende Jahr von der Umlage und vom Grundbeitrag sowie für das dritte und vierte Jahr von der Umlage befreit, wenn ihr Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro nicht übersteigt. Wenn nach dem Stand der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Wirtschaftssatzung vorliegenden Bemessungsgrundlagen zu besorgen ist, dass bei einer Industrie- und Handelskammer die Zahl der Beitragspflichtigen, die einen Beitrag entrichten, durch die in den Sätzen 3 und 4 genannten Freistellungsregelungen auf weniger als 55 vom Hundert aller ihr zugehörigen Gewerbetreibenden sinkt, kann die Vollversammlung für das betreffende Geschäftsjahr eine entsprechende Herabsetzung der dort genannten Grenzen für den Gewerbeertrag oder den Gewinn aus Gewerbebetrieb beschließen. Wird für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag festgesetzt, ist Bemessungsgrundlage für die Umlage der Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, andernfalls der nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb. Bei natürlichen Personen und bei Personengesellschaften ist die Bemessungsgrundlage um einen Freibetrag in Höhe von 15.340 Euro zu kürzen. Die Kammerzugehörigen sind verpflichtet, der Kammer Auskunft über die zur Festsetzung der Beiträge erforderlichen Grundlagen zu geben, soweit diese nicht bereits nach § 9 erhoben worden sind; die Kammer ist berechtigt, die sich hierauf beziehenden Geschäftsunterlagen einzusehen. Kapitalgesellschaften, deren gewerbliche Tätigkeit sich in der Funktion eines persönlich haftenden Gesellschafters in nicht mehr als einer Personenhandelsgesellschaft erschöpft, kann ein ermäßigter Grundbeitrag eingeräumt werden, sofern beide Gesellschaften derselben Kammer zugehören. Gleiches gilt für Gesellschaften mit Sitz im Bezirk einer Kammer, deren sämtliche Anteile von einem im Handelsregister eingetragenen Unternehmen mit Sitz in derselben Kammer gehalten werden.

(4) Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis nach § 19 der Handwerksordnung eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sind beitragspflichtig, wenn der Umsatz des nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteils 130.000 Euro übersteigt. Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, werden mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages oder, falls für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag nicht festgesetzt wird, ihres nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. Satz 2 findet auch Anwendung auf Kammerzugehörige, die oder deren sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausüben oder Land- oder Forstwirtschaft auf einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Grundstück oder als Betrieb der Binnenfischerei Fischfang in einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Gewässer betreiben und Beiträge an eine oder mehrere andere Kammern entrichten, mit der Maßgabe, dass statt eines Viertels ein Zehntel der dort genannten Bemessungsgrundlage bei der Veranlagung zu Grunde gelegt wird.

(5) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Kosten, welche mit der Begründung, Unterhaltung oder Unterstützung von Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) verbunden sind, Sonderbeiträge von den Kammerzugehörigen derjenigen Gewerbezweige erheben, welchen derartige Anlagen und Einrichtungen ausschließlich oder in besonderem Maße zugute kommen. Den Beteiligten ist vor Begründung solcher Anlagen und Einrichtungen Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(6) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Inanspruchnahme besonderer Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) oder Tätigkeiten Gebühren erheben und den Ersatz von Auslagen verlangen.

(7) Sonderbeiträge gemäß Absatz 5 werden nach Maßgabe einer Sonderbeitragsordnung, Gebühren und Auslagen nach Absatz 6 nach Maßgabe einer Gebührenordnung erhoben. In der Beitragsordnung, der Sonderbeitragsordnung sowie in der Gebührenordnung ist Erlaß und Niederschlagung von Beiträgen, Gebühren und Auslagen zu regeln.

(7a) Für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern sind die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.

(8) Hinsichtlich der Beiträge, Sonderbeiträge, Gebühren und Auslagen sind

für die Verjährung
die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verjährung der Steuern vom Einkommen und Vermögen,
für die Einziehung und Beitreibung
die für Gemeindeabgaben geltenden landesrechtlichen Vorschriften
entsprechend anzuwenden. Durch Landesrecht kann Verfahren und Zuständigkeit für Einziehung und Beitreibung abweichend geregelt werden.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Industrie- und Handelskammer. Sie wendet sich gegen die Höhe ihrer Beiträge.

2

Zur Begründung ihrer Klage gegen den Beitragsbescheid vom 17. November 2011, mit dem die Beklagte die Beiträge für die Jahre 2005 bis 2008 festsetzte, und den Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2012 hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Beklagte bei der Beitragskalkulation Überschüsse aus den Vorjahren unberücksichtigt gelassen und unangemessen hohe Rücklagen gebildet habe. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe in allen vier Jahren bei der Festlegung der Liquiditäts- und Ausgleichsrücklage von ihrem Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht. Eine Liquiditätsrücklage zur Zwischenfinanzierung verspätet eingehender Beiträge und eine Ausgleichsrücklage zur Abdeckung von Beitragsausfällen in Höhe von jeweils 50 % des Jahresfinanzbedarfs seien unverhältnismäßig hoch. Diese Rücklagen überstiegen das abzudeckende Risiko um ein Vielfaches.

3

Auf die Berufung der beklagten Industrie- und Handelskammer hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil teilweise geändert. Die Beitragserhebung für die Jahre 2007 und 2008 sei zwar rechtswidrig; denn die Beklagte habe Gewinne aus Vorjahren bei der Beitragskalkulation unberücksichtigt gelassen. Hinsichtlich der Beitragsbescheide für die Jahre 2005 und 2006 sei die Klage aber unbegründet. Im Beitragsprozess sei eine gerichtliche Kontrolle der Rücklagenbildung nur insoweit möglich, als erhobene Beiträge kalkulatorisch wenigstens teilweise eine Zuführung zu den Rücklagen bewirkten. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG würden die Beiträge nach Maßgabe des Wirtschaftsplans aufgebracht. In den Jahren 2005 und 2006 sei jedoch keine Zuführung in die Liquiditätsrücklage geplant gewesen, so dass es insoweit an einer Beschwer der Klägerin durch die Beitragserhebung fehle. Eine fehlerhafte Wirtschaftsplanung könne nicht im Beitragsprozess, sondern nur mit einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage in Bezug auf die Haushaltsführung geltend gemacht werden.

4

Mit ihrer vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Aufhebung des Berufungsurteils. Zur Begründung verweist sie auf ihre Nichtzulassungsbeschwerde und auf den Zulassungsbeschluss. Sie beantragt sinngemäß,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. September 2014 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. November 2013 insgesamt zurückzuweisen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Revision zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

6

Sie hält die Revision für unzulässig, da eine ausreichende Revisionsbegründung fehle. Rein vorsorglich verteidigt sie das Berufungsurteil. Sie verweist darauf, dass einer Industrie- und Handelskammer bei der Wirtschaftsplanung ein weiter finanzpolitischer Gestaltungsspielraum zustehe. Die Wirtschaftshoheit gehöre im Sinne der Finanzhoheit zum Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie. Die Industrie- und Handelskammern seien einer internen und externen Rechnungskontrolle unterworfen. Eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle ihrer Haushaltsentscheidungen sei nicht vorgesehen, weswegen auch im Rahmen der Anfechtung eines Beitragsbescheides keine umfassende IHK-Haushaltsprüfung vorzunehmen sei. Eine im Einzelfall fehlerhafte Haushaltsentscheidung führe weder zur Unwirksamkeit des gesamten Haushalts, noch sei sie wegen des Prinzips der Jährlichkeit nach Ablauf des Haushaltsjahres reparabel. Sie wirke sich weder auf die Wirksamkeit des Beitragssystems noch auf die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides aus. Der Beitrag sei als Gegenleistung für die Vorteile anzusehen, die ein Mitglied aus der Kammerzugehörigkeit oder einer besonderen Tätigkeit der Kammern ziehe oder ziehen könne. Daraus folge, dass die Einhaltung der Haushaltsvorschriften nicht inzident bei der Beitragskontrolle zu prüfen sei. Sie könne allenfalls im Rahmen einer isolierten Feststellungs- und Unterlassungsklage geltend gemacht werden.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses bemängelt die Revisionsbegründung, hält die Revision in der Sache jedoch für begründet.

8

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin, über die der Senat nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat Erfolg.

10

1. Sie ist zulässig. Die Revisionsbegründung genügt noch den an sie zu stellenden Anforderungen (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Sie enthält einen bestimmten Antrag und nimmt zur Begründung der Rechtsverletzung auf das Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug. Zu den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung gehört eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und eine damit verbundene sachliche Auseinandersetzung mit den die Entscheidung des Berufungsgerichts tragenden Gründen, aus der hervorgeht, warum der Revisionskläger diese Begründung nicht als zutreffend erachtet (BVerwG, Urteil vom 3. März 1998 - 9 C 20.97 - BVerwGE 106, 202 <203>; Beschluss vom 12. Juni 2006 - 5 C 26.05 - NJW 2006, 3081 Rn. 2). Eine Bezugnahme auf Schriftsätze, die im Verfahren wegen der Nichtzulassung der Revision vorgelegt worden sind, ist als Begründung der zugelassenen Revision ausreichend, wenn die Beschwerdeschrift ausnahmsweise den Anforderungen (auch) an eine Revisionsbegründung genügt (BVerwG, Urteile vom 13. März 2008 - 7 C 44.07 - Buchholz 406.25 § 17 BImSchG Nr. 4 Rn. 12 und vom 16. Juni 2015 - 10 C 14.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:160615U10C14.14.0] - NVwZ 2015, 1610 Rn. 14). Das ist hier der Fall. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde enthält eine kritische Würdigung des Berufungsurteils im Hinblick auf dessen verfahrens- und materiellrechtliche Richtigkeit, auch wenn darin nicht auf alle Aspekte eingegangen wird.

11

2. Die Revision ist auch begründet. Das Berufungsgericht hätte die Berufung der Beklagten auch in Ansehung der Beitragsfestsetzung für 2005 und 2006 zurückweisen müssen; denn auch insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beitragsfestsetzungen stehen auch für diese beiden Jahre mit § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (Industrie- und Handelskammergesetz - IHKG) vom 18. Dezember 1956 (BGBl. I S. 920) in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 5 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2934) und des Art. 4 Nr. 5 des Gesetzes vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931) nicht im Einklang.

12

a) Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG ist der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Mit Blick auf die Beitragserhebung legt das Gesetz damit eine zweistufige Willensbildung der Kammer zugrunde. Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) auf. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) gilt für ein Haushaltsjahr (Wirtschaftsjahr) und ist - als Plan - im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

13

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert damit nicht nur die Feststellung, ob der im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) festgesetzte Mittelbedarf der Kammer - die nicht durch Einnahmen (anderweitig) gedeckten Kosten ihrer Tätigkeit - durch eine Beitragsordnung rechtmäßig auf die Kammerzugehörigen umgelegt und ob die Beitragsordnung auch im Einzelfall fehlerfrei angewendet wurde. Geboten ist vielmehr ebenfalls die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen. Er ist auch der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit nicht entzogen. Beides wäre mit dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, gegen die Beitragserhebung der Industrie- und Handelskammer effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar.

14

Hiergegen kann die Beklagte nicht auf ihre Befugnis zur Selbstverwaltung verweisen. Hinter dieser Argumentation steht ersichtlich die Sorge, die gerichtliche Überprüfung könne eine kraftvolle Betätigung der Selbstverwaltung allzu sehr einengen. Diese Sorge ist unbegründet. Jede Autonomie besteht nur in den ihr vom Gesetz gezogenen Grenzen, und es ist Aufgabe der Gerichte, über die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen zu wachen. Wie weit diese gerichtliche Kontrolle reicht, hängt davon ab, wie eng gezogen die gesetzlichen Grenzen sind. Wie noch (sogleich unten b) zu zeigen sein wird, besitzt die Kammer bei der Aufstellung ihres Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen sehr weiten Gestaltungsspielraum.

15

Das Berufungsgericht hält die gerichtliche Überprüfung der Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) zwar grundsätzlich für möglich, erklärt sie aber im Beitragsprozess für unzulässig und möchte sie einer gesonderten Unterlassungs- oder Feststellungsklage vorbehalten. Hierfür beruft es sich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, derzufolge ein Kammermitglied die Zahlung des Kammerbeitrags nicht mit Einwänden gegen die Beitragsverwendung verweigern darf (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 - 7 C 65.78 - BVerwGE 59, 242 <245 ff.>; OVG Koblenz, Urteil vom 13. April 2011 - 6 A 11076/10 - LKRZ 2011, 238). Dem liegt ein Missverständnis zugrunde. Die zitierte Rechtsprechung betrifft lediglich solche Einwände gegen die Beitragsverwendung, die sich gegen bestimmte Tätigkeiten der Kammer richten. Es trifft zu, dass ein Kammermitglied nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Kammer zwar gerichtlich auf Unterlassung von Tätigkeiten in Anspruch nehmen kann, die außerhalb ihres gesetzlichen Aufgabenkreises liegen (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 - 8 C 20.09 - BVerwGE 137, 171), dass es mit dieser Begründung jedoch nicht die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern kann (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 a.a.O.; stRspr). Dies findet seine Begründung darin, dass der Kammerbeitrag der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit dient und daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer einzelnen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Mit Blick auf die Kammertätigkeit ist der Kammerbeitrag daher verwendungsneutral. Das führt indes nicht dazu, die Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) im Beitragsprozess generell ungeprüft als gegeben hinzunehmen. Gerade die gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung selbst berühren das einzelne Kammermitglied regelmäßig nur über die Beitragspflicht; dann muss es deren Einhaltung gerade im Beitragsprozess zur gerichtlichen Prüfung stellen können.

16

b) Die Kammer besitzt bei der Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht freilich nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. August 2015 - 6 C 10.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:050815U6C10.14.0] - juris Rn. 42 und vom 14. Oktober 2015 - 6 C 17.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:141015U6C17.14.0] - juris Rn. 35). Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gebietet die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Ferner sind - für spätere als die hier strittigen Haushaltsjahre - seit der Einfügung des § 3 Abs. 7a IHKG durch das Gesetz vom 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246) die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung anzuwenden. Unabhängig davon sind ferner die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Juli 2007 - 2 BvF 1/04 [ECLI:DE:BVerfG:2007:fs20070709.2bvf000104] - BVerfGE 119, 96 <129>).

17

Welche rechtlichen Anforderungen an die Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) sich hieraus sowie aus weiteren einschlägigen Vorschriften im Einzelnen ergeben, bedarf keiner Vertiefung. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits genügt es, die rechtlichen Anforderungen zu präzisieren, die mit Blick auf die Rücklagenbildung zu stellen sind. Insofern ist davon auszugehen, dass der Kammer die Bildung von Vermögen verboten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 - 1 C 45.87 - Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 22 S. 12). Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es sich bei den Mitteln für angemessene Rücklagen ebenfalls um Kosten der Industrie- und Handelskammer im Sinne des § 3 Abs. 2 IHKG handelt, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 a.a.O. S. 12 f.). Daran ist auch für die Zukunft festzuhalten, da die Bildung von angemessenen Rücklagen auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlichrechtliche Körperschaften weiterhin notwendig ist und zu einer geordneten Haushaltsführung gehört (vgl. Jahn, GewArch 2013, 49 <53>).

18

Die Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder Einnahmeausfällen stellt einen solchen sachlichen Zweck dar. Allerdings muss auch das Maß der Rücklage noch von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein; eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) - und damit jährlich - erneut treffen. So räumt die Beklagte selbst ein, dass auch in der Entscheidung der IHK-Vollversammlung, eine in der Vergangenheit gebildete Rücklage in einem späteren Haushaltsjahr unverändert zu lassen, eine haushaltsrechtlich relevante Entscheidung zu sehen ist (Revisionserwiderung S. 12). Ein Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält.

19

c) So liegt es hier. Die Beibehaltung jedenfalls der Betriebsmittel- bzw. Liquiditätsrücklage in unverminderter Höhe in den Haushaltsjahren 2005 und 2006 war rechtswidrig, weshalb die festgesetzten Beiträge nicht der Deckung zulässiger Kosten der IHK-Tätigkeit dienten. Ob auch die Ausgleichsrücklage rechtswidrig war, bedarf keiner Entscheidung. Schließlich kann offen bleiben, ob die Rücklagen im Übrigen im Jahr 2005 den damals geltenden Beschränkungen des § 33 der Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO 2005) und im Jahr 2006 den Beschränkungen des § 15 Abs. 3 des Finanzstatuts der Beklagten (FSt 2006) entsprachen. Schließlich kann zugunsten der Beklagten angenommen werden, dass die in diesen Satzungen für die Jahre 2005 und 2006 eröffnete Möglichkeit, zwei unterschiedliche Rücklagen für die eng miteinander verbundenen Risiken des vorübergehenden und des endgültigen Beitragsausfalls zu bilden, von ihrem Satzungsermessen gedeckt war.

20

Die Beklagte hat dadurch den ihr von § 33 HKRO 2005 und § 15 Abs. 3 FSt 2006 eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten, dass sie allein für das Risiko des vorübergehenden Zahlungsausfalls im Jahr 2005 annähernd die höchstmögliche Betriebsmittelrücklage von 50 % der fortdauernden Ausgaben (6,4 Mio. €) und im Jahr 2006 ebenfalls beinahe die maximal zulässige Liquiditätsrücklage von 50 % der Betriebsaufwendungen (7,7 Mio. €) veranschlagt hat. Die Höhe dieser Rücklagen entsprach in beiden Jahren nicht dem Grundsatz der Schätzgenauigkeit. Die Rücklagenhöhe hätte nur mit der Prognose gerechtfertigt werden können, dass es im jeweiligen Haushaltsjahr bei ungünstigem Zahlungseingang zu zeitweisen Liquiditätsengpässen von fast 50 % der laufenden Ausgaben kommen könne. Die Beklagte hat aber im gesamten Prozess keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass ein derart hohes Liquiditätsrisiko in den Jahren 2005 und 2006 gedroht hätte. Auf die Frage des Verwaltungsgerichts wusste sie ein derartiges Risiko auch aus den Erfahrungen der Vergangenheit nicht zu belegen. Im Gegenteil hat sie eingeräumt, im gesamten Zeitraum von 2005 bis 2008 die Liquiditätsrücklage nur für einen Zeitraum von zwei Monaten in Höhe von 1,5 Mio. € benötigt zu haben, und die Liquiditätsrücklage in den Folgejahren aufgelöst. Dies zwingt zu dem Schluss, dass die vorgehaltene Rücklage in den Jahren 2005 und 2006 deutlich überhöht gewesen ist.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Tenor

1. Der Beitragsbescheid vom 1. Februar 2013 in der Gestalt des Beitragsbescheides vom 31. Januar 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 wird hinsichtlich der Festsetzung der Beiträge für das Geschäftsjahr 2010 in Höhe von 14.051,88 Euro sowie für das Geschäftsjahr 2013 in Höhe von 9.700,20 Euro aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich, insbesondere im Hinblick auf die Rücklagen und Gewinnvorträge der beklagten Handelskammer Hamburg, gegen einen Beitragsbescheid für die Geschäftsjahre 2010, 2012 und 2013.

2

Die Beklagte verfügte in den Jahren 2008 bis 2013 über folgende Rücklagen und Rückstellungen und trug folgende Gewinne auf neue Rechnung vor (gerundete Angaben in Tausend Euro):

3
        

2008

2009

2010

2011

2012

2013

Ausgleichsrücklage

17.500

19.000

20.186

20.500

21.000

21.500

Umbau-/Instandhaltungsrücklage

6.333

6.333

11.133

11.133

20.968

20.598

Rücklage für Sonderprojekte

3.900

3.900

3.900

3.900

3.900

3.900

Rücklage zur Abdeckung von Risiken der
Neubewertung der Pensionsrückstellung

3.600

16.500

-

-

-

-

Rücklage Sicherung von
bedeutsamen Wirtschaftsarchiven

-

-

-

-

985

927

Rücklage für Aktionen anlässlich
des 350jährigen Jubiläums

-

-

-

-

1.000

1.000

Rücklage BID Nikolaiquartier

1.000

1.000

1.000

1.000

861

853

Rücklage Azubi-Wohnheim in Hamburg

-

-

-

-

1.000

1.000

Rückstellungen für Pensionen
und ähnliche Verpflichtungen

36.300

37.781

59.484

60.568

63.172

68.818

Sonstige Rückstellungen

1.228

1.668

1.203

1.072

1.132

1.383

Gewinnvortrag auf neue Rechnung

292

444

5.711

3.096

3.763

2.108

4

Wegen der genauen Beträge der Rücklagen und Rückstellungen wird auf die Jahresabschlüsse der Beklagten für die Jahre 2008 bis 2013 Bezug genommen.

5

Das Plenum der Beklagten beschließt für jedes Geschäftsjahr eine Wirtschaftssatzung mit einem Wirtschaftsplan, der sich auch zum Saldo der Rücklagenveränderung verhält, und einer Regelung zur Erhebung der Mitgliedsbeiträge. Innerhalb eines halben Jahres nach Ablauf jedes Geschäftsjahres stellt die Beklagte einen Jahresabschluss auf. Das Plenum stellt diesen fest und beschließt über die Ergebnisverwendung.

6

Für das Geschäftsjahr 2010 beschloss das Plenum den Wirtschaftsplan in der Fassung des ersten Nachtrags zur Wirtschaftssatzung mit dem Saldo der Rücklagenveränderung von -8.700.000 Euro (Entnahmen aus anderen Rücklagen in Höhe von 16.500.000 Euro und Einstellungen in andere Rücklagen in Höhe von 7.800.000 Euro), für die Geschäftsjahre 2012 und 2013 stellte das Plenum die Wirtschaftspläne ohne Veränderung des Saldos der Rücklagen fest. Wegen der weiteren Festsetzungen wird auf die Wirtschaftssatzungen samt Nachträgen für die Geschäftsjahre 2010, 2012 und 2013 (im Internet abrufbar unter „https://www.hk24. de/servicemarken/ueber_uns/rechtsgrundlagen/Wirtschafts-planung_und_Finanzen“, letzter Abruf am 3.3.2016) Bezug genommen. Das Plenum beschloss ferner, Gewinne aus dem Geschäftsjahr 2010 in Höhe von 5.711.437,74 Euro, aus dem Geschäftsjahr 2012 in Höhe von 3.763.468,86 Euro und aus dem Geschäftsjahr 2013 in Höhe von 2.108.002,18 Euro jeweils auf neue Rechnung vorzutragen.

7

Mit Beitragsbescheid vom 1. Februar 2013 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin für das Jahr 2010 einen Beitrag in Höhe von 14.051,88 Euro (mit früherem Bescheid festgesetzt: 2.172,06 Euro) durch Abrechnung sowie – jeweils im Wege vorläufiger Veranlagung – für das Jahr 2012 einen Nachlass in Höhe von 366,30 Euro (mit früherem Bescheid war ein Beitrag in Höhe von 1.831,50 Euro festgesetzt worden) und für das Jahr 2013 einen Beitrag in Höhe von 11.412,00 Euro fest. Einleitend führte die Beklagte aus, aufgrund der Finanzlage der Kammer habe das Plenum beschlossen, einmalig einen Nachlass von 20 % für das Beitragsjahr 2012 zu gewähren. Wegen der Einzelheiten der Festsetzung wird auf den Beitragsbescheid vom 1. Februar 2013 Bezug genommen.

8

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 27. Februar 2013 gegen den Beitragsbescheid Widerspruch ein. Sie sehe sich außerstande, die Beiträge zu entrichten.

9

Mit weiterem Beitragsbescheid vom 31. Januar 2014 setzte die Beklagte im Wege vorläufiger Veranlagung für das Jahr 2013 einen Nachlass in Höhe von 1.711,80 Euro fest. Auf Grund der Finanzlage der Kammer habe das Plenum beschlossen, einmalig einen Nachlass von 15 % für das Beitragsjahr 2013 zu gewähren.

10

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2014, der Klägerin mit Postzustellungsurkunde zugegangen am 12. Mai 2014, zurück. Die Beiträge seien rechtmäßig festgesetzt worden.

11

Am 12. Juni 2014 hat die Klägerin Klage erhoben.

12

Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, die angegriffenen Bescheide seien rechtswidrig, weil die Beklagte das in § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG verankerte Kostendeckungsprinzip verletzt habe. Sie habe durch unangemessen hohe Rücklagen unzulässigerweise Vermögen gebildet. Die Beklagte habe weder tragfähige Gründe dafür angeführt, weshalb sie die nach ihrem Finanzstatut zulässige Obergrenze der Ausgleichsrücklage von 50 % der Betriebsausgaben nahezu ausgeschöpft habe noch bei der Festlegung der Höhe der Rücklage Ermessen ausgeübt. Eine Prognose des Inhalts, dass es im laufenden Haushaltsjahr zu Beitragsausfällen von nahezu 50 Prozent der laufenden Ausgaben kommen könne, sei nicht gerechtfertigt gewesen. Bei der Bildung der Umbau- und Instandhaltungsrücklage habe die Beklagte den Grundsatz der Schätzgenauigkeit verletzt, weil eine verbindliche Investitions- und Finanzierungsübersicht zu den beabsichtigten Baumaßnahmen nicht vorgelegen habe. Auch die allgemeine und unspezifische Bildung der Rücklage für nicht näher genannte Sonderprojekte erfülle die Voraussetzungen einer hinreichenden zeitlichen, sachlichen und finanzplanerischen Konkretisierung nicht. Die Bildung von Pensionsrücklagen neben – von ihr nicht angegriffenen – Pensionsrückstellungen widerspreche staatlichem Haushaltsrecht. Zudem habe die Beklagte die Ergebnisvorträge nicht im Sinne des Kostendeckungsprinzips verwendet.

13

Hinsichtlich des für das Jahr 2012 ausgewiesenen Guthabens in Höhe von 366,30 Euro ergebe sich ihre Beschwer daraus, dass ein wesentlich höherer Betrag als Guthaben habe ausgewiesen werden müssen.

14

Die gesetzliche Regelung in den §§ 3 Abs. 2 Satz 1, 2 Abs. 1 IHKG zur Zwangsmitgliedschaft in Industrie- und Handelskammern und akzessorischer Beitragspflicht sei zudem weder mit dem Grundgesetz noch mit dem europäischen Unionsrecht vereinbar.

15

Die Klägerin beantragt (dem Wortlaut nach),

16

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 1. Februar 2013 und deren Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2014 aufzuheben.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, Einzelheiten des Kammerhaushalts zu Rücklagen und Ergebnisvorträgen könnten nicht im Rahmen einer gegen einen Beitragsbescheid gerichteten Anfechtungsklage, sondern allein im Rahmen einer Feststellungsklage überprüft werden. Zudem sei die Klägerin hinsichtlich des Beitrags für das Jahr 2012 mangels Rechtsverletzung nicht klagebefugt, da mit dem angefochtenen Bescheid insoweit ein Guthaben festgesetzt worden sei.

20

Im Übrigen habe sie kein unzulässiges Vermögen gebildet, sondern eine angemessene Rücklagenpolitik betrieben. Diese habe es ihr ermöglicht, gleichbleibende Beitragssätze festzulegen. Eine angemessene Rücklagenbildung sei aus wirtschaftlicher Sicht vernünftig, da sie Vorsorge für einen Rückgang der Kammerbeiträge aus konjunkturellen Gründen (Ausgleichsrücklage) und die Notwendigkeit besonderer Aufwendungen für größere Instandhaltungsmaßnahmen am denkmalgeschützten Kammergebäude oder größerer Projekte zur Förderung des Wirtschaftsstandorts Hamburg (andere Rücklagen) treffe.

21

Die in § 15 Abs. 3 Satz 1 ihres Finanzstatuts hinsichtlich der Ausgleichsrücklage festgelegte Obergrenze von 50 % der Betriebsaufwendungen sei in keinem der streitgegenständlichen Geschäftsjahre überschritten worden. Die Obergrenze für die Ausgleichsrücklage sei nicht überhöht, sondern allgemein üblich und werde von der Rechtsprechung nicht beanstandet. Bei der Entscheidung zur Rücklagenbildung handele es sich nicht um eine Ermessensentscheidung, die einer besonderen Begründungspflicht unterliege. Das Plenum verfüge bei der Entscheidung vielmehr über einen Entscheidungsspielraum. Anhaltspunkte für eine unangemessene Höhe der Ausgleichrücklage lägen nicht vor. Der Einbruch an den Finanzmärkten im Herbst 2008 und die folgende wirtschaftliche Rezession im Jahr 2009 seien Anlass dafür gewesen, die Vorsorgemöglichkeiten auszuschöpfen. Der günstige Verlauf der Beitragseingänge sei bis 2011/2012 nicht abzusehen gewesen und wohl der spezifischen Wirtschaftsstruktur und einer Veränderung der Gewerbesteuer-Ermittlung ab 2009 zuzuschreiben.

22

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage sei korrekt gebildet und fortentwickelt worden. In der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 sei diese mit 5.333.439,80 Euro ausgewiesen worden. Es sei um größere Instandhaltungsaufwendungen in erster Linie für das historische Handelskammer-Gebäude am Adolphsplatz 1, aber auch für die Immobilie Schauenburger Straße 49 gegangen. Der ausgewiesene Rücklagenbetrag habe rund 10 % des damaligen Versicherungswerts beider Objekte entsprochen. Im Rahmen eines mittelfristigen Instandhaltungsprogramms, das insbesondere der Verbesserung der Energiebilanz und des Brandschutzes gedient habe, seien der Rücklage im Jahr 2007 weitere 1.000.000,00 Euro zugeführt worden. Im Jahr 2010 seien im Zusammenhang mit diesem mittelfristigen Instandhaltungsprogramm weitere 4.800.000,00 Euro in die Rücklage eingestellt worden. Im Jahr 2012 sei das Programm durch eine fachgutachterliche Stellungnahme des Architekturbüros „360grad+ architekten“ und des Ingenieurbüros „Wetzel & von Seht“ aktualisiert und um die Kosten für einen vollständigen Umbau der Büroflächen im Gebäude Adolphsplatz ergänzt worden. Das Gutachten habe die Kosten auf 14.747.235,65 Euro beziffert. Hinzuzurechnen gewesen seien Kosten für die Anmietung eines zeitweiligen Ausweichquartiers in Höhe von 1.440.000,00 Euro sowie ein Betrag von 5.000.000,00 Euro aufgrund eines überdurchschnittlichen Kostensteigerungs-Risikos wegen des Alters des Gebäudes und zum Teil nicht geklärter statischer Gründungsverhältnisse. Zur energetischen Sanierung seien der Rücklage im Jahr 2012 164.964,80 Euro, im Jahr 2013 370.036,53 Euro und im Jahr 2014 rund 1,3 Millionen Euro entnommen worden.

23

Die in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 mit 1.000.000,00 Euro ausgewiesene Rücklage für Sonderprojekte habe der Sicherung standortpolitisch bedeutsamer Projekte gedient. Das Ziel habe darin bestanden, sich kurzfristig Handlungsspielräume für notwendige ad-hoc-Aktivitäten im Rahmen des gesetzlichen Kammerauftrags nach § 1 IHKG zu erhalten, insbesondere zur Gesamtinteressenvertretung und Förderung der gewerblichen Wirtschaft. Solche Projekte könnten angesichts der sehr dynamischen politischen wie gesellschaftlichen Entwicklungen kurzfristig geboten sein. Das diene der Absicherung ihrer Handlungsfähigkeit im Sinne einer effektiven Aufgabenwahrnehmung. Im Jahr 2007 sei die Rücklage zunächst um 2.000.000,00 Euro erhöht worden. Hintergrund sei die Einschätzung gewesen, dass ihre Gremien stets eine neue Olympia-Bewerbung Hamburgs befürworten würden. Daneben habe die Erhöhung auf die Vorbereitung auf eventuelle Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 sowie die aktuelle Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten gezielt. Zur Absicherung dieser Projekte sei die Rücklage im Jahr 2007 um weitere 900.000,00 Euro erhöht worden. Im Jahr 2012 sei die Rücklage, soweit sie sich auf den doppelten Abiturjahrgang bezogen habe, in Höhe von 1.000.000,00 Euro zugunsten von Projekten der Metropolregion Hamburg umgewidmet worden, weil der doppelte Abiturjahrgang ohne besonderen Aufwand habe bewältigt werden können.

24

Die Ergebnisvorträge seien rechtzeitig in die Wirtschaftsplanung eingeflossen. Diese hätten zudem dazu geführt, dass Beitragssenkungen in Höhe von 4.962.219,71 Euro für das Jahr 2012 und 4.397.256,56 Euro für das Jahr 2013 beschlossen worden seien. Verfassungs- oder europarechtliche Bedenken gegen Pflichtmitgliedschaft und Beitragspflicht beständen nicht.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 2015 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Die Sachakten haben bei der Entscheidung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

I.

26

Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren (§ 101 Abs. 2 VwGO).

II.

27

Der Klagantrag ist nach § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass er auf Aufhebung des Beitragsbescheides vom 1. Februar 2013 in der Gestalt des Beitragsbescheides vom 31. Januar 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 gerichtet ist. Seinem Wortlaut nach berücksichtigt der Klagantrag die mit Beitragsbescheid vom 31. Januar 2014 erfolgte Festsetzung eines Nachlasses in Höhe von 1.711,80 Euro für das Jahr 2013 nicht. Dies entspricht nicht dem klägerischen Begehren, wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt hat.

28

Mit dem so ausgelegten Antrag hat die Anfechtungsklage hinsichtlich der Beitragsfestsetzung für die Jahre 2010 und 2013 (hierzu unter 1.), nicht aber hinsichtlich der Festsetzung des 20-prozentigen Nachlasses auf den Beitrag für das Jahr 2012 (hierzu unter 2.) Erfolg.

29

1. Hinsichtlich der Beitragsveranlagung für die Jahre 2010 und 2013 ist die zulässige Klage auch begründet. Der Bescheid vom 1. Februar 2013 in der Gestalt des Bescheides vom 31. Januar 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

30

a) Rechtsgrundlage für die Beitragspflicht dem Grunde nach ist § 3 Abs. 2 IHKG.

31

Danach werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Diesen Vorgaben ist die Beklagte bei der Beitragsveranlagung für die Jahre 2010 und 2013 nicht gerecht geworden.

32

aa) Die Wirtschaftspläne für die Jahre 2010 und 2013 als Grundlage der Beitragserhebung sind aufgrund der von der Beklagten vorgehaltenen Rücklagen rechtswidrig.

33

(1) Das Gesetz legt mit Blick auf die Beitragserhebung eine zweistufige Willensbildung der Kammer zugrunde. Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Wirtschaftsplan auf. Dieser gilt für ein Wirtschaftsjahr und ist – als Plan – im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, juris, Rn. 12).

34

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert nicht nur die Feststellung, ob der im Wirtschaftsplan festgesetzte Mittelbedarf der Kammer – die nicht durch Einnahmen (anderweitig) gedeckten Kosten ihrer Tätigkeit – durch eine Beitragsordnung rechtmäßig auf die Kammerzugehörigen umgelegt und ob die Beitragsordnung auch im Einzelfall fehlerfrei angewendet wurde. Geboten ist vielmehr ebenfalls die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Der Wirtschaftsplan ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen. Er ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit nicht entzogen. Beides wäre mit dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, gegen die Beitragserhebung der Industrie- und Handelskammer effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar (BVerwG, a.a.O, Rn. 13).

35

Allerdings besitzt die Kammer bei der Aufstellung des Wirtschaftsplanes einen weiten Gestaltungsspielraum. Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt die Prüfung, ob dabei der durch die jeweils zu beachtenden Rechtsnormen gebildete Rahmen gewahrt ist. Dazu gehört zunächst § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG, der die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen gebietet. Ferner sind nach § 3 Abs. 7a IHKG die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung anzuwenden und – unabhängig davon – die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (BVerwG, a.a.O, Rn. 16).

36

Hinsichtlich der rechtlichen Anforderungen an die Rücklagenbildung ist zu beachten, dass der Kammer die Bildung von Vermögen verboten ist (BVerwG, Urt. v. 26.6.1990, 1 C 45.87, juris, Rn. 20). Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, juris, Rn. 17). Zudem muss auch die Höhe der Rücklage von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein; eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und käme einer unzulässigen Vermögensbildung gleich (BVerwG, a.a.O, Rn. 18).

37

Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Wirtschaftsplan – und damit jährlich – erneut treffen. Ein Wirtschaftsplan kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält (BVerwG, a.a.O, Rn. 18).

38

(2) Nach diesen Vorgaben sind die Wirtschaftspläne der Beklagten und damit auch die Festsetzung der Mitgliedsbeiträge für die Jahre 2010 und 2013 aufgrund der von der Beklagten vorgehaltenen Rücklagen rechtswidrig.

39

(a) Die Bildung, Aufrechterhaltung und Aufstockung der „Rücklage für Sonderprojekte“ entsprach nicht den zu stellenden Anforderungen.

40

Nach § 15 Abs. 3 Satz 4 des hier maßgeblichen Finanzstatuts der Beklagten vom 25. Januar 2006 ist die Bildung anderer Rücklagen – neben einer Ausgleichsrücklage und einer Liquiditätsrücklage – zulässig. Diese dürfen ausweislich der Richtlinien zur Ausführung des Finanzstatus der Beklagten vom 12. Mai 2006 zu § 15 Abs. 3 jedoch nur für bestimmte Zwecke gebildet werden. Diesem auch aus dem Verbot der Vermögensbildung folgenden Gebot hinreichend bestimmter sachlicher Zweckbindung der Rücklage im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit hat die Beklagte bei der Bildung, Aufrechterhaltung und Aufstockung der „Rücklage für Sonderprojekte“ nicht genügt.

41

Der zur Begründung der Rücklage in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 angeführte Zweck der Sicherung standortpolitisch bedeutsamer Projekte ist nicht hinreichend bestimmt. In dieser Allgemeinheit konnte die Rücklage einer Vielzahl von Projekten dienen, ohne dass näher erkennbar war, welche dies sein werden und wann diese mit jeweils welchem Mittelbedarf in Angriff genommen werden. Mangels diesbezüglicher Präzisierungen kam diese Rücklage unzulässigerweise gebildetem Vermögen gleich. Zu diesem nicht hinreichend bestimmten Zweck hat die Beklagte im Rahmen der „Rücklage für Sonderprojekte“ seit der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 bis in das Jahr 2013 einen Betrag in Höhe von 1.000.000,00 Euro bereitgehalten.

42

Soweit die „Rücklage für Sonderprojekte“ im Jahr 2007 zunächst um 2.000.000,00 Euro und sodann um weitere 900.000,00 Euro erhöht wurde und die Beklagte dies mit der damaligen Einschätzung, ihre Gremien würden eine neue Olympia-Bewerbung Hamburgs stets befürworten, sowie den eventuellen Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 und der Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten begründet hat, kann dahinstehen, ob Aktivitäten im Vorfeld einer Olympia-Bewerbung Hamburgs noch vom gesetzlichen Auftrag der Beklagten gedeckt wären. Jedenfalls ist nicht erkennbar, welche konkreten Maßnahmen mit welchem Zeithorizont und welchem Mittelbedarf im Einzelnen geplant waren. Gleiches gilt für die im Jahr 2012 erfolgte Umwidmung der Rücklage in Höhe von 1.000.000,00 Euro hinsichtlich des doppelten Abiturjahrgangs, der ohne besonderen Aufwand habe bewältigt werden können, zugunsten nicht näher spezifizierter Projekte der Metropolregion Hamburg.

43

(b) Die Bildung, Aufrechterhaltung und Aufstockung der „Umbau-/Instandhaltungs-rücklage“ war nach den vorliegenden Erkenntnissen ebenfalls rechtswidrig.

44

Der Zweck dieser Rücklage in Gestalt der Vorsorge für umfangreiche Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen insbesondere am denkmalgeschützten Kammergebäude ist zwar hinreichend bestimmt und bewegt sich im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass die Höhe der Rücklage in den Jahren 2010 und 2013 von diesem sachlichen Zweck gedeckt war.

45

Dies gilt bereits für den in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 ausgewiesenen Betrag in Höhe von 5.333.439,80 Euro. Soweit die Beklagte insoweit vorträgt, dieser Betrag habe größeren Instandhaltungsaufwendungen für die Gebäude am Adolphsplatz 1 und in der Schauenburger Straße 49 gedient und rund 10 % des damaligen Versicherungswerts beider Objekte entsprochen, fehlt es an Angaben dazu, dass sowie aufgrund welcher Erfahrungswerte unter Berücksichtigung des seinerzeitigen Zustands der Gebäude und der in der Vergangenheit vorgenommenen Arbeiten in absehbarer Zeit Instandhaltungsmaßnahmen in dieser Größenordnung erforderlich werden würden. Die pauschale Bezugnahme auf 10 % des seinerzeitigen Versicherungswerts ist insoweit unzureichend, zumal die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 2015 ausdrücklich gebeten worden war, die Erforderlichkeit der Höhe der „Umbau-/ Instandhaltungsrücklage“ näher darzulegen. Mangels genauerer Angaben ist nicht festzustellen, dass die Prognose des Mittelbedarfs in Höhe der Rücklage aus der ex ante Sicht sachgerecht und vertretbar war und deshalb dem Grundsatz der Schätzgenauigkeit entsprach.

46

Hinsichtlich der Erhöhung der „Umbau-/Instandhaltungsrücklage“ im Rahmen eines mittelfristigen Instandhaltungsprogramms, das insbesondere der Verbesserung der Energiebilanz und des Brandschutzes gedient habe, um 1.000.000,00 Euro im Jahr 2007 und weitere 4.800.000,00 Euro „im Zusammenhang“ mit diesem Programm im Jahr 2010 ist ebenfalls nicht zu erkennen, welche konkreten Maßnahmen in welchen Zeiträumen und mit welchem Mittelbedarf geplant waren. Eine Investitions- und Finanzierungsübersicht, die nach § 8 des Finanzstatuts der Beklagten verbindliche Grundlage für die erforderliche Genehmigung größerer Baumaßnahmen, deren Volumen fünf Prozent des Betriebsaufwandes überschreitet, durch das Plenum ist, hat die Beklagte nicht vorgelegt.

47

Lediglich zur Erhöhung der „Umbau-/Instandhaltungsrücklage“ auf 20.968.475,00 Euro im Jahr 2012 liegt eine Stellungnahme des Architekturbüros „360grad+ architekten“ und des Ingenieurbüros „Wetzel & von Seht“ zur mittel- und langfristigen Budgetplanung möglicher Sanierungsmaßnahmen vor (Bl. 451 ff. d. A.). Darin wird zwar ein Mittelbedarf in Höhe von insgesamt 14.747.235,65 Euro genannt. Auf welcher Grundlage und Erfahrungswerte darüber hinaus jedoch neben Kosten für die Anmietung eines zeitweiligen Ausweichquartiers in Höhe von 1.440.000,00 Euro ein weiterer Betrag von 5.000.000,00 Euro aufgrund des Gebäudealters und ungeklärter statischer Gründungsverhältnisse in die Rücklage eingestellt wurde, ist hingegen nicht zu erkennen. Auch insoweit ist nicht festzustellen, dass diese Prognose aus der ex ante Sicht sachgerecht und vertretbar war und deshalb dem Grundsatz der Schätzgenauigkeit entsprach.

48

bb) Darüber hinaus sind die Beschlüsse des Plenums über den Vortrag der Gewinne in Höhe von 5.711.437,74 Euro aus dem Jahr 2010 sowie 2.108.002,18 Euro aus dem Jahr 2013 rechtswidrig.

49

(1) Die Feststellung des Jahresabschlusses bietet die Gelegenheit, die dem Wirtschaftsplan und der Beitragsveranlagung in der Wirtschaftssatzung zu Grunde liegende Prognose des Mittelbedarfs aus der Sicht ex post auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.

50

Erwirtschaftet eine Industrie- und Handelskammer einen erheblichen Gewinn, indiziert dies, dass die Mitgliedsbeiträge unter Missachtung des aus § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG folgenden Gebots, die Leistungsfähigkeit der Mitglieder pfleglich zu behandeln, zu hoch bemessen waren. Die Beiträge sind dann grundsätzlich in Höhe des Gewinns anteilig an die Mitglieder zurückzuerstatten. Geschähe dies nicht und würde der Gewinn stattdessen auf neue Rechnung vorgetragen, stände dieser Betrag zwar weiterhin der Kammer, nicht aber unmittelbar den Kammerzugehörigen zur Verfügung. Vom Gewinnvortrag könnten zudem diejenigen Kammerzugehörigen, die nach dem mit erheblichem Gewinn abgeschlossenen Geschäftsjahr aus der Kammer ausscheiden, auch mittelbar nicht mehr profitieren. Erfolgt der Gewinnvortrag überdies kontinuierlich über mehrere Jahre hinweg in erheblicher Höhe, steht dies wirtschaftlich einer der Kammer untersagten unzulässigen Vermögensbildung gleich. Der Vortrag eines erheblichen Gewinns auf neue Rechnung anstatt einer anteiligen Rückerstattung der Beiträge an die Mitglieder ist deshalb nur dann im Einzelfall rechtlich zulässig, wenn dies aufgrund besonderer Umstände wirtschaftlich geboten ist.

51

Die Gewinnverwendungsbeschlüsse können aufgrund des nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes auch im Rahmen einer gegen einen Beitragsbescheid gerichteten Anfechtungsklage auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden. Dies gilt auch dann, wenn diese Beschlüsse zeitlich später als die angefochtenen Bescheide ergangen sind. Denn bei Anfechtungsklagen bestimmt sich der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt in erster Linie nach dem materiellen Recht und nur dann, wenn diesem keine Anhaltspunkte für den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt zu entnehmen sind, nach dem Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (BVerwG, Urt. v. 29.3.1996, 1 C 28/94, juris, Rn. 15 m.w.N.). Aus den Regelungen des materiellen Kammerrechts zur Beitragsveranlagung ergibt sich seinem Wesen nach, dass Beschlüsse über die Verwendung eines in erheblicher Höhe angefallenen Gewinns nicht dann bei der im Rahmen einer Anfechtungsklage zu beurteilenden Rechtmäßigkeit der Beitragsveranlagung unberücksichtigt zu bleiben haben, wenn diese Beschlüsse zeitlich nach den angefochtenen Beitragsbescheiden ergangen sind.

52

Zum einen ist den Gewinnverwendungsbeschlüssen, wie bereits ausgeführt, erhebliche Relevanz für die Rechtmäßigkeit der Beitragsveranlagung beizumessen. Zum anderen folgt aus den Regelungen der Beklagten zur Feststellung der Wirtschaftssatzung, die über die Beiträge bestimmt und vor Beginn des Geschäftsjahres beschlossen werden soll (§ 2 Abs. 1 des Finanzstatuts der Beklagten) sowie der nachfolgenden Beitragsveranlagung (§ 15 der Beitragsordnung der Beklagten) auf der einen und zur Feststellung des Jahresabschlusses nach Ablauf des Geschäftsjahres sowie zum Beschluss über die Ergebnisverwendung (§§ 15 Abs. 1, 17 Abs. 3 des Finanzstatuts der Beklagten) auf der anderen Seite, dass die Gewinnverwendungsbeschlüsse regelhaft erst nach der Beitragsveranlagung erfolgen. Bliebe die Rechtswidrigkeit eines der Beitragsveranlagung nachfolgenden Gewinnverwendungsbeschlusses im Beitragsrechtsstreit unberücksichtigt, wäre dies weder prozessökonomisch noch trüge es dem Eingriffscharakter von IHK-Pflichtmitgliedschaft und Beitragspflicht in die nach Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit angemessen Rechnung.

53

(2) Nach diesen Maßgaben sind die Beschlüsse des Plenums der Beklagten über den Vortrag der Gewinne aus den Jahren 2010 und 2013 auf neue Rechnung rechtswidrig.

54

Die Beklagte hat im Geschäftsjahr 2010 einen ganz erheblichen Gewinn in Höhe von 5.711.437,74 Euro auf neue Rechnung vorgetragen. Besondere Umstände, aufgrund derer dies anstatt der anteiligen Rückerstattung der Mitgliedsbeiträge wirtschaftlich hätte geboten sein können, sind nicht ersichtlich. Dies gilt auch für das Jahr 2013, in dem die Beklagte trotz des 15-prozentigen Nachlasses auf die Mitgliedsbeiträge, der für sie geringere Einnahmen in Höhe von 4.397.256,56 Euro bedeutete, einen ebenfalls erheblichen Gewinn in Höhe von 2.108.002,18 Euro auf neue Rechnung vorgetragen hat.

55

b) Die Regelungswirkung des angefochtenen und für rechtswidrig erkannten Beitragsbescheides umfasst den Beitrag für das Jahr 2010 in Höhe von 14.051,88 Euro insgesamt sowie für das Jahr 2013, aufgrund des mit Bescheid vom 31. Januar 2014 erfolgten 15-prozentigen Nachlasses, in Höhe von 9.700,20 Euro.

56

Hinsichtlich des Geschäftsjahres 2010 beschränkt sich die Regelungswirkung des angefochtenen Bescheides nicht auf die Festsetzung des Beitrags in Höhe von 11.879,82, der den mit früherem Bescheid im Wege vorläufiger Veranlagung festgesetzten Betrag von 2.172,06 Euro übersteigt, da der angefochtene Bescheid den Beitrag für das Jahr 2010 im Wege der Abrechnung und damit endgültig auf 14.051,88 Euro festgesetzt hat.

57

aa) Dies beruht auf § 15 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 der Beitragsordnung der Beklagten vom 14. Mai 2004, zuletzt geändert am 21. Dezember 2006.

58

Danach kann eine vorläufige Veranlagung aufgrund des letzten vorliegenden Gewerbeertrags oder – soweit ein solcher nicht vorliegt – aufgrund einer Schätzung in entsprechender Anwendung des § 162 AO erfolgen, sofern der Gewerbeertrag oder der Zerlegungsanteil für das Bemessungsjahr noch nicht vorliegen. Entsprechendes gilt für den Gewinn aus Gewerbebetrieb und den Umsatz, die Bilanzsumme und die Arbeitnehmerzahl, soweit diese für die Veranlagung von Bedeutung sind. Ändert sich die Bemessungsgrundlage nach Erteilung des Beitragsbescheids, erlässt die Beklagte einen berichtigten Bescheid.

59

Veranlassung zum Erlass eines endgültigen Beitragsbescheides besteht, wenn die Beitragsveranlagung im Gegensatz zur vorläufigen Veranlagung auf Grundlage des nunmehr vorliegenden Gewerbeertrages bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb des Bemessungsjahres erfolgen kann. Unerheblich ist insoweit, ob sich einzelne für die Berechnung des Beitrags nach den genannten Vorschriften relevante Parameter der Höhe nach zu Gunsten oder zu Ungunsten des Kammermitglieds geändert haben. Auch wenn diese im Ergebnis unverändert sind und sich keine Änderung der Höhe des Beitrags ergibt, ist der Beitrag im Wege der Abrechnung endgültig festzusetzen. Dieser Veranlagungsbescheid stellt nicht bloß eine – teilweise – wiederholende Verfügung dar, sondern trifft aufgrund der Endgültigkeit der Beitragsveranlagung eine eigenständige Regelung, die in seiner Gesamtheit uneingeschränkt anfechtbar ist (s. auch Jahn, GewArch 2008, 190 (191)).

60

bb) Entgegen anderslautender verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen (s. VG München, Urt. v. 6.10.2015, M 16 K 15.2443, juris, Rn. 20) steht dies nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 5.3.1971, VII C 44.68, juris) zur beschränkten Anfechtbarkeit gemäß § 212b Abs. 3 AO in der ab dem 1. Januar 1966 geltenden Fassung (BGBl. 1965 I S. 1477 (1497)) erlassener Berichtigungsbescheide im Widerspruch.

61

Nach dieser Vorschrift hatte eine Gemeinde, wenn ein Steuermessbescheid nachträglich geändert wurde, einen Realsteuerbescheid, der auf dem bisherigen Steuermessbescheid beruhte, von Amts wegen durch einen neuen Realsteuerbescheid zu ersetzen, der der Änderung des bisherigen Steuermessbescheids Rechnung trug.

62

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Berichtigungsbescheid den bisherigen Steuerbescheid nur insoweit berühre, als es erforderlich sei, um ihn dem geänderten Steuermessbescheid des Finanzamts, auf dem die Änderung beruhe, anzupassen. Eine Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalles finde nicht statt. Führe daher der gemäß § 212b Abs. 3 AO ergangene Berichtigungsbescheid zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung, weil der Betrag des bisherigen Steuermessbescheides herabgesetzt worden sei, so werde ein bisheriger Gewerbesteuerbescheid nur insoweit beseitigt, als er dem zugrunde liegenden geänderten Steuermessbescheid entgegenstehe, also eine höhere Gewerbesteuer festgesetzt habe als sie dem herabgesetzten Steuermessbetrag entspreche. Im Übrigen bleibe die bisherige Gewerbesteuerfestsetzung bestehen und damit auch ihre in der Vergangenheit eingetretene Wirkung der Unanfechtbarkeit. Soweit der Berichtigungsbescheid den nicht korrigierten Bestandteil der bisherigen Gewerbesteuerfestsetzung dem Steuerpflichtigen gegenüber nochmals geltend mache, stelle er sich nicht als neuer Sachbescheid, sondern lediglich als „wiederholende Verfügung“ dar, die nicht mehr selbständig angefochten werden könne (zum Vorstehenden: BVerwG, Urt. v. 5.3.1971, VII C 44.68, juris, Rn. 22).

63

Diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Im Gegensatz zu den Steuerbescheiden, die den Berichtigungsbescheiden nach § 212b Abs. 3 AO vorausgegangen waren, hat die Beklagte nach Maßgabe von § 15 Abs. 3 ihrer Beitragsordnung zunächst eine nur vorläufige Veranlagung vorgenommen, hinsichtlich der es stets einer späteren Abrechnung und damit endgültigen Veranlagung bedarf. Dabei handelt es sich, wie bereits ausgeführt, nicht um eine – teilweise – wiederholende Verfügung, sondern um eine eigenständige Sachentscheidung.

64

cc) Auch aus § 351 Abs. 1 AO, wonach Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, nur insoweit angegriffen werden können, als die Änderung reicht, es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt (hierzu: VG München, Urt. v. 6.10.2015, M 16 K 15.2443, juris, Rn. 20), folgt nichts anderes, da diese Anfechtungsbeschränkung für vorläufige Steuerbescheide mangels materieller Bestandskraft nicht gilt (Bartone, in: Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 121. Lieferung, Stand: 1.11.2013, § 351 AO 1977, Rn. 7 m.w.N.; Cöster, in: Koenig, AO, 3. Auflage 2014, § 351, Rn. 13).

65

2. Hinsichtlich der mit dem angefochtenen Beitragsbescheid erfolgten Festsetzung eines 20-prozentigen Nachlasses auf den Beitrag für das Jahr 2012 ist die Anfechtungsklage hingegen unzulässig.

66

Die Klägerin ist insoweit nicht klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Die danach erforderliche Möglichkeit der Verletzung in eigenen Rechten scheidet bei einem den Rechtsschutzsuchenden rechtlich nur begünstigenden Verwaltungsakt aus (Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL, Oktober 2015, § 42 Abs. 1, Rn. 8). So ist es hier.

67

Die Regelung des angefochtenen Bescheides beschränkt sich hinsichtlich des Geschäftsjahres 2012 auf die Reduzierung des bereits mit einem früheren Bescheid festgesetzten Beitrags um 20 %. Hintergrund ist ausweislich der einleitenden, in Fettdruck gesetzten Formulierung, dass das Plenum aufgrund der Finanzlage der Beklagten beschlossen hatte, einmalig für das Beitragsjahr 2012 auf alle Grundbeiträge und auf die Umlage einen Nachlass von 20 % zu gewähren.

68

Hingegen ist der Bescheid nicht dahingehend auszulegen, dass damit die Höhe des Beitrags für das Geschäftsjahr 2012 vollständig neu festgesetzt wurde. Im Gegensatz zur Veranlagung zum Jahr 2010 handelt es sich nicht um eine Abrechnung aufgrund nunmehr vorliegender Parameter, die für die Berechnung des Beitrages erforderlich sind, sondern um eine erneute vorläufige Veranlagung, die einzig auf den vom Plenum beschlossenen pauschalen 20-prozentigen Nachlass zurückzuführen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte mit dieser Festsetzung den früheren Bescheid aufgehoben und eine vollständige neue Sachentscheidung über den Beitrag für das Geschäftsjahr 2012 getroffen hat, liegen nicht vor. Im Gegenteil heißt es am Ende des Bescheides, dass, wenn zu den aufgeführten Beitragsjahren bereits Beitragsbescheide ergangen seien, diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben würden.

69

Der Klägerin wird dadurch der nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistete effektive Rechtsschutz auch nicht verwehrt. Mit ihrem Argument, der Nachlass habe höher als 20 Prozent ausfallen müssen, kann sich die Klägerin gegen die spätere endgültige Veranlagung für das Geschäftsjahr 2012 wenden, ohne dass dem die Unanfechtbarkeit der vorläufigen Veranlagung entgegenzuhalten wäre (s. oben unter II. 1. b)).

III.

70

Der Beklagten sind die Kosten nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO in Gänze aufzuerlegen, weil die Klägerin nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

71

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Industrie- und Handelskammer. Sie wendet sich gegen die Höhe ihrer Beiträge.

2

Zur Begründung ihrer Klage gegen den Beitragsbescheid vom 17. November 2011, mit dem die Beklagte die Beiträge für die Jahre 2005 bis 2008 festsetzte, und den Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2012 hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Beklagte bei der Beitragskalkulation Überschüsse aus den Vorjahren unberücksichtigt gelassen und unangemessen hohe Rücklagen gebildet habe. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe in allen vier Jahren bei der Festlegung der Liquiditäts- und Ausgleichsrücklage von ihrem Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht. Eine Liquiditätsrücklage zur Zwischenfinanzierung verspätet eingehender Beiträge und eine Ausgleichsrücklage zur Abdeckung von Beitragsausfällen in Höhe von jeweils 50 % des Jahresfinanzbedarfs seien unverhältnismäßig hoch. Diese Rücklagen überstiegen das abzudeckende Risiko um ein Vielfaches.

3

Auf die Berufung der beklagten Industrie- und Handelskammer hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil teilweise geändert. Die Beitragserhebung für die Jahre 2007 und 2008 sei zwar rechtswidrig; denn die Beklagte habe Gewinne aus Vorjahren bei der Beitragskalkulation unberücksichtigt gelassen. Hinsichtlich der Beitragsbescheide für die Jahre 2005 und 2006 sei die Klage aber unbegründet. Im Beitragsprozess sei eine gerichtliche Kontrolle der Rücklagenbildung nur insoweit möglich, als erhobene Beiträge kalkulatorisch wenigstens teilweise eine Zuführung zu den Rücklagen bewirkten. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG würden die Beiträge nach Maßgabe des Wirtschaftsplans aufgebracht. In den Jahren 2005 und 2006 sei jedoch keine Zuführung in die Liquiditätsrücklage geplant gewesen, so dass es insoweit an einer Beschwer der Klägerin durch die Beitragserhebung fehle. Eine fehlerhafte Wirtschaftsplanung könne nicht im Beitragsprozess, sondern nur mit einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage in Bezug auf die Haushaltsführung geltend gemacht werden.

4

Mit ihrer vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Aufhebung des Berufungsurteils. Zur Begründung verweist sie auf ihre Nichtzulassungsbeschwerde und auf den Zulassungsbeschluss. Sie beantragt sinngemäß,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. September 2014 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. November 2013 insgesamt zurückzuweisen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Revision zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

6

Sie hält die Revision für unzulässig, da eine ausreichende Revisionsbegründung fehle. Rein vorsorglich verteidigt sie das Berufungsurteil. Sie verweist darauf, dass einer Industrie- und Handelskammer bei der Wirtschaftsplanung ein weiter finanzpolitischer Gestaltungsspielraum zustehe. Die Wirtschaftshoheit gehöre im Sinne der Finanzhoheit zum Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie. Die Industrie- und Handelskammern seien einer internen und externen Rechnungskontrolle unterworfen. Eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle ihrer Haushaltsentscheidungen sei nicht vorgesehen, weswegen auch im Rahmen der Anfechtung eines Beitragsbescheides keine umfassende IHK-Haushaltsprüfung vorzunehmen sei. Eine im Einzelfall fehlerhafte Haushaltsentscheidung führe weder zur Unwirksamkeit des gesamten Haushalts, noch sei sie wegen des Prinzips der Jährlichkeit nach Ablauf des Haushaltsjahres reparabel. Sie wirke sich weder auf die Wirksamkeit des Beitragssystems noch auf die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides aus. Der Beitrag sei als Gegenleistung für die Vorteile anzusehen, die ein Mitglied aus der Kammerzugehörigkeit oder einer besonderen Tätigkeit der Kammern ziehe oder ziehen könne. Daraus folge, dass die Einhaltung der Haushaltsvorschriften nicht inzident bei der Beitragskontrolle zu prüfen sei. Sie könne allenfalls im Rahmen einer isolierten Feststellungs- und Unterlassungsklage geltend gemacht werden.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses bemängelt die Revisionsbegründung, hält die Revision in der Sache jedoch für begründet.

8

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin, über die der Senat nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat Erfolg.

10

1. Sie ist zulässig. Die Revisionsbegründung genügt noch den an sie zu stellenden Anforderungen (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Sie enthält einen bestimmten Antrag und nimmt zur Begründung der Rechtsverletzung auf das Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug. Zu den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung gehört eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und eine damit verbundene sachliche Auseinandersetzung mit den die Entscheidung des Berufungsgerichts tragenden Gründen, aus der hervorgeht, warum der Revisionskläger diese Begründung nicht als zutreffend erachtet (BVerwG, Urteil vom 3. März 1998 - 9 C 20.97 - BVerwGE 106, 202 <203>; Beschluss vom 12. Juni 2006 - 5 C 26.05 - NJW 2006, 3081 Rn. 2). Eine Bezugnahme auf Schriftsätze, die im Verfahren wegen der Nichtzulassung der Revision vorgelegt worden sind, ist als Begründung der zugelassenen Revision ausreichend, wenn die Beschwerdeschrift ausnahmsweise den Anforderungen (auch) an eine Revisionsbegründung genügt (BVerwG, Urteile vom 13. März 2008 - 7 C 44.07 - Buchholz 406.25 § 17 BImSchG Nr. 4 Rn. 12 und vom 16. Juni 2015 - 10 C 14.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:160615U10C14.14.0] - NVwZ 2015, 1610 Rn. 14). Das ist hier der Fall. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde enthält eine kritische Würdigung des Berufungsurteils im Hinblick auf dessen verfahrens- und materiellrechtliche Richtigkeit, auch wenn darin nicht auf alle Aspekte eingegangen wird.

11

2. Die Revision ist auch begründet. Das Berufungsgericht hätte die Berufung der Beklagten auch in Ansehung der Beitragsfestsetzung für 2005 und 2006 zurückweisen müssen; denn auch insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beitragsfestsetzungen stehen auch für diese beiden Jahre mit § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (Industrie- und Handelskammergesetz - IHKG) vom 18. Dezember 1956 (BGBl. I S. 920) in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 5 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2934) und des Art. 4 Nr. 5 des Gesetzes vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931) nicht im Einklang.

12

a) Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG ist der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Mit Blick auf die Beitragserhebung legt das Gesetz damit eine zweistufige Willensbildung der Kammer zugrunde. Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) auf. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) gilt für ein Haushaltsjahr (Wirtschaftsjahr) und ist - als Plan - im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

13

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert damit nicht nur die Feststellung, ob der im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) festgesetzte Mittelbedarf der Kammer - die nicht durch Einnahmen (anderweitig) gedeckten Kosten ihrer Tätigkeit - durch eine Beitragsordnung rechtmäßig auf die Kammerzugehörigen umgelegt und ob die Beitragsordnung auch im Einzelfall fehlerfrei angewendet wurde. Geboten ist vielmehr ebenfalls die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen. Er ist auch der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit nicht entzogen. Beides wäre mit dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, gegen die Beitragserhebung der Industrie- und Handelskammer effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar.

14

Hiergegen kann die Beklagte nicht auf ihre Befugnis zur Selbstverwaltung verweisen. Hinter dieser Argumentation steht ersichtlich die Sorge, die gerichtliche Überprüfung könne eine kraftvolle Betätigung der Selbstverwaltung allzu sehr einengen. Diese Sorge ist unbegründet. Jede Autonomie besteht nur in den ihr vom Gesetz gezogenen Grenzen, und es ist Aufgabe der Gerichte, über die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen zu wachen. Wie weit diese gerichtliche Kontrolle reicht, hängt davon ab, wie eng gezogen die gesetzlichen Grenzen sind. Wie noch (sogleich unten b) zu zeigen sein wird, besitzt die Kammer bei der Aufstellung ihres Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen sehr weiten Gestaltungsspielraum.

15

Das Berufungsgericht hält die gerichtliche Überprüfung der Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) zwar grundsätzlich für möglich, erklärt sie aber im Beitragsprozess für unzulässig und möchte sie einer gesonderten Unterlassungs- oder Feststellungsklage vorbehalten. Hierfür beruft es sich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, derzufolge ein Kammermitglied die Zahlung des Kammerbeitrags nicht mit Einwänden gegen die Beitragsverwendung verweigern darf (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 - 7 C 65.78 - BVerwGE 59, 242 <245 ff.>; OVG Koblenz, Urteil vom 13. April 2011 - 6 A 11076/10 - LKRZ 2011, 238). Dem liegt ein Missverständnis zugrunde. Die zitierte Rechtsprechung betrifft lediglich solche Einwände gegen die Beitragsverwendung, die sich gegen bestimmte Tätigkeiten der Kammer richten. Es trifft zu, dass ein Kammermitglied nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Kammer zwar gerichtlich auf Unterlassung von Tätigkeiten in Anspruch nehmen kann, die außerhalb ihres gesetzlichen Aufgabenkreises liegen (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 - 8 C 20.09 - BVerwGE 137, 171), dass es mit dieser Begründung jedoch nicht die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern kann (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 a.a.O.; stRspr). Dies findet seine Begründung darin, dass der Kammerbeitrag der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit dient und daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer einzelnen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Mit Blick auf die Kammertätigkeit ist der Kammerbeitrag daher verwendungsneutral. Das führt indes nicht dazu, die Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) im Beitragsprozess generell ungeprüft als gegeben hinzunehmen. Gerade die gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung selbst berühren das einzelne Kammermitglied regelmäßig nur über die Beitragspflicht; dann muss es deren Einhaltung gerade im Beitragsprozess zur gerichtlichen Prüfung stellen können.

16

b) Die Kammer besitzt bei der Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht freilich nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. August 2015 - 6 C 10.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:050815U6C10.14.0] - juris Rn. 42 und vom 14. Oktober 2015 - 6 C 17.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:141015U6C17.14.0] - juris Rn. 35). Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gebietet die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Ferner sind - für spätere als die hier strittigen Haushaltsjahre - seit der Einfügung des § 3 Abs. 7a IHKG durch das Gesetz vom 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246) die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung anzuwenden. Unabhängig davon sind ferner die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Juli 2007 - 2 BvF 1/04 [ECLI:DE:BVerfG:2007:fs20070709.2bvf000104] - BVerfGE 119, 96 <129>).

17

Welche rechtlichen Anforderungen an die Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) sich hieraus sowie aus weiteren einschlägigen Vorschriften im Einzelnen ergeben, bedarf keiner Vertiefung. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits genügt es, die rechtlichen Anforderungen zu präzisieren, die mit Blick auf die Rücklagenbildung zu stellen sind. Insofern ist davon auszugehen, dass der Kammer die Bildung von Vermögen verboten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 - 1 C 45.87 - Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 22 S. 12). Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es sich bei den Mitteln für angemessene Rücklagen ebenfalls um Kosten der Industrie- und Handelskammer im Sinne des § 3 Abs. 2 IHKG handelt, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 a.a.O. S. 12 f.). Daran ist auch für die Zukunft festzuhalten, da die Bildung von angemessenen Rücklagen auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlichrechtliche Körperschaften weiterhin notwendig ist und zu einer geordneten Haushaltsführung gehört (vgl. Jahn, GewArch 2013, 49 <53>).

18

Die Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder Einnahmeausfällen stellt einen solchen sachlichen Zweck dar. Allerdings muss auch das Maß der Rücklage noch von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein; eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) - und damit jährlich - erneut treffen. So räumt die Beklagte selbst ein, dass auch in der Entscheidung der IHK-Vollversammlung, eine in der Vergangenheit gebildete Rücklage in einem späteren Haushaltsjahr unverändert zu lassen, eine haushaltsrechtlich relevante Entscheidung zu sehen ist (Revisionserwiderung S. 12). Ein Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält.

19

c) So liegt es hier. Die Beibehaltung jedenfalls der Betriebsmittel- bzw. Liquiditätsrücklage in unverminderter Höhe in den Haushaltsjahren 2005 und 2006 war rechtswidrig, weshalb die festgesetzten Beiträge nicht der Deckung zulässiger Kosten der IHK-Tätigkeit dienten. Ob auch die Ausgleichsrücklage rechtswidrig war, bedarf keiner Entscheidung. Schließlich kann offen bleiben, ob die Rücklagen im Übrigen im Jahr 2005 den damals geltenden Beschränkungen des § 33 der Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO 2005) und im Jahr 2006 den Beschränkungen des § 15 Abs. 3 des Finanzstatuts der Beklagten (FSt 2006) entsprachen. Schließlich kann zugunsten der Beklagten angenommen werden, dass die in diesen Satzungen für die Jahre 2005 und 2006 eröffnete Möglichkeit, zwei unterschiedliche Rücklagen für die eng miteinander verbundenen Risiken des vorübergehenden und des endgültigen Beitragsausfalls zu bilden, von ihrem Satzungsermessen gedeckt war.

20

Die Beklagte hat dadurch den ihr von § 33 HKRO 2005 und § 15 Abs. 3 FSt 2006 eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten, dass sie allein für das Risiko des vorübergehenden Zahlungsausfalls im Jahr 2005 annähernd die höchstmögliche Betriebsmittelrücklage von 50 % der fortdauernden Ausgaben (6,4 Mio. €) und im Jahr 2006 ebenfalls beinahe die maximal zulässige Liquiditätsrücklage von 50 % der Betriebsaufwendungen (7,7 Mio. €) veranschlagt hat. Die Höhe dieser Rücklagen entsprach in beiden Jahren nicht dem Grundsatz der Schätzgenauigkeit. Die Rücklagenhöhe hätte nur mit der Prognose gerechtfertigt werden können, dass es im jeweiligen Haushaltsjahr bei ungünstigem Zahlungseingang zu zeitweisen Liquiditätsengpässen von fast 50 % der laufenden Ausgaben kommen könne. Die Beklagte hat aber im gesamten Prozess keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass ein derart hohes Liquiditätsrisiko in den Jahren 2005 und 2006 gedroht hätte. Auf die Frage des Verwaltungsgerichts wusste sie ein derartiges Risiko auch aus den Erfahrungen der Vergangenheit nicht zu belegen. Im Gegenteil hat sie eingeräumt, im gesamten Zeitraum von 2005 bis 2008 die Liquiditätsrücklage nur für einen Zeitraum von zwei Monaten in Höhe von 1,5 Mio. € benötigt zu haben, und die Liquiditätsrücklage in den Folgejahren aufgelöst. Dies zwingt zu dem Schluss, dass die vorgehaltene Rücklage in den Jahren 2005 und 2006 deutlich überhöht gewesen ist.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

Der Bescheid vom 02. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2016 wird insoweit aufgehoben, als er die vorläufige Veranlagung des IHK – Beitrages für das Jahr 2016 betrifft.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt ¾, die Beklagte 1/4 der Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beitragsfestsetzung für die Jahre 2012 bis 2014 und 2016.

2

Der Kläger ist kraft Gesetzes Mitglied der Beklagten und wird als solches von dieser zum Beitrag veranlagt.

3

Die Beklagte forderte den Kläger mit Bescheid vom 02. Februar 2016 auf, im Wege der vorläufigen Veranlagung für das Beitragsjahr 2016 Beiträge in Höhe von 153,00 EUR zu zahlen. Ferner enthielt der Bescheid drei Abschnitte mit der Überschrift „Abrechnung“ für die Beitragsjahre 2012, 2013 und 2014, in denen jeweils die mit früherem Bescheid festgesetzten Beträge aufgeführt waren, sowie in der Spalte „mit diesem Bescheid festgesetzt“ jeweils der Betrag „0,00“ angegeben war. Ferner war der Hinweis enthalten „Wenn zu den oben aufgeführten Beitragsjahren bereits Beitragsbescheide ergangen sind, werden diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben.“

4

Hiergegen erhob der Kläger am 08. Februar 2016 Widerspruch und begründete diesen mit einer aus seiner Sicht unzulässigen Vermögensbildung der Beklagten.

5

Die Beklagte verwarf den Widerspruch mit Bescheid vom 17. Mai 2016 hinsichtlich der Endabrechnungen für die Jahre 2012 bis 2014, da der Kläger durch den Bescheid insoweit nicht beschwert sei. Bezüglich der Veranlagung für das Jahr 2016 wies sie den Widerspruch mit der Begründung zurück, es sei keine unzulässige Vermögensbildung im Rahmen der Wirtschaftsplanung erfolgt und verwies dabei unter anderem auf die im Internet veröffentlichen Jahresabschlüsse der vergangenen fünf Jahre.

6

Unter dem 30. Mai 2016 hat der Kläger Klage erhoben und wiederholt dabei im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt er vor, er sei durch die wiederholende, abrechnende Veranlagung auch hinsichtlich der Jahre 2012 bis 2014 beschwert. Ferner habe die Beklagte auch für 2016 Mitgliedsbeträge unzulässig erhoben, da sie dem Gebot der Schätzgenauigkeit, insbesondere im Hinblick auf die Bemessung der Ausgleichsrücklage nicht genügt habe und ihr durch Reduzierung der zu hohen Rücklagen andere Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Des Weiteren rüge er hinsichtlich aller Zeiträume die Höhe der Ausgleichsrücklage sowie die Festsetzung eines Korridors hierfür in § 15 a Abs. 2 S. 1 der Finanzsatzung der Beklagten, ferner die Höhe der Liquiditätsrücklage in den Jahren 2012 - 2014 und der Nettoposition, durch deren Erhöhung die Beklagte eine unzulässige Vermögensbildung betrieben und gegen die Bestimmungen des eigenen Finanzstatus verstoßen habe. Außerdem sei die Bildung der weiteren Rücklagen nicht ordnungsgemäß, jedenfalls entspreche das Vorhalten des Künstlerfonds nicht der Aufgabenzuweisung der Beklagten. Ebenso habe die Beklagte fehlerhaft Jahresgewinne nicht an die Mitglieder ausgekehrt.

7

Der Kläger beantragt,

8

den Bescheid vom 02. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2016 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte macht geltend, die erforderlichen Abwägungen hinsichtlich der Rücklagenbildung getroffen zu haben und verweist insoweit auf den eingereichten Jahresabschluss 2015 sowie die eingereichte Wirtschaftsplanung 2016, auf deren Einzelheiten sie Bezug nimmt. Ferner ist sie der Ansicht, bei der Nettoposition handele es sich lediglich um eine rechnerische Größe, deren Erhöhung aufgrund des tatsächlichen Wertes des Gebäudebestandes als langfristig gebundenes Vermögen anzupassen gewesen sei. Das Bilden der Ausgleichsrücklage sei angesichts ihrer Finanzlage geboten gewesen. Darüber hinaus sei die Ausgleichsrücklage lediglich in Höhe von 2.000.000,00 EUR ausfinanziert. Das tatsächlich vorliegende Vermögen der Ausgleichsrücklage wäre im Übrigen ohne Beitragseinnahmen innerhalb eines Zeitraums von höchstens drei Monaten vollständig aufgebraucht, auch insoweit könne keine unverhältnismäßig hohe Einlagensicherung vorliegen. Eine Liquiditätsrücklage bestehe nicht. Ferner lasse die Nettoposition als rechnerische Größe keinerlei Rückschlüsse auf ihre Vermögenssituation zu. Die Zinsausgleichsrücklage, der Instandsetzungsfonds, der DIHK Pensionsfonds, der Nachwuchsförderungsfonds sowie der Prozesskostenfonds seien jeweils durch Aufgaben oder finanzielle Notwendigkeiten gerechtfertigt, soweit hier überhaupt ein Rückschluss auf die Vermögenslage möglich sei. Bei dem Künstlerfonds, der aufgrund eines Dauerbeschlusses der Vollversammlung in Höhe von 44.350,11 EUR bestehe, handele es sich um einen Vermögensbestandteil zur laufenden Beschaffung von künstlerisch gestalteten Einrichtungsgegenständen, der per se auch im Wirtschaftsplan bei den Beschaffungen für Betriebs- und Geschäftsausstattung abgebildet werden könne, allerdings aus Gründen der Transparenz im Fonds separat ausgewiesen sei.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Soweit die Klage gegen die Ausführungen im Bescheid der Beklagten über die Veranlagungszeiträume 2012, 2013 und 2014 gerichtet ist, ist sie unzulässig (1.), im Übrigen ist sie zulässig und begründet (2.).

14

1. Die von dem Kläger erhobene Anfechtungsklage gegen die Abrechnung der Beitragszeiträume 2012 bis 2014 im Bescheid vom 02.02.2016 ist unzulässig. Die Klage ist insbesondere nicht statthaft, denn der Abrechnung der Beitragsjahre 2012 bis 2014 im Bescheid der Beklagten fehlt es an dem für einen Verwaltungsakt wesentlichen Merkmal der Regelungswirkung.

15

Gemäß § 42 Abs. 1 VwGO kann mittels der Anfechtungsklage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes im Sinne des § 106 Abs. 1 Landesverwaltungsgesetz Schleswig – Holstein (LVwG SH) begehrt werden. Dies setzt aber eine (hoheitliche) Maßnahme mit Regelungswirkung voraus, an der es vorliegend fehlt. Mit der Regelung ist die verbindliche Festlegung von Rechten und Pflichten oder eines Rechtsstatus gemeint (OVG Schleswig, Urteil vom 05. November 1992 – 3 L 36/92 – juris, Rn. 21). Der durch die Beklagte angegriffene Bescheid enthält allerdings lediglich die Abrechnung vergangener Beitragszeiträume und weist darüber hinaus keine eigenständige Regelungswirkung auf.

16

Dem Kläger ist in seinem Verweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 02. März 2016 – 17 K 2912/14 – allerdings insoweit zuzustimmen, als dass dieses Ergebnis nicht bereits aus einer analogen Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 212 b Abgabenordnung a. F. folgt (so wohl VG München, Urteil vom 06. Oktober 2015 – M 16 K 15.2443 – juris, Rn. 20).

17

Nach dem Bundesverwaltungsgericht scheidet eine Anfechtungsklage stets dann aus, wenn gegen einen Berichtigungsbescheid vorgegangen wird der auf eine vorherige, mittlerweile unanfechtbare Festsetzung der Gewerbesteuer Bezug nimmt – die Anfechtungsklage komme dann nur dort in Betracht, wo der Adressat des Bescheides einen Anspruch auf neuerliche Sachentscheidung geltend machen kann. Soweit der Berichtigungsbescheid den nicht korrigierten Bestandteil der bisherigen Gewerbesteuerfestsetzung dem Steuerpflichtigen gegenüber nochmals geltend mache, stelle er sich nicht als neuer Sachbescheid, sondern lediglich als „wiederholende Verfügung“ dar, die nicht mehr selbständig angefochten werden könne (vgl. BVerwG, Urteil vom 05 .März 1971 – VII C 44.68 – juris, Rn. 20 - 24).

18

Diese Erwägungen lassen sich grundsätzlich auch auf die Beitragsordnung der Beklagten übertragen. Gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 erfolgt die Veranlagung durch Bescheid, § 15 Abs. 3 ermöglicht die Veranlagung auf Grundlage einer Schätzung oder aufgrund des letzten Gewerbeertrages und § 16 S. 1 die vorausweise Beitragsveranlagung. Im Rahmen des § 15 Abs. 3 der Beitragsordnung kann dann wegen der Änderung der Bemessungsgrundlage nach Erteilung des Beitragsbescheids durch die Beklagte ein berichtigter Bescheid erlassen werden, der seinerseits entweder eine Erstattung oder eine Nachforderung enthält.

19

Damit steht aber auch fest, dass die Annahme einer erneuten, eigenständigen Sachentscheidung ausscheidet, wenn – wie hier – die Kammer dem Mitglied lediglich den Saldo im Rahmen einer erneuten Aufstellung der Beiträge aus den Vorjahren mitteilt (vgl. aber VG Hamburg, Urteil vom 02. März 2016 a.a.O Rn. 68). Insbesondere sprechen hier schon Wortlaut und Gestaltung der Aufstellung gegen eine neuerliche Sachprüfung, da jeweils auf die bereits ausgeglichenen Beträge Bezug genommen wird und im Übrigen am Ende der Aufstellung der ausdrückliche Hinweis erfolgt, „Wenn zu den oben aufgeführten Beitragsjahren bereits Beitragsbescheide ergangen sind, werden diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben.“ Auch insoweit wird also deutlich, dass gerade keine (neue) Regelung eines Sachverhalts aus der Vergangenheit erfolgen soll (insoweit zustimmend VG Hamburg, Urteil vom 02.März 016 a.a.O.).

20

Das Gericht folgt damit insoweit nicht der Auffassung des VG Hamburg, Urteil vom 02. März 2016 a.a.O., dass, auch wenn die Festsetzung im Ergebnis unverändert ist und sich keine Änderung der Höhe des Beitrags ergibt, der Beitrag im Wege der Abrechnung endgültig festzusetzen ist und dieser Veranlagungsbescheid eine in ihrer Gesamtheit anfechtbare Regelung darstellt. Eine solche „abstrakte“ Festsetzungsverfügung sieht im Übrigen auch die Beitragsordnung der Beklagten gar nicht vor. Auch hat sich insoweit, als das VG Hamburg seine Entscheidung auf entsprechende Literaturstimmen stützt (Bezugnahme auf Jahn, GewArch 2008, 190ff.), jene Ansicht überholt. Vielmehr findet gerade die hier vertretene Auffassung, dass maßgeblich die jeweilige Ausgestaltung und Festsetzung im Einzelfall ist und einer lediglich wiederholenden Aufführung einer früheren Heranziehung zu Bemessungsbeiträgen keine eigenständige Regelungswirkung zukommt, auch in der Literatur Zustimmung (so nunmehr Jahn, GewArch 2016, 263, 270, im Ergebnis auch VG München, Urteil vom 06. Oktober 2015 a.a.O.).

21

Auch wenn man der oben dargestellten Auffassung nicht folgt, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Da für die Jahre 2012 bis 2014 der Beitrag auf 0,00 € festgesetzt wurde und dies eine Begünstigung darstellt, scheidet mangels Beschwer bzw. mangels Vorliegens einer Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO eine Anfechtbarkeit ebenfalls aus (VG Hamburg, Urteil vom 02. März 2016 a.a.O. juris, Rn. 66; VG München, Urteil vom 06. Oktober 2015 a.a.O).

22

2. Hinsichtlich des Beitragsjahres 2016 ist die Klage zulässig und begründet.

23

Der Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er entspricht nicht den rechtlichen Anforderungen an die Beitragsfestsetzung.

24

Die vorläufige Veranlagung zu Kammerbeiträgen der Beklagten findet ihre Grundlage in § 3 Abs. 2 IHKG und der konkretisierenden Beitragsordnung der Industrie- und Handelskammer zu Kiel vom 10. Dezember 2014, flankiert durch die Wirtschaftsplanung der Beklagten vom 15. Dezember 2015 sowie das Finanzstatut vom 28. Oktober 2014.

25

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert dabei neben der Feststellung, ob der im Wirtschaftsplan festgesetzte Mittelbedarf der Kammer rechtmäßig auf die Mitglieder umgelegt worden ist und die Beitragsordnung fehlerfrei angewendet wurde, auch die Überprüfung der Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan als solcher. Dies entspricht der Zweistufigkeit der Willensbildung nach der Gesetzessystematik: Die Kammer stellt zunächst den Wirtschaftsplan für ein Jahr im Voraus auf und prognostiziert so den voraussichtlichen Finanzbedarf nach erwarteten Einnahmen und Ausgaben im Rahmen des Wirtschaftsplans iSd § 3 Abs. 2 S. 1 IHKG, § 3 Abs. 1 des Finanzstatuts. Dieser zu deckende Betrag wird dann auf der zweiten Stufe gemäß einer Beitragsordnung auf die Kammerzugehörigen mittels der konkret zu erhebenden Beiträge umgelegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 2015 – 10 C 6/15 – juris, Rn. 12).

26

Dabei ist zu beachten, dass die Kammer bei der Aufstellung des Wirtschaftsplanes einen weiten Gestaltungsspielraum hat. Der vom Gericht zu überprüfende Rechtsrahmen als Ermessensgrenze umfasst neben § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG, der die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen gebietet, auch die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung, die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (BVerwG, Urteil vom 09. März 2015 – a.a.O Rn. 16.; VG Hamburg, Urteil vom 02. März 2016 a.a.O. Rn. 35). Insbesondere ist dabei zu beachten, dass den Kammern die Bildung von Vermögen untersagt ist (BVerwG, Urteil vom 26. März 1990 – 1 C 45.87 – juris, Rn. 20). Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, können doch auch diese als Teil ordnungsgemäßer Vermögensverwaltung „Kosten“ für die Aufgabenwahrnehmung darstellen – allerdings eben nur, sofern Rücklagen an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit gebunden sind (BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 2015 a.a.O. Rn. 17).

27

Vorliegend hat die Beklagte eine Sachabwägung hinsichtlich der Rücklagenbildung vorgenommen. Insbesondere folgt keine unzulässige Begrenzung durch den „Korridor“ für Ausgleichsrücklagen, ferner ergibt sich die entsprechende Abwägung aus der Wirtschaftsplanung 2016 der Beklagten.

28

Sofern der Kläger geltend macht, die Vorschrift des § 15a des Finanzstatuts der Beklagten stehe hier schon aufgrund der Bildung eines Korridors für zulässige Rücklagen einer rechtmäßigen Rücklagenbildung entgegen, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Dabei kommt es vorliegend nicht auf die Frage an, ob die satzungsmäßige Festlegung eines Mindestbetrags zur Risikovorsorge, beispielsweise 30 v. H. der jährlichen Gesamtaufwendungen, mit dem Gebot der Schätzgenauigkeit in Einklang steht (vgl. zu dieser Differenzierung VGH Mannheim, Urteil vom 02. November 2016 – 6 S 1261/14 – juris, Rn. 37). Denn das Finanzstatut der Beklagten sieht – insoweit auch vom Kläger unbestritten – einen solchen Mindestbetrag gerade nicht vor. Vielmehr ist nach dem Statut auch eine Ausgleichsrücklage von „Null Prozent“ möglich, so dass hinsichtlich der Grenze des finanziell Gebotenen und Notwendigen stets nach dem Statut eine Abwägung zu erfolgen hat. Der Sache nach liegt hierin kein „Korridor“ für die Rücklagenbildung, sondern lediglich eine – nicht zu beanstandende – satzungsmäßige Obergrenze für deren Bildung.

29

Soweit der Kläger im Übrigen mit Nichtwissen zu bestreiten sucht, ob die Sachabwägung vorliegend erfolgt ist und sich die Erwägungen der Beklagten grundsätzlich innerhalb der gerichtlich überprüfbaren Grenzen gehalten haben, weist das Gericht zunächst darauf hin, dass die Vorschrift des § 138 Abs. 4 ZPO, der zufolge die Erklärung mit Nichtwissen nur - aber immerhin - über Tatsachen zulässig ist, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind, im Verwaltungsprozess keine unmittelbare Anwendung findet. Allerdings setzt auch die gerichtliche Amtsermittlungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO zumindest den Vortrag tatsächlicher Umstände voraus dahingehend, dass bestimmte Tatsachen oder Behauptungen geschildert werden, auf die das Gericht seine Untersuchung beziehen kann. Auch wenn es dem Kläger damit grundsätzlich im Einzelfall mangels eigener Kenntnis nicht möglich sein mag, die konkrete Willensbildung der Beklagten nachzuvollziehen, ist dennoch erforderlich, dass er sein Bestreiten substantiiert, also Gründe für die Zweifel anführt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 02. November 2007 – 3 B 58/07 – juris, Rn. 6 mwN.). Auch bei der Vermögensverwaltung mit ihren durchaus komplexen buchhalterischen Abwägungen reicht eine bloße Vermutung ebenso wenig aus wie bloße Hinweise auf die einzelnen Buchungswerte (vgl. VG München, Urteil vom 19. Mai 2015 – M 16 K 14.477 – juris Rn. 29).

30

Insbesondere dürfte vorliegend gerade der Jahresabschluss in seinem Anhang 1.6 sowie im Lagebericht 1.7 den Tatsachenhintergrund aufweisen, vor dem die Beklagte mit der Wirtschaftsplanung 2016 erläuternd eingegangen ist auf die prognostizierte Beitragsentwicklung, mithin ihren Abwägungsvorgang dokumentiert hat. Insoweit wird auf die Anlage B3 Bezug genommen, mit der sich der Kläger nicht (ausreichend) auseinander gesetzt hat. Auch die vorherigen Jahresabschlüsse hätten es dem Kläger in zumutbarer Weise ermöglicht, sich substantiiert mit der Haushaltsführung der Beklagten auseinander zu setzen.

31

Im Hinblick auf die von dem Kläger beanstandete Rücklagenbildung ist indes zu beachten, dass der Beklagten die Bildung von Vermögen grundsätzlich verboten ist. Dies schließt die Bildung von Rücklagen zwar nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Auch die Höhe der Rücklage muss von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein. Eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine erhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Wirtschaftsplan - und damit jährlich - erneut treffen. Deshalb ist ein Wirtschaftsplan nicht nur dann rechtswidrig, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält (vgl. BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 2015 a.a.O., Rn. 17f; VGH Mannheim, Urteil vom 02. November 2016 a.a.O., Rn. 31).

32

Gemessen an diesen Maßstäben begegnet die Rücklagenbildung der Beklagten für das Jahr 2016 und damit auch die Festsetzung des von der Klägerin zu zahlenden Beitrags Bedenken. Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung ist die Beschlussfassung der Vollversammlung der Beklagten am 15.12.2015 über die Wirtschaftssatzung (Beiakte B3; im Folgenden „Wirtschaftsplan“), der gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 des Finanzstatuts festgestellt wurde.

33

Ob insofern die Bildung der Ausgleichsrücklage ordnungsgemäß erfolgt ist, erscheint nicht frei von Zweifeln. Zwar erscheint eine Ausgleichsrücklage zum Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen in Höhe von - maximal - 30 v.H. ohne weitere Darlegungen notwendig und angemessen, um eine ordnungsgemäße Haushaltsführung zu gewährleisten. Denn es ist allgemein nachvollziehbar, dass ein Betrag in Höhe von bis zu 30 v. H. der geplanten Aufwendungen vorgehalten wird, um mögliche Liquiditätsengpässe aufgrund von Beitragsschwankungen und Zahlungsausfall zu vermeiden. Auch wenn § 15a Abs. 3 des FS der Beklagten keine ausdrückliche Untergrenze von 30 v.H., sondern nur eine Obergrenze von 50 v.H. der geplanten Aufwendungen vorsieht, kann dennoch die Mindestdotierung des Musterfinanzstatuts dahingehend herangezogen werden, dass bei einer bis zu dieser Grenze gebildeten Ausgleichsrücklage nicht von einer Vermögensbildung auszugehen wäre. Bei einer Ausgleichsrücklage in Höhe von bis zu 30 v. H. der Aufwendungen spricht jedenfalls die Vermutung dafür, dass eine Ausgleichsrücklage in dieser Höhe angemessen ist, um in dem Haushaltsjahr eine ordnungsgemäße Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten zu gewährleisten und Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen (vgl. VG Köln, Urteil vom 15. Februar 2017 – 1 K 1473/16 - juris Rn. 81). Der von der Beklagten geltend gemachte Zweck der Rücklage, auch bei Mindereinnahmen aufgrund von konjunkturell bedingt schwankenden Einnahmen ihrer Mitglieder stabile Beiträge zu gewährleisten und nicht in konjunkturell schwierigen Phasen die Mitglieder mit Beitragserhöhung zu belasten, dürfte dann ausreichend sein.

34

Vorliegend beträgt die Ausgleichzulage hingegen 34,25 v. H.. Dieser Anteil an den Gesamtaufwendungen ergibt sich auch erst nach Einrechnung einer geplanten Entnahme von 1.119.600,00 €. Vor der geplanten Entnahme betrug der Anteil der Ausgleichsrücklage an den Gesamtaufwendungen sogar 41,23 v. H..

35

In Anbetracht der Überschreitung der 30 v. H. – Grenze, wäre die Beklagte nach Auffassung der Kammer verpflichtet gewesen, im Einzelnen darzulegen, dass sie im Rahmen des ihr aus dem Selbstverwaltungsrecht erwachsenen weiten Gestaltungsspielraums die Grenzen des Vertretbaren eingehalten hat, die Ausgleichsrücklage also plausibel und nachvollziehbar ist. Nach den haushaltsrechtlichen Grundsätzen wäre die Beklagte dann vielmehr stets gehalten, das Bedürfnis für die Ausgleichsrücklage in ihrer konkreten Höhe nachvollziehbar zu begründen und alle voraussichtlich zu erwartenden ergebniswirksamen Schwankungen möglichst zutreffend zu prognostizieren (vgl. VG Koblenz, Urteil vom 25. November 2013 – 3 K 121/12. KO – juris Rn. 41f; VG Düsseldorf, Urteil vom 30. März 2017 – 20 K 3225/15 – juris Rn 345; etwas großzügiger VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. November 2017 – 19 K 903/16 – juris Rn. 44 „…jedenfalls in Grundzügen nachvollziehbar … in transparenter Art und Weise…“),

36

Diese Vorgaben hat die Beklagte nicht eingehalten, weil es insoweit an notwendigen konkreten Darlegungen fehlt.

37

Darüber hinaus ist auch der von der Beklagten vorgehaltene Instandhaltungfonds (Instandhaltungsrücklage) iHv 1.242.753,67 € zu beanstanden.

38

Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt – wie bereits festgestellt –, ob die Beklagte bei der Ausübung des ihr zustehenden weiten Gestaltungsspielraums den durch Rechtsnormen angelegten Rahmen gewahrt hat, wobei zu diesem zu beachtenden – und von den Verwaltungsgerichten zu prüfenden – Rahmen ausdrücklich auch ergänzende Satzungsbestimmungen zählen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 – a.a.O. Rn. 16). Den anzuwendenden Rahmen für zweckbestimmte Rücklagen – wie hier die Instandhaltungsrücklage – bildet § 15 a Abs. 2 Sätze 3 bis 5 Finanzstatut. Zwar enthält § 15a Finanzstatut unmittelbar nur Vorgaben für den Jahresabschluss und nicht für den hier zu überprüfenden Wirtschaftsplan, der in den §§ 7 ff. Finanzstatut geregelt ist. Da nach der Regelungskonzeption des Finanzstatuts im Wirtschaftsplan aber nur die Rücklagenveränderungen anzusetzen und auszuweisen sind (vgl. § 7 Abs. 2 Finanzstatut), die Rücklagen selbst dagegen (nur) in der Bilanz oder im Anhang zum Jahresabschluss gesondert einzeln auszuweisen sind (vgl. § 15 a Abs. 2 Satz 4 Finanzstatut), können die satzungsrechtlichen Anforderungen an die Bildung bzw. Beibehaltung von Rücklagen allein § 15 a Abs. 2 Finanzstatut entnommen werden. Danach ist neben einer (zwingenden) Ausgleichsrücklage, die bis zu 50 v. H. der Summe der geplanten Aufwendungen betragen kann (vgl. § 15a Abs. 2 Sätze 1 und 2 Finanzstatut), gemäß § 15 a Abs. 2 Sätze 3 und 4 Finanzstatut die Bildung zweckbestimmter Rücklagen zulässig, die in der Bilanz oder im Anhang zum Jahresabschluss gesondert einzeln auszuweisen sind. Nach der Bestimmung des § 15 a Abs. 2 Satz 5 Finanzstatut sind dabei nicht nur der Verwendungszweck und der Umfang hinreichend zu konkretisieren, sondern auch der Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme.

39

Daran fehlt es hier. Die Zweckbestimmung genügt den satzungsrechtlich geforderten Anforderungen an eine zweckbestimmte Rücklage nicht. Es ist bereits zweifelhaft, ob der bloße Hinweis auf „Instandsetzungsmaßnahmen an Gebäuden und Grund und Boden“ dem (materiellen) Konkretisierungsgebot genügt. Jedenfalls fehlt eine hinreichende Bestimmtheit im Hinblick auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme der Rücklage. Der Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme der Instandhaltungsrücklage wird weder im Jahresabschluss noch sonst auch nur annähernd umschrieben. Der Jahresabschluss enthält keinerlei Angaben zum geplanten Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Instandhaltungsrücklage. Auch aus dem Wirtschaftsplan 2016 ergibt sich hierzu nichts. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass die Inanspruchnahme der Instandhaltungsrücklage für das Jahr 2016 tatsächlich beabsichtigt gewesen sei, hat sich dies weder in dem Jahresabschluss, dem Wirtschaftsplan noch in einem sonstigen Beschluss der Vollversammlung niedergeschlagen. Auch ein Protokoll der Vollversammlung, aus dem sich dies ergeben würde, hat die Beklagte nicht vorgelegt. Es ist nicht ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Wirtschaftsplanung bereits konkrete Planungen für eine Sanierung von Gebäuden o. ä. bestanden (vgl. VG Mainz, Urteil vom 10.November 2017 – 4 K 1310/16 MZ.- juris Rn. 29; vgl. auch VG Hamburg, Urteil vom 02. März 2016 a.a.O. Rn. 43ff).

40

Schließlich ist der von der Beklagten vorgehaltene Künstlerfonds zu beanstanden. Er dient nicht der Förderung der gewerblichen Wirtschaft. Die Beklage überschreitet damit ihren Kompetenzrahmen des § 1 Abs. 2 IHKG. Nach dieser Vorschrift können Industrie- und Handelskammern Anlagen und Einrichtungen, die der Förderung der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewerbezweige dienen, begründen, unterhalten und unterstützen. Eine Maßnahme dient zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft, wenn sie nur oder vorrangig in deren Interesse und nicht nur als Reflex einer dem Allgemeininteresse dienenden (Infrastruktur-)Maßnahme erfolgt (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. September 2000, - 1 C 29.99 – juris Rn. 17).

41

Soweit die Beklagte mit dem Fonds die Beschaffung von künstlerisch gestalteten Einrichtungsgegenständen für die Betriebs- und Geschäftsausstattung betreibt, liegt ein unmittelbarer, den besonderen Interessen der gewerblichen Wirtschaft dienender Zweck nicht vor. Zunächst erscheint bereits fraglich, ob die von der Beklagten auf ganz Schleswig-Holstein ausgerichtete Förderung mit der ihr nach in § 2 der Satzung vorgegebenen örtlichen Aufgabenwahrnehmung („… Aufgabe, das Gesamtinteresse derihr zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen…“) noch vereinbar ist.

42

Dessen ungeachtet werden die Belange der gewerblichen Wirtschaft auch nicht wenigstens am Rande berührt. Die Förderung rein künstlerischer Zwecke steht allenfalls im allgemeinen öffentlichen Interesse; nachvollziehbare Auswirkungen auf die Wirtschaft werden hierdurch nicht verfolgt. Das Interesse der gewerblichen Wirtschaft wird allenfalls reflexhaft berührt. Der nach § 1 Abs. 1 und 2 IHKG zwingende Bezug zur gewerblichen Wirtschaft kann auch nicht durch den Beschluss zur Errichtung des Künstlerfonds vom 22.Augusr 1979 vermittelt werden. Denn dieser verweist lediglich auf die "Förderung Schleswig-Holsteinischer Künstler“, ohne selbst Vorgaben für die Vergabe von Fördermaßnahmen zu treffen und stellt insofern nicht das Erfordernis des Wirtschaftsbezugs her.

43

Da nach alledem die Rücklagenbildung der Beklagten bereits aus den o. g. Gründen rechtswidrig ist, bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob auch die übrigen vom Kläger gerügten Rücklagenbildungen ebenfalls nicht ordnungsgemäß sind.

44

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO.

45

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Tenor

1. Der Beitragsbescheid vom 1. Februar 2013 in der Gestalt des Beitragsbescheides vom 31. Januar 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 wird hinsichtlich der Festsetzung der Beiträge für das Geschäftsjahr 2010 in Höhe von 14.051,88 Euro sowie für das Geschäftsjahr 2013 in Höhe von 9.700,20 Euro aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich, insbesondere im Hinblick auf die Rücklagen und Gewinnvorträge der beklagten Handelskammer Hamburg, gegen einen Beitragsbescheid für die Geschäftsjahre 2010, 2012 und 2013.

2

Die Beklagte verfügte in den Jahren 2008 bis 2013 über folgende Rücklagen und Rückstellungen und trug folgende Gewinne auf neue Rechnung vor (gerundete Angaben in Tausend Euro):

3
        

2008

2009

2010

2011

2012

2013

Ausgleichsrücklage

17.500

19.000

20.186

20.500

21.000

21.500

Umbau-/Instandhaltungsrücklage

6.333

6.333

11.133

11.133

20.968

20.598

Rücklage für Sonderprojekte

3.900

3.900

3.900

3.900

3.900

3.900

Rücklage zur Abdeckung von Risiken der
Neubewertung der Pensionsrückstellung

3.600

16.500

-

-

-

-

Rücklage Sicherung von
bedeutsamen Wirtschaftsarchiven

-

-

-

-

985

927

Rücklage für Aktionen anlässlich
des 350jährigen Jubiläums

-

-

-

-

1.000

1.000

Rücklage BID Nikolaiquartier

1.000

1.000

1.000

1.000

861

853

Rücklage Azubi-Wohnheim in Hamburg

-

-

-

-

1.000

1.000

Rückstellungen für Pensionen
und ähnliche Verpflichtungen

36.300

37.781

59.484

60.568

63.172

68.818

Sonstige Rückstellungen

1.228

1.668

1.203

1.072

1.132

1.383

Gewinnvortrag auf neue Rechnung

292

444

5.711

3.096

3.763

2.108

4

Wegen der genauen Beträge der Rücklagen und Rückstellungen wird auf die Jahresabschlüsse der Beklagten für die Jahre 2008 bis 2013 Bezug genommen.

5

Das Plenum der Beklagten beschließt für jedes Geschäftsjahr eine Wirtschaftssatzung mit einem Wirtschaftsplan, der sich auch zum Saldo der Rücklagenveränderung verhält, und einer Regelung zur Erhebung der Mitgliedsbeiträge. Innerhalb eines halben Jahres nach Ablauf jedes Geschäftsjahres stellt die Beklagte einen Jahresabschluss auf. Das Plenum stellt diesen fest und beschließt über die Ergebnisverwendung.

6

Für das Geschäftsjahr 2010 beschloss das Plenum den Wirtschaftsplan in der Fassung des ersten Nachtrags zur Wirtschaftssatzung mit dem Saldo der Rücklagenveränderung von -8.700.000 Euro (Entnahmen aus anderen Rücklagen in Höhe von 16.500.000 Euro und Einstellungen in andere Rücklagen in Höhe von 7.800.000 Euro), für die Geschäftsjahre 2012 und 2013 stellte das Plenum die Wirtschaftspläne ohne Veränderung des Saldos der Rücklagen fest. Wegen der weiteren Festsetzungen wird auf die Wirtschaftssatzungen samt Nachträgen für die Geschäftsjahre 2010, 2012 und 2013 (im Internet abrufbar unter „https://www.hk24. de/servicemarken/ueber_uns/rechtsgrundlagen/Wirtschafts-planung_und_Finanzen“, letzter Abruf am 3.3.2016) Bezug genommen. Das Plenum beschloss ferner, Gewinne aus dem Geschäftsjahr 2010 in Höhe von 5.711.437,74 Euro, aus dem Geschäftsjahr 2012 in Höhe von 3.763.468,86 Euro und aus dem Geschäftsjahr 2013 in Höhe von 2.108.002,18 Euro jeweils auf neue Rechnung vorzutragen.

7

Mit Beitragsbescheid vom 1. Februar 2013 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin für das Jahr 2010 einen Beitrag in Höhe von 14.051,88 Euro (mit früherem Bescheid festgesetzt: 2.172,06 Euro) durch Abrechnung sowie – jeweils im Wege vorläufiger Veranlagung – für das Jahr 2012 einen Nachlass in Höhe von 366,30 Euro (mit früherem Bescheid war ein Beitrag in Höhe von 1.831,50 Euro festgesetzt worden) und für das Jahr 2013 einen Beitrag in Höhe von 11.412,00 Euro fest. Einleitend führte die Beklagte aus, aufgrund der Finanzlage der Kammer habe das Plenum beschlossen, einmalig einen Nachlass von 20 % für das Beitragsjahr 2012 zu gewähren. Wegen der Einzelheiten der Festsetzung wird auf den Beitragsbescheid vom 1. Februar 2013 Bezug genommen.

8

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 27. Februar 2013 gegen den Beitragsbescheid Widerspruch ein. Sie sehe sich außerstande, die Beiträge zu entrichten.

9

Mit weiterem Beitragsbescheid vom 31. Januar 2014 setzte die Beklagte im Wege vorläufiger Veranlagung für das Jahr 2013 einen Nachlass in Höhe von 1.711,80 Euro fest. Auf Grund der Finanzlage der Kammer habe das Plenum beschlossen, einmalig einen Nachlass von 15 % für das Beitragsjahr 2013 zu gewähren.

10

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2014, der Klägerin mit Postzustellungsurkunde zugegangen am 12. Mai 2014, zurück. Die Beiträge seien rechtmäßig festgesetzt worden.

11

Am 12. Juni 2014 hat die Klägerin Klage erhoben.

12

Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, die angegriffenen Bescheide seien rechtswidrig, weil die Beklagte das in § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG verankerte Kostendeckungsprinzip verletzt habe. Sie habe durch unangemessen hohe Rücklagen unzulässigerweise Vermögen gebildet. Die Beklagte habe weder tragfähige Gründe dafür angeführt, weshalb sie die nach ihrem Finanzstatut zulässige Obergrenze der Ausgleichsrücklage von 50 % der Betriebsausgaben nahezu ausgeschöpft habe noch bei der Festlegung der Höhe der Rücklage Ermessen ausgeübt. Eine Prognose des Inhalts, dass es im laufenden Haushaltsjahr zu Beitragsausfällen von nahezu 50 Prozent der laufenden Ausgaben kommen könne, sei nicht gerechtfertigt gewesen. Bei der Bildung der Umbau- und Instandhaltungsrücklage habe die Beklagte den Grundsatz der Schätzgenauigkeit verletzt, weil eine verbindliche Investitions- und Finanzierungsübersicht zu den beabsichtigten Baumaßnahmen nicht vorgelegen habe. Auch die allgemeine und unspezifische Bildung der Rücklage für nicht näher genannte Sonderprojekte erfülle die Voraussetzungen einer hinreichenden zeitlichen, sachlichen und finanzplanerischen Konkretisierung nicht. Die Bildung von Pensionsrücklagen neben – von ihr nicht angegriffenen – Pensionsrückstellungen widerspreche staatlichem Haushaltsrecht. Zudem habe die Beklagte die Ergebnisvorträge nicht im Sinne des Kostendeckungsprinzips verwendet.

13

Hinsichtlich des für das Jahr 2012 ausgewiesenen Guthabens in Höhe von 366,30 Euro ergebe sich ihre Beschwer daraus, dass ein wesentlich höherer Betrag als Guthaben habe ausgewiesen werden müssen.

14

Die gesetzliche Regelung in den §§ 3 Abs. 2 Satz 1, 2 Abs. 1 IHKG zur Zwangsmitgliedschaft in Industrie- und Handelskammern und akzessorischer Beitragspflicht sei zudem weder mit dem Grundgesetz noch mit dem europäischen Unionsrecht vereinbar.

15

Die Klägerin beantragt (dem Wortlaut nach),

16

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 1. Februar 2013 und deren Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2014 aufzuheben.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, Einzelheiten des Kammerhaushalts zu Rücklagen und Ergebnisvorträgen könnten nicht im Rahmen einer gegen einen Beitragsbescheid gerichteten Anfechtungsklage, sondern allein im Rahmen einer Feststellungsklage überprüft werden. Zudem sei die Klägerin hinsichtlich des Beitrags für das Jahr 2012 mangels Rechtsverletzung nicht klagebefugt, da mit dem angefochtenen Bescheid insoweit ein Guthaben festgesetzt worden sei.

20

Im Übrigen habe sie kein unzulässiges Vermögen gebildet, sondern eine angemessene Rücklagenpolitik betrieben. Diese habe es ihr ermöglicht, gleichbleibende Beitragssätze festzulegen. Eine angemessene Rücklagenbildung sei aus wirtschaftlicher Sicht vernünftig, da sie Vorsorge für einen Rückgang der Kammerbeiträge aus konjunkturellen Gründen (Ausgleichsrücklage) und die Notwendigkeit besonderer Aufwendungen für größere Instandhaltungsmaßnahmen am denkmalgeschützten Kammergebäude oder größerer Projekte zur Förderung des Wirtschaftsstandorts Hamburg (andere Rücklagen) treffe.

21

Die in § 15 Abs. 3 Satz 1 ihres Finanzstatuts hinsichtlich der Ausgleichsrücklage festgelegte Obergrenze von 50 % der Betriebsaufwendungen sei in keinem der streitgegenständlichen Geschäftsjahre überschritten worden. Die Obergrenze für die Ausgleichsrücklage sei nicht überhöht, sondern allgemein üblich und werde von der Rechtsprechung nicht beanstandet. Bei der Entscheidung zur Rücklagenbildung handele es sich nicht um eine Ermessensentscheidung, die einer besonderen Begründungspflicht unterliege. Das Plenum verfüge bei der Entscheidung vielmehr über einen Entscheidungsspielraum. Anhaltspunkte für eine unangemessene Höhe der Ausgleichrücklage lägen nicht vor. Der Einbruch an den Finanzmärkten im Herbst 2008 und die folgende wirtschaftliche Rezession im Jahr 2009 seien Anlass dafür gewesen, die Vorsorgemöglichkeiten auszuschöpfen. Der günstige Verlauf der Beitragseingänge sei bis 2011/2012 nicht abzusehen gewesen und wohl der spezifischen Wirtschaftsstruktur und einer Veränderung der Gewerbesteuer-Ermittlung ab 2009 zuzuschreiben.

22

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage sei korrekt gebildet und fortentwickelt worden. In der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 sei diese mit 5.333.439,80 Euro ausgewiesen worden. Es sei um größere Instandhaltungsaufwendungen in erster Linie für das historische Handelskammer-Gebäude am Adolphsplatz 1, aber auch für die Immobilie Schauenburger Straße 49 gegangen. Der ausgewiesene Rücklagenbetrag habe rund 10 % des damaligen Versicherungswerts beider Objekte entsprochen. Im Rahmen eines mittelfristigen Instandhaltungsprogramms, das insbesondere der Verbesserung der Energiebilanz und des Brandschutzes gedient habe, seien der Rücklage im Jahr 2007 weitere 1.000.000,00 Euro zugeführt worden. Im Jahr 2010 seien im Zusammenhang mit diesem mittelfristigen Instandhaltungsprogramm weitere 4.800.000,00 Euro in die Rücklage eingestellt worden. Im Jahr 2012 sei das Programm durch eine fachgutachterliche Stellungnahme des Architekturbüros „360grad+ architekten“ und des Ingenieurbüros „Wetzel & von Seht“ aktualisiert und um die Kosten für einen vollständigen Umbau der Büroflächen im Gebäude Adolphsplatz ergänzt worden. Das Gutachten habe die Kosten auf 14.747.235,65 Euro beziffert. Hinzuzurechnen gewesen seien Kosten für die Anmietung eines zeitweiligen Ausweichquartiers in Höhe von 1.440.000,00 Euro sowie ein Betrag von 5.000.000,00 Euro aufgrund eines überdurchschnittlichen Kostensteigerungs-Risikos wegen des Alters des Gebäudes und zum Teil nicht geklärter statischer Gründungsverhältnisse. Zur energetischen Sanierung seien der Rücklage im Jahr 2012 164.964,80 Euro, im Jahr 2013 370.036,53 Euro und im Jahr 2014 rund 1,3 Millionen Euro entnommen worden.

23

Die in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 mit 1.000.000,00 Euro ausgewiesene Rücklage für Sonderprojekte habe der Sicherung standortpolitisch bedeutsamer Projekte gedient. Das Ziel habe darin bestanden, sich kurzfristig Handlungsspielräume für notwendige ad-hoc-Aktivitäten im Rahmen des gesetzlichen Kammerauftrags nach § 1 IHKG zu erhalten, insbesondere zur Gesamtinteressenvertretung und Förderung der gewerblichen Wirtschaft. Solche Projekte könnten angesichts der sehr dynamischen politischen wie gesellschaftlichen Entwicklungen kurzfristig geboten sein. Das diene der Absicherung ihrer Handlungsfähigkeit im Sinne einer effektiven Aufgabenwahrnehmung. Im Jahr 2007 sei die Rücklage zunächst um 2.000.000,00 Euro erhöht worden. Hintergrund sei die Einschätzung gewesen, dass ihre Gremien stets eine neue Olympia-Bewerbung Hamburgs befürworten würden. Daneben habe die Erhöhung auf die Vorbereitung auf eventuelle Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 sowie die aktuelle Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten gezielt. Zur Absicherung dieser Projekte sei die Rücklage im Jahr 2007 um weitere 900.000,00 Euro erhöht worden. Im Jahr 2012 sei die Rücklage, soweit sie sich auf den doppelten Abiturjahrgang bezogen habe, in Höhe von 1.000.000,00 Euro zugunsten von Projekten der Metropolregion Hamburg umgewidmet worden, weil der doppelte Abiturjahrgang ohne besonderen Aufwand habe bewältigt werden können.

24

Die Ergebnisvorträge seien rechtzeitig in die Wirtschaftsplanung eingeflossen. Diese hätten zudem dazu geführt, dass Beitragssenkungen in Höhe von 4.962.219,71 Euro für das Jahr 2012 und 4.397.256,56 Euro für das Jahr 2013 beschlossen worden seien. Verfassungs- oder europarechtliche Bedenken gegen Pflichtmitgliedschaft und Beitragspflicht beständen nicht.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 2015 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Die Sachakten haben bei der Entscheidung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

I.

26

Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren (§ 101 Abs. 2 VwGO).

II.

27

Der Klagantrag ist nach § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass er auf Aufhebung des Beitragsbescheides vom 1. Februar 2013 in der Gestalt des Beitragsbescheides vom 31. Januar 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 gerichtet ist. Seinem Wortlaut nach berücksichtigt der Klagantrag die mit Beitragsbescheid vom 31. Januar 2014 erfolgte Festsetzung eines Nachlasses in Höhe von 1.711,80 Euro für das Jahr 2013 nicht. Dies entspricht nicht dem klägerischen Begehren, wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt hat.

28

Mit dem so ausgelegten Antrag hat die Anfechtungsklage hinsichtlich der Beitragsfestsetzung für die Jahre 2010 und 2013 (hierzu unter 1.), nicht aber hinsichtlich der Festsetzung des 20-prozentigen Nachlasses auf den Beitrag für das Jahr 2012 (hierzu unter 2.) Erfolg.

29

1. Hinsichtlich der Beitragsveranlagung für die Jahre 2010 und 2013 ist die zulässige Klage auch begründet. Der Bescheid vom 1. Februar 2013 in der Gestalt des Bescheides vom 31. Januar 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

30

a) Rechtsgrundlage für die Beitragspflicht dem Grunde nach ist § 3 Abs. 2 IHKG.

31

Danach werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Diesen Vorgaben ist die Beklagte bei der Beitragsveranlagung für die Jahre 2010 und 2013 nicht gerecht geworden.

32

aa) Die Wirtschaftspläne für die Jahre 2010 und 2013 als Grundlage der Beitragserhebung sind aufgrund der von der Beklagten vorgehaltenen Rücklagen rechtswidrig.

33

(1) Das Gesetz legt mit Blick auf die Beitragserhebung eine zweistufige Willensbildung der Kammer zugrunde. Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Wirtschaftsplan auf. Dieser gilt für ein Wirtschaftsjahr und ist – als Plan – im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, juris, Rn. 12).

34

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert nicht nur die Feststellung, ob der im Wirtschaftsplan festgesetzte Mittelbedarf der Kammer – die nicht durch Einnahmen (anderweitig) gedeckten Kosten ihrer Tätigkeit – durch eine Beitragsordnung rechtmäßig auf die Kammerzugehörigen umgelegt und ob die Beitragsordnung auch im Einzelfall fehlerfrei angewendet wurde. Geboten ist vielmehr ebenfalls die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Der Wirtschaftsplan ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen. Er ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit nicht entzogen. Beides wäre mit dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, gegen die Beitragserhebung der Industrie- und Handelskammer effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar (BVerwG, a.a.O, Rn. 13).

35

Allerdings besitzt die Kammer bei der Aufstellung des Wirtschaftsplanes einen weiten Gestaltungsspielraum. Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt die Prüfung, ob dabei der durch die jeweils zu beachtenden Rechtsnormen gebildete Rahmen gewahrt ist. Dazu gehört zunächst § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG, der die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen gebietet. Ferner sind nach § 3 Abs. 7a IHKG die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung anzuwenden und – unabhängig davon – die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (BVerwG, a.a.O, Rn. 16).

36

Hinsichtlich der rechtlichen Anforderungen an die Rücklagenbildung ist zu beachten, dass der Kammer die Bildung von Vermögen verboten ist (BVerwG, Urt. v. 26.6.1990, 1 C 45.87, juris, Rn. 20). Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, juris, Rn. 17). Zudem muss auch die Höhe der Rücklage von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein; eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und käme einer unzulässigen Vermögensbildung gleich (BVerwG, a.a.O, Rn. 18).

37

Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Wirtschaftsplan – und damit jährlich – erneut treffen. Ein Wirtschaftsplan kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält (BVerwG, a.a.O, Rn. 18).

38

(2) Nach diesen Vorgaben sind die Wirtschaftspläne der Beklagten und damit auch die Festsetzung der Mitgliedsbeiträge für die Jahre 2010 und 2013 aufgrund der von der Beklagten vorgehaltenen Rücklagen rechtswidrig.

39

(a) Die Bildung, Aufrechterhaltung und Aufstockung der „Rücklage für Sonderprojekte“ entsprach nicht den zu stellenden Anforderungen.

40

Nach § 15 Abs. 3 Satz 4 des hier maßgeblichen Finanzstatuts der Beklagten vom 25. Januar 2006 ist die Bildung anderer Rücklagen – neben einer Ausgleichsrücklage und einer Liquiditätsrücklage – zulässig. Diese dürfen ausweislich der Richtlinien zur Ausführung des Finanzstatus der Beklagten vom 12. Mai 2006 zu § 15 Abs. 3 jedoch nur für bestimmte Zwecke gebildet werden. Diesem auch aus dem Verbot der Vermögensbildung folgenden Gebot hinreichend bestimmter sachlicher Zweckbindung der Rücklage im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit hat die Beklagte bei der Bildung, Aufrechterhaltung und Aufstockung der „Rücklage für Sonderprojekte“ nicht genügt.

41

Der zur Begründung der Rücklage in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 angeführte Zweck der Sicherung standortpolitisch bedeutsamer Projekte ist nicht hinreichend bestimmt. In dieser Allgemeinheit konnte die Rücklage einer Vielzahl von Projekten dienen, ohne dass näher erkennbar war, welche dies sein werden und wann diese mit jeweils welchem Mittelbedarf in Angriff genommen werden. Mangels diesbezüglicher Präzisierungen kam diese Rücklage unzulässigerweise gebildetem Vermögen gleich. Zu diesem nicht hinreichend bestimmten Zweck hat die Beklagte im Rahmen der „Rücklage für Sonderprojekte“ seit der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 bis in das Jahr 2013 einen Betrag in Höhe von 1.000.000,00 Euro bereitgehalten.

42

Soweit die „Rücklage für Sonderprojekte“ im Jahr 2007 zunächst um 2.000.000,00 Euro und sodann um weitere 900.000,00 Euro erhöht wurde und die Beklagte dies mit der damaligen Einschätzung, ihre Gremien würden eine neue Olympia-Bewerbung Hamburgs stets befürworten, sowie den eventuellen Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 und der Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten begründet hat, kann dahinstehen, ob Aktivitäten im Vorfeld einer Olympia-Bewerbung Hamburgs noch vom gesetzlichen Auftrag der Beklagten gedeckt wären. Jedenfalls ist nicht erkennbar, welche konkreten Maßnahmen mit welchem Zeithorizont und welchem Mittelbedarf im Einzelnen geplant waren. Gleiches gilt für die im Jahr 2012 erfolgte Umwidmung der Rücklage in Höhe von 1.000.000,00 Euro hinsichtlich des doppelten Abiturjahrgangs, der ohne besonderen Aufwand habe bewältigt werden können, zugunsten nicht näher spezifizierter Projekte der Metropolregion Hamburg.

43

(b) Die Bildung, Aufrechterhaltung und Aufstockung der „Umbau-/Instandhaltungs-rücklage“ war nach den vorliegenden Erkenntnissen ebenfalls rechtswidrig.

44

Der Zweck dieser Rücklage in Gestalt der Vorsorge für umfangreiche Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen insbesondere am denkmalgeschützten Kammergebäude ist zwar hinreichend bestimmt und bewegt sich im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass die Höhe der Rücklage in den Jahren 2010 und 2013 von diesem sachlichen Zweck gedeckt war.

45

Dies gilt bereits für den in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 ausgewiesenen Betrag in Höhe von 5.333.439,80 Euro. Soweit die Beklagte insoweit vorträgt, dieser Betrag habe größeren Instandhaltungsaufwendungen für die Gebäude am Adolphsplatz 1 und in der Schauenburger Straße 49 gedient und rund 10 % des damaligen Versicherungswerts beider Objekte entsprochen, fehlt es an Angaben dazu, dass sowie aufgrund welcher Erfahrungswerte unter Berücksichtigung des seinerzeitigen Zustands der Gebäude und der in der Vergangenheit vorgenommenen Arbeiten in absehbarer Zeit Instandhaltungsmaßnahmen in dieser Größenordnung erforderlich werden würden. Die pauschale Bezugnahme auf 10 % des seinerzeitigen Versicherungswerts ist insoweit unzureichend, zumal die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 2015 ausdrücklich gebeten worden war, die Erforderlichkeit der Höhe der „Umbau-/ Instandhaltungsrücklage“ näher darzulegen. Mangels genauerer Angaben ist nicht festzustellen, dass die Prognose des Mittelbedarfs in Höhe der Rücklage aus der ex ante Sicht sachgerecht und vertretbar war und deshalb dem Grundsatz der Schätzgenauigkeit entsprach.

46

Hinsichtlich der Erhöhung der „Umbau-/Instandhaltungsrücklage“ im Rahmen eines mittelfristigen Instandhaltungsprogramms, das insbesondere der Verbesserung der Energiebilanz und des Brandschutzes gedient habe, um 1.000.000,00 Euro im Jahr 2007 und weitere 4.800.000,00 Euro „im Zusammenhang“ mit diesem Programm im Jahr 2010 ist ebenfalls nicht zu erkennen, welche konkreten Maßnahmen in welchen Zeiträumen und mit welchem Mittelbedarf geplant waren. Eine Investitions- und Finanzierungsübersicht, die nach § 8 des Finanzstatuts der Beklagten verbindliche Grundlage für die erforderliche Genehmigung größerer Baumaßnahmen, deren Volumen fünf Prozent des Betriebsaufwandes überschreitet, durch das Plenum ist, hat die Beklagte nicht vorgelegt.

47

Lediglich zur Erhöhung der „Umbau-/Instandhaltungsrücklage“ auf 20.968.475,00 Euro im Jahr 2012 liegt eine Stellungnahme des Architekturbüros „360grad+ architekten“ und des Ingenieurbüros „Wetzel & von Seht“ zur mittel- und langfristigen Budgetplanung möglicher Sanierungsmaßnahmen vor (Bl. 451 ff. d. A.). Darin wird zwar ein Mittelbedarf in Höhe von insgesamt 14.747.235,65 Euro genannt. Auf welcher Grundlage und Erfahrungswerte darüber hinaus jedoch neben Kosten für die Anmietung eines zeitweiligen Ausweichquartiers in Höhe von 1.440.000,00 Euro ein weiterer Betrag von 5.000.000,00 Euro aufgrund des Gebäudealters und ungeklärter statischer Gründungsverhältnisse in die Rücklage eingestellt wurde, ist hingegen nicht zu erkennen. Auch insoweit ist nicht festzustellen, dass diese Prognose aus der ex ante Sicht sachgerecht und vertretbar war und deshalb dem Grundsatz der Schätzgenauigkeit entsprach.

48

bb) Darüber hinaus sind die Beschlüsse des Plenums über den Vortrag der Gewinne in Höhe von 5.711.437,74 Euro aus dem Jahr 2010 sowie 2.108.002,18 Euro aus dem Jahr 2013 rechtswidrig.

49

(1) Die Feststellung des Jahresabschlusses bietet die Gelegenheit, die dem Wirtschaftsplan und der Beitragsveranlagung in der Wirtschaftssatzung zu Grunde liegende Prognose des Mittelbedarfs aus der Sicht ex post auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.

50

Erwirtschaftet eine Industrie- und Handelskammer einen erheblichen Gewinn, indiziert dies, dass die Mitgliedsbeiträge unter Missachtung des aus § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG folgenden Gebots, die Leistungsfähigkeit der Mitglieder pfleglich zu behandeln, zu hoch bemessen waren. Die Beiträge sind dann grundsätzlich in Höhe des Gewinns anteilig an die Mitglieder zurückzuerstatten. Geschähe dies nicht und würde der Gewinn stattdessen auf neue Rechnung vorgetragen, stände dieser Betrag zwar weiterhin der Kammer, nicht aber unmittelbar den Kammerzugehörigen zur Verfügung. Vom Gewinnvortrag könnten zudem diejenigen Kammerzugehörigen, die nach dem mit erheblichem Gewinn abgeschlossenen Geschäftsjahr aus der Kammer ausscheiden, auch mittelbar nicht mehr profitieren. Erfolgt der Gewinnvortrag überdies kontinuierlich über mehrere Jahre hinweg in erheblicher Höhe, steht dies wirtschaftlich einer der Kammer untersagten unzulässigen Vermögensbildung gleich. Der Vortrag eines erheblichen Gewinns auf neue Rechnung anstatt einer anteiligen Rückerstattung der Beiträge an die Mitglieder ist deshalb nur dann im Einzelfall rechtlich zulässig, wenn dies aufgrund besonderer Umstände wirtschaftlich geboten ist.

51

Die Gewinnverwendungsbeschlüsse können aufgrund des nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes auch im Rahmen einer gegen einen Beitragsbescheid gerichteten Anfechtungsklage auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden. Dies gilt auch dann, wenn diese Beschlüsse zeitlich später als die angefochtenen Bescheide ergangen sind. Denn bei Anfechtungsklagen bestimmt sich der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt in erster Linie nach dem materiellen Recht und nur dann, wenn diesem keine Anhaltspunkte für den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt zu entnehmen sind, nach dem Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (BVerwG, Urt. v. 29.3.1996, 1 C 28/94, juris, Rn. 15 m.w.N.). Aus den Regelungen des materiellen Kammerrechts zur Beitragsveranlagung ergibt sich seinem Wesen nach, dass Beschlüsse über die Verwendung eines in erheblicher Höhe angefallenen Gewinns nicht dann bei der im Rahmen einer Anfechtungsklage zu beurteilenden Rechtmäßigkeit der Beitragsveranlagung unberücksichtigt zu bleiben haben, wenn diese Beschlüsse zeitlich nach den angefochtenen Beitragsbescheiden ergangen sind.

52

Zum einen ist den Gewinnverwendungsbeschlüssen, wie bereits ausgeführt, erhebliche Relevanz für die Rechtmäßigkeit der Beitragsveranlagung beizumessen. Zum anderen folgt aus den Regelungen der Beklagten zur Feststellung der Wirtschaftssatzung, die über die Beiträge bestimmt und vor Beginn des Geschäftsjahres beschlossen werden soll (§ 2 Abs. 1 des Finanzstatuts der Beklagten) sowie der nachfolgenden Beitragsveranlagung (§ 15 der Beitragsordnung der Beklagten) auf der einen und zur Feststellung des Jahresabschlusses nach Ablauf des Geschäftsjahres sowie zum Beschluss über die Ergebnisverwendung (§§ 15 Abs. 1, 17 Abs. 3 des Finanzstatuts der Beklagten) auf der anderen Seite, dass die Gewinnverwendungsbeschlüsse regelhaft erst nach der Beitragsveranlagung erfolgen. Bliebe die Rechtswidrigkeit eines der Beitragsveranlagung nachfolgenden Gewinnverwendungsbeschlusses im Beitragsrechtsstreit unberücksichtigt, wäre dies weder prozessökonomisch noch trüge es dem Eingriffscharakter von IHK-Pflichtmitgliedschaft und Beitragspflicht in die nach Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit angemessen Rechnung.

53

(2) Nach diesen Maßgaben sind die Beschlüsse des Plenums der Beklagten über den Vortrag der Gewinne aus den Jahren 2010 und 2013 auf neue Rechnung rechtswidrig.

54

Die Beklagte hat im Geschäftsjahr 2010 einen ganz erheblichen Gewinn in Höhe von 5.711.437,74 Euro auf neue Rechnung vorgetragen. Besondere Umstände, aufgrund derer dies anstatt der anteiligen Rückerstattung der Mitgliedsbeiträge wirtschaftlich hätte geboten sein können, sind nicht ersichtlich. Dies gilt auch für das Jahr 2013, in dem die Beklagte trotz des 15-prozentigen Nachlasses auf die Mitgliedsbeiträge, der für sie geringere Einnahmen in Höhe von 4.397.256,56 Euro bedeutete, einen ebenfalls erheblichen Gewinn in Höhe von 2.108.002,18 Euro auf neue Rechnung vorgetragen hat.

55

b) Die Regelungswirkung des angefochtenen und für rechtswidrig erkannten Beitragsbescheides umfasst den Beitrag für das Jahr 2010 in Höhe von 14.051,88 Euro insgesamt sowie für das Jahr 2013, aufgrund des mit Bescheid vom 31. Januar 2014 erfolgten 15-prozentigen Nachlasses, in Höhe von 9.700,20 Euro.

56

Hinsichtlich des Geschäftsjahres 2010 beschränkt sich die Regelungswirkung des angefochtenen Bescheides nicht auf die Festsetzung des Beitrags in Höhe von 11.879,82, der den mit früherem Bescheid im Wege vorläufiger Veranlagung festgesetzten Betrag von 2.172,06 Euro übersteigt, da der angefochtene Bescheid den Beitrag für das Jahr 2010 im Wege der Abrechnung und damit endgültig auf 14.051,88 Euro festgesetzt hat.

57

aa) Dies beruht auf § 15 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 der Beitragsordnung der Beklagten vom 14. Mai 2004, zuletzt geändert am 21. Dezember 2006.

58

Danach kann eine vorläufige Veranlagung aufgrund des letzten vorliegenden Gewerbeertrags oder – soweit ein solcher nicht vorliegt – aufgrund einer Schätzung in entsprechender Anwendung des § 162 AO erfolgen, sofern der Gewerbeertrag oder der Zerlegungsanteil für das Bemessungsjahr noch nicht vorliegen. Entsprechendes gilt für den Gewinn aus Gewerbebetrieb und den Umsatz, die Bilanzsumme und die Arbeitnehmerzahl, soweit diese für die Veranlagung von Bedeutung sind. Ändert sich die Bemessungsgrundlage nach Erteilung des Beitragsbescheids, erlässt die Beklagte einen berichtigten Bescheid.

59

Veranlassung zum Erlass eines endgültigen Beitragsbescheides besteht, wenn die Beitragsveranlagung im Gegensatz zur vorläufigen Veranlagung auf Grundlage des nunmehr vorliegenden Gewerbeertrages bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb des Bemessungsjahres erfolgen kann. Unerheblich ist insoweit, ob sich einzelne für die Berechnung des Beitrags nach den genannten Vorschriften relevante Parameter der Höhe nach zu Gunsten oder zu Ungunsten des Kammermitglieds geändert haben. Auch wenn diese im Ergebnis unverändert sind und sich keine Änderung der Höhe des Beitrags ergibt, ist der Beitrag im Wege der Abrechnung endgültig festzusetzen. Dieser Veranlagungsbescheid stellt nicht bloß eine – teilweise – wiederholende Verfügung dar, sondern trifft aufgrund der Endgültigkeit der Beitragsveranlagung eine eigenständige Regelung, die in seiner Gesamtheit uneingeschränkt anfechtbar ist (s. auch Jahn, GewArch 2008, 190 (191)).

60

bb) Entgegen anderslautender verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen (s. VG München, Urt. v. 6.10.2015, M 16 K 15.2443, juris, Rn. 20) steht dies nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 5.3.1971, VII C 44.68, juris) zur beschränkten Anfechtbarkeit gemäß § 212b Abs. 3 AO in der ab dem 1. Januar 1966 geltenden Fassung (BGBl. 1965 I S. 1477 (1497)) erlassener Berichtigungsbescheide im Widerspruch.

61

Nach dieser Vorschrift hatte eine Gemeinde, wenn ein Steuermessbescheid nachträglich geändert wurde, einen Realsteuerbescheid, der auf dem bisherigen Steuermessbescheid beruhte, von Amts wegen durch einen neuen Realsteuerbescheid zu ersetzen, der der Änderung des bisherigen Steuermessbescheids Rechnung trug.

62

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Berichtigungsbescheid den bisherigen Steuerbescheid nur insoweit berühre, als es erforderlich sei, um ihn dem geänderten Steuermessbescheid des Finanzamts, auf dem die Änderung beruhe, anzupassen. Eine Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalles finde nicht statt. Führe daher der gemäß § 212b Abs. 3 AO ergangene Berichtigungsbescheid zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung, weil der Betrag des bisherigen Steuermessbescheides herabgesetzt worden sei, so werde ein bisheriger Gewerbesteuerbescheid nur insoweit beseitigt, als er dem zugrunde liegenden geänderten Steuermessbescheid entgegenstehe, also eine höhere Gewerbesteuer festgesetzt habe als sie dem herabgesetzten Steuermessbetrag entspreche. Im Übrigen bleibe die bisherige Gewerbesteuerfestsetzung bestehen und damit auch ihre in der Vergangenheit eingetretene Wirkung der Unanfechtbarkeit. Soweit der Berichtigungsbescheid den nicht korrigierten Bestandteil der bisherigen Gewerbesteuerfestsetzung dem Steuerpflichtigen gegenüber nochmals geltend mache, stelle er sich nicht als neuer Sachbescheid, sondern lediglich als „wiederholende Verfügung“ dar, die nicht mehr selbständig angefochten werden könne (zum Vorstehenden: BVerwG, Urt. v. 5.3.1971, VII C 44.68, juris, Rn. 22).

63

Diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Im Gegensatz zu den Steuerbescheiden, die den Berichtigungsbescheiden nach § 212b Abs. 3 AO vorausgegangen waren, hat die Beklagte nach Maßgabe von § 15 Abs. 3 ihrer Beitragsordnung zunächst eine nur vorläufige Veranlagung vorgenommen, hinsichtlich der es stets einer späteren Abrechnung und damit endgültigen Veranlagung bedarf. Dabei handelt es sich, wie bereits ausgeführt, nicht um eine – teilweise – wiederholende Verfügung, sondern um eine eigenständige Sachentscheidung.

64

cc) Auch aus § 351 Abs. 1 AO, wonach Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, nur insoweit angegriffen werden können, als die Änderung reicht, es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt (hierzu: VG München, Urt. v. 6.10.2015, M 16 K 15.2443, juris, Rn. 20), folgt nichts anderes, da diese Anfechtungsbeschränkung für vorläufige Steuerbescheide mangels materieller Bestandskraft nicht gilt (Bartone, in: Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 121. Lieferung, Stand: 1.11.2013, § 351 AO 1977, Rn. 7 m.w.N.; Cöster, in: Koenig, AO, 3. Auflage 2014, § 351, Rn. 13).

65

2. Hinsichtlich der mit dem angefochtenen Beitragsbescheid erfolgten Festsetzung eines 20-prozentigen Nachlasses auf den Beitrag für das Jahr 2012 ist die Anfechtungsklage hingegen unzulässig.

66

Die Klägerin ist insoweit nicht klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Die danach erforderliche Möglichkeit der Verletzung in eigenen Rechten scheidet bei einem den Rechtsschutzsuchenden rechtlich nur begünstigenden Verwaltungsakt aus (Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL, Oktober 2015, § 42 Abs. 1, Rn. 8). So ist es hier.

67

Die Regelung des angefochtenen Bescheides beschränkt sich hinsichtlich des Geschäftsjahres 2012 auf die Reduzierung des bereits mit einem früheren Bescheid festgesetzten Beitrags um 20 %. Hintergrund ist ausweislich der einleitenden, in Fettdruck gesetzten Formulierung, dass das Plenum aufgrund der Finanzlage der Beklagten beschlossen hatte, einmalig für das Beitragsjahr 2012 auf alle Grundbeiträge und auf die Umlage einen Nachlass von 20 % zu gewähren.

68

Hingegen ist der Bescheid nicht dahingehend auszulegen, dass damit die Höhe des Beitrags für das Geschäftsjahr 2012 vollständig neu festgesetzt wurde. Im Gegensatz zur Veranlagung zum Jahr 2010 handelt es sich nicht um eine Abrechnung aufgrund nunmehr vorliegender Parameter, die für die Berechnung des Beitrages erforderlich sind, sondern um eine erneute vorläufige Veranlagung, die einzig auf den vom Plenum beschlossenen pauschalen 20-prozentigen Nachlass zurückzuführen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte mit dieser Festsetzung den früheren Bescheid aufgehoben und eine vollständige neue Sachentscheidung über den Beitrag für das Geschäftsjahr 2012 getroffen hat, liegen nicht vor. Im Gegenteil heißt es am Ende des Bescheides, dass, wenn zu den aufgeführten Beitragsjahren bereits Beitragsbescheide ergangen seien, diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben würden.

69

Der Klägerin wird dadurch der nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistete effektive Rechtsschutz auch nicht verwehrt. Mit ihrem Argument, der Nachlass habe höher als 20 Prozent ausfallen müssen, kann sich die Klägerin gegen die spätere endgültige Veranlagung für das Geschäftsjahr 2012 wenden, ohne dass dem die Unanfechtbarkeit der vorläufigen Veranlagung entgegenzuhalten wäre (s. oben unter II. 1. b)).

III.

70

Der Beklagten sind die Kosten nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO in Gänze aufzuerlegen, weil die Klägerin nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

71

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer eingetreten sind, kann sie vorläufig festgesetzt werden. Diese Regelung ist auch anzuwenden, wenn

1.
ungewiss ist, ob und wann Verträge mit anderen Staaten über die Besteuerung (§ 2), die sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken, für die Steuerfestsetzung wirksam werden,
2.
das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit eines Steuergesetzes mit dem Grundgesetz festgestellt hat und der Gesetzgeber zu einer Neuregelung verpflichtet ist,
2a.
sich auf Grund einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union ein Bedarf für eine gesetzliche Neuregelung ergeben kann,
3.
die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Union, dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht ist oder
4.
die Auslegung eines Steuergesetzes Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesfinanzhof ist.
Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind anzugeben. Unter den Voraussetzungen der Sätze 1 oder 2 kann die Steuerfestsetzung auch gegen oder ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt werden.

(2) Soweit die Finanzbehörde eine Steuer vorläufig festgesetzt hat, kann sie die Festsetzung aufheben oder ändern. Wenn die Ungewissheit beseitigt ist, ist eine vorläufige Steuerfestsetzung aufzuheben, zu ändern oder für endgültig zu erklären; eine ausgesetzte Steuerfestsetzung ist nachzuholen. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 4 endet die Ungewissheit, sobald feststeht, dass die Grundsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs über den entschiedenen Einzelfall hinaus allgemein anzuwenden sind. In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 muss eine vorläufige Steuerfestsetzung nach Satz 2 nur auf Antrag des Steuerpflichtigen für endgültig erklärt werden, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist.

(3) Die vorläufige Steuerfestsetzung kann mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung verbunden werden.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts.

(2) Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.

(3) Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen. Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden. Natürliche Personen und Personengesellschaften, die nicht in das Handelsregister eingetragen sind, und eingetragene Vereine, wenn nach Art oder Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, sind vom Beitrag freigestellt, soweit ihr Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder soweit für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, ihr nach dem Einkommensteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb 5 200 Euro nicht übersteigt. Die in Satz 3 genannten natürlichen Personen sind, soweit sie in den letzten fünf Wirtschaftsjahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt haben, noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren, für das Geschäftsjahr einer Industrie- und Handelskammer, in dem die Betriebseröffnung erfolgt, und für das darauf folgende Jahr von der Umlage und vom Grundbeitrag sowie für das dritte und vierte Jahr von der Umlage befreit, wenn ihr Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro nicht übersteigt. Wenn nach dem Stand der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Wirtschaftssatzung vorliegenden Bemessungsgrundlagen zu besorgen ist, dass bei einer Industrie- und Handelskammer die Zahl der Beitragspflichtigen, die einen Beitrag entrichten, durch die in den Sätzen 3 und 4 genannten Freistellungsregelungen auf weniger als 55 vom Hundert aller ihr zugehörigen Gewerbetreibenden sinkt, kann die Vollversammlung für das betreffende Geschäftsjahr eine entsprechende Herabsetzung der dort genannten Grenzen für den Gewerbeertrag oder den Gewinn aus Gewerbebetrieb beschließen. Wird für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag festgesetzt, ist Bemessungsgrundlage für die Umlage der Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, andernfalls der nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb. Bei natürlichen Personen und bei Personengesellschaften ist die Bemessungsgrundlage um einen Freibetrag in Höhe von 15.340 Euro zu kürzen. Die Kammerzugehörigen sind verpflichtet, der Kammer Auskunft über die zur Festsetzung der Beiträge erforderlichen Grundlagen zu geben, soweit diese nicht bereits nach § 9 erhoben worden sind; die Kammer ist berechtigt, die sich hierauf beziehenden Geschäftsunterlagen einzusehen. Kapitalgesellschaften, deren gewerbliche Tätigkeit sich in der Funktion eines persönlich haftenden Gesellschafters in nicht mehr als einer Personenhandelsgesellschaft erschöpft, kann ein ermäßigter Grundbeitrag eingeräumt werden, sofern beide Gesellschaften derselben Kammer zugehören. Gleiches gilt für Gesellschaften mit Sitz im Bezirk einer Kammer, deren sämtliche Anteile von einem im Handelsregister eingetragenen Unternehmen mit Sitz in derselben Kammer gehalten werden.

(4) Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis nach § 19 der Handwerksordnung eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sind beitragspflichtig, wenn der Umsatz des nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteils 130.000 Euro übersteigt. Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, werden mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages oder, falls für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag nicht festgesetzt wird, ihres nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. Satz 2 findet auch Anwendung auf Kammerzugehörige, die oder deren sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausüben oder Land- oder Forstwirtschaft auf einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Grundstück oder als Betrieb der Binnenfischerei Fischfang in einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Gewässer betreiben und Beiträge an eine oder mehrere andere Kammern entrichten, mit der Maßgabe, dass statt eines Viertels ein Zehntel der dort genannten Bemessungsgrundlage bei der Veranlagung zu Grunde gelegt wird.

(5) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Kosten, welche mit der Begründung, Unterhaltung oder Unterstützung von Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) verbunden sind, Sonderbeiträge von den Kammerzugehörigen derjenigen Gewerbezweige erheben, welchen derartige Anlagen und Einrichtungen ausschließlich oder in besonderem Maße zugute kommen. Den Beteiligten ist vor Begründung solcher Anlagen und Einrichtungen Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(6) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Inanspruchnahme besonderer Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) oder Tätigkeiten Gebühren erheben und den Ersatz von Auslagen verlangen.

(7) Sonderbeiträge gemäß Absatz 5 werden nach Maßgabe einer Sonderbeitragsordnung, Gebühren und Auslagen nach Absatz 6 nach Maßgabe einer Gebührenordnung erhoben. In der Beitragsordnung, der Sonderbeitragsordnung sowie in der Gebührenordnung ist Erlaß und Niederschlagung von Beiträgen, Gebühren und Auslagen zu regeln.

(7a) Für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern sind die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.

(8) Hinsichtlich der Beiträge, Sonderbeiträge, Gebühren und Auslagen sind

für die Verjährung
die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verjährung der Steuern vom Einkommen und Vermögen,
für die Einziehung und Beitreibung
die für Gemeindeabgaben geltenden landesrechtlichen Vorschriften
entsprechend anzuwenden. Durch Landesrecht kann Verfahren und Zuständigkeit für Einziehung und Beitreibung abweichend geregelt werden.

(1) Die Organe der Industrie- und Handelskammer sind

1.
die Vollversammlung,
2.
das Präsidium,
3.
der Präsident,
4.
der Hauptgeschäftsführer und
5.
der Berufsbildungsausschuss im Rahmen der in § 79 Berufsbildungsgesetz genannten Aufgaben.

(2) Über die Angelegenheiten der Industrie- und Handelskammer beschließt, soweit nicht die Satzung etwas anderes bestimmt, die Vollversammlung. Der ausschließlichen Beschlußfassung durch die Vollversammlung unterliegen

1.
die Satzung,
2.
die Wahl-, Beitrags-, Sonderbeitrags- und Gebührenordnung,
3.
die Feststellung des Wirtschaftsplans,
4.
die Festsetzung des Maßstabes für die Beiträge und Sonderbeiträge,
5.
die Erteilung der Entlastung,
6.
die Übertragung von Aufgaben auf andere Industrie- und Handelskammern, die Übernahme dieser Aufgaben, die Bildung von öffentlich-rechtlichen Zusammenschlüssen und die Beteiligung hieran (§ 10) sowie die Beteiligung an Einrichtungen nach § 1 Abs. 3b,
7.
die Art und Weise der öffentlichen Bekanntmachung,
8.
die Satzung gemäß § 3 Abs. 7a (Finanzstatut) und
9.
Fragen, die für die gewerbliche Wirtschaft ihres Bezirks oder die Arbeit der Industrie- und Handelskammer von grundsätzlicher Bedeutung sind.
Soweit nach Satz 2 Nr. 7 die elektronische Verkündung von Satzungsrecht vorgesehen ist, hat diese im Bundesanzeiger zu erfolgen.

(1) Zur Industrie- und Handelskammer gehören, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, natürliche Personen, Handelsgesellschaften, andere Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, welche im Bezirk der Industrie- und Handelskammer eine Betriebsstätte unterhalten (Kammerzugehörige).

(2) Absatz 1 gilt für natürliche Personen und Gesellschaften, welche ausschließlich einen freien Beruf ausüben oder welche Land- oder Forstwirtschaft oder ein damit verbundenes Nebengewerbe betreiben, nur, soweit sie in das Handelsregister eingetragen sind.

(3) Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke oder der handwerksähnlichen Gewerbe eingetragen sind oder die nach § 90 Abs. 3 der Handwerksordnung zur Handwerkskammer gehören, gehören mit ihrem nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteil der Industrie- und Handelskammer an.

(4) Absatz 1 gilt nicht für landwirtschaftliche Genossenschaften; als solche gelten im Sinne dieser Bestimmung

a)
ländliche Kreditgenossenschaften, deren Mitglieder überwiegend aus Landwirten bestehen;
b)
Genossenschaften, die ganz oder überwiegend der Nutzung landwirtschaftlicher Betriebseinrichtungen oder der Versorgung der Landwirtschaft mit Betriebsmitteln oder dem Absatz oder der Lagerung oder der Bearbeitung oder Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse dienen, sofern sich die Be- oder Verarbeitung nach der Verkehrsauffassung im Bereich der Landwirtschaft hält;
c)
Zusammenschlüsse der unter Buchstabe b genannten Genossenschaften bis zu einer nach der Höhe des Eigenkapitals zu bestimmenden Grenze, die von dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft durch Rechtsverordnung festgelegt wird.

(5) Absatz 1 gilt nicht für Gebietskörperschaften.

(1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts.

(2) Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.

(3) Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen. Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden. Natürliche Personen und Personengesellschaften, die nicht in das Handelsregister eingetragen sind, und eingetragene Vereine, wenn nach Art oder Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, sind vom Beitrag freigestellt, soweit ihr Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder soweit für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, ihr nach dem Einkommensteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb 5 200 Euro nicht übersteigt. Die in Satz 3 genannten natürlichen Personen sind, soweit sie in den letzten fünf Wirtschaftsjahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt haben, noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren, für das Geschäftsjahr einer Industrie- und Handelskammer, in dem die Betriebseröffnung erfolgt, und für das darauf folgende Jahr von der Umlage und vom Grundbeitrag sowie für das dritte und vierte Jahr von der Umlage befreit, wenn ihr Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro nicht übersteigt. Wenn nach dem Stand der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Wirtschaftssatzung vorliegenden Bemessungsgrundlagen zu besorgen ist, dass bei einer Industrie- und Handelskammer die Zahl der Beitragspflichtigen, die einen Beitrag entrichten, durch die in den Sätzen 3 und 4 genannten Freistellungsregelungen auf weniger als 55 vom Hundert aller ihr zugehörigen Gewerbetreibenden sinkt, kann die Vollversammlung für das betreffende Geschäftsjahr eine entsprechende Herabsetzung der dort genannten Grenzen für den Gewerbeertrag oder den Gewinn aus Gewerbebetrieb beschließen. Wird für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag festgesetzt, ist Bemessungsgrundlage für die Umlage der Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, andernfalls der nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb. Bei natürlichen Personen und bei Personengesellschaften ist die Bemessungsgrundlage um einen Freibetrag in Höhe von 15.340 Euro zu kürzen. Die Kammerzugehörigen sind verpflichtet, der Kammer Auskunft über die zur Festsetzung der Beiträge erforderlichen Grundlagen zu geben, soweit diese nicht bereits nach § 9 erhoben worden sind; die Kammer ist berechtigt, die sich hierauf beziehenden Geschäftsunterlagen einzusehen. Kapitalgesellschaften, deren gewerbliche Tätigkeit sich in der Funktion eines persönlich haftenden Gesellschafters in nicht mehr als einer Personenhandelsgesellschaft erschöpft, kann ein ermäßigter Grundbeitrag eingeräumt werden, sofern beide Gesellschaften derselben Kammer zugehören. Gleiches gilt für Gesellschaften mit Sitz im Bezirk einer Kammer, deren sämtliche Anteile von einem im Handelsregister eingetragenen Unternehmen mit Sitz in derselben Kammer gehalten werden.

(4) Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis nach § 19 der Handwerksordnung eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sind beitragspflichtig, wenn der Umsatz des nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteils 130.000 Euro übersteigt. Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, werden mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages oder, falls für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag nicht festgesetzt wird, ihres nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. Satz 2 findet auch Anwendung auf Kammerzugehörige, die oder deren sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausüben oder Land- oder Forstwirtschaft auf einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Grundstück oder als Betrieb der Binnenfischerei Fischfang in einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Gewässer betreiben und Beiträge an eine oder mehrere andere Kammern entrichten, mit der Maßgabe, dass statt eines Viertels ein Zehntel der dort genannten Bemessungsgrundlage bei der Veranlagung zu Grunde gelegt wird.

(5) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Kosten, welche mit der Begründung, Unterhaltung oder Unterstützung von Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) verbunden sind, Sonderbeiträge von den Kammerzugehörigen derjenigen Gewerbezweige erheben, welchen derartige Anlagen und Einrichtungen ausschließlich oder in besonderem Maße zugute kommen. Den Beteiligten ist vor Begründung solcher Anlagen und Einrichtungen Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(6) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Inanspruchnahme besonderer Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) oder Tätigkeiten Gebühren erheben und den Ersatz von Auslagen verlangen.

(7) Sonderbeiträge gemäß Absatz 5 werden nach Maßgabe einer Sonderbeitragsordnung, Gebühren und Auslagen nach Absatz 6 nach Maßgabe einer Gebührenordnung erhoben. In der Beitragsordnung, der Sonderbeitragsordnung sowie in der Gebührenordnung ist Erlaß und Niederschlagung von Beiträgen, Gebühren und Auslagen zu regeln.

(7a) Für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern sind die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.

(8) Hinsichtlich der Beiträge, Sonderbeiträge, Gebühren und Auslagen sind

für die Verjährung
die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verjährung der Steuern vom Einkommen und Vermögen,
für die Einziehung und Beitreibung
die für Gemeindeabgaben geltenden landesrechtlichen Vorschriften
entsprechend anzuwenden. Durch Landesrecht kann Verfahren und Zuständigkeit für Einziehung und Beitreibung abweichend geregelt werden.

(1) Zur Industrie- und Handelskammer gehören, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, natürliche Personen, Handelsgesellschaften, andere Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, welche im Bezirk der Industrie- und Handelskammer eine Betriebsstätte unterhalten (Kammerzugehörige).

(2) Absatz 1 gilt für natürliche Personen und Gesellschaften, welche ausschließlich einen freien Beruf ausüben oder welche Land- oder Forstwirtschaft oder ein damit verbundenes Nebengewerbe betreiben, nur, soweit sie in das Handelsregister eingetragen sind.

(3) Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke oder der handwerksähnlichen Gewerbe eingetragen sind oder die nach § 90 Abs. 3 der Handwerksordnung zur Handwerkskammer gehören, gehören mit ihrem nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteil der Industrie- und Handelskammer an.

(4) Absatz 1 gilt nicht für landwirtschaftliche Genossenschaften; als solche gelten im Sinne dieser Bestimmung

a)
ländliche Kreditgenossenschaften, deren Mitglieder überwiegend aus Landwirten bestehen;
b)
Genossenschaften, die ganz oder überwiegend der Nutzung landwirtschaftlicher Betriebseinrichtungen oder der Versorgung der Landwirtschaft mit Betriebsmitteln oder dem Absatz oder der Lagerung oder der Bearbeitung oder Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse dienen, sofern sich die Be- oder Verarbeitung nach der Verkehrsauffassung im Bereich der Landwirtschaft hält;
c)
Zusammenschlüsse der unter Buchstabe b genannten Genossenschaften bis zu einer nach der Höhe des Eigenkapitals zu bestimmenden Grenze, die von dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft durch Rechtsverordnung festgelegt wird.

(5) Absatz 1 gilt nicht für Gebietskörperschaften.


Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die Heranziehung zu einem Beitrag sowie einer Vorauszahlung durch die beklagte Industrie- und Handelskammer, deren Mitglied sie ist.

2

Mit Bescheid vom 6. Februar 2009 veranlagte die Beklagte die Klägerin für das Jahr 2007 zu einem Beitrag in Höhe von 21.291,90 € und für das Jahr 2009 zu einem vorläufigen Beitrag in derselben Höhe. Der Betrag setzte sich zusammen aus einem Grundbeitrag in Höhe von 690,00 € und einer Umlage in Höhe von 20.601,90 €. Der Umlagebetrag folgte aus der Multiplikation des im Jahre 2007 erzielten Gewerbeertrags (5.282.539,07 €) mit dem von der Beklagten festgesetzten Hebesatz von 0,39 %.

3

Auf den fristgerecht erhobenen Widerspruch der Klägerin reduzierte die Beklagte mit Bescheid vom 2. April 2009 die vorläufige Veranlagung für das Jahr 2009 auf 12.390,00 €, wobei sie der Berechnung einen Gewerbeertrag in Höhe von nur noch 3.000.000,00 € zugrundelegte. Auch gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin fristgerecht Widerspruch.

4

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2009 zurück.

5

Der Antrag der Klägerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer fristgerecht erhobenen Klage hatte keinen Erfolg (Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Juli 2009 - 5 L 372/09.TR-; Beschluss des Senats vom 11. September 2009 - 6 B10855/09.OVG -).

6

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2010 als unbegründet abgewiesen. Darin heißt es im Wesentlichen:

7

Die Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer sei weder verfassungs- und europarechtswidrig. Der Kammerbeitrag sei auch keine verfassungswidrige Sonderabgabe, sondern ein Beitrag im Rechtssinne.

8

Der Beklagten stehe hinsichtlich der Entscheidung, welche Tätigkeiten sie zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben als erforderlich ansehe, im Rahmen ihrer Selbstverwaltung ein gerichtlich nur sehr eingeschränkt überprüfbarer Freiraum zu. Es bestehe keine Veranlassung, zu prüfen, welche Einzelpositionen die Beklagte bei der Ermittlung ihres Finanzbedarfs in Ansatz gebracht habe, denn das Gesetz sehe einen institutionalisierten Kontrollmechanismus vor. Das einzelne Mitglied der Vollversammlung, somit erst recht das einzelne Kammermitglied, das nicht Mitglied der Vollversammlung sei, habe hingegen keinen detaillierten Auskunftsanspruch hinsichtlich des Finanzgebarens der Beklagten und grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Vorlage einer der Beitragserhebung zugrunde liegenden detaillierten Kostenkalkulation. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Darstellung der Einnahme- und Ausgabensituation in der Wirtschaftssatzung in sich stimmig und ein grobes Missverhältnis zwischen der Beitragsbelastung und dem durch die Mitgliedschaft begründeten Vorteil des Kammermitglieds nicht erkennbar sei.

9

Ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip und das Kostendeckungsprinzips sei nicht zu erkennen. Die Beklagte sei aufgrund ihrer Selbstverwaltungsautonomie hinsichtlich der Bemessung ihrer Mitgliedsbeiträge grundsätzlich frei. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränke sich auf die Einhaltung der äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtsetzungsbefugnis. Diese würden im vorliegenden Fall nicht überschritten.

10

Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Klägerin geltend:

11

Das Gericht sei verpflichtet, dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) die in ihrem Hilfsantrag formulierten entscheidungserheblichen Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der Gerichtshof habe diese Fragen noch nicht abschließend beantwortet. Die Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit dar. In der Rechtsprechung und im Schrifttum sei umstritten, ob hierfür ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegen müsse. Es gebe Urteile und Beschlüsse des Gerichtshofs, in denen rein innerstaatliche Sachverhalte den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten - insbesondere der Niederlassungsfreiheit - eröffneten. In ihrem Falle liege zudem aufgrund ihrer Verflechtung mit (insbesondere Tochter-) Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten eine grenzüberschreitende Konstellation vor. Die mit der Zwangsmitgliedschaft verknüpfte Beitragspflicht führe zu einem Nachteil im Wettbewerb mit ausländischen Unternehmen. Die derzeitige Ausgestaltung des deutschen Kammerwesens und die Verwendung der Pflichtbeiträge zur Förderung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige verstießen zudem gegen das gemeinschaftsrechtliche Beihilfeverbot. Das Gebot der Verwirklichung des Binnenmarktes werde ebenfalls missachtet, da das deutsche Kammerwesen zur Bildung von Binnengrenzen beitrage, die den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital hemmten. Darüber hinaus werde das gemeinschaftsrechtliche Demokratieprinzip verletzt, da die Industrie- und Handelskammern lediglich auf einer einfachgesetzlichen Grundlage gegründet seien, ohne dass einer demokratisch legitimierten Behörde fachaufsichtliche Weisungsbefugnisse zustünden. Zudem verstoße die in § 5 Abs. 3 IHK-G vorgeschriebene Gruppenwahl gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit.

12

Die Zwangsmitgliedschaft stelle auch einen verfassungswidrigen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG dar, da sie, wie die Beispiele der meisten anderen Gemeinschaftsstaaten zeigten, nicht erforderlich sei. Zudem nehme die Beklagte Tätigkeiten außerhalb ihres Aufgabenbereichs wahr. Ihre Beteiligung am Flugplatz Bitburg und am Radiosender RPR sei weder für die Beklagte noch für ihre Mitglieder von Nutzen gewesen. Daher seien die von ihr erhobenen Beiträge als rechtswidrige Sonderabgaben zu qualifizieren. Eine nachvollziehbare Kalkulation der Kammerbeitragssätze sei im Übrigen nicht zu erkennen. Die Beklagte verstoße des Weiteren gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Schon der Betriebsaufwand von 6,9 Millionen Euro sei für eine so kleine Kammer erschreckend. Die Bilanz spiegele im Übrigen nur die Zahlen wider, lasse jedoch eine tatsächliche Überprüfung nicht zu. Gleiches gelte für das negative Finanzergebnis von knapp 300.000,00 €. Ausweislich der Bilanz für das Jahr 2007 seien Sachanlagen (Grundstücke und Bauwerke) von über 20,3 Millionen Euro vorhanden gewesen. Eine Rechtfertigung für eine solche Vermögensanhäufung sei nicht ersichtlich. Ebenso unverständlich sei, weshalb die Beklagte einen Betrag von über 2,4 Millionen Euro als „Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks“ angehäuft und nicht ihren Mitgliedern im Wege einer Beitragssenkung habe zukommen lassen. Entsprechendes gelte für den Gewinn aus dem Jahre 2007 von über 1 Million Euro. Den Neubau ihrer Niederlassung, für den sie zunächst ihre Rücklagen aufgebraucht und Darlehen aufgenommen habe, habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht nicht näher beleuchtet. Ebenso sei es auf den Aspekt, dass 22 % der Kostenpositionen auf Versorgungsbezüge ehemaliger Vorstandsmitglieder der Beklagten entfielen, sowie auf die von der Beklagten erzielten zu geringen Zinserträge nicht eingegangen. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf die Kontrollinstanzen der Beklagten übersehe, dass eine echte Kontrolle nicht stattfinde. Schließlich sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die Auswirkungen der Unternehmensteuerreform 2008 sowie der Finanzkrise zu berücksichtigen und den Hebesatz zumindest für das Jahr 2009 anzupassen.

13

Die Klägerin beantragt,

14

unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2010 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Trier den Beitragsbescheid der Beklagten vom 6. Februar 2009 in der Fassung des Beitragsbescheids vom 2. April 2009 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Mai 2009 aufzuheben,

15

hilfsweise,

16

das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

17

1. Ist die europarechtliche Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) so auszulegen, dass an die Niederlassung eines mitgliedstaatlichen Unternehmens (sei es ein deutsches Unternehmen oder ein Unternehmen eines andern Mitgliedstaates) in Deutschland eine verpflichtende, beitragsbegründende Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer (hier der Industrie- und Handelskammer (IHK) geknüpft werden darf?

18

2. Ist das staatliche Beihilfeverbot (Art. 107 AEUV) so auszulegen, dass die durch eine deutsche berufsständische Kammer (hier die IHK), die als öffentlich-rechtliche Körperschaft mit staatlichen Befugnissen ausgestattet ist, zwangsweise und hoheitlich erhobene Mitgliedsbeiträge zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft im IHK-Bezirk oder einzelner Gewerbezweige im IHK-Bezirk verwendet werden dürfen?

19

3. Ist es mit dem staatlichen Beihilfeverbot (Art. 107 AEUV) vereinbar, dass die deutschen berufsständischen Kammern (hier die IHK) mit den zwangsweise und hoheitlich erhobenen Mitgliedsbeiträgen der Gewerbetreibenden in ihrem Bezirk Anlagen und Einrichtungen einzelner Gewerbezweige fördern, die mit anderen Mitgliedsunternehmen im Wettbewerb stehen, oder selbst Dienstleistungen (Unternehmensberatung, Existenzgründungsberatung und Sachverständigenwesen) anbieten und damit als Wettbewerber ihrer Mitglieder auftreten?

20

4. Ist es mit dem Ziel der Verwirklichung des Binnenmarktes (Art. 26, 27 AEUV) ohne Binnengrenzen für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- oder Kapitalverkehr vereinbar, dass die niederlassungsgebundene Pflichtmitgliedschaft mit gewinnabhängiger Beitragslast in Deutschland als Ausnahme neben freiwilligen berufsständischen Vereinigungen in den meisten Mitgliedstaaten fortbesteht.

21

5. Ist es mit dem europäischen Demokratieprinzip des Art. 2 EUV vereinbar, dass eine berufsständische Vereinigung (hier die IHK) als funktionale Selbstverwaltung ohne eine verfassungsrechtliche Legitimation im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland besteht und lediglich durch einfachgesetzliches Bundesrecht ohne behördliche Fachaufsicht etabliert ist?

22

6. Ist es mit dem europäischen Demokratieprinzip des Art. 2 EUV vereinbar, dass ein Träger funktionaler Selbstverwaltung (hier die IHK) ihre Satzungsbefugnis durch eine Vollversammlung ausüben lässt, die durch eine Gruppenwahl gewählt wurde, wenn diese Gruppenwahl die Wahlberechtigten in Branchen separiert und ihren Repräsentanten unterschiedlich starke Mandatsverhältnisse zuweist?

23

Die Beklagte beantragt,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend:

26

Eine Vorlage an den Gerichtshof komme nicht in Betracht, da der Sachverhalt keinen Bezug zum Gemeinschaftsrecht aufweise. Sie habe ihren gesetzlichen Aufgabenbereich eingehalten. Zudem sei die Klägerin im vorliegenden Verfahren mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen präkludiert, da sie einen entsprechenden Unterlassungsanspruch nicht geltend gemacht habe. Sie habe im Übrigen ihre Finanzierung nachvollziehbar dargelegt. Die Festlegung und Strukturierung ihrer Beiträge gehöre in den Bereich ihrer Finanzhoheit. Konkrete Verstöße oder Gesetzesübertretungen habe die Klägerin nicht dargelegt. Eine fundierte Abschätzung der tatsächlichen Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform und der Finanzkrise könne aufgrund der Festsetzung der Gewerbeerträge etc. durch das Finanzamt wohl erst Ende 2010 erfolgen.

27

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, da die Beitragsveranlagung der Klägerin für das Jahr 2007 sowie die Festsetzung einer Vorauszahlung für das Jahr 2009 rechtlich nicht zu beanstanden sind und die Klägerin daher nicht in ihren Rechten verletzen.

I.

29

Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18. Dezember 1956 (BGBl. I S. 920, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2008, BGBl. I S. 2418, im Folgenden: IHK-G). Danach werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht (Satz 1). Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen (Satz 2). Gemäß § 3 Abs. 3 IHK-G erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen (Satz 1). Unter bestimmten Voraussetzungen sind die Mitglieder von der Beitragspflicht befreit (Sätze 3 – 5). Bemessungsgrundlage ist der Gewebeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, sofern für das betreffende Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt worden ist, andernfalls der nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb (Satz 6).

30

§ 1 Abs. 3 der Beitragsordnung der Beklagten vom 22. Dezember 2005 bzw. vom 18. Dezember 2007 (im Folgenden: BO 2005/BO 2007) überträgt der Vollversammlung die Aufgabe, die Grundbeiträge, den Hebesatz der Umlage und die Freistellungsgrenze jährlich in der Wirtschaftssatzung festzusetzen. Der Grundbeitrag liegt gemäß Ziff. II.2. der Wirtschaftssatzung vom 29. November 2006 (für das Geschäftsjahr 2007, im Folgenden WS 2007) bzw. vom 8. Dezember 2008 (für das Geschäftsjahr 2009, im Folgenden: WS 2009) in Abhängigkeit von der Höhe des Gewerbeertrags oder Gewinns aus Gewerbebetrieb - regelmäßig - zwischen 46 € und 690 €. Die Umlage beträgt nach Ziff. II.3. WS 2007/WS 2009 0,39 Prozent des in dem betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Gewerbeertrags bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb. Nach § 16 BO 2005/BO 2007 i.V.m. Ziff. 5 WS 2007/WS 2009 wird, soweit ein Gewerbeertrag beziehungsweise Gewinn aus Gewerbebetrieb für das Bemessungsjahr noch nicht bekannt ist, eine Vorauszahlung des Grundbeitrags und der Umlage auf der Grundlage des letzten der IHK vorliegenden Gewerbeertrags bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb erhoben.

31

Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Beklagte den Beitrag für das Jahr 2007 und die Vorauszahlung für das Jahr 2009 aufgrund einer fehlerhaften Anwendung der genannten Vorschriften zu hoch berechnet hat. Da die Klägerin keine diesbezüglichen Rügen erhebt, wird von weiteren Ausführungen hierzu abgesehen.

II.

32

Die von ihr erhobenen Einwände gegen die Beitragspflicht als solche und den von der Beklagten festgesetzten Umlagesatz vermögen der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (III.1.), wobei insbesondere die Ausgestaltung der Wahl zur Vollversammlung als Gruppenwahl (III.2.a), die unter bestimmten Voraussetzungen mögliche Nachwahl von Vollversammlungsmitgliedern durch die Vollversammlung (III.2.b) und das Fehlen einer staatlichen Fachaufsicht (III.2.c) verfassungsrechtlich unbedenklich sind. Der Beitrag zur Industrie- und Handelskammer ist nicht als verfassungswidrige Sonderabgabe zu qualifizieren (IV.). Verstöße gegen die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit (V.1.), das Gebot der Verwirklichung des Binnenmarktes (V.2.), ein „gemeinschaftsrechtliches Demokratieprinzip“ (V.3) oder das gemeinschaftsrechtliche Beihilfeverbot (V.4) sind nicht ersichtlich. Die Festsetzung des Beitrags für das Jahr 2007 und der Vorauszahlung für das Jahr 2009 ist nicht wegen einer Überschreitung des der Beklagten gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereichs (VI.) oder eines Verstoßes gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (VII.), das Kostendeckungsprinzip (VIII.), das Äquivalenzprinzip (IX.) oder den allgemeinen Gleichheitssatz (X.) rechtswidrig. Die Beklagte war bisher auch nicht verpflichtet, den Umlagesatz für das Wirtschaftsjahr 2009 im Hinblick auf die Unternehmensteuerreform 2008 bzw. die Auswirkungen der Finanzkrise zu senken (XI.). Es besteht schließlich keine Veranlassung für ein an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtetes Vorabentscheidungsersuchen (XII.).

III.

33

Die von der Klägerin erhobenen Einwände gegen die Verfassungsmäßigkeit der Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer greifen nicht durch.

34

1. Zwar liegt hierin ein Eingriff in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -), das auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit von Handelsgesellschaften schützt (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Juni 1959 - 1 BvR 394/58 -, BVerfGE10, 89 [99]). Dieser ist jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, welcher der Senat folgt, gerechtfertigt (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2001 - 1 BvR 1806/98 -, NVwZ 2002, 335; BVerwG, Beschluss vom 21. Oktober 2004 - 6 B 60.04 -, GewArch 2005, 24; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 - 8 C 20.09 -, Juris, jeweils m.w.N.). Angesichts des weiten Gestaltungsermessens des deutschen Gesetzgebers (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010, a.a.O., m.w.N.) vermag die von der Klägerin ins Feld geführte abweichende Rechtslage in anderen Staaten die Verfassungsmäßigkeit der Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer nicht infrage zu stellen.

35

Dem von ihr in diesem Zusammenhang genannten Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. Juni 2003(- 8 A 4281/02 -, GewArch 2003, 418) lassen sich ebenfalls keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zwangsmitgliedschaft entnehmen. Dort heißt es lediglich, die Zwangsmitgliedschaft stelle einen Eingriff in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit dar, welches durch eine Aufgabenüberschreitung seitens der Körperschaft verletzt werde (vgl. hierzu unten).

36

2. Die von der Klägerin geäußerten Bedenken gegen die Grundsätze der Wahl zur Vollversammlung (a, b) sowie gegen das Fehlen einer staatlichen Fachaufsicht (c) sind nicht gerechtfertigt. Daher kann dahinstehen, ob ein insoweit bestehendes Legitimationsdefizit der Industrie- und Handelskammern im Allgemeinen und der Beklagten im Besonderen die Zwangsmitgliedschaft als solche zu Fall brächte oder lediglich die Rechtswidrigkeit der von der Beklagten getroffenen Entscheidungen zur Folge hätte.

37

a) Das in Art. 20 Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 GG verankerte Demokratieprinzip (vgl. auch Art. 50 und Art. 74 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV -) erfordert für die unmittelbare und die kommunale Staatsverwaltung eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern. Außerhalb dieses Bereichs, namentlich in der funktionalen Selbstverwaltung, dem die Industrie- und Handelskammern zuzuordnen sind, ist das Demokratieprinzip hingegen offen für andere, insbesondere vom Erfordernis der lückenlosen personellen demokratischen Legitimation aller Entscheidungsbefugten abweichende Formen der Organisation und Ausübung von Staatsgewalt. Es erlaubt, durch Gesetz für abgegrenzte Bereiche der Erledigung öffentlicher Aufgaben besondere Organisationsformen der Selbstverwaltung zu schaffen. In diesem Falle darf der Gesetzgeber keine Ausgestaltung vorschreiben, die mit dem Grundgedanken autonomer interessengerechter Selbstverwaltung einerseits und effektiver öffentlicher Aufgabenwahrnehmung andererseits unvereinbar wäre. Deshalb sind organisatorische Vorkehrungen erforderlich, damit die betroffenen Interessen angemessen berücksichtigt und nicht Interessen Einzelner oder bestimmter Gruppen bevorzugt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2002 - 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98 -, BVerfGE 107, 59 m.w.N.).

38

Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, dass § 5 Abs. 3 Satz 2 IHK-G und ihm folgend die Wahlordnung der Beklagten (vgl. § 7 der Wahlordnung vom 18. Juni 2008, im Folgenden: WO) die Aufteilung der Kammermitglieder in besondere Wahlgruppen vorschreiben und diesen eine bestimmte Anzahl von Sitzen in der Vollversammlung zuordnen. Dies trägt der im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung erforderlichen angemessenen Berücksichtigung unterschiedlicher Einzel- und Gruppeninteressen Rechnung. Der für die Volksvertretungen in der unmittelbaren und kommunalen Staatsverwaltung geltende Grundsatz der Gleichheit der Wahl (vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 2, 38 GG, Art. 50, 76 Abs. 1 LV) tritt demgegenüber im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung zurück.

39

b) Nach den dargelegten Grundsätzen bestehen auch keine Bedenken gegen die Regelung des § 6 Abs. 3 WO, wonach eine mittelbare Wahl von Mitgliedern der Vollversammlung durch die Vollversammlung - die verbliebenen Mitglieder - selbst erfolgt, wenn nach dem Ausscheiden eines Mitglieds kein qualifizierter Nachrücker vorhanden ist. Der Grundsatz der unmittelbaren Wahl (vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 2, 38 GG, Art. 50, 76 Abs. 1 LV) beansprucht im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung keine Geltung (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. September 1963 - I C 113.61 -, BVerwGE 16, 312).

40

c) Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, die Beklagte einer staatlichen Fachaufsicht zu unterstellen.

41

In seinem Beschluss vom 5. Dezember 2002 (a.a.O.) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, es stehe dem Gesetzgeber frei, einen Träger funktionaler Selbstverwaltung zu verbindlichem Handeln mit Entscheidungscharakter, und zwar auch gegenüber Nichtmitgliedern zu ermächtigen. Ein solches Handeln sei den Organen von Trägern der funktionalen Selbstverwaltung aus verfassungsrechtlicher Sicht aber nur gestattet, sofern das Volk auch insoweit maßgeblichen Einfluss auf dieses Handeln behalte. Das sei der Fall, wenn die Aufgaben und Handlungsbefugnisse in einem von der Volksvertretung beschlossenen Gesetz ausreichend vorherbestimmt seien und ihre Wahrnehmung der Aufsicht demokratisch legitimierter Amtswalter unterliege. Diese Anforderungen hat das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung im Fall zweier Wasserverbände, denen durch Gesetz ein Großteil der wesentlichen wasserwirtschaftlichen Aufgaben für bestimmte Gebiete übertragen worden sind, als erfüllt angesehen. Für die Aufgaben der Selbstverwaltungseinheiten, für die Kreation der Verbands- und Genossenschaftsorgane und zu deren Handlungsbefugnissen gebe es detaillierte gesetzliche Vorgaben. Zudem existierten umfassende gesetzliche Regelungen über die staatliche Aufsicht, die neben der Rechtsaufsicht auch Ansätze der Fachaufsicht einschließe.

42

Demgegenüber unterliegen die Industrie- und Handelskammern nach § 11 Abs. 1 Satz 1 IHK-G zwar lediglich der Rechtsaufsicht des betreffenden Landes, und auch die Beschreibung ihrer wesentlichen Aufgaben in § 1 Abs. 1 IHK-G ist recht allgemein gehalten. Danach haben sie die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen. Dabei obliegt es ihnen insbesondere, durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten sowie für die Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken.

43

Die insoweit bestehende Lockerung des Bestimmungsrecht des (Staats-) Volkes ist nach den oben dargelegten Maßstäben jedoch unbedenklich, da die Industrie- und Handelskammern zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht zu einem Handeln mit Entscheidungscharakter, zumal nicht gegenüber Nichtmitgliedern, ermächtigt werden. Ihre Tätigkeit ist auch nicht mit Auswirkungen für die Allgemeinheit oder ihre Mitglieder verbunden, die mit denen der Betätigung von Wasserverbänden mit umfangreichen wasserwirtschaftlichen Befugnissen vergleichbar wären.

IV .

44

Bei dem Beitrag zur Industrie- und Handelskammer handelt es sich um einen Beitrag im Rechtssinne und nicht um eine verfassungswidrige Sonderabgabe. Er dient nämlich als korporativer Zwangsbeitrag der Abgeltung eines besonderen Vorteils, nämlich des sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Nutzens (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 - 1C 45/87 -, NVwZ 1990, 1167; Urteil vom 21. Juli 1998 - 1 C 32/97 -, BVerwGE 107, 169, vgl. allgemein z.B. Drüen, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 3 AO Rn. 26, 29a). An dieser rechtlichen Einordnung des Kammerbeitrags würde sich entgegen der Auffassung der Klägerin selbst dann nichts ändern, wenn sich die Beitragserhebung durch die Beklagte etwa wegen einer Überschreitung ihres Aufgabenbereichs als rechtswidrig erwiese.

V .

45

Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer nicht gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht.

46

1. Sie steht zunächst nicht im Widerspruch zu der in Art. 49 ff. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 2008 (ABl. Nr. C 115 S. 47, im Folgenden: AEUV) geregelten Niederlassungsfreiheit.

47

a) Nach Art. 49 AEUV (vormals Art. 43 EGV) ist die Beschränkung der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten (Satz 1). Das Gleiche gilt für Beschränkung der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind (Satz 2). Vorbehaltlich der - hier nicht einschlägigen - Regelungen im Kapitel über den Kapitalverkehr (Art. 63 ff. AEUV, Art. 56 ff. EGV) umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Abs. 2 AEUV, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen (Satz 3). Art. 54 AEUV (Art. 48 EGV) stellt für die Anwendung des Kapitels über das Niederlassungsrecht die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften - insbesondere die des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts -, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, den natürlichen Personen gleich, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind.

48

b) Nach § 2 Abs. 1 IHK-G gehören zur Industrie- und Handelskammer alle zur Gewerbesteuer veranlagten natürlichen Personen, Handelsgesellschaften, andere Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts (im Folgenden: Unternehmen), welche im Kammerbezirk eine Betriebsstätte unterhalten. Die Vorschrift knüpft wie § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG - (in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002, BGBl. I S. 4167, zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. April 2010, BGBl. I S. 386) an die Unterhaltung eines Betriebssitzes im Inland an. Somit werden auch Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten bzw. dort ansässige Gesellschaften, die sich mit ihrem Unternehmen im Inland niederlassen oder dort Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften gründen, der Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer unterworfen. Hierdurch werden sie jedoch lediglich inländischen Unternehmen gleichgestellt, so dass die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit grundsätzlich nicht beeinträchtigt wird (vgl. z. B. EuGH, Urteil vom 30. November 1995 - Rs. C-55/94 - [Gebhard], Slg. S. I-4165).

49

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof der Europäischen Union kann freilich auch in der Unterwerfung eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmens unter die allgemein geltenden innerstaatlichen Vorschriften unter bestimmten Umständen einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit bedeuten. So hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 5. Oktober 2004 (- Rs. C-442/02 - [CaixaBank France], Slg. S. I-8983) festgestellt, das aufgrund französischer Vorschriften bestehende Verbot, Sichteinlagenkonten zu verzinsen, stelle für die Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten - im konkreten Fall eine Gesellschaft spanischen Rechts - ein ernsthaftes Hindernis für die Ausübung ihrer Tätigkeiten durch eine Tochtergesellschaft in diesem Mitgliedstaat (Frankreich) dar, das ihren Zugang zum Markt beeinträchtige. Es hindere nämlich die Tochtergesellschaften ausländischer Gesellschaften an der Sammlung von Kapital beim Publikum, indem es ihnen verwehrt sei, mit den traditionell im Niederlassungsstaat ansässigen Kreditinstituten, die über ein ausgedehntes Filialnetz und damit über größere Möglichkeiten verfügten, Kapital beim Publikum zu sammeln, durch eine Verzinsung von Sichteinlagenkonten wirksamer in Wettbewerb zu treten.

50

Vergleichbare Wettbewerbsnachteile ausländischer gegenüber inländischen Unternehmern sind mit der Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer jedoch nicht verbunden. Somit kann dahingestellt bleiben, ob ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit Auswirkungen auf die Zwangsmitgliedschaft der Klägerin als inländisches Unternehmen (vgl. Art. 54 AEUV) hätte, oder ob lediglich ausländische Unternehmen mit ihren inländischen Betriebsstätten von der Zwangsmitgliedschaft auszunehmen wären.

51

c) Die mit der Beitragspflicht verbundene Benachteiligung inländischer Unternehmen bzw. ausländischer Unternehmen mit Betriebsstätten im Inland gegenüber Konkurrenten ohne inländische Betriebsstätten steht hingegen nicht im Widerspruch zur gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit. Denn sie garantiert nach Art. 63 Satz 3 AEUV lediglich die Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat nach den für seine eigenen Angehörigen geltenden Bestimmungen (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 30. November 1995, a.a.O., sowie Urteil vom 26. Januar 1993 – Rs. C-112/91 – [Werner], Slg S. I-429). Die aufgezeigte Benachteiligung ist lediglich eine Folge der unterschiedlich ausgestalteten Rechtsordnungen der EG-Mitgliedstaaten und vergleichbar mit Wettbewerbsnachteilen infolge unterschiedlich hoher steuerlicher Belastungen.

52

d) Die von der Klägerin genannten Entscheidungen des Gerichtshofs lassen entgegen ihrer Auffassung nicht erkennen, dass er den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit auf rein innerstaatliche Sachverhalte ausgedehnt hat. So geht es im Urteil vom 30. März 2006 (- Rs. 451/03 - [Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti Srl], Slg. S. I-2941) um eine italienische Regelung, aufgrund der allein Steuerberatungszentren (Centri di Assistenza Fiscale) berechtigt waren, bestimmte Tätigkeiten in Steuerfragen auszuüben. Der Gerichtshof hat die Regelung im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit beanstandet. Sie sei geeignet, die Niederlassung von Wirtschaftsteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten in Italien zur Erbringung solcher Dienstleistungen zu erschweren oder sogar unmöglich zu machen. Diese Entscheidung lässt somit eine Erstreckung der Niederlassungsfreiheit auf rein innerstaatliche Sachverhalten ebenso wenig erkennen wie das ebenfalls von der Klägerin zum Beleg ihrer Auffassung angeführte Urteil vom 5. Oktober 2004 (vgl. oben). Da die Klägerin sich mit dem Inhalt der von ihr genannten weiteren zahlreichen Entscheidungen nicht näher auseinandergesetzt hat, wird von Ausführungen zu sämtlichen dieser Entscheidungen abgesehen.

53

2. Die Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer verstößt nicht gegen das Gebot der Verwirklichung des Binnenmarktes, da es sich hierbei lediglich um ein Politikziel handelt, das sich nicht unmittelbar auf die Wirksamkeit der einschlägigen gesetzlichen Regelungen auswirkt.

54

Nach Art. 26 AEUV erlässt die Union die erforderlichen Maßnahmen, um nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen der Verträge den Binnenmarkt zu verwirklichen beziehungsweise dessen Funktionieren zu gewährleisten (Abs. 1). Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist (Abs. 2). Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission die Leitlinien und Bedingungen fest, die erforderlich sind, um in allen betroffenen Sektoren einen ausgewogenen Fortschritt zu gewährleisten (Abs. 3). Bei der Formulierung ihrer Vorschläge zur Verwirklichung der Ziele des Art. 26 AEUV berücksichtigt die Kommission den Umfang der Anstrengungen, die einigen Volkswirtschaften mit unterschiedlichem Entwicklungsstand für die Errichtung des Binnenmarktes abverlangt werden, und kann geeignete Bestimmungen vorschlagen (Art. 27 Satz 1 AEUV). Falls die Kommission feststellt, dass vorhandene Unterschiede in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten die Wettbewerbsbedingungen auf dem Binnenmarkt verfälschen und dadurch eine Verzerrung hervorrufen, die zu beseitigen ist, tritt sie mit den betreffenden Mitgliedstaaten in Beratungen ein (Art. 116 Abs. 1 AEUV). Führen die Beratungen nicht zur Beseitigung dieser Verzerrung, erlassen das Europäische Parlament und der Rat die erforderlichen Richtlinien (Art. 116 Abs. 2 AEUV).

55

Die Regelungen zeigen, dass die Verwirklichung des Binnenmarktes lediglich ein Politikziel darstellt, das unmittelbar weder rechtliche Pflichten der Mitgliedstaaten noch Rechte Einzelner begründet (vgl. zu Art. 2 EWGV: EuGH, Urteil vom 29. September 1987 - Rs. 126/86 -, Slg. 1987, 3697). Insbesondere aus Art. 116 AEUV ergibt sich keine Pflicht der Mitgliedstaaten, wettbewerbsverzerrende Vorschriften von sich aus zu ändern. Erst recht folgt aus ihm nicht, dass innerstaatliche Regelungen, welche die Verwirklichung des Binnenmarktes hemmen oder sein Funktionieren beeinträchtigen, ohne Weiteres unwirksam sind. Vielmehr kommt den Gemeinschaftsorganen die Aufgabe zu, wettbewerbsverzerrende Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Zusammenarbeit mit den betreffenden Mitgliedstaaten und unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Rahmenbedingungen im Verlauf eines mehr oder weniger lange dauernden Prozesses anzugleichen. Daher kann für die vorliegende Entscheidung dahinstehen, ob und in welchem Umfang die Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer zu Verzerrungen im innergemeinschaftlichen Wettbewerb führt.

56

3. Entgegen der Auffassung der Klägerin begegnen das für die Wahl der Vollversammlung der Beklagten gesetzlich vorgegebene Gruppenwahlprinzip und die in der Wahlordnung der Beklagten vorgesehene indirekte Nachwahl von Mitgliedern der Vollversammlung (vgl. o.) auch im Hinblick auf ein „gemeinschaftsrechtliches Demokratieprinzip“ keinen rechtlichen Bedenken. Nach Art. 2 des Vertrags über die Fassung über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (ABl. Nr. C 306 S.1, ber. ABl. 2008 Nr. C 290 S. 1, im Folgenden: EUV) ist die Demokratie einer der Werte, auf die sich die Union gründet (S. 1) und die allen Mitgliedstaaten gemeinsam sind. Art. 49 Abs. 1 Satz 1 EUV verpflichtet Staaten, die in die Union aufgenommen werden möchten, ebenfalls zur Achtung und Förderung dieser Werte.

57

Die Konkretisierung des in Art. 2 EUV enthaltenen Begriffs der Demokratie bereitet allerdings beträchtliche Schwierigkeiten (vgl. Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 6 EUV Rn. 16 ff., 21 ff.). Da die Vorschrift an die bestehenden unterschiedlichen demokratischen Systeme der Mitgliedstaaten anknüpft, kann der gemeinschaftsrechtliche Demokratiebegriff lediglich die von allen Mitgliedstaaten als essentiell anerkannten demokratischen Mindeststandards umfassen. Dass sich hieraus strengere Anforderungen an die innere Organisation funktionaler Selbstverwaltungskörperschaften ableiten lassen sollten als aus dem Demokratieprinzip in der Ausgestaltung durch das Grundgesetz (vgl. oben III.2), ist deshalb ausgeschlossen und wird von der Klägerin nicht näher begründet. Sie bezieht sich vielmehr maßgeblich auf die oben wiedergegebene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Anforderungen an Einrichtungen der funktionalen Selbstverwaltung.

58

4 . Die angefochtene Beitrags- bzw. Vorauszahlungserhebung steht auch nicht im Widerspruch zu dem gemeinschaftsrechtliche Beihilfeverbot. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV (ex. Art. 87 EGV) sind, soweit in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

59

Die Klägerin hat für ihre von der Beklagten bestrittene Behauptung, die Kammer gewähre bestimmten Unternehmen bzw. Wirtschaftszweigen Beihilfen im Sinne dieser Vorschrift bzw. habe solche gewährt, weder Beweis angeboten noch konkrete Beispiele benannt. Daher besteht keine Veranlassung, den Sachverhalt im Hinblick auf diesen Vorwurf von Amts wegen weiter aufzuklären. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Beklagte keine Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV erbringt bzw. erbracht hat.

60

Darüber hinaus würde sich ein solcher Verstoß gegen die rechtlichen Grenzen der Betätigung der Beklagten aus den nachfolgend dargelegten Gründen ebenso wenig auf den Beitragsanspruch der Beklagten auswirken wie eine Überschreitung des ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereichs.

VI .

61

Die Höhe des festgesetzten Beitrags bzw. der Vorauszahlung ist im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachte Überschreitung des der Beklagten obliegenden Aufgabenkreises nicht zu beanstanden.

62

1. Der Klägerin ist im Ansatz insoweit zu folgen, als die Beeinträchtigung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (vgl. o.) durch die Pflichtzugehörigkeit zur Beklagten allein durch die Wahrnehmung der den Industrie- und Handelskammern gesetzlich zugewiesenen Aufgaben gerechtfertigt ist. Daher hat sie einen Anspruch darauf, dass die Beklagte bei ihrer Tätigkeit die ihr gesetzlich vorgegebenen Grenzen einhält (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010, a.a.O., m.w.N., ständige Rechtsprechung).

63

2. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist aber die mit Ablauf des Jahres 2008 beendete Beteiligung der Beklagten an der Flugplatz Bitburg GmbH von der ihr durch § 1 Abs. 1 IHK-G übertragenen Aufgabe umfasst, das Gesamtinteresse der ihr angehörenden Gewerbetreibenden wahrzunehmen und für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken. Hierzu kann auch die Beteiligung an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die den Betrieb eines Flugplatzes zum Gegenstand hat, gehören, wenn es im Interesse der gewerblichen Wirtschaft liegt, die Errichtung einer solchen Infrastruktureinrichtung vorzubereiten, zu planen oder in anderer Weise zu fördern (BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 - 1 C 29/99 - BVerwGE 112, 69).

64

Um eine solche Beteiligung an dem Umwandlungsprozess eines militärischen in einen zivilen Flugplatz im Interesse der Wirtschaft und nicht um eine dauerhafte Beteiligung an einer Flugplatzbetreibergesellschaft ging es bei der von der Vollversammlung der Beklagten am 11. März 2002 beschlossenen Beteiligung an der „Flugplatz Bitburg GmbH“. Durch diesen Beschluss wurde die Stammeinlage auf maximal 10.000 € und ein möglicher Zuschuss auf maximal 25.000 € begrenzt. Die Gesellschafterrolle sollte im Sinne einer Anschubfunktion zunächst auf maximal 5 Jahre befristet sein. In dem Gesellschaftsvertrag war festzuhalten, dass die Beklagte damit lediglich eine Anschubfunktion für den regionalwirtschaftlich bedeutsamen Verkehrslandeplatz leiste, der schwerpunktmäßig der Ansiedlung von flugaffinem Gewerbe diene.

65

Es liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme vor, die Pläne für die Umwandlung des Flugplatzes Bitburg seien völlig unrealistisch gewesen, so dass die Beklagte den ihr bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zustehenden Ermessensspielraum möglicherweise überschritten hätte. So heißt es in der entsprechenden Beschlussvorlage, nachdem eine luftverkehrsrechtliche Genehmigung aus dem Jahre 1998 zunächst aufgehoben worden sei, gehe es nur noch darum, wie dem gebotenen Fluglärmschutz durch ein Lärmschutzkonzept Rechnung getragen werden könne. Es seien neben einer Vielzahl anderer Gewerbebetriebe bereits zwei flugaffine Unternehmen angesiedelt. Es fänden zudem Verhandlungen über die airline-spezifische Endlackierung verschiedener Airbus-Typen statt. In der Endstufe sollten 50 Dauerarbeitsplätze geschaffen werden. Angesichts dessen reicht die nicht näher begründete Auffassung der Klägerin, die Pläne zur Umwandlung des Flugplatzes Bitburg seien von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen, nicht aus, um eine Überschreitung des Aufgabenbereichs der Beklagten zu begründen.

66

Im Übrigen wäre die Absenkung des Umlagesatzes für das Jahr 2007 selbst dann nicht geboten gewesen, wenn die Stammeinlage in Höhe von 10.000 € und möglicherweise geleistete Zuschüsse in Höhe von maximal 25.000 € an die Beklagte zurückgeflossen wären. Dieser Betrag in Höhe von insgesamt 35.000 € entspricht circa 0,6 Prozent der in der Erfolgsrechnung der Beklagten für das Jahr 2007 ausgewiesenen Mitgliedsbeiträge in Höhe von 5.774.652 €. Dem entspräche eine Minderung des Umlagesatzes um weniger als 0,0025 Prozent.

67

3. Ob die Beklagte im Rahmen der ihr obliegenden Aufgaben ebenfalls berechtigt war, sich an der Rheinland-Pfälzischen Rundfunk GmbH & Co. KG zu beteiligen, lässt sich aufgrund des derzeitigen Erkenntnisstandes nicht hinreichend sicher beurteilen. Die Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, da auch diese mit Ablauf des Jahres 2008 beendete Beteiligung in Höhe von lediglich 511,29 € - nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten - selbst zusammen mit der Beteiligung an der Flugplatz Bitburg GmbH keine Auswirkungen auf die Höhe der Umlage hatte.

68

4. Die Klägerin vermag auch mit ihrer Rüge, die Beklagte sei zu Unrecht in den Bereichen Unternehmensberatung und Existenzgründung tätig, nicht durchzudringen, denn die Beratung einzelner Kammerangehöriger gehört zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft i.S.v. § 1 Abs. 1 und 2 IHK-G und damit zum Aufgabenbereich der Beklagten (Fräntzel/Jäkel/Junge, a.a.O., § 1 Rn. 23; BGH, Urteil vom 12. Juli 1990 - I ZR 278/88 -, GewArch 1991, 233 [Steuerhilfe durch eine Handwerkskammer]). Dass die Beklagte in den genannten Bereichen außerhalb des Kreises ihrer Mitglieder tätig war bzw. ist, hat die Klägerin weder geltend gemacht, noch liegen Anhaltspunkte hierfür vor.

69

5. Selbst wenn man aber mit der Klägerin davon ausginge, die Beklagte habe in den genannten Fällen den Kreis der ihr zugewiesenen Aufgaben überschritten, hätte dies keine Auswirkungen auf den Beitragsanspruch für das Jahr 2007 bzw. den Vorauszahlungsanspruch für das Jahr 2009. Zwar verletzt eine Betätigung einer Industrie- und Handelskammer außerhalb ihres Aufgabenbereichs ihre Mitglieder in ihrer grundrechtlich garantierten allgemeinen Handlungsfreiheit (vgl. o.). Daher hat jedes Kammermitglied einen Anspruch darauf, dass die Kammer bei ihrer Tätigkeit die ihr gesetzlich vorgegebenen Grenzen einhält, und kann ihn im Wege einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage geltend machen (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010, a.a.O.).

70

Die Festsetzung der Beiträge bleibt von einer solchen Aufgabenüberschreitung hingegen grundsätzlich unberührt. Das Beitragsaufkommen ist nämlich in der Regel verwendungsneutral und stellt eine Gegenleistung für sämtliche mit der Kammertätigkeit verbundenen Vorteile dar. Der von einem Mitglied geforderte Beitrag lässt sich somit nicht in verschiedene Anteile aufteilen, die bestimmten von der Kammer ausgeübten Tätigkeiten zugeordnet werden könnten. Eine Minderung des Beitragsanspruchs führt zudem nicht unmittelbar und zwangsläufig zur Beendigung der als unzulässig anzusehenden Betätigung (BVerwG , Urteil vom 1. März 1977 - I C 42.74 -, GewArch 1977, 232;OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. Januar 1997 - 11 A 12624/96.OVG -, NVwZ-RR 1997, 196; OVG Niedersachsen, Urteil vom 20. Mai 1996 - 8 L 647/95 -, GewArch 1996, 413).

71

Etwas anders könnte allenfalls dann gelten, wenn es um einen Sonderbeitrag zur Finanzierung einer außerhalb des Aufgabenbereichs liegenden Aktivität oder einen mit einer entsprechenden Zweckbestimmung versehenen Beitragsanteil ginge (vgl. BVerwG , Urteil v. 1. März 1977, a.a.O.). Um einen solchen Fall handelt es sich hier jedoch nicht.

72

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es im vorliegenden Fall um Beiträge für vergangene Wirtschaftsjahre geht. Die in diesen Zeiten aufgrund der Aktivitäten der Beklagten entstandenen Kosten lassen sich nicht rückgängig machen, auch soweit sie auf einer Überschreitung des gesetzlichen Aufgabenbereichs beruhen sollten. Würde man die Mitgliedsbeiträge nachträglich im Hinblick auf eine Aufgabenüberschreitung mindern, bliebe die Kostenbelastung erhalten und müsste aus den Mitteln der Beklagten, also letztlich zu Lasten der Gemeinschaft der Mitglieder ausgeglichen werden. Dies würde sich letztlich wiederum auf die Summe der benötigten Mitgliedsbeiträge auswirken.

VII.

73

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Beitragsminderung im Hinblick auf die von ihr gerügten Verstöße gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Zwar verpflichtet § 3 Abs. 2 Satz 2 IHK-G die Beklagte, ihren jährlichen Wirtschaftsplan nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung aufzustellen. Insoweit steht ihr allerdings im Rahmen ihrer Selbstverwaltung ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. Jahn, GewArch 2008, 340 [344 f.]; Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O. Rn 27 ff.). Die ihr durch den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gesetzten Grenzen überschreitet sie erst durch ein Verhalten, das mit den Grundsätzen eines vernünftigen Wirtschaftens schlechthin nicht vereinbar ist (vgl. zu der entsprechenden Regelung in § 93 Abs. 3 der Gemeindeordnung - GemO -: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 1. Juli 1974 - 7 A 21/74 -, AS 13, 412; Urteil vom 8. Juni 2007 - 2 A 10286/07.OVG -, ESOVG).

74

Soweit die Klägerin rügt, der Neubau der Niederlassung der Beklagten sei mit erheblichen Kosten verbunden gewesen und habe - was die Beklagte nicht in Abrede stellt - zur Auflösung der Rücklagen im Jahre 1999 und einer Darlehensaufnahme mit erheblichen Zinslasten geführt, lässt dies allein ein mit den Grundsätzen eines vernünftigen Wirtschaftens schlechterdings nicht zu vereinbarendes Gebaren nicht erkennen. Gleiches gilt für den Umfang der von der Klägerin als zu hoch empfundenen Aufwendungen für Versorgungsbezüge, den nach ihrer Auffassung zu hohen Personalbestand, die als zu gering empfundenen Zinseinkünfte in Höhe von 132.000 € bei einem Guthaben von 2.424.000 € (ca. 5,45 % Jahreszins) sowie die Bildung von Rücklagen trotz bestehender Darlehensverbindlichkeiten.

VIII.

75

Die Klägerin hat auch keine gegen das Kostendeckungsprinzip verstoßende und damit unzulässige Vermögensbildung betrieben. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHK-G dürfen Beiträge allerdings nur insoweit erhoben werden, als die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der Kammer nicht anderweitig gedeckt sind. Sie dürfen somit nicht der Vermögensbildung dienen (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990, a.a.O.). Eine unzulässige Vermögensbildung lassen die von der Klägerin erhobenen Rügen jedoch nicht erkennen.

76

a) Soweit sie darauf verweist, die in der Bilanz für das Jahr 2007 ausgewiesenen Aktiva bestünden zu 84 Prozent aus Grundstücken und Bauten, hat der Vertreter der Beklagten dies in der mündlichen Verhandlung wie folgt erläutert: Zu den in der Bilanz für das Jahr 2007 erfassten Immobilien habe noch das Anwesen ihrer vormaligen Niederlassung gehört. Dieses sei wegen der zuvor ungünstigen Bedingungen auf dem Immobilienmarkt erst im Jahre 2007 veräußert worden. Der Erlös aus diesem Geschäft sei ihr im Jahre 2008 zugeflossen. Das Konversionsgelände, das sie seinerzeit erworben habe, um darauf ihre neue Niederlassung zu errichten, sei mit vier Gebäuden bebaut gewesen. Diese habe sie abreißen und durch einen Neubau ersetzen wollen. Die Gebäude seien jedoch unter Denkmalschutz gestellt worden, so dass sie von ihrem ursprünglichen Plan habe abrücken müssen. Sie habe daraufhin alle vier Gebäude ausgebaut und die beiden, die sie für ihre Niederlassung nicht benötigt habe, vermietet. Es sei absehbar, dass sich die Investitionen in diese Gebäude in näherer Zukunft amortisierten.

77

Diese Ausführungen, denen die Klägerin nicht widersprochen hat, erscheinen glaubhaft und sind sachlich nachvollziehbar. So weist die Bilanz der Beklagten für 2009 lediglich Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten im Wert von 16.988.696,00 € aus, während die entsprechende Position sich in der Bilanz für 2007 auf 20.322.479,00 € beläuft. Das belegt die Verringerung des Immobilieneigentums der Klägerin infolge der Veräußerung der vormaligen Niederlassung. Der Umstand, dass sie mit der Veräußerung dieses Anwesens bis 2007 zuwartete, um einen höheren Erlös zu erzielen, ist nicht als unzulässige Vermögensbildung aufzufassen, sondern entspricht gerade dem in § 3 Abs. 2 Satz 1 IHK-G verankerten Sparsamkeitsgebot.

78

Dass der Erwerb des Konversionsgeländes zum Bau einer neuen Niederlassung nach den ursprünglichen Plänen der Beklagten keine Maßnahme zum Zweck der unzulässigen Vermögensbildung darstellt, liegt auf der Hand. Diese Einschätzung gilt - zumindest derzeit - auch im Hinblick auf die beiden Gebäude, die von der Beklagten nicht selbst genutzt, sondern vermietet werden. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sie ursprünglich beabsichtigt hatte, die auf dem Anwesen vorhandenen Gebäude abzureißen und lediglich die für ihre Niederlassung benötigten Räumlichkeiten zu schaffen. Diese Pläne wurden allein durch die denkmalrechtliche Unterschutzstellung der Gebäude durchkreuzt. Die Sanierung und anschließende Vermietung der beiden von ihr selbst nicht genutzten Gebäude war somit eine naheliegende Möglichkeit, die durch die Unterschutzstellung entstandenen zusätzlichen finanziellen Belastungen auszugleichen. Der Ausbau dieser Gebäude und ihre Nutzung als Mietobjekt stehen somit in einem engen Zusammenhang mit der Errichtung der neuen Niederlassung. Darin ist jedenfalls solange keine unzulässige Vermögensbildung zu sehen, wie sich die diesbezüglichen Investitionen noch nicht amortisiert haben. Das ist nach den glaubhaften Angaben der Beklagten derzeit noch nicht der Fall.

79

b) Keine rechtlichen Bedenken bestehen auch hinsichtlich der in den Bilanzen der Beklagten für die Jahre 2007 und 2009 ausgewiesenen und von der Klägerin als zu hoch beanstandeten Summe aus Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks in Höhe von rund 2,4 Millionen Euro (2007) bzw. 4,3 Millionen Euro (2009). Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und unwidersprochen erläutert, dass es sich hierbei im Wesentlichen um Mittel im Rahmen der gebildeten Ausgleichsrücklagen im Sinne ihres Finanzstatuts vom 1. Dezember 2005 handelt.

80

Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 des Finanzstatuts ist zum Ausgleich von Schwankungen im Beitragsaufkommen eine Ausgleichsrücklage anzusammeln, die zwischen 30 und 50 Prozent der Betriebsaufwendungen beträgt. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass Rücklagen in angemessener Höhe keine unzulässige Vermögensbildung darstellen. Der vorgeschriebene Umfang der Rücklage erscheint nicht unangemessen. Die Beklagte hat nämlich glaubhaft dargelegt, ein um mehrere Monate verzögerter Beitragseingang sei nicht ungewöhnlich, und die beanstandeten Guthaben dienten dazu, in einem solchen Fall kostspielige Kassenkredite zu vermeiden.

81

Angesichts des in den Erfolgsrechnungen der Beklagten ausgewiesenen Betriebsaufwands in Höhe von rund 6,93 Millionen Euro (2007) bzw. 7,65 Millionen Euro (2009) ist davon auszugehen, dass es sich bei den von der Klägerin beanstandeten Finanzmitteln jedenfalls ganz überwiegend um solche Rücklagen zum Ausgleich von Beitragsschwankungen handelt. Auch insoweit liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine unzulässige Vermögensbildung vor.

82

c) Die in den Bilanzen der Beklagten ausgewiesenen Rückstellungen für Pensionen und sonstige Verpflichtungen sind im Hinblick auf das Verbot der Vermögensbildung ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, diese Rückstellungen würden von einem externen Gutachter anhand der bestehenden rechtlichen Verpflichtungen berechnet. Seine Feststellungen würden von ihr übernommen. Die Klägerin ist diesem Vorbringen nicht entgegengetreten, so dass auch insoweit kein Grund für eine weitere Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen besteht.

83

d) Die Rüge der Klägerin, die Beklagte habe keine Kalkulation der von ihr erhobenen Beiträge vorgelegt, begründet ebenfalls keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung. Nach den Erfolgsrechnungen der Beklagten wurde das geplante Beitragsaufkommen von 5.750.000 € (2007) bzw. 6.200.000 € (2009) im Jahre 2007 um 24.652,66 € und im Jahre 2009 um 138.432,23 € übertroffen. Eine solche geringfügige Abweichung von rund 0,43 % (2007) bzw. 2,23 % (2009) lässt nicht erkennen, dass die Beklagte die Beitragssätze im Hinblick auf den von ihr ermittelten Finanzbedarf unter Berücksichtigung bestehender Prognoseunsicherheiten fehlerhaft kalkuliert haben könnte.

IX.

84

Ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip ist nicht ersichtlich. Nach dieser beitragsrechtlichen Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bedarf die Höhe der Beiträge nicht im Missverhältnis zu dem gewährten Vorteil stehen. Es ist allerdings in der Rechtsprechung geklärt, dass ein die Beitragspflicht rechtfertigender Vorteil selbst dann vorhanden sein kann, wenn der Nutzen der von der Kammer finanzierten Tätigkeiten für das einzelne Mitglied nicht messbar ist, sondern weitgehend nur vermutet werden kann. Es liegt in der Natur eines Mitgliedsbeitrags, dass sich der Zusammenhang zwischen dem Erhebungsanlass und dem Vorteil des Pflichtigen zu einer bloßen Vermutung des Vorteils verflüchtigen kann (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990, a.a.O.; Beschluss vom 3. Mai 1995 - 1 B 222/93 -, GewArch 1995, 425). Somit greift der Einwand der Klägerin, sie habe keinen ihrem Beitrag entsprechenden Nutzen von der Tätigkeit der Beklagten gehabt, nicht durch. Zudem haben die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Berufungsverhandlung nachvollziehbar erläutert, dass sie beispielsweise Fachveranstaltungen zu auch die Klägerin betreffende Themen anbietet. Ein Teilnahmeverzicht lässt aber den der Klägerin dadurch vermittelten beitragsrelevanten Vorteil nicht entfallen.

X.

85

Die streitgegenständliche Beitrags- und Vorauszahlungsfestsetzung verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Er gebietet, niemanden im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, ohne dass zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen. Bei der Erhebung vorteilsbezogener Mitgliedsbeiträge durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist daher wesentlichen Verschiedenheiten der Mitglieder Rechnung zu tragen. Insbesondere müssen die Beiträge im Verhältnis der Beitragspflichtigen zueinander grundsätzlich vorteilsgerecht bemessen werden (BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 1995, a.a.O.). Insoweit besteht eine enge Verbindung zwischen dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Äquivalenzprinzip (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990, a.a.O.).

86

Die Festsetzung des Beitrags für das Jahr 2007 bzw. der Vorauszahlung für das Jahr 2009 verletzt die Klägerin jedoch nicht in ihrem Recht auf Gleichbehandlung, und zwar weder im Hinblick auf die übrigen Mitgliedern der Beklagten (1.) noch im Hinblick auf die Mitglieder anderer Industrie- und Handelskammern (2.).

87

1. Es begegnet keinen Bedenken, dass die Beklagte den zu erhebenden Grundbeitrag staffelt (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 2 IHKG i.V.m. Ziff. II.2. WS 2007/WS 2009) und hierbei sowie bei der Festsetzung der Umlage auf den Gewerbeertrag bzw. den Gewinn aus Gewerbebetrieb abstellt (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 6 IHK-G i.V.m. Ziff. II.3 WS 2007/WS 2009). Dieser Anknüpfung an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kammermitglieder liegt die Vorstellung zugrunde, leistungsstarke Unternehmen könnten aus der der Kammer aufgegebenen Wahrnehmung des Gesamtinteresses ihrer Mitglieder in der Regel höheren Nutzen ziehen als wirtschaftlich schwächere. Eine solche Differenzierung erscheint sachgerecht, auch wenn - wie dargelegt - der Nutzen, den ein Mitglied aus seiner Kammerzugehörigkeit zieht, im konkreten Einzelfall kaum messbar sein mag (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990, a.a.O.). Angesichts dessen gebietet der allgemeine Gleichheitssatz auch nicht, den Anstieg des Umlagebetrags für ertragsstarke Unternehmen durch gestaffelte Umlagesätze abzuschwächen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990, a.a.O.).

88

2. Soweit die Klägerin geltend macht, die Umlagesätze anderer rheinland-pfälzischer Industrie- und Handelskammern seien zum Teil deutlich niedriger als der der Beklagten, trifft dies zwar zu. So betrugen diese in den Jahren 2007 und 2009 bei der IHK Koblenz 0,19 % bzw. 0,13 %, bei der IHK Pfalz 0,33 % bzw. 0,3 % und bei der IHK Rheinhessen 0,25 % bzw. 0,05 % (jeweils nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten). Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz ist hierin jedoch nicht zu sehen.

89

a) Der Gleichbehandlungsanspruch ist nämlich auf den Kompetenzbereich des jeweiligen Trägers öffentlicher Gewalt beschränkt. Deshalb folgt aus Art. 3 Abs. 1 GG kein Recht darauf, von einem Träger öffentlicher Gewalt so behandelt zu werden wie ein anderer Grundrechtsträger von einem anderen Träger öffentlicher Gewalt (BVerfG, Beschluss vom 1. März 2010 - 1 BvR 2584/06 -, NVwZ-RR 2010, 505 m.w.N.). Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 8. Februar 1994 (- 1 BvR 1237/85 -, BVerfGE 89, 365) einen Anspruch der Angehörigen verschiedener Allgemeiner Ortskrankenkassen auf annähernd gleiche Beitragssätze bejaht. Diese Entscheidung beruht jedoch maßgeblich auf den Besonderheiten des gesetzlichen Krankenversicherungswesens und ist somit auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

90

b) Darüber hinaus sind die strukturellen Unterschiede zwischen den rheinland-pfälzischen Industrie- und Handelskammern so erheblich, dass die Beitragsunterschiede hierdurch sachlich gerechtfertigt sind. Nach den von der Beklagten vorgelegten und von der Klägerin nicht infrage gestellten Zahlen stellen sich die Verhältnisse folgendermaßen dar:

91
        

Mitglieder
2007

Gewerbeertrag
2007 in Mio. €

Gewerbeertrag
2007 pro
Mitglied ca.

 Umlage in %

 2007

2009

IHK Trier

27.927

850

30.000

 0,39

0,39

IHK Koblenz

86.066

3.140

36.000

 0,19

0,13

IHK Pfalz

77.542

2.260

29.000

 0,33

0,3

IHK
Rheinhessen

33.692

2.626

78.000

 0,25

0,05

92

Danach ist die Beklagte die mit zum Teil erheblichem Abstand mitgliederschwächste rheinland-pfälzische Industrie- und Handelskammer. Ihre Mitglieder erzielen einen insgesamt erheblich geringeren Gewerbeertrag als die der anderen Kammern. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, wenn die Beklagte darauf hinweist, dass ein gewisser Aufwand bei jeder Kammer unabhängig von der Zahl ihrer Mitglieder anfällt, und dieser sich bei ihr auf die Beitragsbelastung je Mitglied tendenziell stärker auswirkt als bei den mitgliederstärkeren Kammern.

93

Ein Vergleich der Beitragsbelastung der Mitglieder der verschiedenen Kammern kann auch nicht lediglich anhand der Umlagesätze erfolgen, sondern muss daneben auch den jeweils unterschiedlich hoch festgesetzten Grundbeitrag in den Blick nehmen. So hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und unwidersprochen erläutert, ein Betrieb mit einem jährlichen Gewerbeertrag von 25.000 € müsse im Bezirk Rheinhessen trotz des niedrigeren Umlagesatzes einen deutlich höheren Beitrag zahlen als im Bezirk der Beklagten. Die tatsächliche Beitragsbelastung der Betriebe lässt dich daher nicht allein aus dem konkreten Umlagesatz der Kammer ableiten, der sie angehören.

94

Im Übrigen obliegt es der Beklagten, insbesondere ihrer demokratisch legitimierten Vollversammlung, in Ausübung ihres Selbstverwaltungsrechts den Umfang ihrer Tätigkeiten und der hierfür erforderlichen finanziellen und sächlichen Mittel selbst zu bestimmen, solange sie ihren gesetzlichen Aufgabenbereich und die ihr durch den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit gesteckten Grenzen (vgl. o.) nicht überschreitet. Der allgemeine Gleichbehandlungssatz zwingt sie nicht dazu, ihre Aktivitäten einzuschränken bzw. die nach ihrer Einschätzung hierfür erforderlichen Mittel zu reduzieren, um die Mitgliedsbeiträge ihrer Mitglieder an das niedrigere Niveau anderer Kammern anzugleichen.

XI.

95

Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass die Beklagte in ihrer Wirtschaftssatzung für das Jahr 2009 nicht mit einer Beitragssenkung auf den Erlass des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (vom 14. August 2007, BGBl. I S. 1912) und die Finanzkrise reagiert hat. Sie hat glaubhaft erläutert, sie habe die Auswirkungen dieser Ereignisse auf die Ertragsentwicklung ihrer Mitglieder bislang noch nicht hinreichend zuverlässig abschätzen können, da ihr die hierfür erforderlichen Informationen seitens der Finanzämter erst nach und nach zugingen.

96

Darüber hinaus hat die Beklagte dem Anliegen der Klägerin bereits dadurch Rechnung getragen, dass sie die Vorauszahlung abweichend von § 16 BO 2006/BO 2007 i.V.m. Ziff. 5 WS 2007/WS 2009 unter Zugrundelegung eines unterstellten geringeren Gewerbeertrags erheblich reduziert hat. Auf der Grundlage des von der Klägerin im Jahre 2007 erzielten Gewerbeertrags entspräche die Reduzierung einem Umlagesatz von ca. 0,22 Prozent.

XII.

97

Es besteht keine Veranlassung, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union die im Hilfsantrag der Klägerin aufgeführten Fragen gemäß Art. 267 AEUV (Art. 234 EGV) zur Vorabentscheidung vorzulegen. Eine Vorlagepflicht besteht nach dieser Vorschrift nicht, da das Urteil mit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 133 VwGO) angefochten werden kann und die Vorlagefragen revisibles Recht (§ 137 VwGO) betreffen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. März 1986 - 3 B 3.86 -, Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 59). Zudem sind, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, die maßgeblichen Rechtsfragen des Gemeinschaftsrechts durch den Gerichtshof entweder bereits geklärt, oder es ist offenkundig, wie sie zu beantworten sind (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 -, NJW 2010, 1268).

98

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

99

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

100

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

101

Beschluss

102

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 33.681,90 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG).

Die Handelskammern Bremen und Hamburg sind berechtigt, ihre bisherige Bezeichnung weiterzuführen.

(1) Zur Industrie- und Handelskammer gehören, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, natürliche Personen, Handelsgesellschaften, andere Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, welche im Bezirk der Industrie- und Handelskammer eine Betriebsstätte unterhalten (Kammerzugehörige).

(2) Absatz 1 gilt für natürliche Personen und Gesellschaften, welche ausschließlich einen freien Beruf ausüben oder welche Land- oder Forstwirtschaft oder ein damit verbundenes Nebengewerbe betreiben, nur, soweit sie in das Handelsregister eingetragen sind.

(3) Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke oder der handwerksähnlichen Gewerbe eingetragen sind oder die nach § 90 Abs. 3 der Handwerksordnung zur Handwerkskammer gehören, gehören mit ihrem nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteil der Industrie- und Handelskammer an.

(4) Absatz 1 gilt nicht für landwirtschaftliche Genossenschaften; als solche gelten im Sinne dieser Bestimmung

a)
ländliche Kreditgenossenschaften, deren Mitglieder überwiegend aus Landwirten bestehen;
b)
Genossenschaften, die ganz oder überwiegend der Nutzung landwirtschaftlicher Betriebseinrichtungen oder der Versorgung der Landwirtschaft mit Betriebsmitteln oder dem Absatz oder der Lagerung oder der Bearbeitung oder Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse dienen, sofern sich die Be- oder Verarbeitung nach der Verkehrsauffassung im Bereich der Landwirtschaft hält;
c)
Zusammenschlüsse der unter Buchstabe b genannten Genossenschaften bis zu einer nach der Höhe des Eigenkapitals zu bestimmenden Grenze, die von dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft durch Rechtsverordnung festgelegt wird.

(5) Absatz 1 gilt nicht für Gebietskörperschaften.

(1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts.

(2) Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.

(3) Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen. Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden. Natürliche Personen und Personengesellschaften, die nicht in das Handelsregister eingetragen sind, und eingetragene Vereine, wenn nach Art oder Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, sind vom Beitrag freigestellt, soweit ihr Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder soweit für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, ihr nach dem Einkommensteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb 5 200 Euro nicht übersteigt. Die in Satz 3 genannten natürlichen Personen sind, soweit sie in den letzten fünf Wirtschaftsjahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt haben, noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren, für das Geschäftsjahr einer Industrie- und Handelskammer, in dem die Betriebseröffnung erfolgt, und für das darauf folgende Jahr von der Umlage und vom Grundbeitrag sowie für das dritte und vierte Jahr von der Umlage befreit, wenn ihr Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro nicht übersteigt. Wenn nach dem Stand der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Wirtschaftssatzung vorliegenden Bemessungsgrundlagen zu besorgen ist, dass bei einer Industrie- und Handelskammer die Zahl der Beitragspflichtigen, die einen Beitrag entrichten, durch die in den Sätzen 3 und 4 genannten Freistellungsregelungen auf weniger als 55 vom Hundert aller ihr zugehörigen Gewerbetreibenden sinkt, kann die Vollversammlung für das betreffende Geschäftsjahr eine entsprechende Herabsetzung der dort genannten Grenzen für den Gewerbeertrag oder den Gewinn aus Gewerbebetrieb beschließen. Wird für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag festgesetzt, ist Bemessungsgrundlage für die Umlage der Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, andernfalls der nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb. Bei natürlichen Personen und bei Personengesellschaften ist die Bemessungsgrundlage um einen Freibetrag in Höhe von 15.340 Euro zu kürzen. Die Kammerzugehörigen sind verpflichtet, der Kammer Auskunft über die zur Festsetzung der Beiträge erforderlichen Grundlagen zu geben, soweit diese nicht bereits nach § 9 erhoben worden sind; die Kammer ist berechtigt, die sich hierauf beziehenden Geschäftsunterlagen einzusehen. Kapitalgesellschaften, deren gewerbliche Tätigkeit sich in der Funktion eines persönlich haftenden Gesellschafters in nicht mehr als einer Personenhandelsgesellschaft erschöpft, kann ein ermäßigter Grundbeitrag eingeräumt werden, sofern beide Gesellschaften derselben Kammer zugehören. Gleiches gilt für Gesellschaften mit Sitz im Bezirk einer Kammer, deren sämtliche Anteile von einem im Handelsregister eingetragenen Unternehmen mit Sitz in derselben Kammer gehalten werden.

(4) Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis nach § 19 der Handwerksordnung eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sind beitragspflichtig, wenn der Umsatz des nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteils 130.000 Euro übersteigt. Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, werden mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages oder, falls für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag nicht festgesetzt wird, ihres nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. Satz 2 findet auch Anwendung auf Kammerzugehörige, die oder deren sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausüben oder Land- oder Forstwirtschaft auf einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Grundstück oder als Betrieb der Binnenfischerei Fischfang in einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Gewässer betreiben und Beiträge an eine oder mehrere andere Kammern entrichten, mit der Maßgabe, dass statt eines Viertels ein Zehntel der dort genannten Bemessungsgrundlage bei der Veranlagung zu Grunde gelegt wird.

(5) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Kosten, welche mit der Begründung, Unterhaltung oder Unterstützung von Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) verbunden sind, Sonderbeiträge von den Kammerzugehörigen derjenigen Gewerbezweige erheben, welchen derartige Anlagen und Einrichtungen ausschließlich oder in besonderem Maße zugute kommen. Den Beteiligten ist vor Begründung solcher Anlagen und Einrichtungen Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(6) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Inanspruchnahme besonderer Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) oder Tätigkeiten Gebühren erheben und den Ersatz von Auslagen verlangen.

(7) Sonderbeiträge gemäß Absatz 5 werden nach Maßgabe einer Sonderbeitragsordnung, Gebühren und Auslagen nach Absatz 6 nach Maßgabe einer Gebührenordnung erhoben. In der Beitragsordnung, der Sonderbeitragsordnung sowie in der Gebührenordnung ist Erlaß und Niederschlagung von Beiträgen, Gebühren und Auslagen zu regeln.

(7a) Für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern sind die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.

(8) Hinsichtlich der Beiträge, Sonderbeiträge, Gebühren und Auslagen sind

für die Verjährung
die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verjährung der Steuern vom Einkommen und Vermögen,
für die Einziehung und Beitreibung
die für Gemeindeabgaben geltenden landesrechtlichen Vorschriften
entsprechend anzuwenden. Durch Landesrecht kann Verfahren und Zuständigkeit für Einziehung und Beitreibung abweichend geregelt werden.

(1) Vor der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft besteht die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche nicht.

(2) Ist vor der Eintragung im Namen der Gesellschaft gehandelt worden, so haften die Handelnden persönlich und solidarisch.

(1) Die in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften finden auch auf die Handelsgesellschaften Anwendung.

(2) Die Rechte und Pflichten eines Vereins, dem das Gesetz ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens die Eigenschaft eines Kaufmanns beilegt, bleiben unberührt, auch wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 nicht vorliegen.

(1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden.

(2) Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen.

(3) Die Gesellschaft gilt als Handelsgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuchs.

(1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts.

(2) Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.

(3) Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen. Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden. Natürliche Personen und Personengesellschaften, die nicht in das Handelsregister eingetragen sind, und eingetragene Vereine, wenn nach Art oder Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, sind vom Beitrag freigestellt, soweit ihr Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder soweit für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, ihr nach dem Einkommensteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb 5 200 Euro nicht übersteigt. Die in Satz 3 genannten natürlichen Personen sind, soweit sie in den letzten fünf Wirtschaftsjahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt haben, noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren, für das Geschäftsjahr einer Industrie- und Handelskammer, in dem die Betriebseröffnung erfolgt, und für das darauf folgende Jahr von der Umlage und vom Grundbeitrag sowie für das dritte und vierte Jahr von der Umlage befreit, wenn ihr Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro nicht übersteigt. Wenn nach dem Stand der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Wirtschaftssatzung vorliegenden Bemessungsgrundlagen zu besorgen ist, dass bei einer Industrie- und Handelskammer die Zahl der Beitragspflichtigen, die einen Beitrag entrichten, durch die in den Sätzen 3 und 4 genannten Freistellungsregelungen auf weniger als 55 vom Hundert aller ihr zugehörigen Gewerbetreibenden sinkt, kann die Vollversammlung für das betreffende Geschäftsjahr eine entsprechende Herabsetzung der dort genannten Grenzen für den Gewerbeertrag oder den Gewinn aus Gewerbebetrieb beschließen. Wird für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag festgesetzt, ist Bemessungsgrundlage für die Umlage der Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, andernfalls der nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb. Bei natürlichen Personen und bei Personengesellschaften ist die Bemessungsgrundlage um einen Freibetrag in Höhe von 15.340 Euro zu kürzen. Die Kammerzugehörigen sind verpflichtet, der Kammer Auskunft über die zur Festsetzung der Beiträge erforderlichen Grundlagen zu geben, soweit diese nicht bereits nach § 9 erhoben worden sind; die Kammer ist berechtigt, die sich hierauf beziehenden Geschäftsunterlagen einzusehen. Kapitalgesellschaften, deren gewerbliche Tätigkeit sich in der Funktion eines persönlich haftenden Gesellschafters in nicht mehr als einer Personenhandelsgesellschaft erschöpft, kann ein ermäßigter Grundbeitrag eingeräumt werden, sofern beide Gesellschaften derselben Kammer zugehören. Gleiches gilt für Gesellschaften mit Sitz im Bezirk einer Kammer, deren sämtliche Anteile von einem im Handelsregister eingetragenen Unternehmen mit Sitz in derselben Kammer gehalten werden.

(4) Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis nach § 19 der Handwerksordnung eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sind beitragspflichtig, wenn der Umsatz des nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteils 130.000 Euro übersteigt. Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, werden mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages oder, falls für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag nicht festgesetzt wird, ihres nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. Satz 2 findet auch Anwendung auf Kammerzugehörige, die oder deren sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausüben oder Land- oder Forstwirtschaft auf einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Grundstück oder als Betrieb der Binnenfischerei Fischfang in einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Gewässer betreiben und Beiträge an eine oder mehrere andere Kammern entrichten, mit der Maßgabe, dass statt eines Viertels ein Zehntel der dort genannten Bemessungsgrundlage bei der Veranlagung zu Grunde gelegt wird.

(5) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Kosten, welche mit der Begründung, Unterhaltung oder Unterstützung von Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) verbunden sind, Sonderbeiträge von den Kammerzugehörigen derjenigen Gewerbezweige erheben, welchen derartige Anlagen und Einrichtungen ausschließlich oder in besonderem Maße zugute kommen. Den Beteiligten ist vor Begründung solcher Anlagen und Einrichtungen Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(6) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Inanspruchnahme besonderer Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) oder Tätigkeiten Gebühren erheben und den Ersatz von Auslagen verlangen.

(7) Sonderbeiträge gemäß Absatz 5 werden nach Maßgabe einer Sonderbeitragsordnung, Gebühren und Auslagen nach Absatz 6 nach Maßgabe einer Gebührenordnung erhoben. In der Beitragsordnung, der Sonderbeitragsordnung sowie in der Gebührenordnung ist Erlaß und Niederschlagung von Beiträgen, Gebühren und Auslagen zu regeln.

(7a) Für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern sind die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.

(8) Hinsichtlich der Beiträge, Sonderbeiträge, Gebühren und Auslagen sind

für die Verjährung
die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verjährung der Steuern vom Einkommen und Vermögen,
für die Einziehung und Beitreibung
die für Gemeindeabgaben geltenden landesrechtlichen Vorschriften
entsprechend anzuwenden. Durch Landesrecht kann Verfahren und Zuständigkeit für Einziehung und Beitreibung abweichend geregelt werden.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Industrie- und Handelskammer. Sie wendet sich gegen die Höhe ihrer Beiträge.

2

Zur Begründung ihrer Klage gegen den Beitragsbescheid vom 17. November 2011, mit dem die Beklagte die Beiträge für die Jahre 2005 bis 2008 festsetzte, und den Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2012 hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Beklagte bei der Beitragskalkulation Überschüsse aus den Vorjahren unberücksichtigt gelassen und unangemessen hohe Rücklagen gebildet habe. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe in allen vier Jahren bei der Festlegung der Liquiditäts- und Ausgleichsrücklage von ihrem Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht. Eine Liquiditätsrücklage zur Zwischenfinanzierung verspätet eingehender Beiträge und eine Ausgleichsrücklage zur Abdeckung von Beitragsausfällen in Höhe von jeweils 50 % des Jahresfinanzbedarfs seien unverhältnismäßig hoch. Diese Rücklagen überstiegen das abzudeckende Risiko um ein Vielfaches.

3

Auf die Berufung der beklagten Industrie- und Handelskammer hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil teilweise geändert. Die Beitragserhebung für die Jahre 2007 und 2008 sei zwar rechtswidrig; denn die Beklagte habe Gewinne aus Vorjahren bei der Beitragskalkulation unberücksichtigt gelassen. Hinsichtlich der Beitragsbescheide für die Jahre 2005 und 2006 sei die Klage aber unbegründet. Im Beitragsprozess sei eine gerichtliche Kontrolle der Rücklagenbildung nur insoweit möglich, als erhobene Beiträge kalkulatorisch wenigstens teilweise eine Zuführung zu den Rücklagen bewirkten. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG würden die Beiträge nach Maßgabe des Wirtschaftsplans aufgebracht. In den Jahren 2005 und 2006 sei jedoch keine Zuführung in die Liquiditätsrücklage geplant gewesen, so dass es insoweit an einer Beschwer der Klägerin durch die Beitragserhebung fehle. Eine fehlerhafte Wirtschaftsplanung könne nicht im Beitragsprozess, sondern nur mit einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage in Bezug auf die Haushaltsführung geltend gemacht werden.

4

Mit ihrer vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Aufhebung des Berufungsurteils. Zur Begründung verweist sie auf ihre Nichtzulassungsbeschwerde und auf den Zulassungsbeschluss. Sie beantragt sinngemäß,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. September 2014 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. November 2013 insgesamt zurückzuweisen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Revision zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

6

Sie hält die Revision für unzulässig, da eine ausreichende Revisionsbegründung fehle. Rein vorsorglich verteidigt sie das Berufungsurteil. Sie verweist darauf, dass einer Industrie- und Handelskammer bei der Wirtschaftsplanung ein weiter finanzpolitischer Gestaltungsspielraum zustehe. Die Wirtschaftshoheit gehöre im Sinne der Finanzhoheit zum Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie. Die Industrie- und Handelskammern seien einer internen und externen Rechnungskontrolle unterworfen. Eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle ihrer Haushaltsentscheidungen sei nicht vorgesehen, weswegen auch im Rahmen der Anfechtung eines Beitragsbescheides keine umfassende IHK-Haushaltsprüfung vorzunehmen sei. Eine im Einzelfall fehlerhafte Haushaltsentscheidung führe weder zur Unwirksamkeit des gesamten Haushalts, noch sei sie wegen des Prinzips der Jährlichkeit nach Ablauf des Haushaltsjahres reparabel. Sie wirke sich weder auf die Wirksamkeit des Beitragssystems noch auf die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides aus. Der Beitrag sei als Gegenleistung für die Vorteile anzusehen, die ein Mitglied aus der Kammerzugehörigkeit oder einer besonderen Tätigkeit der Kammern ziehe oder ziehen könne. Daraus folge, dass die Einhaltung der Haushaltsvorschriften nicht inzident bei der Beitragskontrolle zu prüfen sei. Sie könne allenfalls im Rahmen einer isolierten Feststellungs- und Unterlassungsklage geltend gemacht werden.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses bemängelt die Revisionsbegründung, hält die Revision in der Sache jedoch für begründet.

8

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin, über die der Senat nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat Erfolg.

10

1. Sie ist zulässig. Die Revisionsbegründung genügt noch den an sie zu stellenden Anforderungen (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Sie enthält einen bestimmten Antrag und nimmt zur Begründung der Rechtsverletzung auf das Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug. Zu den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung gehört eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und eine damit verbundene sachliche Auseinandersetzung mit den die Entscheidung des Berufungsgerichts tragenden Gründen, aus der hervorgeht, warum der Revisionskläger diese Begründung nicht als zutreffend erachtet (BVerwG, Urteil vom 3. März 1998 - 9 C 20.97 - BVerwGE 106, 202 <203>; Beschluss vom 12. Juni 2006 - 5 C 26.05 - NJW 2006, 3081 Rn. 2). Eine Bezugnahme auf Schriftsätze, die im Verfahren wegen der Nichtzulassung der Revision vorgelegt worden sind, ist als Begründung der zugelassenen Revision ausreichend, wenn die Beschwerdeschrift ausnahmsweise den Anforderungen (auch) an eine Revisionsbegründung genügt (BVerwG, Urteile vom 13. März 2008 - 7 C 44.07 - Buchholz 406.25 § 17 BImSchG Nr. 4 Rn. 12 und vom 16. Juni 2015 - 10 C 14.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:160615U10C14.14.0] - NVwZ 2015, 1610 Rn. 14). Das ist hier der Fall. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde enthält eine kritische Würdigung des Berufungsurteils im Hinblick auf dessen verfahrens- und materiellrechtliche Richtigkeit, auch wenn darin nicht auf alle Aspekte eingegangen wird.

11

2. Die Revision ist auch begründet. Das Berufungsgericht hätte die Berufung der Beklagten auch in Ansehung der Beitragsfestsetzung für 2005 und 2006 zurückweisen müssen; denn auch insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beitragsfestsetzungen stehen auch für diese beiden Jahre mit § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (Industrie- und Handelskammergesetz - IHKG) vom 18. Dezember 1956 (BGBl. I S. 920) in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 5 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2934) und des Art. 4 Nr. 5 des Gesetzes vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931) nicht im Einklang.

12

a) Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG ist der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Mit Blick auf die Beitragserhebung legt das Gesetz damit eine zweistufige Willensbildung der Kammer zugrunde. Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) auf. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) gilt für ein Haushaltsjahr (Wirtschaftsjahr) und ist - als Plan - im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

13

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert damit nicht nur die Feststellung, ob der im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) festgesetzte Mittelbedarf der Kammer - die nicht durch Einnahmen (anderweitig) gedeckten Kosten ihrer Tätigkeit - durch eine Beitragsordnung rechtmäßig auf die Kammerzugehörigen umgelegt und ob die Beitragsordnung auch im Einzelfall fehlerfrei angewendet wurde. Geboten ist vielmehr ebenfalls die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen. Er ist auch der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit nicht entzogen. Beides wäre mit dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, gegen die Beitragserhebung der Industrie- und Handelskammer effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar.

14

Hiergegen kann die Beklagte nicht auf ihre Befugnis zur Selbstverwaltung verweisen. Hinter dieser Argumentation steht ersichtlich die Sorge, die gerichtliche Überprüfung könne eine kraftvolle Betätigung der Selbstverwaltung allzu sehr einengen. Diese Sorge ist unbegründet. Jede Autonomie besteht nur in den ihr vom Gesetz gezogenen Grenzen, und es ist Aufgabe der Gerichte, über die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen zu wachen. Wie weit diese gerichtliche Kontrolle reicht, hängt davon ab, wie eng gezogen die gesetzlichen Grenzen sind. Wie noch (sogleich unten b) zu zeigen sein wird, besitzt die Kammer bei der Aufstellung ihres Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen sehr weiten Gestaltungsspielraum.

15

Das Berufungsgericht hält die gerichtliche Überprüfung der Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) zwar grundsätzlich für möglich, erklärt sie aber im Beitragsprozess für unzulässig und möchte sie einer gesonderten Unterlassungs- oder Feststellungsklage vorbehalten. Hierfür beruft es sich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, derzufolge ein Kammermitglied die Zahlung des Kammerbeitrags nicht mit Einwänden gegen die Beitragsverwendung verweigern darf (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 - 7 C 65.78 - BVerwGE 59, 242 <245 ff.>; OVG Koblenz, Urteil vom 13. April 2011 - 6 A 11076/10 - LKRZ 2011, 238). Dem liegt ein Missverständnis zugrunde. Die zitierte Rechtsprechung betrifft lediglich solche Einwände gegen die Beitragsverwendung, die sich gegen bestimmte Tätigkeiten der Kammer richten. Es trifft zu, dass ein Kammermitglied nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Kammer zwar gerichtlich auf Unterlassung von Tätigkeiten in Anspruch nehmen kann, die außerhalb ihres gesetzlichen Aufgabenkreises liegen (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 - 8 C 20.09 - BVerwGE 137, 171), dass es mit dieser Begründung jedoch nicht die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern kann (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 a.a.O.; stRspr). Dies findet seine Begründung darin, dass der Kammerbeitrag der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit dient und daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer einzelnen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Mit Blick auf die Kammertätigkeit ist der Kammerbeitrag daher verwendungsneutral. Das führt indes nicht dazu, die Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) im Beitragsprozess generell ungeprüft als gegeben hinzunehmen. Gerade die gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung selbst berühren das einzelne Kammermitglied regelmäßig nur über die Beitragspflicht; dann muss es deren Einhaltung gerade im Beitragsprozess zur gerichtlichen Prüfung stellen können.

16

b) Die Kammer besitzt bei der Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht freilich nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. August 2015 - 6 C 10.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:050815U6C10.14.0] - juris Rn. 42 und vom 14. Oktober 2015 - 6 C 17.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:141015U6C17.14.0] - juris Rn. 35). Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gebietet die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Ferner sind - für spätere als die hier strittigen Haushaltsjahre - seit der Einfügung des § 3 Abs. 7a IHKG durch das Gesetz vom 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246) die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung anzuwenden. Unabhängig davon sind ferner die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Juli 2007 - 2 BvF 1/04 [ECLI:DE:BVerfG:2007:fs20070709.2bvf000104] - BVerfGE 119, 96 <129>).

17

Welche rechtlichen Anforderungen an die Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) sich hieraus sowie aus weiteren einschlägigen Vorschriften im Einzelnen ergeben, bedarf keiner Vertiefung. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits genügt es, die rechtlichen Anforderungen zu präzisieren, die mit Blick auf die Rücklagenbildung zu stellen sind. Insofern ist davon auszugehen, dass der Kammer die Bildung von Vermögen verboten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 - 1 C 45.87 - Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 22 S. 12). Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es sich bei den Mitteln für angemessene Rücklagen ebenfalls um Kosten der Industrie- und Handelskammer im Sinne des § 3 Abs. 2 IHKG handelt, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 a.a.O. S. 12 f.). Daran ist auch für die Zukunft festzuhalten, da die Bildung von angemessenen Rücklagen auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlichrechtliche Körperschaften weiterhin notwendig ist und zu einer geordneten Haushaltsführung gehört (vgl. Jahn, GewArch 2013, 49 <53>).

18

Die Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder Einnahmeausfällen stellt einen solchen sachlichen Zweck dar. Allerdings muss auch das Maß der Rücklage noch von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein; eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) - und damit jährlich - erneut treffen. So räumt die Beklagte selbst ein, dass auch in der Entscheidung der IHK-Vollversammlung, eine in der Vergangenheit gebildete Rücklage in einem späteren Haushaltsjahr unverändert zu lassen, eine haushaltsrechtlich relevante Entscheidung zu sehen ist (Revisionserwiderung S. 12). Ein Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält.

19

c) So liegt es hier. Die Beibehaltung jedenfalls der Betriebsmittel- bzw. Liquiditätsrücklage in unverminderter Höhe in den Haushaltsjahren 2005 und 2006 war rechtswidrig, weshalb die festgesetzten Beiträge nicht der Deckung zulässiger Kosten der IHK-Tätigkeit dienten. Ob auch die Ausgleichsrücklage rechtswidrig war, bedarf keiner Entscheidung. Schließlich kann offen bleiben, ob die Rücklagen im Übrigen im Jahr 2005 den damals geltenden Beschränkungen des § 33 der Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO 2005) und im Jahr 2006 den Beschränkungen des § 15 Abs. 3 des Finanzstatuts der Beklagten (FSt 2006) entsprachen. Schließlich kann zugunsten der Beklagten angenommen werden, dass die in diesen Satzungen für die Jahre 2005 und 2006 eröffnete Möglichkeit, zwei unterschiedliche Rücklagen für die eng miteinander verbundenen Risiken des vorübergehenden und des endgültigen Beitragsausfalls zu bilden, von ihrem Satzungsermessen gedeckt war.

20

Die Beklagte hat dadurch den ihr von § 33 HKRO 2005 und § 15 Abs. 3 FSt 2006 eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten, dass sie allein für das Risiko des vorübergehenden Zahlungsausfalls im Jahr 2005 annähernd die höchstmögliche Betriebsmittelrücklage von 50 % der fortdauernden Ausgaben (6,4 Mio. €) und im Jahr 2006 ebenfalls beinahe die maximal zulässige Liquiditätsrücklage von 50 % der Betriebsaufwendungen (7,7 Mio. €) veranschlagt hat. Die Höhe dieser Rücklagen entsprach in beiden Jahren nicht dem Grundsatz der Schätzgenauigkeit. Die Rücklagenhöhe hätte nur mit der Prognose gerechtfertigt werden können, dass es im jeweiligen Haushaltsjahr bei ungünstigem Zahlungseingang zu zeitweisen Liquiditätsengpässen von fast 50 % der laufenden Ausgaben kommen könne. Die Beklagte hat aber im gesamten Prozess keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass ein derart hohes Liquiditätsrisiko in den Jahren 2005 und 2006 gedroht hätte. Auf die Frage des Verwaltungsgerichts wusste sie ein derartiges Risiko auch aus den Erfahrungen der Vergangenheit nicht zu belegen. Im Gegenteil hat sie eingeräumt, im gesamten Zeitraum von 2005 bis 2008 die Liquiditätsrücklage nur für einen Zeitraum von zwei Monaten in Höhe von 1,5 Mio. € benötigt zu haben, und die Liquiditätsrücklage in den Folgejahren aufgelöst. Dies zwingt zu dem Schluss, dass die vorgehaltene Rücklage in den Jahren 2005 und 2006 deutlich überhöht gewesen ist.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts.

(2) Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.

(3) Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen. Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden. Natürliche Personen und Personengesellschaften, die nicht in das Handelsregister eingetragen sind, und eingetragene Vereine, wenn nach Art oder Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, sind vom Beitrag freigestellt, soweit ihr Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder soweit für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, ihr nach dem Einkommensteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb 5 200 Euro nicht übersteigt. Die in Satz 3 genannten natürlichen Personen sind, soweit sie in den letzten fünf Wirtschaftsjahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt haben, noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren, für das Geschäftsjahr einer Industrie- und Handelskammer, in dem die Betriebseröffnung erfolgt, und für das darauf folgende Jahr von der Umlage und vom Grundbeitrag sowie für das dritte und vierte Jahr von der Umlage befreit, wenn ihr Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro nicht übersteigt. Wenn nach dem Stand der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Wirtschaftssatzung vorliegenden Bemessungsgrundlagen zu besorgen ist, dass bei einer Industrie- und Handelskammer die Zahl der Beitragspflichtigen, die einen Beitrag entrichten, durch die in den Sätzen 3 und 4 genannten Freistellungsregelungen auf weniger als 55 vom Hundert aller ihr zugehörigen Gewerbetreibenden sinkt, kann die Vollversammlung für das betreffende Geschäftsjahr eine entsprechende Herabsetzung der dort genannten Grenzen für den Gewerbeertrag oder den Gewinn aus Gewerbebetrieb beschließen. Wird für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag festgesetzt, ist Bemessungsgrundlage für die Umlage der Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, andernfalls der nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb. Bei natürlichen Personen und bei Personengesellschaften ist die Bemessungsgrundlage um einen Freibetrag in Höhe von 15.340 Euro zu kürzen. Die Kammerzugehörigen sind verpflichtet, der Kammer Auskunft über die zur Festsetzung der Beiträge erforderlichen Grundlagen zu geben, soweit diese nicht bereits nach § 9 erhoben worden sind; die Kammer ist berechtigt, die sich hierauf beziehenden Geschäftsunterlagen einzusehen. Kapitalgesellschaften, deren gewerbliche Tätigkeit sich in der Funktion eines persönlich haftenden Gesellschafters in nicht mehr als einer Personenhandelsgesellschaft erschöpft, kann ein ermäßigter Grundbeitrag eingeräumt werden, sofern beide Gesellschaften derselben Kammer zugehören. Gleiches gilt für Gesellschaften mit Sitz im Bezirk einer Kammer, deren sämtliche Anteile von einem im Handelsregister eingetragenen Unternehmen mit Sitz in derselben Kammer gehalten werden.

(4) Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis nach § 19 der Handwerksordnung eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sind beitragspflichtig, wenn der Umsatz des nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteils 130.000 Euro übersteigt. Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, werden mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages oder, falls für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag nicht festgesetzt wird, ihres nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. Satz 2 findet auch Anwendung auf Kammerzugehörige, die oder deren sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausüben oder Land- oder Forstwirtschaft auf einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Grundstück oder als Betrieb der Binnenfischerei Fischfang in einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Gewässer betreiben und Beiträge an eine oder mehrere andere Kammern entrichten, mit der Maßgabe, dass statt eines Viertels ein Zehntel der dort genannten Bemessungsgrundlage bei der Veranlagung zu Grunde gelegt wird.

(5) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Kosten, welche mit der Begründung, Unterhaltung oder Unterstützung von Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) verbunden sind, Sonderbeiträge von den Kammerzugehörigen derjenigen Gewerbezweige erheben, welchen derartige Anlagen und Einrichtungen ausschließlich oder in besonderem Maße zugute kommen. Den Beteiligten ist vor Begründung solcher Anlagen und Einrichtungen Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(6) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Inanspruchnahme besonderer Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) oder Tätigkeiten Gebühren erheben und den Ersatz von Auslagen verlangen.

(7) Sonderbeiträge gemäß Absatz 5 werden nach Maßgabe einer Sonderbeitragsordnung, Gebühren und Auslagen nach Absatz 6 nach Maßgabe einer Gebührenordnung erhoben. In der Beitragsordnung, der Sonderbeitragsordnung sowie in der Gebührenordnung ist Erlaß und Niederschlagung von Beiträgen, Gebühren und Auslagen zu regeln.

(7a) Für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern sind die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.

(8) Hinsichtlich der Beiträge, Sonderbeiträge, Gebühren und Auslagen sind

für die Verjährung
die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verjährung der Steuern vom Einkommen und Vermögen,
für die Einziehung und Beitreibung
die für Gemeindeabgaben geltenden landesrechtlichen Vorschriften
entsprechend anzuwenden. Durch Landesrecht kann Verfahren und Zuständigkeit für Einziehung und Beitreibung abweichend geregelt werden.


Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 17. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012 wird aufgehoben.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in noch festzusetzender Höhe vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu IHK-Beiträgen.

2

Sie betreibt seit dem 11. Juli 2005 das Gewerbe „Logistik und Spedition“. Mit Bescheid vom 17. November 2011 zog die Beklagte die Klägerin zu folgenden Beiträgen heran:

3

- Beitrag 2005, berichtigte Abrechnung 541,91 € (410,-- € Grundbeitrag; 131,91 € Umlage)
- Beitrag 2006, berichtigte Abrechnung 300,65 € (280,-- € Grundbeitrag; 20,65 € Umlage)
- Beitrag 2007, berichtigte Abrechnung 766,91 € (540,-- € Grundbeitrag; 226,91 € Umlage)
- Beitrag 2008, berichtigte Abrechnung 560,41 € (410,-- € Grundbeitrag; 150,41 € Umlage)

4

Dagegen hat die Klägerin am 21. November 2011 Widerspruch eingelegt, der mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2012 zurückgewiesen wurde.

5

Am 7. Februar 2012 hat die Klägerin Klage erhoben.

6

Zu deren Begründung machte sie geltend, die Beitragserhebung sei sowohl dem Grunde wie auch der Höhe nach rechtswidrig. Im Rahmen ihrer schriftsätzlichen Klagebegründung trug die Klägerin zunächst schwerpunktmäßig vor, die Zwangsmitgliedschaft bei der Industrie- und Handelskammer und die daraus resultierende Beitragspflicht seien verfassungswidrig und würden darüber hinaus gegen europarechtliche Bestimmungen verstoßen. Dies wurde im Einzelnen ausführlich dargelegt.

7

Nachdem das erkennende Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 23. Juli 2012 zu erkennen gegeben hatte, dass es die von der Klägerin angemeldeten verfassungs- und europarechtlichen Bedenken nicht teilt, verlagerte die Klägerin den Schwerpunkt ihres Vorbringens nunmehr auf die Frage der Höhe der erhobenen Beiträge. Hierzu trägt sie vor, dass unter anderem die von der Beklagten praktizierte Rücklagenbildung übersetzt sei, was im Ergebnis einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkomme, wodurch die Mitgliedsbeiträge unnötig hochgehalten würden. Schon die der Bildung einer „Liquiditätsrücklage“ und „Ausgleichsrücklage“ zugrunde liegenden Regelungen des § 33 Haushalts-, Kosten-, Rechnungslegungsordnung bzw. § 15 Abs. 3 Finanzstatut seien nicht hinreichend bestimmt genug. Auch sei die Bildung einer Liquiditätsrücklage bereits dem Grunde nach nicht gerechtfertigt. Deshalb werde sie in anderen Bundesländern wie z.B. in Bayern abgeschafft. Hinsichtlich der Ausgleichsrücklage sei der in den einschlägigen Regelungen vorgesehene Korridor in Höhe von 50 % des Betriebsaufkommens gemessen am Bedarf der Beklagten zu hoch angesetzt. Die Ausgleichsrücklage diene dem Zweck, Beitragsschwankungen auszugleichen. Es müsse aber davon ausgegangen werden, dass auch auf Jahre betrachtet die Beitragsschwankungen nicht derart hoch seien, dass damit eine Rücklagenbildung in dieser Höhe gerechtfertigt werden könne. Selbst die allgemeine Wirtschafts- und Finanzkrise rechtfertige nicht die Bildung derart erheblicher Rücklagen wie im Falle der Beklagten.

8

Darüber hinaus hat die Klägerin noch weitere Einwände betreffend die Höhe der Beiträge vorgetragen. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Klägerin sowie auf die Niederschrift über den Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 4. September 2013 verwiesen.

9

Auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2012 erließ das Gericht einen Aufklärungsbeschluss, mit dem der Beklagten u.a. aufgegeben wurde, die konkrete Höhe der Rücklagen in den Haushaltsjahren 2005 bis 2008 darzulegen. Daraufhin machte die Beklagte u.a. folgende Angaben:

10

Jahr 2005:

        

- Summe der fortlaufenden Ausgaben (Plan)

13.038.700,00 €

- Betriebsmittelrücklage

6.430.407,47 €

- Haushaltsausgleichsrücklage

6.494.735,49 €

                 

Jahr 2006:

        

- Betriebsaufwand (Plan)

15.404.700,00 €

- Liquiditätsrücklage

7.669.307,47 €

- Ausgleichsrücklage

7.915.781,93 €

                 

Jahr 2007:

        

- Betriebsaufwand (Plan)

17.987.200,00 €

- Liquiditätsrücklage

8.070.007,47 €

- Ausgleichsrücklage

8.052.281,93 €

                 

Jahr 2008:

        

- Betriebsaufwand (Plan)

16.561.200,00 €

- Liquiditätsrücklage

8.070.007,47 €

- Ausgleichsrücklage

8.052.281,93 €

11

Die Klägerin beantragt,

12

den Bescheid der Beklagten vom 17. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012 aufzuheben.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Sie ist der Klage entgegengetreten und hält die Beitragserhebung sowohl dem Grunde wie auch der Höhe nach für rechtmäßig.

16

Bezüglich der Ausgleichs- und auch der Liquiditätsrücklagen sei zunächst darauf hinzuweisen, dass diese jeweils in der Vergangenheit gebildet worden und dann über längere Zeiträume in der Summe nicht verändert worden seien. Es habe auch in den streitgegenständlichen Beitragsjahren 2005 bis 2008 keine Veranlassung bestanden, aus Sicht der Beklagten hier Veränderungen vorzunehmen, zumal klar gewesen sei, dass im Laufe der Jahre der Prozentsatz in Bezug auf das Betriebsaufkommen sinken würde, während gleichzeitig auch jährliche Beitragssenkungen hätten vorgenommen werden können, ohne die gebildeten Rücklagen abzuschmelzen. Ziel der Rücklagenbildung sei es gewesen, eine geordnete Haushaltsführung zu gewährleisten, ohne die Aufnahme von Krediten, wie dies beispielsweise bei kommunalen Gebietskörperschaften der Fall sei. Insbesondere in den Jahren 2007/2008 sei hinzugekommen, dass eine Wirtschaftskrise bestanden habe und sich von daher bereits bei der Gewerbesteuer erhebliche Rückgänge abgezeichnet hätten mit der Folge, dass entsprechende Beitragsrückgänge auch für die Beklagte zu erwarten gewesen seien. Diese Aspekte seien auch jeweils in der Vollversammlung diskutiert worden.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten (1 Heft) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist begründet.

19

Der Bescheid der Beklagten vom 17. November 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Er unterliegt daher der Aufhebung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –).

20

Dabei bedarf es nicht des Eingehens auf die von der Klägerin zunächst angesprochene Frage der Vereinbarkeit der Pflichtmitgliedschaft mit verfassungs- und/oder europarechtlichen Bestimmungen. Denn die streitgegenständliche Beitragserhebung entspricht bereits nicht den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen und kann von daher keinen Bestand haben.

21

Nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und HandelskammernIHKG – werden die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der IHK, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Diese Voraussetzungen lagen hier in Bezug auf die streitgegenständliche Beitragserhebung nicht vor. Denn aufgrund einer fehlerhaften Rücklagenbildung standen der Beklagten für die Haushaltsjahre 2005 bis 2008 zur Deckung der Kosten ihrer Tätigkeit zusätzliche, rechtlich ungebundene Mittel zur Verfügung, die die Höhe der gegenüber der Klägerin festgesetzten Beiträge bei weitem überschritten haben. Für den Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides bestand daher kein Anlass.

22

Unbestritten ist allerdings, dass nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur, der das erkennende Gericht folgt (vgl. Jahn, zur Entwicklung des Beitragsrechts der Industrie- und Handelskammern – ein Rechtsprechungsreport 2005 bis 2007 –, GewArch 2008, 187 ff.; ders. zur Entwicklung des Beitragsrechts der Industrie- und Handelskammern – ein Rechtsprechungsreport 2008 bis 2011 –, GewArch 2012, 9 ff.; Frentzel/Jäckel/Junge, IHKG, Kommentar, 7. Auflage, § 3 Rdnr. 25; BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 – 1 C 45.87 – juris; VG Magdeburg, Urteil vom 7. Februar 2013 – 3 A 385/11 –, juris), eine IHK zur Bildung von Rücklagen nicht nur berechtigt, sondern im Interesse einer ordnungsgemäßen Haushaltsführung sogar verpflichtet ist. Im Hinblick darauf hat die Beklagte zwar durchaus zu Recht darauf verwiesen, dass es sich bei der Bildung angemessener Rücklagen ebenfalls um Kosten der IHK i.S.d. § 3 Abs. 2 IHKG handelt. Sie dürfen allerdings nicht der Bildung von Vermögen dienen (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 – 1 C 47.87 –, juris). Letzteres ist hier aber in Bezug auf die von der Beklagten in den Beitragsjahren 2005 bis 2008 gebildeten Ausgleichs- und Liquiditätsrücklagen zumindest teilweise der Fall.

23

Die Rücklagenbildung als solche ist im IHKG nicht ausdrücklich geregelt. Der Gesetzgeber hat aber in § 3 Abs. 7a IHKG die Gestaltung des Kammerhaushalts als wesentliche Selbstverwaltungsangelegenheit statuiert. Hiernach ist das Nähere für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplanes und den Jahresabschluss durch Satzung zu regeln. Für deren Erlass ist gemäß § 4 Satz 1 Nr. 8 IHKG allein die Vollversammlung zuständig.

24

Von diesem Gestaltungsrecht hat die Beklagte Gebrauch gemacht durch Erlass der Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung, gültig bis 31. Dezember 2005 – HKRO – und des Finanzstatuts, gültig ab 1. Januar 2006 – FSt –. Bezüglich des wirksamen Zustandekommens dieser Regelungen hat die Klägerin keine gesonderten Einwände vorgebracht, so dass die Kammer von weiteren Ausführungen dazu absieht.

25

Was die Bildung von Rücklagen anbelangt, finden sich dazu Regelungen in § 33 HKRO bzw. § 15 Abs. 3 FSt.

26

Nach § 33 Abs. 1 HKRO ist eine Betriebsmittelrücklage in Höhe von mindestens 30 %, höchstens 50 % der Summe der fortdauernden Ausgaben zu bilden, deren Zweck die Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten ist.

27

Nach § 33 Abs. 2 HKRO kann daneben eine Haushaltsausgleichsrücklage bis zu 50 % der fortdauernden Ausgaben angesammelt werden, um allgemein große Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen.

28

Nach § 33 Abs. 3 HKRO sind weitere zweckgebundene Rücklagen zulässig.

29

Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt ist eine Ausgleichsrücklage anzusammeln, die zwischen 30 v.H. und 50 v.H. der Betriebsaufwendungen beträgt und die dem Zweck dient, Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen.

30

Nach § 15 Abs. 3 Satz 2 FSt kann daneben eine Liquiditätsrücklage in Höhe von höchstens 50 v.H. der Summe der Betriebsaufwendungen gebildet werden, die der Aufrechterhaltung einer ordentlichen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten dient.

31

Nach § 15 Abs. 3 Satz 4 FSt ist die Bildung anderer Rücklagen zulässig.

32

Die in Bezug auf diese Regelungen von der Klägerin vertretene Auffassung, deren Rechtswidrigkeit ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass damit die Möglichkeit eröffnet werde, bei voller Ausschöpfung des für die Ausgleichs- und Liquiditätsrücklagen vorgegebenen „Korridors“ Rücklagen in Höhe von 100 % der jährlich fortdauernden Ausgaben bzw. Betriebsaufwendungen zu bilden, bedarf ebenfalls keiner abschließenden Entscheidung durch das Gericht. Das Gleiche gilt im Ergebnis für die weitere aufgeworfene Frage, ob es überhaupt zulässig ist, eine Liquiditätsrücklage zu bilden. Denn nach Aktenlage und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte jedenfalls das ihr in den genannten Bestimmungen eingeräumte Ermessen zum Teil überschritten und darüber hinaus hiervon in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, vgl. § 114 Satz 1 VwGO.

33

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf ihr Selbstverwaltungsrecht argumentiert, die in Rede stehenden Regelungen der HKRO bzw. des Finanzstatus stellten lediglich den zulässigen Rahmen dar, innerhalb dessen sie sich bewegen müsse, ohne dass der konkrete Umfang der Ausschöpfung dieses Rahmens im Einzelfall bezogen auf die jeweiligen Haushaltsjahre einer rechtlichen Nachprüfung unterliege, kann dem nicht gefolgt werden. Insbesondere lässt sich dies entgegen der Annahme der Beklagten nicht aus den Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 4. September 2012 – 22 ZB 11.1007 –, juris) und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Urteil vom 20. September 2010 – 6 A 10282/10.OVG –, juris) herleiten, da beide Entscheidungen sich mit der vorstehend aufgeworfenen Frage nicht befassen (mussten), sondern sich lediglich allgemein dazu äußern, ob der satzungsmäßig vorgegebene Rahmen schon dem Grunde nach unangemessen sein könnte.

34

Demgegenüber findet die hier vertretene Auffassung eine Stütze in der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 20. September 2012 (1 L 124/11, juris, insbesondere Rdnr. 55). Darin heißt es unter anderem, bei der Beurteilung dessen, was die Kammer im Einzelnen für erforderlich und welche Rücklagen sie in welcher Höhe für angemessen hält, stehe ihr ein weiter Ermessensspielraum zu, der einerseits dadurch begrenzt werde, dass die durch die Rücklage zu finanzierende Maßnahme dem Aufgabenbereich der Kammer unterfallen muss und andererseits die Grenzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung nicht offensichtlich überschritten werden dürfen bzw. ein mit den Grundsätzen eines vernünftigen Wirtschaftens schlechthin unvereinbares Verhalten der Beklagten feststellbar ist. In Bezug auf die Angemessenheit der Rücklagenhöhe sei weiter zu berücksichtigen, dass die Rücklagenbildung aufgrund der mit ihr bezweckten Sicherung eines zukünftigen Finanzbedarfs in der Regel aufgrund einer Prognose und Schätzung künftiger Kosten erfolge und das diesbezüglich der Kammer eingeräumte Ermessen erst dann rechtswidrig ausgeübt werde, wenn die getroffene Entscheidung in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig sei. Diese Ausführungen, denen das erkennende Gericht folgt, verhalten sich erkennbar zu dem bei der Überprüfung der Höhe einer Rücklage im Einzelfall anzuwendenden Prüfungsmaßstab. Im Übrigen wäre es selbst unter Berücksichtigung des der Beklagten zustehenden Selbstverwaltungsrechts mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip und das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG –) bedenklich, das Finanzgebaren der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts in bestimmten Bereichen der gerichtlichen Nachprüfbarkeit völlig zu entziehen.

35

Unterliegt damit auch die Festsetzung der konkreten Höhe der in Rede stehenden Rücklagen durch die Vollversammlung bezogen auf jedes einzelne Haushaltsjahr einer gerichtlichen Nachprüfbarkeit, so ist eine teilweise Ermessensüberschreitung der Beklagten zunächst für das Haushaltsjahr 2006 zu verzeichnen. Zufolge des dazu von ihr vorgelegten Zahlenmaterials hat sie in diesem Jahr mit 7.915.781,93 € eine Ausgleichsrücklage in Höhe von 51,4 % des planmäßigen Betriebsaufwands in Höhe von 15.404.700 € beschlossen. Damit wurde der in § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt vorgegebene maximal zulässige Rahmen von 50 % um 1,4 %, mithin 213.431,93 € überschritten. Mindestens in dieser Höhe lag demnach im Jahr 2006 eine unzulässige Vermögensbildung vor, die zur Deckung der Kosten hätte verwendet werden müssen.

36

Darüber hinaus ist für alle der in Streit stehenden Beitragsjahre ein Ermessensfehlgebrauch der Beklagten festzustellen.

37

Es ist bereits fraglich, ob die für die Beschlussfassung zuständige Vollversammlung bei der Festlegung der beiden in Rede stehenden Rücklagen überhaupt Ermessen ausgeübt hat. Zwar hat die Vollversammlung jeweils über die Festsetzung des Wirtschaftsplans für die einzelnen Kalenderjahre entschieden. Zum Inhalt der Wirtschaftspläne gehört auch die Angabe von Rücklagen, die jeweils in den Wirtschaftsplänen gesondert ausgewiesen sind. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um „absolute“ Zahlen, ohne dass in den Wirtschaftsplänen Angaben dazu gemacht werden, wie hoch der Prozentsatz im Sinne des § 33 HKRO bzw. § 15 Abs. 3 FSt jeweils ist. Auch wenn die Wirtschaftspläne den Mitgliedern der Vollversammlung im Vorfeld der jeweiligen Sitzung erläutert worden sind, so ist damit noch nicht belegt, dass ihnen im Zeitpunkt der Beschlussfassung tatsächlich bewusst war, dass sie insoweit einen Entscheidungsspielraum hatten. Es wurden von der Beklagten auch keine Sitzungsniederschriften vorgelegt, aus denen sich etwa ein Hinweis auf die genannten Satzungsbestimmungen ergibt, geschweige denn, dass die Höhe der zu bildenden Rücklagen im Rahmen der Vollversammlung nochmals im Einzelnen erörtert worden wäre. Diese Annahme wird auch durch die Ausführungen der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Denn vor dem Hintergrund, dass nach Auffassung der Beklagten lediglich der in § 33 HKRO bzw. § 15 Abs. 3 FSt vorgegebene Rahmen einzuhalten war, bestand aus ihrer Sicht – folgerichtig – allenfalls Veranlassung über eine Anpassung der Rücklage „nach oben“ im Falle einer Steigerung des Betriebsaufkommens nachzudenken.

38

Selbst wenn man aber zu Gunsten der Beklagten davon ausgeht, sie habe von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht, so haftet den Beschlussfassungen aus mehreren Gesichtspunkten der Makel einer fehlerhaften Ermessensausübung an.

39

Von wesentlicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die beschlossenen Rücklagen jeweils in ihrer konkreten Höhe zur Erreichung des verfolgten Zwecks erforderlich, angemessen und insgesamt verhältnismäßig sein müssen. Unter Anlegung des oben bereits dargelegten Prüfungsmaßstabes auf die hier in Rede stehenden Ausgleichs- und Liquiditätsrücklagen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit Blick auf deren Höhe offenkundig nicht mehr gewahrt.

40

Sinn und Zweck der Bildung von Ausgleichs- und Liquiditätsrücklagen ist es entsprechend dem Wortlaut der zugrunde liegenden Regelungen, im jeweils laufenden Geschäftsjahr eine ordnungsgemäße Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten zu gewährleisten und Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen. Weiter ist insoweit in den Blick zu nehmen, dass die Beklagte sich mit den Regelungen in § 33 HKRO bzw. § 15 Abs. 3 FSt selbst einen Rahmen gesetzt hat, den sie bezogen auf das jeweilige Haushaltsjahr mit nachvollziehbaren Erwägungen ausfüllen und an dem sie ihre Entscheidungen messen lassen muss. Gerade die differenzierte Ausgestaltung des § 33 Abs. 1 HKRO bzw. § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt als kombinierte Festlegung einer 30 % des Betriebsaufwandes umfassenden zwingenden Rücklage, die im Ermessenswege um weitere 20 % aufgestockt werden kann und die Ausgestaltung des § 33 Abs. 2 HKRO bzw. § 15 Abs. 3 Satz 2 FSt als reine Ermessensvorschrift betreffend das „ob“ und die Höhe der Rücklage zeigen, dass selbst die Beklagte es nicht für grundsätzlich zwingend erforderlich hält, dauerhaft Rücklagen zum Ausgleich von Schwankungen im Beitragsaufkommen und/oder zur Vermeidung von Kassenkrediten in Höhe von annähernd 100 % des jährlichen Betriebsaufkommens vorzuhalten. Die Richtigkeit dieser Grundannahme wird auch objektiv dadurch bestätigt, dass nach den Angaben der Vertreter der Beklagten im Erörterungstermin während der hier streitigen Beitragsjahre lediglich die Liquiditätsrücklage in Höhe von 1,5 Millionen Euro für einen Zeitraum von ca. 2 Monaten in Anspruch genommen werden musste. Bei dieser Ausgangslage ist zu fordern, dass es immer dann, wenn die Beklagte Rücklagen zu den in Rede stehenden Zwecken bilden möchte, die über die zwingend vorgegebenen 30 % des Betriebsaufkommens hinausgehen, einer besonderen Begründung im Einzelfall bedarf. Denn bei einem durchschnittlichen Betriebsaufwand von ca. 15 Millionen Euro im Jahr entsprechen die 30 % Liquiditätsrücklage einem Betrag von ca. 4,5 Millionen Euro, was gemessen an dem bisher festgestellten tatsächlichen Bedarf von 1,5 Millionen Euro für einen Zeitraum von zwei Monaten als immer noch sehr komfortabel zu bezeichnen ist. Demgegenüber ist die Vorhaltung einer Summe, die durchschnittlich den festgestellten Bedarf um ca. das Zehnfache übersteigt selbst mit einer auf maximale Sicherheit ausgerichteten Finanzpolitik nicht mehr zu rechtfertigen. Dabei ist nochmals die Zweckgebundenheit der in Rede stehenden Rücklagen zu unterstreichen. Für sonstige Zwecke können und dürfen sie zulässigerweise nicht eingesetzt bzw. vorgehalten werden. Dessen bedarf es auch nicht, da nach § 33 Abs. 3 HKRO bzw. § 15 Abs. 3 Satz 4 FSt zusätzlich die Möglichkeit der Bildung sonstiger (maßnahmebezogener) Rück-lagen besteht.

41

Besondere tragfähige Gründe, über die vorgegebenen 30 % hinauszugehen, hat die Beklagte für die Jahre 2005 bis 2008 nicht aufzuzeigen vermocht. So ist der Hinweis darauf, dass die Rücklagen in dieser Höhe bereits in den Jahren zuvor gebildet und sodann über einen längeren Zeitraum nicht verändert worden seien, kein sachlicher Grund dafür, die Rücklagen weiter hochzuhalten, da es ja gerade darum geht, über diese Frage jährlich eine neue bedarfsorientierte Entscheidung zu treffen. Ebenso wenig tragfähig ist das Argument, es habe im fraglichen Zeitraum keine Veranlassung bestanden, hier Veränderungen vorzunehmen, weil wegen zukünftig zu erwartender Steigerungen im Betriebsaufkommen ohnehin ein Absinken des Prozentsatzes zu erwarten gewesen sei. Dies ist eine sachfremde Erwägung, da die Rücklage allein nach der Zweckbestimmung in der zugrunde liegenden Regelung zu bemessen ist. Ein zukünftiger möglicher Anstieg der Betriebsausgaben ist – sofern er sich nicht auf das laufende Geschäftsjahr bezieht – irrelevant. Erst recht kommt es nicht darauf an, ob im jeweiligen Jahr Beitragssenkungen möglich waren, ohne die entsprechenden Rücklagen abzuschmelzen. Schließlich ist auch der pauschale Hinweis auf eine sich abzeichnende Wirtschaftskrise in den Jahren 2007/2008 in dieser allgemeinen Form nicht ausreichend. Auch insoweit hätte es zumindest einer in groben Zügen nachvollziehbaren Darlegung bedurft, in welchem Umfang sich dies auf die Liquidität der Beklagten möglicherweise hätte auswirken können.

42

Erweist sich die Rücklagenbildung in den Jahren 2005 bis 2008 demnach zumindest insoweit als rechtswidrig, als sie die 30 % zwingend festgelegte Rücklagenbildung übersteigt, handelt es sich dabei um eine unzulässige Vermögensbildung seitens der Beklagten. Damit standen ihr im genannten Zeitraum rechtlich nicht gebundene Mittel in Höhe mehrerer Millionen Euro zur Verfügung, die den gegenüber der Klägerin geltend gemachten Beitragsanspruch ersichtlich deutlich übersteigen. Für die Beitragserhebung gegenüber der Klägerin bestand demnach kein Grund. Dabei ist nach Auffassung der Kammer auch für eine teilweise Heranziehung der Klägerin zu Beiträgen für die Jahre 2005 bis 2008 keine Veranlassung (mehr) gegeben. Zwar hätten bei richtiger Sachbehandlung die unzulässig gebildeten Rücklagen zur Deckung der Kosten eingesetzt werden müssen, was in diesem Fall allen Kammermitgliedern zugutegekommen wäre. Dies ist aber tatsächlich nicht geschehen mit der Folge, dass die übrigen Kammermitglieder zu Beiträgen für diese Jahre mit inzwischen bestandskräftigen Bescheiden herangezogen wurden, mithin die Beiträge im Wesentlichen auch in der im Wirtschaftsplan vorgesehenen Höhe tatsächlich vereinnahmt wurden. Das unzulässig gebildete Vermögen in Gestalt der Rücklagen wurde indessen in das jeweilige Folgejahr übertragen und war auch insoweit wiederum als unzulässig gebildetes Vermögen zu qualifizieren und rechtlich zu behandeln. Ob die zur Kostendeckung in den jeweiligen Haushaltsjahren verausgabten Mittel von der Beklagten im Verhältnis zu anderen Kammermitgliedern in vollem Umfang rechtmäßig eingenommen wurden, spielt im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter indes keine Rolle.

43

Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, dass die Vollversammlung bei Kenntnis der unzulässigen Vermögensbildung möglicherweise entschieden hätte, das Geld ganz oder zum Teil für andere Projekte einzusetzen. Diese Argumentation ist rein hypothetisch und eine nachträgliche Beschlussfassung über derartige Projekte für die Jahre 2005 bis 2008 ist nicht mehr zulässig. Es sind daher die tatsächlichen Gegebenheiten zugrunde zu legen.

44

Ebenso wenig kann die Beklagte sich darauf berufen, die unzulässige Vermögensbildung habe auf die konkrete Beitragserhebung keinen Einfluss, weil die Vollversammlung unabhängig von der Rücklagenbildung jeweils die entsprechenden Beitragssätze wirksam beschlossen habe. Dem ist entgegen zu halten, dass die Beitragserhebung wegen der unzulässigen Vermögensbildung gegen das Äquivalenzprinzip verstößt (vgl. § 3 Abs. 2 IHKG) und die damit einhergehende fehlerhafte Bildung der Beitragssätze ebenfalls auf die Rechtmäßigkeit der Beschlussfassung durchschlägt.

45

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

46

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

47

Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

48

Beschluss

49

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.169,88 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

50

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden.

(1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts.

(2) Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.

(3) Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen. Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden. Natürliche Personen und Personengesellschaften, die nicht in das Handelsregister eingetragen sind, und eingetragene Vereine, wenn nach Art oder Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, sind vom Beitrag freigestellt, soweit ihr Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder soweit für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, ihr nach dem Einkommensteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb 5 200 Euro nicht übersteigt. Die in Satz 3 genannten natürlichen Personen sind, soweit sie in den letzten fünf Wirtschaftsjahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt haben, noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren, für das Geschäftsjahr einer Industrie- und Handelskammer, in dem die Betriebseröffnung erfolgt, und für das darauf folgende Jahr von der Umlage und vom Grundbeitrag sowie für das dritte und vierte Jahr von der Umlage befreit, wenn ihr Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro nicht übersteigt. Wenn nach dem Stand der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Wirtschaftssatzung vorliegenden Bemessungsgrundlagen zu besorgen ist, dass bei einer Industrie- und Handelskammer die Zahl der Beitragspflichtigen, die einen Beitrag entrichten, durch die in den Sätzen 3 und 4 genannten Freistellungsregelungen auf weniger als 55 vom Hundert aller ihr zugehörigen Gewerbetreibenden sinkt, kann die Vollversammlung für das betreffende Geschäftsjahr eine entsprechende Herabsetzung der dort genannten Grenzen für den Gewerbeertrag oder den Gewinn aus Gewerbebetrieb beschließen. Wird für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag festgesetzt, ist Bemessungsgrundlage für die Umlage der Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, andernfalls der nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb. Bei natürlichen Personen und bei Personengesellschaften ist die Bemessungsgrundlage um einen Freibetrag in Höhe von 15.340 Euro zu kürzen. Die Kammerzugehörigen sind verpflichtet, der Kammer Auskunft über die zur Festsetzung der Beiträge erforderlichen Grundlagen zu geben, soweit diese nicht bereits nach § 9 erhoben worden sind; die Kammer ist berechtigt, die sich hierauf beziehenden Geschäftsunterlagen einzusehen. Kapitalgesellschaften, deren gewerbliche Tätigkeit sich in der Funktion eines persönlich haftenden Gesellschafters in nicht mehr als einer Personenhandelsgesellschaft erschöpft, kann ein ermäßigter Grundbeitrag eingeräumt werden, sofern beide Gesellschaften derselben Kammer zugehören. Gleiches gilt für Gesellschaften mit Sitz im Bezirk einer Kammer, deren sämtliche Anteile von einem im Handelsregister eingetragenen Unternehmen mit Sitz in derselben Kammer gehalten werden.

(4) Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis nach § 19 der Handwerksordnung eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sind beitragspflichtig, wenn der Umsatz des nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteils 130.000 Euro übersteigt. Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, werden mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages oder, falls für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag nicht festgesetzt wird, ihres nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. Satz 2 findet auch Anwendung auf Kammerzugehörige, die oder deren sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausüben oder Land- oder Forstwirtschaft auf einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Grundstück oder als Betrieb der Binnenfischerei Fischfang in einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Gewässer betreiben und Beiträge an eine oder mehrere andere Kammern entrichten, mit der Maßgabe, dass statt eines Viertels ein Zehntel der dort genannten Bemessungsgrundlage bei der Veranlagung zu Grunde gelegt wird.

(5) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Kosten, welche mit der Begründung, Unterhaltung oder Unterstützung von Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) verbunden sind, Sonderbeiträge von den Kammerzugehörigen derjenigen Gewerbezweige erheben, welchen derartige Anlagen und Einrichtungen ausschließlich oder in besonderem Maße zugute kommen. Den Beteiligten ist vor Begründung solcher Anlagen und Einrichtungen Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(6) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Inanspruchnahme besonderer Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) oder Tätigkeiten Gebühren erheben und den Ersatz von Auslagen verlangen.

(7) Sonderbeiträge gemäß Absatz 5 werden nach Maßgabe einer Sonderbeitragsordnung, Gebühren und Auslagen nach Absatz 6 nach Maßgabe einer Gebührenordnung erhoben. In der Beitragsordnung, der Sonderbeitragsordnung sowie in der Gebührenordnung ist Erlaß und Niederschlagung von Beiträgen, Gebühren und Auslagen zu regeln.

(7a) Für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern sind die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.

(8) Hinsichtlich der Beiträge, Sonderbeiträge, Gebühren und Auslagen sind

für die Verjährung
die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verjährung der Steuern vom Einkommen und Vermögen,
für die Einziehung und Beitreibung
die für Gemeindeabgaben geltenden landesrechtlichen Vorschriften
entsprechend anzuwenden. Durch Landesrecht kann Verfahren und Zuständigkeit für Einziehung und Beitreibung abweichend geregelt werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts.

(2) Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.

(3) Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen. Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden. Natürliche Personen und Personengesellschaften, die nicht in das Handelsregister eingetragen sind, und eingetragene Vereine, wenn nach Art oder Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, sind vom Beitrag freigestellt, soweit ihr Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder soweit für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, ihr nach dem Einkommensteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb 5 200 Euro nicht übersteigt. Die in Satz 3 genannten natürlichen Personen sind, soweit sie in den letzten fünf Wirtschaftsjahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt haben, noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren, für das Geschäftsjahr einer Industrie- und Handelskammer, in dem die Betriebseröffnung erfolgt, und für das darauf folgende Jahr von der Umlage und vom Grundbeitrag sowie für das dritte und vierte Jahr von der Umlage befreit, wenn ihr Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro nicht übersteigt. Wenn nach dem Stand der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Wirtschaftssatzung vorliegenden Bemessungsgrundlagen zu besorgen ist, dass bei einer Industrie- und Handelskammer die Zahl der Beitragspflichtigen, die einen Beitrag entrichten, durch die in den Sätzen 3 und 4 genannten Freistellungsregelungen auf weniger als 55 vom Hundert aller ihr zugehörigen Gewerbetreibenden sinkt, kann die Vollversammlung für das betreffende Geschäftsjahr eine entsprechende Herabsetzung der dort genannten Grenzen für den Gewerbeertrag oder den Gewinn aus Gewerbebetrieb beschließen. Wird für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag festgesetzt, ist Bemessungsgrundlage für die Umlage der Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, andernfalls der nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb. Bei natürlichen Personen und bei Personengesellschaften ist die Bemessungsgrundlage um einen Freibetrag in Höhe von 15.340 Euro zu kürzen. Die Kammerzugehörigen sind verpflichtet, der Kammer Auskunft über die zur Festsetzung der Beiträge erforderlichen Grundlagen zu geben, soweit diese nicht bereits nach § 9 erhoben worden sind; die Kammer ist berechtigt, die sich hierauf beziehenden Geschäftsunterlagen einzusehen. Kapitalgesellschaften, deren gewerbliche Tätigkeit sich in der Funktion eines persönlich haftenden Gesellschafters in nicht mehr als einer Personenhandelsgesellschaft erschöpft, kann ein ermäßigter Grundbeitrag eingeräumt werden, sofern beide Gesellschaften derselben Kammer zugehören. Gleiches gilt für Gesellschaften mit Sitz im Bezirk einer Kammer, deren sämtliche Anteile von einem im Handelsregister eingetragenen Unternehmen mit Sitz in derselben Kammer gehalten werden.

(4) Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis nach § 19 der Handwerksordnung eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sind beitragspflichtig, wenn der Umsatz des nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteils 130.000 Euro übersteigt. Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, werden mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages oder, falls für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag nicht festgesetzt wird, ihres nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. Satz 2 findet auch Anwendung auf Kammerzugehörige, die oder deren sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausüben oder Land- oder Forstwirtschaft auf einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Grundstück oder als Betrieb der Binnenfischerei Fischfang in einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Gewässer betreiben und Beiträge an eine oder mehrere andere Kammern entrichten, mit der Maßgabe, dass statt eines Viertels ein Zehntel der dort genannten Bemessungsgrundlage bei der Veranlagung zu Grunde gelegt wird.

(5) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Kosten, welche mit der Begründung, Unterhaltung oder Unterstützung von Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) verbunden sind, Sonderbeiträge von den Kammerzugehörigen derjenigen Gewerbezweige erheben, welchen derartige Anlagen und Einrichtungen ausschließlich oder in besonderem Maße zugute kommen. Den Beteiligten ist vor Begründung solcher Anlagen und Einrichtungen Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(6) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Inanspruchnahme besonderer Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) oder Tätigkeiten Gebühren erheben und den Ersatz von Auslagen verlangen.

(7) Sonderbeiträge gemäß Absatz 5 werden nach Maßgabe einer Sonderbeitragsordnung, Gebühren und Auslagen nach Absatz 6 nach Maßgabe einer Gebührenordnung erhoben. In der Beitragsordnung, der Sonderbeitragsordnung sowie in der Gebührenordnung ist Erlaß und Niederschlagung von Beiträgen, Gebühren und Auslagen zu regeln.

(7a) Für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern sind die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.

(8) Hinsichtlich der Beiträge, Sonderbeiträge, Gebühren und Auslagen sind

für die Verjährung
die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verjährung der Steuern vom Einkommen und Vermögen,
für die Einziehung und Beitreibung
die für Gemeindeabgaben geltenden landesrechtlichen Vorschriften
entsprechend anzuwenden. Durch Landesrecht kann Verfahren und Zuständigkeit für Einziehung und Beitreibung abweichend geregelt werden.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Industrie- und Handelskammer. Sie wendet sich gegen die Höhe ihrer Beiträge.

2

Zur Begründung ihrer Klage gegen den Beitragsbescheid vom 17. November 2011, mit dem die Beklagte die Beiträge für die Jahre 2005 bis 2008 festsetzte, und den Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2012 hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Beklagte bei der Beitragskalkulation Überschüsse aus den Vorjahren unberücksichtigt gelassen und unangemessen hohe Rücklagen gebildet habe. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe in allen vier Jahren bei der Festlegung der Liquiditäts- und Ausgleichsrücklage von ihrem Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht. Eine Liquiditätsrücklage zur Zwischenfinanzierung verspätet eingehender Beiträge und eine Ausgleichsrücklage zur Abdeckung von Beitragsausfällen in Höhe von jeweils 50 % des Jahresfinanzbedarfs seien unverhältnismäßig hoch. Diese Rücklagen überstiegen das abzudeckende Risiko um ein Vielfaches.

3

Auf die Berufung der beklagten Industrie- und Handelskammer hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil teilweise geändert. Die Beitragserhebung für die Jahre 2007 und 2008 sei zwar rechtswidrig; denn die Beklagte habe Gewinne aus Vorjahren bei der Beitragskalkulation unberücksichtigt gelassen. Hinsichtlich der Beitragsbescheide für die Jahre 2005 und 2006 sei die Klage aber unbegründet. Im Beitragsprozess sei eine gerichtliche Kontrolle der Rücklagenbildung nur insoweit möglich, als erhobene Beiträge kalkulatorisch wenigstens teilweise eine Zuführung zu den Rücklagen bewirkten. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG würden die Beiträge nach Maßgabe des Wirtschaftsplans aufgebracht. In den Jahren 2005 und 2006 sei jedoch keine Zuführung in die Liquiditätsrücklage geplant gewesen, so dass es insoweit an einer Beschwer der Klägerin durch die Beitragserhebung fehle. Eine fehlerhafte Wirtschaftsplanung könne nicht im Beitragsprozess, sondern nur mit einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage in Bezug auf die Haushaltsführung geltend gemacht werden.

4

Mit ihrer vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Aufhebung des Berufungsurteils. Zur Begründung verweist sie auf ihre Nichtzulassungsbeschwerde und auf den Zulassungsbeschluss. Sie beantragt sinngemäß,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. September 2014 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. November 2013 insgesamt zurückzuweisen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Revision zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

6

Sie hält die Revision für unzulässig, da eine ausreichende Revisionsbegründung fehle. Rein vorsorglich verteidigt sie das Berufungsurteil. Sie verweist darauf, dass einer Industrie- und Handelskammer bei der Wirtschaftsplanung ein weiter finanzpolitischer Gestaltungsspielraum zustehe. Die Wirtschaftshoheit gehöre im Sinne der Finanzhoheit zum Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie. Die Industrie- und Handelskammern seien einer internen und externen Rechnungskontrolle unterworfen. Eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle ihrer Haushaltsentscheidungen sei nicht vorgesehen, weswegen auch im Rahmen der Anfechtung eines Beitragsbescheides keine umfassende IHK-Haushaltsprüfung vorzunehmen sei. Eine im Einzelfall fehlerhafte Haushaltsentscheidung führe weder zur Unwirksamkeit des gesamten Haushalts, noch sei sie wegen des Prinzips der Jährlichkeit nach Ablauf des Haushaltsjahres reparabel. Sie wirke sich weder auf die Wirksamkeit des Beitragssystems noch auf die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides aus. Der Beitrag sei als Gegenleistung für die Vorteile anzusehen, die ein Mitglied aus der Kammerzugehörigkeit oder einer besonderen Tätigkeit der Kammern ziehe oder ziehen könne. Daraus folge, dass die Einhaltung der Haushaltsvorschriften nicht inzident bei der Beitragskontrolle zu prüfen sei. Sie könne allenfalls im Rahmen einer isolierten Feststellungs- und Unterlassungsklage geltend gemacht werden.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses bemängelt die Revisionsbegründung, hält die Revision in der Sache jedoch für begründet.

8

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin, über die der Senat nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat Erfolg.

10

1. Sie ist zulässig. Die Revisionsbegründung genügt noch den an sie zu stellenden Anforderungen (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Sie enthält einen bestimmten Antrag und nimmt zur Begründung der Rechtsverletzung auf das Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug. Zu den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung gehört eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und eine damit verbundene sachliche Auseinandersetzung mit den die Entscheidung des Berufungsgerichts tragenden Gründen, aus der hervorgeht, warum der Revisionskläger diese Begründung nicht als zutreffend erachtet (BVerwG, Urteil vom 3. März 1998 - 9 C 20.97 - BVerwGE 106, 202 <203>; Beschluss vom 12. Juni 2006 - 5 C 26.05 - NJW 2006, 3081 Rn. 2). Eine Bezugnahme auf Schriftsätze, die im Verfahren wegen der Nichtzulassung der Revision vorgelegt worden sind, ist als Begründung der zugelassenen Revision ausreichend, wenn die Beschwerdeschrift ausnahmsweise den Anforderungen (auch) an eine Revisionsbegründung genügt (BVerwG, Urteile vom 13. März 2008 - 7 C 44.07 - Buchholz 406.25 § 17 BImSchG Nr. 4 Rn. 12 und vom 16. Juni 2015 - 10 C 14.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:160615U10C14.14.0] - NVwZ 2015, 1610 Rn. 14). Das ist hier der Fall. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde enthält eine kritische Würdigung des Berufungsurteils im Hinblick auf dessen verfahrens- und materiellrechtliche Richtigkeit, auch wenn darin nicht auf alle Aspekte eingegangen wird.

11

2. Die Revision ist auch begründet. Das Berufungsgericht hätte die Berufung der Beklagten auch in Ansehung der Beitragsfestsetzung für 2005 und 2006 zurückweisen müssen; denn auch insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beitragsfestsetzungen stehen auch für diese beiden Jahre mit § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (Industrie- und Handelskammergesetz - IHKG) vom 18. Dezember 1956 (BGBl. I S. 920) in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 5 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2934) und des Art. 4 Nr. 5 des Gesetzes vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931) nicht im Einklang.

12

a) Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG ist der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Mit Blick auf die Beitragserhebung legt das Gesetz damit eine zweistufige Willensbildung der Kammer zugrunde. Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) auf. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) gilt für ein Haushaltsjahr (Wirtschaftsjahr) und ist - als Plan - im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

13

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert damit nicht nur die Feststellung, ob der im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) festgesetzte Mittelbedarf der Kammer - die nicht durch Einnahmen (anderweitig) gedeckten Kosten ihrer Tätigkeit - durch eine Beitragsordnung rechtmäßig auf die Kammerzugehörigen umgelegt und ob die Beitragsordnung auch im Einzelfall fehlerfrei angewendet wurde. Geboten ist vielmehr ebenfalls die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen. Er ist auch der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit nicht entzogen. Beides wäre mit dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, gegen die Beitragserhebung der Industrie- und Handelskammer effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar.

14

Hiergegen kann die Beklagte nicht auf ihre Befugnis zur Selbstverwaltung verweisen. Hinter dieser Argumentation steht ersichtlich die Sorge, die gerichtliche Überprüfung könne eine kraftvolle Betätigung der Selbstverwaltung allzu sehr einengen. Diese Sorge ist unbegründet. Jede Autonomie besteht nur in den ihr vom Gesetz gezogenen Grenzen, und es ist Aufgabe der Gerichte, über die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen zu wachen. Wie weit diese gerichtliche Kontrolle reicht, hängt davon ab, wie eng gezogen die gesetzlichen Grenzen sind. Wie noch (sogleich unten b) zu zeigen sein wird, besitzt die Kammer bei der Aufstellung ihres Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen sehr weiten Gestaltungsspielraum.

15

Das Berufungsgericht hält die gerichtliche Überprüfung der Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) zwar grundsätzlich für möglich, erklärt sie aber im Beitragsprozess für unzulässig und möchte sie einer gesonderten Unterlassungs- oder Feststellungsklage vorbehalten. Hierfür beruft es sich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, derzufolge ein Kammermitglied die Zahlung des Kammerbeitrags nicht mit Einwänden gegen die Beitragsverwendung verweigern darf (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 - 7 C 65.78 - BVerwGE 59, 242 <245 ff.>; OVG Koblenz, Urteil vom 13. April 2011 - 6 A 11076/10 - LKRZ 2011, 238). Dem liegt ein Missverständnis zugrunde. Die zitierte Rechtsprechung betrifft lediglich solche Einwände gegen die Beitragsverwendung, die sich gegen bestimmte Tätigkeiten der Kammer richten. Es trifft zu, dass ein Kammermitglied nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Kammer zwar gerichtlich auf Unterlassung von Tätigkeiten in Anspruch nehmen kann, die außerhalb ihres gesetzlichen Aufgabenkreises liegen (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 - 8 C 20.09 - BVerwGE 137, 171), dass es mit dieser Begründung jedoch nicht die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern kann (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 a.a.O.; stRspr). Dies findet seine Begründung darin, dass der Kammerbeitrag der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit dient und daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer einzelnen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Mit Blick auf die Kammertätigkeit ist der Kammerbeitrag daher verwendungsneutral. Das führt indes nicht dazu, die Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) im Beitragsprozess generell ungeprüft als gegeben hinzunehmen. Gerade die gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung selbst berühren das einzelne Kammermitglied regelmäßig nur über die Beitragspflicht; dann muss es deren Einhaltung gerade im Beitragsprozess zur gerichtlichen Prüfung stellen können.

16

b) Die Kammer besitzt bei der Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht freilich nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. August 2015 - 6 C 10.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:050815U6C10.14.0] - juris Rn. 42 und vom 14. Oktober 2015 - 6 C 17.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:141015U6C17.14.0] - juris Rn. 35). Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gebietet die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Ferner sind - für spätere als die hier strittigen Haushaltsjahre - seit der Einfügung des § 3 Abs. 7a IHKG durch das Gesetz vom 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246) die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung anzuwenden. Unabhängig davon sind ferner die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Juli 2007 - 2 BvF 1/04 [ECLI:DE:BVerfG:2007:fs20070709.2bvf000104] - BVerfGE 119, 96 <129>).

17

Welche rechtlichen Anforderungen an die Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) sich hieraus sowie aus weiteren einschlägigen Vorschriften im Einzelnen ergeben, bedarf keiner Vertiefung. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits genügt es, die rechtlichen Anforderungen zu präzisieren, die mit Blick auf die Rücklagenbildung zu stellen sind. Insofern ist davon auszugehen, dass der Kammer die Bildung von Vermögen verboten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 - 1 C 45.87 - Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 22 S. 12). Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es sich bei den Mitteln für angemessene Rücklagen ebenfalls um Kosten der Industrie- und Handelskammer im Sinne des § 3 Abs. 2 IHKG handelt, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 a.a.O. S. 12 f.). Daran ist auch für die Zukunft festzuhalten, da die Bildung von angemessenen Rücklagen auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlichrechtliche Körperschaften weiterhin notwendig ist und zu einer geordneten Haushaltsführung gehört (vgl. Jahn, GewArch 2013, 49 <53>).

18

Die Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder Einnahmeausfällen stellt einen solchen sachlichen Zweck dar. Allerdings muss auch das Maß der Rücklage noch von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein; eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) - und damit jährlich - erneut treffen. So räumt die Beklagte selbst ein, dass auch in der Entscheidung der IHK-Vollversammlung, eine in der Vergangenheit gebildete Rücklage in einem späteren Haushaltsjahr unverändert zu lassen, eine haushaltsrechtlich relevante Entscheidung zu sehen ist (Revisionserwiderung S. 12). Ein Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält.

19

c) So liegt es hier. Die Beibehaltung jedenfalls der Betriebsmittel- bzw. Liquiditätsrücklage in unverminderter Höhe in den Haushaltsjahren 2005 und 2006 war rechtswidrig, weshalb die festgesetzten Beiträge nicht der Deckung zulässiger Kosten der IHK-Tätigkeit dienten. Ob auch die Ausgleichsrücklage rechtswidrig war, bedarf keiner Entscheidung. Schließlich kann offen bleiben, ob die Rücklagen im Übrigen im Jahr 2005 den damals geltenden Beschränkungen des § 33 der Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO 2005) und im Jahr 2006 den Beschränkungen des § 15 Abs. 3 des Finanzstatuts der Beklagten (FSt 2006) entsprachen. Schließlich kann zugunsten der Beklagten angenommen werden, dass die in diesen Satzungen für die Jahre 2005 und 2006 eröffnete Möglichkeit, zwei unterschiedliche Rücklagen für die eng miteinander verbundenen Risiken des vorübergehenden und des endgültigen Beitragsausfalls zu bilden, von ihrem Satzungsermessen gedeckt war.

20

Die Beklagte hat dadurch den ihr von § 33 HKRO 2005 und § 15 Abs. 3 FSt 2006 eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten, dass sie allein für das Risiko des vorübergehenden Zahlungsausfalls im Jahr 2005 annähernd die höchstmögliche Betriebsmittelrücklage von 50 % der fortdauernden Ausgaben (6,4 Mio. €) und im Jahr 2006 ebenfalls beinahe die maximal zulässige Liquiditätsrücklage von 50 % der Betriebsaufwendungen (7,7 Mio. €) veranschlagt hat. Die Höhe dieser Rücklagen entsprach in beiden Jahren nicht dem Grundsatz der Schätzgenauigkeit. Die Rücklagenhöhe hätte nur mit der Prognose gerechtfertigt werden können, dass es im jeweiligen Haushaltsjahr bei ungünstigem Zahlungseingang zu zeitweisen Liquiditätsengpässen von fast 50 % der laufenden Ausgaben kommen könne. Die Beklagte hat aber im gesamten Prozess keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass ein derart hohes Liquiditätsrisiko in den Jahren 2005 und 2006 gedroht hätte. Auf die Frage des Verwaltungsgerichts wusste sie ein derartiges Risiko auch aus den Erfahrungen der Vergangenheit nicht zu belegen. Im Gegenteil hat sie eingeräumt, im gesamten Zeitraum von 2005 bis 2008 die Liquiditätsrücklage nur für einen Zeitraum von zwei Monaten in Höhe von 1,5 Mio. € benötigt zu haben, und die Liquiditätsrücklage in den Folgejahren aufgelöst. Dies zwingt zu dem Schluss, dass die vorgehaltene Rücklage in den Jahren 2005 und 2006 deutlich überhöht gewesen ist.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 18. April 2013 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Beitragsbescheids der Beklagten für das Jahr 2013.

Die Vollversammlung der Beklagten beschloss am 5. Dezember 2012 die Wirtschaftssatzung für das Geschäftsjahr 2013. Darin wurde der Wirtschaftsplan in der Plan-Gewinn- und Verlustrechnung mit einer Summe der Erträge in Höhe von 79.216.400,- Euro, einer Summe der Aufwendungen in Höhe von 89.857.200,- Euro und einem Verlustausgleich aus dem Gewinnvortrag i. H. v. 10.640.800,- Euro festgelegt. Weiter wurde u. a. ein Grundbeitrag für IHK-Zugehörige, die im Handelsregister eingetragen sind, mit einem Verlust oder einem Gewerbeertrag, hilfsweise Gewinn aus Gewerbebetrieb bis 100.000,- Euro von 150,- Euro bestimmt.

Mit Beitragsbescheid der Beklagten vom 18. April 2013 wurde die Klägerin für das Jahr 2013 vorläufig zu einem Grundbeitrag von 150,- Euro veranlagt.

Am 21. Mai 2013 erhob die Klägerin Klage gegen den Beitragsbescheid vom 18. April 2013. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, die von der Beklagten gebildeten Rücklagen würden gegen die Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern - IHKG verstoßen. Gemäß der Bilanz der Beklagten zum 31. Dezember 2011 habe deren Eigenkapital 165 Mio. Euro betragen, d. h. rund 236 v. H. des jährlichen Betriebsaufwands. Die sog. Nettoposition bzw. das Grundkapital i. H. v. 40 Mio. Euro in 2011 sei nicht erforderlich, da keine Insolvenz der Beklagten möglich sei. Der Bilanzgewinn aus 2011 i. H. v. über 44 Mio. Euro habe rückerstattet werden müssen, statt dem Eigenkapital zugeführt zu werden. Andere Rücklagen i. H. v. rund 48 Mio. Euro seien ebenfalls zu hoch. Das Finanzstatut der Beklagten sei nicht rechtskonform, wenn es eine solche Rücklagenbildung zulasse. Der Haushaltsplanung der Beklagten zugrunde liegende Prognosen würden hinsichtlich des Jahresüberschusses nie auch nur ungefähr eintreffen. Wegen unzutreffender Zahlen fehle eine Tatsachengrundlage für eine rechtmäßige Ermessensentscheidung der Vollversammlung der Beklagten. Für die Entwicklung der Höhe der Ausgleichsrücklage seien keine hinreichenden Gründe ersichtlich. Der Gewinnvortrag der Beklagten sei möglicherweise unzulässig, jedenfalls bei einem Volumen von fast 33 Mio. Euro ermessensfehlerhaft. Auch die Instandhaltungs- und Baurücklagen der Beklagten seien zweifelhaft. Die Beklagte verfüge zudem über Immobilienvermögen, das zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben nicht benötigt werde.

Die Klägerin beantragt,

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 18. April 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Beitragsbescheides seien § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 2, 3 IHKG i. V. m. der Beitragsordnung und der Wirtschaftssatzung der Beklagten. Eine angemessene Rücklagenbildung sei nach der Rechtsprechung zulässig und widerspreche nicht den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Die Angemessenheit der Rücklagen lasse sich am Maßstab des Gesamthaushalts eher als am Jahresbeitragsaufkommen beurteilen. Das Stammkapital der Beklagten habe zum 31. Dezember 2011 rd. 40 Mio. Euro betragen. Die Ausgleichsrücklage in Höhe von 32,6 Mio. Euro im Jahr 2011 entspreche 42,3% des Betriebsaufwands. Andere Rücklagen seien zweckgebunden für die Finanzierung laufender und geplanter Bau- und Sanierungsmaßnahmen bestimmt, insbesondere für das Stammhaus der Beklagten.

Aufgrund eines Beschlusses des Gerichts vom 17. Juni 2014 nahm die Beklagte mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 10. Juli 2014 zu mehreren Fragen Stellung, insbesondere betreffend eine Zweckbindung des im Wirtschaftsplan 2013 ausgewiesenen Gewinnvortrags. Unter Vorlage weiterer Unterlagen führte die Beklagte u. a. aus, der Jahresabschluss 2012 beinhalte hinsichtlich der Ergebnisverwendung die Einbringung von 3.608.299,48 Euro in eine neu zu bildende zweckgebundene Rücklage „Finanzierung der neuen Geschäftsstellen in Ingolstadt und Rosenheim“. Der Instandhaltungsrücklage „Orleansstraße“ seien 5.871.039,83 Euro zugeführt worden. Der Restbetrag in Höhe von 32.908.333,03 Euro sei auf neue Rechnung vorgetragen worden. Im Wirtschaftsplan 2013 würden an mehreren Stellen die Verwendung des Gewinnvortrags und dessen Zweckbindung erläutert. Der Gewinnvortrag sei im Zuge der Ergebnisverwendung nach § 17 Nr. 3 des Finanzstatuts in den Jahresabschlüssen 2008 bis 2011 gebildet und mit einer Zweckbindung im Hinblick auf die Maßnahmen bezüglich der IHK-Standorte („Generalsanierung Max-Joseph-Straße“ und „Regionalisierung“) versehen worden. Die mit der Baumaßnahme „Generalsanierung des IHK-Standorts Max-Joseph-Straße“ einhergehenden Nebenkosten seien im Projektbudget nicht enthalten und würden jährlich im jeweiligen Wirtschaftsplan budgetiert. Die laufenden Kosten für das Projekt „Regionalisierung“ seien ebenfalls in den

jeweiligen Wirtschaftsplänen budgetiert. Die Nebenkosten der Generalsanierung sowie die laufenden Kosten der „Regionalisierung“ würden wesentlich die geplanten Jahresfehlbeträge verursachen. Der Gewinnvortrag diene zum Ausgleich der Fehlbeträge ab 2013. Er sei nicht auf einen singulären Zweck fixiert. Er diene im konkreten Fall der Finanzierung der Investitionen der Generalsanierung des Stammhauses in der Max-Joseph-Straße sowie zur Deckung der Aufwendungen für die Interimslösung „Balanstraße“ und verschiedener Projekte (z. B. Aufwendungen im Zusammenhang mit den geplanten neuen Geschäftsstellen in den Regionen). Bezüglich des weiteren Vortrags der Beklagten wird auf die Schriftsätze ihrer Bevollmächtigten vom 1. Juli 2013, vom 28. Januar 2014, vom 26. März 2014 und vom 10. Juli 2014 sowie die jeweils vorgelegten Anlagen verwiesen.

Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen am 26. November 2013 und am 20. Januar 2015 sowie über den Erörterungstermin am 23. Mai 2014, die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 18. April 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Zwar ist die Klägerin als Kammerzugehörige (vgl. § 2 Abs. 1 IHKG) nach § 1 der Beitragsordnung i. V. m. Ziffer II.3.b.ba) der Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Jahr 2013 zu einem Grundbeitrag von 150,- Euro heranzuziehen. Dieser Beitragstatbestand ist jedoch wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG unwirksam.

1. Beiträge dürfen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG nur insoweit erhoben werden, als die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der betreffenden Industrie- und Handelskammer (im Folgenden: IHK) nicht anderweitig gedeckt sind; sie dürfen nicht der Vermögensbildung dienen. Hiergegen verstößt nicht die Bildung angemessener Rücklagen, die zu einer geordneten Haushaltsführung gehören und bei denen es sich um Kosten der IHK im Sinne des § 3 Abs. 2 IHKG handelt (vgl. BVerwG, U. v. 26.6.1990 - 1 C 45/87 - juris Rn. 20). Neben einer Betriebsmittelrücklage können auch Rücklagen für bestimmte Zwecke vorgesehen werden (BayVGH, B. v. 26.8.2005 - 22 ZB 03.2600 - juris Rn. 5). Die Frage nach einer Unangemessenheit der Rücklagenbildung lässt sich am ehesten am Maßstab des Gesamthaushalts beurteilen. Maßgeblich ist auch, ob die Vorgaben des Finanzstatuts der jeweiligen IHK als Grundlage für die Rücklagenbildung beachtet wurden (BayVGH, B. v. 4.9.2012 - 22 ZB 11.1007 - juris Rn. 25).

Der für die rechtliche Beurteilung maßgebliche Zeitpunkt ist hier die Beschlussfassung der Vollversammlung der Beklagten am 5. Dezember 2012 über die Wirtschaftssatzung 2013, auf der die streitgegenständliche Beitragserhebung beruht.

2. Die Rücklagenbildung durch die Beklagte ist nach diesen Maßstäben grundsätzlich nicht zu beanstanden.

Die Bildung der Ausgleichsrücklage, die nach dem Haushaltsplan für 2013 in Höhe von 32.582 TEuro vorgesehen war und damit 36,3% des geplanten Betriebsaufwandes betragen sollte (vgl. Wirtschaftsplan, Stand: 17.11.2012, Rücklagenübersicht auf S. 9), entspricht den Vorgaben von § 15 Abs. 3 Satz 1 des Finanzstatuts der Beklagten in der damals geltenden Fassung vom 24. Juli 2006. Danach war eine Ausgleichsrücklage anzusammeln, die zwischen 30 v. H. und 50 v. H. der Betriebsaufwendungen beträgt, um Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen. Die Festlegung der Höhe der Ausgleichsrücklage innerhalb dieses prozentualen Korridors unterliegt einem gerichtlich nicht nachprüfbaren Beurteilungsspielraum der Vollversammlung der Beklagten. Eine Anwendung der Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Ermessensentscheidung nach Art. 40 BayVwVfG i. V. m. § 114 VwGO scheidet schon deshalb aus, weil es sich bei dieser Festlegung der Vollversammlung nicht um die Ermessensentscheidung einer Behörde im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens handelt, worauf sich der Anwendungsbereich dieser Vorschrift beschränkt (anders VG Koblenz, U. v. 25.11.2013 - 3 K 121/12.KO - juris Rn. 32 ff.).

Die weiter gebildeten Instandhaltungsrücklagen für bestimmte Projekte unterliegen hinsichtlich ihrer Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit gleichermaßen keiner gerichtlichen Kontrolle bei der Prüfung, ob eine Beitragserhebung mit § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG vereinbar ist. Auch besteht ein weiter Beurteilungsspielraum der Beklagten hinsichtlich der Frage, inwieweit die Projektfinanzierung über laufende Einnahmen oder über Rücklagen erfolgen soll. Ob nach der oben zitierten Rechtsprechung die Gesamthöhe der gebildeten Rücklagen bereits als unangemessen angesehen werden könnte, bedarf vorliegend aufgrund der nachstehenden Erwägungen keiner abschließenden Klärung.

3. Aufgrund des im Wirtschaftsplan für 2013 vorgesehenen Ergebnisvortrags in Höhe von 20.476 TEuro steht die Beitragserhebung nicht mit § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG in Einklang.

a) Dieser Ergebnisvortrag stellt nicht die Bildung einer Rücklage im Sinne des § 15 Abs. 3 des Finanzstatuts der Beklagten vom24. Juli 2006 dar.

Nach § 15 Abs. 3 Satz 4 des Finanzstatuts der Beklagten vom24. Juli 2006 war neben der obligatorischen Ausgleichsrücklage die Bildung anderer Rücklagen zulässig. Nach den Richtlinien zur Ausführung des Finanzstatuts der Beklagten (RFS) vom 9. November 2011 zu § 15 Abs. 3 des Finanzstatuts durfte die Beklagte Rücklagen nur für bestimmte Zwecke bilden.

Diese Festlegung entspricht auch den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts, welche bei dem Erlass des Finanzstatuts zu beachten sind (vgl. § 3 Abs. 7a Satz 2 IHKG). Gemäß den Standards für die staatliche doppelte Buchführung nach § 7a i. V. m. § 49a des Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder - HGrG (Stand 12.11.2014, dort Ziffer 5.5.3.) fallen unter die sog. Gewinnrücklagen zum einen gebundene Rücklagen für bestimmte, der Art und der (absoluten oder relativen) Höhe nach festgelegte künftige Ereignisse und Maßnahmen (z. B. Rücklagen für Großprojekte) oder zum Ausgleich künftiger Verluste. Daneben können freie bzw. allgemeine Rücklagen gebildet werden, die der Verwaltung unter Berücksichtigung des Budgetrechts des jeweiligen über den Haushalt entscheidenden Organs Möglichkeiten der Verwendung in Folgejahren eröffnen. Nach dem oben Gesagten ließ § 15 Abs. 3 des Finanzstatuts der Beklagten als „andere Rücklagen“ gebundene Rücklagen zu. Der Gewinn- bzw. Verlustvortrag stellt dagegen das kumulierte Jahresergebnis aus Vorjahren dar, soweit dieses nicht den Rücklagen zugeführt wurde (vgl. vorgenannte Standards, dort Ziffer 5.5.4.).

Vorliegend wurde der Gewinnvortrag in Höhe von 20.476 TEuro nicht als Rücklage im Sinne von § 15 Abs. 3 Satz 4 des Finanzstatuts behandelt. Dies ergibt sich zum einen aus Ziffer der Wirtschaftssatzung vom 5. Dezember 2012, wonach in 2013 keine Rücklagenveränderung vorgesehen war. Demzufolge sollte der Gewinnvortrag nicht der Rücklagenbildung dienen. Entsprechend ist im zugrundeliegenden Wirtschaftsplan (vgl. dort Übersicht auf S. 6) keine Einstellung des Gewinnvortrags in Rücklagen vorgesehen gewesen, sondern nur die Verwendung eines Teilbetrags zum Ausgleich des geplanten Jahresfehlbetrags in 2013. Diese Ausweisung des Gewinnvortrags in der Wirtschaftssatzung und im Wirtschaftsplan kann nicht allein deshalb anders interpretiert werden, weil der Ergebnisvortrag in den Erläuterungen zum Wirtschaftsplan 2013 in die Übersicht über den „Stand der Rücklagen“ aufgenommen wurde (vgl. S. 9 des Wirtschaftsplans für 2013).

b) Aus dem Verbot der Vermögensbildung folgt, dass eine IHK einen ungeplanten Bilanzgewinn zur Finanzierung ihrer Aufgaben in der Regel spätestens in den nächsten, zeitlich auf die Feststellung des Gewinns nachfolgenden Wirtschaftsplan einzustellen hat. Anderes gilt nur dann, soweit nicht eine Beitragsrückerstattung an die Kammermitglieder erfolgt oder die Vollversammlung bereits einen speziellen Beschluss über die aufgabengemäße Gewinnverwendung gefasst hat (OVG RhPf, U. v. 23.9.2014 - 6 A 11345/13 - juris). Entsprechend ist auch in staatlichen Haushaltsordnungen geregelt, dass ein Haushaltsüberschuss, der keiner konkreten Verwendung zugeführt wird, spätestens in den Haushaltsplan für das zweitnächste Haushaltsjahr als Einnahme einzustellen ist (vgl. z. B. Art. 25 Abs. 2 Satz 2 BayHO). Eine vergleichbare ausdrückliche Regelung hat auch die Beklagte in die am 1. Juli 2014 beschlossene Neufassung ihres Finanzstatuts aufgenommen (vgl. Anlage B 4, dort insbesondere § 15a Abs. 3).

Auch aus § 15 Abs. 3 Satz 4 des Finanzstatuts vom24. Juli 2006 folgt, dass insbesondere die Rückstellung von Jahresüberschüssen zur Finanzierung von Projektkosten in Folgejahren nur über die Bildung zweckgebundener Rücklagen zulässig sein sollte. Durch die Bildung solcher Rücklagen wird nachvollziehbar, für welche Projekte in welcher Höhe Mittel eingesetzt werden sollen. Diese Zielsetzung verfolgt auch § 8 Abs. 2 des Finanzstatuts, wonach verbindliche Grundlage für die Genehmigung einer größeren Baumaßnahme durch die Vollversammlung eine Investitions- und Finanzierungsübersicht ist. Die mit diesen Vorgaben des Finanzstatuts erzielte Transparenz und Verbindlichkeit würde beeinträchtigt, wenn -alternativ zur Rücklagenbildung und unter pauschalem Hinweis auf einen Mittelbedarf zur Projektfinanzierung - Gewinnvorträge ohne verbindliche Zweckbindung zulässig wären.

c) Der aus dem Jahr 2011 vorgetragene Gewinn in Höhe von rd. 32.908 TEuro wäre demnach als Einnahme in den Wirtschaftsplan einzustellen gewesen, soweit er

c) nicht in Höhe von rd. 10.641 TEuro den geplanten Jahresfehlbetrag in 2013 ausgleichen sollte. Der Gewinnvortrag ist hier nicht ausnahmsweise zulässig, weil die Vollversammlung der Beklagten keinen speziellen Beschluss über die aufgabengemäße Gewinnverwendung gefasst hat.

Lediglich in der nicht verbindlichen Mittelfristplanung (vgl. zur Planungsmethodik S. 35 des Wirtschaftsplans für 2013) ist vorgesehen, dass der Ausgleich von in den Folgejahren erwarteten Jahresfehlbeträgen über Entnahmen aus den Instandhaltungsrücklagen und aus dem Ergebnisvortrag erfolgen sollte. Infolge der Generalsanierung des Stammhauses in der Max-Joseph-Straße wurden bis 2017 mit geringen Schwankungen hohe Jahresfehlbeträge erwartet, die voraussichtlich im Jahresdurchschnitt 10,0 Mio. Euro betragen sollten (vgl. S. 39 des Wirtschaftsplans 2013, dort unter F).

Eine verbindliche und eindeutige Festlegung der Verwendung des Gewinnvortrags kann auch nicht sonstigen Beschlüssen der Vollversammlung entnommen werden. Ohnehin spricht viel dafür, dass eine solche definitive Zweckbestimmung erst bei der Entscheidung über den Wirtschaftsplan 2013 möglich gewesen wäre. Insbesondere stand erst zu diesem Zeitpunkt fest, inwieweit der Gewinnvortrag aus Vorjahren tatsächlich für bestimmte Projekte verfügbar war und nicht für den Ausgleich eines Jahresfehlbetrags benötigt wurde. Bei früheren Beschlüssen über diese Projekte stand die Höhe späterer Gewinnvorträge - einschließlich des Jahresergebnisses 2011 - noch nicht fest. Es ist schon fraglich, inwieweit die Zweckbestimmung kumulierter Jahresergebnisse zugunsten bestimmter Projekte nicht die Umgehung der besonderen Regelungen über die Rücklagenbildung darstellen würde. Auch unter Annahme der o. g. (allgemeinen) Zweckbestimmung des Ausgleichs erwarteter Jahresfehlbeträge infolge der Stammhaus-Sanierung wäre der Gewinnvortrag letztlich für die Projektfinanzierung bestimmt gewesen.

Unabhängig hiervon konnte die Beklagte eine konsequente Zweckbindung des bis 2011 kumulierten Gewinnvortrags in Höhe von rd. 32.908 TEuro im vorliegenden Verfahren nicht schlüssig darlegen. Zwar sollte laut Beschlussvorlage vom 4. März 2011 für den Bauwirtschaftsplan für die Generalsanierung des Hauptgebäudes in der Max-Joseph-Straße diese Maßnahme ausschließlich aus Eigenmitteln in Form von Gewinnvorträgen und Rücklagen finanziert werden. Der Finanzierungsplan sehe zunächst bis Herbst 2013 den Verbrauch der Gewinnvorträge in Höhe von 32,4 Millionen Euro vor. Diese Zweckbestimmung für den damals bestehenden Gewinnvortrag - der betragsmäßig in etwa dem Stand Ende 2011 entsprach - hat jedoch in der Folgezeit nach dem eigenen Vortrag der Beklagten keinen Bestand gehabt. So hat die Beklagte mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 10. Juli 2014 vorgetragen, der Gewinnvortrag habe dem Ausgleich von Fehlbeträgen ab 2013 gedient, die durch Nebenkosten der Generalsanierung - d. h. gerade nicht die eigentlichen Baukosten - sowie die laufenden Kosten der Regionalisierung verursacht worden seien.

An anderer Stelle des Schriftsatzes vom 10. Juli 2014 hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Gewinnvortrag nicht auf einen singulären Zweck fixiert gewesen sei. Er habe im konkreten Fall der Finanzierung der Investitionen der Generalsanierung des Stammhauses in der Max-Joseph-Straße sowie zur Deckung der Aufwendungen für die Interimslösung „Balanstraße“ und verschiedener Projekte (z. B. Aufwendungen im Zusammenhang mit den geplanten neuen Geschäftsstellen in den Regionen) gedient. Diese Aussagen zur vorgesehenen Ergebnisverwendung finden sich auch in der Beschlussvorlage für die Vollversammlung der Beklagten am 24. Juli 2012. Der Beschluss über die Ergebnisverwendung (vgl. § 17 Abs. 3 des Finanzstatuts vom 24.07.2006) beinhaltet jedoch lediglich die Festlegung, einen Teilbetrag von in Höhe von rd. 32.908 TEuro auf neue Rechnung vorzutragen; die Zweckbestimmung ist dagegen nicht Gegenstand der bindenden Beschlussfassung. Zudem handelt es sich auch nur um eine nicht abschließende

Aufzählung von (möglicherweise) aus dem Gewinnvortrag zu finanzierenden Projekten.

Auch dem Wirtschaftsplan 2013 ist eine alleine auf die Sanierung des Stammhauses zurückzuführende Verwendung des Gewinnvortrags nicht zu entnehmen. Der erwartete Jahresfehlbetrag in Hohe von rd. 10.641 TEuro - der mit einem Teilbetrag des Gewinnvortrags ausgeglichen werden sollte - hätte laut Wirtschaftsplan (vgl. dort Übersicht auf S. 6) ohne die Sanierung des Stammhauses noch 4.721 TEuro betragen.

Letztlich ist die konkrete Verwendung des Gewinnvortrags in den Jahren ab 2014 nicht verbindlich festgelegt worden. Zwar bestand vermutlich bei der Vollversammlung tatsächlich die Vorstellung, dass insbesondere die benannten Projekte u. a. mit Hilfe des Gewinnvortrags realisiert werden sollten. Eine konkrete Zweckbindung der Mittel war jedoch offensichtlich gerade nicht beabsichtigt. Andernfalls wäre eine dem Finanzstatut entsprechende Rücklagenbildung erfolgt. Hinsichtlich der Umsetzung des sogenannten Regionalisierungskonzepts kommt hinzu, dass nach dem Vortrag der Beklagten (vgl. Schriftsatz vom 10.7.2014, S. 9) die Vollversammlung erst am 1. Juli 2014 entschieden hat, dass eine Finanzierung aus Eigenmitteln erfolgen solle. Eine konkrete, verbindliche Rücklagenbildung für diesen Zweck wäre vor dieser Grundsatzentscheidung wohl nicht in Betracht gekommen.

3. Aus der Unzulässigkeit des im Wirtschaftsplan 2013 geplanten teilweisen Vortrags der kumulierten Jahresergebnisse aus den Vorjahren ergibt sich nicht, dass die entsprechenden Mittel nicht zur Rücklagenbildung für Projekte der Beklagten eingesetzt werden dürften. Gegebenenfalls müsste bei der Bewertung der Angemessenheit der dann insgesamt gebildeten Rücklagen - neben der Relation zum Gesamthaushalt der Beklagten - berücksichtigt werden, dass die mittelfristig besonders aufwändigen Vorhaben erkennbar Ausnahmecharakter besitzen. Projekte wie die Sanierung des Stammhauses und die Schaffung neuer Geschäftsstellen gehören nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Beklagten, sondern dienen ersichtlich dazu, langfristig die organisatorischen und räumlichen Voraussetzungen für die Aufgabenerfüllung zu gewährleisten. Dafür erforderliche Projektkosten können nur bedingt in ein Verhältnis zum regelmäßigen jährlichen Finanzierungsbedarf einer IHK gesetzt werden.

Grundsätzlich dürfte demnach bei der Beklagten jedenfalls vorübergehend die Bildung eines relativ hohen Rücklagenvolumens zulässig sein. Das gilt jedenfalls unter der Maßgabe, dass aufgrund von Beschlüssen der Vollversammlung der Beklagten nachvollziehbar ist, dass diese die zweckgebundene Rücklagenbildung in der jeweiligen Höhe als erforderlich ansieht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt

aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. November 2013 - 4 K 1546/13 - geändert. Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 01.03.2013 und deren Widerspruchsbescheid vom 10.04.2013 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem IHK-Beitrag durch die beklagte Industrie- und Handelskammer (IHK) für das Jahr 2013.
Die Vollversammlung der Beklagten beschloss in ihrer Sitzung am 29.11.2012 die Wirtschaftssatzung für das Geschäftsjahr 2013, in der unter anderem der Wirtschaftsplan 2013 festgestellt und bestimmt wird, dass eine Umlage in Höhe von 0,17 v.H. des Gewerbeertrages/Gewinnes aus dem Gewerbebetrieb erhoben wird. Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans wird durch das von der Vollversammlung der Beklagten beschlossene Finanzstatut geregelt.
In § 15 Abs. 3 des Finanzstatuts der Beklagten vom 02.12.2005 heißt es:
„Um Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen, ist eine Ausgleichsrücklage anzusammeln, die zwischen 30 v.H. und 50 v.H. der Betriebsaufwendungen beträgt. Daneben kann eine Liquiditätsrücklage in Höhe von höchstens 50 v.H. der Summe der Betriebsaufwendungen gebildet werden, die der Aufrechterhaltung einer ordentlichen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten dient. Sie ist Bestandteil der „anderen Rücklagen“.
In § 15a Abs. 1 und Abs. 2 des am 18.07.2014 beschlossenen Finanzstatuts heißt es:
1. Die Nettoposition ergibt sich als Unterschiedsbetrag zwischen Vermögen und Schulden unter Berücksichtigung von Rücklagen zum Stichtag der Eröffnungsbilanz. Sie kann bei erheblicher Änderung der aktuellen Verhältnisse beim unbeweglichen Sachanlagevermögen im Vergleich zum Eröffnungsbilanzstichtag angepasst werden. Sie darf im Regelfall nicht größer sein als das zur Erfüllung der Aufgaben der IHK notwendige, um Sonderposten (siehe Absatz 4) verminderte Sachanlagevermögen.
2. Die IHK hat eine Ausgleichsrücklage zu bilden. Diese dient dem Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen und beträgt 25 - 50 Prozent der Summe der geplanten Aufwendungen. Sollten die Entnahmen den Stand unter 25 Prozent bringen, soll die IHK in angemessenem Zeitraum wieder die Mindestdotierung erreichen. Die Bildung zweckbestimmter Rücklagen ist zulässig. Sie sind in der Bilanz oder im Anhang zum Jahresabschluss gesondert einzeln auszuweisen. Der Verwendungszweck und der Umfang sind hinreichend zu konkretisieren, wie auch der Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme.“
Hinsichtlich der von der Beklagten im Rahmen der Wirtschaftsplanung gebildeten Rücklagen wurde der Vollversammlung am 29.11.2012 folgende Übersicht vorgelegt:
        
31.12.07
31.12.08
31.12.09
31.12.10
31.12.11
I. Nettoposition
1.638.800,00
1.638.800,00
1.638.800,00
1.638.800,00
1.638.800,00
II. Ausgleichsrücklage
2.422.028,55
2.619.248,19
2.715.748,19
2.757.948,19
2.777.948,19
III. Liquiditätsrücklage
1.339.725,98
1.441.725,98
1.339.725,98
1.339.725,98
1.339.725,98
IV. Andere Rücklagen
 988.758,38
 988.758,38
1.306.087,18
1.382.087,18
2.388.438,63
V. Ausgleichsrücklage für Beitragsausfälle
 0,00
 400.000,00
 517.777,57
 817.777,57
 817.777,57
        
6.389.312,91
7.088.532,55
7.518.138,92
7.936.338,92
8.962.690,37
10 
        
Plan
31.12.12
Plan
31.12.13
I. Nettoposition
1.638.800,00
1.638.800,00
II. Ausgleichsrücklage
2.777.948,19
2.777.948,19
III. Liquiditätsrücklage
1.339.725,98
1.339.725,98
IV. Andere Rücklagen
2.388.438,63
2.388.438,63
V. Ausgleichsrücklage für Beitragsausfälle
 617.777,57
 435.777,57
        
8.762.690,37
8.580.690,37
11 
Nach dem Wirtschaftsplan für das Jahr 2013 beträgt die Ausgleichsrücklage (II.) 34,1 v.H., die Liquiditätsgrundlage (III.) 16,4 v.H. und die weitere Ausgleichsrücklage für Beitragsausfälle (V.) 5,4 v.H. des Betriebsaufwandes. Zudem wurde für das Jahr 2013 eine Gebäudeinstandhaltungsrücklage in Höhe von 2.388.438,63 EUR veranschlagt.
12 
Die Klägerin betreibt seit dem Jahr 1996 einen Textileinzelhandel und ist seitdem Mitglied der Beklagten. Mit Bescheid vom 01.03.2013 setzte die Beklagte für das Jahr 2013 vorläufig einen Jahresbeitrag in Höhe von 696,17 EUR fest.
13 
Gegen den Beitragsbescheid legte die Klägerin am 27.03.2013 Widerspruch mit der Begründung ein, die Kalkulation des Beitrages beruhe auf einer unzulässigen Vermögensanhäufung seitens der Beklagten. Die Rücklagen der Beklagten betrügen rund 99 Prozent der für das Jahr 2013 geplanten Gesamtaufwendungen. Dies widerspreche der gesetzlichen Verpflichtung aus § 3 Abs. 2 IHKG.
14 
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine unzulässige Vermögensbildung liege nicht vor. Die Ausgleichs- und die Liquiditätsrücklage hielten sich in dem vom Finanzstatut vorgesehenen Rahmen. Die weitere Ausgleichsrücklage für Beitragsausfälle sei zu Beginn der Wirtschaftskrise zu dem Zweck eingerichtet worden, die durch die Krise bedingten und befürchteten Rückgänge der Beitragseinnahmen auszugleichen und möglichen Beitragserhöhungen vorzubeugen. Die Gebäudeinstandhaltungsrücklage beträfe den Neubau ihres Bildungszentrums in ... sowie das Verwaltungsgebäude in ....
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Die Klägerin hat am 08.05.2013 Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 01.03.2013 und ihres Widerspruchsbescheids vom 10.04.2013 beantragt.
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Mit Urteil vom 21.11.2013 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die vorläufige Beitragsfestsetzung sei rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Sätze 1 und 2 IHKG seien erfüllt, die Höhe des festgesetzten Beitrags für das Geschäftsjahr 2013 sei nicht zu beanstanden. Der Beitragsbescheid sei auch nicht wegen unzulässiger Vermögensbildung durch Rücklagen rechtswidrig. Angemessene Rücklagen seien Kosten der IHK im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG. Rechtliche Bedenken gegen die Bildung der Ausgleichs- und der Liquiditätsrücklage bestünden nicht. Beide Rücklagen entsprächen den Vorgaben des Finanzstatuts der Beklagten und den Grund-sätzen ordnungsgemäßer Haushaltsführung. Die Ausgleichsrücklage solle konjunkturbedingte Schwankungen im Beitragsaufkommen auffangen, die Liquiditätsrücklage diene der Aufrechterhaltung einer ordentlichen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten. Die Gebäudeinstandhaltungsrücklage werde zweckgebunden gebildet und eingesetzt. Die weitere Ausgleichsrücklage entspreche umsichtigem Wirtschaften und Handeln und damit einer geordneten Haushaltsführung. Sie sei eingerichtet worden, als zu Beginn der Wirtschaftskrise vor einigen Jahren massive Beitragsausfälle befürchtet worden seien. Nachdem sich diese Befürchtungen nicht bestätigt hätten, sei die Rücklage bereits in den Beitragsjahren 2012 und 2013 teilweise zur Beitragssenkung herangezogen worden. Es bestünden keine Bedenken gegen die Angemessenheit der Rücklagen. Unter Berücksichtigung des der Beklagten im Rahmen des Satzungsrechts zustehenden Gestaltungsspielraums könne nicht erkannt werden, dass die in dem Finanzstatut enthaltenen Obergrenzen für die Ausgleichs- und die Liquiditätsrücklage nicht hinnehmbar seien. Es sei insoweit auch zu berücksichtigen, dass die jeweiligen Beitragsbescheide erst im Frühjahr jedes Beitragsjahres erlassen würden, wohingegen der laufende Betrieb unabhängig vom Eingang der Beiträge zu finanzieren sei.
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Nach Zulassung der Berufung durch den Senat hat die Klägerin mit innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegangenem Schriftsatz zur Begründung der Berufung unter anderem ausgeführt: Die Bildung der nicht unmittelbar zweckgebundenen Rücklagen (Ausgleichsrücklagen, Liquiditätsrücklage) sei ermessensfehlerhaft. Dies führe zu einer unzulässigen Vermögensbildung und damit zu einem Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip des § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG, weswegen der angefochtene Bescheid aufzuheben sei. Der Vollversammlung hätte sich aufdrängen müssen, dass eine strukturelle Bildung von - wie es die Vergangenheit gezeigt habe - überflüssigen Rücklagen auf Kosten von Pflichtbeiträgen mit höherrangigem Recht nicht vereinbar sei. Die Beklagte habe selbst eingeräumt, dass nicht einmal die „weitere“ Ausgleichsrücklage habe beansprucht werden müssen. Darüber hinaus führten die Rücklagen im streitigen Beitragsjahr zu einer unzulässigen Vermögensbildung. Die nicht unmittelbar zweckgebundenen Rücklagen machten einen Anteil von über 50 Prozent der jährlichen Betriebsaufwendungen aus. Die Nettoposition sei ebenfalls noch mit einzubeziehen, wenn sie mit liquiden Mitteln hinterlegt sei. Die Anhäufung dieser Rücklagen sei willkürlich. Die Beklagte habe eingeräumt, dass die Ausgleichsrücklage reduziert und die Liquiditätsrücklage abgeschafft werden solle. Daraus sei zu folgern, dass die Rücklagenbildung im Jahr 2013 unangemessen hoch gewesen sei. Die von der Beklagten in Bezug genommene Senkung der Umlagesätze im Rahmen der Wirtschaftssatzung 2013 könne einen in der Vergangenheit begründeten Fehler, durch den ein höherer Beitrag zustande gekommen sei, nicht heilen.
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Die Klägerin beantragt,
19 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. November 2013 - 4 K 1546/13 - zu ändern und den Beitragsbescheid der Beklagten vom 01.03.2013 und deren Widerspruchsbescheid vom 10.04.2013 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
22 
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und macht ergänzend geltend: Bei der IHK-Haushaltsgestaltung handele es sich nicht um eine Ermessensentscheidung, die nach den Maßstäben des § 114 VwGO verwaltungsgerichtlich überprüfbar sei, sondern um eine (normative) Entscheidung, für die der Vollversammlung der jeweiligen Kammer ein weiter Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum zuzubilligen sei. Vor diesem Hintergrund seien ihre Haushaltsentscheidungen über die Bildung von Rücklagen rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vollversammlung habe hierüber in Kenntnis der relevanten Hintergründe beschlossen. Dies habe auf entsprechenden Planungen und Prognosen beruht. Die Rücklagen hielten sich innerhalb des durch das Finanzstatut gesetzten Rahmens. Das Finanzstatut sei wirksames Binnenrecht. Die dort gesetzten Höchstgrenzen seien nicht als unangemessen hoch anzusehen. Die im Streit stehenden Rücklagen lägen weit unterhalb der jeweiligen Höchstgrenzen. Die Rücklagen dienten sachlichen Zwecken. Sie habe mehrfach gemäß der Beschlüsse der Vollversammlung vom 30.11.2004, 01.12.2005 und 30.11.2006 in Höhe von insgesamt 1,78 Millionen EUR zum Ausgleich des jeweiligen Jahresabschlusses auf die Rücklagen zurückgegriffen. Dass die Liquiditätsrücklage auf Grund des neuen Finanzstatuts aufgelöst werden solle, ändere nichts an ihrer legitimen Bildung im streitgegenständlichen Beitragsjahr. Selbst wenn eine unzulässige Rücklagenbildung unterstellt würde, habe dies nicht die Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung zur Folge.
23 
Das Berufungsverfahren hat im Hinblick auf das beim Bundesverwaltungsgericht anhängig gewesene Revisionsverfahren 10 C 6.15 vom 06.10.2015 bis zum 09.02.2016 geruht.
24 
Im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2015 - 10 C 6.15 - (BVerwGE 153, 315) hat die Klägerin weiterhin geltend gemacht: Die Bildung von Ausgleichs- und Liquiditätsrücklagen vor und in dem streitigen Beitragsjahr 2013 sei - unter vollständiger Verkennung des vom Bundesverwaltungsgerichts hervorgehobenen Grundsatzes der Schätzgenauigkeit - offensichtlich unwirtschaftlich, unvernünftig und mit einer ordnungsgemäßen Haushaltsführung nicht zu vereinbaren. Die Beklagte habe keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, die die Prognose hätten rechtfertigen können, dass es im jeweiligen Haushaltsjahr bei ungünstiger Beitragsentwicklung und ungünstigen Zahlungseingängen zu Beitragsausfällen bzw. -schwankungen und/oder Liquiditätsengpässen von rund 50 Prozent der laufenden Ausgaben kommen würde. Sie habe vielmehr eingeräumt, dass nicht einmal die „weitere“ Ausgleichsrücklage habe beansprucht werden müssen. Die Beklagte habe die vom Bundesverwaltungsgericht geforderte Prognose nach dem Prinzip der Schätzgenauigkeit nicht vorgenommen, sondern sich lediglich darauf berufen, dass sich die Rücklagenhöhe im Rahmen ihres Binnenrechts (Finanzstatut) bewege. Der Beitragsbescheid erweise sich zudem allein auf Grund der Bildung einer zweiten Ausgleichsrücklage als rechtswidrig. Einer doppelten Ausgleichsrücklage fehle eine Rechtsgrundlage. Sie sei nicht zur Bewältigung der gesetzlichen Aufgaben der Beklagten erforderlich gewesen. Die Beklagte habe auch keinerlei materielle Begründung für den Bedarf dieser Rücklage vorgelegt. Während es für die „normale“ Ausgleichsrücklage und die Liquiditätsrücklage wenigstens noch Versuche einer Rechtfertigung durch die Beklagte gebe, fehlten diese im Hinblick auf die zweite Ausgleichsrücklage gänzlich. Angesichts des Umstandes, dass die Beklagte diese Rücklage erst im Jahr 2008 eingeführt und im November 2011 die Auflösung dieser Rücklage bis zum Jahr 2016 beschlossen habe, habe sie es versäumt darzulegen, welche speziellen Risiken die Bildung dieser Rücklage in den Jahren 2008 bis 2016 im Unterschied zu den Jahren davor und den Jahren danach erforderlich werden ließen. Hinsichtlich der Liquiditätsrücklage habe die Beklagte - nicht nachvollziehbar - ein mögliches Inanspruchnahmerisiko von 478.000 EUR angegeben. Damit sei eingestanden, dass die Rücklage mit 1.339.000 EUR deutlich überdotiert gewesen sei. Für die Baurücklage fehle es an der notwendigen zeitlichen und sachlichen Konkretisierung.
25 
Die Beklagte hält dem entgegen: Die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts seien mit Blick auf die Besonderheiten der IHK-Wirtschaftsplanung punktuell unscharf. Soweit das Bundesverwaltungsgericht im unmittelbaren Kontext des Rücklagenzwecks von einer Mittelreserve spreche, sei eine solche Betrachtung in den Zeiten der kameralen Haushaltsführung noch zutreffend gewesen, aber nach Einführung der doppischen Haushaltsführung nicht mehr möglich. Im Unterschied zur Kameralistik befänden sich in der Doppik die Mittel der Körperschaft nicht in der Rücklage. Es lasse sich vielmehr nur durch einen Blick auf die Aktivseite des Haushalts bzw. der Bilanz bestimmen, über welches Vermögen die Körperschaft verfüge. Ein solche Betrachtung ergebe hier in Anbetracht der Vermögenspositionen auf der Aktivseite und deren jeweilige Bindung an einen zulässigen Vermögenszweck, dass ein unzulässiges, also zweckfreies Vermögen im Beitragsjahr 2013 nicht vorhanden gewesen sei. Im Gegensatz zu dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall sei hier die Ausgleichsrücklage im Jahr 2013 mit 32,7 v.H. der Betriebsaufwendungen am untersten Ende des nach dem Finanzstatut zulässigen Rücklagenrahmens von 30 bis 50 v.H. und die Liquiditätsrücklage mit 15,7 v.H. ebenfalls am unteren Ende der zulässigen Skala (bis 50 v.H. der Betriebsaufwendungen) dotiert gewesen. Zudem habe sie mehrfach, so insbesondere in den Jahren 2004, 2005, 2006 und 2013, auf die Ausgleichsrücklage zurückgegriffen. Außerdem habe sie die Liquiditätsrücklage im Jahr 2015 vollständig abgebaut und ordnungsgemäß verwendet. Diese Rücklagenmittel stünden daher nicht mehr für eine in die Vergangenheit gerichtete Beitragssenkung und -erstattung zur Verfügung. Sie habe im Jahr 2013 und auch zuvor Beitragssenkungen vorgenommen, die sie unter anderem durch Rückgriffe auf die betreffenden Rücklagen finanziert habe. Dabei habe sie unter Anwendung eines weiten Gestaltungsspielraums eine Absenkung der betreffenden Rücklagen durch sukzessive Beitragssenkungen über mehrere Jahre beschlossen. Die vom Bundesverwaltungsgericht erwähnte Risikoprognose habe sie und ihre Vollversammlung stets inzident im Rahmen der Prüfung des Mittelbedarfs und der Umlegung des Bedarfs auf die Mitglieder im Wege der Beitragsveranlagung vorgenommen. Die der jeweiligen Rücklagenbildung zu Grunde liegende Risikoprognose entspreche den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts. Bei ihr bestünden verschiedene durch die Rücklagen abzusichernde Risiken, zu denen unter anderem die konjunkturbedingten Beitragsschwankungen, der Ausfall von großen Beitragszahlern aus insolvenzrechtlichen oder steuergestalterischen Gründen, schwankende Einnahmen aus Gebühren wegen rückläufiger Zahlen von Auszubildenden und Teilnehmern an Weiterbildungsprüfungen und das Zinsrisiko hinsichtlich der Pensionsrückstellungen gehörten. Bei der Aufstellung des Wirtschaftsplans habe sie auf Seiten der Beitragseinnahmen die Meldungen der Finanzverwaltung, eine jährliche Abfrage unter den 50 größten Beitragszahlern, die Daten der Haushaltsanalyse der Großen Kreisstädte sowie die Hochrechnungen der Städte zum voraussichtlichen Gewerbesteueraufkommen berücksichtigt. Auf der Seite der Ausgaben seien unter anderem die prognostizierte Personalentwicklung, die Personalkosten, die Entwicklung des Rechnungszinses für Pensionsrückstellungen sowie die Veränderung gesetzlicher Vorgaben berücksichtigt worden. Das durch die Rücklagen zu sichernde Risiko betrage über einen Zeitraum von vier Jahren 5,3 Millionen EUR. Die Ausgleichsrücklage dotiere im Jahr 2013 mit 2,78 Millionen EUR und die Liquiditätsrücklage mit einem Wert von 1,34 Millionen EUR. Bezogen auf einen Vier-Jahres-Zyklus lägen die Rücklagen damit deutlich unterhalb des möglichen Risikohöchstwertes. Die Bau- und Instandhaltungsrücklage in Höhe von 2,39 Millionen EUR diene neben der Finanzierung von möglichen Instandhaltungsmaßnahmen insbesondere der Finanzierung des Neubaus des IHK-Bildungszentrums in Aalen. Angesichts des voraussichtlichen Finanzbedarfs von 4,5 Millionen EUR sei die Rücklage angemessen gebildet. Bei der gerichtlichen Prüfung, ob sie das haushaltsrechtliche Gebot der Schätzgenauigkeit eingehalten habe, dürften keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Maßgeblich sei, dass die für die Einnahmen- und Ausgabenschätzungen erforderlichen Prognosen aus der ex-ante-Sicht sachgerecht und vertretbar seien. Für die gerichtliche Prüfung der Beitragsveranlagung komme es nicht darauf an, ob die im Wirtschaftsplan enthaltenen Rücklagen auf einer streng formalen Risikoermittlung beruhten. Vielmehr sei maßgeblich, ob die dotierten Rücklagen dem Grunde nach zulässig seien und der Höhe nach in einem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlichen rechtlichen Risiken der jeweiligen IHK stünden.
26 
Dem Senat liegen die Akten der Beklagten und des Verwaltungsgerichts vor. Hierauf sowie auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
27 
Nach Übergabe der Urteilsformel an die Geschäftsstelle gemäß §§ 116 Abs. 2, 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO am 02.11.2016 konnte der Senat die am 04.11.2016 und am 09.11.2016 eingegangenen Schriftsätze der Beteiligten, die im Wesentlichen deren Vorbringen aus der Berufungsverhandlung wiederholen und vertiefen, bei der Entscheidungsfindung nicht mehr berücksichtigen (vgl. zur Verbindlichkeit von Urteilen nach Übergabe des Tenors an die Geschäftsstelle: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.03.1999 - A 14 S 1361/97 -, NVwZ-RR 2000, 125).
28 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der gegen den Beitragsbescheid der Beklagten vom 01.03.2013 und deren Widerspruchsbescheid vom 10.04.2013 gerichteten Klage stattgeben müssen. Diese Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der hierin festgesetzte IHK-Beitrag für das Jahr 2013 steht nicht mit § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (Industrie- und Handelskammergesetz - IHKG) vom 18.12.1956 (BGBl. I S. 920) in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 7 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes vom 07.09.2007 (BGBl. I 2007, 2246) in Einklang. Nach Satz 1 dieser Norm werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung erbracht. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG ist der Wirtschaftsplan jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.
29 
Das Gesetz legt damit der Beitragserhebung eine zweistufige Willensbildung der Kammer zu Grunde. Auf der ersten Stufe stellt die Kammer - im Voraus für das Wirtschaftsjahr - den Wirtschaftsplan auf, der vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf prognostiziert, den es durch die Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 09.12.2015 - 10 C 6.15 -, BVerwGE 153, 315).
30 
Bei der hier nur im Streit stehenden Willensbildung auf der ersten Stufe ist auch im Beitragsrechtsstreit inzident zu prüfen, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan den insoweit zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Bei dieser Prüfung ist zu beachten, dass die Kammer hinsichtlich der Aufstellung des Wirtschaftsplans einen weiten Gestaltungsspielraum hat und der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nur unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. Dieser in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegte Rahmen wird gebildet durch § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG (die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen), die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung (§ 3 Abs. 7a IHKG), die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie durch ergänzende Satzungsbestimmungen. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dies bedeutet, dass Prognosen aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen müssen. Ist dies der Fall, ist es unschädlich, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als unrichtig erweist.
31 
Im Hinblick auf die von der Klägerin allein beanstandete Rücklagenbildung bedeutet dies, dass das Verbot der Bildung von Vermögen nicht die Bildung von Rücklagen ausschließt, sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit bindet. Zudem muss auch die Höhe der Rücklage von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein. Eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Wirtschaftsplan - und damit jährlich - erneut treffen. Deshalb ist ein Wirtschaftsplan nicht nur dann rechtswidrig, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält.
32 
Gemessen an diesen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 09.12.2015, a.a.O.) gebildeten Maßstäben erweist sich die Rücklagenbildung der Beklagten im Wirtschaftsplan für das Jahr 2013 und damit auch die Festsetzung des Mitgliedsbeitrags für die Klägerin für das Jahr 2013 als rechtswidrig.
33 
Anders als die Beklagte meint, sind diese für die Zulässigkeit der Rücklagenbildung im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Maßstäbe nicht nur bei einer IHK-Haushaltsplanung zu berücksichtigen, die nach den Grundsätzen der Kameralistik aufgestellt wurde (so in dem dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Grunde liegenden Fall), sondern finden auch bei der Aufstellung eines Wirtschaftsplans Anwendung, bei der - wie hier im Wirtschaftsjahr 2013 - die Beklagte die Grundsätze der doppischen Haushaltsführung nach § 3 Abs. 7a IHKG mit Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanzierung sowie der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung zu beachten hat. So wird die Bildung von angemessenen Rücklagen auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung vom Bundesverwaltungsgericht für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaften als weiterhin notwendig und zu einer geordneten Haushaltsführung gehörend bezeichnet (BVerwG, Urteil vom 09.12.2015, a.a.O., RdNr. 17; vgl. auch: Wiemers, Anmerkung zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2015, NVwZ 2016, 615, 616; Jahn, Beitragsveranlagung, Rücklagen und unzulässige Vermögensbildung durch die Industrie- und Handelskammern, GewArch 2016, 263, 265). Dem Senat ist nicht ersichtlich, warum im Rahmen der auf Grundlage der Doppik erstellten Haushalte die bloße - buchungstechnische - Darstellung der Rücklagen als Passivposten einer Vermögensrechnung (Bilanz) an der rechtlichen Bewertung der Zulässigkeit von Rücklagen etwas ändern sollte. Anders als im kameralen System handelt es sich bei Passivposten einer Vermögensrechnung zwar nicht um bei Bedarf verwendbare liquide Mittel, da diese Funktion im doppischen Haushaltssystem das Umlaufvermögen (z.B. Bankguthaben, Wertpapiere) übernimmt. Doppische Rücklagen dienen zusammen mit den restlichen Passivposten der Deckung der Aktivseite der Vermögensrechnung, sind also als Teil des Eigenkapitals zu verstehen, allerdings mit der Besonderheit, dass die Rücklagenpositionen gesondert ausgewiesen werden. Um ihren jeweils zugeschriebenen Zweck erfüllen zu können, sind die auf der Passivseite einer Vermögensrechnung aufgeführten Rücklagen jedoch durch entsprechende Aktiva zu unterlegen, die gegebenenfalls kurzfristig aufgelöst werden können (vgl. Jahn, Zulässigkeit und Grenzen der Rücklagenbildung durch Kammern am Beispiel der Industrie- und Handelskammern, GewArch 2013, 49, 51). Dem entspricht es hier, dass die Beklagte ausweislich der mit Schriftsatz vom 31.10.2016 vorgelegten Aufstellung auch nach Einführung der doppischen Haushaltsführung Entnahmen aus den jeweils gebildeten Rücklagen vorgenommen hat.
34 
Offenbleiben kann, ob die Bildung und Aufrechterhaltung der Liquiditätsrücklage in Höhe von 1.339.725,98 EUR im Wirtschaftsplan 2013 den oben genannten Anforderungen entsprach. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 des von der Vollversammlung der Beklagten am 02.12.2005 beschlossenen und hier einschlägigen Finanzstatuts kann neben einer Ausgleichsrücklage eine Liquiditätsrücklage in Höhe von höchstens 50 v.H. der Summe der Betriebsaufwendungen gebildet werden, die der Aufrechterhaltung einer ordentlichen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten dient. Die Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeausfällen oder Einnahmeverzögerungen stellt einen sachlichen Zweck dar, der die Bildung einer Liquiditätsrücklage grundsätzlich rechtfertigt (BVerwG, Urteil vom 09.12.2015, a.a.O.). Ob es hier zu beanstanden ist, dass die Beklagte - wie schriftsätzlich geltend gemacht - die Liquiditätsrücklage gebildet hat, um Risiken absichern, die durch Schwankungen im Aufkommen von Gebühren (Berufsgebühren, sonstige Gebühren) und Entgelten (Weiterbildungseinnahmen, Zuschüsse Bund/Land/Agentur) sowie bei Pensionsrückstellungen inklusive Zinsen auftreten, bedarf keiner Klärung. Insoweit könnte sich die Frage stellen, ob die Bildung einer Liquiditätsrücklage zu dem in dem Finanzstatut geregelten Zweck nicht nur den vorübergehenden Ausfall von Gebühren und Entgelten, sondern auch den endgültigen Ausfall umfassen kann (vgl. zu dieser Differenzierung: BVerwG, Urteil vom 09.12.2005, a.a.O.).
35 
Ferner erscheint diesbezüglich fraglich, ob das Maß der Rücklage noch von einem solchen sachlichen Zweck gedeckt ist, die Beklagte insbesondere den Grundsatz der Haushaltswahrheit und aus ihm folgend das Gebot der Schätzgenauigkeit beachtet hat. Die Beklagte hat diesbezüglich auf eine Schwankungsbreite von 478.000 EUR im Gebühren- und Entgeltaufkommen unter Zugrundelegung eines Zeitraums von vier Jahren (2010 - 2013) hingewiesen. Bei der von der Beklagten hierfür angestellten Berechnung dürfte unter Umständen schon zweifelhaft sein, dass hierbei die tatsächlich in den Jahren 2010 bis 2013 vereinnahmten Gebühren und Entgelte berücksichtigt wurden, die hinsichtlich des Aufkommens für das Jahr 2013 bei der anzustellenden Prognose noch nicht vorhanden waren und deren tatsächliche Höhe im Jahr 2013 zudem deutlich über den im Wirtschaftsplan angesetzten Gebühren (Wirtschaftsplan: 792.000 EUR; Ist: 958.000 EUR) bzw. Entgelten (Wirtschaftsplan: 2.764.500 EUR; Ist: 2.928.000 EUR) lag. Als Ausgangspunkt für die vom Bundesverwaltungsgericht geforderte Prognose erweisen sich damit diese Zahlen eher als ungeeignet. Es kommt hinzu, dass die Schwankungsbreite bei Gebühren und Auslagen 478.000 EUR beträgt und nach den Angaben der Vertreter der Beklagten in der Berufungsverhandlung bereits zu einem Drittel bei dem Ansatz der Höhe der zu erwartenden Gebühren und Entgelte im Wirtschaftsplan für das Jahr 2013 berücksichtigt wurde, während die Liquiditätsrücklage mit über 1,3 Millionen EUR dotiert wurde und damit bei knapp dem Dreifachen der Schwankungsbreite lag. Ob dies durch die Betrachtung von schwankungsbedingten Ausfällen von mehreren Jahren oder unter Hinzurechnung der Risiken der Pensionsrückstellungen zu rechtfertigen ist, dürfte ebenfalls eher zweifelhaft sein, zumal da nach den Angaben der Vertreter der Beklagten in der Berufungsverhandlung hinsichtlich der Pensionsrückstellungen nur eine Ausgleichssumme von 160.000 EUR pro Jahr und nicht - wie zunächst geltend gemacht - ein Mehraufwand von 2,1 Millionen EUR - berechnet auf drei Jahre - in die Prognose eingeht. Darüber hinaus hat die Beklagte in der Berufungsverhandlung geltend gemacht, die Liquiditätsrücklage habe zudem den Zweck einer Anfangsfinanzierung im ersten Quartal des Jahres, nachdem ihre Mitglieder erst im März des Jahres veranlagt würden und die (ersten) Beiträge erst im April eines jeden Jahres eingingen; um die erforderlichen Ausgaben (700.000 bis 800.000 EUR pro Monat) in diesem Zeitraum ohne die Inanspruchnahme von Krediten tätigen zu können, werde auf die Liquiditätsrücklage zurückgegriffen. Insofern fällt allerdings auf, dass bei einem Bedarf von 2,1 bis 2,4 Millionen EUR im ersten Quartal eine Liquiditätsrücklage von etwa 1,339 Millionen EUR, die zudem noch dem Ausgleich von Schwankungen im Gebühren- und Entgelteinkommen und das Zinsrisiko bei den Pensionsstellungen abdecken soll, nicht hinreichend wäre. Insgesamt erscheint das von der Beklagten im Verlaufe des Verfahrens und in der Berufungsverhandlung vorgetragene Konzept und die diesem zu Grunde liegende Prognose zur Höhe der Liquiditätsrücklage nicht hinreichend nachvollziehbar, um den dargestellten Prognoseanforderungen, die sich aus dem Grundsatz der Haushaltswahrheit ergeben, Rechnung tragen zu können.
36 
Dies bedarf aber keiner weiteren Betrachtung, denn die in dem Wirtschaftsplan für das Jahr 2013 eingestellte weitere Ausgleichsrücklage erweist sich als rechtswidrig. Zwar ist nach § 15 Abs. 3 Satz 1 des Finanzstatuts der Beklagten vom 02.12.2005 eine Ausgleichsrücklage anzusammeln, die zwischen 30 v.H. und 50 v.H. der Betriebsaufwendungen beträgt, um Schwankungen im Beitragsaufkommen zu vermeiden, und dient eine solche Rücklage einem zulässigen sachlichen Zweck. Allerdings muss das Maß dieser Rücklage noch von diesem Zweck gedeckt sein. Dies ist hier jedenfalls bei der weiteren Ausgleichsrücklage nicht der Fall.
37 
Schon bei der Bildung der Ausgleichsrücklage in Höhe von 2.777.948,19 EUR bestehen hieran durchgreifende Zweifel, wobei nicht näher der Frage nachgegangen werden muss, ob bei der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlichen Prognose lediglich eine gesonderte Risikoabschätzung in dem von dem Finanzstatut gebildeten Rahmen von 30 bis 50 v.H. der Betriebsaufwendungen (so: Jahn, a.a.O., GewArch 2016, 617) oder ob - wie die Klägerin meint - insgesamt eine solche Prognose vorzunehmen ist, wenn und weil sich der im Finanzstatut gebildete Rahmen als rechtswidrig erweist. Bezüglich der Höhe der Ausgleichsrücklage macht die Beklagte geltend, dass sich die Meldungen der Gewerbeerträge durch das Finanzamt über einen Zeitraum von vier Abrechnungsjahren hinzögen, so dass für die Bestimmung der Schwankungen im Beitragsaufkommen (wiederum) der Vier-Jahres-Zeitraum von 2010 bis 2013 zu Grunde zu legen sei. Bei dieser Betrachtung ergebe sich eine Schwankungsbreite von 2,72 Millionen EUR, die in dieser Höhe durch die im Wirtschaftsplan festgelegte Höhe der Ausgleichsrücklage von 2,77 Millionen EUR abgebildet werde. Allerdings ist auch hier zu berücksichtigen, dass bei dieser von der Beklagten vorgelegten Berechnung das tatsächliche Beitragsaufkommen herangezogen wurde, das für das Jahr 2013 einer entsprechenden Prognose naturgemäß nicht zu Grunde gelegt werden konnte. Die Zahlen für das Jahr 2013 haben aber insoweit keine ausschlaggebende Bedeutung, weil sie sich jeweils unterhalb der höchsten und oberhalb der niedrigsten Eingänge der Jahre 2010 bis 2013 bewegten. Unschädlich dürfte weiter sein, dass die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 27.10.2014 hinsichtlich der Entnahmen aus den Ausgleichsrücklagen ausgeführt hat, dass sie „dabei“ gemäß dem Vorsorgeprinzip auch den zu erwartenden erheblichen Kosten für den geplanten und nunmehr anstehenden Neubau des Bildungszentrums Rechnung getragen habe, um für den Fall unvorhergesehener Kostensteigerungen hinreichende finanzielle Mittel zur Verfügung zu haben. Denn der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat in der Berufungsverhandlung dazu ausgeführt, dass es sich hierbei um eine unglückliche Formulierung gehandelt habe und sie dahin zu verstehen sei, dass diese Kosten bei der Haushaltsplanung berücksichtigt worden seien. Hingegen ist bezüglich der Dotierung der Ausgleichsrücklage in den Blick zu nehmen, dass nach den Angaben der Beklagten in der Berufungsverhandlung ein Drittel der Schwankungsbreite bereits beim Ansatz des Beitragsaufkommens im Wirtschaftsplan 2013 und lediglich zwei Drittel bei der Rücklage berücksichtigt worden sind. Insoweit dürfte die von der Beklagten geltend gemachte Schwankungsbreite nur eine Höhe der Ausgleichsrücklage von ca. 1,81 Millionen EUR rechtfertigen. Ob sich unter diesen Umständen die von der Beklagten im Wirtschaftsplan für das Jahr 2013 zu Grunde gelegte Ausgleichsrücklage von 2,72 Millionen EUR noch als angemessen erweist, bedarf indes keiner abschließenden Bewertung.
38 
Jedenfalls ist das Hinzutreten einer „weiteren“ im Wirtschaftsplan für das Jahr 2013 mit einer Höhe von 435.777,57 EUR ausgewiesenen Ausgleichsrücklage rechtswidrig. Dabei kann offenbleiben, ob die Bildung von zwei Ausgleichsrücklagen nach dem Finanzstatut der Beklagten vom 02.12.2005 überhaupt rechtlich zulässig ist. Nach den Auskünften der Vertreter der Beklagten in der Berufungsverhandlung sollte die Ausgleichsrücklage in Höhe von 2,77 Millionen EUR dem Ausgleich allgemeiner Schwankungen im Beitragsaufkommen und die weitere Rücklage dem Ausgleich besonderer Schwankungen dienen, die durch den Eintritt der Weltwirtschaftskrise ab 2007 mit einhergehender Finanz- und Bankenkrise befürchtet worden seien. Hinsichtlich dieser „weiteren“ Ausgleichsrücklage ist aber weder ersichtlich noch auf Nachfrage in der Berufungsverhandlung hinreichend erläutert worden, warum diese Risiken nicht mit der allgemeinen Ausgleichsrücklage abgedeckt werden konnten, insbesondere nachdem nur zwei Drittel der Schwankungsbreite im Beitragsaufkommen (ca. 1,81 Millionen EUR) durch die Ausgleichsrücklage in Höhe von 2,77 Millionen EUR abgebildet werden sollten und auf diese Rücklage - mit Ausnahme für das Jahr 2003 in Höhe von 828.349,58 EUR (vgl. Aufstellung der Entnahmen aus den Rücklagen der IHK ..., vorgelegt mit Schriftsatz der Beklagten vom 31.10.2016; anders noch der Schriftsatz der Beklagten vom 27.10.2014: Rückgriffe auf die Ausgleichsrücklage auch in den Jahren 2004 und 2005, die nach der mit Schriftsatz vom 31.10.2016 vorgelegten Aufstellung jedoch aus der Liquiditätsrücklage erfolgten) - nicht zurückgegriffen wurde. Auch hinsichtlich der Höhe der Ausgleichsrücklage hat die Beklagte keinerlei Angaben gemacht, die den Anforderungen an die Schätzgenauigkeit entsprechen würden.
39 
Zwar hat die Beklagte die mit Wirtschaftsplan für das Jahr 2008 erstmals in Höhe von 400.000 EUR gebildete, mit Wirtschaftsplänen für das Jahr 2009 auf 517.777,57 EUR und für die Jahre 2010 und 2011 auf 817.777,57 EUR erhöhte „weitere“ Ausgleichsrücklage mit Wirtschaftsplan für das Jahr 2012 auf 617.777,57 EUR und mit dem hier streitgegenständlichen Wirtschaftsplan für das Jahr 2013 auf 435.777,57 EUR reduziert (vgl. die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 19.04.2016 vorgelegte Präsentation in der Sitzung der Vollversammlung vom 29.11.2012). Jedoch ist eine unzulässig gebildete oder überhöhte Rücklagenbildung baldmöglichst (so BVerwG, Urteil vom 09.12.2015, a.a.O.) aufzulösen bzw. auf ein zulässiges Maß zurückzuführen. Diesem Erfordernis genügt der erst mit Wirtschaftsplan für das Jahr 2012 einsetzende und zudem über den Zeitraum von mehreren Jahren (bis zum Jahr 2016) dauernde sukzessive Abbau und die Auflösung der „weiteren“ Ausgleichsrücklage nicht.
40 
Auch eine Gesamtbetrachtung der gebildeten Liquiditäts- und Ausgleichsrücklagen führt zu der Beurteilung, dass jedenfalls die im Wirtschaftsplan 2013 angesetzte „weitere“ Ausgleichsrücklage rechtswidrig war. Insgesamt hat der Beklagte Liquiditäts- und Ausgleichsrücklagen in Höhe von 4.553.451,74 EUR und damit in Höhe von 55,9 v.H. des Betriebsaufwandes gebildet. Am 18.07.2014 hat die Vollversammlung der Beklagten ein Finanzstatut beschlossen, nach der die Beklagte eine Ausgleichsrücklage zu bilden hat, die dem Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen dient und 25 - 50 v.H. der Summe der geplanten Aufwendungen (§ 15a Nr. 2 des Finanzstatuts) beträgt; die Liquiditätsrücklage ist bis spätestens zum 31.12.2018 zu verwenden (§ 24 Satz 2 des Finanzstatuts); hierbei können die Beitragssätze gesenkt, nach der Planung entstehende Jahresfehlbeträge durch Entnahme aus der Liquiditätsrücklage gedeckt oder die Liquiditätsrücklage nach dem Gestaltungsspielraum der Vollversammlung und unter Beachtung der erforderlichen Risikoprognose anderen Zwecken zugeführt werden (vgl. Jahn, a.a.O., GewArch 2016, 267). Nach den Angaben der Vertreter der Beklagten in der Berufungsverhandlung beträgt die für das Wirtschaftsjahr 2016 gebildete Ausgleichsrücklage etwa 2,3 Millionen EUR und macht damit etwa 28 v.H. des Betriebsaufwandes aus. Nachdem diese Ausgleichsrücklage als neue Pflichtrücklage der umfassenden Absicherung aller Ertrags- und Aufwandrisiken einer Industrie- und Handelskammer dient (vgl. dazu: Jahn, Das neue Finanzstatut der Industrie- und Handelskammer, GewArch, 2014, 64, 67) und damit an die Stelle der für das Wirtschaftsjahr 2013 gebildeten Ausgleichsrücklage (in Höhe von 34,1 v.H. des Betriebsaufwandes), der „weiteren Ausgleichsrücklage (in Höhe von 5,4 v.H. des Betriebsaufwandes) und jedenfalls eines Teils der Liquiditätsrücklage, nämlich soweit diese dazu dienen sollte, Schwankungen des Aufkommens aus eigenerwirtschafteten Einnahmen (Entgelte und Gebühren) abzusichern, tritt, ist die Höhe dieser im Jahr 2013 gebildeten Rücklagen (deutlich mehr als 39,5 v.H. des Betriebsaufwandes) gegenüber der für das Jahr 2016 gebildeten Ausgleichsrücklage in Höhe von ca. 28 v.H. des Betriebsaufwandes rechtfertigungsbedürftig. Eine Erklärung hierfür sind die Vertreter der Beklagten in der Berufungsverhandlung schuldig geblieben. Der Geschäftsführer der Beklagten führte insoweit lediglich aus, dass man „jetzt“ die Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts berücksichtige.
41 
Erweist sich damit für das Wirtschaftsjahr 2013 die weitere Ausgleichsrücklage als rechtswidrig, ist auch nicht mehr den Fragen nachzugehen, ob die Gebäudeinstandhaltungsrücklage rechtmäßig ist, sowie ob und inwieweit die Höhe der Nettoposition, deren Zusammensetzung die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht näher erläutern konnten, Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des von der Klägerin angegriffenen Beitragsbescheides hat.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Grund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 2. November 2016
45 
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren gemäß §§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG, 47 Abs. 1 GKG auf 696,17 EUR festgesetzt.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
27 
Nach Übergabe der Urteilsformel an die Geschäftsstelle gemäß §§ 116 Abs. 2, 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO am 02.11.2016 konnte der Senat die am 04.11.2016 und am 09.11.2016 eingegangenen Schriftsätze der Beteiligten, die im Wesentlichen deren Vorbringen aus der Berufungsverhandlung wiederholen und vertiefen, bei der Entscheidungsfindung nicht mehr berücksichtigen (vgl. zur Verbindlichkeit von Urteilen nach Übergabe des Tenors an die Geschäftsstelle: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.03.1999 - A 14 S 1361/97 -, NVwZ-RR 2000, 125).
28 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der gegen den Beitragsbescheid der Beklagten vom 01.03.2013 und deren Widerspruchsbescheid vom 10.04.2013 gerichteten Klage stattgeben müssen. Diese Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der hierin festgesetzte IHK-Beitrag für das Jahr 2013 steht nicht mit § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (Industrie- und Handelskammergesetz - IHKG) vom 18.12.1956 (BGBl. I S. 920) in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 7 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes vom 07.09.2007 (BGBl. I 2007, 2246) in Einklang. Nach Satz 1 dieser Norm werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung erbracht. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG ist der Wirtschaftsplan jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.
29 
Das Gesetz legt damit der Beitragserhebung eine zweistufige Willensbildung der Kammer zu Grunde. Auf der ersten Stufe stellt die Kammer - im Voraus für das Wirtschaftsjahr - den Wirtschaftsplan auf, der vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf prognostiziert, den es durch die Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 09.12.2015 - 10 C 6.15 -, BVerwGE 153, 315).
30 
Bei der hier nur im Streit stehenden Willensbildung auf der ersten Stufe ist auch im Beitragsrechtsstreit inzident zu prüfen, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan den insoweit zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Bei dieser Prüfung ist zu beachten, dass die Kammer hinsichtlich der Aufstellung des Wirtschaftsplans einen weiten Gestaltungsspielraum hat und der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nur unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. Dieser in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegte Rahmen wird gebildet durch § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG (die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen), die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung (§ 3 Abs. 7a IHKG), die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie durch ergänzende Satzungsbestimmungen. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dies bedeutet, dass Prognosen aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen müssen. Ist dies der Fall, ist es unschädlich, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als unrichtig erweist.
31 
Im Hinblick auf die von der Klägerin allein beanstandete Rücklagenbildung bedeutet dies, dass das Verbot der Bildung von Vermögen nicht die Bildung von Rücklagen ausschließt, sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit bindet. Zudem muss auch die Höhe der Rücklage von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein. Eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Wirtschaftsplan - und damit jährlich - erneut treffen. Deshalb ist ein Wirtschaftsplan nicht nur dann rechtswidrig, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält.
32 
Gemessen an diesen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 09.12.2015, a.a.O.) gebildeten Maßstäben erweist sich die Rücklagenbildung der Beklagten im Wirtschaftsplan für das Jahr 2013 und damit auch die Festsetzung des Mitgliedsbeitrags für die Klägerin für das Jahr 2013 als rechtswidrig.
33 
Anders als die Beklagte meint, sind diese für die Zulässigkeit der Rücklagenbildung im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Maßstäbe nicht nur bei einer IHK-Haushaltsplanung zu berücksichtigen, die nach den Grundsätzen der Kameralistik aufgestellt wurde (so in dem dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Grunde liegenden Fall), sondern finden auch bei der Aufstellung eines Wirtschaftsplans Anwendung, bei der - wie hier im Wirtschaftsjahr 2013 - die Beklagte die Grundsätze der doppischen Haushaltsführung nach § 3 Abs. 7a IHKG mit Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanzierung sowie der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung zu beachten hat. So wird die Bildung von angemessenen Rücklagen auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung vom Bundesverwaltungsgericht für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaften als weiterhin notwendig und zu einer geordneten Haushaltsführung gehörend bezeichnet (BVerwG, Urteil vom 09.12.2015, a.a.O., RdNr. 17; vgl. auch: Wiemers, Anmerkung zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2015, NVwZ 2016, 615, 616; Jahn, Beitragsveranlagung, Rücklagen und unzulässige Vermögensbildung durch die Industrie- und Handelskammern, GewArch 2016, 263, 265). Dem Senat ist nicht ersichtlich, warum im Rahmen der auf Grundlage der Doppik erstellten Haushalte die bloße - buchungstechnische - Darstellung der Rücklagen als Passivposten einer Vermögensrechnung (Bilanz) an der rechtlichen Bewertung der Zulässigkeit von Rücklagen etwas ändern sollte. Anders als im kameralen System handelt es sich bei Passivposten einer Vermögensrechnung zwar nicht um bei Bedarf verwendbare liquide Mittel, da diese Funktion im doppischen Haushaltssystem das Umlaufvermögen (z.B. Bankguthaben, Wertpapiere) übernimmt. Doppische Rücklagen dienen zusammen mit den restlichen Passivposten der Deckung der Aktivseite der Vermögensrechnung, sind also als Teil des Eigenkapitals zu verstehen, allerdings mit der Besonderheit, dass die Rücklagenpositionen gesondert ausgewiesen werden. Um ihren jeweils zugeschriebenen Zweck erfüllen zu können, sind die auf der Passivseite einer Vermögensrechnung aufgeführten Rücklagen jedoch durch entsprechende Aktiva zu unterlegen, die gegebenenfalls kurzfristig aufgelöst werden können (vgl. Jahn, Zulässigkeit und Grenzen der Rücklagenbildung durch Kammern am Beispiel der Industrie- und Handelskammern, GewArch 2013, 49, 51). Dem entspricht es hier, dass die Beklagte ausweislich der mit Schriftsatz vom 31.10.2016 vorgelegten Aufstellung auch nach Einführung der doppischen Haushaltsführung Entnahmen aus den jeweils gebildeten Rücklagen vorgenommen hat.
34 
Offenbleiben kann, ob die Bildung und Aufrechterhaltung der Liquiditätsrücklage in Höhe von 1.339.725,98 EUR im Wirtschaftsplan 2013 den oben genannten Anforderungen entsprach. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 des von der Vollversammlung der Beklagten am 02.12.2005 beschlossenen und hier einschlägigen Finanzstatuts kann neben einer Ausgleichsrücklage eine Liquiditätsrücklage in Höhe von höchstens 50 v.H. der Summe der Betriebsaufwendungen gebildet werden, die der Aufrechterhaltung einer ordentlichen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten dient. Die Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeausfällen oder Einnahmeverzögerungen stellt einen sachlichen Zweck dar, der die Bildung einer Liquiditätsrücklage grundsätzlich rechtfertigt (BVerwG, Urteil vom 09.12.2015, a.a.O.). Ob es hier zu beanstanden ist, dass die Beklagte - wie schriftsätzlich geltend gemacht - die Liquiditätsrücklage gebildet hat, um Risiken absichern, die durch Schwankungen im Aufkommen von Gebühren (Berufsgebühren, sonstige Gebühren) und Entgelten (Weiterbildungseinnahmen, Zuschüsse Bund/Land/Agentur) sowie bei Pensionsrückstellungen inklusive Zinsen auftreten, bedarf keiner Klärung. Insoweit könnte sich die Frage stellen, ob die Bildung einer Liquiditätsrücklage zu dem in dem Finanzstatut geregelten Zweck nicht nur den vorübergehenden Ausfall von Gebühren und Entgelten, sondern auch den endgültigen Ausfall umfassen kann (vgl. zu dieser Differenzierung: BVerwG, Urteil vom 09.12.2005, a.a.O.).
35 
Ferner erscheint diesbezüglich fraglich, ob das Maß der Rücklage noch von einem solchen sachlichen Zweck gedeckt ist, die Beklagte insbesondere den Grundsatz der Haushaltswahrheit und aus ihm folgend das Gebot der Schätzgenauigkeit beachtet hat. Die Beklagte hat diesbezüglich auf eine Schwankungsbreite von 478.000 EUR im Gebühren- und Entgeltaufkommen unter Zugrundelegung eines Zeitraums von vier Jahren (2010 - 2013) hingewiesen. Bei der von der Beklagten hierfür angestellten Berechnung dürfte unter Umständen schon zweifelhaft sein, dass hierbei die tatsächlich in den Jahren 2010 bis 2013 vereinnahmten Gebühren und Entgelte berücksichtigt wurden, die hinsichtlich des Aufkommens für das Jahr 2013 bei der anzustellenden Prognose noch nicht vorhanden waren und deren tatsächliche Höhe im Jahr 2013 zudem deutlich über den im Wirtschaftsplan angesetzten Gebühren (Wirtschaftsplan: 792.000 EUR; Ist: 958.000 EUR) bzw. Entgelten (Wirtschaftsplan: 2.764.500 EUR; Ist: 2.928.000 EUR) lag. Als Ausgangspunkt für die vom Bundesverwaltungsgericht geforderte Prognose erweisen sich damit diese Zahlen eher als ungeeignet. Es kommt hinzu, dass die Schwankungsbreite bei Gebühren und Auslagen 478.000 EUR beträgt und nach den Angaben der Vertreter der Beklagten in der Berufungsverhandlung bereits zu einem Drittel bei dem Ansatz der Höhe der zu erwartenden Gebühren und Entgelte im Wirtschaftsplan für das Jahr 2013 berücksichtigt wurde, während die Liquiditätsrücklage mit über 1,3 Millionen EUR dotiert wurde und damit bei knapp dem Dreifachen der Schwankungsbreite lag. Ob dies durch die Betrachtung von schwankungsbedingten Ausfällen von mehreren Jahren oder unter Hinzurechnung der Risiken der Pensionsrückstellungen zu rechtfertigen ist, dürfte ebenfalls eher zweifelhaft sein, zumal da nach den Angaben der Vertreter der Beklagten in der Berufungsverhandlung hinsichtlich der Pensionsrückstellungen nur eine Ausgleichssumme von 160.000 EUR pro Jahr und nicht - wie zunächst geltend gemacht - ein Mehraufwand von 2,1 Millionen EUR - berechnet auf drei Jahre - in die Prognose eingeht. Darüber hinaus hat die Beklagte in der Berufungsverhandlung geltend gemacht, die Liquiditätsrücklage habe zudem den Zweck einer Anfangsfinanzierung im ersten Quartal des Jahres, nachdem ihre Mitglieder erst im März des Jahres veranlagt würden und die (ersten) Beiträge erst im April eines jeden Jahres eingingen; um die erforderlichen Ausgaben (700.000 bis 800.000 EUR pro Monat) in diesem Zeitraum ohne die Inanspruchnahme von Krediten tätigen zu können, werde auf die Liquiditätsrücklage zurückgegriffen. Insofern fällt allerdings auf, dass bei einem Bedarf von 2,1 bis 2,4 Millionen EUR im ersten Quartal eine Liquiditätsrücklage von etwa 1,339 Millionen EUR, die zudem noch dem Ausgleich von Schwankungen im Gebühren- und Entgelteinkommen und das Zinsrisiko bei den Pensionsstellungen abdecken soll, nicht hinreichend wäre. Insgesamt erscheint das von der Beklagten im Verlaufe des Verfahrens und in der Berufungsverhandlung vorgetragene Konzept und die diesem zu Grunde liegende Prognose zur Höhe der Liquiditätsrücklage nicht hinreichend nachvollziehbar, um den dargestellten Prognoseanforderungen, die sich aus dem Grundsatz der Haushaltswahrheit ergeben, Rechnung tragen zu können.
36 
Dies bedarf aber keiner weiteren Betrachtung, denn die in dem Wirtschaftsplan für das Jahr 2013 eingestellte weitere Ausgleichsrücklage erweist sich als rechtswidrig. Zwar ist nach § 15 Abs. 3 Satz 1 des Finanzstatuts der Beklagten vom 02.12.2005 eine Ausgleichsrücklage anzusammeln, die zwischen 30 v.H. und 50 v.H. der Betriebsaufwendungen beträgt, um Schwankungen im Beitragsaufkommen zu vermeiden, und dient eine solche Rücklage einem zulässigen sachlichen Zweck. Allerdings muss das Maß dieser Rücklage noch von diesem Zweck gedeckt sein. Dies ist hier jedenfalls bei der weiteren Ausgleichsrücklage nicht der Fall.
37 
Schon bei der Bildung der Ausgleichsrücklage in Höhe von 2.777.948,19 EUR bestehen hieran durchgreifende Zweifel, wobei nicht näher der Frage nachgegangen werden muss, ob bei der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlichen Prognose lediglich eine gesonderte Risikoabschätzung in dem von dem Finanzstatut gebildeten Rahmen von 30 bis 50 v.H. der Betriebsaufwendungen (so: Jahn, a.a.O., GewArch 2016, 617) oder ob - wie die Klägerin meint - insgesamt eine solche Prognose vorzunehmen ist, wenn und weil sich der im Finanzstatut gebildete Rahmen als rechtswidrig erweist. Bezüglich der Höhe der Ausgleichsrücklage macht die Beklagte geltend, dass sich die Meldungen der Gewerbeerträge durch das Finanzamt über einen Zeitraum von vier Abrechnungsjahren hinzögen, so dass für die Bestimmung der Schwankungen im Beitragsaufkommen (wiederum) der Vier-Jahres-Zeitraum von 2010 bis 2013 zu Grunde zu legen sei. Bei dieser Betrachtung ergebe sich eine Schwankungsbreite von 2,72 Millionen EUR, die in dieser Höhe durch die im Wirtschaftsplan festgelegte Höhe der Ausgleichsrücklage von 2,77 Millionen EUR abgebildet werde. Allerdings ist auch hier zu berücksichtigen, dass bei dieser von der Beklagten vorgelegten Berechnung das tatsächliche Beitragsaufkommen herangezogen wurde, das für das Jahr 2013 einer entsprechenden Prognose naturgemäß nicht zu Grunde gelegt werden konnte. Die Zahlen für das Jahr 2013 haben aber insoweit keine ausschlaggebende Bedeutung, weil sie sich jeweils unterhalb der höchsten und oberhalb der niedrigsten Eingänge der Jahre 2010 bis 2013 bewegten. Unschädlich dürfte weiter sein, dass die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 27.10.2014 hinsichtlich der Entnahmen aus den Ausgleichsrücklagen ausgeführt hat, dass sie „dabei“ gemäß dem Vorsorgeprinzip auch den zu erwartenden erheblichen Kosten für den geplanten und nunmehr anstehenden Neubau des Bildungszentrums Rechnung getragen habe, um für den Fall unvorhergesehener Kostensteigerungen hinreichende finanzielle Mittel zur Verfügung zu haben. Denn der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat in der Berufungsverhandlung dazu ausgeführt, dass es sich hierbei um eine unglückliche Formulierung gehandelt habe und sie dahin zu verstehen sei, dass diese Kosten bei der Haushaltsplanung berücksichtigt worden seien. Hingegen ist bezüglich der Dotierung der Ausgleichsrücklage in den Blick zu nehmen, dass nach den Angaben der Beklagten in der Berufungsverhandlung ein Drittel der Schwankungsbreite bereits beim Ansatz des Beitragsaufkommens im Wirtschaftsplan 2013 und lediglich zwei Drittel bei der Rücklage berücksichtigt worden sind. Insoweit dürfte die von der Beklagten geltend gemachte Schwankungsbreite nur eine Höhe der Ausgleichsrücklage von ca. 1,81 Millionen EUR rechtfertigen. Ob sich unter diesen Umständen die von der Beklagten im Wirtschaftsplan für das Jahr 2013 zu Grunde gelegte Ausgleichsrücklage von 2,72 Millionen EUR noch als angemessen erweist, bedarf indes keiner abschließenden Bewertung.
38 
Jedenfalls ist das Hinzutreten einer „weiteren“ im Wirtschaftsplan für das Jahr 2013 mit einer Höhe von 435.777,57 EUR ausgewiesenen Ausgleichsrücklage rechtswidrig. Dabei kann offenbleiben, ob die Bildung von zwei Ausgleichsrücklagen nach dem Finanzstatut der Beklagten vom 02.12.2005 überhaupt rechtlich zulässig ist. Nach den Auskünften der Vertreter der Beklagten in der Berufungsverhandlung sollte die Ausgleichsrücklage in Höhe von 2,77 Millionen EUR dem Ausgleich allgemeiner Schwankungen im Beitragsaufkommen und die weitere Rücklage dem Ausgleich besonderer Schwankungen dienen, die durch den Eintritt der Weltwirtschaftskrise ab 2007 mit einhergehender Finanz- und Bankenkrise befürchtet worden seien. Hinsichtlich dieser „weiteren“ Ausgleichsrücklage ist aber weder ersichtlich noch auf Nachfrage in der Berufungsverhandlung hinreichend erläutert worden, warum diese Risiken nicht mit der allgemeinen Ausgleichsrücklage abgedeckt werden konnten, insbesondere nachdem nur zwei Drittel der Schwankungsbreite im Beitragsaufkommen (ca. 1,81 Millionen EUR) durch die Ausgleichsrücklage in Höhe von 2,77 Millionen EUR abgebildet werden sollten und auf diese Rücklage - mit Ausnahme für das Jahr 2003 in Höhe von 828.349,58 EUR (vgl. Aufstellung der Entnahmen aus den Rücklagen der IHK ..., vorgelegt mit Schriftsatz der Beklagten vom 31.10.2016; anders noch der Schriftsatz der Beklagten vom 27.10.2014: Rückgriffe auf die Ausgleichsrücklage auch in den Jahren 2004 und 2005, die nach der mit Schriftsatz vom 31.10.2016 vorgelegten Aufstellung jedoch aus der Liquiditätsrücklage erfolgten) - nicht zurückgegriffen wurde. Auch hinsichtlich der Höhe der Ausgleichsrücklage hat die Beklagte keinerlei Angaben gemacht, die den Anforderungen an die Schätzgenauigkeit entsprechen würden.
39 
Zwar hat die Beklagte die mit Wirtschaftsplan für das Jahr 2008 erstmals in Höhe von 400.000 EUR gebildete, mit Wirtschaftsplänen für das Jahr 2009 auf 517.777,57 EUR und für die Jahre 2010 und 2011 auf 817.777,57 EUR erhöhte „weitere“ Ausgleichsrücklage mit Wirtschaftsplan für das Jahr 2012 auf 617.777,57 EUR und mit dem hier streitgegenständlichen Wirtschaftsplan für das Jahr 2013 auf 435.777,57 EUR reduziert (vgl. die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 19.04.2016 vorgelegte Präsentation in der Sitzung der Vollversammlung vom 29.11.2012). Jedoch ist eine unzulässig gebildete oder überhöhte Rücklagenbildung baldmöglichst (so BVerwG, Urteil vom 09.12.2015, a.a.O.) aufzulösen bzw. auf ein zulässiges Maß zurückzuführen. Diesem Erfordernis genügt der erst mit Wirtschaftsplan für das Jahr 2012 einsetzende und zudem über den Zeitraum von mehreren Jahren (bis zum Jahr 2016) dauernde sukzessive Abbau und die Auflösung der „weiteren“ Ausgleichsrücklage nicht.
40 
Auch eine Gesamtbetrachtung der gebildeten Liquiditäts- und Ausgleichsrücklagen führt zu der Beurteilung, dass jedenfalls die im Wirtschaftsplan 2013 angesetzte „weitere“ Ausgleichsrücklage rechtswidrig war. Insgesamt hat der Beklagte Liquiditäts- und Ausgleichsrücklagen in Höhe von 4.553.451,74 EUR und damit in Höhe von 55,9 v.H. des Betriebsaufwandes gebildet. Am 18.07.2014 hat die Vollversammlung der Beklagten ein Finanzstatut beschlossen, nach der die Beklagte eine Ausgleichsrücklage zu bilden hat, die dem Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen dient und 25 - 50 v.H. der Summe der geplanten Aufwendungen (§ 15a Nr. 2 des Finanzstatuts) beträgt; die Liquiditätsrücklage ist bis spätestens zum 31.12.2018 zu verwenden (§ 24 Satz 2 des Finanzstatuts); hierbei können die Beitragssätze gesenkt, nach der Planung entstehende Jahresfehlbeträge durch Entnahme aus der Liquiditätsrücklage gedeckt oder die Liquiditätsrücklage nach dem Gestaltungsspielraum der Vollversammlung und unter Beachtung der erforderlichen Risikoprognose anderen Zwecken zugeführt werden (vgl. Jahn, a.a.O., GewArch 2016, 267). Nach den Angaben der Vertreter der Beklagten in der Berufungsverhandlung beträgt die für das Wirtschaftsjahr 2016 gebildete Ausgleichsrücklage etwa 2,3 Millionen EUR und macht damit etwa 28 v.H. des Betriebsaufwandes aus. Nachdem diese Ausgleichsrücklage als neue Pflichtrücklage der umfassenden Absicherung aller Ertrags- und Aufwandrisiken einer Industrie- und Handelskammer dient (vgl. dazu: Jahn, Das neue Finanzstatut der Industrie- und Handelskammer, GewArch, 2014, 64, 67) und damit an die Stelle der für das Wirtschaftsjahr 2013 gebildeten Ausgleichsrücklage (in Höhe von 34,1 v.H. des Betriebsaufwandes), der „weiteren Ausgleichsrücklage (in Höhe von 5,4 v.H. des Betriebsaufwandes) und jedenfalls eines Teils der Liquiditätsrücklage, nämlich soweit diese dazu dienen sollte, Schwankungen des Aufkommens aus eigenerwirtschafteten Einnahmen (Entgelte und Gebühren) abzusichern, tritt, ist die Höhe dieser im Jahr 2013 gebildeten Rücklagen (deutlich mehr als 39,5 v.H. des Betriebsaufwandes) gegenüber der für das Jahr 2016 gebildeten Ausgleichsrücklage in Höhe von ca. 28 v.H. des Betriebsaufwandes rechtfertigungsbedürftig. Eine Erklärung hierfür sind die Vertreter der Beklagten in der Berufungsverhandlung schuldig geblieben. Der Geschäftsführer der Beklagten führte insoweit lediglich aus, dass man „jetzt“ die Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts berücksichtige.
41 
Erweist sich damit für das Wirtschaftsjahr 2013 die weitere Ausgleichsrücklage als rechtswidrig, ist auch nicht mehr den Fragen nachzugehen, ob die Gebäudeinstandhaltungsrücklage rechtmäßig ist, sowie ob und inwieweit die Höhe der Nettoposition, deren Zusammensetzung die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht näher erläutern konnten, Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des von der Klägerin angegriffenen Beitragsbescheides hat.
42 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
43 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Grund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
44 
Beschluss vom 2. November 2016
45 
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren gemäß §§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG, 47 Abs. 1 GKG auf 696,17 EUR festgesetzt.
46 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Der Bescheid vom 02. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2016 wird insoweit aufgehoben, als er die vorläufige Veranlagung des IHK – Beitrages für das Jahr 2016 betrifft.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt ¾, die Beklagte 1/4 der Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beitragsfestsetzung für die Jahre 2012 bis 2014 und 2016.

2

Der Kläger ist kraft Gesetzes Mitglied der Beklagten und wird als solches von dieser zum Beitrag veranlagt.

3

Die Beklagte forderte den Kläger mit Bescheid vom 02. Februar 2016 auf, im Wege der vorläufigen Veranlagung für das Beitragsjahr 2016 Beiträge in Höhe von 153,00 EUR zu zahlen. Ferner enthielt der Bescheid drei Abschnitte mit der Überschrift „Abrechnung“ für die Beitragsjahre 2012, 2013 und 2014, in denen jeweils die mit früherem Bescheid festgesetzten Beträge aufgeführt waren, sowie in der Spalte „mit diesem Bescheid festgesetzt“ jeweils der Betrag „0,00“ angegeben war. Ferner war der Hinweis enthalten „Wenn zu den oben aufgeführten Beitragsjahren bereits Beitragsbescheide ergangen sind, werden diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben.“

4

Hiergegen erhob der Kläger am 08. Februar 2016 Widerspruch und begründete diesen mit einer aus seiner Sicht unzulässigen Vermögensbildung der Beklagten.

5

Die Beklagte verwarf den Widerspruch mit Bescheid vom 17. Mai 2016 hinsichtlich der Endabrechnungen für die Jahre 2012 bis 2014, da der Kläger durch den Bescheid insoweit nicht beschwert sei. Bezüglich der Veranlagung für das Jahr 2016 wies sie den Widerspruch mit der Begründung zurück, es sei keine unzulässige Vermögensbildung im Rahmen der Wirtschaftsplanung erfolgt und verwies dabei unter anderem auf die im Internet veröffentlichen Jahresabschlüsse der vergangenen fünf Jahre.

6

Unter dem 30. Mai 2016 hat der Kläger Klage erhoben und wiederholt dabei im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt er vor, er sei durch die wiederholende, abrechnende Veranlagung auch hinsichtlich der Jahre 2012 bis 2014 beschwert. Ferner habe die Beklagte auch für 2016 Mitgliedsbeträge unzulässig erhoben, da sie dem Gebot der Schätzgenauigkeit, insbesondere im Hinblick auf die Bemessung der Ausgleichsrücklage nicht genügt habe und ihr durch Reduzierung der zu hohen Rücklagen andere Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Des Weiteren rüge er hinsichtlich aller Zeiträume die Höhe der Ausgleichsrücklage sowie die Festsetzung eines Korridors hierfür in § 15 a Abs. 2 S. 1 der Finanzsatzung der Beklagten, ferner die Höhe der Liquiditätsrücklage in den Jahren 2012 - 2014 und der Nettoposition, durch deren Erhöhung die Beklagte eine unzulässige Vermögensbildung betrieben und gegen die Bestimmungen des eigenen Finanzstatus verstoßen habe. Außerdem sei die Bildung der weiteren Rücklagen nicht ordnungsgemäß, jedenfalls entspreche das Vorhalten des Künstlerfonds nicht der Aufgabenzuweisung der Beklagten. Ebenso habe die Beklagte fehlerhaft Jahresgewinne nicht an die Mitglieder ausgekehrt.

7

Der Kläger beantragt,

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den Bescheid vom 02. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2016 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte macht geltend, die erforderlichen Abwägungen hinsichtlich der Rücklagenbildung getroffen zu haben und verweist insoweit auf den eingereichten Jahresabschluss 2015 sowie die eingereichte Wirtschaftsplanung 2016, auf deren Einzelheiten sie Bezug nimmt. Ferner ist sie der Ansicht, bei der Nettoposition handele es sich lediglich um eine rechnerische Größe, deren Erhöhung aufgrund des tatsächlichen Wertes des Gebäudebestandes als langfristig gebundenes Vermögen anzupassen gewesen sei. Das Bilden der Ausgleichsrücklage sei angesichts ihrer Finanzlage geboten gewesen. Darüber hinaus sei die Ausgleichsrücklage lediglich in Höhe von 2.000.000,00 EUR ausfinanziert. Das tatsächlich vorliegende Vermögen der Ausgleichsrücklage wäre im Übrigen ohne Beitragseinnahmen innerhalb eines Zeitraums von höchstens drei Monaten vollständig aufgebraucht, auch insoweit könne keine unverhältnismäßig hohe Einlagensicherung vorliegen. Eine Liquiditätsrücklage bestehe nicht. Ferner lasse die Nettoposition als rechnerische Größe keinerlei Rückschlüsse auf ihre Vermögenssituation zu. Die Zinsausgleichsrücklage, der Instandsetzungsfonds, der DIHK Pensionsfonds, der Nachwuchsförderungsfonds sowie der Prozesskostenfonds seien jeweils durch Aufgaben oder finanzielle Notwendigkeiten gerechtfertigt, soweit hier überhaupt ein Rückschluss auf die Vermögenslage möglich sei. Bei dem Künstlerfonds, der aufgrund eines Dauerbeschlusses der Vollversammlung in Höhe von 44.350,11 EUR bestehe, handele es sich um einen Vermögensbestandteil zur laufenden Beschaffung von künstlerisch gestalteten Einrichtungsgegenständen, der per se auch im Wirtschaftsplan bei den Beschaffungen für Betriebs- und Geschäftsausstattung abgebildet werden könne, allerdings aus Gründen der Transparenz im Fonds separat ausgewiesen sei.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Soweit die Klage gegen die Ausführungen im Bescheid der Beklagten über die Veranlagungszeiträume 2012, 2013 und 2014 gerichtet ist, ist sie unzulässig (1.), im Übrigen ist sie zulässig und begründet (2.).

14

1. Die von dem Kläger erhobene Anfechtungsklage gegen die Abrechnung der Beitragszeiträume 2012 bis 2014 im Bescheid vom 02.02.2016 ist unzulässig. Die Klage ist insbesondere nicht statthaft, denn der Abrechnung der Beitragsjahre 2012 bis 2014 im Bescheid der Beklagten fehlt es an dem für einen Verwaltungsakt wesentlichen Merkmal der Regelungswirkung.

15

Gemäß § 42 Abs. 1 VwGO kann mittels der Anfechtungsklage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes im Sinne des § 106 Abs. 1 Landesverwaltungsgesetz Schleswig – Holstein (LVwG SH) begehrt werden. Dies setzt aber eine (hoheitliche) Maßnahme mit Regelungswirkung voraus, an der es vorliegend fehlt. Mit der Regelung ist die verbindliche Festlegung von Rechten und Pflichten oder eines Rechtsstatus gemeint (OVG Schleswig, Urteil vom 05. November 1992 – 3 L 36/92 – juris, Rn. 21). Der durch die Beklagte angegriffene Bescheid enthält allerdings lediglich die Abrechnung vergangener Beitragszeiträume und weist darüber hinaus keine eigenständige Regelungswirkung auf.

16

Dem Kläger ist in seinem Verweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 02. März 2016 – 17 K 2912/14 – allerdings insoweit zuzustimmen, als dass dieses Ergebnis nicht bereits aus einer analogen Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 212 b Abgabenordnung a. F. folgt (so wohl VG München, Urteil vom 06. Oktober 2015 – M 16 K 15.2443 – juris, Rn. 20).

17

Nach dem Bundesverwaltungsgericht scheidet eine Anfechtungsklage stets dann aus, wenn gegen einen Berichtigungsbescheid vorgegangen wird der auf eine vorherige, mittlerweile unanfechtbare Festsetzung der Gewerbesteuer Bezug nimmt – die Anfechtungsklage komme dann nur dort in Betracht, wo der Adressat des Bescheides einen Anspruch auf neuerliche Sachentscheidung geltend machen kann. Soweit der Berichtigungsbescheid den nicht korrigierten Bestandteil der bisherigen Gewerbesteuerfestsetzung dem Steuerpflichtigen gegenüber nochmals geltend mache, stelle er sich nicht als neuer Sachbescheid, sondern lediglich als „wiederholende Verfügung“ dar, die nicht mehr selbständig angefochten werden könne (vgl. BVerwG, Urteil vom 05 .März 1971 – VII C 44.68 – juris, Rn. 20 - 24).

18

Diese Erwägungen lassen sich grundsätzlich auch auf die Beitragsordnung der Beklagten übertragen. Gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 erfolgt die Veranlagung durch Bescheid, § 15 Abs. 3 ermöglicht die Veranlagung auf Grundlage einer Schätzung oder aufgrund des letzten Gewerbeertrages und § 16 S. 1 die vorausweise Beitragsveranlagung. Im Rahmen des § 15 Abs. 3 der Beitragsordnung kann dann wegen der Änderung der Bemessungsgrundlage nach Erteilung des Beitragsbescheids durch die Beklagte ein berichtigter Bescheid erlassen werden, der seinerseits entweder eine Erstattung oder eine Nachforderung enthält.

19

Damit steht aber auch fest, dass die Annahme einer erneuten, eigenständigen Sachentscheidung ausscheidet, wenn – wie hier – die Kammer dem Mitglied lediglich den Saldo im Rahmen einer erneuten Aufstellung der Beiträge aus den Vorjahren mitteilt (vgl. aber VG Hamburg, Urteil vom 02. März 2016 a.a.O Rn. 68). Insbesondere sprechen hier schon Wortlaut und Gestaltung der Aufstellung gegen eine neuerliche Sachprüfung, da jeweils auf die bereits ausgeglichenen Beträge Bezug genommen wird und im Übrigen am Ende der Aufstellung der ausdrückliche Hinweis erfolgt, „Wenn zu den oben aufgeführten Beitragsjahren bereits Beitragsbescheide ergangen sind, werden diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben.“ Auch insoweit wird also deutlich, dass gerade keine (neue) Regelung eines Sachverhalts aus der Vergangenheit erfolgen soll (insoweit zustimmend VG Hamburg, Urteil vom 02.März 016 a.a.O.).

20

Das Gericht folgt damit insoweit nicht der Auffassung des VG Hamburg, Urteil vom 02. März 2016 a.a.O., dass, auch wenn die Festsetzung im Ergebnis unverändert ist und sich keine Änderung der Höhe des Beitrags ergibt, der Beitrag im Wege der Abrechnung endgültig festzusetzen ist und dieser Veranlagungsbescheid eine in ihrer Gesamtheit anfechtbare Regelung darstellt. Eine solche „abstrakte“ Festsetzungsverfügung sieht im Übrigen auch die Beitragsordnung der Beklagten gar nicht vor. Auch hat sich insoweit, als das VG Hamburg seine Entscheidung auf entsprechende Literaturstimmen stützt (Bezugnahme auf Jahn, GewArch 2008, 190ff.), jene Ansicht überholt. Vielmehr findet gerade die hier vertretene Auffassung, dass maßgeblich die jeweilige Ausgestaltung und Festsetzung im Einzelfall ist und einer lediglich wiederholenden Aufführung einer früheren Heranziehung zu Bemessungsbeiträgen keine eigenständige Regelungswirkung zukommt, auch in der Literatur Zustimmung (so nunmehr Jahn, GewArch 2016, 263, 270, im Ergebnis auch VG München, Urteil vom 06. Oktober 2015 a.a.O.).

21

Auch wenn man der oben dargestellten Auffassung nicht folgt, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Da für die Jahre 2012 bis 2014 der Beitrag auf 0,00 € festgesetzt wurde und dies eine Begünstigung darstellt, scheidet mangels Beschwer bzw. mangels Vorliegens einer Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO eine Anfechtbarkeit ebenfalls aus (VG Hamburg, Urteil vom 02. März 2016 a.a.O. juris, Rn. 66; VG München, Urteil vom 06. Oktober 2015 a.a.O).

22

2. Hinsichtlich des Beitragsjahres 2016 ist die Klage zulässig und begründet.

23

Der Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er entspricht nicht den rechtlichen Anforderungen an die Beitragsfestsetzung.

24

Die vorläufige Veranlagung zu Kammerbeiträgen der Beklagten findet ihre Grundlage in § 3 Abs. 2 IHKG und der konkretisierenden Beitragsordnung der Industrie- und Handelskammer zu Kiel vom 10. Dezember 2014, flankiert durch die Wirtschaftsplanung der Beklagten vom 15. Dezember 2015 sowie das Finanzstatut vom 28. Oktober 2014.

25

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert dabei neben der Feststellung, ob der im Wirtschaftsplan festgesetzte Mittelbedarf der Kammer rechtmäßig auf die Mitglieder umgelegt worden ist und die Beitragsordnung fehlerfrei angewendet wurde, auch die Überprüfung der Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan als solcher. Dies entspricht der Zweistufigkeit der Willensbildung nach der Gesetzessystematik: Die Kammer stellt zunächst den Wirtschaftsplan für ein Jahr im Voraus auf und prognostiziert so den voraussichtlichen Finanzbedarf nach erwarteten Einnahmen und Ausgaben im Rahmen des Wirtschaftsplans iSd § 3 Abs. 2 S. 1 IHKG, § 3 Abs. 1 des Finanzstatuts. Dieser zu deckende Betrag wird dann auf der zweiten Stufe gemäß einer Beitragsordnung auf die Kammerzugehörigen mittels der konkret zu erhebenden Beiträge umgelegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 2015 – 10 C 6/15 – juris, Rn. 12).

26

Dabei ist zu beachten, dass die Kammer bei der Aufstellung des Wirtschaftsplanes einen weiten Gestaltungsspielraum hat. Der vom Gericht zu überprüfende Rechtsrahmen als Ermessensgrenze umfasst neben § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG, der die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen gebietet, auch die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung, die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (BVerwG, Urteil vom 09. März 2015 – a.a.O Rn. 16.; VG Hamburg, Urteil vom 02. März 2016 a.a.O. Rn. 35). Insbesondere ist dabei zu beachten, dass den Kammern die Bildung von Vermögen untersagt ist (BVerwG, Urteil vom 26. März 1990 – 1 C 45.87 – juris, Rn. 20). Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, können doch auch diese als Teil ordnungsgemäßer Vermögensverwaltung „Kosten“ für die Aufgabenwahrnehmung darstellen – allerdings eben nur, sofern Rücklagen an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit gebunden sind (BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 2015 a.a.O. Rn. 17).

27

Vorliegend hat die Beklagte eine Sachabwägung hinsichtlich der Rücklagenbildung vorgenommen. Insbesondere folgt keine unzulässige Begrenzung durch den „Korridor“ für Ausgleichsrücklagen, ferner ergibt sich die entsprechende Abwägung aus der Wirtschaftsplanung 2016 der Beklagten.

28

Sofern der Kläger geltend macht, die Vorschrift des § 15a des Finanzstatuts der Beklagten stehe hier schon aufgrund der Bildung eines Korridors für zulässige Rücklagen einer rechtmäßigen Rücklagenbildung entgegen, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Dabei kommt es vorliegend nicht auf die Frage an, ob die satzungsmäßige Festlegung eines Mindestbetrags zur Risikovorsorge, beispielsweise 30 v. H. der jährlichen Gesamtaufwendungen, mit dem Gebot der Schätzgenauigkeit in Einklang steht (vgl. zu dieser Differenzierung VGH Mannheim, Urteil vom 02. November 2016 – 6 S 1261/14 – juris, Rn. 37). Denn das Finanzstatut der Beklagten sieht – insoweit auch vom Kläger unbestritten – einen solchen Mindestbetrag gerade nicht vor. Vielmehr ist nach dem Statut auch eine Ausgleichsrücklage von „Null Prozent“ möglich, so dass hinsichtlich der Grenze des finanziell Gebotenen und Notwendigen stets nach dem Statut eine Abwägung zu erfolgen hat. Der Sache nach liegt hierin kein „Korridor“ für die Rücklagenbildung, sondern lediglich eine – nicht zu beanstandende – satzungsmäßige Obergrenze für deren Bildung.

29

Soweit der Kläger im Übrigen mit Nichtwissen zu bestreiten sucht, ob die Sachabwägung vorliegend erfolgt ist und sich die Erwägungen der Beklagten grundsätzlich innerhalb der gerichtlich überprüfbaren Grenzen gehalten haben, weist das Gericht zunächst darauf hin, dass die Vorschrift des § 138 Abs. 4 ZPO, der zufolge die Erklärung mit Nichtwissen nur - aber immerhin - über Tatsachen zulässig ist, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind, im Verwaltungsprozess keine unmittelbare Anwendung findet. Allerdings setzt auch die gerichtliche Amtsermittlungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO zumindest den Vortrag tatsächlicher Umstände voraus dahingehend, dass bestimmte Tatsachen oder Behauptungen geschildert werden, auf die das Gericht seine Untersuchung beziehen kann. Auch wenn es dem Kläger damit grundsätzlich im Einzelfall mangels eigener Kenntnis nicht möglich sein mag, die konkrete Willensbildung der Beklagten nachzuvollziehen, ist dennoch erforderlich, dass er sein Bestreiten substantiiert, also Gründe für die Zweifel anführt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 02. November 2007 – 3 B 58/07 – juris, Rn. 6 mwN.). Auch bei der Vermögensverwaltung mit ihren durchaus komplexen buchhalterischen Abwägungen reicht eine bloße Vermutung ebenso wenig aus wie bloße Hinweise auf die einzelnen Buchungswerte (vgl. VG München, Urteil vom 19. Mai 2015 – M 16 K 14.477 – juris Rn. 29).

30

Insbesondere dürfte vorliegend gerade der Jahresabschluss in seinem Anhang 1.6 sowie im Lagebericht 1.7 den Tatsachenhintergrund aufweisen, vor dem die Beklagte mit der Wirtschaftsplanung 2016 erläuternd eingegangen ist auf die prognostizierte Beitragsentwicklung, mithin ihren Abwägungsvorgang dokumentiert hat. Insoweit wird auf die Anlage B3 Bezug genommen, mit der sich der Kläger nicht (ausreichend) auseinander gesetzt hat. Auch die vorherigen Jahresabschlüsse hätten es dem Kläger in zumutbarer Weise ermöglicht, sich substantiiert mit der Haushaltsführung der Beklagten auseinander zu setzen.

31

Im Hinblick auf die von dem Kläger beanstandete Rücklagenbildung ist indes zu beachten, dass der Beklagten die Bildung von Vermögen grundsätzlich verboten ist. Dies schließt die Bildung von Rücklagen zwar nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Auch die Höhe der Rücklage muss von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein. Eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine erhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Wirtschaftsplan - und damit jährlich - erneut treffen. Deshalb ist ein Wirtschaftsplan nicht nur dann rechtswidrig, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält (vgl. BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 2015 a.a.O., Rn. 17f; VGH Mannheim, Urteil vom 02. November 2016 a.a.O., Rn. 31).

32

Gemessen an diesen Maßstäben begegnet die Rücklagenbildung der Beklagten für das Jahr 2016 und damit auch die Festsetzung des von der Klägerin zu zahlenden Beitrags Bedenken. Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung ist die Beschlussfassung der Vollversammlung der Beklagten am 15.12.2015 über die Wirtschaftssatzung (Beiakte B3; im Folgenden „Wirtschaftsplan“), der gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 des Finanzstatuts festgestellt wurde.

33

Ob insofern die Bildung der Ausgleichsrücklage ordnungsgemäß erfolgt ist, erscheint nicht frei von Zweifeln. Zwar erscheint eine Ausgleichsrücklage zum Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen in Höhe von - maximal - 30 v.H. ohne weitere Darlegungen notwendig und angemessen, um eine ordnungsgemäße Haushaltsführung zu gewährleisten. Denn es ist allgemein nachvollziehbar, dass ein Betrag in Höhe von bis zu 30 v. H. der geplanten Aufwendungen vorgehalten wird, um mögliche Liquiditätsengpässe aufgrund von Beitragsschwankungen und Zahlungsausfall zu vermeiden. Auch wenn § 15a Abs. 3 des FS der Beklagten keine ausdrückliche Untergrenze von 30 v.H., sondern nur eine Obergrenze von 50 v.H. der geplanten Aufwendungen vorsieht, kann dennoch die Mindestdotierung des Musterfinanzstatuts dahingehend herangezogen werden, dass bei einer bis zu dieser Grenze gebildeten Ausgleichsrücklage nicht von einer Vermögensbildung auszugehen wäre. Bei einer Ausgleichsrücklage in Höhe von bis zu 30 v. H. der Aufwendungen spricht jedenfalls die Vermutung dafür, dass eine Ausgleichsrücklage in dieser Höhe angemessen ist, um in dem Haushaltsjahr eine ordnungsgemäße Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten zu gewährleisten und Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen (vgl. VG Köln, Urteil vom 15. Februar 2017 – 1 K 1473/16 - juris Rn. 81). Der von der Beklagten geltend gemachte Zweck der Rücklage, auch bei Mindereinnahmen aufgrund von konjunkturell bedingt schwankenden Einnahmen ihrer Mitglieder stabile Beiträge zu gewährleisten und nicht in konjunkturell schwierigen Phasen die Mitglieder mit Beitragserhöhung zu belasten, dürfte dann ausreichend sein.

34

Vorliegend beträgt die Ausgleichzulage hingegen 34,25 v. H.. Dieser Anteil an den Gesamtaufwendungen ergibt sich auch erst nach Einrechnung einer geplanten Entnahme von 1.119.600,00 €. Vor der geplanten Entnahme betrug der Anteil der Ausgleichsrücklage an den Gesamtaufwendungen sogar 41,23 v. H..

35

In Anbetracht der Überschreitung der 30 v. H. – Grenze, wäre die Beklagte nach Auffassung der Kammer verpflichtet gewesen, im Einzelnen darzulegen, dass sie im Rahmen des ihr aus dem Selbstverwaltungsrecht erwachsenen weiten Gestaltungsspielraums die Grenzen des Vertretbaren eingehalten hat, die Ausgleichsrücklage also plausibel und nachvollziehbar ist. Nach den haushaltsrechtlichen Grundsätzen wäre die Beklagte dann vielmehr stets gehalten, das Bedürfnis für die Ausgleichsrücklage in ihrer konkreten Höhe nachvollziehbar zu begründen und alle voraussichtlich zu erwartenden ergebniswirksamen Schwankungen möglichst zutreffend zu prognostizieren (vgl. VG Koblenz, Urteil vom 25. November 2013 – 3 K 121/12. KO – juris Rn. 41f; VG Düsseldorf, Urteil vom 30. März 2017 – 20 K 3225/15 – juris Rn 345; etwas großzügiger VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. November 2017 – 19 K 903/16 – juris Rn. 44 „…jedenfalls in Grundzügen nachvollziehbar … in transparenter Art und Weise…“),

36

Diese Vorgaben hat die Beklagte nicht eingehalten, weil es insoweit an notwendigen konkreten Darlegungen fehlt.

37

Darüber hinaus ist auch der von der Beklagten vorgehaltene Instandhaltungfonds (Instandhaltungsrücklage) iHv 1.242.753,67 € zu beanstanden.

38

Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt – wie bereits festgestellt –, ob die Beklagte bei der Ausübung des ihr zustehenden weiten Gestaltungsspielraums den durch Rechtsnormen angelegten Rahmen gewahrt hat, wobei zu diesem zu beachtenden – und von den Verwaltungsgerichten zu prüfenden – Rahmen ausdrücklich auch ergänzende Satzungsbestimmungen zählen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 – a.a.O. Rn. 16). Den anzuwendenden Rahmen für zweckbestimmte Rücklagen – wie hier die Instandhaltungsrücklage – bildet § 15 a Abs. 2 Sätze 3 bis 5 Finanzstatut. Zwar enthält § 15a Finanzstatut unmittelbar nur Vorgaben für den Jahresabschluss und nicht für den hier zu überprüfenden Wirtschaftsplan, der in den §§ 7 ff. Finanzstatut geregelt ist. Da nach der Regelungskonzeption des Finanzstatuts im Wirtschaftsplan aber nur die Rücklagenveränderungen anzusetzen und auszuweisen sind (vgl. § 7 Abs. 2 Finanzstatut), die Rücklagen selbst dagegen (nur) in der Bilanz oder im Anhang zum Jahresabschluss gesondert einzeln auszuweisen sind (vgl. § 15 a Abs. 2 Satz 4 Finanzstatut), können die satzungsrechtlichen Anforderungen an die Bildung bzw. Beibehaltung von Rücklagen allein § 15 a Abs. 2 Finanzstatut entnommen werden. Danach ist neben einer (zwingenden) Ausgleichsrücklage, die bis zu 50 v. H. der Summe der geplanten Aufwendungen betragen kann (vgl. § 15a Abs. 2 Sätze 1 und 2 Finanzstatut), gemäß § 15 a Abs. 2 Sätze 3 und 4 Finanzstatut die Bildung zweckbestimmter Rücklagen zulässig, die in der Bilanz oder im Anhang zum Jahresabschluss gesondert einzeln auszuweisen sind. Nach der Bestimmung des § 15 a Abs. 2 Satz 5 Finanzstatut sind dabei nicht nur der Verwendungszweck und der Umfang hinreichend zu konkretisieren, sondern auch der Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme.

39

Daran fehlt es hier. Die Zweckbestimmung genügt den satzungsrechtlich geforderten Anforderungen an eine zweckbestimmte Rücklage nicht. Es ist bereits zweifelhaft, ob der bloße Hinweis auf „Instandsetzungsmaßnahmen an Gebäuden und Grund und Boden“ dem (materiellen) Konkretisierungsgebot genügt. Jedenfalls fehlt eine hinreichende Bestimmtheit im Hinblick auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme der Rücklage. Der Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme der Instandhaltungsrücklage wird weder im Jahresabschluss noch sonst auch nur annähernd umschrieben. Der Jahresabschluss enthält keinerlei Angaben zum geplanten Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Instandhaltungsrücklage. Auch aus dem Wirtschaftsplan 2016 ergibt sich hierzu nichts. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass die Inanspruchnahme der Instandhaltungsrücklage für das Jahr 2016 tatsächlich beabsichtigt gewesen sei, hat sich dies weder in dem Jahresabschluss, dem Wirtschaftsplan noch in einem sonstigen Beschluss der Vollversammlung niedergeschlagen. Auch ein Protokoll der Vollversammlung, aus dem sich dies ergeben würde, hat die Beklagte nicht vorgelegt. Es ist nicht ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Wirtschaftsplanung bereits konkrete Planungen für eine Sanierung von Gebäuden o. ä. bestanden (vgl. VG Mainz, Urteil vom 10.November 2017 – 4 K 1310/16 MZ.- juris Rn. 29; vgl. auch VG Hamburg, Urteil vom 02. März 2016 a.a.O. Rn. 43ff).

40

Schließlich ist der von der Beklagten vorgehaltene Künstlerfonds zu beanstanden. Er dient nicht der Förderung der gewerblichen Wirtschaft. Die Beklage überschreitet damit ihren Kompetenzrahmen des § 1 Abs. 2 IHKG. Nach dieser Vorschrift können Industrie- und Handelskammern Anlagen und Einrichtungen, die der Förderung der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewerbezweige dienen, begründen, unterhalten und unterstützen. Eine Maßnahme dient zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft, wenn sie nur oder vorrangig in deren Interesse und nicht nur als Reflex einer dem Allgemeininteresse dienenden (Infrastruktur-)Maßnahme erfolgt (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. September 2000, - 1 C 29.99 – juris Rn. 17).

41

Soweit die Beklagte mit dem Fonds die Beschaffung von künstlerisch gestalteten Einrichtungsgegenständen für die Betriebs- und Geschäftsausstattung betreibt, liegt ein unmittelbarer, den besonderen Interessen der gewerblichen Wirtschaft dienender Zweck nicht vor. Zunächst erscheint bereits fraglich, ob die von der Beklagten auf ganz Schleswig-Holstein ausgerichtete Förderung mit der ihr nach in § 2 der Satzung vorgegebenen örtlichen Aufgabenwahrnehmung („… Aufgabe, das Gesamtinteresse derihr zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen…“) noch vereinbar ist.

42

Dessen ungeachtet werden die Belange der gewerblichen Wirtschaft auch nicht wenigstens am Rande berührt. Die Förderung rein künstlerischer Zwecke steht allenfalls im allgemeinen öffentlichen Interesse; nachvollziehbare Auswirkungen auf die Wirtschaft werden hierdurch nicht verfolgt. Das Interesse der gewerblichen Wirtschaft wird allenfalls reflexhaft berührt. Der nach § 1 Abs. 1 und 2 IHKG zwingende Bezug zur gewerblichen Wirtschaft kann auch nicht durch den Beschluss zur Errichtung des Künstlerfonds vom 22.Augusr 1979 vermittelt werden. Denn dieser verweist lediglich auf die "Förderung Schleswig-Holsteinischer Künstler“, ohne selbst Vorgaben für die Vergabe von Fördermaßnahmen zu treffen und stellt insofern nicht das Erfordernis des Wirtschaftsbezugs her.

43

Da nach alledem die Rücklagenbildung der Beklagten bereits aus den o. g. Gründen rechtswidrig ist, bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob auch die übrigen vom Kläger gerügten Rücklagenbildungen ebenfalls nicht ordnungsgemäß sind.

44

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO.

45

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 21. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 2016 wird aufgehoben.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in einer die Kostenfestsetzung entsprechenden Höhe abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Beitragsbescheid der beklagten Industrie- und Handelskammer, deren Mitglied er ist.

2

Er betreibt im Bezirk der Beklagten eine Unternehmensberatung, für die er zur Gewerbesteuer veranlagt wird.

3

Mit Bescheid vom 21. März 2016 setzte die Beklagte den IHK-Beitrag des Klägers für das Jahr 2016 im Wege der vorläufigen Veranlagung auf der Bemessungsgrundlage des Gewerbeertrags 2013 auf 181,48 Euro fest (davon 172,00 Euro Grundbeitrag und 9,48 Euro Umlage).

4

Die Festsetzung beruht auf der Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2016, die die Vollversammlung der Beklagten in ihrer Sitzung am 9. Dezember 2015 beschlossen hat. Darin wird der Wirtschaftsplan 2016 im Erfolgsplan mit Erträgen in Höhe von 8.367.900,00 Euro, Aufwendungen in Höhe von 12.760.200,00 Euro, geplantem Vortrag in Höhe von 0 Euro und einem Saldo der Rücklagenveränderung in Höhe von Minus 4.392.300,00 Euro, sowie im Erfolgsplan mit Investitionseinzahlungen in Höhe von 257.000,00 Euro und mit Investitionsauszahlungen in Höhe von 464.500,00 Euro festgestellt.

5

Die Beklagte wirtschaftet nach den Grundsätzen der Doppik. Im Jahresabschluss 2014 waren zum 31. Dezember 2014 eine Ausgleichs- und eine Liquiditätsrücklage jeweils mit 4.700.000,00 Euro, eine Beitragssenkungsrücklage mit 3.530.387,21 Euro und eine Instandhaltungsrücklage mit 300.000,00 Euro ausgewiesen. Ausweislich des Jahresabschlusses 2015 bestanden die Ausgleichs- und die Instandhaltungsrücklage zum 31. Dezember 2015 in unveränderter Höhe fort. Durch Entnahmen zum Ausgleich eines negativen Jahresergebnisses wurde die Beitragssenkungsrücklage dagegen vollständig aufgelöst und die Liquiditätsrücklage auf 4.512.732,87 Euro reduziert. Unter Berücksichtigung der zum Jahresabschluss 2015 vorhandenen Rücklagen und nach Abzug der laut Wirtschaftsplan 2016 geplanten Rücklagenentnahmen für das Jahr 2016 war damit für 2016 eine Ausgleichsrücklage in Höhe von 4.700.000,00 Euro – dies entspricht 36,82 % der geplanten Aufwendungen –, eine Liquiditätsrücklage in Höhe von 120.432,87 Euro und eine Instandhaltungsrücklage in Höhe von 300.000,00 Euro vorgesehen.

6

Nach den Angaben in den Jahresabschlüssen 2014 und 2015 dient die Ausgleichsrücklage zum Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen (2015 außerdem: zur Absicherung allgemeiner Risiken) und die Liquiditätsrücklage zur Aufrechterhaltung einer ordentlichen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten. Die Rücklagen für erhöhte Instandhaltungsarbeiten bestehen danach für das unter Denkmalschutz stehende Gebäude S.-Platz ... in M..

7

Die Rücklagenentwicklung und die zugrundeliegende Risikoprognose war außerdem Gegenstand einer Sitzung der Vollversammlung der Beklagten vom 7. September 2016. Die Vollversammlung nahm darin einstimmig eine Risikoprognose für die Jahre 2015 bis 2016 zustimmend zur Kenntnis, in der die Gesamtrisikosumme der Beklagten – bestehend aus den Einzelrisiken Einbruch und Schwankungen der Gewerbeerträge, Gebührentatbestände, Steuernachzahlungen für die zurückliegenden Jahre, biometrische Risiken Pensionen, Beteiligungen und Mitgliedschaften, IT-Prozesse, Datenschutzvergehen, Rückzahlungsrisiko Fördermittel, fehlerhafte Beschaffungsvorgänge, Verstoß gegen Geheimhaltungsrichtlinie, rechtliche Risiken, Schadensereignisse, Vertragsrisiken, Personal und Finanzbereich – mit 5.436.000,00 Euro für das Jahr 2015 und 5.623.000,00 Euro für das Jahr 2016 beziffert wurde. Außerdem beschloss die Vollversammlung eine geplante Rücklagenentwicklung für das Jahr 2016, wonach die Rücklagen zum 31. Dezember 2016 in Höhe von 4.700.000,00 Euro Ausgleichsrücklage, 120.432,87 Euro Liquiditätsrücklage und 300.000,00 Euro Instandhaltungsrücklage bestehen sollten. Schließlich wurde die Bildung einer Zinsausgleichsrücklage zum 31. Dezember 2016 beschlossen.

8

Den gegen die Beitragsfestsetzung gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2016 zurück. Der Beitragsbescheid sei rechtmäßig, insbesondere sei die Rücklagenbildung nicht zu beanstanden und entspreche den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 9. Dezember 2015 (10 C 6/15). Die Beklagte habe bereits im Jahr 2006 durch ihre Vollversammlung den kontinuierlichen Abbau ihrer Rücklagen mittels Beitragssenkung beschlossen und die Beitragssätze für das Wirtschaftsjahr 2007 von 0,35 % auf 0,25 %, für 2008 von 0,25 % auf 0,12 % und seit 2009 bis 2016 von 0,12 % auf 0,05 % gesenkt. Über diese Wirtschaftsplan-Defizitfinanzierung habe sie ihre Rücklagen planmäßig abbauen und damit den niedrigen Beitragssatz finanzieren können. Außerdem habe sie seit dem Jahr 2012 ein Risikomanagementsystem eingerichtet, das die rücklagenrelevanten Risiken erfasse und quantifiziere. Dies ermögliche eine sachgerechte und systematische Ermittlung sowie eine systematische Gewichtung der relevanten Risiken. Die Ausgleichsrücklage, die der Absicherung der Risiken ertragswirksamer Schwankungen diene, sei durch dieses Risikomanagementsystem jährlich mit einer tragfähigen Risikoprognose unterlegt und in ihrer aktuell dotierten Höhe von 4,7 Mio. Euro sachgerecht begründet. Auch die anderen Rücklagen seien ordnungsgemäß dotiert und in ihrer Höhe im Hinblick auf den jeweils verfolgten Zweck angemessen. Es handele sich um zweckgebundene Rücklagen, deren Bildung durch § 15a Abs. 2 Finanzstatut legitimiert sei und die einen hinreichend konkreten Verwendungszweck aufwiesen, der im sachlichen Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung durch die Beklagte stehe. Dies gelte auch für die Beitragssenkungsrücklage, die zum 31. Dezember 2015 aber ohnehin vollständig aufgelöst worden sei und damit für die streitgegenständliche Beitragsveranlagung des Jahres 2016 nicht entscheidungserheblich sei. Die Liquiditätsrücklage werde planmäßig mit dem Jahresabschluss 2016 abgebaut.

9

Der Kläger hat am 27. Oktober 2016 Klage erhoben. Der Bescheid sei rechtswidrig, da Mitgliedsbeiträge nur insoweit erhoben werden dürften als nicht anderweitige Mittel zur Verfügung stünden. Die Beklagte könne aber allein aus den zu hoch dotierten Mitteln der Rücklagen ihre laufenden Kosten anderweitig decken. Wegen einer überhöhten Rücklagenbildung beruhe der Beitragsbescheid deshalb auf einer rechtswidrigen Wirtschaftsplanung der Beklagten. Die Rechtswidrigkeit der Wirtschaftsplanung folge zunächst daraus, dass es an einer (formal)ordnungsgemäßen Beschlussfassung der Vollversammlung zur Rücklagenbildung für das Jahr 2016 fehle. Eine solche setze voraus, dass die Mitglieder der Vollversammlung vor der Beschlussfassung über den Haushalt und die Rücklagenbildung umfassend informiert worden seien und dies entsprechend dokumentiert worden sei, was hier nicht erfolgt sei. Auch formelle Fehler der Wirtschaftsplanung führten dabei zur Rechtswidrigkeit der Beitragsveranlagung. Die Annahme der Beklagten, hinsichtlich der Zulässigkeit der Rücklagenbildung komme es allein auf eine materielle Betrachtung an, die sich ggf. auch nachträglich herstellen bzw. begründen ließe, gehe dagegen fehl. Die erforderliche Risikoabschätzung könne nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2015 vielmehr nur ex-ante erfolgen. Im Nachhinein könne nicht mehr ermittelt werden, wie die Vollversammlung der Beklagten in Kenntnis der Fakten unter Beachtung des Gebots der Schätzgenauigkeit gehandelt hätte. Deswegen sei auch eine Korrektur durch eine nachträgliche Beschlussfassung ausgeschlossen, da hierdurch das Gestaltungsrecht bzw. die Gestaltungspflicht der Vollversammlung nicht ausgeübt werden könne. Der Wirtschaftsplan für das Jahr 2016 sei außerdem materiell rechtswidrig, da die Beklagte bei dessen Aufstellung den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten habe. Die Rücklagenbildung sei überhöht und verstoße gegen das Gebot der Schätzgenauigkeit. Hinsichtlich der für die erforderliche Risikoprognose maßgeblichen Tatsachengrundlage sei dabei der Jahresabschluss zum Dezember 2014 zugrunde zu legen. Es treffe zwar zu, dass für die Planung des Jahres 2016 ggf. auch auf aktuelle Entwicklungen aus dem Haushaltsjahr 2015 eingegangen werden könne bzw. müsse. Dies gelte aber nur dann, wenn sich anhand der Beratungen und Beschlüsse der Vollversammlung nachvollziehen lasse, welche dieser Entwicklungen tatsächlich in die Beratungen und die Beschlussfassung über den Haushalt 2016 eingeflossen seien. Dies sei von der Beklagten nicht dargelegt, so dass nur die Zahlen des Jahresabschlusses 2014 als Kalkulationsgrößen für die Planung des Jahres 2016 heranzuziehen seien. Auf dieser Tatsachengrundlage sei die Wirtschaftsplanung materiell fehlerhaft, da die Rücklagen zu hoch dotiert seien. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2015 sei eine pauschale Festlegung von Rücklagen ohne konkrete jährliche Risikoabschätzung unzulässig. Dies gelte auch für die Aufstellung eines Wirtschaftsplans nach den Grundsätzen der Doppik. Daran gemessen sei die Ausgleichsrücklage für das Jahr 2016 rechtswidrig gebildet worden. Unzulässig sei bereits die pauschale Festlegung in dem Finanzstatut der Beklagten, wonach die Ausgleichsrücklage bis zu 50 % der geplanten Aufwendungen betragen dürfe. Daneben sei auch die durch die Vollversammlung der Beklagten beschlossene Dotierung der Rücklagen innerhalb des satzungsrechtlichen Korridors rechtswidrig, da die zum 31. Dezember 2014 bestehende Ausgleichsrücklage in Höhe von 4.700.000,00 Euro den notwendigen Bedarf bei weitem übersteige. Die Beklagte könne nicht ernsthaft behaupten, dass für das Jahr 2016 ein Beitrags- bzw. Ergebniseinbruch in dieser Größenordnung zu befürchten sei. Insoweit seien auch Erfahrungswerte im Hinblick auf eine frühere – hier wohl nicht erfolgte – Inanspruchnahme der Rücklage zu berücksichtigen. Gegen eine Beachtung des Gebots der Schätzgenauigkeit spreche weiter, dass die Beklagte die Ausgleichsrücklage seit dem Jahr 2008 unverändert in gleicher Höhe gebildet habe. Dies sei rechtfertigungsbedürftig, da sich das Haushaltsvolumen in diesen Jahren verändert habe. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit der jährlichen Festlegung der Beiträge über die Wirtschaftssatzung die Beitragseinnahmen passgenau steuern könne. Gegen eine sachgerechte Ausübung des Gebots der Schätzgenauigkeit spreche weiter der Konjunkturbericht der Beklagten aus dem Herbst 2015 für das Jahr 2016, wonach sich die Konjunktur stabil auf hohem Niveau bewege und die Unternehmen mit einer Verbesserung ihrer Geschäfte rechneten. Es sei auch nicht ersichtlich, dass es aus dem normalen Geschäftsbetrieb der Beklagten erhebliche unbekannte Risiken gebe, die eine erhebliche Rücklagenbildung rechtfertigen könnten. Die Behauptung der Beklagten, es handele sich bei der Ausgleichsrücklage um eine Insolvenzrücklage gehe fehl, da die Beklagte kraft Gesetzes nicht insolvenzfähig sei. Letztlich werde durch die Ausführungen der Beklagten zum Rücklagenabbau bestätigt, dass jahrelang rechtswidrig Vermögen gebildet worden sei. Die unzulässig gebildeten Rücklagen habe die Beklagte für den Haushalt 2016 nicht konsequent genug rückgeführt. Fehlerhaft sei weiter, dass neben der Ausgleichsrücklage eine weitere Rücklage in Höhe von 300.000,00 Euro vorgesehen sei, ohne dass erkennbar sei, wofür diese weitere Rücklage benötigt werde. Instandhaltungsarbeiten seien nicht durch eine Rücklage abzusichern, sondern für den laufenden Haushalt einzuplanen und aus ihm zu finanzieren. Anderes könne zwar bei einer Baurücklage für größere Projekte gelten. Solche Rücklagen seien aber an klare Vorgaben gebunden und nur zulässig, wenn ihr Bedarf dem Zweck nach und im Hinblick auf den Zeitpunkt der Inanspruchnahme hinreichend konkretisiert sei. Dies sei hier nicht der Fall. Vielmehr bestätige sich durch den Vortrag der Beklagten, wonach aktuell Leistungsangebote eingeholt würden, dass zum Zeitpunkt der Bildung der Rücklagen bzw. der Beschlussfassung über den Haushalt 2016 die Voraussetzungen zur Bildung oder Schonung einer solchen Rücklage nicht erfüllt gewesen seien.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 21. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 2016 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie trägt vor, der Beitragsbescheid sei rechtmäßig. Sie habe weder im streitgegenständlichen Jahr 2016 noch in den Vorjahren eine unzulässige Vermögensbildung betrieben. Der Vortrag des Klägers sei zu pauschal und unsubstantiiert und nicht geeignet, das Gericht zur umfassenden Prüfung des Finanzgebarens der Beklagten zu veranlassen. Eine vollständige verwaltungsgerichtliche Überprüfung der Wirtschaftsplanungen der Beklagten könne nicht begehrt werden. Die Bildung von Rücklagen sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts prinzipiell zulässig und den Industrie- und Handelskammern stehe hierbei ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Die Rücklage müsse lediglich auf einer sachgerechten und vertretbaren Prognose basieren. Nicht entscheidend sei dagegen, ob sich die Prognose im Nachhinein als richtig erweise. Ebenso wenig müsse die Industrie- und Handelskammer für ihre Prognose eine ganz bestimmte Methode anwenden. Insoweit dürften an das haushaltsrechtliche Gebot der Schätzgenauigkeit keine überzogenen oder strengeren Anforderungen gestellt werden als an die Haushaltsplanung des parlamentarischen Gesetzgebers. Verboten sei lediglich das Verschleiern oder Vortäuschen von Beträgen und Sachverhalten. Außerdem bewirke nicht jeder (auch nur formelle oder finanziell unerhebliche) Fehler in der Wirtschaftsplanung die Rechtswidrigkeit der gesamten Beitragsveranlagung bzw. die Unwirksamkeit des Haushaltsplans oder der Haushaltssatzung des relevanten Jahres. Anderenfalls wäre die beitragsrechtliche Grundlage des betreffenden Beitragsjahres haushaltsrechtlich unheilbar rechtswidrig und die Beklagte könne für das betreffende Jahr keinen rechtmäßigen Beitragsbescheid mehr erlassen, obwohl sie hierzu nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG objektiv-rechtlich verpflichtet sei. Die Heilungsmöglichkeit durch eine Nachtragswirtschaftssatzung stehe einer Industrie- und Handelskammer nach Abschluss eines Wirtschaftsjahres nämlich nicht mehr zur Verfügung. Im Interesse der Finanzierungssicherheit sowie der Abgabengerechtigkeit sei deshalb eine materielle Betrachtungsweise vorzunehmen. Ein rein formaler Fehler habe dagegen nur dann die Rechtswidrigkeit der Beitragsveranlagung zur Folge, wenn er sich inhaltlich auf die Rücklagenhöhe und damit einhergehend auf die Mittelbedarfsfeststellung ausgewirkt habe. Für das IHK-Mitglied sei nämlich allein entscheidend, ob der in der Wirtschaftssatzung festgesetzte Beitragssatz dem Kostendeckungsprinzip entspreche, der durch Beiträge abzudeckende Mittelbedarf also in der Sache richtig sei. Allein ein materieller Ansatz werde auch der Rechtsnatur des Wirtschaftsplans bzw. der Wirtschaftssatzung als Rechtsnorm gerecht. Aus diesem Grund könnten die risikorelevanten Gesichtspunkte – unter Berücksichtigung der geforderten ex ante-Perspektive – noch nachträglich und bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens dargelegt werden. Dagegen komme es nicht auf eine streng formale Sicht an, ob eine Vollversammlung die Risiken im Zeitpunkt der Aufstellung des Wirtschaftsplans konkret und uneingeschränkt validiert und dies dokumentiert habe. Tatsächlich sei die Rücklagendotierung hier aber auch formell ordnungsgemäß erfolgt. Die Anforderungen des Finanzstatuts seien beachtet worden und die Vollversammlung habe sich mit der Rücklagendotierung und den relevanten Aspekten ausreichend befasst. So seien die relevanten Haushaltsfragen zunächst vorbereitend in der Etatkommission und anschließend im Präsidium erörtert worden. Die Mitglieder der Vollversammlung hätten vor der Sitzung alle relevanten Unterlagen (insbesondere die Tagesordnung, die Entwürfe des Wirtschaftsplans sowie der Wirtschaftssatzung und eine Hochrechnung der Daten zum jeweils laufenden Wirtschaftsjahr) erhalten. In der Vollversammlung habe der Hauptgeschäftsführer alle wesentlichen haushaltsrelevanten Einzelpositionen – einschließlich der Informationen über Zweck, Art und Höhe der vorgeschlagenen Rücklagen – im Detail vorgestellt. Vor der Beschlussfassung hätten die Mitglieder Fragen stellen können. Dieses Verfahren entspreche den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts, das auch für die Aufstellung des Wirtschaftsplans einer Industrie- und Handelskammer gelte. Im beschlossenen Gesamtplan seien dagegen weder die Höhe noch die sachliche Berechtigung einzelner Rücklagen abzubilden, sondern lediglich die Entnahmen aus und die Zuführung zu Rücklagen. Der tatsächliche Bestand an Rücklagen werde entsprechend § 85 Nr. 2 der Bundeshaushaltsordnung als Übersicht zur jährlichen Haushaltsrechnung für das abgelaufene Haushaltsjahr offengelegt. Diese Bilanzen würden den Mitgliedern der Vollversammlung übersandt und außerdem im Internet veröffentlicht. Obwohl damit bei der Beschlussfassung im Dezember 2015 bereits alle formellen Voraussetzungen erfüllt gewesen seien, habe sich die Vollversammlung in ihrer Sitzung vom 7. September 2016 nochmals intensiv mit der relevanten Risikobetrachtung befasst und dabei die IHK-spezifischen Risiken sachgerecht und vertretbar quantifiziert. Weiter sei die satzungsrechtliche Regelung eines Rücklagenkorridors im Finanzstatut nicht zu beanstanden. Die konkrete Ausgleichsrücklage sei auch materiell dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig gebildet. Grundlage für die maßgebliche Prognose sei nicht allein der Jahresabschluss 2014, die Beklagte habe vielmehr ergänzend auch die Entwicklungen durch den Wirtschaftsplan 2015 und die Hochrechnung für die Jahre 2015 und 2016 in den Blick zu nehmen. Dabei habe die Ausgleichsrücklage den zulässigen Zweck, haushalterische Risiken abzudecken und diene nach § 15a Abs. 2 des Finanzstatuts dem Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen. Sie werde gebildet, um eine hinreichende Risikovorsorge zu betreiben und die Beiträge auch bei schwankender Konjunktur stabil halten zu können. Die mit der Ausgleichsrücklage abzufangenden möglichen Schwankungen könnten sich insbesondere ergeben infolge der heterogenen Wirtschaftsstruktur des IHK-Bezirks und der damit einhergehenden vielfältigen Abhängigkeit von strukturellen und gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen bis hin zu der Gefahr mehrjähriger wirtschaftlicher Rezessionen, des Ausfalls mehrerer bzw. großer Beitragszahler, der Orientierung des IHK-Beitrags an der gewerbesteuerlichen Bezugsgröße des Gewerbeertrags und damit der Anlehnung an das Gewerbesteueraufkommen, das hohen Schwankungen unterliege und deshalb zu Schätzungsrisiken bei der Prognoseentscheidung im Rahmen der Haushaltsplanung führe. Hinzugekommen seien im Hinblick auf den seit 2014 erweiterten Rücklagenzweck weitere haushalterische Risiken, so insbesondere infolge möglicher gesetzgeberischer oder durch Rechtsprechungsentwicklung ausgelöste Änderungen im Bereich des Gewerbesteuerrechts oder des IHK-Gesetzes, des Rückgangs von Entgelt- und Gebühreneinnahmen (insbesondere für Prüfungen und berufliche Weiterbildungsveranstaltungen), möglicher Schadensersatzforderungen anderer Kammern und der Prüfungsteilnehmer wegen bundesweiter Wiederholungen bundeseinheitlicher Prüfungen aufgrund schuldhafter Verletzungen der Geheimhaltungspflichten durch Mitarbeiter der Beklagten, möglicher Nachbesteuerung einzelner Tätigkeiten für vergangene Jahre, biometrischer Risiken im Hinblick auf die Pensionsrückstellung, Risiken im Zusammenhang mit den IT-Prozessen und weiterer rechtlicher Risiken. Dieses (nicht abschließende) Risikoszenario liege tatsächlich und jährlich wiederkehrend vor und mache die Vorhaltung einer angemessenen Ausgleichsrücklage zwingend erforderlich. Dagegen könne die Beklagte das Beitragsaufkommen nicht durch die jährliche Festlegung der Beiträge passgenau steuern und die Bestimmung des Schwankungsrisikos auf den Jahreszyklus beschränken, da es zwei bis vier bzw. fünf Jahre dauern könne, bis die Finanzverwaltung die endgültigen Bemessungsgrundlagen melde und das jeweilige Jahr auf dieser Grundlage abgerechnet werden könne, um die daraus resultierenden Nachforderungen oder Rückzahlungen wahrzunehmen. Hinzukomme, dass sich die jeweiligen Konjunkturprognosen nicht auf das laufende Beitragsjahr, sondern erst in künftigen Jahren auswirkten, da die Grundbeiträge und Umlagen zunächst gegenwartsbezogen auf Basis geschätzter Bemessungsgrundlagen veranlagt und erst mehrere Jahre später nach der finanzamtlichen Mitteilung der tatsächlichen Bemessungsgrundlage festgesetzt würden. Die Ausgleichsrücklage sei im Hinblick auf die beschriebenen Schwankungsrisiken auf Basis der Erfahrungen der Beitragsveranlagungen der vergangenen Jahre unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte der letzten Konjunkturkrisen gebildet. Es sei dagegen nicht entscheidend, ob die Beklagte die Ausgleichsrücklage in der Vergangenheit habe in Anspruch nehmen müssen. Es handele sich nämlich nach ihrem Sinn und Zweck um eine „Insolvenzrücklage“, die – etwa wie eine Brandschutzversicherung – im Fall der Fälle zur Verfügung stehen und die Handlungsfähigkeit und sachgerechte Aufgabenerfüllung der Beklagten sichern müsse. Zur Ermittlung und Validierung der Risiken habe die Beklagte sei dem Jahr 2012 ein Risikomanagementsystem eingeführt, mit dessen Hilfe die rücklagenrelevanten Risiken ermittelt, quantifiziert und systematisch gewichtet würden. Die Ausgleichsrücklage sei durch dieses System jährlich mit einer tragfähigen Risikoprognose unterlegt und deren Höhe von 4,7 Mio. Euro, die mit 36,8 % der geplanten Aufwendungen am unteren Ende des satzungsrechtlichen Rücklagenkorridors liege, hierdurch sachgerecht und vertretbar begründet. Die Eignung des Risikomanagementsystems für die Risikobewertung sei nochmals im Zuge des Jahresabschlusses 2016 von den Rechnungsprüfern der Beklagten geprüft und testiert worden. Die Rechnungsprüfungsstelle habe hierzu festgestellt, dass für die Dotierung der Ausgleichsrücklage in Umsetzung des Gebots der Schätzgenauigkeit eine Risikoinventur zur Ermittlung des Gesamtrisikovolumens durchgeführt worden sei, hierzu die identifizierten Risiken nach Eintrittswahrscheinlichkeit, Zeitbezug und Schadenshöhen bzw. -bändern bestimmt worden seien, so das maximal zu erwartende Gesamtrisikovolumen gewichtet hergeleitet worden sei und die der Risikoermittlung zugrunde liegenden Annahmen plausibel aus den spezifischen Gegebenheiten abgeleitet worden seien. Weiter seien auch die anderen Rücklagen rechtmäßig dotiert. Die Instandhaltungsrücklage diene einem konkreten Verwendungszweck, der im sachlichen Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung durch die Beklagte stehe. Die Vorhaltung einer Instandhaltungsrücklage als zweckgebundener Rücklage sei zulässig und die Entscheidung zu deren Bildung sachgerecht und vernünftig. Die Höhe der Rücklage sei im Hinblick auf den verfolgten Zweck angemessen. Die Mittel dienten der Finanzierung von Instandhaltungsmaßnahmen, insbesondere an dem denkmalgeschützten IHK-Gebäude in M.. Der prognostizierte Finanzbedarf für die erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen am Dach, der Fassade und am Heizungssystem dieses Gebäudes betrage etwa 500.000,00 Euro. Hinzu komme ein weiterer Instandhaltungsbedarf an einem IHK-Gebäude in W. in Höhe von etwa 150.000,00 Euro. Der Bedarf sei damit konkret beziffert und die Kostenschätzung durch eine gutachterliche Stellungnahme eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen bestätigt. Nicht einbezogen worden seien dabei die Kosten für laufende Instandhaltungen bzw. Instandsetzungen, die aus dem laufenden Haushalt finanziert würden. Demgegenüber seien die Instandhaltungsrücklagen entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus dem laufenden Haushalt zu finanzieren. Geschäfte der laufenden Verwaltung seien nur solche, die gleichsam alltäglich anfielen oder anfallen könnten und keinen solchen Finanzbedarf auslösten, dessen Behandlung in die Budgethoheit der Vollversammlung falle. Ein solches Geschäft liege bei der Beauftragung der betroffenen Instandhaltungsmaßnahmen mit einem höheren sechsstelligen Volumen nicht vor. Die Voraussetzungen zur Bildung der Instandhaltungsrücklage seien auch bereits bei der Beschlussfassung über den Haushalt 2016 erfüllt gewesen. Hinsichtlich der Höhe der Rücklagen müsse schließlich berücksichtigt werden, dass die Beklagte ihre Rücklagen seit Jahren im Wege einer Defizitplanung abgeschmolzen und dadurch die Beitragslast gering gehalten habe. Schließlich seien bei der Bewertung der Rücklagen die Besonderheiten des doppischen Haushalts zu würdigen, wohingegen der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedene Fall einen Haushalt betroffen habe, der nach den Grundsätzen der Kameralistik aufgestellt worden sei. Die Betrachtung einer Rücklage als Mittelreserve sei aber seit Einführung der doppischen Haushaltsführung nicht mehr möglich und führe zu einem fehlerhaften verwaltungsgerichtlichen Prüfungsansatz. Während Rücklagen in der Kameralistik der Ansammlung liquider Mittel für bestimmte Zwecke gedient hätten und zu 100% mit Barmitteln hinterlegt gewesen seien, seien sie in der Doppik Teil des Eigenkapitals und damit den Passiva zugeordnet. Die Ausweisung eines bestimmten Betrags bei einer Rücklagenposition lasse in einem doppischen System indes nicht den Schluss zu, dass der so zweckbestimmte Betrag tatsächlich zur Verfügung stehe, also der Rechtsträger insoweit „liquide“ sei. Es verbiete sich deswegen – anders als in der Kameralistik – eine Gleichsetzung von Rücklagen und Mittelreserve. Über welches Vermögen die Körperschaft verfüge, lasse sich nur durch den Blick auf die Aktivseite des Haushalts bzw. der Bilanz bestimmen. Bei der Beklagten sei ein derart zweckfreies Vermögen bzw. ungebundene liquide Mittel nicht vorhanden gewesen. Sämtliche Mittel auf der Aktivseite seien für Zwecke zulässiger IHK-Tätigkeiten vorgesehen gewesen bzw. an solche Zwecke gebunden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen, die dem Gericht vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –).

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1. Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern – Industrie- und Handelskammergesetz, IHKG – i.V.m. § 1 der Beitragsordnung der Beklagten. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Die Beitragserhebung knüpft also nach der gesetzgeberischen Konzeption an eine zweistufige Willensbildung der Industrie- und Handelskammer an. Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) auf. Dieser gilt für ein Haushaltsjahr (Wirtschaftsjahr) und ist – als Plan – im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.12.2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 12; VGH BW, Urteil vom 2.11.2016 – 6 S 1261/14 –, juris Rn. 29).

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a) Die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung setzt also voraus, dass – auf einer ersten Stufe – die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt und – auf einer zweiten Stufe – der im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) festgesetzte Mittelbedarf der Kammer durch eine Beitragsordnung rechtmäßig auf die Kammerzugehörigen umgelegt und die Beitragsordnung im Einzelfall fehlerfrei angewendet wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.12.2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 13). Demnach ist in einem Beitragsanfechtungsverfahren nicht nur die – hier nicht beanstandete – Umlegung des festgestellten Mittelbedarfs auf die Kammerzugehörigen gerichtlich zu überprüfen, sondern inzident auch die Festsetzung des Mittelbedarfs im Wirtschaftsplan (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.12.2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 13 und 15; VGH BW, Urteil vom 2.11.2016 – 6 S 1261/14 –, juris Rn. 30).

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b) Die gerichtliche Kontrolldichte bei der Überprüfung der Haushaltspläne (Wirtschaftspläne) ist allerdings beschränkt. So kommt den Industrie- und Handelskammern bei deren Aufstellung aufgrund ihrer Selbstverwaltungsautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt aber, ob die Industrie- und Handelskammer bei der Ausübung dieses Gestaltungsspielraums den hierfür konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegten Rahmen gewahrt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.12.2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 16; VGH BW, Urteil vom 2.11.2016 – 6 S 1261/14 –, juris Rn. 30). § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gebietet insoweit bei Aufstellung und Ausführung der Wirtschaftspläne die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Außerdem sind nach § 3 Abs. 7a IHKG für die Aufstellung und den Vollzug der Wirtschaftspläne – unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts – die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches anzuwenden. Schließlich sind die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.12.2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 16). Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt dabei das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.12.2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 16; BVerfG, Urteil vom 9.7.2007 – 2 BvF 1/04 –, BVerfGE 119, 96 und juris Rn. 104; VGH BW, Urteil vom 2.11.2016 – 6 S 1261/14 –, juris Rn. 30). Verletzt ist das Gebot der Schätzgenauigkeit dabei jedenfalls durch bewusst falsche Etatansätze, aber auch durch "gegriffene" Ansätze, die trotz naheliegender Möglichkeiten besserer Informationsgewinnung ein angemessenes Bemühen um realitätsnahe Prognosen zu erwartender Einnahmen oder Ausgaben vermissen lassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9.7.2007 – 2 BvF 1/04 – BVerfGE 119, 96 und juris Rn. 104).

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c) Bei der Überprüfung von Rücklagen ist weiter zu berücksichtigen, dass den Kammern die Bildung von Vermögen verboten ist. Das schließt die Bildung von Rücklagen zwar nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Grundsätzlich handelt es sich insoweit bei den Mitteln für angemessene Rücklagen ebenfalls um Kosten der Industrie- und Handelskammer im Sinne des § 3 Abs. 2 IHKG, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.12.2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 16). Insbesondere handelt es sich bei der Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder -ausfällen um einen solchen sachlichen Zweck, der sich im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit bewegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.12.2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 18; VGH BW, Urteil vom 2.11.2016 – 6 S 1261/14 –, juris Rn. 34).

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Weiter muss allerdings auch das Maß der Rücklage noch von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein; eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) – und damit jährlich – erneut treffen. Ein Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.12.2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 18; VGH BW, Urteil vom 2.11.2016 – 6 S 1261/14 –, juris Rn. 31).

22

d) An diesen Grundsätzen ist auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik festzuhalten. So ist die Bildung von angemessenen Rücklagen nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2015, die eine nach den Grundsätzen der Kameralistik aufgestellte Haushaltsplanung betraf, ausdrücklich auch nach der Einführung der Verwaltungsdoppik für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaften weiterhin notwendig und gehört zu einer geordneten Haushaltsführung (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.12.2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 16 f. m.w.N.). Die zwischen Kameralistik und Doppik im Hinblick auf Rücklagen bestehenden Unterschiede rechtfertigen aus Sicht der Kammer auch in der Sache kein Abweichen vom Prüfungsmaßstab und -umfang. Zwar werden im doppischen System Rücklagen buchungstechnisch nicht auf der Aktivseite, sondern als Passivposten der Jahresbilanz dargestellt. Die bei Bedarf verfügbaren liquiden Mittel sind demgegenüber allein auf der Aktivseite, insbesondere im Umlaufvermögen, ausgewiesen. Anders als unter der Kameralistik sind die Rücklagen in der Doppik demnach nicht unmittelbar mit liquiden Mittel gleichzusetzen. Allerdings sind auch im doppischen System die auf der Passivseite einer Vermögensrechnung aufgeführten Rücklagen durch entsprechende Aktiva zu unterlegen, die gegebenenfalls kurzfristig aufgelöst werden können, da sie nur so den ihnen zugeschriebenen Zweck erfüllen können (vgl. VGH BW, Urteil vom 2.11.2016 – 6 S 1261/14 –, juris Rn. 33 m.w.N.; VG Köln, Urteil vom 15.2.2017 – 1 K 1473/16 –, GewArch 2017, 194 und juris Rn. 69 ff.; VG Braunschweig, Urteil vom 20.4.2017 – 1 A 221/16 –, UA S. 11 f.). Nichts Anderes gilt auch im Falle der Beklagten. Ausweislich der Bilanz 2015 betrug das Umlaufvermögen der Beklagten zum 31. Dezember 2015 11.047.022,25 Euro, davon allein 10.414.480,72 Euro Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks. Die Kammer geht daher davon aus, dass die Rücklagen tatsächlich mit ausreichend liquiden Mitteln hinterlegt waren. Dem steht nicht entgegen, dass das Umlaufvermögen nach den Angaben der Beklagten auf der Passivseite nicht nur die Rücklagen, sondern auch die Pensionsrückstellungen und sonstigen Rückstellungen (laut Bilanz 2015 in Höhe von 19.446.966,12 Euro) finanziere, da diese Rückstellungen – wie die Beklagte eingeräumt hat – auf der Aktivseite außerdem durch die Finanzanlagen in Höhe von 16.743.4006,53 Euro hinterlegt sind.

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2. Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen ist der streitgegenständliche Beitragsbescheid vom 21. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 2016 rechtswidrig, da die Festsetzung des Mittelbedarfs der Beklagten in ihrem Wirtschaftsplan 2016 den rechtlichen Anforderungen nicht genügt.

24

a) Die Kammer geht zwar davon aus, dass der Wirtschaftsplan 2016 der Beklagten im Hinblick auf die Bildung einer Ausgleichsrücklage in Höhe von 4.700.000,00 Euro nicht zu beanstanden sein dürfte.

25

(1) So dürfte es in formeller Hinsicht zunächst nicht darauf ankommen, ob die dem Wirtschaftsplan und der Rücklagenbildung zugrundeliegende Risikoprognose nur einer materiellen Prüfung aus einer ex ante-Perspektive zu unterziehen ist, oder ob darüber hinausgehend auch zu prüfen ist, ob die Vollversammlung eine den Anforderungen entsprechende Risikoprognose bei Verabschiedung des Wirtschaftsplans tatsächlich vorgenommen und protokolliert hat (für einen formalen Ansatz VG Düsseldorf, Urteil vom 30.3.2017 – 20 K 3225/15 – juris Rn. 350, 360; wohl auch Jahn, GewArch 2016, 263, 269). Auch bei einer formalen Betrachtung wäre ein etwaiger Mangel bei der Beschlussfassung über die Wirtschaftssatzung 2016 durch die Vollversammlung der Beklagten am 9. Dezember 2015 nämlich nach Auffassung der Kammer durch die Befassung der Vollversammlung mit der Risikoprognose für das Jahr 2016 in der Sitzung vom 7. September 2016 geheilt worden (für eine solche Heilungsmöglichkeit auch VG Braunschweig, Urteil vom 20.4.2017 – 1 A 221/16 –, UA S. 14 f.; VG Bayreuth, Urteil vom 7.12.2016 – B 4 K 15.580 –, juris Rn. 38 f.; Jahn, GewArch 2016, 263, 269; offen gelassen in VG Düsseldorf, Urteil vom 30.3.2017 – 20 K 3225/15 – juris Rn. 388; nicht vergleichbare Sachverhaltskonstellationen lagen dagegen den Entscheidungen BVerwG, Urteil vom 23.6.2010 – 8 C 20/09 –, BVerwGE 137, 171-179, Rn. 45 ff. und OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.9.2012 – 1 L 124/11 –, juris Rn. 57 ff. zugrunde).

26

(2) Die Ausgleichsrücklage dient mit dem Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen und der Absicherung allgemeiner Risiken auch einem sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit.

27

(3) Nicht zu beanstanden ist der im Finanzstatut der Beklagten für die Höhe der Ausgleichsrücklage vorgegebene Rahmen. Dies folgt bereits daraus, dass § 15a Abs. 2 Satz 2 des Finanzstatuts der Beklagten vom 1. Januar 2014 – Finanzstatut – nur eine Obergrenze für die Ausgleichsrücklage (höchstens 50 % der geplanten Aufwendungen) festlegt, aber keinen Mindestwert.

28

(4) Schließlich dürfte unter Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums der Beklagten hinsichtlich der Höhe der Ausgleichsrücklage kein Verstoß gegen das Gebot der Schätzgenauigkeit vorliegen. Dagegen spricht bereits, dass die Höhe der Ausgleichsrücklage mit 36,82 % der für das Jahr 2016 geplanten Aufwendungen eher im unteren Bereich des Rücklagenkorridors von 30-50 % – wie er zwar nicht im aktuell einschlägigen Finanzstatut der Beklagten, aber in § 15 Abs. 3 Satz 1 des vorhergehenden Finanzstatuts der Beklagten und im Musterfinanzstatut des Deutschen Industrie- und Handelskammertags vorgesehen ist – angesiedelt ist (vgl. dazu VG Braunschweig, Urteil vom 20.4.2017 – 1 A 221/16 –, UA S. 12 f., das bei einer Rücklage von bis zu 50 % der geplanten Aufwendungen sogar von einer Vermutung für die Angemessenheit der Rücklage ausgeht; nach dem VG Düsseldorf, Urteil vom 30.3.2017 – 20 K 3225/15 – juris Rn. 345 f. soll eine solche Vermutung allenfalls unterhalb der 30%-Marke greifen; siehe auch VG Köln, Urteil vom 15.2.2017 – 1 K 1473/16 –, GewArch 2017, 194 und juris Rn. 81 ff.). Vor allem aber hat der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung das Risikomanagementsystem der Beklagten sowie die konkret festgelegte Höhe der Risikopositionen an einzelnen Beispielen für die Kammer nachvollziehbar dargestellt und plausibilisiert. Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich auch aus dem Ergebnisprotokoll der Vollversammlung der Beklagten vom 7. Dezember 2016 kein Widerspruch zu der festgestellten Risikoprognose. Soweit darin auf eine erwartete Schadenshöhe von 2,3 Mio. Euro nach den Berechnungen des alten Risikomanagementsystems verwiesen wird, bezieht sich dieser Betrag nicht auf das Gesamtrisiko, sondern nur auf die einzelne Risikoposition „Geheimhaltung von Prüfungsaufgaben“. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Gesamtkontext des Abschnitts, sondern auch aus der im Folgenden vorgenommenen Gewichtung der Schadenshöhe von 2,3 Mio., die zu einem Risikoausmaß in Höhe von 698.000,00 Euro führt; dies entspricht exakt dem Betrag, den die Beklagte für das Risiko „Geheimhaltung von Prüfungsaufgaben“ unter der Position „Verstoß gegen Geheimhaltungsrichtlinie“ in ihre Risikoprognose für 2016 eingestellt hat (vgl. Risiko-Beschreibung der IHK für ... – Anlage I, S. 7). Weiter geht die Kammer davon aus, dass die Frage, ob Rücklagen in der Vergangenheit – ungeplant – in Anspruch genommen werden mussten, zwar indizielle Bedeutung im Rahmen der Risikoprognose erlangen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.12.2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 20; VG Düsseldorf, Urteil vom 30.3.2017 – 20 K 3225/15 – juris Rn. 372). Daraus kann aber nicht umgekehrt geschlossen werden, dass die Bildung oder Beibehaltung von angemessenen Rücklagen allein deswegen ausgeschlossen wäre, weil in der Vergangenheit befürchtete Risiken tatsächlich ausgeblieben sind. Schließlich hat der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass Schwankungen im Beitragsaufkommen entweder im Rahmen der Planerträge oder im Risikomanagement, nicht aber doppelt berücksichtigt werden. Weiter erklärt sich das Gleichbleiben der Ausgleichsrücklage in einer Höhe von 4.700.000,00 Euro über mehrere Jahre nach den Angaben des stellvertretenden Hauptgeschäftsführers der Beklagten plausibel dadurch, dass sich die Beklagte im Interesse der Beitragszahler bewusst für eine Unterdeckung der jeweils festgestellten – höheren – Risiken entschieden habe. Dies dürfte von ihrem weiten Gestaltungsspielraum gedeckt sein. Von „gegriffenen“ Zahlen dürfte vor diesem Hintergrund nicht ausgegangen werden können.

29

b) Allerdings genügt die Instandhaltungsrücklage in Höhe von 300.000,00 Euro nicht den rechtlichen Anforderungen.

30

Die Jahresabschlüsse 2014 und 2015 verweisen als Zweck dieser Rücklage auf „erhöhte Instandhaltungsarbeiten für das unter Denkmalschutz stehende Gebäude S.-Platz ...“. Diese Zweckbestimmung genügt jedoch den satzungsrechtlich geforderten Anforderungen an eine zweckbestimmte Rücklage nicht, da es an einer Konkretisierung des Zeitpunkts der voraussichtlichen Inanspruchnahme der Rücklage fehlt.

31

Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt – wie bereits festgestellt –, ob die Beklagte bei der Ausübung des ihr zustehenden weiten Gestaltungsspielraums den durch Rechtsnormen angelegten Rahmen gewahrt hat, wobei zu diesem zu beachtenden – und von den Verwaltungsgerichten zu prüfenden – Rahmen ausdrücklich auch ergänzende Satzungsbestimmungen zählen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.12.2015 – 10 C 6/15 –, BVerwGE 153, 315 und juris Rn. 16).

32

Den anzuwendenden Rahmen für zweckbestimmte Rücklagen – wie hier die Instandhaltungsrücklage – bildet § 15a Abs. 2 Sätze 3 bis 5 Finanzstatut. Zwar enthält § 15a Finanzstatut unmittelbar nur Vorgaben für den Jahresabschluss und nicht für den hier zu überprüfenden Wirtschaftsplan, der in den §§ 7 ff. Finanzstatut geregelt ist. Da nach der Regelungskonzeption des Finanzstatuts im Wirtschaftsplan aber nur die Rücklagenveränderungen anzusetzen und auszuweisen sind (vgl. § 7 Abs. 2 Finanzstatut), die Rücklagen selbst dagegen (nur) in der Bilanz oder im Anhang zum Jahresabschluss gesondert einzeln auszuweisen sind (vgl. § 15a Abs. 2 Satz 4 Finanzstatut), können die satzungsrechtlichen Anforderungen an die Bildung bzw. Beibehaltung von Rücklagen allein § 15a Abs. 2 Finanzstatut entnommen werden. Danach muss die Beklagte zwingend eine Ausgleichsrücklage zum Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen bilden, die bis zu 50 % der Summe der geplanten Aufwendungen betragen kann (vgl. § 15a Abs. 2 Sätze 1 und 2 Finanzstatut). Neben der Ausgleichsrücklage ist zwar gemäß § 15a Abs. 2 Sätze 3 und 4 Finanzstatut die Bildung zweckbestimmter Rücklagen, die in der Bilanz oder im Anhang zum Jahresabschluss gesondert einzeln auszuweisen sind, zulässig. Allerdings sind nach § 15a Abs. 2 Satz 5 Finanzstatut nicht nur der Verwendungszweck und der Umfang hinreichend zu konkretisieren, sondern auch der Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme. Daran fehlt es hier. Der Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme der Instandhaltungsrücklage wird weder in den Jahresabschlüssen noch sonst auch nur annähernd umschrieben. Die Jahresabschlüsse 2014 und 2015 enthalten keinerlei Angaben zum geplanten Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Instandhaltungsrücklage. Auch aus dem Wirtschaftsplan 2016 ergibt sich hierzu nichts. Die Instandhaltungsrücklage war auch nicht Gegenstand der nachträglichen Beschlussfassung am 7. September 2016. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass die Inanspruchnahme der Instandhaltungsrücklage für das Jahr 2016 tatsächlich beabsichtigt gewesen sei, hat sich dies weder in den beschlossenen Jahresabschlüssen, dem Wirtschaftsplan noch in einem sonstigen Beschluss der Vollversammlung niedergeschlagen. Auch ein Protokoll der Vollversammlung, aus dem sich dies ergeben würde, hat die Beklagte nicht vorgelegt. Die Sitzung vom 7. September 2016 hatte nur die übrigen Rücklagen zum Gegenstand. Lediglich im Ergebnisprotokoll über die Sitzung der Etatkommission vom 23. November 2015 findet sich der Hinweis, dass die Instandhaltungsrücklage gemäß aktueller Situation in 2016/2017 „angefasst“ werden müsse, da werterhaltende Maßnahmen geplant seien und die 300.000,00 Euro dafür benötigt würden. Vor dem Hintergrund, dass die Instandhaltungsrücklage für das IHK-Gebäude in M. nach Angaben der Beklagten bereits seit dem Jahr 2006 in unveränderter Höhe bestand, ohne dass die erforderlichen Sanierungsarbeiten an Dach, Fassade und Heizung vorgenommen wurden, ist dies jedoch nicht hinreichend konkret. Es ist nicht ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Wirtschaftsplanung bereits konkrete Planungen für eine Sanierung des Gebäudes bestanden. Die vorgelegten Wertermittlungsgutachten für die Gebäude in M. und W. stammen aus dem Oktober 2016 und im Schriftsatz vom 27. Dezember 2016 hat die Beklagte mitgeteilt, dass „aktuell“ Leistungsangebote der potentiellen Auftragnehmer eingeholt würden. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass aus ex ante-Perspektive bei Aufstellung des Wirtschaftsplans im Dezember 2015 bereits ein Planungsstand erreicht gewesen wäre, der einen Zeitplan für die voraussichtliche Inanspruchnahme der Rücklage ermöglicht hätte.

33

Der Fehler der mangelnden Konkretisierung des Zeitpunkts der voraussichtlichen Inanspruchnahme der Instandhaltungsrücklage ist hier auch nicht deswegen unbeachtlich, weil nach dem Wertermittlungsgutachten zum IHK-Gebäude in M. vom 25. Oktober 2016 – das IHK-Gebäude in W. muss insoweit außer Betracht bleiben, da dieses in der ausgewiesenen Zweckbestimmung nicht genannt wird –wohl tatsächlich ein Sanierungsbedarf in Höhe von rund 500.000,00 Euro und damit in einer Höhe besteht, die den Betrag der Rücklage sogar übersteigt. Wie aus § 15a Finanzstatut folgt, dürfen zweckbestimmte Rücklagen nur gebildet werden, wenn ein entsprechender Bedarf nicht nur in der Höhe, sondern auch in zeitlicher Hinsicht hinreichend konkret vorliegt. Es besteht eine strenge Zweckbindung für „andere“ Rücklagen, die sich auf die zeitliche Dimension erstreckt. Ihre Bildung ist deshalb mit einem Zeitplan unterlegt, innerhalb dessen sie für den vorgesehenen Zweck zu verbrauchen sind (vgl. Jahn, GewArch 2016, 263, 267; siehe auch VG Köln, Urteil vom 16.6.2016 – 1 K 1138/15 –, juris Rn. 55-58; VG Hamburg, Urteil vom 2.3.2016 – 17 K 2912/14 –, juris Rn. 46). Die Anforderungen an eine hinreichende Konkretisierung des Zeitpunkts der voraussichtlichen Inanspruchnahme einer zweckgebundenen Rücklage dienen damit letztlich dem Ziel, die Bildung ungebundener Mittel – und damit versteckten Vermögens – zu verhindern.

34

Insoweit kommt es weiter nicht darauf an, ob ein Fehler in der Wirtschaftsplanung nur dann im Beitragsanfechtungsverfahren berücksichtigt werden darf, wenn er finanziell erheblich ist, sich also auf die Beitragspflicht auswirkt. Dies ist hier nämlich der Fall. Nach Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung würde sich ohne den Ansatz der Instandhaltungsrücklage der einzelne Beitrag je Mitglied um etwa 10 Euro reduzieren.

35

Dies führt hier schließlich nicht zu einer nur teilweisen Aufhebung des Beitragsbescheids (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), sondern zur Aufhebung in vollem Umfang, da die exakte Bestimmung der Höhe von einer erneuten Entscheidung der Beklagten, in welcher Höhe und Relation die Grundbeiträge und/oder der Umlagesatz zu reduzieren sind, abhängig wäre (vgl. OVG RP, Urteil vom 23.9.2014 – 6 A 11345/13 –, AS RP-SL 44, 331 und juris Rn. 36 f.).

36

c) Auf eine Überprüfung der Liquiditätsrücklage und der in der Vollversammlung vom 7. September 2016 neu beschlossenen Zinsausgleichsrücklage kommt es demnach nicht mehr an.

37

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

38

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

39

Beschluss der 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz vom 10. November 2017

40

Der Streitwert wird auf 181,48 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).

Tenor

1. Der Beitragsbescheid vom 1. Februar 2013 in der Gestalt des Beitragsbescheides vom 31. Januar 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 wird hinsichtlich der Festsetzung der Beiträge für das Geschäftsjahr 2010 in Höhe von 14.051,88 Euro sowie für das Geschäftsjahr 2013 in Höhe von 9.700,20 Euro aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich, insbesondere im Hinblick auf die Rücklagen und Gewinnvorträge der beklagten Handelskammer Hamburg, gegen einen Beitragsbescheid für die Geschäftsjahre 2010, 2012 und 2013.

2

Die Beklagte verfügte in den Jahren 2008 bis 2013 über folgende Rücklagen und Rückstellungen und trug folgende Gewinne auf neue Rechnung vor (gerundete Angaben in Tausend Euro):

3
        

2008

2009

2010

2011

2012

2013

Ausgleichsrücklage

17.500

19.000

20.186

20.500

21.000

21.500

Umbau-/Instandhaltungsrücklage

6.333

6.333

11.133

11.133

20.968

20.598

Rücklage für Sonderprojekte

3.900

3.900

3.900

3.900

3.900

3.900

Rücklage zur Abdeckung von Risiken der
Neubewertung der Pensionsrückstellung

3.600

16.500

-

-

-

-

Rücklage Sicherung von
bedeutsamen Wirtschaftsarchiven

-

-

-

-

985

927

Rücklage für Aktionen anlässlich
des 350jährigen Jubiläums

-

-

-

-

1.000

1.000

Rücklage BID Nikolaiquartier

1.000

1.000

1.000

1.000

861

853

Rücklage Azubi-Wohnheim in Hamburg

-

-

-

-

1.000

1.000

Rückstellungen für Pensionen
und ähnliche Verpflichtungen

36.300

37.781

59.484

60.568

63.172

68.818

Sonstige Rückstellungen

1.228

1.668

1.203

1.072

1.132

1.383

Gewinnvortrag auf neue Rechnung

292

444

5.711

3.096

3.763

2.108

4

Wegen der genauen Beträge der Rücklagen und Rückstellungen wird auf die Jahresabschlüsse der Beklagten für die Jahre 2008 bis 2013 Bezug genommen.

5

Das Plenum der Beklagten beschließt für jedes Geschäftsjahr eine Wirtschaftssatzung mit einem Wirtschaftsplan, der sich auch zum Saldo der Rücklagenveränderung verhält, und einer Regelung zur Erhebung der Mitgliedsbeiträge. Innerhalb eines halben Jahres nach Ablauf jedes Geschäftsjahres stellt die Beklagte einen Jahresabschluss auf. Das Plenum stellt diesen fest und beschließt über die Ergebnisverwendung.

6

Für das Geschäftsjahr 2010 beschloss das Plenum den Wirtschaftsplan in der Fassung des ersten Nachtrags zur Wirtschaftssatzung mit dem Saldo der Rücklagenveränderung von -8.700.000 Euro (Entnahmen aus anderen Rücklagen in Höhe von 16.500.000 Euro und Einstellungen in andere Rücklagen in Höhe von 7.800.000 Euro), für die Geschäftsjahre 2012 und 2013 stellte das Plenum die Wirtschaftspläne ohne Veränderung des Saldos der Rücklagen fest. Wegen der weiteren Festsetzungen wird auf die Wirtschaftssatzungen samt Nachträgen für die Geschäftsjahre 2010, 2012 und 2013 (im Internet abrufbar unter „https://www.hk24. de/servicemarken/ueber_uns/rechtsgrundlagen/Wirtschafts-planung_und_Finanzen“, letzter Abruf am 3.3.2016) Bezug genommen. Das Plenum beschloss ferner, Gewinne aus dem Geschäftsjahr 2010 in Höhe von 5.711.437,74 Euro, aus dem Geschäftsjahr 2012 in Höhe von 3.763.468,86 Euro und aus dem Geschäftsjahr 2013 in Höhe von 2.108.002,18 Euro jeweils auf neue Rechnung vorzutragen.

7

Mit Beitragsbescheid vom 1. Februar 2013 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin für das Jahr 2010 einen Beitrag in Höhe von 14.051,88 Euro (mit früherem Bescheid festgesetzt: 2.172,06 Euro) durch Abrechnung sowie – jeweils im Wege vorläufiger Veranlagung – für das Jahr 2012 einen Nachlass in Höhe von 366,30 Euro (mit früherem Bescheid war ein Beitrag in Höhe von 1.831,50 Euro festgesetzt worden) und für das Jahr 2013 einen Beitrag in Höhe von 11.412,00 Euro fest. Einleitend führte die Beklagte aus, aufgrund der Finanzlage der Kammer habe das Plenum beschlossen, einmalig einen Nachlass von 20 % für das Beitragsjahr 2012 zu gewähren. Wegen der Einzelheiten der Festsetzung wird auf den Beitragsbescheid vom 1. Februar 2013 Bezug genommen.

8

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 27. Februar 2013 gegen den Beitragsbescheid Widerspruch ein. Sie sehe sich außerstande, die Beiträge zu entrichten.

9

Mit weiterem Beitragsbescheid vom 31. Januar 2014 setzte die Beklagte im Wege vorläufiger Veranlagung für das Jahr 2013 einen Nachlass in Höhe von 1.711,80 Euro fest. Auf Grund der Finanzlage der Kammer habe das Plenum beschlossen, einmalig einen Nachlass von 15 % für das Beitragsjahr 2013 zu gewähren.

10

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2014, der Klägerin mit Postzustellungsurkunde zugegangen am 12. Mai 2014, zurück. Die Beiträge seien rechtmäßig festgesetzt worden.

11

Am 12. Juni 2014 hat die Klägerin Klage erhoben.

12

Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, die angegriffenen Bescheide seien rechtswidrig, weil die Beklagte das in § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG verankerte Kostendeckungsprinzip verletzt habe. Sie habe durch unangemessen hohe Rücklagen unzulässigerweise Vermögen gebildet. Die Beklagte habe weder tragfähige Gründe dafür angeführt, weshalb sie die nach ihrem Finanzstatut zulässige Obergrenze der Ausgleichsrücklage von 50 % der Betriebsausgaben nahezu ausgeschöpft habe noch bei der Festlegung der Höhe der Rücklage Ermessen ausgeübt. Eine Prognose des Inhalts, dass es im laufenden Haushaltsjahr zu Beitragsausfällen von nahezu 50 Prozent der laufenden Ausgaben kommen könne, sei nicht gerechtfertigt gewesen. Bei der Bildung der Umbau- und Instandhaltungsrücklage habe die Beklagte den Grundsatz der Schätzgenauigkeit verletzt, weil eine verbindliche Investitions- und Finanzierungsübersicht zu den beabsichtigten Baumaßnahmen nicht vorgelegen habe. Auch die allgemeine und unspezifische Bildung der Rücklage für nicht näher genannte Sonderprojekte erfülle die Voraussetzungen einer hinreichenden zeitlichen, sachlichen und finanzplanerischen Konkretisierung nicht. Die Bildung von Pensionsrücklagen neben – von ihr nicht angegriffenen – Pensionsrückstellungen widerspreche staatlichem Haushaltsrecht. Zudem habe die Beklagte die Ergebnisvorträge nicht im Sinne des Kostendeckungsprinzips verwendet.

13

Hinsichtlich des für das Jahr 2012 ausgewiesenen Guthabens in Höhe von 366,30 Euro ergebe sich ihre Beschwer daraus, dass ein wesentlich höherer Betrag als Guthaben habe ausgewiesen werden müssen.

14

Die gesetzliche Regelung in den §§ 3 Abs. 2 Satz 1, 2 Abs. 1 IHKG zur Zwangsmitgliedschaft in Industrie- und Handelskammern und akzessorischer Beitragspflicht sei zudem weder mit dem Grundgesetz noch mit dem europäischen Unionsrecht vereinbar.

15

Die Klägerin beantragt (dem Wortlaut nach),

16

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 1. Februar 2013 und deren Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2014 aufzuheben.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, Einzelheiten des Kammerhaushalts zu Rücklagen und Ergebnisvorträgen könnten nicht im Rahmen einer gegen einen Beitragsbescheid gerichteten Anfechtungsklage, sondern allein im Rahmen einer Feststellungsklage überprüft werden. Zudem sei die Klägerin hinsichtlich des Beitrags für das Jahr 2012 mangels Rechtsverletzung nicht klagebefugt, da mit dem angefochtenen Bescheid insoweit ein Guthaben festgesetzt worden sei.

20

Im Übrigen habe sie kein unzulässiges Vermögen gebildet, sondern eine angemessene Rücklagenpolitik betrieben. Diese habe es ihr ermöglicht, gleichbleibende Beitragssätze festzulegen. Eine angemessene Rücklagenbildung sei aus wirtschaftlicher Sicht vernünftig, da sie Vorsorge für einen Rückgang der Kammerbeiträge aus konjunkturellen Gründen (Ausgleichsrücklage) und die Notwendigkeit besonderer Aufwendungen für größere Instandhaltungsmaßnahmen am denkmalgeschützten Kammergebäude oder größerer Projekte zur Förderung des Wirtschaftsstandorts Hamburg (andere Rücklagen) treffe.

21

Die in § 15 Abs. 3 Satz 1 ihres Finanzstatuts hinsichtlich der Ausgleichsrücklage festgelegte Obergrenze von 50 % der Betriebsaufwendungen sei in keinem der streitgegenständlichen Geschäftsjahre überschritten worden. Die Obergrenze für die Ausgleichsrücklage sei nicht überhöht, sondern allgemein üblich und werde von der Rechtsprechung nicht beanstandet. Bei der Entscheidung zur Rücklagenbildung handele es sich nicht um eine Ermessensentscheidung, die einer besonderen Begründungspflicht unterliege. Das Plenum verfüge bei der Entscheidung vielmehr über einen Entscheidungsspielraum. Anhaltspunkte für eine unangemessene Höhe der Ausgleichrücklage lägen nicht vor. Der Einbruch an den Finanzmärkten im Herbst 2008 und die folgende wirtschaftliche Rezession im Jahr 2009 seien Anlass dafür gewesen, die Vorsorgemöglichkeiten auszuschöpfen. Der günstige Verlauf der Beitragseingänge sei bis 2011/2012 nicht abzusehen gewesen und wohl der spezifischen Wirtschaftsstruktur und einer Veränderung der Gewerbesteuer-Ermittlung ab 2009 zuzuschreiben.

22

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage sei korrekt gebildet und fortentwickelt worden. In der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 sei diese mit 5.333.439,80 Euro ausgewiesen worden. Es sei um größere Instandhaltungsaufwendungen in erster Linie für das historische Handelskammer-Gebäude am Adolphsplatz 1, aber auch für die Immobilie Schauenburger Straße 49 gegangen. Der ausgewiesene Rücklagenbetrag habe rund 10 % des damaligen Versicherungswerts beider Objekte entsprochen. Im Rahmen eines mittelfristigen Instandhaltungsprogramms, das insbesondere der Verbesserung der Energiebilanz und des Brandschutzes gedient habe, seien der Rücklage im Jahr 2007 weitere 1.000.000,00 Euro zugeführt worden. Im Jahr 2010 seien im Zusammenhang mit diesem mittelfristigen Instandhaltungsprogramm weitere 4.800.000,00 Euro in die Rücklage eingestellt worden. Im Jahr 2012 sei das Programm durch eine fachgutachterliche Stellungnahme des Architekturbüros „360grad+ architekten“ und des Ingenieurbüros „Wetzel & von Seht“ aktualisiert und um die Kosten für einen vollständigen Umbau der Büroflächen im Gebäude Adolphsplatz ergänzt worden. Das Gutachten habe die Kosten auf 14.747.235,65 Euro beziffert. Hinzuzurechnen gewesen seien Kosten für die Anmietung eines zeitweiligen Ausweichquartiers in Höhe von 1.440.000,00 Euro sowie ein Betrag von 5.000.000,00 Euro aufgrund eines überdurchschnittlichen Kostensteigerungs-Risikos wegen des Alters des Gebäudes und zum Teil nicht geklärter statischer Gründungsverhältnisse. Zur energetischen Sanierung seien der Rücklage im Jahr 2012 164.964,80 Euro, im Jahr 2013 370.036,53 Euro und im Jahr 2014 rund 1,3 Millionen Euro entnommen worden.

23

Die in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 mit 1.000.000,00 Euro ausgewiesene Rücklage für Sonderprojekte habe der Sicherung standortpolitisch bedeutsamer Projekte gedient. Das Ziel habe darin bestanden, sich kurzfristig Handlungsspielräume für notwendige ad-hoc-Aktivitäten im Rahmen des gesetzlichen Kammerauftrags nach § 1 IHKG zu erhalten, insbesondere zur Gesamtinteressenvertretung und Förderung der gewerblichen Wirtschaft. Solche Projekte könnten angesichts der sehr dynamischen politischen wie gesellschaftlichen Entwicklungen kurzfristig geboten sein. Das diene der Absicherung ihrer Handlungsfähigkeit im Sinne einer effektiven Aufgabenwahrnehmung. Im Jahr 2007 sei die Rücklage zunächst um 2.000.000,00 Euro erhöht worden. Hintergrund sei die Einschätzung gewesen, dass ihre Gremien stets eine neue Olympia-Bewerbung Hamburgs befürworten würden. Daneben habe die Erhöhung auf die Vorbereitung auf eventuelle Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 sowie die aktuelle Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten gezielt. Zur Absicherung dieser Projekte sei die Rücklage im Jahr 2007 um weitere 900.000,00 Euro erhöht worden. Im Jahr 2012 sei die Rücklage, soweit sie sich auf den doppelten Abiturjahrgang bezogen habe, in Höhe von 1.000.000,00 Euro zugunsten von Projekten der Metropolregion Hamburg umgewidmet worden, weil der doppelte Abiturjahrgang ohne besonderen Aufwand habe bewältigt werden können.

24

Die Ergebnisvorträge seien rechtzeitig in die Wirtschaftsplanung eingeflossen. Diese hätten zudem dazu geführt, dass Beitragssenkungen in Höhe von 4.962.219,71 Euro für das Jahr 2012 und 4.397.256,56 Euro für das Jahr 2013 beschlossen worden seien. Verfassungs- oder europarechtliche Bedenken gegen Pflichtmitgliedschaft und Beitragspflicht beständen nicht.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 2015 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Die Sachakten haben bei der Entscheidung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

I.

26

Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren (§ 101 Abs. 2 VwGO).

II.

27

Der Klagantrag ist nach § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass er auf Aufhebung des Beitragsbescheides vom 1. Februar 2013 in der Gestalt des Beitragsbescheides vom 31. Januar 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 gerichtet ist. Seinem Wortlaut nach berücksichtigt der Klagantrag die mit Beitragsbescheid vom 31. Januar 2014 erfolgte Festsetzung eines Nachlasses in Höhe von 1.711,80 Euro für das Jahr 2013 nicht. Dies entspricht nicht dem klägerischen Begehren, wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt hat.

28

Mit dem so ausgelegten Antrag hat die Anfechtungsklage hinsichtlich der Beitragsfestsetzung für die Jahre 2010 und 2013 (hierzu unter 1.), nicht aber hinsichtlich der Festsetzung des 20-prozentigen Nachlasses auf den Beitrag für das Jahr 2012 (hierzu unter 2.) Erfolg.

29

1. Hinsichtlich der Beitragsveranlagung für die Jahre 2010 und 2013 ist die zulässige Klage auch begründet. Der Bescheid vom 1. Februar 2013 in der Gestalt des Bescheides vom 31. Januar 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2014 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

30

a) Rechtsgrundlage für die Beitragspflicht dem Grunde nach ist § 3 Abs. 2 IHKG.

31

Danach werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammern, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Diesen Vorgaben ist die Beklagte bei der Beitragsveranlagung für die Jahre 2010 und 2013 nicht gerecht geworden.

32

aa) Die Wirtschaftspläne für die Jahre 2010 und 2013 als Grundlage der Beitragserhebung sind aufgrund der von der Beklagten vorgehaltenen Rücklagen rechtswidrig.

33

(1) Das Gesetz legt mit Blick auf die Beitragserhebung eine zweistufige Willensbildung der Kammer zugrunde. Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Wirtschaftsplan auf. Dieser gilt für ein Wirtschaftsjahr und ist – als Plan – im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, juris, Rn. 12).

34

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert nicht nur die Feststellung, ob der im Wirtschaftsplan festgesetzte Mittelbedarf der Kammer – die nicht durch Einnahmen (anderweitig) gedeckten Kosten ihrer Tätigkeit – durch eine Beitragsordnung rechtmäßig auf die Kammerzugehörigen umgelegt und ob die Beitragsordnung auch im Einzelfall fehlerfrei angewendet wurde. Geboten ist vielmehr ebenfalls die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Der Wirtschaftsplan ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen. Er ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit nicht entzogen. Beides wäre mit dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, gegen die Beitragserhebung der Industrie- und Handelskammer effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar (BVerwG, a.a.O, Rn. 13).

35

Allerdings besitzt die Kammer bei der Aufstellung des Wirtschaftsplanes einen weiten Gestaltungsspielraum. Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt die Prüfung, ob dabei der durch die jeweils zu beachtenden Rechtsnormen gebildete Rahmen gewahrt ist. Dazu gehört zunächst § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG, der die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen gebietet. Ferner sind nach § 3 Abs. 7a IHKG die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung anzuwenden und – unabhängig davon – die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (BVerwG, a.a.O, Rn. 16).

36

Hinsichtlich der rechtlichen Anforderungen an die Rücklagenbildung ist zu beachten, dass der Kammer die Bildung von Vermögen verboten ist (BVerwG, Urt. v. 26.6.1990, 1 C 45.87, juris, Rn. 20). Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, juris, Rn. 17). Zudem muss auch die Höhe der Rücklage von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein; eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und käme einer unzulässigen Vermögensbildung gleich (BVerwG, a.a.O, Rn. 18).

37

Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Wirtschaftsplan – und damit jährlich – erneut treffen. Ein Wirtschaftsplan kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält (BVerwG, a.a.O, Rn. 18).

38

(2) Nach diesen Vorgaben sind die Wirtschaftspläne der Beklagten und damit auch die Festsetzung der Mitgliedsbeiträge für die Jahre 2010 und 2013 aufgrund der von der Beklagten vorgehaltenen Rücklagen rechtswidrig.

39

(a) Die Bildung, Aufrechterhaltung und Aufstockung der „Rücklage für Sonderprojekte“ entsprach nicht den zu stellenden Anforderungen.

40

Nach § 15 Abs. 3 Satz 4 des hier maßgeblichen Finanzstatuts der Beklagten vom 25. Januar 2006 ist die Bildung anderer Rücklagen – neben einer Ausgleichsrücklage und einer Liquiditätsrücklage – zulässig. Diese dürfen ausweislich der Richtlinien zur Ausführung des Finanzstatus der Beklagten vom 12. Mai 2006 zu § 15 Abs. 3 jedoch nur für bestimmte Zwecke gebildet werden. Diesem auch aus dem Verbot der Vermögensbildung folgenden Gebot hinreichend bestimmter sachlicher Zweckbindung der Rücklage im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit hat die Beklagte bei der Bildung, Aufrechterhaltung und Aufstockung der „Rücklage für Sonderprojekte“ nicht genügt.

41

Der zur Begründung der Rücklage in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 angeführte Zweck der Sicherung standortpolitisch bedeutsamer Projekte ist nicht hinreichend bestimmt. In dieser Allgemeinheit konnte die Rücklage einer Vielzahl von Projekten dienen, ohne dass näher erkennbar war, welche dies sein werden und wann diese mit jeweils welchem Mittelbedarf in Angriff genommen werden. Mangels diesbezüglicher Präzisierungen kam diese Rücklage unzulässigerweise gebildetem Vermögen gleich. Zu diesem nicht hinreichend bestimmten Zweck hat die Beklagte im Rahmen der „Rücklage für Sonderprojekte“ seit der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 bis in das Jahr 2013 einen Betrag in Höhe von 1.000.000,00 Euro bereitgehalten.

42

Soweit die „Rücklage für Sonderprojekte“ im Jahr 2007 zunächst um 2.000.000,00 Euro und sodann um weitere 900.000,00 Euro erhöht wurde und die Beklagte dies mit der damaligen Einschätzung, ihre Gremien würden eine neue Olympia-Bewerbung Hamburgs stets befürworten, sowie den eventuellen Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 und der Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten begründet hat, kann dahinstehen, ob Aktivitäten im Vorfeld einer Olympia-Bewerbung Hamburgs noch vom gesetzlichen Auftrag der Beklagten gedeckt wären. Jedenfalls ist nicht erkennbar, welche konkreten Maßnahmen mit welchem Zeithorizont und welchem Mittelbedarf im Einzelnen geplant waren. Gleiches gilt für die im Jahr 2012 erfolgte Umwidmung der Rücklage in Höhe von 1.000.000,00 Euro hinsichtlich des doppelten Abiturjahrgangs, der ohne besonderen Aufwand habe bewältigt werden können, zugunsten nicht näher spezifizierter Projekte der Metropolregion Hamburg.

43

(b) Die Bildung, Aufrechterhaltung und Aufstockung der „Umbau-/Instandhaltungs-rücklage“ war nach den vorliegenden Erkenntnissen ebenfalls rechtswidrig.

44

Der Zweck dieser Rücklage in Gestalt der Vorsorge für umfangreiche Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen insbesondere am denkmalgeschützten Kammergebäude ist zwar hinreichend bestimmt und bewegt sich im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass die Höhe der Rücklage in den Jahren 2010 und 2013 von diesem sachlichen Zweck gedeckt war.

45

Dies gilt bereits für den in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 ausgewiesenen Betrag in Höhe von 5.333.439,80 Euro. Soweit die Beklagte insoweit vorträgt, dieser Betrag habe größeren Instandhaltungsaufwendungen für die Gebäude am Adolphsplatz 1 und in der Schauenburger Straße 49 gedient und rund 10 % des damaligen Versicherungswerts beider Objekte entsprochen, fehlt es an Angaben dazu, dass sowie aufgrund welcher Erfahrungswerte unter Berücksichtigung des seinerzeitigen Zustands der Gebäude und der in der Vergangenheit vorgenommenen Arbeiten in absehbarer Zeit Instandhaltungsmaßnahmen in dieser Größenordnung erforderlich werden würden. Die pauschale Bezugnahme auf 10 % des seinerzeitigen Versicherungswerts ist insoweit unzureichend, zumal die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 2015 ausdrücklich gebeten worden war, die Erforderlichkeit der Höhe der „Umbau-/ Instandhaltungsrücklage“ näher darzulegen. Mangels genauerer Angaben ist nicht festzustellen, dass die Prognose des Mittelbedarfs in Höhe der Rücklage aus der ex ante Sicht sachgerecht und vertretbar war und deshalb dem Grundsatz der Schätzgenauigkeit entsprach.

46

Hinsichtlich der Erhöhung der „Umbau-/Instandhaltungsrücklage“ im Rahmen eines mittelfristigen Instandhaltungsprogramms, das insbesondere der Verbesserung der Energiebilanz und des Brandschutzes gedient habe, um 1.000.000,00 Euro im Jahr 2007 und weitere 4.800.000,00 Euro „im Zusammenhang“ mit diesem Programm im Jahr 2010 ist ebenfalls nicht zu erkennen, welche konkreten Maßnahmen in welchen Zeiträumen und mit welchem Mittelbedarf geplant waren. Eine Investitions- und Finanzierungsübersicht, die nach § 8 des Finanzstatuts der Beklagten verbindliche Grundlage für die erforderliche Genehmigung größerer Baumaßnahmen, deren Volumen fünf Prozent des Betriebsaufwandes überschreitet, durch das Plenum ist, hat die Beklagte nicht vorgelegt.

47

Lediglich zur Erhöhung der „Umbau-/Instandhaltungsrücklage“ auf 20.968.475,00 Euro im Jahr 2012 liegt eine Stellungnahme des Architekturbüros „360grad+ architekten“ und des Ingenieurbüros „Wetzel & von Seht“ zur mittel- und langfristigen Budgetplanung möglicher Sanierungsmaßnahmen vor (Bl. 451 ff. d. A.). Darin wird zwar ein Mittelbedarf in Höhe von insgesamt 14.747.235,65 Euro genannt. Auf welcher Grundlage und Erfahrungswerte darüber hinaus jedoch neben Kosten für die Anmietung eines zeitweiligen Ausweichquartiers in Höhe von 1.440.000,00 Euro ein weiterer Betrag von 5.000.000,00 Euro aufgrund des Gebäudealters und ungeklärter statischer Gründungsverhältnisse in die Rücklage eingestellt wurde, ist hingegen nicht zu erkennen. Auch insoweit ist nicht festzustellen, dass diese Prognose aus der ex ante Sicht sachgerecht und vertretbar war und deshalb dem Grundsatz der Schätzgenauigkeit entsprach.

48

bb) Darüber hinaus sind die Beschlüsse des Plenums über den Vortrag der Gewinne in Höhe von 5.711.437,74 Euro aus dem Jahr 2010 sowie 2.108.002,18 Euro aus dem Jahr 2013 rechtswidrig.

49

(1) Die Feststellung des Jahresabschlusses bietet die Gelegenheit, die dem Wirtschaftsplan und der Beitragsveranlagung in der Wirtschaftssatzung zu Grunde liegende Prognose des Mittelbedarfs aus der Sicht ex post auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.

50

Erwirtschaftet eine Industrie- und Handelskammer einen erheblichen Gewinn, indiziert dies, dass die Mitgliedsbeiträge unter Missachtung des aus § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG folgenden Gebots, die Leistungsfähigkeit der Mitglieder pfleglich zu behandeln, zu hoch bemessen waren. Die Beiträge sind dann grundsätzlich in Höhe des Gewinns anteilig an die Mitglieder zurückzuerstatten. Geschähe dies nicht und würde der Gewinn stattdessen auf neue Rechnung vorgetragen, stände dieser Betrag zwar weiterhin der Kammer, nicht aber unmittelbar den Kammerzugehörigen zur Verfügung. Vom Gewinnvortrag könnten zudem diejenigen Kammerzugehörigen, die nach dem mit erheblichem Gewinn abgeschlossenen Geschäftsjahr aus der Kammer ausscheiden, auch mittelbar nicht mehr profitieren. Erfolgt der Gewinnvortrag überdies kontinuierlich über mehrere Jahre hinweg in erheblicher Höhe, steht dies wirtschaftlich einer der Kammer untersagten unzulässigen Vermögensbildung gleich. Der Vortrag eines erheblichen Gewinns auf neue Rechnung anstatt einer anteiligen Rückerstattung der Beiträge an die Mitglieder ist deshalb nur dann im Einzelfall rechtlich zulässig, wenn dies aufgrund besonderer Umstände wirtschaftlich geboten ist.

51

Die Gewinnverwendungsbeschlüsse können aufgrund des nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes auch im Rahmen einer gegen einen Beitragsbescheid gerichteten Anfechtungsklage auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden. Dies gilt auch dann, wenn diese Beschlüsse zeitlich später als die angefochtenen Bescheide ergangen sind. Denn bei Anfechtungsklagen bestimmt sich der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt in erster Linie nach dem materiellen Recht und nur dann, wenn diesem keine Anhaltspunkte für den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt zu entnehmen sind, nach dem Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (BVerwG, Urt. v. 29.3.1996, 1 C 28/94, juris, Rn. 15 m.w.N.). Aus den Regelungen des materiellen Kammerrechts zur Beitragsveranlagung ergibt sich seinem Wesen nach, dass Beschlüsse über die Verwendung eines in erheblicher Höhe angefallenen Gewinns nicht dann bei der im Rahmen einer Anfechtungsklage zu beurteilenden Rechtmäßigkeit der Beitragsveranlagung unberücksichtigt zu bleiben haben, wenn diese Beschlüsse zeitlich nach den angefochtenen Beitragsbescheiden ergangen sind.

52

Zum einen ist den Gewinnverwendungsbeschlüssen, wie bereits ausgeführt, erhebliche Relevanz für die Rechtmäßigkeit der Beitragsveranlagung beizumessen. Zum anderen folgt aus den Regelungen der Beklagten zur Feststellung der Wirtschaftssatzung, die über die Beiträge bestimmt und vor Beginn des Geschäftsjahres beschlossen werden soll (§ 2 Abs. 1 des Finanzstatuts der Beklagten) sowie der nachfolgenden Beitragsveranlagung (§ 15 der Beitragsordnung der Beklagten) auf der einen und zur Feststellung des Jahresabschlusses nach Ablauf des Geschäftsjahres sowie zum Beschluss über die Ergebnisverwendung (§§ 15 Abs. 1, 17 Abs. 3 des Finanzstatuts der Beklagten) auf der anderen Seite, dass die Gewinnverwendungsbeschlüsse regelhaft erst nach der Beitragsveranlagung erfolgen. Bliebe die Rechtswidrigkeit eines der Beitragsveranlagung nachfolgenden Gewinnverwendungsbeschlusses im Beitragsrechtsstreit unberücksichtigt, wäre dies weder prozessökonomisch noch trüge es dem Eingriffscharakter von IHK-Pflichtmitgliedschaft und Beitragspflicht in die nach Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit angemessen Rechnung.

53

(2) Nach diesen Maßgaben sind die Beschlüsse des Plenums der Beklagten über den Vortrag der Gewinne aus den Jahren 2010 und 2013 auf neue Rechnung rechtswidrig.

54

Die Beklagte hat im Geschäftsjahr 2010 einen ganz erheblichen Gewinn in Höhe von 5.711.437,74 Euro auf neue Rechnung vorgetragen. Besondere Umstände, aufgrund derer dies anstatt der anteiligen Rückerstattung der Mitgliedsbeiträge wirtschaftlich hätte geboten sein können, sind nicht ersichtlich. Dies gilt auch für das Jahr 2013, in dem die Beklagte trotz des 15-prozentigen Nachlasses auf die Mitgliedsbeiträge, der für sie geringere Einnahmen in Höhe von 4.397.256,56 Euro bedeutete, einen ebenfalls erheblichen Gewinn in Höhe von 2.108.002,18 Euro auf neue Rechnung vorgetragen hat.

55

b) Die Regelungswirkung des angefochtenen und für rechtswidrig erkannten Beitragsbescheides umfasst den Beitrag für das Jahr 2010 in Höhe von 14.051,88 Euro insgesamt sowie für das Jahr 2013, aufgrund des mit Bescheid vom 31. Januar 2014 erfolgten 15-prozentigen Nachlasses, in Höhe von 9.700,20 Euro.

56

Hinsichtlich des Geschäftsjahres 2010 beschränkt sich die Regelungswirkung des angefochtenen Bescheides nicht auf die Festsetzung des Beitrags in Höhe von 11.879,82, der den mit früherem Bescheid im Wege vorläufiger Veranlagung festgesetzten Betrag von 2.172,06 Euro übersteigt, da der angefochtene Bescheid den Beitrag für das Jahr 2010 im Wege der Abrechnung und damit endgültig auf 14.051,88 Euro festgesetzt hat.

57

aa) Dies beruht auf § 15 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 der Beitragsordnung der Beklagten vom 14. Mai 2004, zuletzt geändert am 21. Dezember 2006.

58

Danach kann eine vorläufige Veranlagung aufgrund des letzten vorliegenden Gewerbeertrags oder – soweit ein solcher nicht vorliegt – aufgrund einer Schätzung in entsprechender Anwendung des § 162 AO erfolgen, sofern der Gewerbeertrag oder der Zerlegungsanteil für das Bemessungsjahr noch nicht vorliegen. Entsprechendes gilt für den Gewinn aus Gewerbebetrieb und den Umsatz, die Bilanzsumme und die Arbeitnehmerzahl, soweit diese für die Veranlagung von Bedeutung sind. Ändert sich die Bemessungsgrundlage nach Erteilung des Beitragsbescheids, erlässt die Beklagte einen berichtigten Bescheid.

59

Veranlassung zum Erlass eines endgültigen Beitragsbescheides besteht, wenn die Beitragsveranlagung im Gegensatz zur vorläufigen Veranlagung auf Grundlage des nunmehr vorliegenden Gewerbeertrages bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb des Bemessungsjahres erfolgen kann. Unerheblich ist insoweit, ob sich einzelne für die Berechnung des Beitrags nach den genannten Vorschriften relevante Parameter der Höhe nach zu Gunsten oder zu Ungunsten des Kammermitglieds geändert haben. Auch wenn diese im Ergebnis unverändert sind und sich keine Änderung der Höhe des Beitrags ergibt, ist der Beitrag im Wege der Abrechnung endgültig festzusetzen. Dieser Veranlagungsbescheid stellt nicht bloß eine – teilweise – wiederholende Verfügung dar, sondern trifft aufgrund der Endgültigkeit der Beitragsveranlagung eine eigenständige Regelung, die in seiner Gesamtheit uneingeschränkt anfechtbar ist (s. auch Jahn, GewArch 2008, 190 (191)).

60

bb) Entgegen anderslautender verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen (s. VG München, Urt. v. 6.10.2015, M 16 K 15.2443, juris, Rn. 20) steht dies nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 5.3.1971, VII C 44.68, juris) zur beschränkten Anfechtbarkeit gemäß § 212b Abs. 3 AO in der ab dem 1. Januar 1966 geltenden Fassung (BGBl. 1965 I S. 1477 (1497)) erlassener Berichtigungsbescheide im Widerspruch.

61

Nach dieser Vorschrift hatte eine Gemeinde, wenn ein Steuermessbescheid nachträglich geändert wurde, einen Realsteuerbescheid, der auf dem bisherigen Steuermessbescheid beruhte, von Amts wegen durch einen neuen Realsteuerbescheid zu ersetzen, der der Änderung des bisherigen Steuermessbescheids Rechnung trug.

62

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Berichtigungsbescheid den bisherigen Steuerbescheid nur insoweit berühre, als es erforderlich sei, um ihn dem geänderten Steuermessbescheid des Finanzamts, auf dem die Änderung beruhe, anzupassen. Eine Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalles finde nicht statt. Führe daher der gemäß § 212b Abs. 3 AO ergangene Berichtigungsbescheid zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung, weil der Betrag des bisherigen Steuermessbescheides herabgesetzt worden sei, so werde ein bisheriger Gewerbesteuerbescheid nur insoweit beseitigt, als er dem zugrunde liegenden geänderten Steuermessbescheid entgegenstehe, also eine höhere Gewerbesteuer festgesetzt habe als sie dem herabgesetzten Steuermessbetrag entspreche. Im Übrigen bleibe die bisherige Gewerbesteuerfestsetzung bestehen und damit auch ihre in der Vergangenheit eingetretene Wirkung der Unanfechtbarkeit. Soweit der Berichtigungsbescheid den nicht korrigierten Bestandteil der bisherigen Gewerbesteuerfestsetzung dem Steuerpflichtigen gegenüber nochmals geltend mache, stelle er sich nicht als neuer Sachbescheid, sondern lediglich als „wiederholende Verfügung“ dar, die nicht mehr selbständig angefochten werden könne (zum Vorstehenden: BVerwG, Urt. v. 5.3.1971, VII C 44.68, juris, Rn. 22).

63

Diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Im Gegensatz zu den Steuerbescheiden, die den Berichtigungsbescheiden nach § 212b Abs. 3 AO vorausgegangen waren, hat die Beklagte nach Maßgabe von § 15 Abs. 3 ihrer Beitragsordnung zunächst eine nur vorläufige Veranlagung vorgenommen, hinsichtlich der es stets einer späteren Abrechnung und damit endgültigen Veranlagung bedarf. Dabei handelt es sich, wie bereits ausgeführt, nicht um eine – teilweise – wiederholende Verfügung, sondern um eine eigenständige Sachentscheidung.

64

cc) Auch aus § 351 Abs. 1 AO, wonach Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, nur insoweit angegriffen werden können, als die Änderung reicht, es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt (hierzu: VG München, Urt. v. 6.10.2015, M 16 K 15.2443, juris, Rn. 20), folgt nichts anderes, da diese Anfechtungsbeschränkung für vorläufige Steuerbescheide mangels materieller Bestandskraft nicht gilt (Bartone, in: Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 121. Lieferung, Stand: 1.11.2013, § 351 AO 1977, Rn. 7 m.w.N.; Cöster, in: Koenig, AO, 3. Auflage 2014, § 351, Rn. 13).

65

2. Hinsichtlich der mit dem angefochtenen Beitragsbescheid erfolgten Festsetzung eines 20-prozentigen Nachlasses auf den Beitrag für das Jahr 2012 ist die Anfechtungsklage hingegen unzulässig.

66

Die Klägerin ist insoweit nicht klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Die danach erforderliche Möglichkeit der Verletzung in eigenen Rechten scheidet bei einem den Rechtsschutzsuchenden rechtlich nur begünstigenden Verwaltungsakt aus (Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL, Oktober 2015, § 42 Abs. 1, Rn. 8). So ist es hier.

67

Die Regelung des angefochtenen Bescheides beschränkt sich hinsichtlich des Geschäftsjahres 2012 auf die Reduzierung des bereits mit einem früheren Bescheid festgesetzten Beitrags um 20 %. Hintergrund ist ausweislich der einleitenden, in Fettdruck gesetzten Formulierung, dass das Plenum aufgrund der Finanzlage der Beklagten beschlossen hatte, einmalig für das Beitragsjahr 2012 auf alle Grundbeiträge und auf die Umlage einen Nachlass von 20 % zu gewähren.

68

Hingegen ist der Bescheid nicht dahingehend auszulegen, dass damit die Höhe des Beitrags für das Geschäftsjahr 2012 vollständig neu festgesetzt wurde. Im Gegensatz zur Veranlagung zum Jahr 2010 handelt es sich nicht um eine Abrechnung aufgrund nunmehr vorliegender Parameter, die für die Berechnung des Beitrages erforderlich sind, sondern um eine erneute vorläufige Veranlagung, die einzig auf den vom Plenum beschlossenen pauschalen 20-prozentigen Nachlass zurückzuführen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte mit dieser Festsetzung den früheren Bescheid aufgehoben und eine vollständige neue Sachentscheidung über den Beitrag für das Geschäftsjahr 2012 getroffen hat, liegen nicht vor. Im Gegenteil heißt es am Ende des Bescheides, dass, wenn zu den aufgeführten Beitragsjahren bereits Beitragsbescheide ergangen seien, diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben würden.

69

Der Klägerin wird dadurch der nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistete effektive Rechtsschutz auch nicht verwehrt. Mit ihrem Argument, der Nachlass habe höher als 20 Prozent ausfallen müssen, kann sich die Klägerin gegen die spätere endgültige Veranlagung für das Geschäftsjahr 2012 wenden, ohne dass dem die Unanfechtbarkeit der vorläufigen Veranlagung entgegenzuhalten wäre (s. oben unter II. 1. b)).

III.

70

Der Beklagten sind die Kosten nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO in Gänze aufzuerlegen, weil die Klägerin nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

71

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Industrie- und Handelskammer. Sie wendet sich gegen die Höhe ihrer Beiträge.

2

Zur Begründung ihrer Klage gegen den Beitragsbescheid vom 17. November 2011, mit dem die Beklagte die Beiträge für die Jahre 2005 bis 2008 festsetzte, und den Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2012 hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Beklagte bei der Beitragskalkulation Überschüsse aus den Vorjahren unberücksichtigt gelassen und unangemessen hohe Rücklagen gebildet habe. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe in allen vier Jahren bei der Festlegung der Liquiditäts- und Ausgleichsrücklage von ihrem Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht. Eine Liquiditätsrücklage zur Zwischenfinanzierung verspätet eingehender Beiträge und eine Ausgleichsrücklage zur Abdeckung von Beitragsausfällen in Höhe von jeweils 50 % des Jahresfinanzbedarfs seien unverhältnismäßig hoch. Diese Rücklagen überstiegen das abzudeckende Risiko um ein Vielfaches.

3

Auf die Berufung der beklagten Industrie- und Handelskammer hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil teilweise geändert. Die Beitragserhebung für die Jahre 2007 und 2008 sei zwar rechtswidrig; denn die Beklagte habe Gewinne aus Vorjahren bei der Beitragskalkulation unberücksichtigt gelassen. Hinsichtlich der Beitragsbescheide für die Jahre 2005 und 2006 sei die Klage aber unbegründet. Im Beitragsprozess sei eine gerichtliche Kontrolle der Rücklagenbildung nur insoweit möglich, als erhobene Beiträge kalkulatorisch wenigstens teilweise eine Zuführung zu den Rücklagen bewirkten. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG würden die Beiträge nach Maßgabe des Wirtschaftsplans aufgebracht. In den Jahren 2005 und 2006 sei jedoch keine Zuführung in die Liquiditätsrücklage geplant gewesen, so dass es insoweit an einer Beschwer der Klägerin durch die Beitragserhebung fehle. Eine fehlerhafte Wirtschaftsplanung könne nicht im Beitragsprozess, sondern nur mit einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage in Bezug auf die Haushaltsführung geltend gemacht werden.

4

Mit ihrer vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Aufhebung des Berufungsurteils. Zur Begründung verweist sie auf ihre Nichtzulassungsbeschwerde und auf den Zulassungsbeschluss. Sie beantragt sinngemäß,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. September 2014 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. November 2013 insgesamt zurückzuweisen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Revision zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

6

Sie hält die Revision für unzulässig, da eine ausreichende Revisionsbegründung fehle. Rein vorsorglich verteidigt sie das Berufungsurteil. Sie verweist darauf, dass einer Industrie- und Handelskammer bei der Wirtschaftsplanung ein weiter finanzpolitischer Gestaltungsspielraum zustehe. Die Wirtschaftshoheit gehöre im Sinne der Finanzhoheit zum Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie. Die Industrie- und Handelskammern seien einer internen und externen Rechnungskontrolle unterworfen. Eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle ihrer Haushaltsentscheidungen sei nicht vorgesehen, weswegen auch im Rahmen der Anfechtung eines Beitragsbescheides keine umfassende IHK-Haushaltsprüfung vorzunehmen sei. Eine im Einzelfall fehlerhafte Haushaltsentscheidung führe weder zur Unwirksamkeit des gesamten Haushalts, noch sei sie wegen des Prinzips der Jährlichkeit nach Ablauf des Haushaltsjahres reparabel. Sie wirke sich weder auf die Wirksamkeit des Beitragssystems noch auf die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides aus. Der Beitrag sei als Gegenleistung für die Vorteile anzusehen, die ein Mitglied aus der Kammerzugehörigkeit oder einer besonderen Tätigkeit der Kammern ziehe oder ziehen könne. Daraus folge, dass die Einhaltung der Haushaltsvorschriften nicht inzident bei der Beitragskontrolle zu prüfen sei. Sie könne allenfalls im Rahmen einer isolierten Feststellungs- und Unterlassungsklage geltend gemacht werden.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses bemängelt die Revisionsbegründung, hält die Revision in der Sache jedoch für begründet.

8

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin, über die der Senat nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat Erfolg.

10

1. Sie ist zulässig. Die Revisionsbegründung genügt noch den an sie zu stellenden Anforderungen (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Sie enthält einen bestimmten Antrag und nimmt zur Begründung der Rechtsverletzung auf das Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug. Zu den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung gehört eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und eine damit verbundene sachliche Auseinandersetzung mit den die Entscheidung des Berufungsgerichts tragenden Gründen, aus der hervorgeht, warum der Revisionskläger diese Begründung nicht als zutreffend erachtet (BVerwG, Urteil vom 3. März 1998 - 9 C 20.97 - BVerwGE 106, 202 <203>; Beschluss vom 12. Juni 2006 - 5 C 26.05 - NJW 2006, 3081 Rn. 2). Eine Bezugnahme auf Schriftsätze, die im Verfahren wegen der Nichtzulassung der Revision vorgelegt worden sind, ist als Begründung der zugelassenen Revision ausreichend, wenn die Beschwerdeschrift ausnahmsweise den Anforderungen (auch) an eine Revisionsbegründung genügt (BVerwG, Urteile vom 13. März 2008 - 7 C 44.07 - Buchholz 406.25 § 17 BImSchG Nr. 4 Rn. 12 und vom 16. Juni 2015 - 10 C 14.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:160615U10C14.14.0] - NVwZ 2015, 1610 Rn. 14). Das ist hier der Fall. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde enthält eine kritische Würdigung des Berufungsurteils im Hinblick auf dessen verfahrens- und materiellrechtliche Richtigkeit, auch wenn darin nicht auf alle Aspekte eingegangen wird.

11

2. Die Revision ist auch begründet. Das Berufungsgericht hätte die Berufung der Beklagten auch in Ansehung der Beitragsfestsetzung für 2005 und 2006 zurückweisen müssen; denn auch insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beitragsfestsetzungen stehen auch für diese beiden Jahre mit § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (Industrie- und Handelskammergesetz - IHKG) vom 18. Dezember 1956 (BGBl. I S. 920) in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 5 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2934) und des Art. 4 Nr. 5 des Gesetzes vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931) nicht im Einklang.

12

a) Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG ist der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Mit Blick auf die Beitragserhebung legt das Gesetz damit eine zweistufige Willensbildung der Kammer zugrunde. Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) auf. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) gilt für ein Haushaltsjahr (Wirtschaftsjahr) und ist - als Plan - im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

13

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert damit nicht nur die Feststellung, ob der im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) festgesetzte Mittelbedarf der Kammer - die nicht durch Einnahmen (anderweitig) gedeckten Kosten ihrer Tätigkeit - durch eine Beitragsordnung rechtmäßig auf die Kammerzugehörigen umgelegt und ob die Beitragsordnung auch im Einzelfall fehlerfrei angewendet wurde. Geboten ist vielmehr ebenfalls die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen. Er ist auch der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit nicht entzogen. Beides wäre mit dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, gegen die Beitragserhebung der Industrie- und Handelskammer effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar.

14

Hiergegen kann die Beklagte nicht auf ihre Befugnis zur Selbstverwaltung verweisen. Hinter dieser Argumentation steht ersichtlich die Sorge, die gerichtliche Überprüfung könne eine kraftvolle Betätigung der Selbstverwaltung allzu sehr einengen. Diese Sorge ist unbegründet. Jede Autonomie besteht nur in den ihr vom Gesetz gezogenen Grenzen, und es ist Aufgabe der Gerichte, über die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen zu wachen. Wie weit diese gerichtliche Kontrolle reicht, hängt davon ab, wie eng gezogen die gesetzlichen Grenzen sind. Wie noch (sogleich unten b) zu zeigen sein wird, besitzt die Kammer bei der Aufstellung ihres Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen sehr weiten Gestaltungsspielraum.

15

Das Berufungsgericht hält die gerichtliche Überprüfung der Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) zwar grundsätzlich für möglich, erklärt sie aber im Beitragsprozess für unzulässig und möchte sie einer gesonderten Unterlassungs- oder Feststellungsklage vorbehalten. Hierfür beruft es sich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, derzufolge ein Kammermitglied die Zahlung des Kammerbeitrags nicht mit Einwänden gegen die Beitragsverwendung verweigern darf (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 - 7 C 65.78 - BVerwGE 59, 242 <245 ff.>; OVG Koblenz, Urteil vom 13. April 2011 - 6 A 11076/10 - LKRZ 2011, 238). Dem liegt ein Missverständnis zugrunde. Die zitierte Rechtsprechung betrifft lediglich solche Einwände gegen die Beitragsverwendung, die sich gegen bestimmte Tätigkeiten der Kammer richten. Es trifft zu, dass ein Kammermitglied nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Kammer zwar gerichtlich auf Unterlassung von Tätigkeiten in Anspruch nehmen kann, die außerhalb ihres gesetzlichen Aufgabenkreises liegen (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 - 8 C 20.09 - BVerwGE 137, 171), dass es mit dieser Begründung jedoch nicht die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern kann (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 a.a.O.; stRspr). Dies findet seine Begründung darin, dass der Kammerbeitrag der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit dient und daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer einzelnen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Mit Blick auf die Kammertätigkeit ist der Kammerbeitrag daher verwendungsneutral. Das führt indes nicht dazu, die Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) im Beitragsprozess generell ungeprüft als gegeben hinzunehmen. Gerade die gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung selbst berühren das einzelne Kammermitglied regelmäßig nur über die Beitragspflicht; dann muss es deren Einhaltung gerade im Beitragsprozess zur gerichtlichen Prüfung stellen können.

16

b) Die Kammer besitzt bei der Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht freilich nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. August 2015 - 6 C 10.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:050815U6C10.14.0] - juris Rn. 42 und vom 14. Oktober 2015 - 6 C 17.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:141015U6C17.14.0] - juris Rn. 35). Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gebietet die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Ferner sind - für spätere als die hier strittigen Haushaltsjahre - seit der Einfügung des § 3 Abs. 7a IHKG durch das Gesetz vom 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246) die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung anzuwenden. Unabhängig davon sind ferner die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Juli 2007 - 2 BvF 1/04 [ECLI:DE:BVerfG:2007:fs20070709.2bvf000104] - BVerfGE 119, 96 <129>).

17

Welche rechtlichen Anforderungen an die Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) sich hieraus sowie aus weiteren einschlägigen Vorschriften im Einzelnen ergeben, bedarf keiner Vertiefung. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits genügt es, die rechtlichen Anforderungen zu präzisieren, die mit Blick auf die Rücklagenbildung zu stellen sind. Insofern ist davon auszugehen, dass der Kammer die Bildung von Vermögen verboten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 - 1 C 45.87 - Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 22 S. 12). Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es sich bei den Mitteln für angemessene Rücklagen ebenfalls um Kosten der Industrie- und Handelskammer im Sinne des § 3 Abs. 2 IHKG handelt, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 a.a.O. S. 12 f.). Daran ist auch für die Zukunft festzuhalten, da die Bildung von angemessenen Rücklagen auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlichrechtliche Körperschaften weiterhin notwendig ist und zu einer geordneten Haushaltsführung gehört (vgl. Jahn, GewArch 2013, 49 <53>).

18

Die Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder Einnahmeausfällen stellt einen solchen sachlichen Zweck dar. Allerdings muss auch das Maß der Rücklage noch von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein; eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) - und damit jährlich - erneut treffen. So räumt die Beklagte selbst ein, dass auch in der Entscheidung der IHK-Vollversammlung, eine in der Vergangenheit gebildete Rücklage in einem späteren Haushaltsjahr unverändert zu lassen, eine haushaltsrechtlich relevante Entscheidung zu sehen ist (Revisionserwiderung S. 12). Ein Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält.

19

c) So liegt es hier. Die Beibehaltung jedenfalls der Betriebsmittel- bzw. Liquiditätsrücklage in unverminderter Höhe in den Haushaltsjahren 2005 und 2006 war rechtswidrig, weshalb die festgesetzten Beiträge nicht der Deckung zulässiger Kosten der IHK-Tätigkeit dienten. Ob auch die Ausgleichsrücklage rechtswidrig war, bedarf keiner Entscheidung. Schließlich kann offen bleiben, ob die Rücklagen im Übrigen im Jahr 2005 den damals geltenden Beschränkungen des § 33 der Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO 2005) und im Jahr 2006 den Beschränkungen des § 15 Abs. 3 des Finanzstatuts der Beklagten (FSt 2006) entsprachen. Schließlich kann zugunsten der Beklagten angenommen werden, dass die in diesen Satzungen für die Jahre 2005 und 2006 eröffnete Möglichkeit, zwei unterschiedliche Rücklagen für die eng miteinander verbundenen Risiken des vorübergehenden und des endgültigen Beitragsausfalls zu bilden, von ihrem Satzungsermessen gedeckt war.

20

Die Beklagte hat dadurch den ihr von § 33 HKRO 2005 und § 15 Abs. 3 FSt 2006 eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten, dass sie allein für das Risiko des vorübergehenden Zahlungsausfalls im Jahr 2005 annähernd die höchstmögliche Betriebsmittelrücklage von 50 % der fortdauernden Ausgaben (6,4 Mio. €) und im Jahr 2006 ebenfalls beinahe die maximal zulässige Liquiditätsrücklage von 50 % der Betriebsaufwendungen (7,7 Mio. €) veranschlagt hat. Die Höhe dieser Rücklagen entsprach in beiden Jahren nicht dem Grundsatz der Schätzgenauigkeit. Die Rücklagenhöhe hätte nur mit der Prognose gerechtfertigt werden können, dass es im jeweiligen Haushaltsjahr bei ungünstigem Zahlungseingang zu zeitweisen Liquiditätsengpässen von fast 50 % der laufenden Ausgaben kommen könne. Die Beklagte hat aber im gesamten Prozess keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass ein derart hohes Liquiditätsrisiko in den Jahren 2005 und 2006 gedroht hätte. Auf die Frage des Verwaltungsgerichts wusste sie ein derartiges Risiko auch aus den Erfahrungen der Vergangenheit nicht zu belegen. Im Gegenteil hat sie eingeräumt, im gesamten Zeitraum von 2005 bis 2008 die Liquiditätsrücklage nur für einen Zeitraum von zwei Monaten in Höhe von 1,5 Mio. € benötigt zu haben, und die Liquiditätsrücklage in den Folgejahren aufgelöst. Dies zwingt zu dem Schluss, dass die vorgehaltene Rücklage in den Jahren 2005 und 2006 deutlich überhöht gewesen ist.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Die Industrie- und Handelskammern haben, soweit nicht die Zuständigkeit der Organisationen des Handwerks nach Maßgabe der Handwerksordnung oder die Zuständigkeit der Kammern der freien Berufe in Bezug auf die Berufspflichten ihrer Mitglieder gegeben ist, die Aufgaben:

1.
das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks, einschließlich der Gesamtverantwortung der gewerblichen Wirtschaft, die auch Ziele einer nachhaltigen Entwicklung umfassen kann, auf regionaler, nationaler, europäischer und internationaler Ebene wahrzunehmen,
2.
für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft ihres Bezirks zu wirken,
3.
für die Wahrung von Anstand und Sitte der ehrbaren Kaufleute, einschließlich deren sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung, zu wirken
und dabei stets die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen. Im Rahmen ihrer Aufgaben haben die Industrie- und Handelskammern insbesondere
1.
durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten,
2.
das Recht, zu den im Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden liegenden wirtschaftspolitischen Angelegenheiten ihres Bezirks in behördlichen oder gerichtlichen Verfahren sowie gegenüber der Öffentlichkeit Stellung zu nehmen.
Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben haben die Industrie- und Handelskammern den angemessenen Minderheitenschutz zu gewährleisten,
1.
indem im Rahmen der Kommunikation auf abweichende Positionen hingewiesen wird und
2.
abweichende Stellungnahmen in zumutbarer Form öffentlich zugänglich gemacht werden.

(2) Die Industrie- und Handelskammern können Anlagen und Einrichtungen, die der Förderung der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewerbezweige dienen, begründen, unterhalten und unterstützen sowie Maßnahmen zur Förderung und Durchführung der kaufmännischen und gewerblichen Berufsbildung unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere des Berufsbildungsgesetzes, treffen.

(2a) Die Industrie- und Handelskammern können allein oder zusammen mit anderen Kammern für die gewerbliche Wirtschaft Maßnahmen zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung treffen, insbesondere Schiedsgerichte und andere Einrichtungen der alternativen Konfliktlösung begründen, unterhalten und unterstützen. § 111 Absatz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes bleibt unberührt. Die Industrie- und Handelskammern können zudem die ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks zu Fragen der Früherkennung von Unternehmenskrisen und deren Bewältigung beraten.

(3) Den Industrie- und Handelskammern obliegt die Ausstellung von Ursprungszeugnissen und anderen dem Wirtschaftsverkehr dienenden Bescheinigungen, soweit nicht Rechtsvorschriften diese Aufgaben anderen Stellen zuweisen.

(3a) Die Länder können durch Gesetz den Industrie- und Handelskammern die Aufgaben einer einheitlichen Stelle im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes übertragen. Das Gesetz regelt, welche Aufgabenbereiche von der Zuweisung erfasst sind. Dabei kann das Gesetz vorsehen, dass die Industrie- und Handelskammern auch für nicht Kammerzugehörige tätig werden. Das Gesetz regelt auch die Aufsicht.

(3b) Die Länder können den Industrie- und Handelskammern durch Gesetz ermöglichen, sich an Einrichtungen zu beteiligen, die die Aufgaben einer einheitlichen Stelle im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes erfüllen.

(4) Weitere Aufgaben können den Industrie- und Handelskammern durch Gesetz oder Rechtsverordnung übertragen werden.

(5) Nicht zu den Aufgaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 gehören die grundrechtlich geschützten Aufgabenbereiche der Vereinigungen im Sinne des Artikels 9 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes, insbesondere die Aufgabenbereiche der Tarifpartner sowie die arbeitsgerichtliche Vertretung von Unternehmen. Zudem sind Stellungnahmen ausgeschlossen zu sozial- und arbeitsmarktpolitischen Fragen, soweit diese in der ausschließlichen Entscheidungszuständigkeit der Gremien der sozialen Selbstverwaltung liegen.

(1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts.

(2) Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.

(3) Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen. Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden. Natürliche Personen und Personengesellschaften, die nicht in das Handelsregister eingetragen sind, und eingetragene Vereine, wenn nach Art oder Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, sind vom Beitrag freigestellt, soweit ihr Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder soweit für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, ihr nach dem Einkommensteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb 5 200 Euro nicht übersteigt. Die in Satz 3 genannten natürlichen Personen sind, soweit sie in den letzten fünf Wirtschaftsjahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt haben, noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren, für das Geschäftsjahr einer Industrie- und Handelskammer, in dem die Betriebseröffnung erfolgt, und für das darauf folgende Jahr von der Umlage und vom Grundbeitrag sowie für das dritte und vierte Jahr von der Umlage befreit, wenn ihr Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro nicht übersteigt. Wenn nach dem Stand der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Wirtschaftssatzung vorliegenden Bemessungsgrundlagen zu besorgen ist, dass bei einer Industrie- und Handelskammer die Zahl der Beitragspflichtigen, die einen Beitrag entrichten, durch die in den Sätzen 3 und 4 genannten Freistellungsregelungen auf weniger als 55 vom Hundert aller ihr zugehörigen Gewerbetreibenden sinkt, kann die Vollversammlung für das betreffende Geschäftsjahr eine entsprechende Herabsetzung der dort genannten Grenzen für den Gewerbeertrag oder den Gewinn aus Gewerbebetrieb beschließen. Wird für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag festgesetzt, ist Bemessungsgrundlage für die Umlage der Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, andernfalls der nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb. Bei natürlichen Personen und bei Personengesellschaften ist die Bemessungsgrundlage um einen Freibetrag in Höhe von 15.340 Euro zu kürzen. Die Kammerzugehörigen sind verpflichtet, der Kammer Auskunft über die zur Festsetzung der Beiträge erforderlichen Grundlagen zu geben, soweit diese nicht bereits nach § 9 erhoben worden sind; die Kammer ist berechtigt, die sich hierauf beziehenden Geschäftsunterlagen einzusehen. Kapitalgesellschaften, deren gewerbliche Tätigkeit sich in der Funktion eines persönlich haftenden Gesellschafters in nicht mehr als einer Personenhandelsgesellschaft erschöpft, kann ein ermäßigter Grundbeitrag eingeräumt werden, sofern beide Gesellschaften derselben Kammer zugehören. Gleiches gilt für Gesellschaften mit Sitz im Bezirk einer Kammer, deren sämtliche Anteile von einem im Handelsregister eingetragenen Unternehmen mit Sitz in derselben Kammer gehalten werden.

(4) Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis nach § 19 der Handwerksordnung eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sind beitragspflichtig, wenn der Umsatz des nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteils 130.000 Euro übersteigt. Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, werden mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages oder, falls für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag nicht festgesetzt wird, ihres nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. Satz 2 findet auch Anwendung auf Kammerzugehörige, die oder deren sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausüben oder Land- oder Forstwirtschaft auf einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Grundstück oder als Betrieb der Binnenfischerei Fischfang in einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Gewässer betreiben und Beiträge an eine oder mehrere andere Kammern entrichten, mit der Maßgabe, dass statt eines Viertels ein Zehntel der dort genannten Bemessungsgrundlage bei der Veranlagung zu Grunde gelegt wird.

(5) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Kosten, welche mit der Begründung, Unterhaltung oder Unterstützung von Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) verbunden sind, Sonderbeiträge von den Kammerzugehörigen derjenigen Gewerbezweige erheben, welchen derartige Anlagen und Einrichtungen ausschließlich oder in besonderem Maße zugute kommen. Den Beteiligten ist vor Begründung solcher Anlagen und Einrichtungen Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(6) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Inanspruchnahme besonderer Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) oder Tätigkeiten Gebühren erheben und den Ersatz von Auslagen verlangen.

(7) Sonderbeiträge gemäß Absatz 5 werden nach Maßgabe einer Sonderbeitragsordnung, Gebühren und Auslagen nach Absatz 6 nach Maßgabe einer Gebührenordnung erhoben. In der Beitragsordnung, der Sonderbeitragsordnung sowie in der Gebührenordnung ist Erlaß und Niederschlagung von Beiträgen, Gebühren und Auslagen zu regeln.

(7a) Für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern sind die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.

(8) Hinsichtlich der Beiträge, Sonderbeiträge, Gebühren und Auslagen sind

für die Verjährung
die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verjährung der Steuern vom Einkommen und Vermögen,
für die Einziehung und Beitreibung
die für Gemeindeabgaben geltenden landesrechtlichen Vorschriften
entsprechend anzuwenden. Durch Landesrecht kann Verfahren und Zuständigkeit für Einziehung und Beitreibung abweichend geregelt werden.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Industrie- und Handelskammer. Sie wendet sich gegen die Höhe ihrer Beiträge.

2

Zur Begründung ihrer Klage gegen den Beitragsbescheid vom 17. November 2011, mit dem die Beklagte die Beiträge für die Jahre 2005 bis 2008 festsetzte, und den Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2012 hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Beklagte bei der Beitragskalkulation Überschüsse aus den Vorjahren unberücksichtigt gelassen und unangemessen hohe Rücklagen gebildet habe. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe in allen vier Jahren bei der Festlegung der Liquiditäts- und Ausgleichsrücklage von ihrem Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht. Eine Liquiditätsrücklage zur Zwischenfinanzierung verspätet eingehender Beiträge und eine Ausgleichsrücklage zur Abdeckung von Beitragsausfällen in Höhe von jeweils 50 % des Jahresfinanzbedarfs seien unverhältnismäßig hoch. Diese Rücklagen überstiegen das abzudeckende Risiko um ein Vielfaches.

3

Auf die Berufung der beklagten Industrie- und Handelskammer hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil teilweise geändert. Die Beitragserhebung für die Jahre 2007 und 2008 sei zwar rechtswidrig; denn die Beklagte habe Gewinne aus Vorjahren bei der Beitragskalkulation unberücksichtigt gelassen. Hinsichtlich der Beitragsbescheide für die Jahre 2005 und 2006 sei die Klage aber unbegründet. Im Beitragsprozess sei eine gerichtliche Kontrolle der Rücklagenbildung nur insoweit möglich, als erhobene Beiträge kalkulatorisch wenigstens teilweise eine Zuführung zu den Rücklagen bewirkten. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG würden die Beiträge nach Maßgabe des Wirtschaftsplans aufgebracht. In den Jahren 2005 und 2006 sei jedoch keine Zuführung in die Liquiditätsrücklage geplant gewesen, so dass es insoweit an einer Beschwer der Klägerin durch die Beitragserhebung fehle. Eine fehlerhafte Wirtschaftsplanung könne nicht im Beitragsprozess, sondern nur mit einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage in Bezug auf die Haushaltsführung geltend gemacht werden.

4

Mit ihrer vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Aufhebung des Berufungsurteils. Zur Begründung verweist sie auf ihre Nichtzulassungsbeschwerde und auf den Zulassungsbeschluss. Sie beantragt sinngemäß,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. September 2014 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. November 2013 insgesamt zurückzuweisen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Revision zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

6

Sie hält die Revision für unzulässig, da eine ausreichende Revisionsbegründung fehle. Rein vorsorglich verteidigt sie das Berufungsurteil. Sie verweist darauf, dass einer Industrie- und Handelskammer bei der Wirtschaftsplanung ein weiter finanzpolitischer Gestaltungsspielraum zustehe. Die Wirtschaftshoheit gehöre im Sinne der Finanzhoheit zum Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie. Die Industrie- und Handelskammern seien einer internen und externen Rechnungskontrolle unterworfen. Eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle ihrer Haushaltsentscheidungen sei nicht vorgesehen, weswegen auch im Rahmen der Anfechtung eines Beitragsbescheides keine umfassende IHK-Haushaltsprüfung vorzunehmen sei. Eine im Einzelfall fehlerhafte Haushaltsentscheidung führe weder zur Unwirksamkeit des gesamten Haushalts, noch sei sie wegen des Prinzips der Jährlichkeit nach Ablauf des Haushaltsjahres reparabel. Sie wirke sich weder auf die Wirksamkeit des Beitragssystems noch auf die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides aus. Der Beitrag sei als Gegenleistung für die Vorteile anzusehen, die ein Mitglied aus der Kammerzugehörigkeit oder einer besonderen Tätigkeit der Kammern ziehe oder ziehen könne. Daraus folge, dass die Einhaltung der Haushaltsvorschriften nicht inzident bei der Beitragskontrolle zu prüfen sei. Sie könne allenfalls im Rahmen einer isolierten Feststellungs- und Unterlassungsklage geltend gemacht werden.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses bemängelt die Revisionsbegründung, hält die Revision in der Sache jedoch für begründet.

8

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin, über die der Senat nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat Erfolg.

10

1. Sie ist zulässig. Die Revisionsbegründung genügt noch den an sie zu stellenden Anforderungen (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Sie enthält einen bestimmten Antrag und nimmt zur Begründung der Rechtsverletzung auf das Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug. Zu den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung gehört eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und eine damit verbundene sachliche Auseinandersetzung mit den die Entscheidung des Berufungsgerichts tragenden Gründen, aus der hervorgeht, warum der Revisionskläger diese Begründung nicht als zutreffend erachtet (BVerwG, Urteil vom 3. März 1998 - 9 C 20.97 - BVerwGE 106, 202 <203>; Beschluss vom 12. Juni 2006 - 5 C 26.05 - NJW 2006, 3081 Rn. 2). Eine Bezugnahme auf Schriftsätze, die im Verfahren wegen der Nichtzulassung der Revision vorgelegt worden sind, ist als Begründung der zugelassenen Revision ausreichend, wenn die Beschwerdeschrift ausnahmsweise den Anforderungen (auch) an eine Revisionsbegründung genügt (BVerwG, Urteile vom 13. März 2008 - 7 C 44.07 - Buchholz 406.25 § 17 BImSchG Nr. 4 Rn. 12 und vom 16. Juni 2015 - 10 C 14.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:160615U10C14.14.0] - NVwZ 2015, 1610 Rn. 14). Das ist hier der Fall. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde enthält eine kritische Würdigung des Berufungsurteils im Hinblick auf dessen verfahrens- und materiellrechtliche Richtigkeit, auch wenn darin nicht auf alle Aspekte eingegangen wird.

11

2. Die Revision ist auch begründet. Das Berufungsgericht hätte die Berufung der Beklagten auch in Ansehung der Beitragsfestsetzung für 2005 und 2006 zurückweisen müssen; denn auch insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beitragsfestsetzungen stehen auch für diese beiden Jahre mit § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (Industrie- und Handelskammergesetz - IHKG) vom 18. Dezember 1956 (BGBl. I S. 920) in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 5 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2934) und des Art. 4 Nr. 5 des Gesetzes vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931) nicht im Einklang.

12

a) Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG ist der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Mit Blick auf die Beitragserhebung legt das Gesetz damit eine zweistufige Willensbildung der Kammer zugrunde. Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) auf. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) gilt für ein Haushaltsjahr (Wirtschaftsjahr) und ist - als Plan - im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

13

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert damit nicht nur die Feststellung, ob der im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) festgesetzte Mittelbedarf der Kammer - die nicht durch Einnahmen (anderweitig) gedeckten Kosten ihrer Tätigkeit - durch eine Beitragsordnung rechtmäßig auf die Kammerzugehörigen umgelegt und ob die Beitragsordnung auch im Einzelfall fehlerfrei angewendet wurde. Geboten ist vielmehr ebenfalls die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen. Er ist auch der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit nicht entzogen. Beides wäre mit dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, gegen die Beitragserhebung der Industrie- und Handelskammer effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar.

14

Hiergegen kann die Beklagte nicht auf ihre Befugnis zur Selbstverwaltung verweisen. Hinter dieser Argumentation steht ersichtlich die Sorge, die gerichtliche Überprüfung könne eine kraftvolle Betätigung der Selbstverwaltung allzu sehr einengen. Diese Sorge ist unbegründet. Jede Autonomie besteht nur in den ihr vom Gesetz gezogenen Grenzen, und es ist Aufgabe der Gerichte, über die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen zu wachen. Wie weit diese gerichtliche Kontrolle reicht, hängt davon ab, wie eng gezogen die gesetzlichen Grenzen sind. Wie noch (sogleich unten b) zu zeigen sein wird, besitzt die Kammer bei der Aufstellung ihres Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen sehr weiten Gestaltungsspielraum.

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Das Berufungsgericht hält die gerichtliche Überprüfung der Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) zwar grundsätzlich für möglich, erklärt sie aber im Beitragsprozess für unzulässig und möchte sie einer gesonderten Unterlassungs- oder Feststellungsklage vorbehalten. Hierfür beruft es sich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, derzufolge ein Kammermitglied die Zahlung des Kammerbeitrags nicht mit Einwänden gegen die Beitragsverwendung verweigern darf (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 - 7 C 65.78 - BVerwGE 59, 242 <245 ff.>; OVG Koblenz, Urteil vom 13. April 2011 - 6 A 11076/10 - LKRZ 2011, 238). Dem liegt ein Missverständnis zugrunde. Die zitierte Rechtsprechung betrifft lediglich solche Einwände gegen die Beitragsverwendung, die sich gegen bestimmte Tätigkeiten der Kammer richten. Es trifft zu, dass ein Kammermitglied nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Kammer zwar gerichtlich auf Unterlassung von Tätigkeiten in Anspruch nehmen kann, die außerhalb ihres gesetzlichen Aufgabenkreises liegen (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 - 8 C 20.09 - BVerwGE 137, 171), dass es mit dieser Begründung jedoch nicht die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern kann (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 a.a.O.; stRspr). Dies findet seine Begründung darin, dass der Kammerbeitrag der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit dient und daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer einzelnen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Mit Blick auf die Kammertätigkeit ist der Kammerbeitrag daher verwendungsneutral. Das führt indes nicht dazu, die Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) im Beitragsprozess generell ungeprüft als gegeben hinzunehmen. Gerade die gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung selbst berühren das einzelne Kammermitglied regelmäßig nur über die Beitragspflicht; dann muss es deren Einhaltung gerade im Beitragsprozess zur gerichtlichen Prüfung stellen können.

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b) Die Kammer besitzt bei der Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht freilich nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. August 2015 - 6 C 10.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:050815U6C10.14.0] - juris Rn. 42 und vom 14. Oktober 2015 - 6 C 17.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:141015U6C17.14.0] - juris Rn. 35). Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gebietet die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Ferner sind - für spätere als die hier strittigen Haushaltsjahre - seit der Einfügung des § 3 Abs. 7a IHKG durch das Gesetz vom 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246) die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung anzuwenden. Unabhängig davon sind ferner die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Juli 2007 - 2 BvF 1/04 [ECLI:DE:BVerfG:2007:fs20070709.2bvf000104] - BVerfGE 119, 96 <129>).

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Welche rechtlichen Anforderungen an die Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) sich hieraus sowie aus weiteren einschlägigen Vorschriften im Einzelnen ergeben, bedarf keiner Vertiefung. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits genügt es, die rechtlichen Anforderungen zu präzisieren, die mit Blick auf die Rücklagenbildung zu stellen sind. Insofern ist davon auszugehen, dass der Kammer die Bildung von Vermögen verboten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 - 1 C 45.87 - Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 22 S. 12). Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es sich bei den Mitteln für angemessene Rücklagen ebenfalls um Kosten der Industrie- und Handelskammer im Sinne des § 3 Abs. 2 IHKG handelt, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 a.a.O. S. 12 f.). Daran ist auch für die Zukunft festzuhalten, da die Bildung von angemessenen Rücklagen auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlichrechtliche Körperschaften weiterhin notwendig ist und zu einer geordneten Haushaltsführung gehört (vgl. Jahn, GewArch 2013, 49 <53>).

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Die Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder Einnahmeausfällen stellt einen solchen sachlichen Zweck dar. Allerdings muss auch das Maß der Rücklage noch von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein; eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) - und damit jährlich - erneut treffen. So räumt die Beklagte selbst ein, dass auch in der Entscheidung der IHK-Vollversammlung, eine in der Vergangenheit gebildete Rücklage in einem späteren Haushaltsjahr unverändert zu lassen, eine haushaltsrechtlich relevante Entscheidung zu sehen ist (Revisionserwiderung S. 12). Ein Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält.

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c) So liegt es hier. Die Beibehaltung jedenfalls der Betriebsmittel- bzw. Liquiditätsrücklage in unverminderter Höhe in den Haushaltsjahren 2005 und 2006 war rechtswidrig, weshalb die festgesetzten Beiträge nicht der Deckung zulässiger Kosten der IHK-Tätigkeit dienten. Ob auch die Ausgleichsrücklage rechtswidrig war, bedarf keiner Entscheidung. Schließlich kann offen bleiben, ob die Rücklagen im Übrigen im Jahr 2005 den damals geltenden Beschränkungen des § 33 der Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO 2005) und im Jahr 2006 den Beschränkungen des § 15 Abs. 3 des Finanzstatuts der Beklagten (FSt 2006) entsprachen. Schließlich kann zugunsten der Beklagten angenommen werden, dass die in diesen Satzungen für die Jahre 2005 und 2006 eröffnete Möglichkeit, zwei unterschiedliche Rücklagen für die eng miteinander verbundenen Risiken des vorübergehenden und des endgültigen Beitragsausfalls zu bilden, von ihrem Satzungsermessen gedeckt war.

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Die Beklagte hat dadurch den ihr von § 33 HKRO 2005 und § 15 Abs. 3 FSt 2006 eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten, dass sie allein für das Risiko des vorübergehenden Zahlungsausfalls im Jahr 2005 annähernd die höchstmögliche Betriebsmittelrücklage von 50 % der fortdauernden Ausgaben (6,4 Mio. €) und im Jahr 2006 ebenfalls beinahe die maximal zulässige Liquiditätsrücklage von 50 % der Betriebsaufwendungen (7,7 Mio. €) veranschlagt hat. Die Höhe dieser Rücklagen entsprach in beiden Jahren nicht dem Grundsatz der Schätzgenauigkeit. Die Rücklagenhöhe hätte nur mit der Prognose gerechtfertigt werden können, dass es im jeweiligen Haushaltsjahr bei ungünstigem Zahlungseingang zu zeitweisen Liquiditätsengpässen von fast 50 % der laufenden Ausgaben kommen könne. Die Beklagte hat aber im gesamten Prozess keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass ein derart hohes Liquiditätsrisiko in den Jahren 2005 und 2006 gedroht hätte. Auf die Frage des Verwaltungsgerichts wusste sie ein derartiges Risiko auch aus den Erfahrungen der Vergangenheit nicht zu belegen. Im Gegenteil hat sie eingeräumt, im gesamten Zeitraum von 2005 bis 2008 die Liquiditätsrücklage nur für einen Zeitraum von zwei Monaten in Höhe von 1,5 Mio. € benötigt zu haben, und die Liquiditätsrücklage in den Folgejahren aufgelöst. Dies zwingt zu dem Schluss, dass die vorgehaltene Rücklage in den Jahren 2005 und 2006 deutlich überhöht gewesen ist.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.