Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 13. Nov. 2018 - 17 K 1035/18

bei uns veröffentlicht am13.11.2018

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung der Kammerbeiträge für das Jahr 2017 durch die beklagte Ärztekammer Hamburg.

2

Die Klägerin ist [...] und seit 2005 Mitglied der beklagten Ärztekammer Hamburg (im Folgenden: Beklagte).

3

Am 1. Februar 2017 wurde der Klägerin von der Beklagten ein Formular zur Beitragsveranlagung für das Jahr 2017 übersandt. Mit Schreiben vom 13. April 2017 und 27. Juni 2017 sowie erneut mit E-Mail vom 7. August 2017 erinnerte die Beklagte an die Beitragsveranlagung.

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Mit Bescheid vom 11. September 2017 setzte die Beklagte den Ärztekammerbeitrag der Klägerin für das Jahr 2017 mit 2.500,00 EUR fest. Die Klägerin habe trotz mehrfacher Aufforderung ihre Selbstveranlagung für das Jahr 2017 nicht vorgenommen, sodass gemäß § 4 Abs. 5 S. 1 der Beitragsordnung der Kammerbeitrag für das Jahr 2017 auf 2.500,-- EUR festzusetzen sei.

5

Am 4. Oktober 2017 übersandte die Klägerin ihre Selbsteinstufung mitsamt Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015, der nach Abzug der Werbungskosten und vor Abzug von Sonderausgaben Einkünfte (nur) aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von [...] EUR auswies.

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Mit Bescheid vom 5. Oktober 2017 setzte die Beklagte den Kammerbeitrag der Klägerin für das Jahr 2017 auf [...] EUR fest. Aufgrund der verspätet vorgenommenen Selbsteinstufung werde der Kammerbeitrag gemäß § 4 Abs. 5 der Beitragsordnung in Abänderung des Bescheids vom 11. September 2017 mit dem 1,5-fachen des zu zahlenden Betrags, nämlich [...] EUR festgesetzt. In dem Bescheid setzte die Beklagte darüber hinaus eine Mahngebühr in Höhe von 25,00 EUR fest.

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Mit Schreiben vom 2. November 2017 legte die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. Oktober 2017 ein. Der Kammerbeitrag sei mit einem Hebesatz von 0,7% zu hoch bemessen. Das Recht der Beklagten, von ihren Mitgliedern zur Erfüllung ihrer Aufgaben Beiträge zu erheben, bestehe nicht grenzenlos und sei insbesondere durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Übermaßverbot begrenzt. Der Kammerbeitrag diene der Durchführung der Verwaltungsaufgaben der Beklagten. Dabei sei allerdings vorausgesetzt, dass die Verwaltungsaufgaben wirtschaftlich durchgeführt würden und so nur ein angemessener Finanzbedarf entstehe. Ein Gewinn dürfe nicht erwirtschaftet werden. Insbesondere angesichts der Vielzahl der Mitglieder der Beklagten könne davon ausgegangen werden, dass ein Hebesatz von 0,7% nicht erforderlich sei. Angesichts des hohen Beitragsvolumens könne nicht davon ausgegangen werden, dass mit den Geldern wirtschaftlich gearbeitet werde. Dies ergebe auch ein Vergleich mit anderen berufsständischen Kammern. So würden etwa von der Rechtsanwaltskammer im Jahr 2017 Beiträge von 354,00 EUR pro Mitglied erhoben. Im Vergleich dazu betrage der von ihr geforderte Beitrag ein Vielfaches. Zudem verstoße die Festsetzung ihres Beitrags mit dem 1,5-fachen Betrag des an sich auf der Grundlage der Selbsteinstufung zu zahlenden Beitrags gegen das Übermaßverbot. Sie habe den für die Beitragsveranlagung 2017 einzureichenden Einkommensteuerbescheid nicht früher übersenden können.

8

Der Widerspruch der Klägerin wurde in der Sitzung des Vorstands der Beklagten vom 18. Dezember 2017 zurückgewiesen, worüber der Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2018 erging. Die Beitragsveranlagung erfolge gemäß § 4 Abs. 1 ihrer Beitragsordnung im Wege der Selbsteinstufung der Kammerangehörigen. Das dazu von ihr erstellte Beitragsformular sei ausgefüllt innerhalb von vier Wochen nach Zugang an sie, die Beklagte, zurückzusenden. Gemäß § 4 Abs. 2 der Beitragsordnung sei dieser Selbsteinstufung eine Kopie des Einkommenssteuerbescheids des Bezugsjahres oder eine schriftliche Bestätigung des Steuerberaters über die Richtigkeit der Selbstveranlagung beizufügen. In § 4 Abs. 4 der Beitragsordnung sei ausdrücklich berücksichtigt, dass zum Veranlagungsstichtag der Einkommensteuerbescheid noch nicht vorliege. Der Kammerangehörige könne sich in diesem Fall vorläufig einstufen und den Einkommensteuerbescheid nachreichen. Der im Widerspruchsverfahren vorgetragene Umstand, dass der Einkommensteuerbescheid noch nicht vorgelegen habe, könne die Klägerin daher nicht von ihrer Pflicht zur Selbsteinstufung befreien. Da die Klägerin auch nach dreimaliger Erinnerung keine (vorläufige) Selbsteinstufung vorgenommen habe, sei gemäß § 4 Abs. 5 der Beitragsordnung der Leistungsbescheid vom 11. September 2017 ergangen. Nachdem die Klägerin ihre Selbsteinstufung nachgeholt habe, sei gemäß § 4 Abs. 5 S. 2 der Beitragsordnung der Beitrag zu Recht auf das 1,5-fache des zu zahlenden Betrags festgesetzt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.

9

Am 15. Februar 2018 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt die Klägerin ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor: Es sei davon auszugehen, dass ein Beitragssatz von 0,7% angesichts der Vielzahl der Mitglieder der Beklagten nicht erforderlich sei. Dies zeige auch der Umstand, dass die Beklagte im Jahr 2017 laut Jahresabschluss für das Jahr 2017 einen Überschuss von 2,5 Mio. EUR erzielt habe. Zudem erschließe sich nicht, warum der Verwaltungsaufwand für ein Mitglied, das mehr verdiene, höher sein solle als für ein Mitglied, das weniger verdiene. Die Beitragsordnung sei daher auch insoweit rechtswidrig, als die Beitragshöhe an die Höhe der Einkünfte anknüpfe. Insbesondere sei eine lineare Steigerung rechtswidrig. Schließlich sei ein Zuschlag von 50% aufgrund der verspäteten Selbsteinstufung rechtswidrig. Der Verzugszins betrage laut § 286 BGB lediglich 5%-Punkte über dem Basiszins. Ausgehend von einem Kammerbeitrag von [...] EUR errechne sich ein Jahreszins von [...] EUR. Demgegenüber fordere die Beklagte [...] EUR als Verzugszinsen. Dies verstoße gegen das Übermaßverbot.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 3. Oktober 2017 und den Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2018 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung bezieht sich die Beklagte im Wesentlichen auf ihren Widerspruchsbescheid.

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Das Gericht hat die Sachakten der Beklagten beigezogen und diese zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe

I.

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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Festsetzung der Kammerbeiträge für das Jahr 2017 durch den Bescheid vom 3. Oktober 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

1.

17

Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist § 12 Abs. 1 Satz 1 des Hamburgischen Kammergesetzes für die Heilberufe (HmbKGH). Nach dieser Vorschrift erhebt die Beklagte von ihren Kammermitgliedern zur Erfüllung ihrer Aufgaben und der dadurch entstehenden Kosten Beiträge durch Satzung (Beitragsordnung). Das Nähere regelt nach § 12 Abs. 1 S. 2 HmbKGH die Beitragsordnung. Nach § 1 Nr. 1 der Beitragsordnung der Beklagten erhebt die Beklagte von ihren Kammerangehörigen zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben einen Jahresbeitrag, der sich nach der Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit bemisst. Die Höhe des Kammerbeitrags (Hebesatz) wird jährlich durch Beschluss der Delegiertenversammlung festgelegt (§ 2 Beitragsordnung) und ist für das Jahr 2017 auf 0,7% der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit festgesetzt worden. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 der Beitragsordnung erfolgt die Beitragsveranlagung im Wege der Selbsteinstufung des Kammerangehörigen. Der dazu von der Beklagten erstellte Vordruck ist ausgefüllt innerhalb von 4 Wochen nach Zugang an die Beklagte zurückzusenden, § 4 Abs. 1 S. 2 der Beitragsordnung. Nimmt der Kammerangehörige auch nach der zweiten Mahnung, die gebührenpflichtig ist, keine Selbstveranlagung vor, wird der Beitrag durch die Beklagte mit mindestens EUR 2.500 festgesetzt (§ 4 Abs. 5 S. 1 Beitragsordnung). Holt der Beitragspflichtige bis zum Ende des laufenden Beitragsjahres die Selbsteinstufung unter Vorlage entsprechender Nachweise (Einkommensteuerbescheid oder Steuerberaterbestätigung) nach, wird der Beitrag auf das 1 ½ fache des zu zahlenden Betrags, mindestens jedoch mit 150,00 EUR neu festgesetzt (§ 4 Nr. 5 S. 2 Beitragsordnung). Nach § 4 Abs. 5 S. 2 der Beitragsordnung werden rückständige Beiträge mit einer kostenfreien Zahlungserinnerung und zwei gebührenpflichtigen Mahnungen à 25,00 EUR angemahnt.

2.

18

Nach Maßgabe der vorgenannten Bestimmungen sowie unter Zugrundelegung des für das Jahr 2017 festgelegten Hebesatzes von 0,7% ist die Festsetzung eines Kammerbeitrags in Höhe von [...] EUR zzgl. einer Mahngebühr in Höhe von 25,00 EUR nicht zu beanstanden.

19

Die Beklagte hat die Beitragsordnung gegenüber der Klägerin - dies wird auch von der Klägerin nicht bestritten - fehlerfrei angewandt. Die zutreffend angewandten Bestimmungen der Beitragsordnung stehen im Einklang mit höherrangigem Recht.

20

Soweit die Klägerin sich gegen die Höhe des Hebesatzes und den auf der Grundlage von § 4 Abs. 5 S. 2 der Beitragsordnung festgelegten erhöhten Kammerbeitrag wendet, kann sie damit nicht durchdringen. Weder gegen die Festsetzung des Hebesatzes auf 0,7% noch gegen die Vorschrift des § 4 Abs. 5 S. 2 der Beitragsordnung bestehen rechtliche Bedenken.

21

a) Rechtliche Bedenken gegen die Festsetzung des Hebesatzes auf 0,7% bestehen nicht.

22

Es ist nicht im Ansatz erkennbar, dass die Beklagte bei der Festsetzung des Hebesatzes relevante spezialgesetzliche Vorgaben oder Satzungsbestimmungen, die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts oder verfassungsrechtliche Vorgaben, insbesondere den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG oder das aus dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgeleitete Äquivalenzprinzip, verletzt hat.

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Spezialgesetzliche Vorgaben ergeben sich vorliegend insbesondere aus § 12 Abs. 1 HmbKHG, wonach die Kammer zur Erfüllung ihrer Aufgaben und der dadurch entstehenden Kosten Beiträge durch eine Beitragsordnung erhebt, und § 1 Nr. 1 der Beitragsordnung, wonach die Beiträge sich nach der Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit richten.

24

Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts, die von der Beklagten zu berücksichtigen sind, zählt insbesondere das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (OVG Hamburg, Urt. v. 20.02.2008, 5 Bf 213/12, juris, Rn. 51).

25

Nach dem Äquivalenzprinzip darf die Höhe der Beiträge nicht im Missverhältnis zu dem Vorteil stehen, den sie abgelten sollen, und einzelne Mitglieder dürfen nicht im Verhältnis zu anderen übermäßig hoch belastet werden. Der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, niemanden im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, ohne dass zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen. Für die Erhebung vorteilsbezogener Mitgliedsbeiträge durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft bedeutet dies, dass wesentlichen Verschiedenheiten der Mitglieder Rechnung getragen werden muss. Aus dem Gleichheitssatz ergibt sich insbesondere, dass die Beiträge im Verhältnis der Beitragspflichtigen zueinander grundsätzlich vorteilsgerecht bemessen werden müssen (BVerwG, Urt. v. 26. Juni 1990, 1 C 45/87, juris, Rn. 10 ff.).

26

Nach Maßgabe dieser Vorschriften und Grundsätze ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Hebesatz für das Jahr 2017 auf 0,7% der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit festgesetzt hat. Im Einzelnen:

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aa) Ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip oder den Gleichheitssatz ergibt sich zunächst nicht aus der - in § 1 Nr. 1 der Beitragsordnung ausdrücklich vorgesehenen - Anknüpfung der Beitragshöhe an die Höhe der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit. Die Kammerbeiträge dienen der Abgeltung des sich aus der Mitgliedschaft bei der Beklagten ergebenden Nutzens (vgl. BVerwG, Urt. v. 26. Juni 1990, 1 C 45/87, juris, Rn. 10 ff.). Nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht anschließt, begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, bei der Beitragsbemessung auf die Höhe der Einkünfte der Kammermitglieder aus ärztlicher Tätigkeit abzustellen. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung ist die Annahme gerechtfertigt, dass mit der Höhe der ärztlichen Einkünfte regelmäßig auch der materielle und immaterielle Nutzen aus der Existenz und dem Wirken der Beklagten zunimmt. Im Regelfall ist nämlich bei höheren ärztlichen Einkünften eine berufliche Stellung von entsprechend hohem materiellen und immateriellem Wert gegeben, so dass auch die Bedeutung der Interessenwahrnehmung durch die Kammer entsprechend hoch bewertet werden darf. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine berufsständische Kammer in erster Linie die Gesamtbelange ihrer Mitglieder zu wahren hat und daher der für die Beitragsbemessung maßgebende Nutzen nicht in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil bestehen muss, der sich bei dem einzelnen Mitglied messbar niederschlägt, sondern weitgehend nur vermutet werden kann. Außerdem ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, entsprechend dem Gedanken der Solidargemeinschaft wirtschaftlich schwächere Mitglieder auf Kosten der leistungsstärkeren zu entlasten, sodass jeder nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu den Kosten der Körperschaft beiträgt. Eine angemessene Anknüpfung an die Höhe der ärztlichen Einkünfte führt somit bei der zulässigen typisierenden Betrachtung zu einer ausreichenden Entsprechung zwischen Beitragshöhe und Vorteil und kann einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz oder das Äquivalenzprinzip nicht begründen (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 25.07.1989, 1 B 109/89, juris, Rn. 5; BVerwG, MDR 1993, 810 f.; OVG Bremen, Urt. v. 29.11.2005, 1 A 148/04, juris, Rn. 31 f.; BayVGH, Entscheidung v. 26.07.2005, Vf. 83-VI-03, juris, Rn. 15 ff.; Nieders. OVG, Urt. v. 13.12.2001, 8 L 4694/99, juris, Rn. 31; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.06.1998, 2 S 1605/97, juris, Rn. 17 ff.; VG Würzburg, Urt. v. 26.01.2009, W 7 K 08.837, juris, Rn. 22 ff.).

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bb) Auch der Einwand der Klägerin, dass Kammern für andere Berufe - die Klägerin bezieht sich insbesondere auf die Rechtsanwaltskammer Hamburg - eine nicht einkommensgestufte Beitragserhebung durchführten oder geringere Beiträge erhöben, greift nicht durch. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt hierin bereits deshalb nicht, weil andere berufsständische Kammern gänzlich andere Aufgaben und Befugnisse haben und ihre Beiträge entsprechend autonom festsetzen. Andere berufsständische Kammern wie die Rechtsanwaltskammer sind mit der beklagten Ärztekammer daher von vornherein nicht vergleichbar. Eine Bindung der beklagten Ärztekammer kann durch die Beitragsgestaltung der Rechtsanwaltskammer somit nicht begründet werden (vgl. VerfGH Berlin, Beschl. v. 26.09.1996, 46/93, juris, Rn. 15).

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cc) Des Weiteren liegen - bezogen auf das vorliegend allein zu prüfende Haushaltsjahr 2017 - keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts vor. Insbesondere ist ein Verstoß gegen das Gebot der Schätzgenauigkeit nicht ersichtlich.

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Zwar hat die Beklagte sich hinsichtlich des Jahresergebnisses 2017 (Haushaltsplan: 840.000,-- EUR; tatsächlich laut Jahresabschluss: 2.560.186,13 EUR) und in der Folge auch hinsichtlich des Bilanzergebnisses 2017 (Haushaltsplan: 0,-- EUR; tatsächlich laut Jahresabschluss: 2.031.941,13 EUR) erheblich verschätzt. Das Gebot der Schätzgenauigkeit ist jedoch nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist (OVG Hamburg, Urt. v. 20.02.2008, 5 Bf 213/12, juris, Rn. 51). Prognosen müssen lediglich aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (OVG Hamburg, ebenda; vgl. zu Art. 110 GG auch: BVerfG, Urt. v. 09.07.2007, 2 BvF 1/04, juris, Rn. 104). Daran hat das Gericht vorliegend indes keine Zweifel. Der kaufmännische Geschäftsführer der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung ausführlich und nachvollziehbar erläutert, aus welchen Gründen es im Jahr 2017 zu einem wesentlich höheren Jahresergebnis bzw. Bilanzergebnis als geplant gekommen ist, bzw. aus welchen Gründen der Haushaltsplan 2017 ein niedrigeres Jahresergebnis bzw. Bilanzergebnis vorgesehen hat als es dann tatsächlich erzielt worden ist. Im Einzelnen hat der kaufmännische Geschäftsführer der Beklagten ausgeführt:

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Im Jahr 2017 seien die Erträge ca. [...] EUR höher als geplant ausgefallen. Die Gebühreneinnahmen seien um [...] EUR höher als geplant gewesen. Die Hälfte dieser zusätzlichen Gebühreneinnahmen entfalle auf die Ethikkommission, die mehr Anträge erhalten habe als erwartet. Die vermehrte Anrufung der Ethikkommission sei auch für diese selbst unerwartet gewesen. Ferner seien die Teilnahmegebühren der Fortbildungsakademie um [...] EUR höher als erwartet ausgefallen. Die auf die Weiterbildungsabteilung, die insbesondere für die Facharztprüfung und die Fachspracheprüfung zuständig sei, entfallenden Gebühren seien um [...] EUR höher als erwartet angefallen. Dies sei insbesondere darauf zurückzuführen, dass die Weiterbildungsabteilung mit Anträgen auf Fachspracheprüfung fast „überrannt“ worden sei. Die Kammerbeiträge seien um [...] EUR höher als erwartet gestiegen. Dies sei zum einen darauf zurückführen, dass die Prognose über die Mitgliederzahl im Jahr 2017 um 244 Mitglieder übertroffen worden sei. Zum anderen sei der rechnerische Durchschnittsbeitrag um [...] EUR höher ausgefallen als erwartet. Der rechnerische Durchschnittsbeitrag sei bei Erstellung des Haushaltsplans 2017 konservativ geschätzt worden, weil die Einnahmen der Kammermitglieder im Jahr 2016 tatsächlich geschrumpft seien. Schließlich hätten sich die Erträge aus Wertpapieren um ca. [...] EUR höher als erwartet belaufen. Dies sei darauf zurückzuführen, dass der Planung ein durchschnittlich erwarteter Anlagezins von [...] p.a. zugrunde gelegt worden sei und der durchschnittliche Anlagezins 2017 tatsächlich bei [...] gelegen habe.

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Neben den höher als erwartet ausgefallenen Einnahmen seien auch die Aufwendungen um ca. [...] EUR niedriger gewesen als prognostiziert. Die Personalaufwendungen seien um [...] EUR niedriger als erwartet ausgefallen. Aufgrund der im Jahr 2016 beschlossenen Schließung der Bibliothek der Ärztekammer seien im Jahr 2017 [...] Vollzeitstellen weggefallen. Der Sozialplan aus dem Jahr 2016 habe für die dort beschäftigten Mitarbeiter eine Beschäftigungsgarantie bis zum 31. Dezember 2017 vorgesehen, so dass entsprechende Mittel im Haushaltsplan hätten vorgesehen werden müssen. Aufgrund der (aus ihrer Sicht) guten Arbeitsmarktlage hätten alle Mitarbeiter der Bibliothek jedoch bereits zum 30. April 2017 eine anderweitige Beschäftigung finden können, so dass für den Zeitraum Mai bis Dezember 2017 kein Personalaufwand mehr angefallen sei. Zudem sei die Tariferhöhung mit 2,0% niedriger ausgefallen als erwartet (3,0%). Auch hätten freie bzw. neu geschaffene Stellen aufgrund der angespannten Bewerbersituation erst später als geplant besetzt werden können mit der Folge, dass die Personalkosten erst später angefallen seien als geplant. Ferner sei auch der sonstige Aufwand um mehr als [...] EUR geringer als erwartet ausgefallen: Der Beratungsaufwand für die Schließung der Bibliothek habe um [...] EUR tiefer gelegen. Aufgrund des Austausches des Dienstleisters für die Gebäudereinigung seien Einsparungen in Höhe von [...] EUR erzielt worden. Bei der EDV hätten Einsparungen in Höhe von [...] EUR erreicht werden können. Schließlich sei der Zinsaufwand um [...] EUR geringer als erwartet ausgefallen, zum einen aufgrund des frühzeitigen Weggangs der Mitarbeiter der Bibliothek, zum anderen, weil bei der Erstellung des Haushaltsplans der Diskontierungszinssatz zu vorsichtig geschätzt worden sei.

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Unter Berücksichtigung dieser - vorstehend in zusammengefasster Form wiedergegebenen - plausiblen Ausführungen des kaufmännischen Geschäftsführers der Beklagten hat das Gericht keine Zweifel, dass die dem Haushaltsplan 2017 zugrunde liegenden Prognosen aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar waren. Die Beklagte hat bei der Erstellung des Haushaltsplans 2017 ersichtlich keine bewusst falschen oder gegriffenen Ansätze veranschlagt, sondern hat sich - wie sich im Übrigen auch aus den Erläuterungen im Haushaltsplan 2017 selbst ergibt - um realitätsnahe Prognosen bemüht. Soweit sie dabei - wie ihr kaufmännischer Geschäftsführer in der mündlichen Verhandlung erläutert hat - Ertrags- und Gewinnaussichten eher konservativ bewertet hat, begegnet dies keinen Bedenken, zumal Abweichungen nach oben durch die Möglichkeit, die zusätzlichen Mittel einer zulässigen sachlichen Verwendung zuzuführen (z.B. zur Senkung der Beiträge für Folgejahre, vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 20.02.2018, 5 Bf 213/12, juris, Rn. 99), deutlich folgenschwächer sind als Abweichungen nach unten, welche die Durchführung der Kammertätigkeit nachhaltig beeinträchtigen können.

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dd) Ferner liegen keine Anhaltspunkte für eine unzulässige Vermögensbildung vor.

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Aus § 12 Abs. 1 HmbKHG, wonach die Kammer Beiträge (nur) zur Erfüllung ihrer Aufgaben und der dadurch entstehenden Kosten erheben darf, sowie aus dem verfassungsrechtlichen Äquivalenzprinzip ergibt sich, dass die Beklagte kein Vermögen bilden darf (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.06.1990, 1 C 45/87, juris, Rn. 20; BVerwG, Urt. v. 09.12.2015, 10 C 6/15, juris, Rn. 17; VG Trier, Urt. v. 18.06.2018, 2 K 1089/18.TR, juris, Rn. 19).

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Eine (unzulässige) Vermögensbildung ist vorliegend indes nicht ersichtlich. Da der Haushaltsplan für das Jahr 2016 ein negatives Bilanzergebnis von -26.000,-- EUR und der Haushaltsplan für 2017 ein ausgeglichenes Bilanzergebnis von 0,-- EUR vorgesehen hat, scheidet eine unzulässige gezielte Vermögensbildung von vornherein aus (siehe insoweit auch oben cc)).

37

Zwar hat die Kammer ausweislich der Angaben im Jahresabschluss für das Jahr 2017 tatsächlich im Jahr 2016 ein positives Bilanzergebnis in Höhe von 788.451,98 EUR und im Jahr 2017 ein positives Bilanzergebnis in Höhe von 2.031.941,13 EUR erzielt. Die Beklagte hat die Bilanzgewinne aus 2016 und 2017 jedoch nicht zur Vermögensbildung genutzt, sondern unverzüglich einer sachlichen Verwendung zugeführt.

38

(1) In Bezug auf das Bilanzergebnis 2016 hat der kaufmännische Geschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass ca. 383.000,-- EUR (noch im Jahr 2017) der sog. „Wiederbeschaffungsrücklage“ zugeführt worden sind. Deren Sinn und Zweck sowie deren Erforderlichkeit (auch der Höhe nach) hat der kaufmännische Geschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausführlich und nachvollziehbar dargestellt. Diesbezügliche Einwände hat die Vertreterin der Klägerin nicht erhoben. Die Zuführung der 383.000,-- EUR zur Wiederbeschaffungsrücklage stellt somit keine unzulässige Vermögensbildung, sondern eine sachliche Mittelverwendung dar (vgl. auch OVG Hamburg, Urt. v. 20.02.2018, 5 Bf 213/12, juris, Rn. 99, wonach ein (positives) Vorjahresergebnis im Rahmen zulässiger Vorsorge einer neuen angemessenen Rücklage zugeführt werden darf).

39

Hinsichtlich der verbleibenden ca. 405.000,-- EUR ist nach den Angaben des kaufmännischen Geschäftsführers der Beklagten ein Ergebnisvortrag in den Haushalt für das Jahr 2018 vorgenommen worden, der dann zu einer Reduzierung des Hebesatzes auf 0,65% der Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit geführt hat. Auch dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Ein positives Vorjahresergebnis kann zulässigerweise dazu genutzt werden, die Kammerbeiträge für das Folgejahr zu senken (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 20.02.2018, 5 Bf 213/12, juris, Rn. 99). Es ist im vorliegenden Fall auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Betrag von ca. 405.000,-- EUR nicht bereits zur Senkung der Kammerbeiträge für das Jahr 2017 genutzt hat. Das positive Bilanzergebnis für 2016 wurde nach den Ausführungen des kaufmännischen Geschäftsführers der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erst im Juni 2017 festgestellt. Der Hebesatz von 0,7% wurde indes bereits auf der Delegiertenversammlung der Beklagten vom 5. Dezember 2016 beschlossen. Zudem dürften sich fast ausnahmslos alle Mitglieder der Beklagten Mitte 2017 bereits selbst veranlagt gehabt haben. Denn nach den Ausführungen des kaufmännischen Geschäftsführers der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gelingt es nur einem Bruchteil der Mitglieder der Beklagten (etwa 1%) nicht, sich rechtzeitig selbst zu veranlagen. Der Aufwand, der mit einer Neufestsetzung des Hebesatzes und einer erneuten Selbstveranlagung aller Kammermitglieder verbunden wäre (u.a. Neuberechnung des Hebesatzes, ggf. unter Berücksichtigung weiterer zwischenzeitlicher Veränderungen, Beratung und Beschlussfassung der Delegiertenversammlung, Anschreiben aller Kammermitglieder, erneute Selbstveranlagung der Kammermitglieder), hätte in keinem Verhältnis zu den allenfalls marginalen Vorteilen einer Neufestsetzung für das Jahr 2017 gestanden. Der Vorteil einer Neufestsetzung für das Jahr 2017 anstelle der (tatsächlich erfolgten) Berücksichtigung bei der Festsetzung des Hebesatzes für das Jahr 2018 hätte vor allem darin bestanden, dass die Kammermitglieder bereits früher entlastet worden wären. Die Entlastung ist - bei einer Mitgliederzahl von 16.344 im Jahr 2017 und auf der Grundlage von (verfügbaren) Mehreinahmen in Höhe von ca. 405.000,-- EUR - jedoch für die einzelnen Mitglieder marginal. Angesichts des mit einer Neufestsetzung des Hebesatzes für das Jahr 2017 verbundenen enormen Aufwands erscheint es daher nicht nur vertretbar, sondern im Interesse aller Kammermitglieder auch sachgerecht, die Entlastung erst im Jahr 2018 durch die Festsetzung eines niedrigeren Hebesatzes herbeizuführen.

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(2) In Bezug auf das Bilanzergebnis 2017 in Höhe von 2.031.941,13 EUR hat der kaufmännische Geschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass dieses gemäß dem Verwendungsvorschlag aus dem Jahresabschluss 2017 eingesetzt worden ist. Demnach sind 1.383.400,-- EUR verschiedenen Rücklagen, die von der Klägerin in keiner Weise beanstandet worden sind, zugeführt worden und sind die restlichen 648.541,13 EUR in den kommenden Haushalt (2019) vorgetragen worden. In Bezug auf den Ergebnisvortrag hat der kaufmännische Geschäftsführer der Beklagten zudem erläutert, dass dieser zu einer (weiteren) Reduzierung der Kammerbeiträge für das Jahr 2019 auf 0,55% geführt habe. Damit hat die Beklagte das Bilanzergebnis unverzüglich einer sachlichen Verwendung zugeführt.

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Im Übrigen war die Beklagte nicht verpflichtet, das positive Bilanzergebnis für das Jahr 2017, welches im Haushalt 2017 nicht vorgesehen war und erst Mitte 2018 festgestellt worden ist, rückwirkend zur Reduzierung der Beiträge für das Jahr 2017 zu verwenden. Es genügt, dass sie - wie vorliegend geschehen - das positive Bilanzergebnis unverzüglich einer sachlichen Verwendung zuführt (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 20.02.2018, 5 Bf 213/12, juris, Rn. 99). Dementsprechend kann das positive Bilanzergebnis für das Jahr 2017 von vornherein keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Hebesatzes für 2017 auf 0,7% haben.

42

ee) Ohne Erfolg trägt die Klägerin schließlich vor, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte wirtschaftlich arbeite und der finanzielle Aufwand der Beklagten tatsächlich erforderlich sei, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Die Klägerin hat nicht ansatzweise substantiiert vorgetragen, dass die Beklagte den Rahmen der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben überschreitet oder bei der Erfüllung der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben einen unverhältnismäßigen Aufwand betreibt oder unnötige Kosten generiert. Konkrete Anhaltspunkte oder Beispiele für eine Überschreitung ihrer Kompetenzen oder unverhältnismäßigen Aufwand bzw. unverhältnismäßige Kosten vermochte die Klägerin nicht zu nennen. Vor dem Hintergrund dieses somit unsubstantiierten Vortrags der Klägerin besteht kein Anlass, daran zu zweifeln, dass die Beklagte den Rahmen der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben nicht überschreitet und wirtschaftlich arbeitet (vgl. zum Erfordernis der Substantiierung auch BVerwG, Urt. v. 02.11.2007, 3 Bs 58/07, juris, Rn. 6; VG Schleswig-Holstein, Urt. v. 15.02.2018, 12 A 173/16, juris, Rn. 29; VG München, Urt. v. 19.05.2015, M 16 K 14.477, juris, Rn. 29; VG Augsburg, Urt. v. 29.03.2018, Au 2 K 16.371, juris, Rn. 55).

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b) Ohne Erfolg macht die Klägerin schließlich geltend, dass § 4 Abs. 5 S. 2 der Beitragsordnung, auf dessen Grundlage die Beklagte den Kammerbeitrag der Klägerin aufgrund ihrer verspäteten Selbsteinstufung auf das 1 ½-fache des regulären Kammerbeitrags festgesetzt hat, gegen den sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt.

44

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz muss eine grundrechtseinschränkende Maßnahme geeignet und erforderlich sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Eine Maßnahme ist geeignet, wenn mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann; sie ist erforderlich, wenn kein anderes, milderes, aber gleich wirksames Mittel zur Verfügung steht. Bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung der erstrebten Ziele sowie bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzung und Prognose der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren steht dem Gesetz- bzw. hier dem Verordnungsgeber ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Gerichten nur in begrenztem Umfang überprüft werden kann (vgl. BVerfG, Urt. v. 09.03.1994, 2 BvL 43/92, juris, Rn. 122). Ferner darf die Maßnahme ihre(n) Adressaten nicht übermäßig belasten (Übermaßverbot oder Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (vgl. BVerfG, aaO, Rn. 123).

45

Nach Maßgabe dieser Grundsätze verstößt § 4 Abs. 5 S. 2 der Beitragsordnung nicht gegen das Übermaßverbot bzw. den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Der Sinn und Zweck des Verspätungszuschlags nach § 4 Abs 5 S. 2 der Beitragsordnung als Druckmittel eigener Art besteht in einem zugleich repressiven und präventiven (erzieherischen) Charakter. Es soll die Störung der Veranlagungsarbeit durch die verzögerte Selbstveranlagung sanktioniert und das Kammermitglied für die Zukunft zur pünktlichen Selbstveranlagung angehalten werden (vgl. zum Verspätungszuschlag nach § 152 AO BFH, Urt. v. 18. August 2015, V R 2/15, juris, Rn. 12). Die Regelung ist zur Erreichung dieses Zwecks offenkundig geeignet. Das Gericht hat auch keine Zweifel an der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit. Um seine erzieherische Funktion gerade auch gegenüber sehr gut verdienenden Kammermitgliedern wie der Klägerin zu erzielen, durfte die Beklagte bei der Festlegung des Verspätungszuschlags davon ausgehen, dass eine Anknüpfung an die Höhe der ärztlichen Einkünfte erforderlich ist. Auch die (prozentuale) Höhe des Verspätungszuschlags ist nicht zu beanstanden. Ein Verspätungszuschlag von 50% ist zwar erheblich, stellt sich jedoch noch nicht als unangemessen hoch dar. Die Beklagte durfte unter Berücksichtigung ihres Beurteilungsspielraums davon ausgehen, dass ein Verspätungszuschlag von 50% erforderlich ist, um den Verstoß gegen die Pflicht zur Selbstveranlagung zu sanktionieren und um erzieherisch auf ihre gegen die Pflicht zur Selbstveranlagung verstoßenden Kammermitglieder einzuwirken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verspätungszuschlag nur in den Fällen greift, in denen ein Kammermitglied mehrfach - nach den Ausführungen der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung nicht nur durch die in der Beitragsordnung vorgesehenen Mahnungen, sondern zusätzlich auch telefonisch und/oder per E-Mail - gemahnt worden ist und trotz dessen überhaupt keine (vorläufige oder endgültige) Selbstveranlagung vorgenommen hat. In dem Unterlassen der Selbstveranlagung kann letztlich, da diese angesichts der Möglichkeit der vorläufigen Veranlagung (auch gänzlich ohne Belege) grundsätzlich selbstverschuldet ist, eine „Totalverweigerungshaltung“ gesehen werden. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte für Fälle solcher Totalverweigerung ein einschneidendes Druckmittel für erforderlich hält, zumal die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung anschaulich dargelegt hat, dass es gerade diese Fälle sind, die ihrer Beitragsabteilung einen erheblichen (zeitlichen und damit letztlich auch finanziellen) Aufwand bereiten. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich der Verspätungszuschlag nach § 4 Abs. 5 S. 2 der Beitragsordnung in der praktischen Anwendung als ein Minus zur Veranlagung nach § 4 Abs. 5 S. 1 der Beitragsordnung mit mindestens 2.500,-- EUR darstellt (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Veranlagung VerfGH Berlin, Beschl. v. 26.09.1996, 46/93, juris, Rn. 14).

II.

46

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

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(1) Gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, kann ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist abzusehen, wenn der Erklärungsp

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Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Dezember 2014  8 K 8083/12 aufgehoben.

Referenzen

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(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 wird aufgehoben, soweit darin der Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der zu vollstreckenden Kosten leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zum Handelskammerbeitrag 2011.

2

Die Klägerin ist eine im Jahr 2010 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Betriebsstätte in Hamburg. Die Beklagte ist die örtliche Industrie- und Handelskammer (IHK). Für die Geschäftsjahre 2009 bis 2011 weisen die von Präses und Hauptgeschäftsführer der Beklagten jeweils im März des Folgejahres vorgelegten Bilanzen sowie die jeweils im Juli des Folgejahres vom Plenum der Beklagten beschlossenen Jahresabschlüsse folgende Rücklagen und Ergebnisse (gerundet auf 1.000,-- Euro) aus:

3

 Geschäftsjahr

2009   

2010   

2011   

        

Vorlage
15.3.2010

Abschluss
1.7.2010

Vorlage
25.3.2011

Abschluss
7.7.2011

Vorlage
5.3.2012

Abschluss
5.7.2012

Ausgleichsrücklage

19.000

20.000

20.186

20.500

20.500

21.000

Umbau-/
Instandhaltungs-
Rücklage

6.333 

6.833 

11.133

11.133

11.133

21.133

Rücklage für
Sonderprojekte

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

Rücklage zur
Abdeckung von
Risiken der
Neubewertung der
Pensionsrückstellung

15.000

16.500

0       

0       

0       

0       

Rücklage BID N.

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

Rücklage für die
Sicherung
bedeutsamer
Wirtschaftsarchive

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

Rücklage für
ganzjährige Aktivitäten
verschiedener Art
anlässlich des
350jährigen
Kammerjubiläums

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

Rücklage
Azubi-Wohnheim in
Hamburg

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

        

Bilanzergebnis

3.444 

6.025 

16.596

Ergebnisvortrag auf
neue Rechnung

444     

5.711 

3.096 

4

Die Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2011 in ihrer ursprünglichen Fassung wurde vom Plenum am 4. November 2010 beschlossen. In dem zugrundeliegenden Erfolgsplan 2011 finden sich insbesondere folgende Einträge (gerundet auf 1.000,-- Euro):

5
        

Ist 2009

Plan 2010
 inkl.
Nachtrag

Plan 2011

1. Erträge aus Handelskammer-Beiträgen

43.444

44.120

35.325

7.-10. Betriebsaufwand

40.151

41.090

40.337

20. Jahresergebnis

13.552

-8.700

0       

21. Ergebnisvortrag

292     

0       

0       

22. a) Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage

0       

0       

0       

22. b) Entnahmen aus anderen Rücklagen

10.400

16.500

0       

23. a) Einstellung in die Ausgleichsrücklage

1.000 

0       

0       

23. b) Einstellung in andere Rücklagen

9.400 

7.800 

0       

24. Ergebnis

3.444 

0       

0       

6

Der am 3. März 2011 beschlossene Erste Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 lässt den Erfolgsplan unverändert. Dem am 3. November 2011 beschlossenen Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 liegt ein geänderter Erfolgsplan zugrunde, der insbesondere folgende Eintragungen enthält (gerundet auf 1.000,-- Euro):

7
        

Ist 2010

Plan 2011

1. Erträge aus Handelskammer-Beiträgen

46.488

43.500

7.-10. Betriebsaufwand

42.980

41.337

20. Jahresergebnis

-6.619

6.655 

21. Ergebnisvortrag

444     

5.711 

22. a) Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage

0       

0       

22. b) Entnahmen aus anderen Rücklagen

16.500

0       

23. a) Einstellung in die Ausgleichsrücklage

314     

0       

23. b) Einstellung in andere Rücklagen

4.300 

0       

24. Ergebnis

5.711 

12.366

8

Gegenüber der Klägerin nahm die Beklagte mit Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 eine „vorläufige Veranlagung“ zum IHK-Beitrag 2011 in Höhe eines Grundbeitrags von 153,-- Euro vor und teilte nachrichtlich einen offenen Betrag aus anderen Beitragsjahren in Höhe von 153,-- Euro mit. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2011 zurück.

9

Die Klägerin hat am 29. Juli 2011 beim Verwaltungsgericht Hamburg Klage erhoben und zur Begründung vorgebracht: Die Zwangsmitgliedschaft in einer Industrie- und Handelskammer verletze sie in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1, 9 Abs. 1 GG. Hilfsweise sei der geforderte Betrag zu hoch. Art und Umfang der von der Beklagten gebildeten Rücklagen verstoße gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG.

10

Die Klägerin hat beantragt,

11

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2011 aufzuheben,

12

hilfsweise,

13

die Beklagte zu verpflichten, den auf die Klägerin für das Jahr 2011 entfallenden Beitrag angemessen zu reduzieren.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Die Beklagte hat zur Begründung ausgeführt: Die bundesgesetzlich angeordnete Pflichtmitgliedschaft sei mit dem Grundgesetz vereinbar und verstoße nicht gegen Europarecht. Ein Beitragsverweigerungsrecht zur Beanstandung der Kammertätigkeiten sei nicht gerechtfertigt. Die gebildeten Rücklagen dienten mittelbar dem Ziel einer pfleglichen Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Mit der Ausgleichsrücklage solle Vorsorge getroffen werden, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch dann aufrecht zu erhalten, wenn es aus konjunkturellen Gründen zu einem spürbaren Rückgang der Gewerbeerträge und der entsprechenden Erträge der Kammer aus Beiträgen komme. Mit den anderen Rücklagen solle Vorsorge getroffen werden, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch dann aufrecht zu erhalten, wenn besondere Kosten und Aufwendungen anfielen wie etwa größere Instandhaltungsmaßnahmen am denkmalgeschützten Kammergebäude oder besondere Projekte, die das Plenum zur Förderung des Wirtschaftsstandorts unterstützen oder selbst initiieren wolle. Im Übrigen sei 2010 ein erheblicher Teil der in den letzten Jahren gebildeten Rücklagen dazu verwendet worden, den mit dem neuen Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vorgegebenen Bewertungsregeln für die Pensionsrückstellungen Rechnung zu tragen. So habe sich für 2010 eine Reduzierung der gesamten Rücklagen um 11,7 Mio. Euro ergeben. Die Beitragsveranlagung laufe nicht unmittelbar parallel zur Gewerbesteuerentwicklung. Vielmehr richteten sich die Erträge aus Umlagen für das aktuelle Jahr zunächst nach den letzten der Beklagten bekannten Gewerbeerträgen. Die Bemessungsgrundlagen seien in aller Regel zwei bis drei Jahre alt. Die endgültigen Daten würden von der Finanzverwaltung üblicherweise erst nach Abschluss des Geschäftsjahres festgestellt. Für das Jahr 2011 sei bei der Beitragskalkulation in Rechnung gestellt, dass die Umlage gegenüber dem Vorjahr von 0,31 auf 0,28 v. H. des Gewerbeertrags gesenkt worden sei und die „Krisenjahre“ 2008 und 2009 zur endgültigen Abrechnung angestanden hätten. Vor diesem Hintergrund seien in der Wirtschaftssatzung 2011 die Erträge aus Beiträgen in Höhe von 35,325 Mio. Euro zu Recht vorsichtig angesetzt. Der Beitragsanspruch selbst bleibe von behaupteten oder tatsächlichen Aufgabenüberschreitungen unberührt.

17

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26. September 2012 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für die Beitragspflicht. Das Verfahren der Beitragsfestsetzung sei nicht zu beanstanden. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle habe der weitgesteckten Gestaltungsfreiheit der Beklagten hinsichtlich der Beitragsregelung Rechnung zu tragen und greife erst dann ein, wenn gegen allgemeine Grundsätze, insbesondere das Äquivalenzprinzip oder den Gleichheitsgrundsatz in flagranter Weise verstoßen werde. Für einen derartigen qualifizierten Verstoß sei nichts ersichtlich, insbesondere weil die Klägerin nur zum Mindestbeitrag herangezogen worden sei. Die Auffassung der Klägerin, die Beklagte entfalte Aktivitäten, welche den ihr durch § 1 Abs. 2 IHKG gesteckten Rahmen überschritten, sei ohne beitragsrechtliche Relevanz. Die Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung folge ferner nicht aus einer von der Klägerin geltend gemachten unzulässigen Rücklagenbildung durch die Beklagte. Für einen Verstoß gegen das in § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG angesiedelte Kostendeckungsprinzip sei nichts ersichtlich. Dabei müsse nicht näher darauf eingegangen werden, ob die Beklagte angesichts der bestehenden Rücklagen in unzulässiger Weise Vermögen bilde. Die Klägerin habe nicht im Ansatz dargetan, dass die Beklagte in einem solchen Umfang Rücklagen gebildet habe, dass ihre Tätigkeit i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG „anderweitig gedeckt“ und sie von Rechts wegen gehalten wäre, den allein streitigen Mindestbeitrag auf „Null“ zu setzen. Der von der Klägerin hilfsweise gestellte Antrag sei mangels Durchführung des Vorverfahrens unzulässig.

18

Die Beklagte erließ gegenüber der Klägerin unter dem 3. Dezember 2015 einen zusätzlichen Beitragsbescheid, in dem für das Beitragsjahr 2011 der Betrag von 153,-- Euro als „mit früheren Bescheiden festgesetzt“ und der Betrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ angegeben ist. Dieser zweite Bescheid schließt den Hinweis ein, dass „[w]enn zu den oben aufgeführten Beitragsjahren bereits Beitragsbescheide ergangen“ seien, „diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben“ würden.

19

Der Senat hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts auf Antrag der Klägerin die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung, mit der die Klägerin allein den erstinstanzlichen Hauptantrag weiterverfolgt, bringt sie vor, die Voraussetzungen für eine öffentlich-rechtliche „Zwangskorporation“ bestünden nicht mehr. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid sei rechtswidrig, da die Beklagte das Kostendeckungsprinzip i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG nicht gewahrt habe. Die Erhebung von Beiträgen zur Erfüllung von Kammeraufgaben, für die anderweitige Deckungsmittel im Kammerhaushalt bereitstünden, sei rechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315) komme zwischenzeitlich zu dem Schluss, dass eine pauschale Festlegung von Rücklagen ohne konkrete jährliche Risikoabschätzung unzulässig sei. In dieser Form gebildete Rücklagen seien als anderweitige Mittel vor einer Beitragsveranlagung dem Haushalt zuzuführen. Das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris) habe mittlerweile eine rechtswidrige Beitragsveranlagung durch die Beklagte für die Jahre 2010 und 2013 angenommen und somit nach Erlass des angefochtenen Urteils richtigerweise eine Kehrtwende in seiner Rechtsprechung vorgenommen. Im Einzelnen trägt die Klägerin Beanstandungen zu folgenden Positionen vor:

20

Die Ausgleichsrücklage in einem vom Finanzstatut bestimmten Rahmen sei unzulässig. Jährlich sei eine Risikokalkulation zur exakten Bestimmung der im jeweiligen Geschäftsjahr erforderlichen (Mindest-)Rücklagenhöhe erforderlich, die der (zusätzlichen) Bildung eines darüber hinausgehenden (Höchst-)Betrages entgegenstehe. Es müssten die drei Fragen beantwortet werden, ob die Beklagte das ihr zustehende „Ermessen“ ausgeübt habe, ob die Schätzung sachlich nachvollziehbaren Kriterien genüge und ob die Beklagte bei überdotierten Rücklagen über ausreichende Mittel verfüge, um vor der Beitragsveranlagung ihre Kosten anderweitig zu decken. Die Ausgleichsrücklage sei zu keiner Zeit – selbst nicht in den Zeiten der Finanzkrise – in Anspruch genommen worden.

21

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage stelle „offenkundig“ freies Vermögen dar, welches i. S. d. Gesetzes als anderweitige Mittel dem Haushalt hätte zugeführt werden müssen. Erst am 5. April 2012 sei ein Architektengutachten vorgelegt worden, das für Sanierungsmaßnahmen eine Summe von 14.747.235,65 Euro angebe. Die Bilanz der Beklagten weise schon vor der Erstellung eines Gutachtens eine „millionenschwere“ und später aufgestockte Umbau-/Instandhaltungsrücklage aus. Die Rücklagenbildung unterliege den engen Vorgaben der ausreichenden zeitlichen, sachlichen und finanzplanerischen Konkretisierung. Neben dem „offenkundigen Mangel“ notwendiger Einzelbeschlüsse über die Rücklage fehle es auch „ganz offensichtlich“ an jeglicher Rechtfertigung und Beschlusslage für die Bildung und Erhöhung der Umbau- und Instandhaltungsrücklage vor dem 5. Juli 2012. Es fehle ein gesonderter Beschluss darüber, ob eine Finanzierung aus Fremd- oder Eigenmitteln geleistet werden und in welchem Zeitrahmen eine Rücklagenbildung oder eine Tilgung erfolgen solle.

22

Die Rücklage für Sonderprojekte, die über alle Jahre gebildet und niemals angetastet worden sei, erfülle den Tatbestand der rechtswidrigen Vermögensbildung. Schon aus der allgemeinen Namensgebung ergebe sich, dass es keinerlei sachliche und zeitliche Konkretisierung gebe. Ohne eine sachliche und zeitliche Konkretisierung erweise sich die vom Bundesverwaltungsgericht als zwingende Voraussetzung gebotene Abschätzung als unmöglich. Es würden hier Mitgliedsbeiträge ohne Sinn und Zweck als freies Vermögen geparkt.

23

Aus dem Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 ergebe sich, dass die Beklagte für das Haushaltsjahr 2011 mit einem Überschuss von 6,655 Mio. Euro geplant habe. Soweit es hinsichtlich der Verwendung eines solches Überschusses im Sinne einer Aufgabenerfüllung im Rahmen des Gesetzes keine Beschlüsse des Plenums gebe, sei eine Haushaltsplanung mit einem solchen Überschuss ein Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip. Erwirtschafte eine Kammer einen erheblichen Gewinn, indiziere dies, dass die Beiträge zu hoch bemessen gewesen seien. Erfolge ein Gewinnvortrag zudem kontinuierlich über mehrere Jahre hinweg in erheblicher Höhe, stehe dies einer unzulässigen Vermögensbildung gleich.

24

Die Klägerin beantragt,

25

das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 aufzuheben, soweit darin der Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

28

Die Beklagte hält die gesetzliche Mitgliedschaft eines Gewerbetreibenden in einer IHK für verfassungsgemäß und die Beitragserhebung auch der Höhe nach für nicht zu beanstanden. Die Klägerin sowie das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris) verkennten die wesentlichen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts und die hieraus resultierenden Maßstäbe für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Wirtschaftsplanung einer Kammer, insbesondere der Rücklagenbildung. Soweit das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315) eine Verletzung des Gebots der Schätzgenauigkeit bejaht habe, beruhe dies maßgeblich auf dem Umstand, dass die dort beklagte IHK während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Anhaltspunkte für das Vorliegen relevanter Risiken dargelegt habe. Der Gesetzgeber habe mit der Umstellung auf die Doppik vor allem eine Erhöhung der Transparenz für die Kammermitglieder und eine Stärkung des Etatrechts der IHK-Vollversammlungen erstrebt. Auch aus diesem Grund sei es nicht angezeigt, bei einer gerichtlichen Prüfung der Einhaltung des Gebots der Schätzgenauigkeit bei Aufstellung des Wirtschaftsplans überzogene Anforderungen zu stellen. Maßgeblich sei, ob die Rücklagenbildung auf einer sachgerechten und vertretbaren Prognose basiere. Was vertretbar sei, richte sich nach einer Gesamtbewertung der konkreten Entscheidungssituation unter Berücksichtigung des betroffenen Sach- und Regelungsbereichs, der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung und deren Folgen sowie der verfügbaren Tatsachengrundlagen für die Prognose. Im Übrigen führe deshalb nicht jeder Fehler in der Wirtschaftsplanung zur Rechtswidrigkeit der gesamten Beitragsveranlagung, weil anderenfalls die beitragsrechtliche Grundlage des betreffenden Beitragsjahres haushaltsrechtlich unheilbar rechtswidrig sei, obwohl objektiv-rechtlich eine Pflicht zum Erlass eines Beitragsbescheids bestehe. Für die Feststellung eines etwaigen Verstoßes gegen das Gebot der Schätzgenauigkeit sei eine materielle Betrachtung maßgeblich. Es sei nicht entscheidend, ob eine Vollversammlung die Risiken im Zeitpunkt der Aufstellung des Wirtschaftsplans uneingeschränkt zutreffend erfasst und validiert habe. Maßgeblich sei, ob die dotierten Rücklagen dem Grunde nach zulässig seien und der Höhe nach in einem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlich relevanten Risiken der jeweiligen IHK stünden. Sei die Mittelbedarfsfeststellung im Ergebnis richtig, seien die Beitragssätze rechtmäßig. Es komme nicht auf den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2009, sondern auf die Wirtschaftsplanung des jeweils streitgegenständlichen Beitragsjahrs, ggf. in Gestalt der Nachtragsplanung, an.

29

Die Dotierung der Ausgleichsrücklage sei dem Grunde und der Höhe nach gerechtfertigt, damit die Handlungsfähigkeit und eine sachgerechte Aufgabenerfüllung der Beklagten zu jeder Zeit gewährleistet seien. Die Vorgaben des Finanzstatuts seien eingehalten. Die Regelung eines Rücklagerahmens sei nicht zu beanstanden. Die Ausgleichsrücklage solle „im Fall der Fälle“, d. h. im „worst case“, zur Verfügung stehen. Sie diene dem zulässigen Zweck, haushalterische Risiken abzudecken, die mit unvorhergesehenen Beitragsschwankungen einhergingen. Sie werde gebildet, um eine hinreichende Risikovorsorge zu betreiben und die Beiträge auch gerade bei schwankender Konjunktur stabil zu halten. Werde der durch das Finanzstatut gezogene Rahmen für eine Rücklagenhöhe eingehalten, spreche eine Vermutung für ihre Angemessenheit. Die mit der Ausgleichsrücklage abzufangenden möglichen Schwankungen könnten sich insbesondere ergeben infolge der heterogenen Wirtschaftsstruktur eines Industrie- und Handelskammerbezirks und der damit einhergehenden vielfältigen Abhängigkeit von strukturellen und gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen bis hin zu der Gefahr mehrjähriger wirtschaftlicher Rezessionen, des Ausfallrisikos von großen Beitragszahlern und der Orientierung des Kammerbeitrags an der gewerbesteuerlichen Bezugsgröße des Gewerbeertrags. Vor allem diese Risiken lägen tatsächlich jedes Jahr vor und machten die Vorhaltung einer angemessenen Ausgleichsrücklage zwingend erforderlich. Das Risiko der Beitragsschwankungen sei mit dem Umstand der Gegenwartsveranlagung mit mehrjähriger Verzögerung der endgültigen Abrechnung zu erklären. Die Ausgleichsrücklage sei im Hinblick auf die Schwankungsrisiken auf Basis der Erfahrungen der Beitragsveranlagungen der vergangenen Jahre unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte der letzten Konjunkturkrisen gebildet. Für konjunkturelle Schwankungen müsste zunächst ein Anteil von 15 v. H. der geplanten Beiträge veranschlagt werden, ausgehend davon, dass das Gewerbesteueraufkommen in den Jahren 1999 bis 2001 um 17 v. H. und in den Jahren 2008 bis 2009 um 19 v. H. rückläufig gewesen sei. Der Anteil von 15 v. H. müsse multipliziert werden mit zwei bis vier, um zwei bis vier Jahre andauernde Schwankungen abzubilden. Für das Risiko des Ausfalls großer Beitragszahler werde ein weiterer Betrag von 1.000.000,-- Euro angesetzt, dies entspreche dem Beitrag der beiden größten einzelnen Beitragszahler. Für das Schwankungsrisiko endgültiger Beitragsabrechnungen werde der Zehnjahresdurchschnitt der Umlagen angenommen und dieser Wert um 1.000.000,-- Euro verringert. Es errechne sich danach, dass die Ausgleichsrücklage angemessen sei.

30

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage diene bezogen auf das Geschäftsjahr 2011 einem hinreichend konkretisierten Zweck. Zunächst habe im Jahr 2007 (Rücklagenhöhe damals etwa 5,3 Millionen Euro, seinerseits 10 v. H. des Versicherungswerts) der Schwerpunkt des Rücklagenzwecks bei der Finanzierung größerer Instandhaltungsaufwendungen für das historische Handelskammergebäude gelegen. Die Rücklagenerhöhungen 2007 und 2010 seien gerechtfertigt gewesen. Der voraussichtliche Mittelbedarf sei in der Folgezeit weiter konkretisiert worden durch das Architektengutachten vom 5. April 2012.

31

Die Rücklage für Sonderprojekte diene dazu, auch künftig besondere Projekte zu finanzieren, ohne die Beiträge zu erhöhen. Sie solle kurzfristige Handlungsspielräume für notwendige ad-hoc-Aktivitäten schaffen. Es seien 1.000.000,-- Euro für „standortpolitisch bedeutsame Projekte“, 2.000.000,-- Euro für die Unterstützung einer neuen Olympia-Bewerbung, eventuelle Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 sowie die „aktuelle Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten“ und weitere 900.000,-- Euro ohne besondere Zuordnung in Ansatz gebracht worden.

32

Die positiven Ergebnisse der Vorjahre seien im Beitragsjahr 2011 ordnungsgemäß verwendet worden. Es stehe der Kammer frei, ein positives Ergebnis für eine Beitragsrückerstattung zu nutzen, durch gesonderten Beschluss des Plenums einer aufgabengemäßen Verwendung zuzuführen oder in den nächsten Wirtschaftsplan einzustellen. Ein ex post festgestelltes positives Ergebnis indiziere keine Missachtung des Kostendeckungsprinzips.

33

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind die Sachakten in zwei Bänden. Darauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

34

I. Die zulässige, auf den erstinstanzlichen Hauptantrag beschränkte, Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Sie führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Stattgabe der zulässigen (hierzu unter 1.) und begründeten Klage (hierzu unter 2.).

35

1. Die Klage ist im allein weiterverfolgten Hauptantrag zulässig, insbesondere als Anfechtungsklage statthaft. Sie zielt gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO auf die gerichtliche Aufhebung des Bescheids vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011, soweit darin für das Geschäftsjahr 2011 ein Handelskammerbeitrag vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist. Dieses Rechtsschutzbegehren geht nicht ins Leere, obwohl durch einen zweiten Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 eine weitere Beitragsfestsetzung für das Jahr 2011 vorgenommen worden ist. Der erste Beitragsbescheid ist als Verwaltungsakt weiterhin wirksam. Ein Verwaltungsakt bleibt gemäß § 43 Abs. 2 HmbVwVfG (vgl. § 124 Abs. 2 AO) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Der streitgegenständliche erste Beitragsbescheid ist weder aufgehoben noch erledigt. Im Einzelnen:

36

Eine Aufhebung des ersten, allein streitgegenständlichen, Beitragsbescheids ist mit dem zweiten Beitragsbescheid nicht ausgesprochen worden. Dem zweiten Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 kann nach dem entsprechend §§ 133, 157 BGB auch für die Auslegung von Verwaltungsakten maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont keine behördliche Aufhebung des ersten Beitragsbescheids entnommen werden, sondern nur eine Ergänzung desselben durch Forderung eines zusätzlichen Beitrags. Im zweiten Beitragsbescheid ist für das Beitragsjahr 2011 der Betrag 153,-- Euro ausdrücklich als „mit früheren Bescheiden festgesetzt“ und der Betrag 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ angegeben, verbunden mit dem Hinweis, dass wenn bereits Beitragsbescheide ergangen sind, diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben werden. Dieser Wortlaut streitet gegen eine neuerliche Sachentscheidung (vgl. VG Schleswig, Urt. v. 15.2.2018, 12 A 173/16, juris Rn. 19, für den entsprechenden Bescheidwortlaut). Da die Regelungswirkung sich auf die Festsetzung des Mehrbetrags beschränkt, handelt es sich hinsichtlich des bereits festgesetzten Betrags um eine wiederholende Verfügung und nicht um einen Zweitbescheid (vgl. Jahn, GewArch 2016, 263, 270).

37

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der erste Bescheid eine „vorläufige Veranlagung“ vornimmt und der zweite Bescheid einen solchen Hinweis nicht enthält. Zwar hat das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris 3. Ls) angenommen, dass dann, wenn ein zweiter Bescheid „den IHK-Beitrag durch Abrechnung festsetzt“, nachdem zuvor im Wege vorläufiger Veranlagung ein erster Beitragsbescheid ergangen war, es sich bei dem zweiten Bescheid um eine eigenständige Sachentscheidung über den insgesamt zu leistenden Beitrag und nicht um eine – teilweise – wiederholende Verfügung handele. Doch ist bereits die vom Verwaltungsgericht Hamburg in der zitierten Entscheidung angenommene Voraussetzung nicht gegeben, dass der zweite Bescheid „den IHK-Beitrag durch Abrechnung festsetzt“. Nach den vorstehenden Ausführungen beschränkt sich der Regelungsgehalt des zweiten Bescheids ausdrücklich auf den Mehrbetrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“. Der Umstand, dass der erste Bescheid als „vorläufige Veranlagung“ ergangen ist, führt nicht zu einer seinem Wortlaut widersprechenden Auslegung des zweiten Bescheids. Die „vorläufige Veranlagung“ hat dabei lediglich folgende Bewandtnis:

38

Die Beitragsveranlagung erfolgt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 der Beitragsordnung der Beklagten (v. 14.5.2004, Amtl. Anz. S. 1057 m. spät. Änd. – BO) durch schriftlichen Bescheid. Sofern der Gewerbeertrag oder der Zerlegungsanteil für das Bemessungsjahr noch nicht vorliegt, kann der Kammerzugehörige gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 BO aufgrund des letzten vorliegenden Gewerbeertrags oder – soweit ein solcher nicht vorliegt – aufgrund einer Schätzung in entsprechender Anwendung des § 162 AO vorläufig veranlagt werden. Dieser Satz findet gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 BO entsprechende Anwendung auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb und auf den Umsatz, die Bilanzsumme und die Arbeitnehmerzahl, soweit diese für die Veranlagung von Bedeutung sind.

39

Eine im Zuge der vorläufigen Veranlagung nach § 15 Abs. 3 BO vorgenommene Festsetzung lässt zwar die Möglichkeit einer erneuten Festsetzung nach § 15 Abs. 1 BO zu. Es besteht Anlass für eine endgültige Abrechnung für das Beitragsjahr, sobald die Parameter für die Festsetzung des Kammerbeitrags (Gewerbeertrag, Gewinn aus Gewerbebetrieb, Umsatz, Bilanzsumme oder Arbeitnehmerzahl) feststehen, hinsichtlich derer zuvor nur die bislang letzten vorliegenden Zahlen oder Schätzung zugrunde gelegt worden war. Einer erneuten, endgültigen Festsetzung bedarf es aber nur, soweit sich im Ergebnis eine Änderung der Beitragshöhe errechnet (a. A. VG Hamburg, Urt. v. 2.3.2016, a. a. O., Rn. 56).

40

Eine endgültige Festsetzung eines bereits im Wege der vorläufigen Veranlagung festgesetzten (Teil-)Betrags ist nicht erforderlich. Auch eine Festsetzung im Wege der vorläufigen Veranlagung kann in Bestandskraft erwachsen. Der Umstand, dass nach § 165 AO ergangene vorläufige Steuerbescheide nicht in materielle Bestandskraft erwachsen können (vgl. Cöster, in König, AO, 3. Aufl. 2014, § 351 Rn. 13), ist nicht auf die Beitragsfestsetzung im Wege vorläufiger Veranlagung übertragbar (a. A. VG Hamburg, Urt. v. 2.3.2016, a. a. O., Rn. 64). § 15 Abs. 3 BO verweist nicht auf § 165 AO, sondern hinsichtlich der Schätzung der Bemessungsgrundlagen auf eine entsprechende Anwendung des § 162 AO. Aus dem Verweis des § 15 Abs. 3 BO auf § 162 AO folgt nicht, dass die vorläufige Veranlagung selbst in entsprechender Anwendung des § 162 AO vorgenommen würde. Zum einen enthält § 162 AO keine Regelung über eine vorläufige Veranlagung, sondern nur über eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen. Zum anderen verweist § 15 Abs. 3 Satz 1 BO in seiner zweiten Tatbestandsalternative – „soweit ein solcher [Gewerbeertrag] nicht vorliegt“ – nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 162 AO bei der vorläufigen Veranlagung, sondern bei der Schätzung der Bemessungsgrundlagen. Für den Fall, dass keine letzten Zahlen vorliegen, erweitert § 15 Abs. 3 Satz 2 BO den Anwendungsbereich der Schätzung der Bemessungsgrundlagen auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb und auf den Umsatz, die Bilanzsumme und die Arbeitnehmerzahl, soweit diese Parameter für die Veranlagung von Bedeutung sind.

41

Auch eine Erledigung des ersten Beitragsbescheids vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 ist nicht eingetreten. Eine Erledigung des Verwaltungsaktes setzt voraus, dass der Verwaltungsakt aufgrund nachträglicher Entwicklungen seinen Regelungszweck nicht mehr erreichen kann (Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 209b). Dies ist hier nicht der Fall. Der erste Beitragsbescheid spricht zwar eine „vorläufige Veranlagung“ aus, enthält aber nicht wie ein vorläufiger Verwaltungsakt eine auflösende Bedingung, aufgrund derer er mit Eintritt einer auflösenden Bedingung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 HmbVwVfG entfiele. Der mit dem ersten Beitragsbescheid verfolgte Regelungszweck, einen Kammerbeitrag von zunächst 153,-- Euro Höhe festzusetzen, dauert fort, obwohl mittlerweile mit dem zweiten Beitragsbescheid ein zusätzlicher Beitrag festgesetzt worden ist. Diese Festsetzung beschränkt sich auf einen Mehrbetrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ und macht die bereits bestehende Festsetzung von 153,-- Euro somit nicht entbehrlich.

42

2. Die Klage ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründet. Der Bescheid vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011, soweit darin ein Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 auf vorläufig 153,-- Euro festgesetzt worden ist, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten. Zwar ist die Klägerin dem Grunde nach beitragspflichtig (hierzu unter a)). Doch fehlt der konkreten Beitragserhebung für das Geschäftsjahr 2011 eine Rechtsgrundlage durch eine rechtswirksame abstrakte Bestimmung der Beitragshöhe. Die in der Wirtschaftssatzung für das Geschäftsjahr 2011 enthaltene abstrakte Festsetzung der Beiträge (hierzu unter b)) ist rechtswidrig und daher nach dem sog. Nichtigkeitsdogma rechtsunwirksam. Unter Verstoß gegen den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgezeigten Maßstab (hierzu unter c)) kann der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 (hierzu unter d)) mangels rechtmäßiger Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer nicht als Maßgabe der Beitragserhebung dienen (hierzu unter e)). Der streitgegenständliche Beitragsbescheid kann aufgrund dessen auch nicht zum Teil aufrechterhalten bleiben (hierzu unter f)).

43

a) Die Klägerin ist dem Grunde nach gegenüber der Beklagten zu einem Handelskammerbeitrag verpflichtet.

44

Die Industrie- und Handelskammern sind gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (v. 18.12.1956, BGBl. I S. 920 m. spät. Änd. – IHKG) Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG Grundbeiträge und Umlagen. Die Vollversammlung beschließt gemäß § 4 Satz 2 Nr. 2 IHKG über die Festsetzung des Maßstabes für die Beiträge. Die Kammerzugehörigkeit ist in § 2 IHKG geregelt. Die benannten Vorschriften sind wirksam. Sowohl die Beitragserhebung nach § 3 Abs. 2, Abs. 3 IHKG als auch die Pflichtmitgliedschaft nach § 2 Abs. 1 IHKG sind verfassungsgemäß (BVerfG, Beschl. v. 12.7.2017, 1 BvR 2222/12 u. a., NVwZ 2017, 1282, juris Rn. 87 ff.). Für einen zur Unanwendbarkeit der Regelungen im Einzelfall führenden Verstoß gegen Unionsrecht ist nichts ersichtlich (vgl. VGH München, Beschl. v. 30.7.2012, 22 ZB 11.1509, juris Rn. 31 f.; OVG Koblenz, Urt. v. 20.9.2010, 6 A 10282/10, juris Rn. 45).

45

Die Beklagte ist unter der Bezeichnung als Handelskammer gemäß § 13 IHKG i. V. m. Art. I § 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Rechtsverhältnisse der Handelskammer Hamburg v. 27.2.1956, HmbGVBl. S. 21 m. spät. Änd. – HmbHKG) die Industrie- und Handelskammer für das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Klägerin ist, da sie eine zur Gewerbesteuer veranlagte juristische Person des privaten Rechts mit Betriebsstätte in Hamburg ist, gemäß § 2 Abs. 1 IHKG seit ihrer Gründung im Jahr 2010 Kammerzugehörige der Beklagten und gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG dem Grunde nach beitragspflichtig.

46

b) Als abstrakte Festsetzung, die als Grundlage für die konkrete Festsetzung der Beitragshöhe für das Geschäftsjahr 2011 dienen könnte, kommt nur Abschnitt II der einschlägigen Wirtschaftssatzung in Betracht. Die Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2011 (v. 4.11.2010, Amtl. Anz. S. 2335, in der Fassung der Änderungen durch den Ersten Nachtrag v. 3.3.2011, Amtl. Anz. S. 786, und den Zweiten Nachtrag v. 3.11.2011, Amtl. Anz. S. 2555 – WirtS 2011) ist vom Plenum der Beklagten als Vollversammlung gemäß Art. I § 5 Nr. 1 HmbHKG beschlossen und durch zwei Nachträge geändert worden.

47

In Abschnitt II WirtS 2011 werden (Nr. 1) die Freistellungsgrenzen, (Nr. 2) die Grundbeiträge sowie (Nr. 3) der Hebesatz der Umlage bestimmt, (Nr. 4) das Geschäftsjahr 2011 als Bemessungsjahr festgelegt und (Nr. 5) die Erhebung einer Vorauszahlung geregelt. Die Klägerin ist nicht vom Kammerbeitrag befreit, da dies unter den näheren Voraussetzungen des Abschnitts II Nr. 1 WirtS 2011 nur nicht in das Handels- oder Genossenschaftsregister eingetragene Kammerzugehörige und natürliche Personen sind, die Klägerin aber nach §§ 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 GmbHG eine in das Handelsregister eingetragene juristische Person ist. Der von Kaufleuten zu erhebende Grundbeitrag, gestaffelt nach Gewerbeertrag oder Gewinn, ist in Abschnitt II Nr. 2.2 WirtS 2011 auf mindestens 153,-- Euro festgesetzt. Die Klägerin gilt gemäß § 6 Abs. 1 HGB i. V. m. § 13 Abs. 3 GmbHG als Kaufmann. Soweit ein Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb für das Bemessungsjahr nicht bekannt ist, wird gemäß Abschnitt II Nr. 5 WirtS 2011 eine Vorauszahlung des Grundbeitrages und der Umlage auf der Grundlage des letzten der Beklagten „vorliegenden“, d. h. bekannten, Gewerbeertrages bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb erhoben.

48

c) Der Senat macht sich die höchstrichterliche Rechtsprechung zu eigen, nach der die abstrakte Festsetzung der Beitragshöhe in der das jeweilige Geschäftsjahr betreffenden Wirtschaftssatzung nur dann rechtmäßig ist, wenn sie auf einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer in dem auf das Geschäftsjahr bezogenen Wirtschaftsplan beruht. Im Einzelnen:

49

Der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG als Maßgabe der Beitragserhebung dienende Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Wie vom Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 12) ausgeführt, legt das Gesetz mit Blick auf die Beitragserhebung damit eine zweistufige Willensbildung der Kammer zugrunde: Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) auf. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) gilt für ein Haushaltsjahr (Wirtschaftsjahr) und ist – als Plan – im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

50

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert ausgehend davon auch die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 13). Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen und unterliegt nach dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 81). Dem steht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 15) nicht entgegen, dass der Kammerbeitrag mit Blick auf die Kammertätigkeit verwendungsneutral ist. Er dient der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit und kann daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer einzelnen Tätigkeit zugeordnet werden. Ein Kammermitglied kann die Kammer zwar gerichtlich auf Unterlassung von Tätigkeiten in Anspruch nehmen, die außerhalb ihres gesetzlichen Aufgabenkreises liegen, jedoch nicht mit dieser Begründung die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern. Das führt jedoch nicht dazu, die Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) im Beitragsprozess generell ungeprüft als gegeben hinzunehmen. Gerade die gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung selbst berühren das einzelne Kammermitglied regelmäßig nur über die Beitragspflicht; dann muss es deren Einhaltung gerade im Beitragsprozess zur gerichtlichen Prüfung stellen können.

51

Die Kammer besitzt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 16) bei der Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht freilich nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist. Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gebietet die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Ferner sind seit der Einfügung des § 3 Abs. 7a IHKG die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung anzuwenden. Unabhängig davon sind ferner die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen.

52

Mit Blick auf die Rücklagenbildung präzisiert die höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 17) die zu stellenden Anforderungen wie folgt: Der Kammer ist die Bildung von Vermögen verboten. Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Bei den Mitteln für angemessene Rücklagen handelt es sich ebenfalls um Kosten der Industrie- und Handelskammer i. S. d. § 3 Abs. 2 IHKG, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind. Die Bildung von angemessenen Rücklagen ist auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaften weiterhin notwendig und gehört zu einer geordneten Haushaltsführung.

53

Weiter hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 18) ausgeführt, dass auch das Maß der Rücklage vom jeweiligen sachlichen Zweck gedeckt sein muss. Eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage ist nicht mehr angemessen und käme einer unzulässigen Vermögensbildung gleich. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) – und damit jährlich – erneut treffen. Ein Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält.

54

Bei der Prüfung, ob das Maß der Rücklage noch von einem sachlichen Zweck gedeckt ist, hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20) dabei angenommen, dass der Industrie- und Handelskammer ein Beurteilungsspielraum durch den in der (kameralen) Haushalts-, Kassen- und Rechnungsordnung oder in dem (doppischen) Finanzstatut vorgegebenen Rahmen eingeräumt sei. Im veröffentlichten 2. Leitsatz ist dazu ausgeführt, dass dann, wenn nach dem Finanzstatut der Industrie- und Handelskammer bei der Bildung des Haushaltsansatzes für eine Rücklage ein Beurteilungsspielraum besteht, das Gericht nicht seine Beurteilung an die Stelle der behördlichen Einschätzung setzen darf, es jedoch zu prüfen hat, ob allgemeingültige Wertungsmaßstäbe, insbesondere das haushaltsrechtliche Gebot der Schätzgenauigkeit, beachtet sind.

55

Hinsichtlich der Frage, ob die abstrakte Festsetzung der Beitragshöhe auf einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan beruht, ist eine materielle Betrachtung vorzunehmen. Eine formelle Betrachtung, ob die Mitglieder der Vollversammlung die Prognose in Kenntnis der dafür maßgeblichen Grundlagen getroffen haben, ist nicht anzustellen (a. A. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 21.11.2017, 19 K 903/16, juris Rn. 47; VG Koblenz, Urt. v. 25.11.2013, 3 K 121/12.KO, GewArch 2014, 116, juris Rn. 37; wohl auch VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 355). Denn die Antwort auf die maßgebliche Frage, ob der in der Wirtschaftssatzung festgesetzte Beitragssatz dem Kostendeckungsprinzip genügt, hängt davon ab, ob der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG durch Beiträge zu deckende Mittelbedarf im Wirtschaftsplan in der Sache vertretbar in Ansatz gebracht ist. Der Wirtschaftsplan bedarf formell keiner Begründung. Ebenso wenig hängt seine materielle Rechtmäßigkeit von einer Begründung ab (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 88). Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 16) billigt der Kammer bei der Aufstellung ihres Wirtschaftsplans ausdrücklich einen sehr weiten Gestaltungsspielraum zu. Die Rechtmäßigkeitskontrolle einer in dem Gestaltungsspielraum getroffenen Entscheidung unterscheidet sich von derjenigen einer Ermessenentscheidung im Einzelfall (Jahn, GewArch 2014, 116, 119; GewArch 2016, 263, 265 f.). Während nach § 114 Satz 1 VwGO und § 40 HmbVwVfG die von der Behörde in Ausübung ihres Ermessens bei einer Einzelfallentscheidung angestellten Erwägungen zu überprüfen sind, gilt entsprechendes nicht für die vom Normgeber in Ausübung seines Gestaltungsspielraums bei einer Normsetzung angestellten Erwägungen.

56

Aus dem von der Beklagten vorgebrachten Argument, sie sei nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG objektiv-rechtlich zur Beitragserhebung verpflichtet, bei Unwirksamkeit des Haushaltsplans sei aber die beitragsrechtliche Grundlage des betreffenden Beitragsjahres haushaltsrechtlich unheilbar rechtswidrig, leitet sich nicht her, den gerichtlichen Prüfungsmaßstab zurückzunehmen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat eine fehlerhafte Mittelbedarfsfeststellung im maßgeblichen Wirtschaftsplan die Rechtswidrigkeit der Beitragsveranlagung zur Folge. Eine Fehlerhaftigkeit der Mittelbedarfsfeststellung lässt sich nicht deshalb verneinen, weil ihre Rechtsfolge, die Rechtswidrigkeit der Beitragsveranlagung, unerwünscht wäre. Inwieweit eine rückwirkende Heilung oder ein rückwirkender Neuerlass einer unwirksamen Wirtschaftssatzung möglich wäre, kann dahinstehen, da das Plenum der Beklagten einen Neuerlass nicht unternommen hat.

57

d) Der die Maßgabe für die Beitragserhebung nach Abschnitt I WirtS 2011 bildende und deshalb nach dem Vorstehenden hinsichtlich der Feststellung des Mittelbedarfs inzident zu überprüfende Wirtschaftsplan in Abschnitt II WirtS 2011 hat seine letztgültige Gestalt durch den Zweiten Nachtrag vom 3. November 2011 gefunden. In Übereinstimmung mit dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten ist die Wirtschaftsplanung des jeweils streitgegenständlichen Beitragsjahrs maßgeblich, ggf. in Gestalt der Nachtragsplanung (ebenso VG Berlin, Urt. v. 14.4.2015, 4 K 199/14, juris Rn. 55; VG Köln, Urt. v. 15.2.2017, 1 K 1473/16, GewArch 2017, 194, juris Rn. 51).

58

Der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 ist durch den Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung ausdrücklich neu festgestellt worden. Innerhalb der mit Blick auf die Beitragserhebung zweistufigen Willensbildung (dazu BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 12, s. o. c)) hat die Beklagte, indem sie am 3. November 2011 den Wirtschaftsplan in Abschnitt I der Wirtschaftssatzung neugefasst hat, die erste Stufe der Willensbildung erneut betreten. Eine Änderung des Wirtschaftsplans durch Nachträge ist jedenfalls bis zum Abschluss des Geschäftsjahres möglich (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 86 f.). Wie bereits ausgeführt, steht auf erster Stufe der Willensbildung der Wirtschaftsplan. Der Wirtschaftsplan prognostiziert vor dem Hintergrund der in dem Geschäftsjahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

59

Der Maßgeblichkeit des erst am 3. November 2011 neu festgestellten Wirtschaftsplans im hiesigen Beitragsprozess steht nicht entgegen, dass das prozessual mit der Anfechtungsklage zu verfolgende Aufhebungsbegehren gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur dann Erfolg hat, wenn der Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 rechtswidrig ist. Selbst dann, wenn im Hinblick auf den prozessual geltend gemachten Aufhebungsanspruch auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 14. Juli 2011 abgestellt würde, müssen doch auch solche Änderungen in der Mittelbedarfsfeststellung Berücksichtigung finden, die die abstrakte Festsetzung der Beiträge rückwirkend rechtswidrig und damit unwirksam machen. Ohne rechtswirksame abstrakte Festsetzung der Beiträge fehlt der konkreten Festsetzung des Beitrags durch Bescheid die Rechtsgrundlage. Die abstrakte Festsetzung der Beiträge in Abschnitt I WirtS 2011 ist nur dann rechtmäßig und damit rechtswirksam, wenn sie einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs nach dem als Maßgabe dienenden Wirtschaftsplan entspricht. Der Wirtschaftsplan bildet eine auf das jeweilige Geschäftsjahr bezogene Sinneinheit. Für das Geschäftsjahr 2011 ist er durch den Zweiten Nachtrag der Wirtschaftsplan insgesamt und damit rückwirkend ab dem 1. Januar 2011 neu festgestellt worden.

60

Der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 in der Gestalt vom 3. November 2011 dient als Maßgabe der Beitragserhebung für das Geschäftsjahr 2011 unabhängig davon, wann der einzelne Beitragsbescheid erlassen worden ist. Die Beklagte hat mit dem (streitgegenständlichen) ersten Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 eine vorläufige Veranlagung zu einem Beitrag von 153,-- Euro ausgesprochen. Der erste Beitragsbescheid ließ – als „vorläufige Veranlagung“ – eine endgültige Abrechnung zu einem späteren Zeitpunkt offen. Auf der kalkulatorischen Grundlage der endgültigen Abrechnung war in dem Fall, dass sich für das Geschäftsjahr ein Minderbetrag ergeben würde, der erste Beitragsbescheid durch einen zweiten Beitragsbescheid teilweise aufzuheben, und in dem Fall, dass sich ein Mehrbetrag ergeben würde, neben dem fortbestehenden ersten Beitragsbescheid eine weitere Festsetzung durch einen zweiten Beitragsbescheid vorzunehmen. Eben dies ist mit dem (nicht streitgegenständlichen) Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 geschehen (s. o. 1.). Unabhängig vom Erlassdatum des ersten oder auch des zweiten Beitragsbescheids sucht die konkrete Festsetzung der Kammerbeiträge für das Geschäftsjahr 2011 ihre Rechtsgrundlage in der abstrakten Festsetzung der Beiträge in Abschnitt II WirtS 2011, als deren Maßgabe der Wirtschaftsplan in Abschnitt I WirtS 2011 dient.

61

e) Die der abstrakten Festsetzung der Beiträge in Abschnitt II WirtS 2011 zugrundeliegende Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer gemäß dem Wirtschaftsplan in Abschnitt I WirtS 2011 ist zulasten der Beitragspflichtigen fehlerhaft. Dies folgt zunächst daraus, dass im Wirtschaftsplan der Höhe nach sachlich nicht gerechtfertigte Rücklagen aufrechterhalten und die entsprechenden Mittel nicht zugunsten der Beitragspflichtigen zur Begleichung der Kosten der Kammertätigkeit im Geschäftsjahr 2011 freigegeben worden sind. Im Einzelnen betroffen sind die Ausgleichsrücklage (hierzu unter aa)), die Umbau-/Instandhaltungsrücklage (hierzu unter bb)), die Rücklage für Sonderprojekte (hierzu unter cc)) und etwaig auch – was jedoch letztlich dahinstehen kann – die Rücklage BID N. (hierzu unter dd)). Die Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer für das Geschäftsjahr 2011 ist unabhängig davon deshalb fehlerhaft, weil der vorhandene positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nach der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 keiner sachlichen Verwendung zugeführt werden sollte (hierzu unter ee)).

62

aa) Die Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro ist dem Grunde nach gerechtfertigt, aber der Höhe nach nicht angemessen.

63

Die Ausgleichsrücklage ist im Geschäftsjahr 2011 in Höhe von 20.500.000,-- Euro aufrechterhalten worden. Zuvor war diese Rücklage im Zuge der Ergebnisverwendung des Jahres 2009 um 1.000.000,-- Euro von 19.000.000,-- Euro auf 20.000.000,-- Euro erhöht worden (Plenarsitzung v. 1.7.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 7). Sodann hatte die Beklagte die Erlöse aus der Auflösung von Jubiläumsrückstellungen in Höhe von 186.418,-- Euro in die Ausgleichsrücklage eingestellt, die somit in der am 25. März 2011 von Präses und Hauptgeschäftsführer vorgelegten Bilanz 2010 eine Höhe von 20.186.418,-- Euro aufwies (Jahresabschluss 2010, S. 19). Eine weitere Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 313.582,-- Euro auf 20.500.000,-- Euro hatte das Plenum am 7. Juli 2011 zur teilweisen Verwendung des Ergebnisses aus 2010 vorgenommen (Plenarsitzung v. 7.7.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 7 f.). Im Zuge der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 sind alle Rücklagen in der Höhe aufrechterhalten worden, die sie in dem vom Plenum am 7. Juli 2011 beschlossenen Jahresabschluss 2010 erreicht hatten. Der Wirtschaftsplan ist in Abschnitt I WirtS 2011 im Erfolgsplan mit dem Saldo der Rücklagenveränderung in Höhe von 0,-- Euro festgestellt worden. Der zugrundeliegende Erfolgsplan weist unter Nr. 22 Buchst. a und b Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage und anderen Rücklagen von je 0,-- Euro sowie unter Nr. 23 Buchst. a und b Einstellungen in die Ausgleichsrücklage und andere Rücklagen von ebenfalls je 0,-- Euro aus. Die nachträgliche Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 500.000,-- Euro gemäß dem am 5. Juli 2012 erstellten Jahresabschluss 2011 bleibt hinsichtlich der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 unberücksichtigt, da sie erst nach dessen Ende vorgenommen worden ist.

64

Dem Grunde nach ist die Ausgleichsrücklage für das Geschäftsjahr 2011 allerdings rechtmäßig. Eine Ausgleichsrücklage dient der Vorsorge, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch bei Schwankungen im Beitragsaufkommen aufrecht zu erhalten, und damit einem dem Grunde nach hinreichenden sachlichen Zweck. Das im Geschäftsjahr 2011 aufrechterhaltene Maß der Ausgleichsrücklage ist jedoch, entgegen den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 18, s. o. c)), nicht mehr vom sachlichen Zweck gedeckt. Die überhöhte Rücklage hätte im Zuge der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 auf ein zulässiges Maß zurückgeführt werden müssen.

65

Zwar überschreitet die Höhe der Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro (gerade noch) nicht den durch das – ältere und auf das Geschäftsjahr 2011 anwendbare – Finanzstatut (v. 2.6.2005, Amtl. Anz. 2006, S. 329 – FSt 2005) gezogenen Rahmen. Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 ist, um Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen, eine Ausgleichsrücklage anzusammeln, die zwischen 30 und 50 v. H. der Betriebsaufwendungen beträgt. Die Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro erreicht 49,6 v. H. des in Abschnitt I WirtS 2011 veranschlagten Betriebsaufwands von 41.337.000,-- Euro. Besteht nach dem Finanzstatut der Industrie- und Handelskammer bei der Bildung des Haushaltsansatzes für eine Rücklage ein Beurteilungsspielraum, darf das Gericht nicht seine Beurteilung an die Stelle der behördlichen Einschätzung setzen, es hat jedoch zu prüfen, ob allgemeingültige Wertungsmaßstäbe beachtet sind (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., 2. Ls., Rn. 20). Hält sich die Rücklage in dem vom Finanzstatut gezogenen Rahmen ist damit aber im Allgemeinen keine Vermutung der Angemessenheit verbunden (a. A. noch VGH München, Beschl. v. 30.7.2012, 22 ZB 11.1509, juris Rn. 34; VG Braunschweig, Urt. v. 20.4.2017, 1 A 40/16, UA S. 12 f.; VG München, Urt. v. 20.1.2015, M 16 K 13.2277, juris Rn. 18), sondern bleibt insbesondere das haushaltsrechtliche Gebot der Schätzgenauigkeit zu prüfen (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20; VGH Mannheim, Urt. v. 2.11.2016, 6 S 1261/14, juris Rn. 36; VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 345). Ob davon eine Ausnahme dann zu machen ist, wenn sich die Ausgleichsrücklage an der Untergrenze des durch das Finanzstatut gezogenen Rahmens bewegt und lediglich 26, 30 oder 36,82 v. H. des Betriebsaufwands erreicht (so VG Köln, Urt. v. 15.2.2017, 1 K 1473/16, GewArch 2017, 194, juris Rn. 82, zustimmend VG Schleswig, Urt. v. 15.2.2018, 12 A 173/16, juris Rn. 33; VG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2017, 20 K 5579/17, juris Rn. 35; VG Mainz, Urt. v. 10.11.2017, 4 K 1310/16.MZ, juris Rn. 28), kann dahinstehen, da die Ausgleichsrücklage der Beklagten im Geschäftsjahr 2011 nahezu die Höchstgrenze von 50 v. H. des geplanten Betriebsaufwands ausmacht.

66

Das Gebot der Schätzgenauigkeit erfordert eine Prognose, die aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfällt. Die Prognose muss sich im Fall der Ausgleichsrücklage darauf beziehen, in welcher Höhe Schwankungen im Beitragsaufkommen zu besorgen sind. Einerseits müssen die in Ansatz gebrachten Schwankungen im Beitragsaufkommen weder sicher noch auch nur überwiegend wahrscheinlich sein. Vielmehr sind aller Voraussicht nach im Geschäftsjahr eintretende Einbußen bereits im Haushaltsansatz des Beitragsaufkommens zu berücksichtigen, da dieser Haushaltsansatz ebenfalls dem haushaltsrechtlichen Gebot der Schätzgenauigkeit unterliegt. Die Ausgleichsrücklage sichert das ungewisse Risiko zu befürchtender Beitragsausfälle ab. Andererseits dürfen die angenommenen Schwankungen im Beitragsaufkommen auch nicht so unwahrscheinlich sein, dass ihre Annahme rein spekulativ erscheint oder das abgesicherte Risiko nur in einem fernliegenden „worst case“ eintreten kann. Eine nachvollziehbare Prognose bedarf einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Die vorliegend in Ansatz gebrachte Ausgleichsrücklage könnte daher nur mit einer auf hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten gründenden Prognose gerechtfertigt werden, dass die mit ihr auszugleichenden Schwankungen im Beitragsaufkommen möglicherweise bis fast zur Hälfte des Betriebsaufwands reichen könnten. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20), die für eine Liquiditätsrücklage von annähernd 50 v. H. der laufenden Ausgaben gefordert hat, dass das Risiko eines kurzfristigen Liquiditätsausfalls in dieser Höhe sich aus Erfahrungen der Beitragsveranlagungen belegen läßt.

67

Ausgehend von diesem Maßstab findet die fast vollständige Ausschöpfung des vom Finanzstatut gezogenen Rahmens bis nahe an die Höchstgrenze von 50 v. H. des Betriebsaufwands keine Rechtfertigung. Im Einzelnen:

68

Tatsächliche Anhaltspunkte, aufgrund derer das Risiko von Beitragsschwankungen mit fast der Hälfte des Betriebsaufwands hätte abgeschätzt werden können, ergeben sich weder aus den Beschlüssen des Plenums, die bis zum Ende des Geschäftsjahres 2011 die Ausgleichsrücklage auf 20.500.000,-- Euro haben anwachsen lassen, noch aus den Protokollen vorbereitender Gremiensitzungen. Bei Einführung der Ausgleichsrücklage mit einer Bandbreite zwischen 30 bis 50 v. H. des Betriebsaufwands durch § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 heißt es zur Erläuterung lediglich, „die zwingend vorgeschriebene Ausgleichsrücklage solle 30-50 Prozent des Jahresbudgets betragen“ (Plenarsitzung v. 2.6.2005, TOP 6, S. 9 f.). Hinsichtlich der letzten Erhöhungen der Ausgleichsrücklage bis zu dem Stand im Geschäftsjahr 2011 ist in den Protokollen der Gremiensitzungen allenfalls dokumentiert, dass ohne die Erhöhung der durch § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 gezogene Rahmen noch nicht ausgeschöpft sei, aber kein sachlicher Grund dafür dargelegt, weshalb eine solche Ausschöpfung angezeigt sein könnte. Eine Erhöhung einer Rücklage, nur weil die Erhöhung nicht bereits vom Finanzstatut verboten ist, bliebe ohne einen auf den sachlichen Zweck der Rücklage bezogene Rechtfertigung und wäre damit sachfremd. Eine Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 1.000.000,-- Euro auf 20.000.000,-- Euro unter teilweiser Verwendung des Ergebnisses des Jahres 2009 hat das Plenum am 1. Juli 2010 ohne dokumentierte Diskussion beschlossen (Plenarsitzung v. 1.7.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 7). Der entsprechende Vorschlag des Innenausschusses (Sitzung des Innenausschusses v. 10.5.2010, TOP 1 Jahresabschluss 2009, S. 2) lässt keine Begründung erkennen. Innerhalb des Präsidiums (Sitzung des Präsidiums v. 3.6.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 4) ist insoweit lediglich geäußert worden, dass zur Ergebnisverwendung „entsprechend dem gewachsenen Betriebsaufwand 1 Millionen Euro der Ausgleichsrücklage, 1,5 Millionen Euro der Rücklage für Pensionsrisiken und 0,5 Millionen Euro der Umbau- und Instandhaltungsrücklage zuzuführen“ seien. Sodann hat die Beklagte die Erlöse aus der Auflösung von Jubiläumsrückstellungen in Höhe von 186.418,-- Euro in die Ausgleichsrücklage eingestellt, die somit in der am 25. März 2011 von Präses und Hauptgeschäftsführer vorgelegten Bilanz 2010 eine Höhe von 20.186.418,-- Euro aufwies (Jahresabschluss 2010, S. 19). Eine weitere Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 313.582,-- Euro hat das Plenum am 7. Juli 2011 zur teilweisen Verwendung des Ergebnisses aus 2010 vorgenommen (Plenarsitzung v. 7.7.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 7 f.). Nähere Begründungen finden sich in den Sitzungsniederschriften des Innenausschusses (v. 11.5.2011), des Präsidiums (v. 9.6.2011) und des Plenums (v. 7.7.2011) nicht. In der Beschlussvorlage an das Präsidium (v. 31.5.2011) ist nur ausgeführt, zunächst solle „die Ausgleichsrücklage wieder dicht an den möglichen Wert (50 % des Betriebsaufwands) ‚aufgerundet‘ werden“.

69

Auch im Übrigen finden sich keine tatsächlichen Anhaltspunkte, die ex ante eine Prognose von Beitragsschwankungen bis zu 50 v. H. des Betriebsaufwands zugelassen hätten. Die Beklagte bringt schriftsätzlich vor, zu Schwankungen im Beitragsaufkommen könnten konjunkturbedingte Schwankungen, der Ausfall einzelner großer Beitragszahler und die Orientierung des Kammerbeitrags an dem erst nach mehreren Jahren endgültig feststehenden Gewerbeertrag führen. Soweit die Beklagte zum Zweck der Quantifizierung Zahlen vorlegt, sind diese nur rechnerisch nachvollziehbar. Die Beklagte veranschlagt für konjunkturelle Schwankungen 15 v. H. der geplanten Beiträge, ausgehend davon, dass das Gewerbesteueraufkommen in den Jahren 1999 bis 2001 um 17 v. H. und in den Jahren 2008 bis 2009 um 19 v. H. rückläufig gewesen sei. Der Anteil von 15 v. H. müsse multipliziert werden mit zwei bis vier, um zwei bis vier Jahre andauernde Schwankungen abzubilden. Für das Risiko des Ausfalls großer Beitragszahler werde ein weiterer Betrag von 1.000.000,-- Euro angesetzt, dies entspreche dem Beitrag der beiden größten einzelnen Beitragszahler. Für das Schwankungsrisiko endgültiger Beitragsabrechnungen werde der Zehnjahresdurchschnitt der Umlagen aus dem Vorjahr angenommen und dieser Wert um 1.000.000,-- Euro verringert. Dieses von der Beklagten vorgetragene Rechenmodell entbehrt einer nachvollziehbaren tatsächlichen Grundlage. Zum einen ist bereits die gedankliche unmittelbare Anknüpfung der Höhe der Ausgleichsrücklage an das erwartete Beitragsaufkommen unplausibel. Da ein Anteil von zweimal bis viermal 15 v. H., also 30 bis 60 v. H., des Beitragsaufkommens veranschlagt wird, wäre nach der Berechnung der Beklagten die Ausgleichsrücklage umso höher anzusetzen, je höher das zu erwartende Beitragsaufkommen ist. Dies ist nicht nachvollziehbar. Zum anderen lässt sich die Höhe der Ausgleichsrücklage entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht auf die Erfahrungen der Beitragsveranlagungen der vergangenen Jahre stützen. Dazu im Folgenden:

70

Wie hoch die einzelnen Rücklagen sein dürfen, hängt hinsichtlich der eingehenden Mitgliedsbeiträge von bestehenden Erfahrungen der Kammer selbst und sonst von den anstehenden Finanzierungsvorhaben ab (Wiemers, NVwZ 2016, 615, 616). Zwar wäre der Umkehrschluss nicht richtig, dass die Bildung oder Beibehaltung von Rücklagen allein deswegen ausgeschlossen wäre, weil in der Vergangenheit befürchtete Risiken tatsächlich nicht eingetreten sind (VG Mainz, Urt. v. 10.11.2017, 4 K 1310/16.MZ, juris Rn. 28 a. E.). Doch bedarf es stets positiv tragfähiger Anhaltspunkte, die im jeweiligen Geschäftsjahr ex ante die Bildung oder Beibehaltung einer Rücklage in bestimmter Höhe vertretbar erscheinen lassen. Dabei sind insbesondere die Erfahrungen in den letzten Jahren zu berücksichtigen (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 372). Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20) hat gefordert, dass ein der Rücklage entsprechendes Risiko sich aus den Erfahrungen der Beitragsveranlagungen belegen lassen muss.

71

In die für das Geschäftsjahr 2011 anzustellende Risikoprognose hätte die Beklagte ihre Erfahrung einstellen müssen, dass sie die Ausgleichsrücklage in der Vergangenheit zu keiner Zeit – selbst nicht in den Zeiten der Finanzkrise – hatte in Anspruch nehmen müssen. Die Ausgleichsrücklage dient der Vorsorge, um bei einem verringerten Beitragsaufkommen die Kammertätigkeit fortzuführen. Sie ist über Jahre hinweg ungeachtet konjunktureller Schwankungen nicht verringert, sondern noch erhöht worden. Musste die Ausgleichsrücklage in der Vergangenheit bei konjunkturellen Krisen nicht in Anspruch genommen werden, so bedarf es besonderer Umstände, aus denen sich das durch die Rücklage abzusichernde Risiko schwankender Beitragsaufkommen erhöht, um zu rechtfertigen, dass sie bis zur Höchstgrenze aufrechterhalten wird. An solchen besonderen Umständen fehlt es jedoch.

72

Aus der Wirtschaftskrise 2008/2009 ergibt sich kein risikoerhöhender Umstand für das Beitragsaufkommen 2011. Vielmehr hat die Beklagte bereits in der Beschlussvorlage zur ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans 2011 (Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, S. 2) die Einschätzung mitgeteilt:

73

„Offensichtlich hat die Unternehmenssteuer-Reform des Jahres 2007 mit der veränderten Ermittlung des steuerlichen Gewerbeertrags ab 2008 zu einer Ausweitung der Gewerbeerträge geführt und somit die aus der Wirtschaftskrise resultierenden Einbußen ausgeglichen.“

74

Überdies hat die Beklagte – im Spannungsverhältnis zu ihrer soeben wiedergegebenen Einschätzung – die Auswirkungen der Wirtschaftskrise 2008/2009 bei dem für das Geschäftsjahr 2011 erwarteten Beitragsaufkommen mindernd in Ansatz gebracht und ausgeführt (Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, S. 3):

75

„Für die Erträge aus Handelskammerbeiträgen erwarten wir 35.325 TEUR (Plan 2010 mit Nachtrag 44.120 TEUR). Für die Veranlagung 2011 haben wir dabei konstante Bemessungsgrundlagen unterstellt; bei Reduzierung des Umlagesatzes von 0,31 auf 0,28 % des Gewerbeertrages ergäbe sich somit für die Position Umlagen lfd. Jahr im Vergleich zu 2010 ein Minus von knapp 2,9 Mio. EUR; wegen der insbesondere bei den Abrechnungen 2009 wirksam werdenden Auswirkungen der Finanzmarktkrise haben wir bei den Veranlagungen für alte Jahre sehr vorsichtig kalkuliert und gehen von einem Minus von 6 Mio. EUR gegenüber dem aktualisierten Plan 2010 aus. Bei voraussichtlich gleich bleibenden Mitgliederzahlen werden sich die Grundbeiträge etwa auf dem Niveau des Jahres 2010 bewegen.“

76

Eine zusätzliche Berücksichtigung von – zumal durch die Beklagten selbst in Abrede gestellten – negativen Auswirkungen der Wirtschaftskrise 2008/2009 bei der Ausgleichsrücklage erscheint daher ausgeschlossen.

77

Besondere neue Gesichtspunkte, die geeignet gewesen wären, die hohe Ausgleichsrücklage zu rechtfertigen, sind auch nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres 2011 aufgetreten. In dem am 25. März 2011 erstatteten Lagebericht zur Bilanz 2010 haben Präses und Hauptgeschäftsführer ausgeführt: Die Hamburger Wirtschaft habe sich nach dem krisenbedingten Tief im ersten Quartal 2009 schnell erholt und es zeige sich nach Wirtschaftszweigen ein durchgehend positives Bild (S. 5). Die Arbeit der Beklagten habe 2010 überwiegend im Zeichen der wirtschaftlichen Erholung gestanden (S. 6). Besondere Risiken, die für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Beklagten von Bedeutung sein könnten, bestünden nicht (S. 11). Die Geschäftsführung hat in Vorbereitung des Jahresabschlusses 2010 erläutert (Sitzung des Innenausschusses v. 11.5.2011, TOP 1 Jahresabschluss 2010, S. 2), dass die allgemeine Beitragsentwicklung ausgesprochen positiv zu bewerten sei, es „zeige der Beitragsverlauf des aktuellen Jahres, dass mit Einbrüchen nicht zu rechnen sei“. In Vorbereitung des Zweiten Nachtrags zum Wirtschaftsplan 2011 hat die Geschäftsführung (Sitzung des Innenausschusses v. 19.9.2011, TOP 1 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2) „von der weiterhin positiven Beitragsentwicklung“ berichtet, „der erwartete Rückgang der Beiträge aufgrund der Senkung des Umlagesatzes und der Auswirkungen der Lehman-Krise 2008/2009 sei ausgeblieben“.

78

bb) Die im Geschäftsjahr 2011 aufrechterhaltene Umbau-/Instandhaltungsrücklage ist allenfalls dem Grunde nach rechtmäßig, jedenfalls aber überhöht.

79

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage war im Zuge des Jahresabschlusses 2009 am 1. Juli 2010 von 6.333.439,80 Euro um 500.000,-- Euro auf 6.833.439,80 Euro erhöht worden (vgl. Jahresabschluss 2009, S. 4). Mit dem erst nach dem Jahresabschluss 2009 beschlossenen Ersten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2010 (v. 4.11.2010, Amtl. Anz. S. 2234, vorbereitend Präsidiumssitzung v. 7.10.2010, TOP 3 b Nachtragswirtschaftsplan 2010, S. 5) war ein weiterer Betrag von 4.300.000,-- Euro in die Umbau-/Instandhaltungsrücklage eingestellt worden. Die Rücklage hat damit im Geschäftsjahr 2011 entsprechend dem im Jahresabschluss 2010 am 7. Juli 2011 ausgewiesenen Stand eine Höhe von 11.133.439,80 Euro erreicht. Die nachfolgende Erhöhung der Rücklage für Umbauten um 8.000.000,-- Euro sowie für Instandhaltungen um 2.000.000,-- Euro im Zuge des Jahresabschlusses 2011 am 5. Juli 2012 ist im Geschäftsjahr 2011 nicht mehr wirksam geworden und bleibt deshalb für die Wirtschaftsplanung 2011 außer Betracht.

80

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage könnte dem Grunde nach rechtmäßig sein, was aber letztlich dahinstehen kann. Der Bildung dieser Rücklage steht jedenfalls nicht bereits das Satzungsrecht entgegen. Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 und 4 FSt 2005 dürfen neben der verpflichtend vorgesehenen Ausgleichsrücklage „andere Rücklagen“ gebildet werden. Wie jede Rücklage bedarf die Umbau-/Instandhaltungsrücklage mit Rücksicht auf das eine bloße Vermögensmehrung verbietende Kostendeckungsprinzip der Rechtfertigung durch einen hinreichenden sachlichen Zweck (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20). Dieser sachliche Zweck bedarf aufgrund dessen einer weitergehenden (besonderen) Konkretisierung als dies bei der (allgemeinen) Ausgleichsrücklage zu fordern ist. Dieses gesetzliche Erfordernis kommt nunmehr zum Ausdruck in dem – neueren und für das Geschäftsjahr 2011 allerdings nicht anwendbaren – Finanzstatut der Beklagten (v. 23.5.2013, Amtl. Anz. S. 915 – FSt 2013), wonach die Bildung von „zweckbestimmten Rücklagen“ („anderen Rücklagen“) zulässig ist, jedoch der Verwendungszweck und der Umfang hinreichend zu konkretisieren sind (§ 15a Abs. 2 Satz 3 bis 5 FSt 2013). Teilweise wird bereits aus dem Gesetz gefolgert, dass „andere Rücklagen“ als die Ausgleichsrücklage einer strengen Zweckbindung unterliegen und fest umrissen ein genau definiertes Risiko abdecken, ihre Bildung auch mit einem Zeitplan unterlegt ist, innerhalb dessen die Rücklagen für den vorgesehenen Zweck zu verbrauchen (aufzulösen) sind (Jahn, GewArch 2016, 263, 267). Bei strenger Handhabung dieser Vorgaben wäre die Aufrechterhaltung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage im Geschäftsjahr 2011 bereits dem Grunde nach zumindest zweifelhaft. Eine sachliche Konkretisierung geringen Grades und auch nur hinsichtlich eines Teil des Rücklagenzwecks könnte jedoch daraus hergeleitet werden, dass der Immobilienbestand im Verwaltungsgebrauch der Beklagten in einem funktionsfähigen Zustand gehalten werden muss. Eine zeitliche Konkretisierung könnte hinsichtlich des Teilzwecks „Instandhaltung“ dann für entbehrlich gehalten werden, wenn auf einen sich etwaig unerwartet aktualisierenden Instandhaltungsbedarf abgestellt würde. Hinsichtlich des Teilzwecks „Umbau“ bietet sich allerdings keine entsprechende Möglichkeit einer Rechtfertigung. Wenngleich die von der Beklagten vorgebrachte Überlegung, die für bauliche Maßnahmen oder ähnliche erhebliche Investitionsmaßnahmen voraussichtlich benötigten Mittel vorher sukzessive aufzubauen, nachvollziehbar ist, muss doch zumindest für eine Rücklage für eine über die bloße Instandhaltung hinausgehende Sanierungs- oder Umbaumaßnahme bereits ein gewisser sachlicher und zeitlicher Planungsstand erreicht sein, um mit der Rücklagenbildung nicht eine bloße Vermögensmehrung auf Vorrat zu betreiben.

81

Jedenfalls der Höhe nach ist die Umbau-/Instandhaltungsrücklage im Geschäftsjahr 2011 nicht zu rechtfertigen. Das Maß der Rücklage ist entgegen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigten Anforderungen nicht vom sachlichen Zweck der Rücklage gedeckt.

82

Dabei kann dahinstehen, ob dem Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris Rn. 45) darin zu folgen ist, dass bereits die in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 ausgewiesene Umbau-/Instandsetzungsrücklage von damals 5.333.439,80 Euro – die 10 v. H. des damaligen Versicherungswerts der von der Beklagten genutzten Gebäude A.-Straße x und S.-Straße x entsprach – überhöht war. Auch die Rechtmäßigkeit der weiteren, geringeren Erhöhungen der Rücklage bis zum Stand von 6.833.439,80 Euro im Jahresabschluss 2009 kann dahinstehen. Jedenfalls hätte die am 4. November 2010 vorgenommene erhebliche Aufstockung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage um 4.300.000,-- Euro im Geschäftsjahr 2011 nicht aufrechterhalten bleiben dürfen. Ein noch bei Abschluss der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 am 3. November 2011 tragfähiger Grund für die erhöhte Rücklage ist nicht ersichtlich.

83

Keine Rechtfertigung findet die erhöhte Rücklage darin, dass sich im Jahr 2011 im Handelskammergebäude im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss an der Verbindung zwischen dem Börsensaal und dem Foyer Risse gezeigt hatten (dazu Beschlussvorlage für die Präsidiumssitzung v. 9.6.2011, TOP 3 Jahresrechnung 2010, S. 2). Innerhalb des Präsidiums (Sitzung v. 9.6.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 6) war allerdings zunächst angemerkt worden, dass die „Risse im Eingangsbereich des Handelskammergebäudes, […] erhebliche Renovierungskosten“ nach sich zu ziehen drohten, und insoweit ein Betrag von 4.300.000,-- Euro genannt worden. Doch hat der Hauptgeschäftsführer in einer weiteren Präsidiumssitzung (Sitzung v. 6.10.2011, TOP 3 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2) diesen Befürchtungen die Grundlage entzogen, indem er erläutert hat:

84

„Die ursprünglich geplanten Rücklagen für die Sanierung des Gebäudes unserer Handelskammer aufgrund des Risses in der Fassade würden voraussichtlich nicht in der Höhe benötigt werden. Das vorliegende Gutachten eines renommierten Hamburger Architekten beziffere die notwendigen Ausgaben zur Beseitigung des Risses auf lediglich mehrere 10.000 Euro. Eine größere Instandsetzung sei nach Auffassung dieses Architekten nicht notwendig.“

85

Wenngleich der Präses sich in der Präsidiumssitzung „aufgrund der potentiell drohenden Schäden für das Gebäude“ für ein „zweites Gutachten in Bezug auf die Sanierung des Gebäudes“ ausgesprochen hat, ist kein belastbarer Anhaltspunkt dafür ersichtlich, die vorherige Erhöhung der Rücklage um 4.300.000,-- Euro aus einem lediglich „potentiellen“ Grund aufrechtzuerhalten.

86

Die 2010 vorgenommene Erhöhung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage um 4.300.000,-- Euro lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass das Plenum 2011 die Entscheidung zugunsten eines Erweiterungsbaus getroffen hat (Plenarsitzung v. 3.3.2011, TOP 3 Beschlussfassung über einen Erweiterungsbau der Handelskammer „Handelskammer Innovations-Campus, HKIC“, S. 7 f.). Für das Gesamtprojekt wurde dabei ein Bedarf von 13.592.000,-- Euro in Ansatz gebracht. In der Finanzplanung für das Geschäftsjahr 2011 wurden gemäß dem Ersten Nachtrag zum Wirtschaftsplan zunächst Investitionskosten von 6.997.000,-- Euro veranschlagt (Beschlussvorschlag in Anlage 2 b zu TOP 5 zu der auf den 3.3.2011 vertagten Plenarsitzung v. 3.2.2011, S. 1, S. 3, Nr. 11 im Finanzplan) und dieser Ansatz sodann im Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan (Beschlussvorschlag in Anlage TOP 4 b zur Plenarsitzung v. 3.11.2011, S. 2, S. 6, Nr. 11 im Finanzplan) wegen aufgetretener Verzögerungen verringert. Keinen Raum ließ die Investitionsentscheidung für eine – nochmalige – Berücksichtigung bei der Umbau-/Instandhaltungsrücklage. Die Aktualisierung von Umbauplänen unter Ansatz entsprechender Aufwendungen im Wirtschaftsplan deutet eher darauf hin, die Berechtigung einer bisherigen Rücklage für noch nicht aktuelle Baumaßnahmen zu überdenken. Eine Sicherheitsreserve für Unvorhergesehenes war bereits innerhalb der in Ansatz gebrachten Investitionskosten des Gesamtprojekts Erweiterungsbau i. H. v. 1.500.000,-- Euro veranschlagt worden.

87

Ferner durfte die Beklagte im Geschäftsjahr 2011 die um 4.300.000,-- Euro erhöhte Umbau-/Instandhaltungsrücklage nicht deshalb aufrechterhalten, weil das am 5. April 2012 und damit nach Abschluss des Geschäftsjahres 2011 vorgelegte Architektengutachten einen Mittelbedarf für beabsichtigte Sanierungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Erhaltung der Bausubstanz von 14.747.235,65 Euro ausweist. Aus der späteren Vorlage des Architektengutachtens kann nicht darauf geschlossen werden, dass bereits im Geschäftsjahr 2011 eine Rücklage in dieser Größenordnung für damals anstehende Umbau- oder Instandhaltungsmaßnahmen berechtigt gewesen wäre. Die Beklagte selbst hat das Architektengutachten nicht als nachträgliche Rechtfertigung der übernommenen Rücklagenhöhe gebraucht, sondern im Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2011 am 5. Juli 2012 und damit im zeitlichen Zusammenhang mit der Vorlage des Architektengutachtens die Rücklage für Umbauten um weitere 8.000.000,-- Euro sowie für Instandhaltungen um weitere 2.000.000,-- Euro auf insgesamt 21.133.439,80 Euro erhöht.

88

Schließlich rechtfertigt sich die Höhe der Umbau-/Instandhaltungsrücklage nicht aus den kleineren und größeren laufenden Arbeiten und Instandhaltungen an den Kammergebäuden. So waren bereits nach der ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans für das Geschäftsjahr 2011 für laufende Instandhaltung und größere Umbaumaßnahmen insgesamt 1.560.000,-- Euro vorgesehen, darunter für die Dachsanierung über dem Börsensaal 300.000,-- Euro, für den Austausch von Fenstern im Obergeschoss an der Johannisstraße 100.000,-- Euro, für die Modernisierung der Klimatechnik in den Sitzungssälen 150.000,-- Euro sowie den Abschluss der Modernisierung der Commerzbibliothek 300.000,-- Euro (Beschlussvorschlag, Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, Wirtschaftsplan 2011, S. 5). Für zunächst bereits im Vorjahr 2010 beabsichtigt gewesene und erst im Geschäftsjahr 2011 durchgeführte Instandhaltungsmaßnahmen wurde der geplante Aufwand um etwa 300.000,-- Euro erhöht (Beschlussvorschlag, Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, Zweiter Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2).

89

cc) Die Rücklage für Sonderprojekte, in die im Geschäftsjahr 2011 ebenso wie in den Vorjahren durchgängig ein Betrag von 3.900.000,-- Euro eingestellt war, ist überhöht.

90

Eine Rechtmäßigkeit dieser Rücklage dem Grunde nach kann dahinstehen. Es könnte an jeglicher sachlicher und zeitlicher Konkretisierung fehlen, so dass die vom Bundesverwaltungsgericht als zwingende Voraussetzung geforderte Einhaltung des Gebots der Schätzgenauigkeit unmöglich sein könnte. Für eine Rechtmäßigkeit könnte allenfalls ins Feld geführt werden, dass auf Ausgabenseite unvorhergesehene und unvorhersehbare Umstände während des laufenden Geschäftsjahres zu entsprechenden Aufwendungen für unvorhergesehene Vorhaben („Sonderprojekte“) führen können, so dass für das Unvorhergesehene vorab Mittel reserviert werden könnten. Die Beklagte bringt hierzu vor, die Rücklage solle kurzfristige Handlungsspielräume für notwendige ad-hoc-Aktivitäten schaffen.

91

Zumindest ist die Rücklage der Höhe nach rechtswidrig. Da im Geschäftsjahr geplante Aufwendungen wegen des Gebots der Schätzgenauigkeit bereits im Betriebsaufwand zu berücksichtigen sind, können Rücklagen neben dem Risiko zukünftiger Ertragsausfälle (dazu s. o. aa)) nur das Risiko bestimmter zukünftiger, noch nicht aktueller Aufwendungen abdecken. Es ist nicht nachvollziehbar, dass noch nicht im Betriebsaufwand berücksichtigte „Sonderprojekte“ in Höhe von immerhin 9,6 v. H. des Betriebsaufwands von 41.337.000,-- Euro zu erwarten gewesen wären. Falls die Rücklage für Sonderprojekte dem Grunde nach gerechtfertigt wäre, so trüge diese Rechtfertigung allein die Vorsorge für unvorhersehbare Projekte mit einem Aufwand in einer gegenüber dem Gesamthaushalt untergeordneten, eine gesonderte Nachtragswirtschaftsplanung nicht rechtfertigenden Höhe. Das Plenum muss die Entscheidungen über die wesentlichen Haushaltsansätze selbst konkret treffen und darf sie nicht dem Präsidium oder der Geschäftsführung der Kammer überlassen. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, das Plenum habe in Ausübung seines Beurteilungsspielraums über die Rücklagenhöhe entschieden und andere Organe könnten im Rahmen der getroffenen grundlegenden Weichenstellungen agieren, dürfte dies in dieser Allgemeinheit hier nicht zutreffend sein. Denn in der erheblichen Größenordnung von einem Zehntel des Betriebsaufwands fehlt es an grundlegenden Weichenstellungen durch das Plenum als Haushaltsgeber.

92

Auch der Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, bei jedem Bauprojekt bringe der Architekt einen Anteil von 10 v. H. für Unvorhergesehenes in Ansatz, lässt keine Rechtfertigung der Höhe des Rücklage für Sonderprojekte erkennen. Es steht nicht die Abschätzung des sich in der Zukunft entwickelnden Aufwands für ein sachlich und zeitlich bestimmt bezeichnetes Vorhaben in Rede. Vielmehr dient die Rücklage für Sonderprojekte der Vorsorge dazu, die Kosten für in der Zukunft erst noch ad hoc aufzugreifende Vorhaben zu decken.

93

Der von der Beklagten vorgetragene Strauß an möglichen Sonderprojekten ist nicht geeignet, die Rücklagenhöhe zu rechtfertigen. Die Beklagte trägt vor, dass 1.000.000,-- Euro für „standortpolitisch bedeutsame Projekte“, 2.000.000,-- Euro für die Unterstützung einer neuen Olympia-Bewerbung, eventuelle Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 sowie die „aktuelle Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten“ und weitere 900.000,-- Euro ohne besondere Zuordnung in Ansatz gebracht worden seien. Die Vielfalt denkbarer Zwecke verdeutlicht, dass es zumindest bei einer Rücklage in der in Rede stehenden Größenordnung an einer Konkretisierung des Rücklagenzwecks gemangelt hat. Ein Teilbetrag der Rücklage von 900.000,-- Euro wird überdies auch von der Beklagten keinem genaueren Zweck als dem der „Sonderprojekte“ zugeordnet.

94

dd) Die Rechtmäßigkeit der durch den Wirtschaftsplan nach Abschnitt I WirtS 2011 aufrechterhaltenen Rücklage BID N. in Höhe von 1.000.000,-- Euro kann nach dem Vorstehenden dahinstehen. Der betreffende Business Improvement District (BID) wurde erst im Jahr 2014 durch die Verordnung zur Einrichtung des Innovationsbereichs N. (v. 5.8.2014, HmbGVBl. S. 334) mit einem Gesamtaufwand von 9.320.000,-- Euro (§ 4) einschließlich einer Verwaltungspauschale von 20.000,-- Euro (§ 5) für die Laufzeit von fünf Jahren (§ 6) für einen das von der Beklagten genutzte Hauptgebäude an der A.-Straße einschließenden Innovationsbereich (§ 2) eingerichtet. Offen bleiben kann, ob die Aufrechterhaltung einer Rücklage von 1.000.000,-- Euro in der langjährig vorausgehenden Planungsphase mit dem Kostendeckungsprinzip vereinbar gewesen ist. Überlegenswert erschienen wäre allenfalls, den Betrag zurückzulegen, der im Fall der Einrichtung des Innovationsbereichs einem jährlichen Anliegerbeitrag entsprochen hätte.

95

ee) Die Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer für das Geschäftsjahr 2011 ist darüber hinaus deshalb fehlerhaft, weil der vorhandene positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nach der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 keiner sachlichen Verwendung zugeführt werden sollte.

96

Nach dem am 7. Juli 2011 festgestellten Jahresabschluss 2010 wurde ein positives Ergebnis in Höhe von 5.711.000,-- Euro in das Geschäftsjahr 2011 vorgetragen. Die Wirtschaftsplanung ging dahin, dass dieser Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 in keiner Weise zugunsten der Beitragszahler zur Kostendeckung im Geschäftsjahr 2011 verwendet werden sollte. Vielmehr sollte der Ergebnisvortrag aus 2010 in einem geplanten positiven Ergebnis aus 2011 fortgeschrieben werden. Darin liegt ein Verstoß gegen das Verbot der Gewinnorientierung, das der Kammer untersagt, ihre Tätigkeit auf eine bloße Vermögensmehrung anzulegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17). Im Einzelnen:

97

In der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 hat die Beklagte den Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nicht dazu genutzt, im Rahmen zulässiger Vorsorge eine neue angemessene Rücklage zu bilden. Auch hat sie den positiven Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 in der Wirtschaftsplanung 2011 nicht dazu verwendet, ein zu erwartendes negatives Jahresergebnis aus dem Geschäftsjahr 2011 auszugleichen und auf diese Weise die anfallenden Betriebsaufwendungen mitzutragen. Vielmehr hatte die Beklagte im Erfolgsplan nach der ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans für das Geschäftsjahr 2011 vom 4. November 2010 zunächst ein neutrales Jahresergebnis von 0,-- Euro erwartet. Im Erfolgsplan, wie er dem Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan vom 3. November 2011 zugrunde lag, hat die Beklagte aus dem Geschäftsjahr 2011 ein hohes positives Jahresergebnis von 6.655.000,-- Euro (Nr. 20) erwartet, das sich angesichts fehlender Entnahmen aus Rücklagen (Nr. 22) und Einstellungen in Rücklagen (Nr. 23) nach Addition mit dem hohen positiven Ergebnisvortrag aus 2010 von 5.711.000,-- Euro (Nr. 21) zu einem noch höheren positiven Ergebnis des Jahres 2011 von 12.366.000,-- Euro (Nr. 24) aufsummieren sollte.

98

Der bereits feststehende positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010, der im Geschäftsjahr 2011 nicht zur Kostendeckung verwendet werden, sondern ins Folgejahr 2012 fortgeschrieben werden sollte, kommt der Bildung einer nicht einem sachlichen Zweck dienenden Rücklage gleich. Eine solche Rücklage ist nach dem Maßstab der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17; s. o. c)) als bloße Vermögensmehrung unzulässig. Die Kammer darf im Rahmen ihrer Wirtschaftsplanung nicht von vornherein einen Überschuss ihrer Beitragseinnahmen über die erforderlichen Aufwendungen gezielt zur Vermögensbildung planen (Jahn, GewArch 2016, 263, 265).

99

Die Beklagte hat noch im Geschäftsjahr 2011 eingeräumt, dass dieses „überplanmäßig“ verlaufe (Schriftsatz v. 26.10.2011). Sie hätte spätestens bei Befassung über den Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung am 3. November 2011 dafür Sorge tragen müssen, dass angesichts des seit dem 7. Juli 2011 feststehenden Überschusses aus dem Vorjahr dem Kostendeckungsprinzip noch im Geschäftsjahr 2011 Genüge getan wird. Der Beklagten hätten dafür verschiedene Wege zu Gebote gestanden. Die Beklagte war nicht auf einen bestimmten Weg festgelegt, jedoch darauf, einen das Kostendeckungsprinzip achtenden Weg einzuschlagen. Etwa hätte die Beklagte das Vorjahresergebnis im Rahmen zulässiger Vorsorge einer neuen angemessenen Rücklage zuführen können. Auch hätte die Beklagte das positive Vorjahresergebnis zum Ausgleich eines negativen Jahresergebnisses verwenden können. Dies hätte allerdings vorausgesetzt, dass die Beklagte nach ihrer Wahl die geplanten Aufwendungen erhöht hätte oder die geplanten Erträge gesenkt hätte. Die geplanten Aufwendungen hätte die Beklagte etwa dadurch erhöhen können, dass sie im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenkreises nach § 1 Abs. 1 IHKG sowie im Rahmen der Gebote von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und der pfleglichen Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG ihre Tätigkeiten ausgeweitet hätte. Die geplanten Erträge hätte die Beklagte etwa dadurch verringern können, dass sie hinsichtlich der für das Geschäftsjahr 2011 zu leistenden Kammerbeiträge den Grundbeitrag und/oder die Umlage verringert und/oder die Freigrenzen erhöht hätte.

100

Dahinstehen kann, ob die Beklagte nach Feststellung des Überschusses aus dem Vorjahr am 7. Juli 2011 eine Verringerung der Beitragssätze noch im laufenden Jahr hätte unterlassen dürfen, wenn ihr unüberwindliche praktische Hindernisse entgegengestanden hätten. Letzteres ist nicht erkennbar. Dies folgt aus dem bereits dargestellten (s. o. 1.) System der Beitragserhebung zunächst aufgrund vorläufiger Veranlagung und sodann aufgrund endgültiger Abrechnung. Auch ausgehend von der Unterstellung, dass am 7. Juli 2011 alle Beitragspflichtigen bereits durch einen ersten Beitragsbescheid im Wege der „vorläufigen Veranlagung“ nach § 15 Abs. 3 BO zum Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 herangezogen worden wären, hätte doch gegenüber allen Beitragspflichtigen eine endgültige Abrechnung ausgestanden. Unerheblich ist dabei, dass die endgültige Abrechnung ursprünglich nur der Einstellung der für die Beitragsfestsetzung maßgebenden Parameter dienen sollte. Das vorhandene Instrumentarium hätte ohne Schwierigkeiten dafür genutzt werden können, zugunsten der Beitragspflichtigen des Geschäftsjahres 2011 bei der anstehenden endgültigen Abrechnung einen verringerten Grundbeitrag und/oder einen verringerten Umlagesatz und/oder eine erhöhte Freigrenze zu berücksichtigen. Auf der kalkulatorischen Grundlage der endgültigen Abrechnung wäre in dem Fall, dass sich ein geringerer Gesamtbetrag ergeben hätte, der erste Beitragsbescheid durch einen zweiten Beitragsbescheid teilweise aufzuheben gewesen. In dem Fall, dass sich ein höherer Betrag ergeben hätte, wäre neben dem fortbestehenden ersten Beitragsbescheid eine weitere Festsetzung durch einen zweiten Beitragsbescheid vorzunehmen gewesen.

101

Eine etwaige Verwendung des im Geschäftsjahr 2011 erzielten positiven Ergebnisses in den Folgejahren genügt nicht, um das geschäftsjährlich und ex ante zu beachtende Kostendeckungsprinzip des § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG zu wahren. Vielmehr hätte das mit dem Jahresabschluss 2010 feststehende positive Ergebnis aus dem Vorjahr zugunsten der Beitragszahler des Geschäftsjahres 2011 für eine zulässige Rücklagenbildung, für höhere Aufwendungen oder für niedrigere Beitrage genutzt werden müssen. Die Erhebung von Beiträgen für eine bestimmte Beitragsperiode rechtfertigt sich nur in dem Umfang, wie sie zur Tragung sonst nicht gedeckter Kosten der Tätigkeit der Kammer erforderlich ist. Es verstößt gegen das Verbot der Gewinnorientierung, wenn die Kammer sehenden Auges Überschüsse erzielt und eine Reaktion erst für eine folgende Beitragsperiode in Aussicht gestellt hat. Dieser Fall ist hier gegeben. Das Präsidium hat dem Plenum vor der Beschlussfassung über den Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan 2011 berichtet (Plenarsitzung v. 3.11.2011, TOP 4 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 7),

102

„dass entgegen der Planung und trotz Senkung des Umlagesatzes auch 2011 mit steigenden Erträgen aus Beiträgen und entsprechenden Überschüssen zu rechnen sei. Deshalb wolle die Handelskammer im nächsten Jahr eine spürbare Senkung der Beiträge vorschlagen.“

103

f) Der streitgegenständliche Beitragsbescheid kann auch nicht zum Teil aufrechterhalten bleiben. Die Feststellung des Mittelbedarfs für das Geschäftsjahr 2011 ist insgesamt fehlerhaft, weil in Abschnitt I WirtS 2011 überhöhte Rücklagen aufrechterhalten worden sind und ein positives Vorjahresergebnis keiner sachlichen Verwendung zugeführt worden ist (s. o. e)). Wegen dieser Fehler kann die Feststellung des Mittelbedarfs nicht als Maßgabe für die Beitragserhebung dienen. Die in Abschnitt II WirtS 2011 enthaltene abstrakte Festsetzung der Beiträge ist rechtswidrig und damit rechtsunwirksam, so dass sie keine taugliche Grundlage für eine konkrete Festsetzung der Beiträge bietet. In Übereinstimmung damit hat auch das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 11) angenommen, dass bei einem zur Rechtsunwirksamkeit führenden Fehler der Wirtschaftssatzung die konkrete Beitragserhebung insgesamt rechtswidrig ist.

104

II. Die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten unter Abwendungsbefugnis ist § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO zu entnehmen. Ein Grund, die Revision nach § 132 Abs. 1, Abs. 2 VwGO zuzulassen, ist nicht gegeben.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 wird aufgehoben, soweit darin der Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der zu vollstreckenden Kosten leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zum Handelskammerbeitrag 2011.

2

Die Klägerin ist eine im Jahr 2010 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Betriebsstätte in Hamburg. Die Beklagte ist die örtliche Industrie- und Handelskammer (IHK). Für die Geschäftsjahre 2009 bis 2011 weisen die von Präses und Hauptgeschäftsführer der Beklagten jeweils im März des Folgejahres vorgelegten Bilanzen sowie die jeweils im Juli des Folgejahres vom Plenum der Beklagten beschlossenen Jahresabschlüsse folgende Rücklagen und Ergebnisse (gerundet auf 1.000,-- Euro) aus:

3

 Geschäftsjahr

2009   

2010   

2011   

        

Vorlage
15.3.2010

Abschluss
1.7.2010

Vorlage
25.3.2011

Abschluss
7.7.2011

Vorlage
5.3.2012

Abschluss
5.7.2012

Ausgleichsrücklage

19.000

20.000

20.186

20.500

20.500

21.000

Umbau-/
Instandhaltungs-
Rücklage

6.333 

6.833 

11.133

11.133

11.133

21.133

Rücklage für
Sonderprojekte

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

Rücklage zur
Abdeckung von
Risiken der
Neubewertung der
Pensionsrückstellung

15.000

16.500

0       

0       

0       

0       

Rücklage BID N.

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

Rücklage für die
Sicherung
bedeutsamer
Wirtschaftsarchive

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

Rücklage für
ganzjährige Aktivitäten
verschiedener Art
anlässlich des
350jährigen
Kammerjubiläums

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

Rücklage
Azubi-Wohnheim in
Hamburg

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

        

Bilanzergebnis

3.444 

6.025 

16.596

Ergebnisvortrag auf
neue Rechnung

444     

5.711 

3.096 

4

Die Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2011 in ihrer ursprünglichen Fassung wurde vom Plenum am 4. November 2010 beschlossen. In dem zugrundeliegenden Erfolgsplan 2011 finden sich insbesondere folgende Einträge (gerundet auf 1.000,-- Euro):

5
        

Ist 2009

Plan 2010
 inkl.
Nachtrag

Plan 2011

1. Erträge aus Handelskammer-Beiträgen

43.444

44.120

35.325

7.-10. Betriebsaufwand

40.151

41.090

40.337

20. Jahresergebnis

13.552

-8.700

0       

21. Ergebnisvortrag

292     

0       

0       

22. a) Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage

0       

0       

0       

22. b) Entnahmen aus anderen Rücklagen

10.400

16.500

0       

23. a) Einstellung in die Ausgleichsrücklage

1.000 

0       

0       

23. b) Einstellung in andere Rücklagen

9.400 

7.800 

0       

24. Ergebnis

3.444 

0       

0       

6

Der am 3. März 2011 beschlossene Erste Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 lässt den Erfolgsplan unverändert. Dem am 3. November 2011 beschlossenen Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 liegt ein geänderter Erfolgsplan zugrunde, der insbesondere folgende Eintragungen enthält (gerundet auf 1.000,-- Euro):

7
        

Ist 2010

Plan 2011

1. Erträge aus Handelskammer-Beiträgen

46.488

43.500

7.-10. Betriebsaufwand

42.980

41.337

20. Jahresergebnis

-6.619

6.655 

21. Ergebnisvortrag

444     

5.711 

22. a) Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage

0       

0       

22. b) Entnahmen aus anderen Rücklagen

16.500

0       

23. a) Einstellung in die Ausgleichsrücklage

314     

0       

23. b) Einstellung in andere Rücklagen

4.300 

0       

24. Ergebnis

5.711 

12.366

8

Gegenüber der Klägerin nahm die Beklagte mit Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 eine „vorläufige Veranlagung“ zum IHK-Beitrag 2011 in Höhe eines Grundbeitrags von 153,-- Euro vor und teilte nachrichtlich einen offenen Betrag aus anderen Beitragsjahren in Höhe von 153,-- Euro mit. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2011 zurück.

9

Die Klägerin hat am 29. Juli 2011 beim Verwaltungsgericht Hamburg Klage erhoben und zur Begründung vorgebracht: Die Zwangsmitgliedschaft in einer Industrie- und Handelskammer verletze sie in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1, 9 Abs. 1 GG. Hilfsweise sei der geforderte Betrag zu hoch. Art und Umfang der von der Beklagten gebildeten Rücklagen verstoße gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG.

10

Die Klägerin hat beantragt,

11

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2011 aufzuheben,

12

hilfsweise,

13

die Beklagte zu verpflichten, den auf die Klägerin für das Jahr 2011 entfallenden Beitrag angemessen zu reduzieren.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Die Beklagte hat zur Begründung ausgeführt: Die bundesgesetzlich angeordnete Pflichtmitgliedschaft sei mit dem Grundgesetz vereinbar und verstoße nicht gegen Europarecht. Ein Beitragsverweigerungsrecht zur Beanstandung der Kammertätigkeiten sei nicht gerechtfertigt. Die gebildeten Rücklagen dienten mittelbar dem Ziel einer pfleglichen Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Mit der Ausgleichsrücklage solle Vorsorge getroffen werden, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch dann aufrecht zu erhalten, wenn es aus konjunkturellen Gründen zu einem spürbaren Rückgang der Gewerbeerträge und der entsprechenden Erträge der Kammer aus Beiträgen komme. Mit den anderen Rücklagen solle Vorsorge getroffen werden, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch dann aufrecht zu erhalten, wenn besondere Kosten und Aufwendungen anfielen wie etwa größere Instandhaltungsmaßnahmen am denkmalgeschützten Kammergebäude oder besondere Projekte, die das Plenum zur Förderung des Wirtschaftsstandorts unterstützen oder selbst initiieren wolle. Im Übrigen sei 2010 ein erheblicher Teil der in den letzten Jahren gebildeten Rücklagen dazu verwendet worden, den mit dem neuen Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vorgegebenen Bewertungsregeln für die Pensionsrückstellungen Rechnung zu tragen. So habe sich für 2010 eine Reduzierung der gesamten Rücklagen um 11,7 Mio. Euro ergeben. Die Beitragsveranlagung laufe nicht unmittelbar parallel zur Gewerbesteuerentwicklung. Vielmehr richteten sich die Erträge aus Umlagen für das aktuelle Jahr zunächst nach den letzten der Beklagten bekannten Gewerbeerträgen. Die Bemessungsgrundlagen seien in aller Regel zwei bis drei Jahre alt. Die endgültigen Daten würden von der Finanzverwaltung üblicherweise erst nach Abschluss des Geschäftsjahres festgestellt. Für das Jahr 2011 sei bei der Beitragskalkulation in Rechnung gestellt, dass die Umlage gegenüber dem Vorjahr von 0,31 auf 0,28 v. H. des Gewerbeertrags gesenkt worden sei und die „Krisenjahre“ 2008 und 2009 zur endgültigen Abrechnung angestanden hätten. Vor diesem Hintergrund seien in der Wirtschaftssatzung 2011 die Erträge aus Beiträgen in Höhe von 35,325 Mio. Euro zu Recht vorsichtig angesetzt. Der Beitragsanspruch selbst bleibe von behaupteten oder tatsächlichen Aufgabenüberschreitungen unberührt.

17

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26. September 2012 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für die Beitragspflicht. Das Verfahren der Beitragsfestsetzung sei nicht zu beanstanden. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle habe der weitgesteckten Gestaltungsfreiheit der Beklagten hinsichtlich der Beitragsregelung Rechnung zu tragen und greife erst dann ein, wenn gegen allgemeine Grundsätze, insbesondere das Äquivalenzprinzip oder den Gleichheitsgrundsatz in flagranter Weise verstoßen werde. Für einen derartigen qualifizierten Verstoß sei nichts ersichtlich, insbesondere weil die Klägerin nur zum Mindestbeitrag herangezogen worden sei. Die Auffassung der Klägerin, die Beklagte entfalte Aktivitäten, welche den ihr durch § 1 Abs. 2 IHKG gesteckten Rahmen überschritten, sei ohne beitragsrechtliche Relevanz. Die Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung folge ferner nicht aus einer von der Klägerin geltend gemachten unzulässigen Rücklagenbildung durch die Beklagte. Für einen Verstoß gegen das in § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG angesiedelte Kostendeckungsprinzip sei nichts ersichtlich. Dabei müsse nicht näher darauf eingegangen werden, ob die Beklagte angesichts der bestehenden Rücklagen in unzulässiger Weise Vermögen bilde. Die Klägerin habe nicht im Ansatz dargetan, dass die Beklagte in einem solchen Umfang Rücklagen gebildet habe, dass ihre Tätigkeit i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG „anderweitig gedeckt“ und sie von Rechts wegen gehalten wäre, den allein streitigen Mindestbeitrag auf „Null“ zu setzen. Der von der Klägerin hilfsweise gestellte Antrag sei mangels Durchführung des Vorverfahrens unzulässig.

18

Die Beklagte erließ gegenüber der Klägerin unter dem 3. Dezember 2015 einen zusätzlichen Beitragsbescheid, in dem für das Beitragsjahr 2011 der Betrag von 153,-- Euro als „mit früheren Bescheiden festgesetzt“ und der Betrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ angegeben ist. Dieser zweite Bescheid schließt den Hinweis ein, dass „[w]enn zu den oben aufgeführten Beitragsjahren bereits Beitragsbescheide ergangen“ seien, „diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben“ würden.

19

Der Senat hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts auf Antrag der Klägerin die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung, mit der die Klägerin allein den erstinstanzlichen Hauptantrag weiterverfolgt, bringt sie vor, die Voraussetzungen für eine öffentlich-rechtliche „Zwangskorporation“ bestünden nicht mehr. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid sei rechtswidrig, da die Beklagte das Kostendeckungsprinzip i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG nicht gewahrt habe. Die Erhebung von Beiträgen zur Erfüllung von Kammeraufgaben, für die anderweitige Deckungsmittel im Kammerhaushalt bereitstünden, sei rechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315) komme zwischenzeitlich zu dem Schluss, dass eine pauschale Festlegung von Rücklagen ohne konkrete jährliche Risikoabschätzung unzulässig sei. In dieser Form gebildete Rücklagen seien als anderweitige Mittel vor einer Beitragsveranlagung dem Haushalt zuzuführen. Das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris) habe mittlerweile eine rechtswidrige Beitragsveranlagung durch die Beklagte für die Jahre 2010 und 2013 angenommen und somit nach Erlass des angefochtenen Urteils richtigerweise eine Kehrtwende in seiner Rechtsprechung vorgenommen. Im Einzelnen trägt die Klägerin Beanstandungen zu folgenden Positionen vor:

20

Die Ausgleichsrücklage in einem vom Finanzstatut bestimmten Rahmen sei unzulässig. Jährlich sei eine Risikokalkulation zur exakten Bestimmung der im jeweiligen Geschäftsjahr erforderlichen (Mindest-)Rücklagenhöhe erforderlich, die der (zusätzlichen) Bildung eines darüber hinausgehenden (Höchst-)Betrages entgegenstehe. Es müssten die drei Fragen beantwortet werden, ob die Beklagte das ihr zustehende „Ermessen“ ausgeübt habe, ob die Schätzung sachlich nachvollziehbaren Kriterien genüge und ob die Beklagte bei überdotierten Rücklagen über ausreichende Mittel verfüge, um vor der Beitragsveranlagung ihre Kosten anderweitig zu decken. Die Ausgleichsrücklage sei zu keiner Zeit – selbst nicht in den Zeiten der Finanzkrise – in Anspruch genommen worden.

21

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage stelle „offenkundig“ freies Vermögen dar, welches i. S. d. Gesetzes als anderweitige Mittel dem Haushalt hätte zugeführt werden müssen. Erst am 5. April 2012 sei ein Architektengutachten vorgelegt worden, das für Sanierungsmaßnahmen eine Summe von 14.747.235,65 Euro angebe. Die Bilanz der Beklagten weise schon vor der Erstellung eines Gutachtens eine „millionenschwere“ und später aufgestockte Umbau-/Instandhaltungsrücklage aus. Die Rücklagenbildung unterliege den engen Vorgaben der ausreichenden zeitlichen, sachlichen und finanzplanerischen Konkretisierung. Neben dem „offenkundigen Mangel“ notwendiger Einzelbeschlüsse über die Rücklage fehle es auch „ganz offensichtlich“ an jeglicher Rechtfertigung und Beschlusslage für die Bildung und Erhöhung der Umbau- und Instandhaltungsrücklage vor dem 5. Juli 2012. Es fehle ein gesonderter Beschluss darüber, ob eine Finanzierung aus Fremd- oder Eigenmitteln geleistet werden und in welchem Zeitrahmen eine Rücklagenbildung oder eine Tilgung erfolgen solle.

22

Die Rücklage für Sonderprojekte, die über alle Jahre gebildet und niemals angetastet worden sei, erfülle den Tatbestand der rechtswidrigen Vermögensbildung. Schon aus der allgemeinen Namensgebung ergebe sich, dass es keinerlei sachliche und zeitliche Konkretisierung gebe. Ohne eine sachliche und zeitliche Konkretisierung erweise sich die vom Bundesverwaltungsgericht als zwingende Voraussetzung gebotene Abschätzung als unmöglich. Es würden hier Mitgliedsbeiträge ohne Sinn und Zweck als freies Vermögen geparkt.

23

Aus dem Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 ergebe sich, dass die Beklagte für das Haushaltsjahr 2011 mit einem Überschuss von 6,655 Mio. Euro geplant habe. Soweit es hinsichtlich der Verwendung eines solches Überschusses im Sinne einer Aufgabenerfüllung im Rahmen des Gesetzes keine Beschlüsse des Plenums gebe, sei eine Haushaltsplanung mit einem solchen Überschuss ein Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip. Erwirtschafte eine Kammer einen erheblichen Gewinn, indiziere dies, dass die Beiträge zu hoch bemessen gewesen seien. Erfolge ein Gewinnvortrag zudem kontinuierlich über mehrere Jahre hinweg in erheblicher Höhe, stehe dies einer unzulässigen Vermögensbildung gleich.

24

Die Klägerin beantragt,

25

das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 aufzuheben, soweit darin der Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist.

26

Die Beklagte beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Die Beklagte hält die gesetzliche Mitgliedschaft eines Gewerbetreibenden in einer IHK für verfassungsgemäß und die Beitragserhebung auch der Höhe nach für nicht zu beanstanden. Die Klägerin sowie das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris) verkennten die wesentlichen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts und die hieraus resultierenden Maßstäbe für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Wirtschaftsplanung einer Kammer, insbesondere der Rücklagenbildung. Soweit das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315) eine Verletzung des Gebots der Schätzgenauigkeit bejaht habe, beruhe dies maßgeblich auf dem Umstand, dass die dort beklagte IHK während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Anhaltspunkte für das Vorliegen relevanter Risiken dargelegt habe. Der Gesetzgeber habe mit der Umstellung auf die Doppik vor allem eine Erhöhung der Transparenz für die Kammermitglieder und eine Stärkung des Etatrechts der IHK-Vollversammlungen erstrebt. Auch aus diesem Grund sei es nicht angezeigt, bei einer gerichtlichen Prüfung der Einhaltung des Gebots der Schätzgenauigkeit bei Aufstellung des Wirtschaftsplans überzogene Anforderungen zu stellen. Maßgeblich sei, ob die Rücklagenbildung auf einer sachgerechten und vertretbaren Prognose basiere. Was vertretbar sei, richte sich nach einer Gesamtbewertung der konkreten Entscheidungssituation unter Berücksichtigung des betroffenen Sach- und Regelungsbereichs, der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung und deren Folgen sowie der verfügbaren Tatsachengrundlagen für die Prognose. Im Übrigen führe deshalb nicht jeder Fehler in der Wirtschaftsplanung zur Rechtswidrigkeit der gesamten Beitragsveranlagung, weil anderenfalls die beitragsrechtliche Grundlage des betreffenden Beitragsjahres haushaltsrechtlich unheilbar rechtswidrig sei, obwohl objektiv-rechtlich eine Pflicht zum Erlass eines Beitragsbescheids bestehe. Für die Feststellung eines etwaigen Verstoßes gegen das Gebot der Schätzgenauigkeit sei eine materielle Betrachtung maßgeblich. Es sei nicht entscheidend, ob eine Vollversammlung die Risiken im Zeitpunkt der Aufstellung des Wirtschaftsplans uneingeschränkt zutreffend erfasst und validiert habe. Maßgeblich sei, ob die dotierten Rücklagen dem Grunde nach zulässig seien und der Höhe nach in einem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlich relevanten Risiken der jeweiligen IHK stünden. Sei die Mittelbedarfsfeststellung im Ergebnis richtig, seien die Beitragssätze rechtmäßig. Es komme nicht auf den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2009, sondern auf die Wirtschaftsplanung des jeweils streitgegenständlichen Beitragsjahrs, ggf. in Gestalt der Nachtragsplanung, an.

29

Die Dotierung der Ausgleichsrücklage sei dem Grunde und der Höhe nach gerechtfertigt, damit die Handlungsfähigkeit und eine sachgerechte Aufgabenerfüllung der Beklagten zu jeder Zeit gewährleistet seien. Die Vorgaben des Finanzstatuts seien eingehalten. Die Regelung eines Rücklagerahmens sei nicht zu beanstanden. Die Ausgleichsrücklage solle „im Fall der Fälle“, d. h. im „worst case“, zur Verfügung stehen. Sie diene dem zulässigen Zweck, haushalterische Risiken abzudecken, die mit unvorhergesehenen Beitragsschwankungen einhergingen. Sie werde gebildet, um eine hinreichende Risikovorsorge zu betreiben und die Beiträge auch gerade bei schwankender Konjunktur stabil zu halten. Werde der durch das Finanzstatut gezogene Rahmen für eine Rücklagenhöhe eingehalten, spreche eine Vermutung für ihre Angemessenheit. Die mit der Ausgleichsrücklage abzufangenden möglichen Schwankungen könnten sich insbesondere ergeben infolge der heterogenen Wirtschaftsstruktur eines Industrie- und Handelskammerbezirks und der damit einhergehenden vielfältigen Abhängigkeit von strukturellen und gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen bis hin zu der Gefahr mehrjähriger wirtschaftlicher Rezessionen, des Ausfallrisikos von großen Beitragszahlern und der Orientierung des Kammerbeitrags an der gewerbesteuerlichen Bezugsgröße des Gewerbeertrags. Vor allem diese Risiken lägen tatsächlich jedes Jahr vor und machten die Vorhaltung einer angemessenen Ausgleichsrücklage zwingend erforderlich. Das Risiko der Beitragsschwankungen sei mit dem Umstand der Gegenwartsveranlagung mit mehrjähriger Verzögerung der endgültigen Abrechnung zu erklären. Die Ausgleichsrücklage sei im Hinblick auf die Schwankungsrisiken auf Basis der Erfahrungen der Beitragsveranlagungen der vergangenen Jahre unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte der letzten Konjunkturkrisen gebildet. Für konjunkturelle Schwankungen müsste zunächst ein Anteil von 15 v. H. der geplanten Beiträge veranschlagt werden, ausgehend davon, dass das Gewerbesteueraufkommen in den Jahren 1999 bis 2001 um 17 v. H. und in den Jahren 2008 bis 2009 um 19 v. H. rückläufig gewesen sei. Der Anteil von 15 v. H. müsse multipliziert werden mit zwei bis vier, um zwei bis vier Jahre andauernde Schwankungen abzubilden. Für das Risiko des Ausfalls großer Beitragszahler werde ein weiterer Betrag von 1.000.000,-- Euro angesetzt, dies entspreche dem Beitrag der beiden größten einzelnen Beitragszahler. Für das Schwankungsrisiko endgültiger Beitragsabrechnungen werde der Zehnjahresdurchschnitt der Umlagen angenommen und dieser Wert um 1.000.000,-- Euro verringert. Es errechne sich danach, dass die Ausgleichsrücklage angemessen sei.

30

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage diene bezogen auf das Geschäftsjahr 2011 einem hinreichend konkretisierten Zweck. Zunächst habe im Jahr 2007 (Rücklagenhöhe damals etwa 5,3 Millionen Euro, seinerseits 10 v. H. des Versicherungswerts) der Schwerpunkt des Rücklagenzwecks bei der Finanzierung größerer Instandhaltungsaufwendungen für das historische Handelskammergebäude gelegen. Die Rücklagenerhöhungen 2007 und 2010 seien gerechtfertigt gewesen. Der voraussichtliche Mittelbedarf sei in der Folgezeit weiter konkretisiert worden durch das Architektengutachten vom 5. April 2012.

31

Die Rücklage für Sonderprojekte diene dazu, auch künftig besondere Projekte zu finanzieren, ohne die Beiträge zu erhöhen. Sie solle kurzfristige Handlungsspielräume für notwendige ad-hoc-Aktivitäten schaffen. Es seien 1.000.000,-- Euro für „standortpolitisch bedeutsame Projekte“, 2.000.000,-- Euro für die Unterstützung einer neuen Olympia-Bewerbung, eventuelle Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 sowie die „aktuelle Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten“ und weitere 900.000,-- Euro ohne besondere Zuordnung in Ansatz gebracht worden.

32

Die positiven Ergebnisse der Vorjahre seien im Beitragsjahr 2011 ordnungsgemäß verwendet worden. Es stehe der Kammer frei, ein positives Ergebnis für eine Beitragsrückerstattung zu nutzen, durch gesonderten Beschluss des Plenums einer aufgabengemäßen Verwendung zuzuführen oder in den nächsten Wirtschaftsplan einzustellen. Ein ex post festgestelltes positives Ergebnis indiziere keine Missachtung des Kostendeckungsprinzips.

33

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind die Sachakten in zwei Bänden. Darauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

34

I. Die zulässige, auf den erstinstanzlichen Hauptantrag beschränkte, Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Sie führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Stattgabe der zulässigen (hierzu unter 1.) und begründeten Klage (hierzu unter 2.).

35

1. Die Klage ist im allein weiterverfolgten Hauptantrag zulässig, insbesondere als Anfechtungsklage statthaft. Sie zielt gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO auf die gerichtliche Aufhebung des Bescheids vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011, soweit darin für das Geschäftsjahr 2011 ein Handelskammerbeitrag vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist. Dieses Rechtsschutzbegehren geht nicht ins Leere, obwohl durch einen zweiten Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 eine weitere Beitragsfestsetzung für das Jahr 2011 vorgenommen worden ist. Der erste Beitragsbescheid ist als Verwaltungsakt weiterhin wirksam. Ein Verwaltungsakt bleibt gemäß § 43 Abs. 2 HmbVwVfG (vgl. § 124 Abs. 2 AO) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Der streitgegenständliche erste Beitragsbescheid ist weder aufgehoben noch erledigt. Im Einzelnen:

36

Eine Aufhebung des ersten, allein streitgegenständlichen, Beitragsbescheids ist mit dem zweiten Beitragsbescheid nicht ausgesprochen worden. Dem zweiten Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 kann nach dem entsprechend §§ 133, 157 BGB auch für die Auslegung von Verwaltungsakten maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont keine behördliche Aufhebung des ersten Beitragsbescheids entnommen werden, sondern nur eine Ergänzung desselben durch Forderung eines zusätzlichen Beitrags. Im zweiten Beitragsbescheid ist für das Beitragsjahr 2011 der Betrag 153,-- Euro ausdrücklich als „mit früheren Bescheiden festgesetzt“ und der Betrag 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ angegeben, verbunden mit dem Hinweis, dass wenn bereits Beitragsbescheide ergangen sind, diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben werden. Dieser Wortlaut streitet gegen eine neuerliche Sachentscheidung (vgl. VG Schleswig, Urt. v. 15.2.2018, 12 A 173/16, juris Rn. 19, für den entsprechenden Bescheidwortlaut). Da die Regelungswirkung sich auf die Festsetzung des Mehrbetrags beschränkt, handelt es sich hinsichtlich des bereits festgesetzten Betrags um eine wiederholende Verfügung und nicht um einen Zweitbescheid (vgl. Jahn, GewArch 2016, 263, 270).

37

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der erste Bescheid eine „vorläufige Veranlagung“ vornimmt und der zweite Bescheid einen solchen Hinweis nicht enthält. Zwar hat das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris 3. Ls) angenommen, dass dann, wenn ein zweiter Bescheid „den IHK-Beitrag durch Abrechnung festsetzt“, nachdem zuvor im Wege vorläufiger Veranlagung ein erster Beitragsbescheid ergangen war, es sich bei dem zweiten Bescheid um eine eigenständige Sachentscheidung über den insgesamt zu leistenden Beitrag und nicht um eine – teilweise – wiederholende Verfügung handele. Doch ist bereits die vom Verwaltungsgericht Hamburg in der zitierten Entscheidung angenommene Voraussetzung nicht gegeben, dass der zweite Bescheid „den IHK-Beitrag durch Abrechnung festsetzt“. Nach den vorstehenden Ausführungen beschränkt sich der Regelungsgehalt des zweiten Bescheids ausdrücklich auf den Mehrbetrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“. Der Umstand, dass der erste Bescheid als „vorläufige Veranlagung“ ergangen ist, führt nicht zu einer seinem Wortlaut widersprechenden Auslegung des zweiten Bescheids. Die „vorläufige Veranlagung“ hat dabei lediglich folgende Bewandtnis:

38

Die Beitragsveranlagung erfolgt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 der Beitragsordnung der Beklagten (v. 14.5.2004, Amtl. Anz. S. 1057 m. spät. Änd. – BO) durch schriftlichen Bescheid. Sofern der Gewerbeertrag oder der Zerlegungsanteil für das Bemessungsjahr noch nicht vorliegt, kann der Kammerzugehörige gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 BO aufgrund des letzten vorliegenden Gewerbeertrags oder – soweit ein solcher nicht vorliegt – aufgrund einer Schätzung in entsprechender Anwendung des § 162 AO vorläufig veranlagt werden. Dieser Satz findet gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 BO entsprechende Anwendung auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb und auf den Umsatz, die Bilanzsumme und die Arbeitnehmerzahl, soweit diese für die Veranlagung von Bedeutung sind.

39

Eine im Zuge der vorläufigen Veranlagung nach § 15 Abs. 3 BO vorgenommene Festsetzung lässt zwar die Möglichkeit einer erneuten Festsetzung nach § 15 Abs. 1 BO zu. Es besteht Anlass für eine endgültige Abrechnung für das Beitragsjahr, sobald die Parameter für die Festsetzung des Kammerbeitrags (Gewerbeertrag, Gewinn aus Gewerbebetrieb, Umsatz, Bilanzsumme oder Arbeitnehmerzahl) feststehen, hinsichtlich derer zuvor nur die bislang letzten vorliegenden Zahlen oder Schätzung zugrunde gelegt worden war. Einer erneuten, endgültigen Festsetzung bedarf es aber nur, soweit sich im Ergebnis eine Änderung der Beitragshöhe errechnet (a. A. VG Hamburg, Urt. v. 2.3.2016, a. a. O., Rn. 56).

40

Eine endgültige Festsetzung eines bereits im Wege der vorläufigen Veranlagung festgesetzten (Teil-)Betrags ist nicht erforderlich. Auch eine Festsetzung im Wege der vorläufigen Veranlagung kann in Bestandskraft erwachsen. Der Umstand, dass nach § 165 AO ergangene vorläufige Steuerbescheide nicht in materielle Bestandskraft erwachsen können (vgl. Cöster, in König, AO, 3. Aufl. 2014, § 351 Rn. 13), ist nicht auf die Beitragsfestsetzung im Wege vorläufiger Veranlagung übertragbar (a. A. VG Hamburg, Urt. v. 2.3.2016, a. a. O., Rn. 64). § 15 Abs. 3 BO verweist nicht auf § 165 AO, sondern hinsichtlich der Schätzung der Bemessungsgrundlagen auf eine entsprechende Anwendung des § 162 AO. Aus dem Verweis des § 15 Abs. 3 BO auf § 162 AO folgt nicht, dass die vorläufige Veranlagung selbst in entsprechender Anwendung des § 162 AO vorgenommen würde. Zum einen enthält § 162 AO keine Regelung über eine vorläufige Veranlagung, sondern nur über eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen. Zum anderen verweist § 15 Abs. 3 Satz 1 BO in seiner zweiten Tatbestandsalternative – „soweit ein solcher [Gewerbeertrag] nicht vorliegt“ – nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 162 AO bei der vorläufigen Veranlagung, sondern bei der Schätzung der Bemessungsgrundlagen. Für den Fall, dass keine letzten Zahlen vorliegen, erweitert § 15 Abs. 3 Satz 2 BO den Anwendungsbereich der Schätzung der Bemessungsgrundlagen auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb und auf den Umsatz, die Bilanzsumme und die Arbeitnehmerzahl, soweit diese Parameter für die Veranlagung von Bedeutung sind.

41

Auch eine Erledigung des ersten Beitragsbescheids vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 ist nicht eingetreten. Eine Erledigung des Verwaltungsaktes setzt voraus, dass der Verwaltungsakt aufgrund nachträglicher Entwicklungen seinen Regelungszweck nicht mehr erreichen kann (Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 209b). Dies ist hier nicht der Fall. Der erste Beitragsbescheid spricht zwar eine „vorläufige Veranlagung“ aus, enthält aber nicht wie ein vorläufiger Verwaltungsakt eine auflösende Bedingung, aufgrund derer er mit Eintritt einer auflösenden Bedingung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 HmbVwVfG entfiele. Der mit dem ersten Beitragsbescheid verfolgte Regelungszweck, einen Kammerbeitrag von zunächst 153,-- Euro Höhe festzusetzen, dauert fort, obwohl mittlerweile mit dem zweiten Beitragsbescheid ein zusätzlicher Beitrag festgesetzt worden ist. Diese Festsetzung beschränkt sich auf einen Mehrbetrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ und macht die bereits bestehende Festsetzung von 153,-- Euro somit nicht entbehrlich.

42

2. Die Klage ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründet. Der Bescheid vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011, soweit darin ein Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 auf vorläufig 153,-- Euro festgesetzt worden ist, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten. Zwar ist die Klägerin dem Grunde nach beitragspflichtig (hierzu unter a)). Doch fehlt der konkreten Beitragserhebung für das Geschäftsjahr 2011 eine Rechtsgrundlage durch eine rechtswirksame abstrakte Bestimmung der Beitragshöhe. Die in der Wirtschaftssatzung für das Geschäftsjahr 2011 enthaltene abstrakte Festsetzung der Beiträge (hierzu unter b)) ist rechtswidrig und daher nach dem sog. Nichtigkeitsdogma rechtsunwirksam. Unter Verstoß gegen den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgezeigten Maßstab (hierzu unter c)) kann der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 (hierzu unter d)) mangels rechtmäßiger Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer nicht als Maßgabe der Beitragserhebung dienen (hierzu unter e)). Der streitgegenständliche Beitragsbescheid kann aufgrund dessen auch nicht zum Teil aufrechterhalten bleiben (hierzu unter f)).

43

a) Die Klägerin ist dem Grunde nach gegenüber der Beklagten zu einem Handelskammerbeitrag verpflichtet.

44

Die Industrie- und Handelskammern sind gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (v. 18.12.1956, BGBl. I S. 920 m. spät. Änd. – IHKG) Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG Grundbeiträge und Umlagen. Die Vollversammlung beschließt gemäß § 4 Satz 2 Nr. 2 IHKG über die Festsetzung des Maßstabes für die Beiträge. Die Kammerzugehörigkeit ist in § 2 IHKG geregelt. Die benannten Vorschriften sind wirksam. Sowohl die Beitragserhebung nach § 3 Abs. 2, Abs. 3 IHKG als auch die Pflichtmitgliedschaft nach § 2 Abs. 1 IHKG sind verfassungsgemäß (BVerfG, Beschl. v. 12.7.2017, 1 BvR 2222/12 u. a., NVwZ 2017, 1282, juris Rn. 87 ff.). Für einen zur Unanwendbarkeit der Regelungen im Einzelfall führenden Verstoß gegen Unionsrecht ist nichts ersichtlich (vgl. VGH München, Beschl. v. 30.7.2012, 22 ZB 11.1509, juris Rn. 31 f.; OVG Koblenz, Urt. v. 20.9.2010, 6 A 10282/10, juris Rn. 45).

45

Die Beklagte ist unter der Bezeichnung als Handelskammer gemäß § 13 IHKG i. V. m. Art. I § 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Rechtsverhältnisse der Handelskammer Hamburg v. 27.2.1956, HmbGVBl. S. 21 m. spät. Änd. – HmbHKG) die Industrie- und Handelskammer für das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Klägerin ist, da sie eine zur Gewerbesteuer veranlagte juristische Person des privaten Rechts mit Betriebsstätte in Hamburg ist, gemäß § 2 Abs. 1 IHKG seit ihrer Gründung im Jahr 2010 Kammerzugehörige der Beklagten und gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG dem Grunde nach beitragspflichtig.

46

b) Als abstrakte Festsetzung, die als Grundlage für die konkrete Festsetzung der Beitragshöhe für das Geschäftsjahr 2011 dienen könnte, kommt nur Abschnitt II der einschlägigen Wirtschaftssatzung in Betracht. Die Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2011 (v. 4.11.2010, Amtl. Anz. S. 2335, in der Fassung der Änderungen durch den Ersten Nachtrag v. 3.3.2011, Amtl. Anz. S. 786, und den Zweiten Nachtrag v. 3.11.2011, Amtl. Anz. S. 2555 – WirtS 2011) ist vom Plenum der Beklagten als Vollversammlung gemäß Art. I § 5 Nr. 1 HmbHKG beschlossen und durch zwei Nachträge geändert worden.

47

In Abschnitt II WirtS 2011 werden (Nr. 1) die Freistellungsgrenzen, (Nr. 2) die Grundbeiträge sowie (Nr. 3) der Hebesatz der Umlage bestimmt, (Nr. 4) das Geschäftsjahr 2011 als Bemessungsjahr festgelegt und (Nr. 5) die Erhebung einer Vorauszahlung geregelt. Die Klägerin ist nicht vom Kammerbeitrag befreit, da dies unter den näheren Voraussetzungen des Abschnitts II Nr. 1 WirtS 2011 nur nicht in das Handels- oder Genossenschaftsregister eingetragene Kammerzugehörige und natürliche Personen sind, die Klägerin aber nach §§ 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 GmbHG eine in das Handelsregister eingetragene juristische Person ist. Der von Kaufleuten zu erhebende Grundbeitrag, gestaffelt nach Gewerbeertrag oder Gewinn, ist in Abschnitt II Nr. 2.2 WirtS 2011 auf mindestens 153,-- Euro festgesetzt. Die Klägerin gilt gemäß § 6 Abs. 1 HGB i. V. m. § 13 Abs. 3 GmbHG als Kaufmann. Soweit ein Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb für das Bemessungsjahr nicht bekannt ist, wird gemäß Abschnitt II Nr. 5 WirtS 2011 eine Vorauszahlung des Grundbeitrages und der Umlage auf der Grundlage des letzten der Beklagten „vorliegenden“, d. h. bekannten, Gewerbeertrages bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb erhoben.

48

c) Der Senat macht sich die höchstrichterliche Rechtsprechung zu eigen, nach der die abstrakte Festsetzung der Beitragshöhe in der das jeweilige Geschäftsjahr betreffenden Wirtschaftssatzung nur dann rechtmäßig ist, wenn sie auf einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer in dem auf das Geschäftsjahr bezogenen Wirtschaftsplan beruht. Im Einzelnen:

49

Der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG als Maßgabe der Beitragserhebung dienende Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Wie vom Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 12) ausgeführt, legt das Gesetz mit Blick auf die Beitragserhebung damit eine zweistufige Willensbildung der Kammer zugrunde: Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) auf. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) gilt für ein Haushaltsjahr (Wirtschaftsjahr) und ist – als Plan – im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

50

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert ausgehend davon auch die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 13). Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen und unterliegt nach dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 81). Dem steht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 15) nicht entgegen, dass der Kammerbeitrag mit Blick auf die Kammertätigkeit verwendungsneutral ist. Er dient der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit und kann daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer einzelnen Tätigkeit zugeordnet werden. Ein Kammermitglied kann die Kammer zwar gerichtlich auf Unterlassung von Tätigkeiten in Anspruch nehmen, die außerhalb ihres gesetzlichen Aufgabenkreises liegen, jedoch nicht mit dieser Begründung die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern. Das führt jedoch nicht dazu, die Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) im Beitragsprozess generell ungeprüft als gegeben hinzunehmen. Gerade die gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung selbst berühren das einzelne Kammermitglied regelmäßig nur über die Beitragspflicht; dann muss es deren Einhaltung gerade im Beitragsprozess zur gerichtlichen Prüfung stellen können.

51

Die Kammer besitzt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 16) bei der Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht freilich nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist. Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gebietet die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Ferner sind seit der Einfügung des § 3 Abs. 7a IHKG die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung anzuwenden. Unabhängig davon sind ferner die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen.

52

Mit Blick auf die Rücklagenbildung präzisiert die höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 17) die zu stellenden Anforderungen wie folgt: Der Kammer ist die Bildung von Vermögen verboten. Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Bei den Mitteln für angemessene Rücklagen handelt es sich ebenfalls um Kosten der Industrie- und Handelskammer i. S. d. § 3 Abs. 2 IHKG, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind. Die Bildung von angemessenen Rücklagen ist auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaften weiterhin notwendig und gehört zu einer geordneten Haushaltsführung.

53

Weiter hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 18) ausgeführt, dass auch das Maß der Rücklage vom jeweiligen sachlichen Zweck gedeckt sein muss. Eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage ist nicht mehr angemessen und käme einer unzulässigen Vermögensbildung gleich. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) – und damit jährlich – erneut treffen. Ein Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält.

54

Bei der Prüfung, ob das Maß der Rücklage noch von einem sachlichen Zweck gedeckt ist, hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20) dabei angenommen, dass der Industrie- und Handelskammer ein Beurteilungsspielraum durch den in der (kameralen) Haushalts-, Kassen- und Rechnungsordnung oder in dem (doppischen) Finanzstatut vorgegebenen Rahmen eingeräumt sei. Im veröffentlichten 2. Leitsatz ist dazu ausgeführt, dass dann, wenn nach dem Finanzstatut der Industrie- und Handelskammer bei der Bildung des Haushaltsansatzes für eine Rücklage ein Beurteilungsspielraum besteht, das Gericht nicht seine Beurteilung an die Stelle der behördlichen Einschätzung setzen darf, es jedoch zu prüfen hat, ob allgemeingültige Wertungsmaßstäbe, insbesondere das haushaltsrechtliche Gebot der Schätzgenauigkeit, beachtet sind.

55

Hinsichtlich der Frage, ob die abstrakte Festsetzung der Beitragshöhe auf einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan beruht, ist eine materielle Betrachtung vorzunehmen. Eine formelle Betrachtung, ob die Mitglieder der Vollversammlung die Prognose in Kenntnis der dafür maßgeblichen Grundlagen getroffen haben, ist nicht anzustellen (a. A. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 21.11.2017, 19 K 903/16, juris Rn. 47; VG Koblenz, Urt. v. 25.11.2013, 3 K 121/12.KO, GewArch 2014, 116, juris Rn. 37; wohl auch VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 355). Denn die Antwort auf die maßgebliche Frage, ob der in der Wirtschaftssatzung festgesetzte Beitragssatz dem Kostendeckungsprinzip genügt, hängt davon ab, ob der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG durch Beiträge zu deckende Mittelbedarf im Wirtschaftsplan in der Sache vertretbar in Ansatz gebracht ist. Der Wirtschaftsplan bedarf formell keiner Begründung. Ebenso wenig hängt seine materielle Rechtmäßigkeit von einer Begründung ab (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 88). Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 16) billigt der Kammer bei der Aufstellung ihres Wirtschaftsplans ausdrücklich einen sehr weiten Gestaltungsspielraum zu. Die Rechtmäßigkeitskontrolle einer in dem Gestaltungsspielraum getroffenen Entscheidung unterscheidet sich von derjenigen einer Ermessenentscheidung im Einzelfall (Jahn, GewArch 2014, 116, 119; GewArch 2016, 263, 265 f.). Während nach § 114 Satz 1 VwGO und § 40 HmbVwVfG die von der Behörde in Ausübung ihres Ermessens bei einer Einzelfallentscheidung angestellten Erwägungen zu überprüfen sind, gilt entsprechendes nicht für die vom Normgeber in Ausübung seines Gestaltungsspielraums bei einer Normsetzung angestellten Erwägungen.

56

Aus dem von der Beklagten vorgebrachten Argument, sie sei nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG objektiv-rechtlich zur Beitragserhebung verpflichtet, bei Unwirksamkeit des Haushaltsplans sei aber die beitragsrechtliche Grundlage des betreffenden Beitragsjahres haushaltsrechtlich unheilbar rechtswidrig, leitet sich nicht her, den gerichtlichen Prüfungsmaßstab zurückzunehmen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat eine fehlerhafte Mittelbedarfsfeststellung im maßgeblichen Wirtschaftsplan die Rechtswidrigkeit der Beitragsveranlagung zur Folge. Eine Fehlerhaftigkeit der Mittelbedarfsfeststellung lässt sich nicht deshalb verneinen, weil ihre Rechtsfolge, die Rechtswidrigkeit der Beitragsveranlagung, unerwünscht wäre. Inwieweit eine rückwirkende Heilung oder ein rückwirkender Neuerlass einer unwirksamen Wirtschaftssatzung möglich wäre, kann dahinstehen, da das Plenum der Beklagten einen Neuerlass nicht unternommen hat.

57

d) Der die Maßgabe für die Beitragserhebung nach Abschnitt I WirtS 2011 bildende und deshalb nach dem Vorstehenden hinsichtlich der Feststellung des Mittelbedarfs inzident zu überprüfende Wirtschaftsplan in Abschnitt II WirtS 2011 hat seine letztgültige Gestalt durch den Zweiten Nachtrag vom 3. November 2011 gefunden. In Übereinstimmung mit dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten ist die Wirtschaftsplanung des jeweils streitgegenständlichen Beitragsjahrs maßgeblich, ggf. in Gestalt der Nachtragsplanung (ebenso VG Berlin, Urt. v. 14.4.2015, 4 K 199/14, juris Rn. 55; VG Köln, Urt. v. 15.2.2017, 1 K 1473/16, GewArch 2017, 194, juris Rn. 51).

58

Der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 ist durch den Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung ausdrücklich neu festgestellt worden. Innerhalb der mit Blick auf die Beitragserhebung zweistufigen Willensbildung (dazu BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 12, s. o. c)) hat die Beklagte, indem sie am 3. November 2011 den Wirtschaftsplan in Abschnitt I der Wirtschaftssatzung neugefasst hat, die erste Stufe der Willensbildung erneut betreten. Eine Änderung des Wirtschaftsplans durch Nachträge ist jedenfalls bis zum Abschluss des Geschäftsjahres möglich (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 86 f.). Wie bereits ausgeführt, steht auf erster Stufe der Willensbildung der Wirtschaftsplan. Der Wirtschaftsplan prognostiziert vor dem Hintergrund der in dem Geschäftsjahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

59

Der Maßgeblichkeit des erst am 3. November 2011 neu festgestellten Wirtschaftsplans im hiesigen Beitragsprozess steht nicht entgegen, dass das prozessual mit der Anfechtungsklage zu verfolgende Aufhebungsbegehren gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur dann Erfolg hat, wenn der Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 rechtswidrig ist. Selbst dann, wenn im Hinblick auf den prozessual geltend gemachten Aufhebungsanspruch auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 14. Juli 2011 abgestellt würde, müssen doch auch solche Änderungen in der Mittelbedarfsfeststellung Berücksichtigung finden, die die abstrakte Festsetzung der Beiträge rückwirkend rechtswidrig und damit unwirksam machen. Ohne rechtswirksame abstrakte Festsetzung der Beiträge fehlt der konkreten Festsetzung des Beitrags durch Bescheid die Rechtsgrundlage. Die abstrakte Festsetzung der Beiträge in Abschnitt I WirtS 2011 ist nur dann rechtmäßig und damit rechtswirksam, wenn sie einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs nach dem als Maßgabe dienenden Wirtschaftsplan entspricht. Der Wirtschaftsplan bildet eine auf das jeweilige Geschäftsjahr bezogene Sinneinheit. Für das Geschäftsjahr 2011 ist er durch den Zweiten Nachtrag der Wirtschaftsplan insgesamt und damit rückwirkend ab dem 1. Januar 2011 neu festgestellt worden.

60

Der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 in der Gestalt vom 3. November 2011 dient als Maßgabe der Beitragserhebung für das Geschäftsjahr 2011 unabhängig davon, wann der einzelne Beitragsbescheid erlassen worden ist. Die Beklagte hat mit dem (streitgegenständlichen) ersten Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 eine vorläufige Veranlagung zu einem Beitrag von 153,-- Euro ausgesprochen. Der erste Beitragsbescheid ließ – als „vorläufige Veranlagung“ – eine endgültige Abrechnung zu einem späteren Zeitpunkt offen. Auf der kalkulatorischen Grundlage der endgültigen Abrechnung war in dem Fall, dass sich für das Geschäftsjahr ein Minderbetrag ergeben würde, der erste Beitragsbescheid durch einen zweiten Beitragsbescheid teilweise aufzuheben, und in dem Fall, dass sich ein Mehrbetrag ergeben würde, neben dem fortbestehenden ersten Beitragsbescheid eine weitere Festsetzung durch einen zweiten Beitragsbescheid vorzunehmen. Eben dies ist mit dem (nicht streitgegenständlichen) Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 geschehen (s. o. 1.). Unabhängig vom Erlassdatum des ersten oder auch des zweiten Beitragsbescheids sucht die konkrete Festsetzung der Kammerbeiträge für das Geschäftsjahr 2011 ihre Rechtsgrundlage in der abstrakten Festsetzung der Beiträge in Abschnitt II WirtS 2011, als deren Maßgabe der Wirtschaftsplan in Abschnitt I WirtS 2011 dient.

61

e) Die der abstrakten Festsetzung der Beiträge in Abschnitt II WirtS 2011 zugrundeliegende Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer gemäß dem Wirtschaftsplan in Abschnitt I WirtS 2011 ist zulasten der Beitragspflichtigen fehlerhaft. Dies folgt zunächst daraus, dass im Wirtschaftsplan der Höhe nach sachlich nicht gerechtfertigte Rücklagen aufrechterhalten und die entsprechenden Mittel nicht zugunsten der Beitragspflichtigen zur Begleichung der Kosten der Kammertätigkeit im Geschäftsjahr 2011 freigegeben worden sind. Im Einzelnen betroffen sind die Ausgleichsrücklage (hierzu unter aa)), die Umbau-/Instandhaltungsrücklage (hierzu unter bb)), die Rücklage für Sonderprojekte (hierzu unter cc)) und etwaig auch – was jedoch letztlich dahinstehen kann – die Rücklage BID N. (hierzu unter dd)). Die Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer für das Geschäftsjahr 2011 ist unabhängig davon deshalb fehlerhaft, weil der vorhandene positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nach der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 keiner sachlichen Verwendung zugeführt werden sollte (hierzu unter ee)).

62

aa) Die Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro ist dem Grunde nach gerechtfertigt, aber der Höhe nach nicht angemessen.

63

Die Ausgleichsrücklage ist im Geschäftsjahr 2011 in Höhe von 20.500.000,-- Euro aufrechterhalten worden. Zuvor war diese Rücklage im Zuge der Ergebnisverwendung des Jahres 2009 um 1.000.000,-- Euro von 19.000.000,-- Euro auf 20.000.000,-- Euro erhöht worden (Plenarsitzung v. 1.7.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 7). Sodann hatte die Beklagte die Erlöse aus der Auflösung von Jubiläumsrückstellungen in Höhe von 186.418,-- Euro in die Ausgleichsrücklage eingestellt, die somit in der am 25. März 2011 von Präses und Hauptgeschäftsführer vorgelegten Bilanz 2010 eine Höhe von 20.186.418,-- Euro aufwies (Jahresabschluss 2010, S. 19). Eine weitere Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 313.582,-- Euro auf 20.500.000,-- Euro hatte das Plenum am 7. Juli 2011 zur teilweisen Verwendung des Ergebnisses aus 2010 vorgenommen (Plenarsitzung v. 7.7.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 7 f.). Im Zuge der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 sind alle Rücklagen in der Höhe aufrechterhalten worden, die sie in dem vom Plenum am 7. Juli 2011 beschlossenen Jahresabschluss 2010 erreicht hatten. Der Wirtschaftsplan ist in Abschnitt I WirtS 2011 im Erfolgsplan mit dem Saldo der Rücklagenveränderung in Höhe von 0,-- Euro festgestellt worden. Der zugrundeliegende Erfolgsplan weist unter Nr. 22 Buchst. a und b Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage und anderen Rücklagen von je 0,-- Euro sowie unter Nr. 23 Buchst. a und b Einstellungen in die Ausgleichsrücklage und andere Rücklagen von ebenfalls je 0,-- Euro aus. Die nachträgliche Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 500.000,-- Euro gemäß dem am 5. Juli 2012 erstellten Jahresabschluss 2011 bleibt hinsichtlich der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 unberücksichtigt, da sie erst nach dessen Ende vorgenommen worden ist.

64

Dem Grunde nach ist die Ausgleichsrücklage für das Geschäftsjahr 2011 allerdings rechtmäßig. Eine Ausgleichsrücklage dient der Vorsorge, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch bei Schwankungen im Beitragsaufkommen aufrecht zu erhalten, und damit einem dem Grunde nach hinreichenden sachlichen Zweck. Das im Geschäftsjahr 2011 aufrechterhaltene Maß der Ausgleichsrücklage ist jedoch, entgegen den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 18, s. o. c)), nicht mehr vom sachlichen Zweck gedeckt. Die überhöhte Rücklage hätte im Zuge der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 auf ein zulässiges Maß zurückgeführt werden müssen.

65

Zwar überschreitet die Höhe der Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro (gerade noch) nicht den durch das – ältere und auf das Geschäftsjahr 2011 anwendbare – Finanzstatut (v. 2.6.2005, Amtl. Anz. 2006, S. 329 – FSt 2005) gezogenen Rahmen. Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 ist, um Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen, eine Ausgleichsrücklage anzusammeln, die zwischen 30 und 50 v. H. der Betriebsaufwendungen beträgt. Die Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro erreicht 49,6 v. H. des in Abschnitt I WirtS 2011 veranschlagten Betriebsaufwands von 41.337.000,-- Euro. Besteht nach dem Finanzstatut der Industrie- und Handelskammer bei der Bildung des Haushaltsansatzes für eine Rücklage ein Beurteilungsspielraum, darf das Gericht nicht seine Beurteilung an die Stelle der behördlichen Einschätzung setzen, es hat jedoch zu prüfen, ob allgemeingültige Wertungsmaßstäbe beachtet sind (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., 2. Ls., Rn. 20). Hält sich die Rücklage in dem vom Finanzstatut gezogenen Rahmen ist damit aber im Allgemeinen keine Vermutung der Angemessenheit verbunden (a. A. noch VGH München, Beschl. v. 30.7.2012, 22 ZB 11.1509, juris Rn. 34; VG Braunschweig, Urt. v. 20.4.2017, 1 A 40/16, UA S. 12 f.; VG München, Urt. v. 20.1.2015, M 16 K 13.2277, juris Rn. 18), sondern bleibt insbesondere das haushaltsrechtliche Gebot der Schätzgenauigkeit zu prüfen (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20; VGH Mannheim, Urt. v. 2.11.2016, 6 S 1261/14, juris Rn. 36; VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 345). Ob davon eine Ausnahme dann zu machen ist, wenn sich die Ausgleichsrücklage an der Untergrenze des durch das Finanzstatut gezogenen Rahmens bewegt und lediglich 26, 30 oder 36,82 v. H. des Betriebsaufwands erreicht (so VG Köln, Urt. v. 15.2.2017, 1 K 1473/16, GewArch 2017, 194, juris Rn. 82, zustimmend VG Schleswig, Urt. v. 15.2.2018, 12 A 173/16, juris Rn. 33; VG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2017, 20 K 5579/17, juris Rn. 35; VG Mainz, Urt. v. 10.11.2017, 4 K 1310/16.MZ, juris Rn. 28), kann dahinstehen, da die Ausgleichsrücklage der Beklagten im Geschäftsjahr 2011 nahezu die Höchstgrenze von 50 v. H. des geplanten Betriebsaufwands ausmacht.

66

Das Gebot der Schätzgenauigkeit erfordert eine Prognose, die aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfällt. Die Prognose muss sich im Fall der Ausgleichsrücklage darauf beziehen, in welcher Höhe Schwankungen im Beitragsaufkommen zu besorgen sind. Einerseits müssen die in Ansatz gebrachten Schwankungen im Beitragsaufkommen weder sicher noch auch nur überwiegend wahrscheinlich sein. Vielmehr sind aller Voraussicht nach im Geschäftsjahr eintretende Einbußen bereits im Haushaltsansatz des Beitragsaufkommens zu berücksichtigen, da dieser Haushaltsansatz ebenfalls dem haushaltsrechtlichen Gebot der Schätzgenauigkeit unterliegt. Die Ausgleichsrücklage sichert das ungewisse Risiko zu befürchtender Beitragsausfälle ab. Andererseits dürfen die angenommenen Schwankungen im Beitragsaufkommen auch nicht so unwahrscheinlich sein, dass ihre Annahme rein spekulativ erscheint oder das abgesicherte Risiko nur in einem fernliegenden „worst case“ eintreten kann. Eine nachvollziehbare Prognose bedarf einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Die vorliegend in Ansatz gebrachte Ausgleichsrücklage könnte daher nur mit einer auf hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten gründenden Prognose gerechtfertigt werden, dass die mit ihr auszugleichenden Schwankungen im Beitragsaufkommen möglicherweise bis fast zur Hälfte des Betriebsaufwands reichen könnten. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20), die für eine Liquiditätsrücklage von annähernd 50 v. H. der laufenden Ausgaben gefordert hat, dass das Risiko eines kurzfristigen Liquiditätsausfalls in dieser Höhe sich aus Erfahrungen der Beitragsveranlagungen belegen läßt.

67

Ausgehend von diesem Maßstab findet die fast vollständige Ausschöpfung des vom Finanzstatut gezogenen Rahmens bis nahe an die Höchstgrenze von 50 v. H. des Betriebsaufwands keine Rechtfertigung. Im Einzelnen:

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Tatsächliche Anhaltspunkte, aufgrund derer das Risiko von Beitragsschwankungen mit fast der Hälfte des Betriebsaufwands hätte abgeschätzt werden können, ergeben sich weder aus den Beschlüssen des Plenums, die bis zum Ende des Geschäftsjahres 2011 die Ausgleichsrücklage auf 20.500.000,-- Euro haben anwachsen lassen, noch aus den Protokollen vorbereitender Gremiensitzungen. Bei Einführung der Ausgleichsrücklage mit einer Bandbreite zwischen 30 bis 50 v. H. des Betriebsaufwands durch § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 heißt es zur Erläuterung lediglich, „die zwingend vorgeschriebene Ausgleichsrücklage solle 30-50 Prozent des Jahresbudgets betragen“ (Plenarsitzung v. 2.6.2005, TOP 6, S. 9 f.). Hinsichtlich der letzten Erhöhungen der Ausgleichsrücklage bis zu dem Stand im Geschäftsjahr 2011 ist in den Protokollen der Gremiensitzungen allenfalls dokumentiert, dass ohne die Erhöhung der durch § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 gezogene Rahmen noch nicht ausgeschöpft sei, aber kein sachlicher Grund dafür dargelegt, weshalb eine solche Ausschöpfung angezeigt sein könnte. Eine Erhöhung einer Rücklage, nur weil die Erhöhung nicht bereits vom Finanzstatut verboten ist, bliebe ohne einen auf den sachlichen Zweck der Rücklage bezogene Rechtfertigung und wäre damit sachfremd. Eine Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 1.000.000,-- Euro auf 20.000.000,-- Euro unter teilweiser Verwendung des Ergebnisses des Jahres 2009 hat das Plenum am 1. Juli 2010 ohne dokumentierte Diskussion beschlossen (Plenarsitzung v. 1.7.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 7). Der entsprechende Vorschlag des Innenausschusses (Sitzung des Innenausschusses v. 10.5.2010, TOP 1 Jahresabschluss 2009, S. 2) lässt keine Begründung erkennen. Innerhalb des Präsidiums (Sitzung des Präsidiums v. 3.6.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 4) ist insoweit lediglich geäußert worden, dass zur Ergebnisverwendung „entsprechend dem gewachsenen Betriebsaufwand 1 Millionen Euro der Ausgleichsrücklage, 1,5 Millionen Euro der Rücklage für Pensionsrisiken und 0,5 Millionen Euro der Umbau- und Instandhaltungsrücklage zuzuführen“ seien. Sodann hat die Beklagte die Erlöse aus der Auflösung von Jubiläumsrückstellungen in Höhe von 186.418,-- Euro in die Ausgleichsrücklage eingestellt, die somit in der am 25. März 2011 von Präses und Hauptgeschäftsführer vorgelegten Bilanz 2010 eine Höhe von 20.186.418,-- Euro aufwies (Jahresabschluss 2010, S. 19). Eine weitere Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 313.582,-- Euro hat das Plenum am 7. Juli 2011 zur teilweisen Verwendung des Ergebnisses aus 2010 vorgenommen (Plenarsitzung v. 7.7.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 7 f.). Nähere Begründungen finden sich in den Sitzungsniederschriften des Innenausschusses (v. 11.5.2011), des Präsidiums (v. 9.6.2011) und des Plenums (v. 7.7.2011) nicht. In der Beschlussvorlage an das Präsidium (v. 31.5.2011) ist nur ausgeführt, zunächst solle „die Ausgleichsrücklage wieder dicht an den möglichen Wert (50 % des Betriebsaufwands) ‚aufgerundet‘ werden“.

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Auch im Übrigen finden sich keine tatsächlichen Anhaltspunkte, die ex ante eine Prognose von Beitragsschwankungen bis zu 50 v. H. des Betriebsaufwands zugelassen hätten. Die Beklagte bringt schriftsätzlich vor, zu Schwankungen im Beitragsaufkommen könnten konjunkturbedingte Schwankungen, der Ausfall einzelner großer Beitragszahler und die Orientierung des Kammerbeitrags an dem erst nach mehreren Jahren endgültig feststehenden Gewerbeertrag führen. Soweit die Beklagte zum Zweck der Quantifizierung Zahlen vorlegt, sind diese nur rechnerisch nachvollziehbar. Die Beklagte veranschlagt für konjunkturelle Schwankungen 15 v. H. der geplanten Beiträge, ausgehend davon, dass das Gewerbesteueraufkommen in den Jahren 1999 bis 2001 um 17 v. H. und in den Jahren 2008 bis 2009 um 19 v. H. rückläufig gewesen sei. Der Anteil von 15 v. H. müsse multipliziert werden mit zwei bis vier, um zwei bis vier Jahre andauernde Schwankungen abzubilden. Für das Risiko des Ausfalls großer Beitragszahler werde ein weiterer Betrag von 1.000.000,-- Euro angesetzt, dies entspreche dem Beitrag der beiden größten einzelnen Beitragszahler. Für das Schwankungsrisiko endgültiger Beitragsabrechnungen werde der Zehnjahresdurchschnitt der Umlagen aus dem Vorjahr angenommen und dieser Wert um 1.000.000,-- Euro verringert. Dieses von der Beklagten vorgetragene Rechenmodell entbehrt einer nachvollziehbaren tatsächlichen Grundlage. Zum einen ist bereits die gedankliche unmittelbare Anknüpfung der Höhe der Ausgleichsrücklage an das erwartete Beitragsaufkommen unplausibel. Da ein Anteil von zweimal bis viermal 15 v. H., also 30 bis 60 v. H., des Beitragsaufkommens veranschlagt wird, wäre nach der Berechnung der Beklagten die Ausgleichsrücklage umso höher anzusetzen, je höher das zu erwartende Beitragsaufkommen ist. Dies ist nicht nachvollziehbar. Zum anderen lässt sich die Höhe der Ausgleichsrücklage entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht auf die Erfahrungen der Beitragsveranlagungen der vergangenen Jahre stützen. Dazu im Folgenden:

70

Wie hoch die einzelnen Rücklagen sein dürfen, hängt hinsichtlich der eingehenden Mitgliedsbeiträge von bestehenden Erfahrungen der Kammer selbst und sonst von den anstehenden Finanzierungsvorhaben ab (Wiemers, NVwZ 2016, 615, 616). Zwar wäre der Umkehrschluss nicht richtig, dass die Bildung oder Beibehaltung von Rücklagen allein deswegen ausgeschlossen wäre, weil in der Vergangenheit befürchtete Risiken tatsächlich nicht eingetreten sind (VG Mainz, Urt. v. 10.11.2017, 4 K 1310/16.MZ, juris Rn. 28 a. E.). Doch bedarf es stets positiv tragfähiger Anhaltspunkte, die im jeweiligen Geschäftsjahr ex ante die Bildung oder Beibehaltung einer Rücklage in bestimmter Höhe vertretbar erscheinen lassen. Dabei sind insbesondere die Erfahrungen in den letzten Jahren zu berücksichtigen (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 372). Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20) hat gefordert, dass ein der Rücklage entsprechendes Risiko sich aus den Erfahrungen der Beitragsveranlagungen belegen lassen muss.

71

In die für das Geschäftsjahr 2011 anzustellende Risikoprognose hätte die Beklagte ihre Erfahrung einstellen müssen, dass sie die Ausgleichsrücklage in der Vergangenheit zu keiner Zeit – selbst nicht in den Zeiten der Finanzkrise – hatte in Anspruch nehmen müssen. Die Ausgleichsrücklage dient der Vorsorge, um bei einem verringerten Beitragsaufkommen die Kammertätigkeit fortzuführen. Sie ist über Jahre hinweg ungeachtet konjunktureller Schwankungen nicht verringert, sondern noch erhöht worden. Musste die Ausgleichsrücklage in der Vergangenheit bei konjunkturellen Krisen nicht in Anspruch genommen werden, so bedarf es besonderer Umstände, aus denen sich das durch die Rücklage abzusichernde Risiko schwankender Beitragsaufkommen erhöht, um zu rechtfertigen, dass sie bis zur Höchstgrenze aufrechterhalten wird. An solchen besonderen Umständen fehlt es jedoch.

72

Aus der Wirtschaftskrise 2008/2009 ergibt sich kein risikoerhöhender Umstand für das Beitragsaufkommen 2011. Vielmehr hat die Beklagte bereits in der Beschlussvorlage zur ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans 2011 (Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, S. 2) die Einschätzung mitgeteilt:

73

„Offensichtlich hat die Unternehmenssteuer-Reform des Jahres 2007 mit der veränderten Ermittlung des steuerlichen Gewerbeertrags ab 2008 zu einer Ausweitung der Gewerbeerträge geführt und somit die aus der Wirtschaftskrise resultierenden Einbußen ausgeglichen.“

74

Überdies hat die Beklagte – im Spannungsverhältnis zu ihrer soeben wiedergegebenen Einschätzung – die Auswirkungen der Wirtschaftskrise 2008/2009 bei dem für das Geschäftsjahr 2011 erwarteten Beitragsaufkommen mindernd in Ansatz gebracht und ausgeführt (Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, S. 3):

75

„Für die Erträge aus Handelskammerbeiträgen erwarten wir 35.325 TEUR (Plan 2010 mit Nachtrag 44.120 TEUR). Für die Veranlagung 2011 haben wir dabei konstante Bemessungsgrundlagen unterstellt; bei Reduzierung des Umlagesatzes von 0,31 auf 0,28 % des Gewerbeertrages ergäbe sich somit für die Position Umlagen lfd. Jahr im Vergleich zu 2010 ein Minus von knapp 2,9 Mio. EUR; wegen der insbesondere bei den Abrechnungen 2009 wirksam werdenden Auswirkungen der Finanzmarktkrise haben wir bei den Veranlagungen für alte Jahre sehr vorsichtig kalkuliert und gehen von einem Minus von 6 Mio. EUR gegenüber dem aktualisierten Plan 2010 aus. Bei voraussichtlich gleich bleibenden Mitgliederzahlen werden sich die Grundbeiträge etwa auf dem Niveau des Jahres 2010 bewegen.“

76

Eine zusätzliche Berücksichtigung von – zumal durch die Beklagten selbst in Abrede gestellten – negativen Auswirkungen der Wirtschaftskrise 2008/2009 bei der Ausgleichsrücklage erscheint daher ausgeschlossen.

77

Besondere neue Gesichtspunkte, die geeignet gewesen wären, die hohe Ausgleichsrücklage zu rechtfertigen, sind auch nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres 2011 aufgetreten. In dem am 25. März 2011 erstatteten Lagebericht zur Bilanz 2010 haben Präses und Hauptgeschäftsführer ausgeführt: Die Hamburger Wirtschaft habe sich nach dem krisenbedingten Tief im ersten Quartal 2009 schnell erholt und es zeige sich nach Wirtschaftszweigen ein durchgehend positives Bild (S. 5). Die Arbeit der Beklagten habe 2010 überwiegend im Zeichen der wirtschaftlichen Erholung gestanden (S. 6). Besondere Risiken, die für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Beklagten von Bedeutung sein könnten, bestünden nicht (S. 11). Die Geschäftsführung hat in Vorbereitung des Jahresabschlusses 2010 erläutert (Sitzung des Innenausschusses v. 11.5.2011, TOP 1 Jahresabschluss 2010, S. 2), dass die allgemeine Beitragsentwicklung ausgesprochen positiv zu bewerten sei, es „zeige der Beitragsverlauf des aktuellen Jahres, dass mit Einbrüchen nicht zu rechnen sei“. In Vorbereitung des Zweiten Nachtrags zum Wirtschaftsplan 2011 hat die Geschäftsführung (Sitzung des Innenausschusses v. 19.9.2011, TOP 1 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2) „von der weiterhin positiven Beitragsentwicklung“ berichtet, „der erwartete Rückgang der Beiträge aufgrund der Senkung des Umlagesatzes und der Auswirkungen der Lehman-Krise 2008/2009 sei ausgeblieben“.

78

bb) Die im Geschäftsjahr 2011 aufrechterhaltene Umbau-/Instandhaltungsrücklage ist allenfalls dem Grunde nach rechtmäßig, jedenfalls aber überhöht.

79

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage war im Zuge des Jahresabschlusses 2009 am 1. Juli 2010 von 6.333.439,80 Euro um 500.000,-- Euro auf 6.833.439,80 Euro erhöht worden (vgl. Jahresabschluss 2009, S. 4). Mit dem erst nach dem Jahresabschluss 2009 beschlossenen Ersten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2010 (v. 4.11.2010, Amtl. Anz. S. 2234, vorbereitend Präsidiumssitzung v. 7.10.2010, TOP 3 b Nachtragswirtschaftsplan 2010, S. 5) war ein weiterer Betrag von 4.300.000,-- Euro in die Umbau-/Instandhaltungsrücklage eingestellt worden. Die Rücklage hat damit im Geschäftsjahr 2011 entsprechend dem im Jahresabschluss 2010 am 7. Juli 2011 ausgewiesenen Stand eine Höhe von 11.133.439,80 Euro erreicht. Die nachfolgende Erhöhung der Rücklage für Umbauten um 8.000.000,-- Euro sowie für Instandhaltungen um 2.000.000,-- Euro im Zuge des Jahresabschlusses 2011 am 5. Juli 2012 ist im Geschäftsjahr 2011 nicht mehr wirksam geworden und bleibt deshalb für die Wirtschaftsplanung 2011 außer Betracht.

80

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage könnte dem Grunde nach rechtmäßig sein, was aber letztlich dahinstehen kann. Der Bildung dieser Rücklage steht jedenfalls nicht bereits das Satzungsrecht entgegen. Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 und 4 FSt 2005 dürfen neben der verpflichtend vorgesehenen Ausgleichsrücklage „andere Rücklagen“ gebildet werden. Wie jede Rücklage bedarf die Umbau-/Instandhaltungsrücklage mit Rücksicht auf das eine bloße Vermögensmehrung verbietende Kostendeckungsprinzip der Rechtfertigung durch einen hinreichenden sachlichen Zweck (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20). Dieser sachliche Zweck bedarf aufgrund dessen einer weitergehenden (besonderen) Konkretisierung als dies bei der (allgemeinen) Ausgleichsrücklage zu fordern ist. Dieses gesetzliche Erfordernis kommt nunmehr zum Ausdruck in dem – neueren und für das Geschäftsjahr 2011 allerdings nicht anwendbaren – Finanzstatut der Beklagten (v. 23.5.2013, Amtl. Anz. S. 915 – FSt 2013), wonach die Bildung von „zweckbestimmten Rücklagen“ („anderen Rücklagen“) zulässig ist, jedoch der Verwendungszweck und der Umfang hinreichend zu konkretisieren sind (§ 15a Abs. 2 Satz 3 bis 5 FSt 2013). Teilweise wird bereits aus dem Gesetz gefolgert, dass „andere Rücklagen“ als die Ausgleichsrücklage einer strengen Zweckbindung unterliegen und fest umrissen ein genau definiertes Risiko abdecken, ihre Bildung auch mit einem Zeitplan unterlegt ist, innerhalb dessen die Rücklagen für den vorgesehenen Zweck zu verbrauchen (aufzulösen) sind (Jahn, GewArch 2016, 263, 267). Bei strenger Handhabung dieser Vorgaben wäre die Aufrechterhaltung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage im Geschäftsjahr 2011 bereits dem Grunde nach zumindest zweifelhaft. Eine sachliche Konkretisierung geringen Grades und auch nur hinsichtlich eines Teil des Rücklagenzwecks könnte jedoch daraus hergeleitet werden, dass der Immobilienbestand im Verwaltungsgebrauch der Beklagten in einem funktionsfähigen Zustand gehalten werden muss. Eine zeitliche Konkretisierung könnte hinsichtlich des Teilzwecks „Instandhaltung“ dann für entbehrlich gehalten werden, wenn auf einen sich etwaig unerwartet aktualisierenden Instandhaltungsbedarf abgestellt würde. Hinsichtlich des Teilzwecks „Umbau“ bietet sich allerdings keine entsprechende Möglichkeit einer Rechtfertigung. Wenngleich die von der Beklagten vorgebrachte Überlegung, die für bauliche Maßnahmen oder ähnliche erhebliche Investitionsmaßnahmen voraussichtlich benötigten Mittel vorher sukzessive aufzubauen, nachvollziehbar ist, muss doch zumindest für eine Rücklage für eine über die bloße Instandhaltung hinausgehende Sanierungs- oder Umbaumaßnahme bereits ein gewisser sachlicher und zeitlicher Planungsstand erreicht sein, um mit der Rücklagenbildung nicht eine bloße Vermögensmehrung auf Vorrat zu betreiben.

81

Jedenfalls der Höhe nach ist die Umbau-/Instandhaltungsrücklage im Geschäftsjahr 2011 nicht zu rechtfertigen. Das Maß der Rücklage ist entgegen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigten Anforderungen nicht vom sachlichen Zweck der Rücklage gedeckt.

82

Dabei kann dahinstehen, ob dem Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris Rn. 45) darin zu folgen ist, dass bereits die in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 ausgewiesene Umbau-/Instandsetzungsrücklage von damals 5.333.439,80 Euro – die 10 v. H. des damaligen Versicherungswerts der von der Beklagten genutzten Gebäude A.-Straße x und S.-Straße x entsprach – überhöht war. Auch die Rechtmäßigkeit der weiteren, geringeren Erhöhungen der Rücklage bis zum Stand von 6.833.439,80 Euro im Jahresabschluss 2009 kann dahinstehen. Jedenfalls hätte die am 4. November 2010 vorgenommene erhebliche Aufstockung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage um 4.300.000,-- Euro im Geschäftsjahr 2011 nicht aufrechterhalten bleiben dürfen. Ein noch bei Abschluss der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 am 3. November 2011 tragfähiger Grund für die erhöhte Rücklage ist nicht ersichtlich.

83

Keine Rechtfertigung findet die erhöhte Rücklage darin, dass sich im Jahr 2011 im Handelskammergebäude im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss an der Verbindung zwischen dem Börsensaal und dem Foyer Risse gezeigt hatten (dazu Beschlussvorlage für die Präsidiumssitzung v. 9.6.2011, TOP 3 Jahresrechnung 2010, S. 2). Innerhalb des Präsidiums (Sitzung v. 9.6.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 6) war allerdings zunächst angemerkt worden, dass die „Risse im Eingangsbereich des Handelskammergebäudes, […] erhebliche Renovierungskosten“ nach sich zu ziehen drohten, und insoweit ein Betrag von 4.300.000,-- Euro genannt worden. Doch hat der Hauptgeschäftsführer in einer weiteren Präsidiumssitzung (Sitzung v. 6.10.2011, TOP 3 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2) diesen Befürchtungen die Grundlage entzogen, indem er erläutert hat:

84

„Die ursprünglich geplanten Rücklagen für die Sanierung des Gebäudes unserer Handelskammer aufgrund des Risses in der Fassade würden voraussichtlich nicht in der Höhe benötigt werden. Das vorliegende Gutachten eines renommierten Hamburger Architekten beziffere die notwendigen Ausgaben zur Beseitigung des Risses auf lediglich mehrere 10.000 Euro. Eine größere Instandsetzung sei nach Auffassung dieses Architekten nicht notwendig.“

85

Wenngleich der Präses sich in der Präsidiumssitzung „aufgrund der potentiell drohenden Schäden für das Gebäude“ für ein „zweites Gutachten in Bezug auf die Sanierung des Gebäudes“ ausgesprochen hat, ist kein belastbarer Anhaltspunkt dafür ersichtlich, die vorherige Erhöhung der Rücklage um 4.300.000,-- Euro aus einem lediglich „potentiellen“ Grund aufrechtzuerhalten.

86

Die 2010 vorgenommene Erhöhung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage um 4.300.000,-- Euro lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass das Plenum 2011 die Entscheidung zugunsten eines Erweiterungsbaus getroffen hat (Plenarsitzung v. 3.3.2011, TOP 3 Beschlussfassung über einen Erweiterungsbau der Handelskammer „Handelskammer Innovations-Campus, HKIC“, S. 7 f.). Für das Gesamtprojekt wurde dabei ein Bedarf von 13.592.000,-- Euro in Ansatz gebracht. In der Finanzplanung für das Geschäftsjahr 2011 wurden gemäß dem Ersten Nachtrag zum Wirtschaftsplan zunächst Investitionskosten von 6.997.000,-- Euro veranschlagt (Beschlussvorschlag in Anlage 2 b zu TOP 5 zu der auf den 3.3.2011 vertagten Plenarsitzung v. 3.2.2011, S. 1, S. 3, Nr. 11 im Finanzplan) und dieser Ansatz sodann im Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan (Beschlussvorschlag in Anlage TOP 4 b zur Plenarsitzung v. 3.11.2011, S. 2, S. 6, Nr. 11 im Finanzplan) wegen aufgetretener Verzögerungen verringert. Keinen Raum ließ die Investitionsentscheidung für eine – nochmalige – Berücksichtigung bei der Umbau-/Instandhaltungsrücklage. Die Aktualisierung von Umbauplänen unter Ansatz entsprechender Aufwendungen im Wirtschaftsplan deutet eher darauf hin, die Berechtigung einer bisherigen Rücklage für noch nicht aktuelle Baumaßnahmen zu überdenken. Eine Sicherheitsreserve für Unvorhergesehenes war bereits innerhalb der in Ansatz gebrachten Investitionskosten des Gesamtprojekts Erweiterungsbau i. H. v. 1.500.000,-- Euro veranschlagt worden.

87

Ferner durfte die Beklagte im Geschäftsjahr 2011 die um 4.300.000,-- Euro erhöhte Umbau-/Instandhaltungsrücklage nicht deshalb aufrechterhalten, weil das am 5. April 2012 und damit nach Abschluss des Geschäftsjahres 2011 vorgelegte Architektengutachten einen Mittelbedarf für beabsichtigte Sanierungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Erhaltung der Bausubstanz von 14.747.235,65 Euro ausweist. Aus der späteren Vorlage des Architektengutachtens kann nicht darauf geschlossen werden, dass bereits im Geschäftsjahr 2011 eine Rücklage in dieser Größenordnung für damals anstehende Umbau- oder Instandhaltungsmaßnahmen berechtigt gewesen wäre. Die Beklagte selbst hat das Architektengutachten nicht als nachträgliche Rechtfertigung der übernommenen Rücklagenhöhe gebraucht, sondern im Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2011 am 5. Juli 2012 und damit im zeitlichen Zusammenhang mit der Vorlage des Architektengutachtens die Rücklage für Umbauten um weitere 8.000.000,-- Euro sowie für Instandhaltungen um weitere 2.000.000,-- Euro auf insgesamt 21.133.439,80 Euro erhöht.

88

Schließlich rechtfertigt sich die Höhe der Umbau-/Instandhaltungsrücklage nicht aus den kleineren und größeren laufenden Arbeiten und Instandhaltungen an den Kammergebäuden. So waren bereits nach der ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans für das Geschäftsjahr 2011 für laufende Instandhaltung und größere Umbaumaßnahmen insgesamt 1.560.000,-- Euro vorgesehen, darunter für die Dachsanierung über dem Börsensaal 300.000,-- Euro, für den Austausch von Fenstern im Obergeschoss an der Johannisstraße 100.000,-- Euro, für die Modernisierung der Klimatechnik in den Sitzungssälen 150.000,-- Euro sowie den Abschluss der Modernisierung der Commerzbibliothek 300.000,-- Euro (Beschlussvorschlag, Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, Wirtschaftsplan 2011, S. 5). Für zunächst bereits im Vorjahr 2010 beabsichtigt gewesene und erst im Geschäftsjahr 2011 durchgeführte Instandhaltungsmaßnahmen wurde der geplante Aufwand um etwa 300.000,-- Euro erhöht (Beschlussvorschlag, Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, Zweiter Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2).

89

cc) Die Rücklage für Sonderprojekte, in die im Geschäftsjahr 2011 ebenso wie in den Vorjahren durchgängig ein Betrag von 3.900.000,-- Euro eingestellt war, ist überhöht.

90

Eine Rechtmäßigkeit dieser Rücklage dem Grunde nach kann dahinstehen. Es könnte an jeglicher sachlicher und zeitlicher Konkretisierung fehlen, so dass die vom Bundesverwaltungsgericht als zwingende Voraussetzung geforderte Einhaltung des Gebots der Schätzgenauigkeit unmöglich sein könnte. Für eine Rechtmäßigkeit könnte allenfalls ins Feld geführt werden, dass auf Ausgabenseite unvorhergesehene und unvorhersehbare Umstände während des laufenden Geschäftsjahres zu entsprechenden Aufwendungen für unvorhergesehene Vorhaben („Sonderprojekte“) führen können, so dass für das Unvorhergesehene vorab Mittel reserviert werden könnten. Die Beklagte bringt hierzu vor, die Rücklage solle kurzfristige Handlungsspielräume für notwendige ad-hoc-Aktivitäten schaffen.

91

Zumindest ist die Rücklage der Höhe nach rechtswidrig. Da im Geschäftsjahr geplante Aufwendungen wegen des Gebots der Schätzgenauigkeit bereits im Betriebsaufwand zu berücksichtigen sind, können Rücklagen neben dem Risiko zukünftiger Ertragsausfälle (dazu s. o. aa)) nur das Risiko bestimmter zukünftiger, noch nicht aktueller Aufwendungen abdecken. Es ist nicht nachvollziehbar, dass noch nicht im Betriebsaufwand berücksichtigte „Sonderprojekte“ in Höhe von immerhin 9,6 v. H. des Betriebsaufwands von 41.337.000,-- Euro zu erwarten gewesen wären. Falls die Rücklage für Sonderprojekte dem Grunde nach gerechtfertigt wäre, so trüge diese Rechtfertigung allein die Vorsorge für unvorhersehbare Projekte mit einem Aufwand in einer gegenüber dem Gesamthaushalt untergeordneten, eine gesonderte Nachtragswirtschaftsplanung nicht rechtfertigenden Höhe. Das Plenum muss die Entscheidungen über die wesentlichen Haushaltsansätze selbst konkret treffen und darf sie nicht dem Präsidium oder der Geschäftsführung der Kammer überlassen. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, das Plenum habe in Ausübung seines Beurteilungsspielraums über die Rücklagenhöhe entschieden und andere Organe könnten im Rahmen der getroffenen grundlegenden Weichenstellungen agieren, dürfte dies in dieser Allgemeinheit hier nicht zutreffend sein. Denn in der erheblichen Größenordnung von einem Zehntel des Betriebsaufwands fehlt es an grundlegenden Weichenstellungen durch das Plenum als Haushaltsgeber.

92

Auch der Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, bei jedem Bauprojekt bringe der Architekt einen Anteil von 10 v. H. für Unvorhergesehenes in Ansatz, lässt keine Rechtfertigung der Höhe des Rücklage für Sonderprojekte erkennen. Es steht nicht die Abschätzung des sich in der Zukunft entwickelnden Aufwands für ein sachlich und zeitlich bestimmt bezeichnetes Vorhaben in Rede. Vielmehr dient die Rücklage für Sonderprojekte der Vorsorge dazu, die Kosten für in der Zukunft erst noch ad hoc aufzugreifende Vorhaben zu decken.

93

Der von der Beklagten vorgetragene Strauß an möglichen Sonderprojekten ist nicht geeignet, die Rücklagenhöhe zu rechtfertigen. Die Beklagte trägt vor, dass 1.000.000,-- Euro für „standortpolitisch bedeutsame Projekte“, 2.000.000,-- Euro für die Unterstützung einer neuen Olympia-Bewerbung, eventuelle Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 sowie die „aktuelle Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten“ und weitere 900.000,-- Euro ohne besondere Zuordnung in Ansatz gebracht worden seien. Die Vielfalt denkbarer Zwecke verdeutlicht, dass es zumindest bei einer Rücklage in der in Rede stehenden Größenordnung an einer Konkretisierung des Rücklagenzwecks gemangelt hat. Ein Teilbetrag der Rücklage von 900.000,-- Euro wird überdies auch von der Beklagten keinem genaueren Zweck als dem der „Sonderprojekte“ zugeordnet.

94

dd) Die Rechtmäßigkeit der durch den Wirtschaftsplan nach Abschnitt I WirtS 2011 aufrechterhaltenen Rücklage BID N. in Höhe von 1.000.000,-- Euro kann nach dem Vorstehenden dahinstehen. Der betreffende Business Improvement District (BID) wurde erst im Jahr 2014 durch die Verordnung zur Einrichtung des Innovationsbereichs N. (v. 5.8.2014, HmbGVBl. S. 334) mit einem Gesamtaufwand von 9.320.000,-- Euro (§ 4) einschließlich einer Verwaltungspauschale von 20.000,-- Euro (§ 5) für die Laufzeit von fünf Jahren (§ 6) für einen das von der Beklagten genutzte Hauptgebäude an der A.-Straße einschließenden Innovationsbereich (§ 2) eingerichtet. Offen bleiben kann, ob die Aufrechterhaltung einer Rücklage von 1.000.000,-- Euro in der langjährig vorausgehenden Planungsphase mit dem Kostendeckungsprinzip vereinbar gewesen ist. Überlegenswert erschienen wäre allenfalls, den Betrag zurückzulegen, der im Fall der Einrichtung des Innovationsbereichs einem jährlichen Anliegerbeitrag entsprochen hätte.

95

ee) Die Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer für das Geschäftsjahr 2011 ist darüber hinaus deshalb fehlerhaft, weil der vorhandene positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nach der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 keiner sachlichen Verwendung zugeführt werden sollte.

96

Nach dem am 7. Juli 2011 festgestellten Jahresabschluss 2010 wurde ein positives Ergebnis in Höhe von 5.711.000,-- Euro in das Geschäftsjahr 2011 vorgetragen. Die Wirtschaftsplanung ging dahin, dass dieser Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 in keiner Weise zugunsten der Beitragszahler zur Kostendeckung im Geschäftsjahr 2011 verwendet werden sollte. Vielmehr sollte der Ergebnisvortrag aus 2010 in einem geplanten positiven Ergebnis aus 2011 fortgeschrieben werden. Darin liegt ein Verstoß gegen das Verbot der Gewinnorientierung, das der Kammer untersagt, ihre Tätigkeit auf eine bloße Vermögensmehrung anzulegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17). Im Einzelnen:

97

In der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 hat die Beklagte den Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nicht dazu genutzt, im Rahmen zulässiger Vorsorge eine neue angemessene Rücklage zu bilden. Auch hat sie den positiven Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 in der Wirtschaftsplanung 2011 nicht dazu verwendet, ein zu erwartendes negatives Jahresergebnis aus dem Geschäftsjahr 2011 auszugleichen und auf diese Weise die anfallenden Betriebsaufwendungen mitzutragen. Vielmehr hatte die Beklagte im Erfolgsplan nach der ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans für das Geschäftsjahr 2011 vom 4. November 2010 zunächst ein neutrales Jahresergebnis von 0,-- Euro erwartet. Im Erfolgsplan, wie er dem Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan vom 3. November 2011 zugrunde lag, hat die Beklagte aus dem Geschäftsjahr 2011 ein hohes positives Jahresergebnis von 6.655.000,-- Euro (Nr. 20) erwartet, das sich angesichts fehlender Entnahmen aus Rücklagen (Nr. 22) und Einstellungen in Rücklagen (Nr. 23) nach Addition mit dem hohen positiven Ergebnisvortrag aus 2010 von 5.711.000,-- Euro (Nr. 21) zu einem noch höheren positiven Ergebnis des Jahres 2011 von 12.366.000,-- Euro (Nr. 24) aufsummieren sollte.

98

Der bereits feststehende positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010, der im Geschäftsjahr 2011 nicht zur Kostendeckung verwendet werden, sondern ins Folgejahr 2012 fortgeschrieben werden sollte, kommt der Bildung einer nicht einem sachlichen Zweck dienenden Rücklage gleich. Eine solche Rücklage ist nach dem Maßstab der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17; s. o. c)) als bloße Vermögensmehrung unzulässig. Die Kammer darf im Rahmen ihrer Wirtschaftsplanung nicht von vornherein einen Überschuss ihrer Beitragseinnahmen über die erforderlichen Aufwendungen gezielt zur Vermögensbildung planen (Jahn, GewArch 2016, 263, 265).

99

Die Beklagte hat noch im Geschäftsjahr 2011 eingeräumt, dass dieses „überplanmäßig“ verlaufe (Schriftsatz v. 26.10.2011). Sie hätte spätestens bei Befassung über den Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung am 3. November 2011 dafür Sorge tragen müssen, dass angesichts des seit dem 7. Juli 2011 feststehenden Überschusses aus dem Vorjahr dem Kostendeckungsprinzip noch im Geschäftsjahr 2011 Genüge getan wird. Der Beklagten hätten dafür verschiedene Wege zu Gebote gestanden. Die Beklagte war nicht auf einen bestimmten Weg festgelegt, jedoch darauf, einen das Kostendeckungsprinzip achtenden Weg einzuschlagen. Etwa hätte die Beklagte das Vorjahresergebnis im Rahmen zulässiger Vorsorge einer neuen angemessenen Rücklage zuführen können. Auch hätte die Beklagte das positive Vorjahresergebnis zum Ausgleich eines negativen Jahresergebnisses verwenden können. Dies hätte allerdings vorausgesetzt, dass die Beklagte nach ihrer Wahl die geplanten Aufwendungen erhöht hätte oder die geplanten Erträge gesenkt hätte. Die geplanten Aufwendungen hätte die Beklagte etwa dadurch erhöhen können, dass sie im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenkreises nach § 1 Abs. 1 IHKG sowie im Rahmen der Gebote von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und der pfleglichen Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG ihre Tätigkeiten ausgeweitet hätte. Die geplanten Erträge hätte die Beklagte etwa dadurch verringern können, dass sie hinsichtlich der für das Geschäftsjahr 2011 zu leistenden Kammerbeiträge den Grundbeitrag und/oder die Umlage verringert und/oder die Freigrenzen erhöht hätte.

100

Dahinstehen kann, ob die Beklagte nach Feststellung des Überschusses aus dem Vorjahr am 7. Juli 2011 eine Verringerung der Beitragssätze noch im laufenden Jahr hätte unterlassen dürfen, wenn ihr unüberwindliche praktische Hindernisse entgegengestanden hätten. Letzteres ist nicht erkennbar. Dies folgt aus dem bereits dargestellten (s. o. 1.) System der Beitragserhebung zunächst aufgrund vorläufiger Veranlagung und sodann aufgrund endgültiger Abrechnung. Auch ausgehend von der Unterstellung, dass am 7. Juli 2011 alle Beitragspflichtigen bereits durch einen ersten Beitragsbescheid im Wege der „vorläufigen Veranlagung“ nach § 15 Abs. 3 BO zum Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 herangezogen worden wären, hätte doch gegenüber allen Beitragspflichtigen eine endgültige Abrechnung ausgestanden. Unerheblich ist dabei, dass die endgültige Abrechnung ursprünglich nur der Einstellung der für die Beitragsfestsetzung maßgebenden Parameter dienen sollte. Das vorhandene Instrumentarium hätte ohne Schwierigkeiten dafür genutzt werden können, zugunsten der Beitragspflichtigen des Geschäftsjahres 2011 bei der anstehenden endgültigen Abrechnung einen verringerten Grundbeitrag und/oder einen verringerten Umlagesatz und/oder eine erhöhte Freigrenze zu berücksichtigen. Auf der kalkulatorischen Grundlage der endgültigen Abrechnung wäre in dem Fall, dass sich ein geringerer Gesamtbetrag ergeben hätte, der erste Beitragsbescheid durch einen zweiten Beitragsbescheid teilweise aufzuheben gewesen. In dem Fall, dass sich ein höherer Betrag ergeben hätte, wäre neben dem fortbestehenden ersten Beitragsbescheid eine weitere Festsetzung durch einen zweiten Beitragsbescheid vorzunehmen gewesen.

101

Eine etwaige Verwendung des im Geschäftsjahr 2011 erzielten positiven Ergebnisses in den Folgejahren genügt nicht, um das geschäftsjährlich und ex ante zu beachtende Kostendeckungsprinzip des § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG zu wahren. Vielmehr hätte das mit dem Jahresabschluss 2010 feststehende positive Ergebnis aus dem Vorjahr zugunsten der Beitragszahler des Geschäftsjahres 2011 für eine zulässige Rücklagenbildung, für höhere Aufwendungen oder für niedrigere Beitrage genutzt werden müssen. Die Erhebung von Beiträgen für eine bestimmte Beitragsperiode rechtfertigt sich nur in dem Umfang, wie sie zur Tragung sonst nicht gedeckter Kosten der Tätigkeit der Kammer erforderlich ist. Es verstößt gegen das Verbot der Gewinnorientierung, wenn die Kammer sehenden Auges Überschüsse erzielt und eine Reaktion erst für eine folgende Beitragsperiode in Aussicht gestellt hat. Dieser Fall ist hier gegeben. Das Präsidium hat dem Plenum vor der Beschlussfassung über den Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan 2011 berichtet (Plenarsitzung v. 3.11.2011, TOP 4 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 7),

102

„dass entgegen der Planung und trotz Senkung des Umlagesatzes auch 2011 mit steigenden Erträgen aus Beiträgen und entsprechenden Überschüssen zu rechnen sei. Deshalb wolle die Handelskammer im nächsten Jahr eine spürbare Senkung der Beiträge vorschlagen.“

103

f) Der streitgegenständliche Beitragsbescheid kann auch nicht zum Teil aufrechterhalten bleiben. Die Feststellung des Mittelbedarfs für das Geschäftsjahr 2011 ist insgesamt fehlerhaft, weil in Abschnitt I WirtS 2011 überhöhte Rücklagen aufrechterhalten worden sind und ein positives Vorjahresergebnis keiner sachlichen Verwendung zugeführt worden ist (s. o. e)). Wegen dieser Fehler kann die Feststellung des Mittelbedarfs nicht als Maßgabe für die Beitragserhebung dienen. Die in Abschnitt II WirtS 2011 enthaltene abstrakte Festsetzung der Beiträge ist rechtswidrig und damit rechtsunwirksam, so dass sie keine taugliche Grundlage für eine konkrete Festsetzung der Beiträge bietet. In Übereinstimmung damit hat auch das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 11) angenommen, dass bei einem zur Rechtsunwirksamkeit führenden Fehler der Wirtschaftssatzung die konkrete Beitragserhebung insgesamt rechtswidrig ist.

104

II. Die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten unter Abwendungsbefugnis ist § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO zu entnehmen. Ein Grund, die Revision nach § 132 Abs. 1, Abs. 2 VwGO zuzulassen, ist nicht gegeben.

(1) Alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes sind in den Haushaltsplan einzustellen; bei Bundesbetrieben und bei Sondervermögen brauchen nur die Zuführungen oder die Ablieferungen eingestellt zu werden. Der Haushaltsplan ist in Einnahme und Ausgabe auszugleichen.

(2) Der Haushaltsplan wird für ein oder mehrere Rechnungsjahre, nach Jahren getrennt, vor Beginn des ersten Rechnungsjahres durch das Haushaltsgesetz festgestellt. Für Teile des Haushaltsplanes kann vorgesehen werden, daß sie für unterschiedliche Zeiträume, nach Rechnungsjahren getrennt, gelten.

(3) Die Gesetzesvorlage nach Absatz 2 Satz 1 sowie Vorlagen zur Änderung des Haushaltsgesetzes und des Haushaltsplanes werden gleichzeitig mit der Zuleitung an den Bundesrat beim Bundestage eingebracht; der Bundesrat ist berechtigt, innerhalb von sechs Wochen, bei Änderungsvorlagen innerhalb von drei Wochen, zu den Vorlagen Stellung zu nehmen.

(4) In das Haushaltsgesetz dürfen nur Vorschriften aufgenommen werden, die sich auf die Einnahmen und die Ausgaben des Bundes und auf den Zeitraum beziehen, für den das Haushaltsgesetz beschlossen wird. Das Haushaltsgesetz kann vorschreiben, daß die Vorschriften erst mit der Verkündung des nächsten Haushaltsgesetzes oder bei Ermächtigung nach Artikel 115 zu einem späteren Zeitpunkt außer Kraft treten.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 wird aufgehoben, soweit darin der Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der zu vollstreckenden Kosten leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zum Handelskammerbeitrag 2011.

2

Die Klägerin ist eine im Jahr 2010 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Betriebsstätte in Hamburg. Die Beklagte ist die örtliche Industrie- und Handelskammer (IHK). Für die Geschäftsjahre 2009 bis 2011 weisen die von Präses und Hauptgeschäftsführer der Beklagten jeweils im März des Folgejahres vorgelegten Bilanzen sowie die jeweils im Juli des Folgejahres vom Plenum der Beklagten beschlossenen Jahresabschlüsse folgende Rücklagen und Ergebnisse (gerundet auf 1.000,-- Euro) aus:

3

 Geschäftsjahr

2009   

2010   

2011   

        

Vorlage
15.3.2010

Abschluss
1.7.2010

Vorlage
25.3.2011

Abschluss
7.7.2011

Vorlage
5.3.2012

Abschluss
5.7.2012

Ausgleichsrücklage

19.000

20.000

20.186

20.500

20.500

21.000

Umbau-/
Instandhaltungs-
Rücklage

6.333 

6.833 

11.133

11.133

11.133

21.133

Rücklage für
Sonderprojekte

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

Rücklage zur
Abdeckung von
Risiken der
Neubewertung der
Pensionsrückstellung

15.000

16.500

0       

0       

0       

0       

Rücklage BID N.

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

Rücklage für die
Sicherung
bedeutsamer
Wirtschaftsarchive

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

Rücklage für
ganzjährige Aktivitäten
verschiedener Art
anlässlich des
350jährigen
Kammerjubiläums

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

Rücklage
Azubi-Wohnheim in
Hamburg

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

        

Bilanzergebnis

3.444 

6.025 

16.596

Ergebnisvortrag auf
neue Rechnung

444     

5.711 

3.096 

4

Die Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2011 in ihrer ursprünglichen Fassung wurde vom Plenum am 4. November 2010 beschlossen. In dem zugrundeliegenden Erfolgsplan 2011 finden sich insbesondere folgende Einträge (gerundet auf 1.000,-- Euro):

5
        

Ist 2009

Plan 2010
 inkl.
Nachtrag

Plan 2011

1. Erträge aus Handelskammer-Beiträgen

43.444

44.120

35.325

7.-10. Betriebsaufwand

40.151

41.090

40.337

20. Jahresergebnis

13.552

-8.700

0       

21. Ergebnisvortrag

292     

0       

0       

22. a) Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage

0       

0       

0       

22. b) Entnahmen aus anderen Rücklagen

10.400

16.500

0       

23. a) Einstellung in die Ausgleichsrücklage

1.000 

0       

0       

23. b) Einstellung in andere Rücklagen

9.400 

7.800 

0       

24. Ergebnis

3.444 

0       

0       

6

Der am 3. März 2011 beschlossene Erste Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 lässt den Erfolgsplan unverändert. Dem am 3. November 2011 beschlossenen Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 liegt ein geänderter Erfolgsplan zugrunde, der insbesondere folgende Eintragungen enthält (gerundet auf 1.000,-- Euro):

7
        

Ist 2010

Plan 2011

1. Erträge aus Handelskammer-Beiträgen

46.488

43.500

7.-10. Betriebsaufwand

42.980

41.337

20. Jahresergebnis

-6.619

6.655 

21. Ergebnisvortrag

444     

5.711 

22. a) Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage

0       

0       

22. b) Entnahmen aus anderen Rücklagen

16.500

0       

23. a) Einstellung in die Ausgleichsrücklage

314     

0       

23. b) Einstellung in andere Rücklagen

4.300 

0       

24. Ergebnis

5.711 

12.366

8

Gegenüber der Klägerin nahm die Beklagte mit Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 eine „vorläufige Veranlagung“ zum IHK-Beitrag 2011 in Höhe eines Grundbeitrags von 153,-- Euro vor und teilte nachrichtlich einen offenen Betrag aus anderen Beitragsjahren in Höhe von 153,-- Euro mit. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2011 zurück.

9

Die Klägerin hat am 29. Juli 2011 beim Verwaltungsgericht Hamburg Klage erhoben und zur Begründung vorgebracht: Die Zwangsmitgliedschaft in einer Industrie- und Handelskammer verletze sie in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1, 9 Abs. 1 GG. Hilfsweise sei der geforderte Betrag zu hoch. Art und Umfang der von der Beklagten gebildeten Rücklagen verstoße gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG.

10

Die Klägerin hat beantragt,

11

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2011 aufzuheben,

12

hilfsweise,

13

die Beklagte zu verpflichten, den auf die Klägerin für das Jahr 2011 entfallenden Beitrag angemessen zu reduzieren.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Die Beklagte hat zur Begründung ausgeführt: Die bundesgesetzlich angeordnete Pflichtmitgliedschaft sei mit dem Grundgesetz vereinbar und verstoße nicht gegen Europarecht. Ein Beitragsverweigerungsrecht zur Beanstandung der Kammertätigkeiten sei nicht gerechtfertigt. Die gebildeten Rücklagen dienten mittelbar dem Ziel einer pfleglichen Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Mit der Ausgleichsrücklage solle Vorsorge getroffen werden, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch dann aufrecht zu erhalten, wenn es aus konjunkturellen Gründen zu einem spürbaren Rückgang der Gewerbeerträge und der entsprechenden Erträge der Kammer aus Beiträgen komme. Mit den anderen Rücklagen solle Vorsorge getroffen werden, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch dann aufrecht zu erhalten, wenn besondere Kosten und Aufwendungen anfielen wie etwa größere Instandhaltungsmaßnahmen am denkmalgeschützten Kammergebäude oder besondere Projekte, die das Plenum zur Förderung des Wirtschaftsstandorts unterstützen oder selbst initiieren wolle. Im Übrigen sei 2010 ein erheblicher Teil der in den letzten Jahren gebildeten Rücklagen dazu verwendet worden, den mit dem neuen Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vorgegebenen Bewertungsregeln für die Pensionsrückstellungen Rechnung zu tragen. So habe sich für 2010 eine Reduzierung der gesamten Rücklagen um 11,7 Mio. Euro ergeben. Die Beitragsveranlagung laufe nicht unmittelbar parallel zur Gewerbesteuerentwicklung. Vielmehr richteten sich die Erträge aus Umlagen für das aktuelle Jahr zunächst nach den letzten der Beklagten bekannten Gewerbeerträgen. Die Bemessungsgrundlagen seien in aller Regel zwei bis drei Jahre alt. Die endgültigen Daten würden von der Finanzverwaltung üblicherweise erst nach Abschluss des Geschäftsjahres festgestellt. Für das Jahr 2011 sei bei der Beitragskalkulation in Rechnung gestellt, dass die Umlage gegenüber dem Vorjahr von 0,31 auf 0,28 v. H. des Gewerbeertrags gesenkt worden sei und die „Krisenjahre“ 2008 und 2009 zur endgültigen Abrechnung angestanden hätten. Vor diesem Hintergrund seien in der Wirtschaftssatzung 2011 die Erträge aus Beiträgen in Höhe von 35,325 Mio. Euro zu Recht vorsichtig angesetzt. Der Beitragsanspruch selbst bleibe von behaupteten oder tatsächlichen Aufgabenüberschreitungen unberührt.

17

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26. September 2012 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für die Beitragspflicht. Das Verfahren der Beitragsfestsetzung sei nicht zu beanstanden. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle habe der weitgesteckten Gestaltungsfreiheit der Beklagten hinsichtlich der Beitragsregelung Rechnung zu tragen und greife erst dann ein, wenn gegen allgemeine Grundsätze, insbesondere das Äquivalenzprinzip oder den Gleichheitsgrundsatz in flagranter Weise verstoßen werde. Für einen derartigen qualifizierten Verstoß sei nichts ersichtlich, insbesondere weil die Klägerin nur zum Mindestbeitrag herangezogen worden sei. Die Auffassung der Klägerin, die Beklagte entfalte Aktivitäten, welche den ihr durch § 1 Abs. 2 IHKG gesteckten Rahmen überschritten, sei ohne beitragsrechtliche Relevanz. Die Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung folge ferner nicht aus einer von der Klägerin geltend gemachten unzulässigen Rücklagenbildung durch die Beklagte. Für einen Verstoß gegen das in § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG angesiedelte Kostendeckungsprinzip sei nichts ersichtlich. Dabei müsse nicht näher darauf eingegangen werden, ob die Beklagte angesichts der bestehenden Rücklagen in unzulässiger Weise Vermögen bilde. Die Klägerin habe nicht im Ansatz dargetan, dass die Beklagte in einem solchen Umfang Rücklagen gebildet habe, dass ihre Tätigkeit i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG „anderweitig gedeckt“ und sie von Rechts wegen gehalten wäre, den allein streitigen Mindestbeitrag auf „Null“ zu setzen. Der von der Klägerin hilfsweise gestellte Antrag sei mangels Durchführung des Vorverfahrens unzulässig.

18

Die Beklagte erließ gegenüber der Klägerin unter dem 3. Dezember 2015 einen zusätzlichen Beitragsbescheid, in dem für das Beitragsjahr 2011 der Betrag von 153,-- Euro als „mit früheren Bescheiden festgesetzt“ und der Betrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ angegeben ist. Dieser zweite Bescheid schließt den Hinweis ein, dass „[w]enn zu den oben aufgeführten Beitragsjahren bereits Beitragsbescheide ergangen“ seien, „diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben“ würden.

19

Der Senat hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts auf Antrag der Klägerin die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung, mit der die Klägerin allein den erstinstanzlichen Hauptantrag weiterverfolgt, bringt sie vor, die Voraussetzungen für eine öffentlich-rechtliche „Zwangskorporation“ bestünden nicht mehr. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid sei rechtswidrig, da die Beklagte das Kostendeckungsprinzip i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG nicht gewahrt habe. Die Erhebung von Beiträgen zur Erfüllung von Kammeraufgaben, für die anderweitige Deckungsmittel im Kammerhaushalt bereitstünden, sei rechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315) komme zwischenzeitlich zu dem Schluss, dass eine pauschale Festlegung von Rücklagen ohne konkrete jährliche Risikoabschätzung unzulässig sei. In dieser Form gebildete Rücklagen seien als anderweitige Mittel vor einer Beitragsveranlagung dem Haushalt zuzuführen. Das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris) habe mittlerweile eine rechtswidrige Beitragsveranlagung durch die Beklagte für die Jahre 2010 und 2013 angenommen und somit nach Erlass des angefochtenen Urteils richtigerweise eine Kehrtwende in seiner Rechtsprechung vorgenommen. Im Einzelnen trägt die Klägerin Beanstandungen zu folgenden Positionen vor:

20

Die Ausgleichsrücklage in einem vom Finanzstatut bestimmten Rahmen sei unzulässig. Jährlich sei eine Risikokalkulation zur exakten Bestimmung der im jeweiligen Geschäftsjahr erforderlichen (Mindest-)Rücklagenhöhe erforderlich, die der (zusätzlichen) Bildung eines darüber hinausgehenden (Höchst-)Betrages entgegenstehe. Es müssten die drei Fragen beantwortet werden, ob die Beklagte das ihr zustehende „Ermessen“ ausgeübt habe, ob die Schätzung sachlich nachvollziehbaren Kriterien genüge und ob die Beklagte bei überdotierten Rücklagen über ausreichende Mittel verfüge, um vor der Beitragsveranlagung ihre Kosten anderweitig zu decken. Die Ausgleichsrücklage sei zu keiner Zeit – selbst nicht in den Zeiten der Finanzkrise – in Anspruch genommen worden.

21

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage stelle „offenkundig“ freies Vermögen dar, welches i. S. d. Gesetzes als anderweitige Mittel dem Haushalt hätte zugeführt werden müssen. Erst am 5. April 2012 sei ein Architektengutachten vorgelegt worden, das für Sanierungsmaßnahmen eine Summe von 14.747.235,65 Euro angebe. Die Bilanz der Beklagten weise schon vor der Erstellung eines Gutachtens eine „millionenschwere“ und später aufgestockte Umbau-/Instandhaltungsrücklage aus. Die Rücklagenbildung unterliege den engen Vorgaben der ausreichenden zeitlichen, sachlichen und finanzplanerischen Konkretisierung. Neben dem „offenkundigen Mangel“ notwendiger Einzelbeschlüsse über die Rücklage fehle es auch „ganz offensichtlich“ an jeglicher Rechtfertigung und Beschlusslage für die Bildung und Erhöhung der Umbau- und Instandhaltungsrücklage vor dem 5. Juli 2012. Es fehle ein gesonderter Beschluss darüber, ob eine Finanzierung aus Fremd- oder Eigenmitteln geleistet werden und in welchem Zeitrahmen eine Rücklagenbildung oder eine Tilgung erfolgen solle.

22

Die Rücklage für Sonderprojekte, die über alle Jahre gebildet und niemals angetastet worden sei, erfülle den Tatbestand der rechtswidrigen Vermögensbildung. Schon aus der allgemeinen Namensgebung ergebe sich, dass es keinerlei sachliche und zeitliche Konkretisierung gebe. Ohne eine sachliche und zeitliche Konkretisierung erweise sich die vom Bundesverwaltungsgericht als zwingende Voraussetzung gebotene Abschätzung als unmöglich. Es würden hier Mitgliedsbeiträge ohne Sinn und Zweck als freies Vermögen geparkt.

23

Aus dem Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 ergebe sich, dass die Beklagte für das Haushaltsjahr 2011 mit einem Überschuss von 6,655 Mio. Euro geplant habe. Soweit es hinsichtlich der Verwendung eines solches Überschusses im Sinne einer Aufgabenerfüllung im Rahmen des Gesetzes keine Beschlüsse des Plenums gebe, sei eine Haushaltsplanung mit einem solchen Überschuss ein Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip. Erwirtschafte eine Kammer einen erheblichen Gewinn, indiziere dies, dass die Beiträge zu hoch bemessen gewesen seien. Erfolge ein Gewinnvortrag zudem kontinuierlich über mehrere Jahre hinweg in erheblicher Höhe, stehe dies einer unzulässigen Vermögensbildung gleich.

24

Die Klägerin beantragt,

25

das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 aufzuheben, soweit darin der Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist.

26

Die Beklagte beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Die Beklagte hält die gesetzliche Mitgliedschaft eines Gewerbetreibenden in einer IHK für verfassungsgemäß und die Beitragserhebung auch der Höhe nach für nicht zu beanstanden. Die Klägerin sowie das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris) verkennten die wesentlichen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts und die hieraus resultierenden Maßstäbe für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Wirtschaftsplanung einer Kammer, insbesondere der Rücklagenbildung. Soweit das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315) eine Verletzung des Gebots der Schätzgenauigkeit bejaht habe, beruhe dies maßgeblich auf dem Umstand, dass die dort beklagte IHK während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Anhaltspunkte für das Vorliegen relevanter Risiken dargelegt habe. Der Gesetzgeber habe mit der Umstellung auf die Doppik vor allem eine Erhöhung der Transparenz für die Kammermitglieder und eine Stärkung des Etatrechts der IHK-Vollversammlungen erstrebt. Auch aus diesem Grund sei es nicht angezeigt, bei einer gerichtlichen Prüfung der Einhaltung des Gebots der Schätzgenauigkeit bei Aufstellung des Wirtschaftsplans überzogene Anforderungen zu stellen. Maßgeblich sei, ob die Rücklagenbildung auf einer sachgerechten und vertretbaren Prognose basiere. Was vertretbar sei, richte sich nach einer Gesamtbewertung der konkreten Entscheidungssituation unter Berücksichtigung des betroffenen Sach- und Regelungsbereichs, der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung und deren Folgen sowie der verfügbaren Tatsachengrundlagen für die Prognose. Im Übrigen führe deshalb nicht jeder Fehler in der Wirtschaftsplanung zur Rechtswidrigkeit der gesamten Beitragsveranlagung, weil anderenfalls die beitragsrechtliche Grundlage des betreffenden Beitragsjahres haushaltsrechtlich unheilbar rechtswidrig sei, obwohl objektiv-rechtlich eine Pflicht zum Erlass eines Beitragsbescheids bestehe. Für die Feststellung eines etwaigen Verstoßes gegen das Gebot der Schätzgenauigkeit sei eine materielle Betrachtung maßgeblich. Es sei nicht entscheidend, ob eine Vollversammlung die Risiken im Zeitpunkt der Aufstellung des Wirtschaftsplans uneingeschränkt zutreffend erfasst und validiert habe. Maßgeblich sei, ob die dotierten Rücklagen dem Grunde nach zulässig seien und der Höhe nach in einem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlich relevanten Risiken der jeweiligen IHK stünden. Sei die Mittelbedarfsfeststellung im Ergebnis richtig, seien die Beitragssätze rechtmäßig. Es komme nicht auf den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2009, sondern auf die Wirtschaftsplanung des jeweils streitgegenständlichen Beitragsjahrs, ggf. in Gestalt der Nachtragsplanung, an.

29

Die Dotierung der Ausgleichsrücklage sei dem Grunde und der Höhe nach gerechtfertigt, damit die Handlungsfähigkeit und eine sachgerechte Aufgabenerfüllung der Beklagten zu jeder Zeit gewährleistet seien. Die Vorgaben des Finanzstatuts seien eingehalten. Die Regelung eines Rücklagerahmens sei nicht zu beanstanden. Die Ausgleichsrücklage solle „im Fall der Fälle“, d. h. im „worst case“, zur Verfügung stehen. Sie diene dem zulässigen Zweck, haushalterische Risiken abzudecken, die mit unvorhergesehenen Beitragsschwankungen einhergingen. Sie werde gebildet, um eine hinreichende Risikovorsorge zu betreiben und die Beiträge auch gerade bei schwankender Konjunktur stabil zu halten. Werde der durch das Finanzstatut gezogene Rahmen für eine Rücklagenhöhe eingehalten, spreche eine Vermutung für ihre Angemessenheit. Die mit der Ausgleichsrücklage abzufangenden möglichen Schwankungen könnten sich insbesondere ergeben infolge der heterogenen Wirtschaftsstruktur eines Industrie- und Handelskammerbezirks und der damit einhergehenden vielfältigen Abhängigkeit von strukturellen und gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen bis hin zu der Gefahr mehrjähriger wirtschaftlicher Rezessionen, des Ausfallrisikos von großen Beitragszahlern und der Orientierung des Kammerbeitrags an der gewerbesteuerlichen Bezugsgröße des Gewerbeertrags. Vor allem diese Risiken lägen tatsächlich jedes Jahr vor und machten die Vorhaltung einer angemessenen Ausgleichsrücklage zwingend erforderlich. Das Risiko der Beitragsschwankungen sei mit dem Umstand der Gegenwartsveranlagung mit mehrjähriger Verzögerung der endgültigen Abrechnung zu erklären. Die Ausgleichsrücklage sei im Hinblick auf die Schwankungsrisiken auf Basis der Erfahrungen der Beitragsveranlagungen der vergangenen Jahre unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte der letzten Konjunkturkrisen gebildet. Für konjunkturelle Schwankungen müsste zunächst ein Anteil von 15 v. H. der geplanten Beiträge veranschlagt werden, ausgehend davon, dass das Gewerbesteueraufkommen in den Jahren 1999 bis 2001 um 17 v. H. und in den Jahren 2008 bis 2009 um 19 v. H. rückläufig gewesen sei. Der Anteil von 15 v. H. müsse multipliziert werden mit zwei bis vier, um zwei bis vier Jahre andauernde Schwankungen abzubilden. Für das Risiko des Ausfalls großer Beitragszahler werde ein weiterer Betrag von 1.000.000,-- Euro angesetzt, dies entspreche dem Beitrag der beiden größten einzelnen Beitragszahler. Für das Schwankungsrisiko endgültiger Beitragsabrechnungen werde der Zehnjahresdurchschnitt der Umlagen angenommen und dieser Wert um 1.000.000,-- Euro verringert. Es errechne sich danach, dass die Ausgleichsrücklage angemessen sei.

30

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage diene bezogen auf das Geschäftsjahr 2011 einem hinreichend konkretisierten Zweck. Zunächst habe im Jahr 2007 (Rücklagenhöhe damals etwa 5,3 Millionen Euro, seinerseits 10 v. H. des Versicherungswerts) der Schwerpunkt des Rücklagenzwecks bei der Finanzierung größerer Instandhaltungsaufwendungen für das historische Handelskammergebäude gelegen. Die Rücklagenerhöhungen 2007 und 2010 seien gerechtfertigt gewesen. Der voraussichtliche Mittelbedarf sei in der Folgezeit weiter konkretisiert worden durch das Architektengutachten vom 5. April 2012.

31

Die Rücklage für Sonderprojekte diene dazu, auch künftig besondere Projekte zu finanzieren, ohne die Beiträge zu erhöhen. Sie solle kurzfristige Handlungsspielräume für notwendige ad-hoc-Aktivitäten schaffen. Es seien 1.000.000,-- Euro für „standortpolitisch bedeutsame Projekte“, 2.000.000,-- Euro für die Unterstützung einer neuen Olympia-Bewerbung, eventuelle Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 sowie die „aktuelle Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten“ und weitere 900.000,-- Euro ohne besondere Zuordnung in Ansatz gebracht worden.

32

Die positiven Ergebnisse der Vorjahre seien im Beitragsjahr 2011 ordnungsgemäß verwendet worden. Es stehe der Kammer frei, ein positives Ergebnis für eine Beitragsrückerstattung zu nutzen, durch gesonderten Beschluss des Plenums einer aufgabengemäßen Verwendung zuzuführen oder in den nächsten Wirtschaftsplan einzustellen. Ein ex post festgestelltes positives Ergebnis indiziere keine Missachtung des Kostendeckungsprinzips.

33

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind die Sachakten in zwei Bänden. Darauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

34

I. Die zulässige, auf den erstinstanzlichen Hauptantrag beschränkte, Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Sie führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Stattgabe der zulässigen (hierzu unter 1.) und begründeten Klage (hierzu unter 2.).

35

1. Die Klage ist im allein weiterverfolgten Hauptantrag zulässig, insbesondere als Anfechtungsklage statthaft. Sie zielt gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO auf die gerichtliche Aufhebung des Bescheids vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011, soweit darin für das Geschäftsjahr 2011 ein Handelskammerbeitrag vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist. Dieses Rechtsschutzbegehren geht nicht ins Leere, obwohl durch einen zweiten Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 eine weitere Beitragsfestsetzung für das Jahr 2011 vorgenommen worden ist. Der erste Beitragsbescheid ist als Verwaltungsakt weiterhin wirksam. Ein Verwaltungsakt bleibt gemäß § 43 Abs. 2 HmbVwVfG (vgl. § 124 Abs. 2 AO) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Der streitgegenständliche erste Beitragsbescheid ist weder aufgehoben noch erledigt. Im Einzelnen:

36

Eine Aufhebung des ersten, allein streitgegenständlichen, Beitragsbescheids ist mit dem zweiten Beitragsbescheid nicht ausgesprochen worden. Dem zweiten Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 kann nach dem entsprechend §§ 133, 157 BGB auch für die Auslegung von Verwaltungsakten maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont keine behördliche Aufhebung des ersten Beitragsbescheids entnommen werden, sondern nur eine Ergänzung desselben durch Forderung eines zusätzlichen Beitrags. Im zweiten Beitragsbescheid ist für das Beitragsjahr 2011 der Betrag 153,-- Euro ausdrücklich als „mit früheren Bescheiden festgesetzt“ und der Betrag 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ angegeben, verbunden mit dem Hinweis, dass wenn bereits Beitragsbescheide ergangen sind, diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben werden. Dieser Wortlaut streitet gegen eine neuerliche Sachentscheidung (vgl. VG Schleswig, Urt. v. 15.2.2018, 12 A 173/16, juris Rn. 19, für den entsprechenden Bescheidwortlaut). Da die Regelungswirkung sich auf die Festsetzung des Mehrbetrags beschränkt, handelt es sich hinsichtlich des bereits festgesetzten Betrags um eine wiederholende Verfügung und nicht um einen Zweitbescheid (vgl. Jahn, GewArch 2016, 263, 270).

37

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der erste Bescheid eine „vorläufige Veranlagung“ vornimmt und der zweite Bescheid einen solchen Hinweis nicht enthält. Zwar hat das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris 3. Ls) angenommen, dass dann, wenn ein zweiter Bescheid „den IHK-Beitrag durch Abrechnung festsetzt“, nachdem zuvor im Wege vorläufiger Veranlagung ein erster Beitragsbescheid ergangen war, es sich bei dem zweiten Bescheid um eine eigenständige Sachentscheidung über den insgesamt zu leistenden Beitrag und nicht um eine – teilweise – wiederholende Verfügung handele. Doch ist bereits die vom Verwaltungsgericht Hamburg in der zitierten Entscheidung angenommene Voraussetzung nicht gegeben, dass der zweite Bescheid „den IHK-Beitrag durch Abrechnung festsetzt“. Nach den vorstehenden Ausführungen beschränkt sich der Regelungsgehalt des zweiten Bescheids ausdrücklich auf den Mehrbetrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“. Der Umstand, dass der erste Bescheid als „vorläufige Veranlagung“ ergangen ist, führt nicht zu einer seinem Wortlaut widersprechenden Auslegung des zweiten Bescheids. Die „vorläufige Veranlagung“ hat dabei lediglich folgende Bewandtnis:

38

Die Beitragsveranlagung erfolgt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 der Beitragsordnung der Beklagten (v. 14.5.2004, Amtl. Anz. S. 1057 m. spät. Änd. – BO) durch schriftlichen Bescheid. Sofern der Gewerbeertrag oder der Zerlegungsanteil für das Bemessungsjahr noch nicht vorliegt, kann der Kammerzugehörige gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 BO aufgrund des letzten vorliegenden Gewerbeertrags oder – soweit ein solcher nicht vorliegt – aufgrund einer Schätzung in entsprechender Anwendung des § 162 AO vorläufig veranlagt werden. Dieser Satz findet gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 BO entsprechende Anwendung auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb und auf den Umsatz, die Bilanzsumme und die Arbeitnehmerzahl, soweit diese für die Veranlagung von Bedeutung sind.

39

Eine im Zuge der vorläufigen Veranlagung nach § 15 Abs. 3 BO vorgenommene Festsetzung lässt zwar die Möglichkeit einer erneuten Festsetzung nach § 15 Abs. 1 BO zu. Es besteht Anlass für eine endgültige Abrechnung für das Beitragsjahr, sobald die Parameter für die Festsetzung des Kammerbeitrags (Gewerbeertrag, Gewinn aus Gewerbebetrieb, Umsatz, Bilanzsumme oder Arbeitnehmerzahl) feststehen, hinsichtlich derer zuvor nur die bislang letzten vorliegenden Zahlen oder Schätzung zugrunde gelegt worden war. Einer erneuten, endgültigen Festsetzung bedarf es aber nur, soweit sich im Ergebnis eine Änderung der Beitragshöhe errechnet (a. A. VG Hamburg, Urt. v. 2.3.2016, a. a. O., Rn. 56).

40

Eine endgültige Festsetzung eines bereits im Wege der vorläufigen Veranlagung festgesetzten (Teil-)Betrags ist nicht erforderlich. Auch eine Festsetzung im Wege der vorläufigen Veranlagung kann in Bestandskraft erwachsen. Der Umstand, dass nach § 165 AO ergangene vorläufige Steuerbescheide nicht in materielle Bestandskraft erwachsen können (vgl. Cöster, in König, AO, 3. Aufl. 2014, § 351 Rn. 13), ist nicht auf die Beitragsfestsetzung im Wege vorläufiger Veranlagung übertragbar (a. A. VG Hamburg, Urt. v. 2.3.2016, a. a. O., Rn. 64). § 15 Abs. 3 BO verweist nicht auf § 165 AO, sondern hinsichtlich der Schätzung der Bemessungsgrundlagen auf eine entsprechende Anwendung des § 162 AO. Aus dem Verweis des § 15 Abs. 3 BO auf § 162 AO folgt nicht, dass die vorläufige Veranlagung selbst in entsprechender Anwendung des § 162 AO vorgenommen würde. Zum einen enthält § 162 AO keine Regelung über eine vorläufige Veranlagung, sondern nur über eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen. Zum anderen verweist § 15 Abs. 3 Satz 1 BO in seiner zweiten Tatbestandsalternative – „soweit ein solcher [Gewerbeertrag] nicht vorliegt“ – nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 162 AO bei der vorläufigen Veranlagung, sondern bei der Schätzung der Bemessungsgrundlagen. Für den Fall, dass keine letzten Zahlen vorliegen, erweitert § 15 Abs. 3 Satz 2 BO den Anwendungsbereich der Schätzung der Bemessungsgrundlagen auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb und auf den Umsatz, die Bilanzsumme und die Arbeitnehmerzahl, soweit diese Parameter für die Veranlagung von Bedeutung sind.

41

Auch eine Erledigung des ersten Beitragsbescheids vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 ist nicht eingetreten. Eine Erledigung des Verwaltungsaktes setzt voraus, dass der Verwaltungsakt aufgrund nachträglicher Entwicklungen seinen Regelungszweck nicht mehr erreichen kann (Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 209b). Dies ist hier nicht der Fall. Der erste Beitragsbescheid spricht zwar eine „vorläufige Veranlagung“ aus, enthält aber nicht wie ein vorläufiger Verwaltungsakt eine auflösende Bedingung, aufgrund derer er mit Eintritt einer auflösenden Bedingung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 HmbVwVfG entfiele. Der mit dem ersten Beitragsbescheid verfolgte Regelungszweck, einen Kammerbeitrag von zunächst 153,-- Euro Höhe festzusetzen, dauert fort, obwohl mittlerweile mit dem zweiten Beitragsbescheid ein zusätzlicher Beitrag festgesetzt worden ist. Diese Festsetzung beschränkt sich auf einen Mehrbetrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ und macht die bereits bestehende Festsetzung von 153,-- Euro somit nicht entbehrlich.

42

2. Die Klage ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründet. Der Bescheid vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011, soweit darin ein Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 auf vorläufig 153,-- Euro festgesetzt worden ist, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten. Zwar ist die Klägerin dem Grunde nach beitragspflichtig (hierzu unter a)). Doch fehlt der konkreten Beitragserhebung für das Geschäftsjahr 2011 eine Rechtsgrundlage durch eine rechtswirksame abstrakte Bestimmung der Beitragshöhe. Die in der Wirtschaftssatzung für das Geschäftsjahr 2011 enthaltene abstrakte Festsetzung der Beiträge (hierzu unter b)) ist rechtswidrig und daher nach dem sog. Nichtigkeitsdogma rechtsunwirksam. Unter Verstoß gegen den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgezeigten Maßstab (hierzu unter c)) kann der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 (hierzu unter d)) mangels rechtmäßiger Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer nicht als Maßgabe der Beitragserhebung dienen (hierzu unter e)). Der streitgegenständliche Beitragsbescheid kann aufgrund dessen auch nicht zum Teil aufrechterhalten bleiben (hierzu unter f)).

43

a) Die Klägerin ist dem Grunde nach gegenüber der Beklagten zu einem Handelskammerbeitrag verpflichtet.

44

Die Industrie- und Handelskammern sind gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (v. 18.12.1956, BGBl. I S. 920 m. spät. Änd. – IHKG) Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG Grundbeiträge und Umlagen. Die Vollversammlung beschließt gemäß § 4 Satz 2 Nr. 2 IHKG über die Festsetzung des Maßstabes für die Beiträge. Die Kammerzugehörigkeit ist in § 2 IHKG geregelt. Die benannten Vorschriften sind wirksam. Sowohl die Beitragserhebung nach § 3 Abs. 2, Abs. 3 IHKG als auch die Pflichtmitgliedschaft nach § 2 Abs. 1 IHKG sind verfassungsgemäß (BVerfG, Beschl. v. 12.7.2017, 1 BvR 2222/12 u. a., NVwZ 2017, 1282, juris Rn. 87 ff.). Für einen zur Unanwendbarkeit der Regelungen im Einzelfall führenden Verstoß gegen Unionsrecht ist nichts ersichtlich (vgl. VGH München, Beschl. v. 30.7.2012, 22 ZB 11.1509, juris Rn. 31 f.; OVG Koblenz, Urt. v. 20.9.2010, 6 A 10282/10, juris Rn. 45).

45

Die Beklagte ist unter der Bezeichnung als Handelskammer gemäß § 13 IHKG i. V. m. Art. I § 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Rechtsverhältnisse der Handelskammer Hamburg v. 27.2.1956, HmbGVBl. S. 21 m. spät. Änd. – HmbHKG) die Industrie- und Handelskammer für das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Klägerin ist, da sie eine zur Gewerbesteuer veranlagte juristische Person des privaten Rechts mit Betriebsstätte in Hamburg ist, gemäß § 2 Abs. 1 IHKG seit ihrer Gründung im Jahr 2010 Kammerzugehörige der Beklagten und gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG dem Grunde nach beitragspflichtig.

46

b) Als abstrakte Festsetzung, die als Grundlage für die konkrete Festsetzung der Beitragshöhe für das Geschäftsjahr 2011 dienen könnte, kommt nur Abschnitt II der einschlägigen Wirtschaftssatzung in Betracht. Die Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2011 (v. 4.11.2010, Amtl. Anz. S. 2335, in der Fassung der Änderungen durch den Ersten Nachtrag v. 3.3.2011, Amtl. Anz. S. 786, und den Zweiten Nachtrag v. 3.11.2011, Amtl. Anz. S. 2555 – WirtS 2011) ist vom Plenum der Beklagten als Vollversammlung gemäß Art. I § 5 Nr. 1 HmbHKG beschlossen und durch zwei Nachträge geändert worden.

47

In Abschnitt II WirtS 2011 werden (Nr. 1) die Freistellungsgrenzen, (Nr. 2) die Grundbeiträge sowie (Nr. 3) der Hebesatz der Umlage bestimmt, (Nr. 4) das Geschäftsjahr 2011 als Bemessungsjahr festgelegt und (Nr. 5) die Erhebung einer Vorauszahlung geregelt. Die Klägerin ist nicht vom Kammerbeitrag befreit, da dies unter den näheren Voraussetzungen des Abschnitts II Nr. 1 WirtS 2011 nur nicht in das Handels- oder Genossenschaftsregister eingetragene Kammerzugehörige und natürliche Personen sind, die Klägerin aber nach §§ 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 GmbHG eine in das Handelsregister eingetragene juristische Person ist. Der von Kaufleuten zu erhebende Grundbeitrag, gestaffelt nach Gewerbeertrag oder Gewinn, ist in Abschnitt II Nr. 2.2 WirtS 2011 auf mindestens 153,-- Euro festgesetzt. Die Klägerin gilt gemäß § 6 Abs. 1 HGB i. V. m. § 13 Abs. 3 GmbHG als Kaufmann. Soweit ein Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb für das Bemessungsjahr nicht bekannt ist, wird gemäß Abschnitt II Nr. 5 WirtS 2011 eine Vorauszahlung des Grundbeitrages und der Umlage auf der Grundlage des letzten der Beklagten „vorliegenden“, d. h. bekannten, Gewerbeertrages bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb erhoben.

48

c) Der Senat macht sich die höchstrichterliche Rechtsprechung zu eigen, nach der die abstrakte Festsetzung der Beitragshöhe in der das jeweilige Geschäftsjahr betreffenden Wirtschaftssatzung nur dann rechtmäßig ist, wenn sie auf einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer in dem auf das Geschäftsjahr bezogenen Wirtschaftsplan beruht. Im Einzelnen:

49

Der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG als Maßgabe der Beitragserhebung dienende Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Wie vom Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 12) ausgeführt, legt das Gesetz mit Blick auf die Beitragserhebung damit eine zweistufige Willensbildung der Kammer zugrunde: Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) auf. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) gilt für ein Haushaltsjahr (Wirtschaftsjahr) und ist – als Plan – im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

50

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert ausgehend davon auch die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 13). Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen und unterliegt nach dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 81). Dem steht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 15) nicht entgegen, dass der Kammerbeitrag mit Blick auf die Kammertätigkeit verwendungsneutral ist. Er dient der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit und kann daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer einzelnen Tätigkeit zugeordnet werden. Ein Kammermitglied kann die Kammer zwar gerichtlich auf Unterlassung von Tätigkeiten in Anspruch nehmen, die außerhalb ihres gesetzlichen Aufgabenkreises liegen, jedoch nicht mit dieser Begründung die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern. Das führt jedoch nicht dazu, die Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) im Beitragsprozess generell ungeprüft als gegeben hinzunehmen. Gerade die gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung selbst berühren das einzelne Kammermitglied regelmäßig nur über die Beitragspflicht; dann muss es deren Einhaltung gerade im Beitragsprozess zur gerichtlichen Prüfung stellen können.

51

Die Kammer besitzt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 16) bei der Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht freilich nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist. Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gebietet die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Ferner sind seit der Einfügung des § 3 Abs. 7a IHKG die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung anzuwenden. Unabhängig davon sind ferner die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen.

52

Mit Blick auf die Rücklagenbildung präzisiert die höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 17) die zu stellenden Anforderungen wie folgt: Der Kammer ist die Bildung von Vermögen verboten. Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Bei den Mitteln für angemessene Rücklagen handelt es sich ebenfalls um Kosten der Industrie- und Handelskammer i. S. d. § 3 Abs. 2 IHKG, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind. Die Bildung von angemessenen Rücklagen ist auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaften weiterhin notwendig und gehört zu einer geordneten Haushaltsführung.

53

Weiter hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 18) ausgeführt, dass auch das Maß der Rücklage vom jeweiligen sachlichen Zweck gedeckt sein muss. Eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage ist nicht mehr angemessen und käme einer unzulässigen Vermögensbildung gleich. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) – und damit jährlich – erneut treffen. Ein Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält.

54

Bei der Prüfung, ob das Maß der Rücklage noch von einem sachlichen Zweck gedeckt ist, hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20) dabei angenommen, dass der Industrie- und Handelskammer ein Beurteilungsspielraum durch den in der (kameralen) Haushalts-, Kassen- und Rechnungsordnung oder in dem (doppischen) Finanzstatut vorgegebenen Rahmen eingeräumt sei. Im veröffentlichten 2. Leitsatz ist dazu ausgeführt, dass dann, wenn nach dem Finanzstatut der Industrie- und Handelskammer bei der Bildung des Haushaltsansatzes für eine Rücklage ein Beurteilungsspielraum besteht, das Gericht nicht seine Beurteilung an die Stelle der behördlichen Einschätzung setzen darf, es jedoch zu prüfen hat, ob allgemeingültige Wertungsmaßstäbe, insbesondere das haushaltsrechtliche Gebot der Schätzgenauigkeit, beachtet sind.

55

Hinsichtlich der Frage, ob die abstrakte Festsetzung der Beitragshöhe auf einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan beruht, ist eine materielle Betrachtung vorzunehmen. Eine formelle Betrachtung, ob die Mitglieder der Vollversammlung die Prognose in Kenntnis der dafür maßgeblichen Grundlagen getroffen haben, ist nicht anzustellen (a. A. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 21.11.2017, 19 K 903/16, juris Rn. 47; VG Koblenz, Urt. v. 25.11.2013, 3 K 121/12.KO, GewArch 2014, 116, juris Rn. 37; wohl auch VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 355). Denn die Antwort auf die maßgebliche Frage, ob der in der Wirtschaftssatzung festgesetzte Beitragssatz dem Kostendeckungsprinzip genügt, hängt davon ab, ob der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG durch Beiträge zu deckende Mittelbedarf im Wirtschaftsplan in der Sache vertretbar in Ansatz gebracht ist. Der Wirtschaftsplan bedarf formell keiner Begründung. Ebenso wenig hängt seine materielle Rechtmäßigkeit von einer Begründung ab (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 88). Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 16) billigt der Kammer bei der Aufstellung ihres Wirtschaftsplans ausdrücklich einen sehr weiten Gestaltungsspielraum zu. Die Rechtmäßigkeitskontrolle einer in dem Gestaltungsspielraum getroffenen Entscheidung unterscheidet sich von derjenigen einer Ermessenentscheidung im Einzelfall (Jahn, GewArch 2014, 116, 119; GewArch 2016, 263, 265 f.). Während nach § 114 Satz 1 VwGO und § 40 HmbVwVfG die von der Behörde in Ausübung ihres Ermessens bei einer Einzelfallentscheidung angestellten Erwägungen zu überprüfen sind, gilt entsprechendes nicht für die vom Normgeber in Ausübung seines Gestaltungsspielraums bei einer Normsetzung angestellten Erwägungen.

56

Aus dem von der Beklagten vorgebrachten Argument, sie sei nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG objektiv-rechtlich zur Beitragserhebung verpflichtet, bei Unwirksamkeit des Haushaltsplans sei aber die beitragsrechtliche Grundlage des betreffenden Beitragsjahres haushaltsrechtlich unheilbar rechtswidrig, leitet sich nicht her, den gerichtlichen Prüfungsmaßstab zurückzunehmen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat eine fehlerhafte Mittelbedarfsfeststellung im maßgeblichen Wirtschaftsplan die Rechtswidrigkeit der Beitragsveranlagung zur Folge. Eine Fehlerhaftigkeit der Mittelbedarfsfeststellung lässt sich nicht deshalb verneinen, weil ihre Rechtsfolge, die Rechtswidrigkeit der Beitragsveranlagung, unerwünscht wäre. Inwieweit eine rückwirkende Heilung oder ein rückwirkender Neuerlass einer unwirksamen Wirtschaftssatzung möglich wäre, kann dahinstehen, da das Plenum der Beklagten einen Neuerlass nicht unternommen hat.

57

d) Der die Maßgabe für die Beitragserhebung nach Abschnitt I WirtS 2011 bildende und deshalb nach dem Vorstehenden hinsichtlich der Feststellung des Mittelbedarfs inzident zu überprüfende Wirtschaftsplan in Abschnitt II WirtS 2011 hat seine letztgültige Gestalt durch den Zweiten Nachtrag vom 3. November 2011 gefunden. In Übereinstimmung mit dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten ist die Wirtschaftsplanung des jeweils streitgegenständlichen Beitragsjahrs maßgeblich, ggf. in Gestalt der Nachtragsplanung (ebenso VG Berlin, Urt. v. 14.4.2015, 4 K 199/14, juris Rn. 55; VG Köln, Urt. v. 15.2.2017, 1 K 1473/16, GewArch 2017, 194, juris Rn. 51).

58

Der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 ist durch den Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung ausdrücklich neu festgestellt worden. Innerhalb der mit Blick auf die Beitragserhebung zweistufigen Willensbildung (dazu BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 12, s. o. c)) hat die Beklagte, indem sie am 3. November 2011 den Wirtschaftsplan in Abschnitt I der Wirtschaftssatzung neugefasst hat, die erste Stufe der Willensbildung erneut betreten. Eine Änderung des Wirtschaftsplans durch Nachträge ist jedenfalls bis zum Abschluss des Geschäftsjahres möglich (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 86 f.). Wie bereits ausgeführt, steht auf erster Stufe der Willensbildung der Wirtschaftsplan. Der Wirtschaftsplan prognostiziert vor dem Hintergrund der in dem Geschäftsjahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

59

Der Maßgeblichkeit des erst am 3. November 2011 neu festgestellten Wirtschaftsplans im hiesigen Beitragsprozess steht nicht entgegen, dass das prozessual mit der Anfechtungsklage zu verfolgende Aufhebungsbegehren gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur dann Erfolg hat, wenn der Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 rechtswidrig ist. Selbst dann, wenn im Hinblick auf den prozessual geltend gemachten Aufhebungsanspruch auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 14. Juli 2011 abgestellt würde, müssen doch auch solche Änderungen in der Mittelbedarfsfeststellung Berücksichtigung finden, die die abstrakte Festsetzung der Beiträge rückwirkend rechtswidrig und damit unwirksam machen. Ohne rechtswirksame abstrakte Festsetzung der Beiträge fehlt der konkreten Festsetzung des Beitrags durch Bescheid die Rechtsgrundlage. Die abstrakte Festsetzung der Beiträge in Abschnitt I WirtS 2011 ist nur dann rechtmäßig und damit rechtswirksam, wenn sie einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs nach dem als Maßgabe dienenden Wirtschaftsplan entspricht. Der Wirtschaftsplan bildet eine auf das jeweilige Geschäftsjahr bezogene Sinneinheit. Für das Geschäftsjahr 2011 ist er durch den Zweiten Nachtrag der Wirtschaftsplan insgesamt und damit rückwirkend ab dem 1. Januar 2011 neu festgestellt worden.

60

Der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 in der Gestalt vom 3. November 2011 dient als Maßgabe der Beitragserhebung für das Geschäftsjahr 2011 unabhängig davon, wann der einzelne Beitragsbescheid erlassen worden ist. Die Beklagte hat mit dem (streitgegenständlichen) ersten Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 eine vorläufige Veranlagung zu einem Beitrag von 153,-- Euro ausgesprochen. Der erste Beitragsbescheid ließ – als „vorläufige Veranlagung“ – eine endgültige Abrechnung zu einem späteren Zeitpunkt offen. Auf der kalkulatorischen Grundlage der endgültigen Abrechnung war in dem Fall, dass sich für das Geschäftsjahr ein Minderbetrag ergeben würde, der erste Beitragsbescheid durch einen zweiten Beitragsbescheid teilweise aufzuheben, und in dem Fall, dass sich ein Mehrbetrag ergeben würde, neben dem fortbestehenden ersten Beitragsbescheid eine weitere Festsetzung durch einen zweiten Beitragsbescheid vorzunehmen. Eben dies ist mit dem (nicht streitgegenständlichen) Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 geschehen (s. o. 1.). Unabhängig vom Erlassdatum des ersten oder auch des zweiten Beitragsbescheids sucht die konkrete Festsetzung der Kammerbeiträge für das Geschäftsjahr 2011 ihre Rechtsgrundlage in der abstrakten Festsetzung der Beiträge in Abschnitt II WirtS 2011, als deren Maßgabe der Wirtschaftsplan in Abschnitt I WirtS 2011 dient.

61

e) Die der abstrakten Festsetzung der Beiträge in Abschnitt II WirtS 2011 zugrundeliegende Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer gemäß dem Wirtschaftsplan in Abschnitt I WirtS 2011 ist zulasten der Beitragspflichtigen fehlerhaft. Dies folgt zunächst daraus, dass im Wirtschaftsplan der Höhe nach sachlich nicht gerechtfertigte Rücklagen aufrechterhalten und die entsprechenden Mittel nicht zugunsten der Beitragspflichtigen zur Begleichung der Kosten der Kammertätigkeit im Geschäftsjahr 2011 freigegeben worden sind. Im Einzelnen betroffen sind die Ausgleichsrücklage (hierzu unter aa)), die Umbau-/Instandhaltungsrücklage (hierzu unter bb)), die Rücklage für Sonderprojekte (hierzu unter cc)) und etwaig auch – was jedoch letztlich dahinstehen kann – die Rücklage BID N. (hierzu unter dd)). Die Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer für das Geschäftsjahr 2011 ist unabhängig davon deshalb fehlerhaft, weil der vorhandene positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nach der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 keiner sachlichen Verwendung zugeführt werden sollte (hierzu unter ee)).

62

aa) Die Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro ist dem Grunde nach gerechtfertigt, aber der Höhe nach nicht angemessen.

63

Die Ausgleichsrücklage ist im Geschäftsjahr 2011 in Höhe von 20.500.000,-- Euro aufrechterhalten worden. Zuvor war diese Rücklage im Zuge der Ergebnisverwendung des Jahres 2009 um 1.000.000,-- Euro von 19.000.000,-- Euro auf 20.000.000,-- Euro erhöht worden (Plenarsitzung v. 1.7.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 7). Sodann hatte die Beklagte die Erlöse aus der Auflösung von Jubiläumsrückstellungen in Höhe von 186.418,-- Euro in die Ausgleichsrücklage eingestellt, die somit in der am 25. März 2011 von Präses und Hauptgeschäftsführer vorgelegten Bilanz 2010 eine Höhe von 20.186.418,-- Euro aufwies (Jahresabschluss 2010, S. 19). Eine weitere Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 313.582,-- Euro auf 20.500.000,-- Euro hatte das Plenum am 7. Juli 2011 zur teilweisen Verwendung des Ergebnisses aus 2010 vorgenommen (Plenarsitzung v. 7.7.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 7 f.). Im Zuge der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 sind alle Rücklagen in der Höhe aufrechterhalten worden, die sie in dem vom Plenum am 7. Juli 2011 beschlossenen Jahresabschluss 2010 erreicht hatten. Der Wirtschaftsplan ist in Abschnitt I WirtS 2011 im Erfolgsplan mit dem Saldo der Rücklagenveränderung in Höhe von 0,-- Euro festgestellt worden. Der zugrundeliegende Erfolgsplan weist unter Nr. 22 Buchst. a und b Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage und anderen Rücklagen von je 0,-- Euro sowie unter Nr. 23 Buchst. a und b Einstellungen in die Ausgleichsrücklage und andere Rücklagen von ebenfalls je 0,-- Euro aus. Die nachträgliche Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 500.000,-- Euro gemäß dem am 5. Juli 2012 erstellten Jahresabschluss 2011 bleibt hinsichtlich der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 unberücksichtigt, da sie erst nach dessen Ende vorgenommen worden ist.

64

Dem Grunde nach ist die Ausgleichsrücklage für das Geschäftsjahr 2011 allerdings rechtmäßig. Eine Ausgleichsrücklage dient der Vorsorge, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch bei Schwankungen im Beitragsaufkommen aufrecht zu erhalten, und damit einem dem Grunde nach hinreichenden sachlichen Zweck. Das im Geschäftsjahr 2011 aufrechterhaltene Maß der Ausgleichsrücklage ist jedoch, entgegen den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 18, s. o. c)), nicht mehr vom sachlichen Zweck gedeckt. Die überhöhte Rücklage hätte im Zuge der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 auf ein zulässiges Maß zurückgeführt werden müssen.

65

Zwar überschreitet die Höhe der Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro (gerade noch) nicht den durch das – ältere und auf das Geschäftsjahr 2011 anwendbare – Finanzstatut (v. 2.6.2005, Amtl. Anz. 2006, S. 329 – FSt 2005) gezogenen Rahmen. Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 ist, um Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen, eine Ausgleichsrücklage anzusammeln, die zwischen 30 und 50 v. H. der Betriebsaufwendungen beträgt. Die Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro erreicht 49,6 v. H. des in Abschnitt I WirtS 2011 veranschlagten Betriebsaufwands von 41.337.000,-- Euro. Besteht nach dem Finanzstatut der Industrie- und Handelskammer bei der Bildung des Haushaltsansatzes für eine Rücklage ein Beurteilungsspielraum, darf das Gericht nicht seine Beurteilung an die Stelle der behördlichen Einschätzung setzen, es hat jedoch zu prüfen, ob allgemeingültige Wertungsmaßstäbe beachtet sind (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., 2. Ls., Rn. 20). Hält sich die Rücklage in dem vom Finanzstatut gezogenen Rahmen ist damit aber im Allgemeinen keine Vermutung der Angemessenheit verbunden (a. A. noch VGH München, Beschl. v. 30.7.2012, 22 ZB 11.1509, juris Rn. 34; VG Braunschweig, Urt. v. 20.4.2017, 1 A 40/16, UA S. 12 f.; VG München, Urt. v. 20.1.2015, M 16 K 13.2277, juris Rn. 18), sondern bleibt insbesondere das haushaltsrechtliche Gebot der Schätzgenauigkeit zu prüfen (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20; VGH Mannheim, Urt. v. 2.11.2016, 6 S 1261/14, juris Rn. 36; VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 345). Ob davon eine Ausnahme dann zu machen ist, wenn sich die Ausgleichsrücklage an der Untergrenze des durch das Finanzstatut gezogenen Rahmens bewegt und lediglich 26, 30 oder 36,82 v. H. des Betriebsaufwands erreicht (so VG Köln, Urt. v. 15.2.2017, 1 K 1473/16, GewArch 2017, 194, juris Rn. 82, zustimmend VG Schleswig, Urt. v. 15.2.2018, 12 A 173/16, juris Rn. 33; VG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2017, 20 K 5579/17, juris Rn. 35; VG Mainz, Urt. v. 10.11.2017, 4 K 1310/16.MZ, juris Rn. 28), kann dahinstehen, da die Ausgleichsrücklage der Beklagten im Geschäftsjahr 2011 nahezu die Höchstgrenze von 50 v. H. des geplanten Betriebsaufwands ausmacht.

66

Das Gebot der Schätzgenauigkeit erfordert eine Prognose, die aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfällt. Die Prognose muss sich im Fall der Ausgleichsrücklage darauf beziehen, in welcher Höhe Schwankungen im Beitragsaufkommen zu besorgen sind. Einerseits müssen die in Ansatz gebrachten Schwankungen im Beitragsaufkommen weder sicher noch auch nur überwiegend wahrscheinlich sein. Vielmehr sind aller Voraussicht nach im Geschäftsjahr eintretende Einbußen bereits im Haushaltsansatz des Beitragsaufkommens zu berücksichtigen, da dieser Haushaltsansatz ebenfalls dem haushaltsrechtlichen Gebot der Schätzgenauigkeit unterliegt. Die Ausgleichsrücklage sichert das ungewisse Risiko zu befürchtender Beitragsausfälle ab. Andererseits dürfen die angenommenen Schwankungen im Beitragsaufkommen auch nicht so unwahrscheinlich sein, dass ihre Annahme rein spekulativ erscheint oder das abgesicherte Risiko nur in einem fernliegenden „worst case“ eintreten kann. Eine nachvollziehbare Prognose bedarf einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Die vorliegend in Ansatz gebrachte Ausgleichsrücklage könnte daher nur mit einer auf hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten gründenden Prognose gerechtfertigt werden, dass die mit ihr auszugleichenden Schwankungen im Beitragsaufkommen möglicherweise bis fast zur Hälfte des Betriebsaufwands reichen könnten. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20), die für eine Liquiditätsrücklage von annähernd 50 v. H. der laufenden Ausgaben gefordert hat, dass das Risiko eines kurzfristigen Liquiditätsausfalls in dieser Höhe sich aus Erfahrungen der Beitragsveranlagungen belegen läßt.

67

Ausgehend von diesem Maßstab findet die fast vollständige Ausschöpfung des vom Finanzstatut gezogenen Rahmens bis nahe an die Höchstgrenze von 50 v. H. des Betriebsaufwands keine Rechtfertigung. Im Einzelnen:

68

Tatsächliche Anhaltspunkte, aufgrund derer das Risiko von Beitragsschwankungen mit fast der Hälfte des Betriebsaufwands hätte abgeschätzt werden können, ergeben sich weder aus den Beschlüssen des Plenums, die bis zum Ende des Geschäftsjahres 2011 die Ausgleichsrücklage auf 20.500.000,-- Euro haben anwachsen lassen, noch aus den Protokollen vorbereitender Gremiensitzungen. Bei Einführung der Ausgleichsrücklage mit einer Bandbreite zwischen 30 bis 50 v. H. des Betriebsaufwands durch § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 heißt es zur Erläuterung lediglich, „die zwingend vorgeschriebene Ausgleichsrücklage solle 30-50 Prozent des Jahresbudgets betragen“ (Plenarsitzung v. 2.6.2005, TOP 6, S. 9 f.). Hinsichtlich der letzten Erhöhungen der Ausgleichsrücklage bis zu dem Stand im Geschäftsjahr 2011 ist in den Protokollen der Gremiensitzungen allenfalls dokumentiert, dass ohne die Erhöhung der durch § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 gezogene Rahmen noch nicht ausgeschöpft sei, aber kein sachlicher Grund dafür dargelegt, weshalb eine solche Ausschöpfung angezeigt sein könnte. Eine Erhöhung einer Rücklage, nur weil die Erhöhung nicht bereits vom Finanzstatut verboten ist, bliebe ohne einen auf den sachlichen Zweck der Rücklage bezogene Rechtfertigung und wäre damit sachfremd. Eine Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 1.000.000,-- Euro auf 20.000.000,-- Euro unter teilweiser Verwendung des Ergebnisses des Jahres 2009 hat das Plenum am 1. Juli 2010 ohne dokumentierte Diskussion beschlossen (Plenarsitzung v. 1.7.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 7). Der entsprechende Vorschlag des Innenausschusses (Sitzung des Innenausschusses v. 10.5.2010, TOP 1 Jahresabschluss 2009, S. 2) lässt keine Begründung erkennen. Innerhalb des Präsidiums (Sitzung des Präsidiums v. 3.6.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 4) ist insoweit lediglich geäußert worden, dass zur Ergebnisverwendung „entsprechend dem gewachsenen Betriebsaufwand 1 Millionen Euro der Ausgleichsrücklage, 1,5 Millionen Euro der Rücklage für Pensionsrisiken und 0,5 Millionen Euro der Umbau- und Instandhaltungsrücklage zuzuführen“ seien. Sodann hat die Beklagte die Erlöse aus der Auflösung von Jubiläumsrückstellungen in Höhe von 186.418,-- Euro in die Ausgleichsrücklage eingestellt, die somit in der am 25. März 2011 von Präses und Hauptgeschäftsführer vorgelegten Bilanz 2010 eine Höhe von 20.186.418,-- Euro aufwies (Jahresabschluss 2010, S. 19). Eine weitere Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 313.582,-- Euro hat das Plenum am 7. Juli 2011 zur teilweisen Verwendung des Ergebnisses aus 2010 vorgenommen (Plenarsitzung v. 7.7.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 7 f.). Nähere Begründungen finden sich in den Sitzungsniederschriften des Innenausschusses (v. 11.5.2011), des Präsidiums (v. 9.6.2011) und des Plenums (v. 7.7.2011) nicht. In der Beschlussvorlage an das Präsidium (v. 31.5.2011) ist nur ausgeführt, zunächst solle „die Ausgleichsrücklage wieder dicht an den möglichen Wert (50 % des Betriebsaufwands) ‚aufgerundet‘ werden“.

69

Auch im Übrigen finden sich keine tatsächlichen Anhaltspunkte, die ex ante eine Prognose von Beitragsschwankungen bis zu 50 v. H. des Betriebsaufwands zugelassen hätten. Die Beklagte bringt schriftsätzlich vor, zu Schwankungen im Beitragsaufkommen könnten konjunkturbedingte Schwankungen, der Ausfall einzelner großer Beitragszahler und die Orientierung des Kammerbeitrags an dem erst nach mehreren Jahren endgültig feststehenden Gewerbeertrag führen. Soweit die Beklagte zum Zweck der Quantifizierung Zahlen vorlegt, sind diese nur rechnerisch nachvollziehbar. Die Beklagte veranschlagt für konjunkturelle Schwankungen 15 v. H. der geplanten Beiträge, ausgehend davon, dass das Gewerbesteueraufkommen in den Jahren 1999 bis 2001 um 17 v. H. und in den Jahren 2008 bis 2009 um 19 v. H. rückläufig gewesen sei. Der Anteil von 15 v. H. müsse multipliziert werden mit zwei bis vier, um zwei bis vier Jahre andauernde Schwankungen abzubilden. Für das Risiko des Ausfalls großer Beitragszahler werde ein weiterer Betrag von 1.000.000,-- Euro angesetzt, dies entspreche dem Beitrag der beiden größten einzelnen Beitragszahler. Für das Schwankungsrisiko endgültiger Beitragsabrechnungen werde der Zehnjahresdurchschnitt der Umlagen aus dem Vorjahr angenommen und dieser Wert um 1.000.000,-- Euro verringert. Dieses von der Beklagten vorgetragene Rechenmodell entbehrt einer nachvollziehbaren tatsächlichen Grundlage. Zum einen ist bereits die gedankliche unmittelbare Anknüpfung der Höhe der Ausgleichsrücklage an das erwartete Beitragsaufkommen unplausibel. Da ein Anteil von zweimal bis viermal 15 v. H., also 30 bis 60 v. H., des Beitragsaufkommens veranschlagt wird, wäre nach der Berechnung der Beklagten die Ausgleichsrücklage umso höher anzusetzen, je höher das zu erwartende Beitragsaufkommen ist. Dies ist nicht nachvollziehbar. Zum anderen lässt sich die Höhe der Ausgleichsrücklage entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht auf die Erfahrungen der Beitragsveranlagungen der vergangenen Jahre stützen. Dazu im Folgenden:

70

Wie hoch die einzelnen Rücklagen sein dürfen, hängt hinsichtlich der eingehenden Mitgliedsbeiträge von bestehenden Erfahrungen der Kammer selbst und sonst von den anstehenden Finanzierungsvorhaben ab (Wiemers, NVwZ 2016, 615, 616). Zwar wäre der Umkehrschluss nicht richtig, dass die Bildung oder Beibehaltung von Rücklagen allein deswegen ausgeschlossen wäre, weil in der Vergangenheit befürchtete Risiken tatsächlich nicht eingetreten sind (VG Mainz, Urt. v. 10.11.2017, 4 K 1310/16.MZ, juris Rn. 28 a. E.). Doch bedarf es stets positiv tragfähiger Anhaltspunkte, die im jeweiligen Geschäftsjahr ex ante die Bildung oder Beibehaltung einer Rücklage in bestimmter Höhe vertretbar erscheinen lassen. Dabei sind insbesondere die Erfahrungen in den letzten Jahren zu berücksichtigen (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 372). Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20) hat gefordert, dass ein der Rücklage entsprechendes Risiko sich aus den Erfahrungen der Beitragsveranlagungen belegen lassen muss.

71

In die für das Geschäftsjahr 2011 anzustellende Risikoprognose hätte die Beklagte ihre Erfahrung einstellen müssen, dass sie die Ausgleichsrücklage in der Vergangenheit zu keiner Zeit – selbst nicht in den Zeiten der Finanzkrise – hatte in Anspruch nehmen müssen. Die Ausgleichsrücklage dient der Vorsorge, um bei einem verringerten Beitragsaufkommen die Kammertätigkeit fortzuführen. Sie ist über Jahre hinweg ungeachtet konjunktureller Schwankungen nicht verringert, sondern noch erhöht worden. Musste die Ausgleichsrücklage in der Vergangenheit bei konjunkturellen Krisen nicht in Anspruch genommen werden, so bedarf es besonderer Umstände, aus denen sich das durch die Rücklage abzusichernde Risiko schwankender Beitragsaufkommen erhöht, um zu rechtfertigen, dass sie bis zur Höchstgrenze aufrechterhalten wird. An solchen besonderen Umständen fehlt es jedoch.

72

Aus der Wirtschaftskrise 2008/2009 ergibt sich kein risikoerhöhender Umstand für das Beitragsaufkommen 2011. Vielmehr hat die Beklagte bereits in der Beschlussvorlage zur ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans 2011 (Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, S. 2) die Einschätzung mitgeteilt:

73

„Offensichtlich hat die Unternehmenssteuer-Reform des Jahres 2007 mit der veränderten Ermittlung des steuerlichen Gewerbeertrags ab 2008 zu einer Ausweitung der Gewerbeerträge geführt und somit die aus der Wirtschaftskrise resultierenden Einbußen ausgeglichen.“

74

Überdies hat die Beklagte – im Spannungsverhältnis zu ihrer soeben wiedergegebenen Einschätzung – die Auswirkungen der Wirtschaftskrise 2008/2009 bei dem für das Geschäftsjahr 2011 erwarteten Beitragsaufkommen mindernd in Ansatz gebracht und ausgeführt (Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, S. 3):

75

„Für die Erträge aus Handelskammerbeiträgen erwarten wir 35.325 TEUR (Plan 2010 mit Nachtrag 44.120 TEUR). Für die Veranlagung 2011 haben wir dabei konstante Bemessungsgrundlagen unterstellt; bei Reduzierung des Umlagesatzes von 0,31 auf 0,28 % des Gewerbeertrages ergäbe sich somit für die Position Umlagen lfd. Jahr im Vergleich zu 2010 ein Minus von knapp 2,9 Mio. EUR; wegen der insbesondere bei den Abrechnungen 2009 wirksam werdenden Auswirkungen der Finanzmarktkrise haben wir bei den Veranlagungen für alte Jahre sehr vorsichtig kalkuliert und gehen von einem Minus von 6 Mio. EUR gegenüber dem aktualisierten Plan 2010 aus. Bei voraussichtlich gleich bleibenden Mitgliederzahlen werden sich die Grundbeiträge etwa auf dem Niveau des Jahres 2010 bewegen.“

76

Eine zusätzliche Berücksichtigung von – zumal durch die Beklagten selbst in Abrede gestellten – negativen Auswirkungen der Wirtschaftskrise 2008/2009 bei der Ausgleichsrücklage erscheint daher ausgeschlossen.

77

Besondere neue Gesichtspunkte, die geeignet gewesen wären, die hohe Ausgleichsrücklage zu rechtfertigen, sind auch nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres 2011 aufgetreten. In dem am 25. März 2011 erstatteten Lagebericht zur Bilanz 2010 haben Präses und Hauptgeschäftsführer ausgeführt: Die Hamburger Wirtschaft habe sich nach dem krisenbedingten Tief im ersten Quartal 2009 schnell erholt und es zeige sich nach Wirtschaftszweigen ein durchgehend positives Bild (S. 5). Die Arbeit der Beklagten habe 2010 überwiegend im Zeichen der wirtschaftlichen Erholung gestanden (S. 6). Besondere Risiken, die für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Beklagten von Bedeutung sein könnten, bestünden nicht (S. 11). Die Geschäftsführung hat in Vorbereitung des Jahresabschlusses 2010 erläutert (Sitzung des Innenausschusses v. 11.5.2011, TOP 1 Jahresabschluss 2010, S. 2), dass die allgemeine Beitragsentwicklung ausgesprochen positiv zu bewerten sei, es „zeige der Beitragsverlauf des aktuellen Jahres, dass mit Einbrüchen nicht zu rechnen sei“. In Vorbereitung des Zweiten Nachtrags zum Wirtschaftsplan 2011 hat die Geschäftsführung (Sitzung des Innenausschusses v. 19.9.2011, TOP 1 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2) „von der weiterhin positiven Beitragsentwicklung“ berichtet, „der erwartete Rückgang der Beiträge aufgrund der Senkung des Umlagesatzes und der Auswirkungen der Lehman-Krise 2008/2009 sei ausgeblieben“.

78

bb) Die im Geschäftsjahr 2011 aufrechterhaltene Umbau-/Instandhaltungsrücklage ist allenfalls dem Grunde nach rechtmäßig, jedenfalls aber überhöht.

79

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage war im Zuge des Jahresabschlusses 2009 am 1. Juli 2010 von 6.333.439,80 Euro um 500.000,-- Euro auf 6.833.439,80 Euro erhöht worden (vgl. Jahresabschluss 2009, S. 4). Mit dem erst nach dem Jahresabschluss 2009 beschlossenen Ersten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2010 (v. 4.11.2010, Amtl. Anz. S. 2234, vorbereitend Präsidiumssitzung v. 7.10.2010, TOP 3 b Nachtragswirtschaftsplan 2010, S. 5) war ein weiterer Betrag von 4.300.000,-- Euro in die Umbau-/Instandhaltungsrücklage eingestellt worden. Die Rücklage hat damit im Geschäftsjahr 2011 entsprechend dem im Jahresabschluss 2010 am 7. Juli 2011 ausgewiesenen Stand eine Höhe von 11.133.439,80 Euro erreicht. Die nachfolgende Erhöhung der Rücklage für Umbauten um 8.000.000,-- Euro sowie für Instandhaltungen um 2.000.000,-- Euro im Zuge des Jahresabschlusses 2011 am 5. Juli 2012 ist im Geschäftsjahr 2011 nicht mehr wirksam geworden und bleibt deshalb für die Wirtschaftsplanung 2011 außer Betracht.

80

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage könnte dem Grunde nach rechtmäßig sein, was aber letztlich dahinstehen kann. Der Bildung dieser Rücklage steht jedenfalls nicht bereits das Satzungsrecht entgegen. Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 und 4 FSt 2005 dürfen neben der verpflichtend vorgesehenen Ausgleichsrücklage „andere Rücklagen“ gebildet werden. Wie jede Rücklage bedarf die Umbau-/Instandhaltungsrücklage mit Rücksicht auf das eine bloße Vermögensmehrung verbietende Kostendeckungsprinzip der Rechtfertigung durch einen hinreichenden sachlichen Zweck (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20). Dieser sachliche Zweck bedarf aufgrund dessen einer weitergehenden (besonderen) Konkretisierung als dies bei der (allgemeinen) Ausgleichsrücklage zu fordern ist. Dieses gesetzliche Erfordernis kommt nunmehr zum Ausdruck in dem – neueren und für das Geschäftsjahr 2011 allerdings nicht anwendbaren – Finanzstatut der Beklagten (v. 23.5.2013, Amtl. Anz. S. 915 – FSt 2013), wonach die Bildung von „zweckbestimmten Rücklagen“ („anderen Rücklagen“) zulässig ist, jedoch der Verwendungszweck und der Umfang hinreichend zu konkretisieren sind (§ 15a Abs. 2 Satz 3 bis 5 FSt 2013). Teilweise wird bereits aus dem Gesetz gefolgert, dass „andere Rücklagen“ als die Ausgleichsrücklage einer strengen Zweckbindung unterliegen und fest umrissen ein genau definiertes Risiko abdecken, ihre Bildung auch mit einem Zeitplan unterlegt ist, innerhalb dessen die Rücklagen für den vorgesehenen Zweck zu verbrauchen (aufzulösen) sind (Jahn, GewArch 2016, 263, 267). Bei strenger Handhabung dieser Vorgaben wäre die Aufrechterhaltung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage im Geschäftsjahr 2011 bereits dem Grunde nach zumindest zweifelhaft. Eine sachliche Konkretisierung geringen Grades und auch nur hinsichtlich eines Teil des Rücklagenzwecks könnte jedoch daraus hergeleitet werden, dass der Immobilienbestand im Verwaltungsgebrauch der Beklagten in einem funktionsfähigen Zustand gehalten werden muss. Eine zeitliche Konkretisierung könnte hinsichtlich des Teilzwecks „Instandhaltung“ dann für entbehrlich gehalten werden, wenn auf einen sich etwaig unerwartet aktualisierenden Instandhaltungsbedarf abgestellt würde. Hinsichtlich des Teilzwecks „Umbau“ bietet sich allerdings keine entsprechende Möglichkeit einer Rechtfertigung. Wenngleich die von der Beklagten vorgebrachte Überlegung, die für bauliche Maßnahmen oder ähnliche erhebliche Investitionsmaßnahmen voraussichtlich benötigten Mittel vorher sukzessive aufzubauen, nachvollziehbar ist, muss doch zumindest für eine Rücklage für eine über die bloße Instandhaltung hinausgehende Sanierungs- oder Umbaumaßnahme bereits ein gewisser sachlicher und zeitlicher Planungsstand erreicht sein, um mit der Rücklagenbildung nicht eine bloße Vermögensmehrung auf Vorrat zu betreiben.

81

Jedenfalls der Höhe nach ist die Umbau-/Instandhaltungsrücklage im Geschäftsjahr 2011 nicht zu rechtfertigen. Das Maß der Rücklage ist entgegen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigten Anforderungen nicht vom sachlichen Zweck der Rücklage gedeckt.

82

Dabei kann dahinstehen, ob dem Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris Rn. 45) darin zu folgen ist, dass bereits die in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 ausgewiesene Umbau-/Instandsetzungsrücklage von damals 5.333.439,80 Euro – die 10 v. H. des damaligen Versicherungswerts der von der Beklagten genutzten Gebäude A.-Straße x und S.-Straße x entsprach – überhöht war. Auch die Rechtmäßigkeit der weiteren, geringeren Erhöhungen der Rücklage bis zum Stand von 6.833.439,80 Euro im Jahresabschluss 2009 kann dahinstehen. Jedenfalls hätte die am 4. November 2010 vorgenommene erhebliche Aufstockung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage um 4.300.000,-- Euro im Geschäftsjahr 2011 nicht aufrechterhalten bleiben dürfen. Ein noch bei Abschluss der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 am 3. November 2011 tragfähiger Grund für die erhöhte Rücklage ist nicht ersichtlich.

83

Keine Rechtfertigung findet die erhöhte Rücklage darin, dass sich im Jahr 2011 im Handelskammergebäude im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss an der Verbindung zwischen dem Börsensaal und dem Foyer Risse gezeigt hatten (dazu Beschlussvorlage für die Präsidiumssitzung v. 9.6.2011, TOP 3 Jahresrechnung 2010, S. 2). Innerhalb des Präsidiums (Sitzung v. 9.6.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 6) war allerdings zunächst angemerkt worden, dass die „Risse im Eingangsbereich des Handelskammergebäudes, […] erhebliche Renovierungskosten“ nach sich zu ziehen drohten, und insoweit ein Betrag von 4.300.000,-- Euro genannt worden. Doch hat der Hauptgeschäftsführer in einer weiteren Präsidiumssitzung (Sitzung v. 6.10.2011, TOP 3 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2) diesen Befürchtungen die Grundlage entzogen, indem er erläutert hat:

84

„Die ursprünglich geplanten Rücklagen für die Sanierung des Gebäudes unserer Handelskammer aufgrund des Risses in der Fassade würden voraussichtlich nicht in der Höhe benötigt werden. Das vorliegende Gutachten eines renommierten Hamburger Architekten beziffere die notwendigen Ausgaben zur Beseitigung des Risses auf lediglich mehrere 10.000 Euro. Eine größere Instandsetzung sei nach Auffassung dieses Architekten nicht notwendig.“

85

Wenngleich der Präses sich in der Präsidiumssitzung „aufgrund der potentiell drohenden Schäden für das Gebäude“ für ein „zweites Gutachten in Bezug auf die Sanierung des Gebäudes“ ausgesprochen hat, ist kein belastbarer Anhaltspunkt dafür ersichtlich, die vorherige Erhöhung der Rücklage um 4.300.000,-- Euro aus einem lediglich „potentiellen“ Grund aufrechtzuerhalten.

86

Die 2010 vorgenommene Erhöhung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage um 4.300.000,-- Euro lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass das Plenum 2011 die Entscheidung zugunsten eines Erweiterungsbaus getroffen hat (Plenarsitzung v. 3.3.2011, TOP 3 Beschlussfassung über einen Erweiterungsbau der Handelskammer „Handelskammer Innovations-Campus, HKIC“, S. 7 f.). Für das Gesamtprojekt wurde dabei ein Bedarf von 13.592.000,-- Euro in Ansatz gebracht. In der Finanzplanung für das Geschäftsjahr 2011 wurden gemäß dem Ersten Nachtrag zum Wirtschaftsplan zunächst Investitionskosten von 6.997.000,-- Euro veranschlagt (Beschlussvorschlag in Anlage 2 b zu TOP 5 zu der auf den 3.3.2011 vertagten Plenarsitzung v. 3.2.2011, S. 1, S. 3, Nr. 11 im Finanzplan) und dieser Ansatz sodann im Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan (Beschlussvorschlag in Anlage TOP 4 b zur Plenarsitzung v. 3.11.2011, S. 2, S. 6, Nr. 11 im Finanzplan) wegen aufgetretener Verzögerungen verringert. Keinen Raum ließ die Investitionsentscheidung für eine – nochmalige – Berücksichtigung bei der Umbau-/Instandhaltungsrücklage. Die Aktualisierung von Umbauplänen unter Ansatz entsprechender Aufwendungen im Wirtschaftsplan deutet eher darauf hin, die Berechtigung einer bisherigen Rücklage für noch nicht aktuelle Baumaßnahmen zu überdenken. Eine Sicherheitsreserve für Unvorhergesehenes war bereits innerhalb der in Ansatz gebrachten Investitionskosten des Gesamtprojekts Erweiterungsbau i. H. v. 1.500.000,-- Euro veranschlagt worden.

87

Ferner durfte die Beklagte im Geschäftsjahr 2011 die um 4.300.000,-- Euro erhöhte Umbau-/Instandhaltungsrücklage nicht deshalb aufrechterhalten, weil das am 5. April 2012 und damit nach Abschluss des Geschäftsjahres 2011 vorgelegte Architektengutachten einen Mittelbedarf für beabsichtigte Sanierungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Erhaltung der Bausubstanz von 14.747.235,65 Euro ausweist. Aus der späteren Vorlage des Architektengutachtens kann nicht darauf geschlossen werden, dass bereits im Geschäftsjahr 2011 eine Rücklage in dieser Größenordnung für damals anstehende Umbau- oder Instandhaltungsmaßnahmen berechtigt gewesen wäre. Die Beklagte selbst hat das Architektengutachten nicht als nachträgliche Rechtfertigung der übernommenen Rücklagenhöhe gebraucht, sondern im Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2011 am 5. Juli 2012 und damit im zeitlichen Zusammenhang mit der Vorlage des Architektengutachtens die Rücklage für Umbauten um weitere 8.000.000,-- Euro sowie für Instandhaltungen um weitere 2.000.000,-- Euro auf insgesamt 21.133.439,80 Euro erhöht.

88

Schließlich rechtfertigt sich die Höhe der Umbau-/Instandhaltungsrücklage nicht aus den kleineren und größeren laufenden Arbeiten und Instandhaltungen an den Kammergebäuden. So waren bereits nach der ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans für das Geschäftsjahr 2011 für laufende Instandhaltung und größere Umbaumaßnahmen insgesamt 1.560.000,-- Euro vorgesehen, darunter für die Dachsanierung über dem Börsensaal 300.000,-- Euro, für den Austausch von Fenstern im Obergeschoss an der Johannisstraße 100.000,-- Euro, für die Modernisierung der Klimatechnik in den Sitzungssälen 150.000,-- Euro sowie den Abschluss der Modernisierung der Commerzbibliothek 300.000,-- Euro (Beschlussvorschlag, Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, Wirtschaftsplan 2011, S. 5). Für zunächst bereits im Vorjahr 2010 beabsichtigt gewesene und erst im Geschäftsjahr 2011 durchgeführte Instandhaltungsmaßnahmen wurde der geplante Aufwand um etwa 300.000,-- Euro erhöht (Beschlussvorschlag, Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, Zweiter Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2).

89

cc) Die Rücklage für Sonderprojekte, in die im Geschäftsjahr 2011 ebenso wie in den Vorjahren durchgängig ein Betrag von 3.900.000,-- Euro eingestellt war, ist überhöht.

90

Eine Rechtmäßigkeit dieser Rücklage dem Grunde nach kann dahinstehen. Es könnte an jeglicher sachlicher und zeitlicher Konkretisierung fehlen, so dass die vom Bundesverwaltungsgericht als zwingende Voraussetzung geforderte Einhaltung des Gebots der Schätzgenauigkeit unmöglich sein könnte. Für eine Rechtmäßigkeit könnte allenfalls ins Feld geführt werden, dass auf Ausgabenseite unvorhergesehene und unvorhersehbare Umstände während des laufenden Geschäftsjahres zu entsprechenden Aufwendungen für unvorhergesehene Vorhaben („Sonderprojekte“) führen können, so dass für das Unvorhergesehene vorab Mittel reserviert werden könnten. Die Beklagte bringt hierzu vor, die Rücklage solle kurzfristige Handlungsspielräume für notwendige ad-hoc-Aktivitäten schaffen.

91

Zumindest ist die Rücklage der Höhe nach rechtswidrig. Da im Geschäftsjahr geplante Aufwendungen wegen des Gebots der Schätzgenauigkeit bereits im Betriebsaufwand zu berücksichtigen sind, können Rücklagen neben dem Risiko zukünftiger Ertragsausfälle (dazu s. o. aa)) nur das Risiko bestimmter zukünftiger, noch nicht aktueller Aufwendungen abdecken. Es ist nicht nachvollziehbar, dass noch nicht im Betriebsaufwand berücksichtigte „Sonderprojekte“ in Höhe von immerhin 9,6 v. H. des Betriebsaufwands von 41.337.000,-- Euro zu erwarten gewesen wären. Falls die Rücklage für Sonderprojekte dem Grunde nach gerechtfertigt wäre, so trüge diese Rechtfertigung allein die Vorsorge für unvorhersehbare Projekte mit einem Aufwand in einer gegenüber dem Gesamthaushalt untergeordneten, eine gesonderte Nachtragswirtschaftsplanung nicht rechtfertigenden Höhe. Das Plenum muss die Entscheidungen über die wesentlichen Haushaltsansätze selbst konkret treffen und darf sie nicht dem Präsidium oder der Geschäftsführung der Kammer überlassen. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, das Plenum habe in Ausübung seines Beurteilungsspielraums über die Rücklagenhöhe entschieden und andere Organe könnten im Rahmen der getroffenen grundlegenden Weichenstellungen agieren, dürfte dies in dieser Allgemeinheit hier nicht zutreffend sein. Denn in der erheblichen Größenordnung von einem Zehntel des Betriebsaufwands fehlt es an grundlegenden Weichenstellungen durch das Plenum als Haushaltsgeber.

92

Auch der Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, bei jedem Bauprojekt bringe der Architekt einen Anteil von 10 v. H. für Unvorhergesehenes in Ansatz, lässt keine Rechtfertigung der Höhe des Rücklage für Sonderprojekte erkennen. Es steht nicht die Abschätzung des sich in der Zukunft entwickelnden Aufwands für ein sachlich und zeitlich bestimmt bezeichnetes Vorhaben in Rede. Vielmehr dient die Rücklage für Sonderprojekte der Vorsorge dazu, die Kosten für in der Zukunft erst noch ad hoc aufzugreifende Vorhaben zu decken.

93

Der von der Beklagten vorgetragene Strauß an möglichen Sonderprojekten ist nicht geeignet, die Rücklagenhöhe zu rechtfertigen. Die Beklagte trägt vor, dass 1.000.000,-- Euro für „standortpolitisch bedeutsame Projekte“, 2.000.000,-- Euro für die Unterstützung einer neuen Olympia-Bewerbung, eventuelle Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 sowie die „aktuelle Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten“ und weitere 900.000,-- Euro ohne besondere Zuordnung in Ansatz gebracht worden seien. Die Vielfalt denkbarer Zwecke verdeutlicht, dass es zumindest bei einer Rücklage in der in Rede stehenden Größenordnung an einer Konkretisierung des Rücklagenzwecks gemangelt hat. Ein Teilbetrag der Rücklage von 900.000,-- Euro wird überdies auch von der Beklagten keinem genaueren Zweck als dem der „Sonderprojekte“ zugeordnet.

94

dd) Die Rechtmäßigkeit der durch den Wirtschaftsplan nach Abschnitt I WirtS 2011 aufrechterhaltenen Rücklage BID N. in Höhe von 1.000.000,-- Euro kann nach dem Vorstehenden dahinstehen. Der betreffende Business Improvement District (BID) wurde erst im Jahr 2014 durch die Verordnung zur Einrichtung des Innovationsbereichs N. (v. 5.8.2014, HmbGVBl. S. 334) mit einem Gesamtaufwand von 9.320.000,-- Euro (§ 4) einschließlich einer Verwaltungspauschale von 20.000,-- Euro (§ 5) für die Laufzeit von fünf Jahren (§ 6) für einen das von der Beklagten genutzte Hauptgebäude an der A.-Straße einschließenden Innovationsbereich (§ 2) eingerichtet. Offen bleiben kann, ob die Aufrechterhaltung einer Rücklage von 1.000.000,-- Euro in der langjährig vorausgehenden Planungsphase mit dem Kostendeckungsprinzip vereinbar gewesen ist. Überlegenswert erschienen wäre allenfalls, den Betrag zurückzulegen, der im Fall der Einrichtung des Innovationsbereichs einem jährlichen Anliegerbeitrag entsprochen hätte.

95

ee) Die Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer für das Geschäftsjahr 2011 ist darüber hinaus deshalb fehlerhaft, weil der vorhandene positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nach der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 keiner sachlichen Verwendung zugeführt werden sollte.

96

Nach dem am 7. Juli 2011 festgestellten Jahresabschluss 2010 wurde ein positives Ergebnis in Höhe von 5.711.000,-- Euro in das Geschäftsjahr 2011 vorgetragen. Die Wirtschaftsplanung ging dahin, dass dieser Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 in keiner Weise zugunsten der Beitragszahler zur Kostendeckung im Geschäftsjahr 2011 verwendet werden sollte. Vielmehr sollte der Ergebnisvortrag aus 2010 in einem geplanten positiven Ergebnis aus 2011 fortgeschrieben werden. Darin liegt ein Verstoß gegen das Verbot der Gewinnorientierung, das der Kammer untersagt, ihre Tätigkeit auf eine bloße Vermögensmehrung anzulegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17). Im Einzelnen:

97

In der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 hat die Beklagte den Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nicht dazu genutzt, im Rahmen zulässiger Vorsorge eine neue angemessene Rücklage zu bilden. Auch hat sie den positiven Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 in der Wirtschaftsplanung 2011 nicht dazu verwendet, ein zu erwartendes negatives Jahresergebnis aus dem Geschäftsjahr 2011 auszugleichen und auf diese Weise die anfallenden Betriebsaufwendungen mitzutragen. Vielmehr hatte die Beklagte im Erfolgsplan nach der ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans für das Geschäftsjahr 2011 vom 4. November 2010 zunächst ein neutrales Jahresergebnis von 0,-- Euro erwartet. Im Erfolgsplan, wie er dem Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan vom 3. November 2011 zugrunde lag, hat die Beklagte aus dem Geschäftsjahr 2011 ein hohes positives Jahresergebnis von 6.655.000,-- Euro (Nr. 20) erwartet, das sich angesichts fehlender Entnahmen aus Rücklagen (Nr. 22) und Einstellungen in Rücklagen (Nr. 23) nach Addition mit dem hohen positiven Ergebnisvortrag aus 2010 von 5.711.000,-- Euro (Nr. 21) zu einem noch höheren positiven Ergebnis des Jahres 2011 von 12.366.000,-- Euro (Nr. 24) aufsummieren sollte.

98

Der bereits feststehende positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010, der im Geschäftsjahr 2011 nicht zur Kostendeckung verwendet werden, sondern ins Folgejahr 2012 fortgeschrieben werden sollte, kommt der Bildung einer nicht einem sachlichen Zweck dienenden Rücklage gleich. Eine solche Rücklage ist nach dem Maßstab der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17; s. o. c)) als bloße Vermögensmehrung unzulässig. Die Kammer darf im Rahmen ihrer Wirtschaftsplanung nicht von vornherein einen Überschuss ihrer Beitragseinnahmen über die erforderlichen Aufwendungen gezielt zur Vermögensbildung planen (Jahn, GewArch 2016, 263, 265).

99

Die Beklagte hat noch im Geschäftsjahr 2011 eingeräumt, dass dieses „überplanmäßig“ verlaufe (Schriftsatz v. 26.10.2011). Sie hätte spätestens bei Befassung über den Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung am 3. November 2011 dafür Sorge tragen müssen, dass angesichts des seit dem 7. Juli 2011 feststehenden Überschusses aus dem Vorjahr dem Kostendeckungsprinzip noch im Geschäftsjahr 2011 Genüge getan wird. Der Beklagten hätten dafür verschiedene Wege zu Gebote gestanden. Die Beklagte war nicht auf einen bestimmten Weg festgelegt, jedoch darauf, einen das Kostendeckungsprinzip achtenden Weg einzuschlagen. Etwa hätte die Beklagte das Vorjahresergebnis im Rahmen zulässiger Vorsorge einer neuen angemessenen Rücklage zuführen können. Auch hätte die Beklagte das positive Vorjahresergebnis zum Ausgleich eines negativen Jahresergebnisses verwenden können. Dies hätte allerdings vorausgesetzt, dass die Beklagte nach ihrer Wahl die geplanten Aufwendungen erhöht hätte oder die geplanten Erträge gesenkt hätte. Die geplanten Aufwendungen hätte die Beklagte etwa dadurch erhöhen können, dass sie im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenkreises nach § 1 Abs. 1 IHKG sowie im Rahmen der Gebote von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und der pfleglichen Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG ihre Tätigkeiten ausgeweitet hätte. Die geplanten Erträge hätte die Beklagte etwa dadurch verringern können, dass sie hinsichtlich der für das Geschäftsjahr 2011 zu leistenden Kammerbeiträge den Grundbeitrag und/oder die Umlage verringert und/oder die Freigrenzen erhöht hätte.

100

Dahinstehen kann, ob die Beklagte nach Feststellung des Überschusses aus dem Vorjahr am 7. Juli 2011 eine Verringerung der Beitragssätze noch im laufenden Jahr hätte unterlassen dürfen, wenn ihr unüberwindliche praktische Hindernisse entgegengestanden hätten. Letzteres ist nicht erkennbar. Dies folgt aus dem bereits dargestellten (s. o. 1.) System der Beitragserhebung zunächst aufgrund vorläufiger Veranlagung und sodann aufgrund endgültiger Abrechnung. Auch ausgehend von der Unterstellung, dass am 7. Juli 2011 alle Beitragspflichtigen bereits durch einen ersten Beitragsbescheid im Wege der „vorläufigen Veranlagung“ nach § 15 Abs. 3 BO zum Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 herangezogen worden wären, hätte doch gegenüber allen Beitragspflichtigen eine endgültige Abrechnung ausgestanden. Unerheblich ist dabei, dass die endgültige Abrechnung ursprünglich nur der Einstellung der für die Beitragsfestsetzung maßgebenden Parameter dienen sollte. Das vorhandene Instrumentarium hätte ohne Schwierigkeiten dafür genutzt werden können, zugunsten der Beitragspflichtigen des Geschäftsjahres 2011 bei der anstehenden endgültigen Abrechnung einen verringerten Grundbeitrag und/oder einen verringerten Umlagesatz und/oder eine erhöhte Freigrenze zu berücksichtigen. Auf der kalkulatorischen Grundlage der endgültigen Abrechnung wäre in dem Fall, dass sich ein geringerer Gesamtbetrag ergeben hätte, der erste Beitragsbescheid durch einen zweiten Beitragsbescheid teilweise aufzuheben gewesen. In dem Fall, dass sich ein höherer Betrag ergeben hätte, wäre neben dem fortbestehenden ersten Beitragsbescheid eine weitere Festsetzung durch einen zweiten Beitragsbescheid vorzunehmen gewesen.

101

Eine etwaige Verwendung des im Geschäftsjahr 2011 erzielten positiven Ergebnisses in den Folgejahren genügt nicht, um das geschäftsjährlich und ex ante zu beachtende Kostendeckungsprinzip des § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG zu wahren. Vielmehr hätte das mit dem Jahresabschluss 2010 feststehende positive Ergebnis aus dem Vorjahr zugunsten der Beitragszahler des Geschäftsjahres 2011 für eine zulässige Rücklagenbildung, für höhere Aufwendungen oder für niedrigere Beitrage genutzt werden müssen. Die Erhebung von Beiträgen für eine bestimmte Beitragsperiode rechtfertigt sich nur in dem Umfang, wie sie zur Tragung sonst nicht gedeckter Kosten der Tätigkeit der Kammer erforderlich ist. Es verstößt gegen das Verbot der Gewinnorientierung, wenn die Kammer sehenden Auges Überschüsse erzielt und eine Reaktion erst für eine folgende Beitragsperiode in Aussicht gestellt hat. Dieser Fall ist hier gegeben. Das Präsidium hat dem Plenum vor der Beschlussfassung über den Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan 2011 berichtet (Plenarsitzung v. 3.11.2011, TOP 4 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 7),

102

„dass entgegen der Planung und trotz Senkung des Umlagesatzes auch 2011 mit steigenden Erträgen aus Beiträgen und entsprechenden Überschüssen zu rechnen sei. Deshalb wolle die Handelskammer im nächsten Jahr eine spürbare Senkung der Beiträge vorschlagen.“

103

f) Der streitgegenständliche Beitragsbescheid kann auch nicht zum Teil aufrechterhalten bleiben. Die Feststellung des Mittelbedarfs für das Geschäftsjahr 2011 ist insgesamt fehlerhaft, weil in Abschnitt I WirtS 2011 überhöhte Rücklagen aufrechterhalten worden sind und ein positives Vorjahresergebnis keiner sachlichen Verwendung zugeführt worden ist (s. o. e)). Wegen dieser Fehler kann die Feststellung des Mittelbedarfs nicht als Maßgabe für die Beitragserhebung dienen. Die in Abschnitt II WirtS 2011 enthaltene abstrakte Festsetzung der Beiträge ist rechtswidrig und damit rechtsunwirksam, so dass sie keine taugliche Grundlage für eine konkrete Festsetzung der Beiträge bietet. In Übereinstimmung damit hat auch das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 11) angenommen, dass bei einem zur Rechtsunwirksamkeit führenden Fehler der Wirtschaftssatzung die konkrete Beitragserhebung insgesamt rechtswidrig ist.

104

II. Die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten unter Abwendungsbefugnis ist § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO zu entnehmen. Ein Grund, die Revision nach § 132 Abs. 1, Abs. 2 VwGO zuzulassen, ist nicht gegeben.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Industrie- und Handelskammer. Sie wendet sich gegen die Höhe ihrer Beiträge.

2

Zur Begründung ihrer Klage gegen den Beitragsbescheid vom 17. November 2011, mit dem die Beklagte die Beiträge für die Jahre 2005 bis 2008 festsetzte, und den Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2012 hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Beklagte bei der Beitragskalkulation Überschüsse aus den Vorjahren unberücksichtigt gelassen und unangemessen hohe Rücklagen gebildet habe. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe in allen vier Jahren bei der Festlegung der Liquiditäts- und Ausgleichsrücklage von ihrem Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht. Eine Liquiditätsrücklage zur Zwischenfinanzierung verspätet eingehender Beiträge und eine Ausgleichsrücklage zur Abdeckung von Beitragsausfällen in Höhe von jeweils 50 % des Jahresfinanzbedarfs seien unverhältnismäßig hoch. Diese Rücklagen überstiegen das abzudeckende Risiko um ein Vielfaches.

3

Auf die Berufung der beklagten Industrie- und Handelskammer hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil teilweise geändert. Die Beitragserhebung für die Jahre 2007 und 2008 sei zwar rechtswidrig; denn die Beklagte habe Gewinne aus Vorjahren bei der Beitragskalkulation unberücksichtigt gelassen. Hinsichtlich der Beitragsbescheide für die Jahre 2005 und 2006 sei die Klage aber unbegründet. Im Beitragsprozess sei eine gerichtliche Kontrolle der Rücklagenbildung nur insoweit möglich, als erhobene Beiträge kalkulatorisch wenigstens teilweise eine Zuführung zu den Rücklagen bewirkten. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG würden die Beiträge nach Maßgabe des Wirtschaftsplans aufgebracht. In den Jahren 2005 und 2006 sei jedoch keine Zuführung in die Liquiditätsrücklage geplant gewesen, so dass es insoweit an einer Beschwer der Klägerin durch die Beitragserhebung fehle. Eine fehlerhafte Wirtschaftsplanung könne nicht im Beitragsprozess, sondern nur mit einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage in Bezug auf die Haushaltsführung geltend gemacht werden.

4

Mit ihrer vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Aufhebung des Berufungsurteils. Zur Begründung verweist sie auf ihre Nichtzulassungsbeschwerde und auf den Zulassungsbeschluss. Sie beantragt sinngemäß,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. September 2014 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. November 2013 insgesamt zurückzuweisen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Revision zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

6

Sie hält die Revision für unzulässig, da eine ausreichende Revisionsbegründung fehle. Rein vorsorglich verteidigt sie das Berufungsurteil. Sie verweist darauf, dass einer Industrie- und Handelskammer bei der Wirtschaftsplanung ein weiter finanzpolitischer Gestaltungsspielraum zustehe. Die Wirtschaftshoheit gehöre im Sinne der Finanzhoheit zum Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie. Die Industrie- und Handelskammern seien einer internen und externen Rechnungskontrolle unterworfen. Eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle ihrer Haushaltsentscheidungen sei nicht vorgesehen, weswegen auch im Rahmen der Anfechtung eines Beitragsbescheides keine umfassende IHK-Haushaltsprüfung vorzunehmen sei. Eine im Einzelfall fehlerhafte Haushaltsentscheidung führe weder zur Unwirksamkeit des gesamten Haushalts, noch sei sie wegen des Prinzips der Jährlichkeit nach Ablauf des Haushaltsjahres reparabel. Sie wirke sich weder auf die Wirksamkeit des Beitragssystems noch auf die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides aus. Der Beitrag sei als Gegenleistung für die Vorteile anzusehen, die ein Mitglied aus der Kammerzugehörigkeit oder einer besonderen Tätigkeit der Kammern ziehe oder ziehen könne. Daraus folge, dass die Einhaltung der Haushaltsvorschriften nicht inzident bei der Beitragskontrolle zu prüfen sei. Sie könne allenfalls im Rahmen einer isolierten Feststellungs- und Unterlassungsklage geltend gemacht werden.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses bemängelt die Revisionsbegründung, hält die Revision in der Sache jedoch für begründet.

8

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin, über die der Senat nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, hat Erfolg.

10

1. Sie ist zulässig. Die Revisionsbegründung genügt noch den an sie zu stellenden Anforderungen (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Sie enthält einen bestimmten Antrag und nimmt zur Begründung der Rechtsverletzung auf das Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug. Zu den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung gehört eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und eine damit verbundene sachliche Auseinandersetzung mit den die Entscheidung des Berufungsgerichts tragenden Gründen, aus der hervorgeht, warum der Revisionskläger diese Begründung nicht als zutreffend erachtet (BVerwG, Urteil vom 3. März 1998 - 9 C 20.97 - BVerwGE 106, 202 <203>; Beschluss vom 12. Juni 2006 - 5 C 26.05 - NJW 2006, 3081 Rn. 2). Eine Bezugnahme auf Schriftsätze, die im Verfahren wegen der Nichtzulassung der Revision vorgelegt worden sind, ist als Begründung der zugelassenen Revision ausreichend, wenn die Beschwerdeschrift ausnahmsweise den Anforderungen (auch) an eine Revisionsbegründung genügt (BVerwG, Urteile vom 13. März 2008 - 7 C 44.07 - Buchholz 406.25 § 17 BImSchG Nr. 4 Rn. 12 und vom 16. Juni 2015 - 10 C 14.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:160615U10C14.14.0] - NVwZ 2015, 1610 Rn. 14). Das ist hier der Fall. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde enthält eine kritische Würdigung des Berufungsurteils im Hinblick auf dessen verfahrens- und materiellrechtliche Richtigkeit, auch wenn darin nicht auf alle Aspekte eingegangen wird.

11

2. Die Revision ist auch begründet. Das Berufungsgericht hätte die Berufung der Beklagten auch in Ansehung der Beitragsfestsetzung für 2005 und 2006 zurückweisen müssen; denn auch insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beitragsfestsetzungen stehen auch für diese beiden Jahre mit § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (Industrie- und Handelskammergesetz - IHKG) vom 18. Dezember 1956 (BGBl. I S. 920) in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 5 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2934) und des Art. 4 Nr. 5 des Gesetzes vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931) nicht im Einklang.

12

a) Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG werden die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG ist der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Mit Blick auf die Beitragserhebung legt das Gesetz damit eine zweistufige Willensbildung der Kammer zugrunde. Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) auf. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) gilt für ein Haushaltsjahr (Wirtschaftsjahr) und ist - als Plan - im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

13

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert damit nicht nur die Feststellung, ob der im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) festgesetzte Mittelbedarf der Kammer - die nicht durch Einnahmen (anderweitig) gedeckten Kosten ihrer Tätigkeit - durch eine Beitragsordnung rechtmäßig auf die Kammerzugehörigen umgelegt und ob die Beitragsordnung auch im Einzelfall fehlerfrei angewendet wurde. Geboten ist vielmehr ebenfalls die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen. Er ist auch der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit nicht entzogen. Beides wäre mit dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, gegen die Beitragserhebung der Industrie- und Handelskammer effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar.

14

Hiergegen kann die Beklagte nicht auf ihre Befugnis zur Selbstverwaltung verweisen. Hinter dieser Argumentation steht ersichtlich die Sorge, die gerichtliche Überprüfung könne eine kraftvolle Betätigung der Selbstverwaltung allzu sehr einengen. Diese Sorge ist unbegründet. Jede Autonomie besteht nur in den ihr vom Gesetz gezogenen Grenzen, und es ist Aufgabe der Gerichte, über die Einhaltung der gesetzlichen Grenzen zu wachen. Wie weit diese gerichtliche Kontrolle reicht, hängt davon ab, wie eng gezogen die gesetzlichen Grenzen sind. Wie noch (sogleich unten b) zu zeigen sein wird, besitzt die Kammer bei der Aufstellung ihres Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen sehr weiten Gestaltungsspielraum.

15

Das Berufungsgericht hält die gerichtliche Überprüfung der Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) zwar grundsätzlich für möglich, erklärt sie aber im Beitragsprozess für unzulässig und möchte sie einer gesonderten Unterlassungs- oder Feststellungsklage vorbehalten. Hierfür beruft es sich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, derzufolge ein Kammermitglied die Zahlung des Kammerbeitrags nicht mit Einwänden gegen die Beitragsverwendung verweigern darf (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 - 7 C 65.78 - BVerwGE 59, 242 <245 ff.>; OVG Koblenz, Urteil vom 13. April 2011 - 6 A 11076/10 - LKRZ 2011, 238). Dem liegt ein Missverständnis zugrunde. Die zitierte Rechtsprechung betrifft lediglich solche Einwände gegen die Beitragsverwendung, die sich gegen bestimmte Tätigkeiten der Kammer richten. Es trifft zu, dass ein Kammermitglied nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Kammer zwar gerichtlich auf Unterlassung von Tätigkeiten in Anspruch nehmen kann, die außerhalb ihres gesetzlichen Aufgabenkreises liegen (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 - 8 C 20.09 - BVerwGE 137, 171), dass es mit dieser Begründung jedoch nicht die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern kann (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 a.a.O.; stRspr). Dies findet seine Begründung darin, dass der Kammerbeitrag der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit dient und daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer einzelnen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Mit Blick auf die Kammertätigkeit ist der Kammerbeitrag daher verwendungsneutral. Das führt indes nicht dazu, die Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) im Beitragsprozess generell ungeprüft als gegeben hinzunehmen. Gerade die gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung selbst berühren das einzelne Kammermitglied regelmäßig nur über die Beitragspflicht; dann muss es deren Einhaltung gerade im Beitragsprozess zur gerichtlichen Prüfung stellen können.

16

b) Die Kammer besitzt bei der Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht freilich nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. August 2015 - 6 C 10.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:050815U6C10.14.0] - juris Rn. 42 und vom 14. Oktober 2015 - 6 C 17.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:141015U6C17.14.0] - juris Rn. 35). Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gebietet die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Ferner sind - für spätere als die hier strittigen Haushaltsjahre - seit der Einfügung des § 3 Abs. 7a IHKG durch das Gesetz vom 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246) die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung anzuwenden. Unabhängig davon sind ferner die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Juli 2007 - 2 BvF 1/04 [ECLI:DE:BVerfG:2007:fs20070709.2bvf000104] - BVerfGE 119, 96 <129>).

17

Welche rechtlichen Anforderungen an die Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) sich hieraus sowie aus weiteren einschlägigen Vorschriften im Einzelnen ergeben, bedarf keiner Vertiefung. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits genügt es, die rechtlichen Anforderungen zu präzisieren, die mit Blick auf die Rücklagenbildung zu stellen sind. Insofern ist davon auszugehen, dass der Kammer die Bildung von Vermögen verboten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 - 1 C 45.87 - Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 22 S. 12). Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es sich bei den Mitteln für angemessene Rücklagen ebenfalls um Kosten der Industrie- und Handelskammer im Sinne des § 3 Abs. 2 IHKG handelt, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 a.a.O. S. 12 f.). Daran ist auch für die Zukunft festzuhalten, da die Bildung von angemessenen Rücklagen auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlichrechtliche Körperschaften weiterhin notwendig ist und zu einer geordneten Haushaltsführung gehört (vgl. Jahn, GewArch 2013, 49 <53>).

18

Die Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder Einnahmeausfällen stellt einen solchen sachlichen Zweck dar. Allerdings muss auch das Maß der Rücklage noch von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein; eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) - und damit jährlich - erneut treffen. So räumt die Beklagte selbst ein, dass auch in der Entscheidung der IHK-Vollversammlung, eine in der Vergangenheit gebildete Rücklage in einem späteren Haushaltsjahr unverändert zu lassen, eine haushaltsrechtlich relevante Entscheidung zu sehen ist (Revisionserwiderung S. 12). Ein Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält.

19

c) So liegt es hier. Die Beibehaltung jedenfalls der Betriebsmittel- bzw. Liquiditätsrücklage in unverminderter Höhe in den Haushaltsjahren 2005 und 2006 war rechtswidrig, weshalb die festgesetzten Beiträge nicht der Deckung zulässiger Kosten der IHK-Tätigkeit dienten. Ob auch die Ausgleichsrücklage rechtswidrig war, bedarf keiner Entscheidung. Schließlich kann offen bleiben, ob die Rücklagen im Übrigen im Jahr 2005 den damals geltenden Beschränkungen des § 33 der Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO 2005) und im Jahr 2006 den Beschränkungen des § 15 Abs. 3 des Finanzstatuts der Beklagten (FSt 2006) entsprachen. Schließlich kann zugunsten der Beklagten angenommen werden, dass die in diesen Satzungen für die Jahre 2005 und 2006 eröffnete Möglichkeit, zwei unterschiedliche Rücklagen für die eng miteinander verbundenen Risiken des vorübergehenden und des endgültigen Beitragsausfalls zu bilden, von ihrem Satzungsermessen gedeckt war.

20

Die Beklagte hat dadurch den ihr von § 33 HKRO 2005 und § 15 Abs. 3 FSt 2006 eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten, dass sie allein für das Risiko des vorübergehenden Zahlungsausfalls im Jahr 2005 annähernd die höchstmögliche Betriebsmittelrücklage von 50 % der fortdauernden Ausgaben (6,4 Mio. €) und im Jahr 2006 ebenfalls beinahe die maximal zulässige Liquiditätsrücklage von 50 % der Betriebsaufwendungen (7,7 Mio. €) veranschlagt hat. Die Höhe dieser Rücklagen entsprach in beiden Jahren nicht dem Grundsatz der Schätzgenauigkeit. Die Rücklagenhöhe hätte nur mit der Prognose gerechtfertigt werden können, dass es im jeweiligen Haushaltsjahr bei ungünstigem Zahlungseingang zu zeitweisen Liquiditätsengpässen von fast 50 % der laufenden Ausgaben kommen könne. Die Beklagte hat aber im gesamten Prozess keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass ein derart hohes Liquiditätsrisiko in den Jahren 2005 und 2006 gedroht hätte. Auf die Frage des Verwaltungsgerichts wusste sie ein derartiges Risiko auch aus den Erfahrungen der Vergangenheit nicht zu belegen. Im Gegenteil hat sie eingeräumt, im gesamten Zeitraum von 2005 bis 2008 die Liquiditätsrücklage nur für einen Zeitraum von zwei Monaten in Höhe von 1,5 Mio. € benötigt zu haben, und die Liquiditätsrücklage in den Folgejahren aufgelöst. Dies zwingt zu dem Schluss, dass die vorgehaltene Rücklage in den Jahren 2005 und 2006 deutlich überhöht gewesen ist.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom ... 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ... 2018 wird in Höhe von ... EUR aufgehoben.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 V. H. des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein niedergelassener Facharzt ..., der der Beklagten aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Pflichtmitglied angehört, wendet sich gegen den Beitragsbescheid der Beklagten für das Jahr 2017.

2

Die Beklagte übersandte dem Kläger unter dem ... 2017 ein als „Veranlagungsbescheid - Ärztekammerbeitrag 2017" bezeichnetes Schreiben. Der Kläger wurde aufgefordert, den zu zahlenden Jahresbeitrag nach der dem Schreiben beigefügten Beitragstabelle zu § 2 Abs. 2 der Beitragsordnung der Bezirksärztekammer Trier selbst zu ermitteln. Zusammen mit einer Einstufungserklärung sollte zudem gegenüber der Beklagten bis zum ... 2017 ein Nachweis über den Gewinn aus ärztlicher Tätigkeit für das Jahr 2015 erbracht werden.

3

Unter dem ... 2017 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, dass er nach seinen erzielten Einkünften aus ärztlicher Tätigkeit im Jahr 2015 unter die Beitragsgruppe ... der Beitragstabelle falle. Der zu entrichtende Kammerbeitrag betrage für das Jahr 2017 somit ... EUR. Zugleich bat er um die Zusendung eines rechtsmittelfähigen Beitragsbescheides. Die Beklagte antwortete darauf, dass die entsprechend der Beitragsordnung erfolgte Einstufung als Beitragsbescheid gelte. Das Schreiben, mit dem der Kläger um einen rechtsmittelfähigen Bescheid gebeten habe, werde von ihr als Widerspruch gegen die Einstufung nach Stufe ... der Beitragstabelle verstanden.

4

Unter dem ... 2017 begründete der Kläger seinen Widerspruch. Er führte im Wesentlichen aus, dass die Beklagte rechtswidrig Vermögen gebildet habe und damit gegen staatliches Haushaltsrecht sowie das Kostendeckungsprinzip verstoßen habe. Bedenken habe er insbesondere hinsichtlich der Ausgleichsrücklage und der Betriebsmittelrücklage, die die Beklagte gebildet habe. Zum 31. Dezember 2015 habe die Ausgleichsrücklage ... EUR betragen. Bezogen auf das Jahr 2017 liege sie bei rund 25 v. H. der geplanten Aufwendungen. Er bestreite nicht die Zulässigkeit der Bildung solcher Rücklagen, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei die Dotierung aber nur in jährlicher Anwendung des Gebotes der Schätzgenauigkeit zulässig. Dabei sei auf die Erfahrungen der Vorjahre zurückzugreifen. Eine Risikoabschätzung durch die Vertreterversammlung habe nicht einmal ansatzweise stattgefunden. Darüber hinaus werde die Beklagte auch nicht ernsthaft darlegen können, dass für das Jahr 2017 das Risiko eines Beitragseinbruchs in dieser Höhe bestanden habe. Die Ausgleichsrücklage sei der Höhe nach offenkundig überdotiert. Die Vermögenswerte, die in der Betriebsmittelrücklage aufgegangen seien, seien vollständig als freies Vermögen zu betrachten. Sie seien von der Vertreterversammlung erstmals zum 31. Dezember 2016 zu einer Betriebsmittelrücklage umbenannt worden. Vor der Entscheidung über den Jahresabschluss 2016 habe es keine nachvollziehbare Zweckbindung für diese Mittel gegeben. Eine zweckfreie Ansammlung von Vermögen sei jedoch unzulässig.

5

Unter dem ... 2018 wies der Vorstand der Beklagten den Widerspruch gegen den Beitragsbescheid vom ... 2017 zurück. Die Beklagte habe weder unverhältnismäßige Rücklagen vorgehalten, noch habe sie rechtswidrige Vermögensbildung betrieben. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die Rechtsprechung, die sich auf die Beitragsanfechtungen gegenüber Industrie- und Handelskammern nach dem IHK-Gesetz beziehe, nicht ohne weiteres auf die Anfechtung der Beitragsveranlagung einer Ärztekammer übertragen werden könne, weil das Heilberufsgesetz des Landes Rheinland-Pfalz keine Rechtsgrundlage kenne, wie sie das Recht der Industrie- und Handelskammern in § 3 Abs. 2 und 7 a IHK-Gesetz vorsehe. Der Kläger verkenne, dass nur eine unvertretbare oder unverhältnismäßige Rücklagenbildung rechtswidrig sei. Die Bildung angemessener Rücklagen, die zu einer geordneten Haushaltsführung gehörten, sei zulässig. Die Kammer besitze bei der Aufstellung des Haushaltsplanes einen weiten Gestaltungsspielraum. Das Gebot der Haushaltswahrheit gehöre zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechtes, die zu befolgen seien, dieses sei jedoch nicht bereits dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweisen sollte. Prognosen müssten aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen. Der Haushaltsplan für das Jahr 2017 sei von der Vertreterversammlung der Bezirksärztekammer Trier am ... 2016 beschlossen worden. Damals habe der Jahresabschluss für das Jahr 2016 noch nicht vorgelegen. Das Jahresergebnis 2015 habe eine Ausgleichsrücklage i. H. v. ... EUR vorgesehen. Richtigerweise betrage der Anteil der Ausgleichsrücklage bei den im Haushaltsansatz geplanten Aufwendungen von ... EUR nur 23,36 v. H.. Für den Haushaltsplan 2017 sei auch eine Entnahme aus der Ausgleichsrücklage i. H. v. ... EUR beabsichtigt gewesen. Dieser Betrag sei bei der Bewertung der Ausgleichsrücklage mindernd zu berücksichtigen, da er zum Ausgleich des für das Haushaltsjahr geplanten negativen Betriebsergebnisses eingeplant worden sei und somit im entsprechenden Haushaltsjahr nicht mehr für Zwecke der Ausgleichsrücklage vorgesehen sein könne. Es ergebe sich ein deutlich niedrigerer Betrag, der bei der Ausgleichsrücklage zu berücksichtigen sei, nämlich ein Betrag i. H. v. ... EUR. Dies entspreche bei den gesamten für das Jahr 2017 geplanten Aufwendungen einem Anteil von nur noch 6,41 v. H.. Bei einer Ausgleichsrücklage in Höhe von bis zu 30 v. H. der Aufwendungen spreche jedenfalls die Vermutung dafür, dass eine Ausgleichsrücklage in dieser Höhe angemessen sei, um in dem Haushaltsjahr eine ordnungsgemäße Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten zu gewährleisten und Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen. Eine Umstellung der Rücklagen sei tatsächlich im November 2017 erfolgt. Die Betriebsmittelrücklage diene der Aufrechterhaltung einer ordentlichen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten und sei sachgerecht. Die Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmenverzögerungen oder Einnahmeausfällen stelle einen zulässigen sachlichen Zweck dar. Bei dem geplanten Aufwandsvolumen von ... Euro für das Jahr 2017 seien monatliche Aufwendungen von ca. ... EUR zu erwarten, was eine Betriebsmittelrücklage von ... EUR für einen Zeitraum von fünf Monaten rechtfertige.

6

Der Kläger hat am 8. Februar 2018 Klage erhoben. Zur Begründung führt er unter Vertiefung seines bisherigen Vortrages im Wesentlichen aus, dass hinsichtlich der Ausgleichsrücklage und der Betriebsmittelrücklage ein vollständiger Ermessensausfall bei der Dotierung der Rücklagenbildung zu erkennen sei. Die „überzogene" Eigenkapitalposition, die zum 31. Dezember 2016 gemeinsam mit anderen Vermögenspositionen zur Betriebsmittelrücklage geworden sei, finde sich in der Bilanz des Jahres 2015. Nach § 16 Abs. 1 des Heilberufsgesetzes Rheinland-Pfalz sei auch die Beklagte an das Kostendeckungsprinzip gebunden. Damit sei ihr eine Beitragserhebung nicht nur dann versagt, wenn ihr sonstige Einnahmen zur Verfügung stünden. Das Bundesverwaltungsgericht habe eine Verbindung zwischen der Rücklagenbildung und der Beachtung des Kostendeckungsprinzips hergestellt. Auch Ärztekammern müssten das Gebot der Haushaltswahrheit, insbesondere das Gebot der Schätzgenauigkeit, berücksichtigen. Im Zusammenhang mit den zweckgebundenen Rücklagen fehle sowohl im Hinblick auf den Grund als auch die Höhe der Rücklagendotierung jegliche Abwägung. Die Summe aller Rücklagen (Schwankungsreserve) zum Zeitpunkt der Beschlussfassung habe insgesamt ... EUR und mithin 77,64 v. H. des vorgesehenen Jahresaufwandes betragen. Selbst unter Berücksichtigung der mit dem Haushaltsplan vorgesehenen Entnahmen i. H. v. ... EUR verbleibe als Planungshorizont für das Jahr 2017 eine Schwankungsreserve von ... EUR (60,68 v. H. des vorgesehenen Jahresaufwandes). Weder aus dem Haushaltsplan, den die Vertreterversammlung beschlossen habe, noch aus dem Protokoll ergebe sich eine vorgesehene Entnahme i. H. v. ... EUR zulasten der Ausgleichsrücklage. Es sei der Beklagten zwar zuzustimmen, dass der Dotierung der Betriebsmittelrücklage für den vorliegenden Rechtstreit formal keine Bedeutung zukomme, weil die Bildung dieser Rücklage erst nach der Aufstellung des streitgegenständlichen Haushaltsplanes beschlossen worden sei. Von Bedeutung sei gleichwohl, dass die Umwidmung der Rücklage „Vermögen" den Vortrag des Klägers belege, wonach hier, bezogen auf das Jahr 2017, eine zweckfreie und mithin unzulässige Rücklage bestanden habe. Aus der schwammigen und unzulässigen „Schwankungsreserve" sei nun eine dem Grunde nach zulässige Betriebsmittelrücklage gebildet worden.

7

Der Kläger beantragt,

8

den Bescheid der Beklagten vom ... 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ... 2018 in Höhe von ... EUR aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass § 16 Abs. 1 des Heilberufsgesetzes Rheinland-Pfalz vorsehe, dass die Kammern, die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen durch Beiträge der Kammermitglieder zu beschaffen hätten, soweit sonstige Einnahmen nicht zur Verfügung stünden. Die Beiträge würden nach Maßgabe der Beitragsordnung erhoben. Es handle sich hierbei um ein einstufiges Verfahren. Weitere Einschränkungen, insbesondere dahingehend, dass die Kosten nicht anderweitig gedeckt sein dürften, sehe diese Vorschrift nicht vor. Ihr stehe aufgrund ihrer Satzungsautonomie bei der Ausgestaltung der Beitragsordnung ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Daher müsse sich die gerichtliche Überprüfung der Beitragsordnung darauf beschränken, festzustellen, ob der Satzungsgeber die äußeren Grenzen seines Gestaltungsspielraums eingehalte habe. Dies sei nur dann nicht der Fall, wenn bei der Bemessung der Mitgliedsbeiträge gegen das Äquivalenzprinzip oder den Gleichheitssatz verstoßen worden sei. Solche Verstöße seien hier jedoch nicht ersichtlich. Die Vertreterversammlung der Beklagten habe sich in der Sitzung vom ... 2016 mit dem Jahresabschluss 2015 beschäftigt. In diesem Zusammenhang sei angekündigt worden, dass mit dem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2016 eine Umschichtung der Rücklagen und die Einführung einer Betriebsmittelrücklage geplant seien. Unter Vorlage der Auszüge der Niederschriften der Vertreterversammlung der Beklagten vom ... 2017 sowie vom ... 2016 erklärte die Beklagte, dass sie davon ausgehe, dass sich die Vertreterversammlung ausführlich mit der Dotierung der Rücklagen befasst habe. Aus dem Power-Point-Vortrag des Geschäftsführers der Beklagten folge, dass die Vertreterversammlung hinreichend über tatsächliche Anhaltspunkte informiert worden sei. Soweit der Kläger alle zweckgebundenen Rücklagen zusammenfasse, sei sein Vortrag zurückzuweisen, da er verspätet sei.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsvorgänge, die der Kammer Vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

I.

13

Die Klage ist zulässig und begründet.

14

1. Die Anfechtungsklage ist gem. § 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - statthaft. Grundsätzlich folgt die Beitragspflicht der Mitglieder der Beklagten zwar bereits aus den Vorschriften der Beitragsordnung der Bezirksärztekammer Trier i. d. F. der Änderung vom 25. November 2015 (im Folgenden: Beitragsordnung), sodass zweifelhaft ist, ob dem Schreiben der Beklagten vom 13. Februar 2017, durch das der Kläger lediglich aufgefordert worden ist, der Beklagten eine Einstufungserklärung sowie einen Nachweis über seine Einkünfte für das Jahr 2017 zu übersenden, bzw. dem vom Kläger an die Beklagte zurückgesandten Vordruck, der zwar gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 der Beitragsordnung als Beitragsbescheid gilt, in dem er sich jedoch selbst einer entsprechenden Beitragsstufe zuordnet, überhaupt eine eigenständige Regelungswirkung im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - zukommt. Die Beklagte hat jedoch das Schreiben des Klägers vom 4. April 2017, dem seine Einstufungserklärung beigefügt gewesen ist und mit dem er um Übersendung eines rechtsmittelfähigen Beitragsbescheides gebeten hat, als Widerspruch des Klägers gegen die Einstufung nach Stufe 40 der Tabelle zur Beitragsordnung verstanden und diesbezüglich den Widerspruchsbescheid erlassen, in dem sie gegenüber dem Kläger festgestellt hat, dass sein Beitrag nach Stufe 40 zu bemessen sei. Damit wurde die Beitragspflicht für das Jahr 2017 verbindlich geregelt. Eine Anfechtbarkeit des „Beitragsbescheides“ vom 13. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2018 ergibt sich jedenfalls auch, weil der Bescheid äußerlich in der Gestalt eines Verwaltungsaktes ergangen ist und damit den Rechtsschein eines Verwaltungsaktes begründet (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. Juli 2017 - 9 S 1253/17 -, juris - m. w. N., Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 07. Juli 1999 - 2 L 264/98 -, juris Rn. 21, Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 16. Aufl. 2015, § 35 VwVfG, Rn. 3a; a. A. Eyermann/Happ, VwGO, Kommentar, 13. Auflage 2010, § 42 VwGO Rn. 4). Vorliegend folgt insbesondere aus der Bezeichnung der Schreiben als „Veranlagungsbescheid“ bzw. als „Widerspruchsbescheid“ sowie der Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung und Zustellung des Widerspruchsbescheides, dass die Schreiben als Verwaltungsakte erscheinen.

15

2. Der Bescheid der Beklagten vom 13. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2018 ist nicht rechtmäßig und verletzt den Kläger in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

16

a. Rechtsgrundlage für die Erhebung des Beitrages für das Jahr 2017 sind die § 16 Abs. 1 Satz 1 Heilberufsgesetz Rheinland-Pfalz vom 19. Dezember 2014 - HeilBG i. V. m. §§ 1 bis 5 der Beitragsordnung. Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 HeilBG haben die Kammern die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen durch Beiträge der Kammermitglieder zu beschaffen, soweit sonstige Einnahmen nicht zur Verfügung stehen. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 HeilBG werden die Beiträge nach Maßgabe der Beitragsordnung (§ 15 Abs. 4 Nr. 2 HeilBG) erhoben. Der Kläger ist als Mitglied der Beklagten beitragspflichtig, der Bescheid entspricht den Vorgaben der Beitragsordnung.

17

b. In formeller Hinsicht sind zwar keine Einwände gegen die Beitragsordnung vorgetragen oder sonst ersichtlich. Sie ist jedoch in materieller Hinsicht zu beanstanden.

18

aa. Der Beklagten steht beim Erlass der Beitragsordnung ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ihr obliegt jedoch die Einhaltung des rechtlichen Rahmens, der insbesondere aus den spezialgesetzlichen Vorgaben und Satzungsbestimmungen sowie den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts besteht. Diesbezüglich unterliegt die Beitragsordnung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, die im Anfechtungsprozess gegen einen Beitragsbescheid inzident zu erfolgen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 - 10 C 6/15 -, juris Rnrn. 13 und 16; VG Bayreuth, Urteil vom 13. Dezember 2017 - B 4 16.446 -, juris Rn. 34).

19

Spezialgesetzliche Vorgaben ergeben sich vorliegend insbesondere aus § 16 Abs. 1 Satz 1 HeilBG, wonach die Kammern die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen durch Beiträge der Kammermitglieder beschaffen, soweit sonstige Einnahmen nicht zur Verfügung stehen. Hieraus folgt, dass die Einnahmen der Beklagten nicht der Bildung von Vermögen dienen dürfen (vgl. zu § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG, BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 - 1 C 45/87 -, juris Rn. 20). Das grundsätzliche Verbot der Vermögensbildung schließt dabei die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Rücklagen müssen hiernach von sachgerechten und vertretbaren Anhaltspunkten getragen sein und dürfen nicht willkürlich erfolgen. Diese Gefahr besteht bei zweckgebundenen Rücklagen nicht in gleicher Weise wie bei einer allgemeinen Rücklage. Rücklagen dienen dazu, zukünftigen Finanzierungs- und Handlungsbedarf abzusichern, sie sind für eine geordnete Haushaltführung erforderlich (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015, a.a.O, Rn. 17).

20

Zudem und „unabhängig davon" sind ferner die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts zu beachten (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015, a.a.O., Rn. 16). Hiernach sind insbesondere das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz zu berücksichtigen (BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 1989 - 1 B 109/89-, juris; BVerwG, Urteil vom 10. September 1974 - I C 48.70 -, DÖV 1975, 647; VG Bayreuth, Urteil vom 13. Dezember 2017 a.a.O., Rn. 34; VG Würzburg, Urteil vom 11. Dezember 2017 - W 7 K 17.295 -, juris Rn. 14).

21

Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts, die von der Beklagten zu berücksichtigen sind, zählt auch das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dies bedeutet, dass Prognosen aus der Sicht ex ante, also im Nachhinein, sachgerecht und vertretbar ausfallen müssen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Juli 2007 - 2 BvF 1/04 -, juris, 2. Leitsatz; BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015, a.a.O., Rn. 16). Es ist nicht ersichtlich, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Anwendbarkeit des staatlichen Haushaltsrechts im Rahmen des Beitragsanfechtungsstreits auf einen bestimmten Bereich des Kammerrechts beschränkt ist (so aber VG Würzburg, Urteil vom 11. Dezember 2017, a.a.O., Rn. 13f.). Vielmehr folgt aus der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, dass allgemeinen Vorgaben des Haushaltsrechts zusätzlich und „unabhängig von" den spezialgesetzlichen Vorschriften Geltung finden (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015, a.a.O., Rn. 16; vgl. auch VG Bayreuth, Urteil vom 13. Dezember 2017, a.a.O., Rn. 34) und somit auch von der Beklagten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, einzuhalten sind.

22

bb. Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze, insbesondere der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, ist im vorliegenden Fall die Rücklagenbildung der Beklagten im Haushaltsjahr 2017 rechtlich zu beanstanden. Die Beklagte hat insoweit den ihr im Bereich des beschriebenen Rechtsrahmens zukommenden weiten Beurteilungsspielraum überschritten, insbesondere wurden für das maßgebliche Jahr Rücklagen ohne hinreichende und klare Bindung an einen sachlichen Zweck ausgewiesen bzw. gebildet.

23

Anhaltspunkte dafür, dass die Beitragsordnung der Beklagten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz und der hieraus folgenden Verpflichtung der Beklagten, ihre Kosten möglichst gleichmäßig und gerecht auf die Kammerangehörigen zu verteilen, bzw. gegen das Äquivalenzprinzip und die hieraus folgende Verpflichtung der Beklagten, dass Kammerbeiträge ihrer Höhe nach in keinem Missverhältnis zu dem Wert der Mitgliedschaft bei einem ärztlichen Berufsverband stehen dürfen, verstoßen haben könnte, sind zwar weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Beklagte hat vorliegend jedoch im Ansatz Vermögen ausgewiesen bzw. gebildet. Die finanzielle Struktur der Beklagten wies in dem maßgeblichen Jahr rechtlich zu beanstandende Unzulänglichkeiten auf, weil es bei einem Teil der Beträge an der erforderlichen Zuordnung zu einem hinreichend konkreten sachlichen Zweck fehlte.

24

Hinsichtlich der Rücklagen für das Wirtschaftsjahr 2017 war die Dotierung zum 31. Dezember 2015 maßgeblich, weil zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Haushalt 2017 das Jahresergebnis 2016 und eine eventuell relevante Veränderung der Rücklage(n) nicht bekannt waren.

25

Die Ausweisung bzw. Bildung nicht zweckgebundenen Vermögens folgt zunächst aus der Tatsache, dass die Beklagte über Jahre hinweg eine Vermögensposition „Kapital/Vermögen" ohne erkennbare Zweckbindung vorhielt, die in ihrer Höhe in den vergangenen Jahren immer unverändert geblieben ist. Eine eigenständige Bedeutung dieser Vermögensposition folgt zunächst aus der Bilanz zum ... 2015, in der unter dem Titel „Eigenkapital“ zwischen dem „Kapital" i. H. v. ... EUR einerseits und den „zweckgebundenen Rücklagen“ andererseits in Höhe von ... EUR differenziert wird. Diese Differenzierung erfolgte seitens der Beklagten jedoch nicht nur auf semantischer Ebene. Vielmehr lässt sich der Kapitalentwicklung der jeweiligen Positionen in den letzten Jahren entnehmen, dass das sogenannte „Kapital“ über die Jahre gleichgeblieben ist, während die Höhe der zweckgebundenen Rücklagen einer Entwicklung unterlag. Dies wird unter Berücksichtigung der Bilanz zum ... 2015 deutlich, der zu entnehmen ist, dass die Position „Kapital“ sowohl für das Jahr 2015 als auch für das Vorjahr unverändert geblieben ist, während der Wert für die zweckgebundenen Rücklagen von ... EUR im Vorjahr auf ... EUR gefallen ist. Auch der Tabelle der Beklagten, die die Entwicklung der Rücklagen von 2011 bis 2016 darstellt (Bl. ... der Verwaltungsakte), ist zu entnehmen, dass das Kapital in den Jahren 2011 bis 2015 unverändert geblieben ist, während die Höhe der anderen Rücklagen einer Veränderung unterlag. Dieser Befund wird auch durch die Grafik der Beklagten zur Entwicklung der Rücklagen bestätigt (Bl. ... der Gerichtsakte), auf der das Vermögen jahrelang in der gleichen Höhe ausgewiesen ist. Hinzu kommt, dass für das sogenannte „Kapital“, anders als für die anderen Rücklagen (Ausgleichsrücklage, MFH/AH-Ausbildung, Ersatzbeschaffung/Einrichtung, Renovierung Büro, Software/EDV), keine Zweckbindung erkennbar ist. Die Beklagte hat den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum bezüglich Art und Höhe einer eventuell möglichen Rücklage offensichtlich nicht hinreichend ausgeübt. So ist bei dieser Vermögensposition - anders als bei den anderen Rücklagen, bei denen der Zweck zumindest der Bezeichnung der jeweiligen Rücklage entnommen werden kann - nicht einmal der Bezeichnung nach eine Zweckbindung zu entnehmen. Vielmehr spricht die Bezeichnung als „Kapital“ bzw. „Vermögen“ gegen eine konkrete Zweckbindung. Auch der Niederschrift der Vertreterversammlung vom ... 2016 kann keine Zweckbestimmung entnommen werden. Eine erkennbare Zweckbindung hat diese Position erst durch die spätere Bildung der sogenannten „Betriebsmittelrücklage“ erfahren, die in der Vertreterversammlung vom ... 2016 angesprochen und in der Vertreterversammlung vom ... 2017 beschlossen worden ist. Erst für die Zukunft wurde für diese Position gemeinsam mit anderen Buchungsgrößen der Zweck bestimmt, die Arbeit der Ärztekammer und die Zahlungsverpflichtungen der ersten vier bis fünf Monate des Jahres abzusichern.

26

Eine unklare Vermögenswirtschaft seitens der Beklagten liegt auch insofern vor, als der Zweck der von der Beklagten gebildeten Rücklagen letztlich nicht (mehr) klar definiert ist. Die Beklagte ist entsprechend der obengenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Bildung angemessener Rücklagen an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit gebunden. Zunächst ergibt sich der Zweck der Rücklagen hier aus ihren jeweiligen Bezeichnungen. Allerdings ist die konkrete Zweckbindung der jeweiligen Rücklagen nicht mehr nachvollziehbar, nachdem die Beklagte diese zusammengefasst und gemeinsam mit der Vermögensposition als „Schwankungsreserve“ bezeichnet hat. Dies ergibt sich aus der Tabelle in der Niederschrift der Vertreterversammlung vom ... 2016. Die Schwankungsreserve hingegen soll nach der Zweckbestimmung, die sie durch die Beklagte erhalten hat, zur Finanzierung der Kammer in den ersten vier bis fünf Monaten eines Jahres dienen. Die Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder Einnahmeausfällen stellt für sich genommen zwar einen sachlichen Zweck dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015, a.a.O., Rn. 18). Insofern ist hier jedoch nicht mehr nachvollziehbar, wie beispielsweise die Ausgleichsreserve, die nach den Ausführungen der Beklagten grundsätzlich dazu dient, den Jahresfehlbetrag auszugleichen, letztlich zu verwenden ist. Soweit die Vertreter der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung insofern erklärten, dass das Prinzip der Schwankungsreserve über die Jahre gleich gewesen sei und der Idee eines „Rechenmodelles“ entspreche, lässt dies keine hinreichende Zweckbestimmung der - aus mehreren einzelnen Positionen gebildeten - Schwankungsreserve erkennen. Den Grundsätzen der Haushaltswahrheit und -klarheit wird damit nicht hinreichend Rechnung getragen.

27

Die sogenannte „Schwankungsreserve“ und die Ausgleichsreserve wurden auch im Ansatz in problematischer Höhe gebildet. Auch das Maß der Rücklagen muss von ihrem sachlichen Zweck gedeckt sein. Eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Beklagte eine überhöhte Rücklage nicht bilden durfte, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen musste. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) - und damit jährlich - erneut treffen (so BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015, a.a.O, Rn. 18). Dabei besteht diese grundsätzliche Verpflichtung der Beklagten, die aus den allgemeinen Grundsätzen des Haushaltsrechts herzuleiten ist, obgleich sie nicht spezialgesetzlich festgeschrieben worden ist (Urteile der erkennenden Kammer vom 22. Februar 2018 -2 K 5521/17.TR und 2 K 9372/17.TR-, dort zu den Beiträgen zur Industrie- und Handelskammer; a.A. VG Bayreuth, Urteil vom 13. Dezember 2017, a.a.O.).

28

Die Beklagte hat die Schwankungsreserve nicht klar nach ihren eigenen Vorgaben in Höhe von 40 v. H. des Haushaltsvolumens beziffert, ohne hierfür einen nachvollziehbaren Grund benannt zu haben. Die Beklagte hat den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum hinsichtlich des Maßes der Rücklage dergestalt ausgeübt, dass sie im Rahmen der Vertreterversammlung vom ... 2016 festgehalten hat, dass diese in Höhe von 40 v. H. des Haushaltsvolumens zur Finanzierung der Beklagten in den ersten vier bis fünf Monaten des Jahres bestehen solle. Diese - eigene - Vorgabe wurde jedoch nicht hinreichend klar eingehalten. Die aus mehreren Positionen gebildete Schwankungsreserve beträgt für das Jahr 2016 rechnerisch insgesamt ... EUR (vgl. Bl. ... der Gerichtsakte), was im Verhältnis zu den vorgesehenen Gesamtausgaben in Höhe von ... EUR etwa 77,64 v. H. entspricht. Die Vertreter der Beklagten haben auf Befragen im Rahmen der mündlichen Verhandlung keine ausreichenden Gründe dafür aufgezeigt, die eine Schwankungsreserve in dieser Höhe rechtfertigen. Hinzu kommt, dass ohnehin nicht ersichtlich ist, dass es in der Vergangenheit zu (Total-) Ausfällen in den ersten Monaten des jeweiligen Jahres gekommen ist, die die Bildung einer Schwankungsreserve in dieser Höhe tragen könnten. Die Vertreter der Beklagten haben von solchen Entwicklungen in der Vergangenheit, auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung, nicht berichtet, sondern vielmehr darauf verwiesen, dass es sich eben um ein „Rechenmodell“ handele. Im Lichte des Grundsatzes der Schätzgenauigkeit hätten die beschlossene und die als „Rechenmodell“ ausgewiesene Rücklagenhöhe jedoch nur mit der Prognose gerechtfertigt werden können, dass es aufgrund konkreter Anhaltspunkte hierfür im jeweiligen Haushaltsjahr bei ungünstigem Zahlungseingang zu zeitweisen Liquiditätsengpässen in vergleichbarer Höhe kommen könne (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015, a.a.O., Rn. 19 f. - zur IHK; vgl. hierzu auch OVG LSA, Urteil vom 20. September 2012 - 1 L 136/11 -, juris Rn. 74 - zu Handwerkskammern). Eine diesbezügliche tatsachenbasierte Prognose wurde von der Beklagten nicht angestellt.

29

Auch der Vortrag der Beklagten hinsichtlich der geplanten Entnahme in Höhe von ... EUR aus der Betriebsmittelrücklage (Bl. ... der Gerichtsakte) führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Schwankungsreserve betrüge für das maßgebliche Jahr auch dann noch über 50 v. H. der geplanten Aufwendungen.

30

Bedenken bestehen vor diesem Hintergrund auch hinsichtlich der angemessenen Höhe der Ausgleichsreserve i. H. v. von ... EUR. Zwar mag eine Ausgleichsreserve i. H. v. 30 v. H. grundsätzlich als angemessen gelten. Doch muss die Höhe vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts immer wieder dem prognostizierten Bedarf entsprechend angepasst werden. Im Hinblick auf den Grundsatz der Schätzgenauigkeit hat die Beklagte dies hier vorliegend nicht hinreichend getan, zumindest ist die Höhe der Ausgleichsrücklage vor dem Hintergrund ihrer Prognose für das Jahr 2017 im Ansatz überhöht. Die Ausgleichsrücklage dient nach der Zweckbestimmung der Beklagten zum Ausgleich des Jahresfehlbetrages (vgl. Niederschrift vom 14. Dezember 2016, S. 2). Die Beklagte hat jedoch im Dezember 2016 angenommen, dass der Fehlbetrag im Jahr 2017 geringer sein werde als im Jahr 2016, in dem er (lediglich) ... EUR betragen hat (vgl. Niederschrift vom ... 2016, S. 4).

31

Nach alledem standen der Beklagten in der Zeit bis zum 31. Dezember 2017 rechtlich nicht hinreichend gebundene Mittel zur Verfügung. Danach eingetretene Veränderungen können hier nicht berücksichtigt werden.

III.

32

Der Bescheid der Beklagten war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO aufzuheben.

IV.

33

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

V.

34

Gründe im Sinne des § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 wird aufgehoben, soweit darin der Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der auf Grund des Urteils vollstreckbaren Kosten abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der zu vollstreckenden Kosten leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zum Handelskammerbeitrag 2011.

2

Die Klägerin ist eine im Jahr 2010 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Betriebsstätte in Hamburg. Die Beklagte ist die örtliche Industrie- und Handelskammer (IHK). Für die Geschäftsjahre 2009 bis 2011 weisen die von Präses und Hauptgeschäftsführer der Beklagten jeweils im März des Folgejahres vorgelegten Bilanzen sowie die jeweils im Juli des Folgejahres vom Plenum der Beklagten beschlossenen Jahresabschlüsse folgende Rücklagen und Ergebnisse (gerundet auf 1.000,-- Euro) aus:

3

 Geschäftsjahr

2009   

2010   

2011   

        

Vorlage
15.3.2010

Abschluss
1.7.2010

Vorlage
25.3.2011

Abschluss
7.7.2011

Vorlage
5.3.2012

Abschluss
5.7.2012

Ausgleichsrücklage

19.000

20.000

20.186

20.500

20.500

21.000

Umbau-/
Instandhaltungs-
Rücklage

6.333 

6.833 

11.133

11.133

11.133

21.133

Rücklage für
Sonderprojekte

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

3.900 

Rücklage zur
Abdeckung von
Risiken der
Neubewertung der
Pensionsrückstellung

15.000

16.500

0       

0       

0       

0       

Rücklage BID N.

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

1.000 

Rücklage für die
Sicherung
bedeutsamer
Wirtschaftsarchive

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

Rücklage für
ganzjährige Aktivitäten
verschiedener Art
anlässlich des
350jährigen
Kammerjubiläums

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

Rücklage
Azubi-Wohnheim in
Hamburg

0       

0       

0       

0       

0       

1.000 

        

Bilanzergebnis

3.444 

6.025 

16.596

Ergebnisvortrag auf
neue Rechnung

444     

5.711 

3.096 

4

Die Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2011 in ihrer ursprünglichen Fassung wurde vom Plenum am 4. November 2010 beschlossen. In dem zugrundeliegenden Erfolgsplan 2011 finden sich insbesondere folgende Einträge (gerundet auf 1.000,-- Euro):

5
        

Ist 2009

Plan 2010
 inkl.
Nachtrag

Plan 2011

1. Erträge aus Handelskammer-Beiträgen

43.444

44.120

35.325

7.-10. Betriebsaufwand

40.151

41.090

40.337

20. Jahresergebnis

13.552

-8.700

0       

21. Ergebnisvortrag

292     

0       

0       

22. a) Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage

0       

0       

0       

22. b) Entnahmen aus anderen Rücklagen

10.400

16.500

0       

23. a) Einstellung in die Ausgleichsrücklage

1.000 

0       

0       

23. b) Einstellung in andere Rücklagen

9.400 

7.800 

0       

24. Ergebnis

3.444 

0       

0       

6

Der am 3. März 2011 beschlossene Erste Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 lässt den Erfolgsplan unverändert. Dem am 3. November 2011 beschlossenen Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 liegt ein geänderter Erfolgsplan zugrunde, der insbesondere folgende Eintragungen enthält (gerundet auf 1.000,-- Euro):

7
        

Ist 2010

Plan 2011

1. Erträge aus Handelskammer-Beiträgen

46.488

43.500

7.-10. Betriebsaufwand

42.980

41.337

20. Jahresergebnis

-6.619

6.655 

21. Ergebnisvortrag

444     

5.711 

22. a) Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage

0       

0       

22. b) Entnahmen aus anderen Rücklagen

16.500

0       

23. a) Einstellung in die Ausgleichsrücklage

314     

0       

23. b) Einstellung in andere Rücklagen

4.300 

0       

24. Ergebnis

5.711 

12.366

8

Gegenüber der Klägerin nahm die Beklagte mit Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 eine „vorläufige Veranlagung“ zum IHK-Beitrag 2011 in Höhe eines Grundbeitrags von 153,-- Euro vor und teilte nachrichtlich einen offenen Betrag aus anderen Beitragsjahren in Höhe von 153,-- Euro mit. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2011 zurück.

9

Die Klägerin hat am 29. Juli 2011 beim Verwaltungsgericht Hamburg Klage erhoben und zur Begründung vorgebracht: Die Zwangsmitgliedschaft in einer Industrie- und Handelskammer verletze sie in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1, 9 Abs. 1 GG. Hilfsweise sei der geforderte Betrag zu hoch. Art und Umfang der von der Beklagten gebildeten Rücklagen verstoße gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG.

10

Die Klägerin hat beantragt,

11

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2011 aufzuheben,

12

hilfsweise,

13

die Beklagte zu verpflichten, den auf die Klägerin für das Jahr 2011 entfallenden Beitrag angemessen zu reduzieren.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Die Beklagte hat zur Begründung ausgeführt: Die bundesgesetzlich angeordnete Pflichtmitgliedschaft sei mit dem Grundgesetz vereinbar und verstoße nicht gegen Europarecht. Ein Beitragsverweigerungsrecht zur Beanstandung der Kammertätigkeiten sei nicht gerechtfertigt. Die gebildeten Rücklagen dienten mittelbar dem Ziel einer pfleglichen Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Mit der Ausgleichsrücklage solle Vorsorge getroffen werden, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch dann aufrecht zu erhalten, wenn es aus konjunkturellen Gründen zu einem spürbaren Rückgang der Gewerbeerträge und der entsprechenden Erträge der Kammer aus Beiträgen komme. Mit den anderen Rücklagen solle Vorsorge getroffen werden, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch dann aufrecht zu erhalten, wenn besondere Kosten und Aufwendungen anfielen wie etwa größere Instandhaltungsmaßnahmen am denkmalgeschützten Kammergebäude oder besondere Projekte, die das Plenum zur Förderung des Wirtschaftsstandorts unterstützen oder selbst initiieren wolle. Im Übrigen sei 2010 ein erheblicher Teil der in den letzten Jahren gebildeten Rücklagen dazu verwendet worden, den mit dem neuen Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vorgegebenen Bewertungsregeln für die Pensionsrückstellungen Rechnung zu tragen. So habe sich für 2010 eine Reduzierung der gesamten Rücklagen um 11,7 Mio. Euro ergeben. Die Beitragsveranlagung laufe nicht unmittelbar parallel zur Gewerbesteuerentwicklung. Vielmehr richteten sich die Erträge aus Umlagen für das aktuelle Jahr zunächst nach den letzten der Beklagten bekannten Gewerbeerträgen. Die Bemessungsgrundlagen seien in aller Regel zwei bis drei Jahre alt. Die endgültigen Daten würden von der Finanzverwaltung üblicherweise erst nach Abschluss des Geschäftsjahres festgestellt. Für das Jahr 2011 sei bei der Beitragskalkulation in Rechnung gestellt, dass die Umlage gegenüber dem Vorjahr von 0,31 auf 0,28 v. H. des Gewerbeertrags gesenkt worden sei und die „Krisenjahre“ 2008 und 2009 zur endgültigen Abrechnung angestanden hätten. Vor diesem Hintergrund seien in der Wirtschaftssatzung 2011 die Erträge aus Beiträgen in Höhe von 35,325 Mio. Euro zu Recht vorsichtig angesetzt. Der Beitragsanspruch selbst bleibe von behaupteten oder tatsächlichen Aufgabenüberschreitungen unberührt.

17

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26. September 2012 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für die Beitragspflicht. Das Verfahren der Beitragsfestsetzung sei nicht zu beanstanden. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle habe der weitgesteckten Gestaltungsfreiheit der Beklagten hinsichtlich der Beitragsregelung Rechnung zu tragen und greife erst dann ein, wenn gegen allgemeine Grundsätze, insbesondere das Äquivalenzprinzip oder den Gleichheitsgrundsatz in flagranter Weise verstoßen werde. Für einen derartigen qualifizierten Verstoß sei nichts ersichtlich, insbesondere weil die Klägerin nur zum Mindestbeitrag herangezogen worden sei. Die Auffassung der Klägerin, die Beklagte entfalte Aktivitäten, welche den ihr durch § 1 Abs. 2 IHKG gesteckten Rahmen überschritten, sei ohne beitragsrechtliche Relevanz. Die Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung folge ferner nicht aus einer von der Klägerin geltend gemachten unzulässigen Rücklagenbildung durch die Beklagte. Für einen Verstoß gegen das in § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG angesiedelte Kostendeckungsprinzip sei nichts ersichtlich. Dabei müsse nicht näher darauf eingegangen werden, ob die Beklagte angesichts der bestehenden Rücklagen in unzulässiger Weise Vermögen bilde. Die Klägerin habe nicht im Ansatz dargetan, dass die Beklagte in einem solchen Umfang Rücklagen gebildet habe, dass ihre Tätigkeit i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG „anderweitig gedeckt“ und sie von Rechts wegen gehalten wäre, den allein streitigen Mindestbeitrag auf „Null“ zu setzen. Der von der Klägerin hilfsweise gestellte Antrag sei mangels Durchführung des Vorverfahrens unzulässig.

18

Die Beklagte erließ gegenüber der Klägerin unter dem 3. Dezember 2015 einen zusätzlichen Beitragsbescheid, in dem für das Beitragsjahr 2011 der Betrag von 153,-- Euro als „mit früheren Bescheiden festgesetzt“ und der Betrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ angegeben ist. Dieser zweite Bescheid schließt den Hinweis ein, dass „[w]enn zu den oben aufgeführten Beitragsjahren bereits Beitragsbescheide ergangen“ seien, „diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben“ würden.

19

Der Senat hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts auf Antrag der Klägerin die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung, mit der die Klägerin allein den erstinstanzlichen Hauptantrag weiterverfolgt, bringt sie vor, die Voraussetzungen für eine öffentlich-rechtliche „Zwangskorporation“ bestünden nicht mehr. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid sei rechtswidrig, da die Beklagte das Kostendeckungsprinzip i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG nicht gewahrt habe. Die Erhebung von Beiträgen zur Erfüllung von Kammeraufgaben, für die anderweitige Deckungsmittel im Kammerhaushalt bereitstünden, sei rechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315) komme zwischenzeitlich zu dem Schluss, dass eine pauschale Festlegung von Rücklagen ohne konkrete jährliche Risikoabschätzung unzulässig sei. In dieser Form gebildete Rücklagen seien als anderweitige Mittel vor einer Beitragsveranlagung dem Haushalt zuzuführen. Das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris) habe mittlerweile eine rechtswidrige Beitragsveranlagung durch die Beklagte für die Jahre 2010 und 2013 angenommen und somit nach Erlass des angefochtenen Urteils richtigerweise eine Kehrtwende in seiner Rechtsprechung vorgenommen. Im Einzelnen trägt die Klägerin Beanstandungen zu folgenden Positionen vor:

20

Die Ausgleichsrücklage in einem vom Finanzstatut bestimmten Rahmen sei unzulässig. Jährlich sei eine Risikokalkulation zur exakten Bestimmung der im jeweiligen Geschäftsjahr erforderlichen (Mindest-)Rücklagenhöhe erforderlich, die der (zusätzlichen) Bildung eines darüber hinausgehenden (Höchst-)Betrages entgegenstehe. Es müssten die drei Fragen beantwortet werden, ob die Beklagte das ihr zustehende „Ermessen“ ausgeübt habe, ob die Schätzung sachlich nachvollziehbaren Kriterien genüge und ob die Beklagte bei überdotierten Rücklagen über ausreichende Mittel verfüge, um vor der Beitragsveranlagung ihre Kosten anderweitig zu decken. Die Ausgleichsrücklage sei zu keiner Zeit – selbst nicht in den Zeiten der Finanzkrise – in Anspruch genommen worden.

21

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage stelle „offenkundig“ freies Vermögen dar, welches i. S. d. Gesetzes als anderweitige Mittel dem Haushalt hätte zugeführt werden müssen. Erst am 5. April 2012 sei ein Architektengutachten vorgelegt worden, das für Sanierungsmaßnahmen eine Summe von 14.747.235,65 Euro angebe. Die Bilanz der Beklagten weise schon vor der Erstellung eines Gutachtens eine „millionenschwere“ und später aufgestockte Umbau-/Instandhaltungsrücklage aus. Die Rücklagenbildung unterliege den engen Vorgaben der ausreichenden zeitlichen, sachlichen und finanzplanerischen Konkretisierung. Neben dem „offenkundigen Mangel“ notwendiger Einzelbeschlüsse über die Rücklage fehle es auch „ganz offensichtlich“ an jeglicher Rechtfertigung und Beschlusslage für die Bildung und Erhöhung der Umbau- und Instandhaltungsrücklage vor dem 5. Juli 2012. Es fehle ein gesonderter Beschluss darüber, ob eine Finanzierung aus Fremd- oder Eigenmitteln geleistet werden und in welchem Zeitrahmen eine Rücklagenbildung oder eine Tilgung erfolgen solle.

22

Die Rücklage für Sonderprojekte, die über alle Jahre gebildet und niemals angetastet worden sei, erfülle den Tatbestand der rechtswidrigen Vermögensbildung. Schon aus der allgemeinen Namensgebung ergebe sich, dass es keinerlei sachliche und zeitliche Konkretisierung gebe. Ohne eine sachliche und zeitliche Konkretisierung erweise sich die vom Bundesverwaltungsgericht als zwingende Voraussetzung gebotene Abschätzung als unmöglich. Es würden hier Mitgliedsbeiträge ohne Sinn und Zweck als freies Vermögen geparkt.

23

Aus dem Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung 2011 ergebe sich, dass die Beklagte für das Haushaltsjahr 2011 mit einem Überschuss von 6,655 Mio. Euro geplant habe. Soweit es hinsichtlich der Verwendung eines solches Überschusses im Sinne einer Aufgabenerfüllung im Rahmen des Gesetzes keine Beschlüsse des Plenums gebe, sei eine Haushaltsplanung mit einem solchen Überschuss ein Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip. Erwirtschafte eine Kammer einen erheblichen Gewinn, indiziere dies, dass die Beiträge zu hoch bemessen gewesen seien. Erfolge ein Gewinnvortrag zudem kontinuierlich über mehrere Jahre hinweg in erheblicher Höhe, stehe dies einer unzulässigen Vermögensbildung gleich.

24

Die Klägerin beantragt,

25

das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 aufzuheben, soweit darin der Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist.

26

Die Beklagte beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Die Beklagte hält die gesetzliche Mitgliedschaft eines Gewerbetreibenden in einer IHK für verfassungsgemäß und die Beitragserhebung auch der Höhe nach für nicht zu beanstanden. Die Klägerin sowie das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris) verkennten die wesentlichen Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts und die hieraus resultierenden Maßstäbe für die verwaltungsgerichtliche Prüfung der Wirtschaftsplanung einer Kammer, insbesondere der Rücklagenbildung. Soweit das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315) eine Verletzung des Gebots der Schätzgenauigkeit bejaht habe, beruhe dies maßgeblich auf dem Umstand, dass die dort beklagte IHK während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keine Anhaltspunkte für das Vorliegen relevanter Risiken dargelegt habe. Der Gesetzgeber habe mit der Umstellung auf die Doppik vor allem eine Erhöhung der Transparenz für die Kammermitglieder und eine Stärkung des Etatrechts der IHK-Vollversammlungen erstrebt. Auch aus diesem Grund sei es nicht angezeigt, bei einer gerichtlichen Prüfung der Einhaltung des Gebots der Schätzgenauigkeit bei Aufstellung des Wirtschaftsplans überzogene Anforderungen zu stellen. Maßgeblich sei, ob die Rücklagenbildung auf einer sachgerechten und vertretbaren Prognose basiere. Was vertretbar sei, richte sich nach einer Gesamtbewertung der konkreten Entscheidungssituation unter Berücksichtigung des betroffenen Sach- und Regelungsbereichs, der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung und deren Folgen sowie der verfügbaren Tatsachengrundlagen für die Prognose. Im Übrigen führe deshalb nicht jeder Fehler in der Wirtschaftsplanung zur Rechtswidrigkeit der gesamten Beitragsveranlagung, weil anderenfalls die beitragsrechtliche Grundlage des betreffenden Beitragsjahres haushaltsrechtlich unheilbar rechtswidrig sei, obwohl objektiv-rechtlich eine Pflicht zum Erlass eines Beitragsbescheids bestehe. Für die Feststellung eines etwaigen Verstoßes gegen das Gebot der Schätzgenauigkeit sei eine materielle Betrachtung maßgeblich. Es sei nicht entscheidend, ob eine Vollversammlung die Risiken im Zeitpunkt der Aufstellung des Wirtschaftsplans uneingeschränkt zutreffend erfasst und validiert habe. Maßgeblich sei, ob die dotierten Rücklagen dem Grunde nach zulässig seien und der Höhe nach in einem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlich relevanten Risiken der jeweiligen IHK stünden. Sei die Mittelbedarfsfeststellung im Ergebnis richtig, seien die Beitragssätze rechtmäßig. Es komme nicht auf den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2009, sondern auf die Wirtschaftsplanung des jeweils streitgegenständlichen Beitragsjahrs, ggf. in Gestalt der Nachtragsplanung, an.

29

Die Dotierung der Ausgleichsrücklage sei dem Grunde und der Höhe nach gerechtfertigt, damit die Handlungsfähigkeit und eine sachgerechte Aufgabenerfüllung der Beklagten zu jeder Zeit gewährleistet seien. Die Vorgaben des Finanzstatuts seien eingehalten. Die Regelung eines Rücklagerahmens sei nicht zu beanstanden. Die Ausgleichsrücklage solle „im Fall der Fälle“, d. h. im „worst case“, zur Verfügung stehen. Sie diene dem zulässigen Zweck, haushalterische Risiken abzudecken, die mit unvorhergesehenen Beitragsschwankungen einhergingen. Sie werde gebildet, um eine hinreichende Risikovorsorge zu betreiben und die Beiträge auch gerade bei schwankender Konjunktur stabil zu halten. Werde der durch das Finanzstatut gezogene Rahmen für eine Rücklagenhöhe eingehalten, spreche eine Vermutung für ihre Angemessenheit. Die mit der Ausgleichsrücklage abzufangenden möglichen Schwankungen könnten sich insbesondere ergeben infolge der heterogenen Wirtschaftsstruktur eines Industrie- und Handelskammerbezirks und der damit einhergehenden vielfältigen Abhängigkeit von strukturellen und gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen bis hin zu der Gefahr mehrjähriger wirtschaftlicher Rezessionen, des Ausfallrisikos von großen Beitragszahlern und der Orientierung des Kammerbeitrags an der gewerbesteuerlichen Bezugsgröße des Gewerbeertrags. Vor allem diese Risiken lägen tatsächlich jedes Jahr vor und machten die Vorhaltung einer angemessenen Ausgleichsrücklage zwingend erforderlich. Das Risiko der Beitragsschwankungen sei mit dem Umstand der Gegenwartsveranlagung mit mehrjähriger Verzögerung der endgültigen Abrechnung zu erklären. Die Ausgleichsrücklage sei im Hinblick auf die Schwankungsrisiken auf Basis der Erfahrungen der Beitragsveranlagungen der vergangenen Jahre unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte der letzten Konjunkturkrisen gebildet. Für konjunkturelle Schwankungen müsste zunächst ein Anteil von 15 v. H. der geplanten Beiträge veranschlagt werden, ausgehend davon, dass das Gewerbesteueraufkommen in den Jahren 1999 bis 2001 um 17 v. H. und in den Jahren 2008 bis 2009 um 19 v. H. rückläufig gewesen sei. Der Anteil von 15 v. H. müsse multipliziert werden mit zwei bis vier, um zwei bis vier Jahre andauernde Schwankungen abzubilden. Für das Risiko des Ausfalls großer Beitragszahler werde ein weiterer Betrag von 1.000.000,-- Euro angesetzt, dies entspreche dem Beitrag der beiden größten einzelnen Beitragszahler. Für das Schwankungsrisiko endgültiger Beitragsabrechnungen werde der Zehnjahresdurchschnitt der Umlagen angenommen und dieser Wert um 1.000.000,-- Euro verringert. Es errechne sich danach, dass die Ausgleichsrücklage angemessen sei.

30

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage diene bezogen auf das Geschäftsjahr 2011 einem hinreichend konkretisierten Zweck. Zunächst habe im Jahr 2007 (Rücklagenhöhe damals etwa 5,3 Millionen Euro, seinerseits 10 v. H. des Versicherungswerts) der Schwerpunkt des Rücklagenzwecks bei der Finanzierung größerer Instandhaltungsaufwendungen für das historische Handelskammergebäude gelegen. Die Rücklagenerhöhungen 2007 und 2010 seien gerechtfertigt gewesen. Der voraussichtliche Mittelbedarf sei in der Folgezeit weiter konkretisiert worden durch das Architektengutachten vom 5. April 2012.

31

Die Rücklage für Sonderprojekte diene dazu, auch künftig besondere Projekte zu finanzieren, ohne die Beiträge zu erhöhen. Sie solle kurzfristige Handlungsspielräume für notwendige ad-hoc-Aktivitäten schaffen. Es seien 1.000.000,-- Euro für „standortpolitisch bedeutsame Projekte“, 2.000.000,-- Euro für die Unterstützung einer neuen Olympia-Bewerbung, eventuelle Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 sowie die „aktuelle Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten“ und weitere 900.000,-- Euro ohne besondere Zuordnung in Ansatz gebracht worden.

32

Die positiven Ergebnisse der Vorjahre seien im Beitragsjahr 2011 ordnungsgemäß verwendet worden. Es stehe der Kammer frei, ein positives Ergebnis für eine Beitragsrückerstattung zu nutzen, durch gesonderten Beschluss des Plenums einer aufgabengemäßen Verwendung zuzuführen oder in den nächsten Wirtschaftsplan einzustellen. Ein ex post festgestelltes positives Ergebnis indiziere keine Missachtung des Kostendeckungsprinzips.

33

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind die Sachakten in zwei Bänden. Darauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

34

I. Die zulässige, auf den erstinstanzlichen Hauptantrag beschränkte, Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Sie führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Stattgabe der zulässigen (hierzu unter 1.) und begründeten Klage (hierzu unter 2.).

35

1. Die Klage ist im allein weiterverfolgten Hauptantrag zulässig, insbesondere als Anfechtungsklage statthaft. Sie zielt gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO auf die gerichtliche Aufhebung des Bescheids vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011, soweit darin für das Geschäftsjahr 2011 ein Handelskammerbeitrag vorläufig auf 153,-- Euro festgesetzt worden ist. Dieses Rechtsschutzbegehren geht nicht ins Leere, obwohl durch einen zweiten Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 eine weitere Beitragsfestsetzung für das Jahr 2011 vorgenommen worden ist. Der erste Beitragsbescheid ist als Verwaltungsakt weiterhin wirksam. Ein Verwaltungsakt bleibt gemäß § 43 Abs. 2 HmbVwVfG (vgl. § 124 Abs. 2 AO) wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen oder anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Der streitgegenständliche erste Beitragsbescheid ist weder aufgehoben noch erledigt. Im Einzelnen:

36

Eine Aufhebung des ersten, allein streitgegenständlichen, Beitragsbescheids ist mit dem zweiten Beitragsbescheid nicht ausgesprochen worden. Dem zweiten Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 kann nach dem entsprechend §§ 133, 157 BGB auch für die Auslegung von Verwaltungsakten maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont keine behördliche Aufhebung des ersten Beitragsbescheids entnommen werden, sondern nur eine Ergänzung desselben durch Forderung eines zusätzlichen Beitrags. Im zweiten Beitragsbescheid ist für das Beitragsjahr 2011 der Betrag 153,-- Euro ausdrücklich als „mit früheren Bescheiden festgesetzt“ und der Betrag 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ angegeben, verbunden mit dem Hinweis, dass wenn bereits Beitragsbescheide ergangen sind, diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben werden. Dieser Wortlaut streitet gegen eine neuerliche Sachentscheidung (vgl. VG Schleswig, Urt. v. 15.2.2018, 12 A 173/16, juris Rn. 19, für den entsprechenden Bescheidwortlaut). Da die Regelungswirkung sich auf die Festsetzung des Mehrbetrags beschränkt, handelt es sich hinsichtlich des bereits festgesetzten Betrags um eine wiederholende Verfügung und nicht um einen Zweitbescheid (vgl. Jahn, GewArch 2016, 263, 270).

37

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der erste Bescheid eine „vorläufige Veranlagung“ vornimmt und der zweite Bescheid einen solchen Hinweis nicht enthält. Zwar hat das Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris 3. Ls) angenommen, dass dann, wenn ein zweiter Bescheid „den IHK-Beitrag durch Abrechnung festsetzt“, nachdem zuvor im Wege vorläufiger Veranlagung ein erster Beitragsbescheid ergangen war, es sich bei dem zweiten Bescheid um eine eigenständige Sachentscheidung über den insgesamt zu leistenden Beitrag und nicht um eine – teilweise – wiederholende Verfügung handele. Doch ist bereits die vom Verwaltungsgericht Hamburg in der zitierten Entscheidung angenommene Voraussetzung nicht gegeben, dass der zweite Bescheid „den IHK-Beitrag durch Abrechnung festsetzt“. Nach den vorstehenden Ausführungen beschränkt sich der Regelungsgehalt des zweiten Bescheids ausdrücklich auf den Mehrbetrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“. Der Umstand, dass der erste Bescheid als „vorläufige Veranlagung“ ergangen ist, führt nicht zu einer seinem Wortlaut widersprechenden Auslegung des zweiten Bescheids. Die „vorläufige Veranlagung“ hat dabei lediglich folgende Bewandtnis:

38

Die Beitragsveranlagung erfolgt gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 der Beitragsordnung der Beklagten (v. 14.5.2004, Amtl. Anz. S. 1057 m. spät. Änd. – BO) durch schriftlichen Bescheid. Sofern der Gewerbeertrag oder der Zerlegungsanteil für das Bemessungsjahr noch nicht vorliegt, kann der Kammerzugehörige gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 BO aufgrund des letzten vorliegenden Gewerbeertrags oder – soweit ein solcher nicht vorliegt – aufgrund einer Schätzung in entsprechender Anwendung des § 162 AO vorläufig veranlagt werden. Dieser Satz findet gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 BO entsprechende Anwendung auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb und auf den Umsatz, die Bilanzsumme und die Arbeitnehmerzahl, soweit diese für die Veranlagung von Bedeutung sind.

39

Eine im Zuge der vorläufigen Veranlagung nach § 15 Abs. 3 BO vorgenommene Festsetzung lässt zwar die Möglichkeit einer erneuten Festsetzung nach § 15 Abs. 1 BO zu. Es besteht Anlass für eine endgültige Abrechnung für das Beitragsjahr, sobald die Parameter für die Festsetzung des Kammerbeitrags (Gewerbeertrag, Gewinn aus Gewerbebetrieb, Umsatz, Bilanzsumme oder Arbeitnehmerzahl) feststehen, hinsichtlich derer zuvor nur die bislang letzten vorliegenden Zahlen oder Schätzung zugrunde gelegt worden war. Einer erneuten, endgültigen Festsetzung bedarf es aber nur, soweit sich im Ergebnis eine Änderung der Beitragshöhe errechnet (a. A. VG Hamburg, Urt. v. 2.3.2016, a. a. O., Rn. 56).

40

Eine endgültige Festsetzung eines bereits im Wege der vorläufigen Veranlagung festgesetzten (Teil-)Betrags ist nicht erforderlich. Auch eine Festsetzung im Wege der vorläufigen Veranlagung kann in Bestandskraft erwachsen. Der Umstand, dass nach § 165 AO ergangene vorläufige Steuerbescheide nicht in materielle Bestandskraft erwachsen können (vgl. Cöster, in König, AO, 3. Aufl. 2014, § 351 Rn. 13), ist nicht auf die Beitragsfestsetzung im Wege vorläufiger Veranlagung übertragbar (a. A. VG Hamburg, Urt. v. 2.3.2016, a. a. O., Rn. 64). § 15 Abs. 3 BO verweist nicht auf § 165 AO, sondern hinsichtlich der Schätzung der Bemessungsgrundlagen auf eine entsprechende Anwendung des § 162 AO. Aus dem Verweis des § 15 Abs. 3 BO auf § 162 AO folgt nicht, dass die vorläufige Veranlagung selbst in entsprechender Anwendung des § 162 AO vorgenommen würde. Zum einen enthält § 162 AO keine Regelung über eine vorläufige Veranlagung, sondern nur über eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen. Zum anderen verweist § 15 Abs. 3 Satz 1 BO in seiner zweiten Tatbestandsalternative – „soweit ein solcher [Gewerbeertrag] nicht vorliegt“ – nicht auf eine entsprechende Anwendung des § 162 AO bei der vorläufigen Veranlagung, sondern bei der Schätzung der Bemessungsgrundlagen. Für den Fall, dass keine letzten Zahlen vorliegen, erweitert § 15 Abs. 3 Satz 2 BO den Anwendungsbereich der Schätzung der Bemessungsgrundlagen auf den Gewinn aus Gewerbebetrieb und auf den Umsatz, die Bilanzsumme und die Arbeitnehmerzahl, soweit diese Parameter für die Veranlagung von Bedeutung sind.

41

Auch eine Erledigung des ersten Beitragsbescheids vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 ist nicht eingetreten. Eine Erledigung des Verwaltungsaktes setzt voraus, dass der Verwaltungsakt aufgrund nachträglicher Entwicklungen seinen Regelungszweck nicht mehr erreichen kann (Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 209b). Dies ist hier nicht der Fall. Der erste Beitragsbescheid spricht zwar eine „vorläufige Veranlagung“ aus, enthält aber nicht wie ein vorläufiger Verwaltungsakt eine auflösende Bedingung, aufgrund derer er mit Eintritt einer auflösenden Bedingung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 HmbVwVfG entfiele. Der mit dem ersten Beitragsbescheid verfolgte Regelungszweck, einen Kammerbeitrag von zunächst 153,-- Euro Höhe festzusetzen, dauert fort, obwohl mittlerweile mit dem zweiten Beitragsbescheid ein zusätzlicher Beitrag festgesetzt worden ist. Diese Festsetzung beschränkt sich auf einen Mehrbetrag von 80,55 Euro als „mit diesem Bescheid festgesetzt“ und macht die bereits bestehende Festsetzung von 153,-- Euro somit nicht entbehrlich.

42

2. Die Klage ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründet. Der Bescheid vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011, soweit darin ein Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 auf vorläufig 153,-- Euro festgesetzt worden ist, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten. Zwar ist die Klägerin dem Grunde nach beitragspflichtig (hierzu unter a)). Doch fehlt der konkreten Beitragserhebung für das Geschäftsjahr 2011 eine Rechtsgrundlage durch eine rechtswirksame abstrakte Bestimmung der Beitragshöhe. Die in der Wirtschaftssatzung für das Geschäftsjahr 2011 enthaltene abstrakte Festsetzung der Beiträge (hierzu unter b)) ist rechtswidrig und daher nach dem sog. Nichtigkeitsdogma rechtsunwirksam. Unter Verstoß gegen den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgezeigten Maßstab (hierzu unter c)) kann der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 (hierzu unter d)) mangels rechtmäßiger Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer nicht als Maßgabe der Beitragserhebung dienen (hierzu unter e)). Der streitgegenständliche Beitragsbescheid kann aufgrund dessen auch nicht zum Teil aufrechterhalten bleiben (hierzu unter f)).

43

a) Die Klägerin ist dem Grunde nach gegenüber der Beklagten zu einem Handelskammerbeitrag verpflichtet.

44

Die Industrie- und Handelskammern sind gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (v. 18.12.1956, BGBl. I S. 920 m. spät. Änd. – IHKG) Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG Grundbeiträge und Umlagen. Die Vollversammlung beschließt gemäß § 4 Satz 2 Nr. 2 IHKG über die Festsetzung des Maßstabes für die Beiträge. Die Kammerzugehörigkeit ist in § 2 IHKG geregelt. Die benannten Vorschriften sind wirksam. Sowohl die Beitragserhebung nach § 3 Abs. 2, Abs. 3 IHKG als auch die Pflichtmitgliedschaft nach § 2 Abs. 1 IHKG sind verfassungsgemäß (BVerfG, Beschl. v. 12.7.2017, 1 BvR 2222/12 u. a., NVwZ 2017, 1282, juris Rn. 87 ff.). Für einen zur Unanwendbarkeit der Regelungen im Einzelfall führenden Verstoß gegen Unionsrecht ist nichts ersichtlich (vgl. VGH München, Beschl. v. 30.7.2012, 22 ZB 11.1509, juris Rn. 31 f.; OVG Koblenz, Urt. v. 20.9.2010, 6 A 10282/10, juris Rn. 45).

45

Die Beklagte ist unter der Bezeichnung als Handelskammer gemäß § 13 IHKG i. V. m. Art. I § 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes über die vorläufige Regelung der Rechtsverhältnisse der Handelskammer Hamburg v. 27.2.1956, HmbGVBl. S. 21 m. spät. Änd. – HmbHKG) die Industrie- und Handelskammer für das Gebiet der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Klägerin ist, da sie eine zur Gewerbesteuer veranlagte juristische Person des privaten Rechts mit Betriebsstätte in Hamburg ist, gemäß § 2 Abs. 1 IHKG seit ihrer Gründung im Jahr 2010 Kammerzugehörige der Beklagten und gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG dem Grunde nach beitragspflichtig.

46

b) Als abstrakte Festsetzung, die als Grundlage für die konkrete Festsetzung der Beitragshöhe für das Geschäftsjahr 2011 dienen könnte, kommt nur Abschnitt II der einschlägigen Wirtschaftssatzung in Betracht. Die Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2011 (v. 4.11.2010, Amtl. Anz. S. 2335, in der Fassung der Änderungen durch den Ersten Nachtrag v. 3.3.2011, Amtl. Anz. S. 786, und den Zweiten Nachtrag v. 3.11.2011, Amtl. Anz. S. 2555 – WirtS 2011) ist vom Plenum der Beklagten als Vollversammlung gemäß Art. I § 5 Nr. 1 HmbHKG beschlossen und durch zwei Nachträge geändert worden.

47

In Abschnitt II WirtS 2011 werden (Nr. 1) die Freistellungsgrenzen, (Nr. 2) die Grundbeiträge sowie (Nr. 3) der Hebesatz der Umlage bestimmt, (Nr. 4) das Geschäftsjahr 2011 als Bemessungsjahr festgelegt und (Nr. 5) die Erhebung einer Vorauszahlung geregelt. Die Klägerin ist nicht vom Kammerbeitrag befreit, da dies unter den näheren Voraussetzungen des Abschnitts II Nr. 1 WirtS 2011 nur nicht in das Handels- oder Genossenschaftsregister eingetragene Kammerzugehörige und natürliche Personen sind, die Klägerin aber nach §§ 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 GmbHG eine in das Handelsregister eingetragene juristische Person ist. Der von Kaufleuten zu erhebende Grundbeitrag, gestaffelt nach Gewerbeertrag oder Gewinn, ist in Abschnitt II Nr. 2.2 WirtS 2011 auf mindestens 153,-- Euro festgesetzt. Die Klägerin gilt gemäß § 6 Abs. 1 HGB i. V. m. § 13 Abs. 3 GmbHG als Kaufmann. Soweit ein Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb für das Bemessungsjahr nicht bekannt ist, wird gemäß Abschnitt II Nr. 5 WirtS 2011 eine Vorauszahlung des Grundbeitrages und der Umlage auf der Grundlage des letzten der Beklagten „vorliegenden“, d. h. bekannten, Gewerbeertrages bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb erhoben.

48

c) Der Senat macht sich die höchstrichterliche Rechtsprechung zu eigen, nach der die abstrakte Festsetzung der Beitragshöhe in der das jeweilige Geschäftsjahr betreffenden Wirtschaftssatzung nur dann rechtmäßig ist, wenn sie auf einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer in dem auf das Geschäftsjahr bezogenen Wirtschaftsplan beruht. Im Einzelnen:

49

Der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG als Maßgabe der Beitragserhebung dienende Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen. Wie vom Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 12) ausgeführt, legt das Gesetz mit Blick auf die Beitragserhebung damit eine zweistufige Willensbildung der Kammer zugrunde: Auf einer ersten Stufe stellt die Kammer den Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) auf. Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) gilt für ein Haushaltsjahr (Wirtschaftsjahr) und ist – als Plan – im Voraus aufzustellen; vor dem Hintergrund der in diesem Jahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer prognostiziert er unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

50

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert ausgehend davon auch die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 13). Der Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen und unterliegt nach dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 81). Dem steht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 15) nicht entgegen, dass der Kammerbeitrag mit Blick auf die Kammertätigkeit verwendungsneutral ist. Er dient der Finanzierung der gesamten Kammertätigkeit und kann daher nicht mit der gebotenen Bestimmtheit einer einzelnen Tätigkeit zugeordnet werden. Ein Kammermitglied kann die Kammer zwar gerichtlich auf Unterlassung von Tätigkeiten in Anspruch nehmen, die außerhalb ihres gesetzlichen Aufgabenkreises liegen, jedoch nicht mit dieser Begründung die Entrichtung des Kammerbeitrags verweigern. Das führt jedoch nicht dazu, die Ansätze des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) im Beitragsprozess generell ungeprüft als gegeben hinzunehmen. Gerade die gesetzlichen Bestimmungen für die Haushaltsführung selbst berühren das einzelne Kammermitglied regelmäßig nur über die Beitragspflicht; dann muss es deren Einhaltung gerade im Beitragsprozess zur gerichtlichen Prüfung stellen können.

51

Die Kammer besitzt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 16) bei der Aufstellung des Haushaltsplanes (Wirtschaftsplanes) einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht freilich nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist. Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG gebietet die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen. Ferner sind seit der Einfügung des § 3 Abs. 7a IHKG die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung anzuwenden. Unabhängig davon sind ferner die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen.

52

Mit Blick auf die Rücklagenbildung präzisiert die höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 17) die zu stellenden Anforderungen wie folgt: Der Kammer ist die Bildung von Vermögen verboten. Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Bei den Mitteln für angemessene Rücklagen handelt es sich ebenfalls um Kosten der Industrie- und Handelskammer i. S. d. § 3 Abs. 2 IHKG, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind. Die Bildung von angemessenen Rücklagen ist auch nach Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung für die Industrie- und Handelskammern als nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaften weiterhin notwendig und gehört zu einer geordneten Haushaltsführung.

53

Weiter hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 18) ausgeführt, dass auch das Maß der Rücklage vom jeweiligen sachlichen Zweck gedeckt sein muss. Eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage ist nicht mehr angemessen und käme einer unzulässigen Vermögensbildung gleich. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) – und damit jährlich – erneut treffen. Ein Haushaltsplan (Wirtschaftsplan) kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält.

54

Bei der Prüfung, ob das Maß der Rücklage noch von einem sachlichen Zweck gedeckt ist, hat das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20) dabei angenommen, dass der Industrie- und Handelskammer ein Beurteilungsspielraum durch den in der (kameralen) Haushalts-, Kassen- und Rechnungsordnung oder in dem (doppischen) Finanzstatut vorgegebenen Rahmen eingeräumt sei. Im veröffentlichten 2. Leitsatz ist dazu ausgeführt, dass dann, wenn nach dem Finanzstatut der Industrie- und Handelskammer bei der Bildung des Haushaltsansatzes für eine Rücklage ein Beurteilungsspielraum besteht, das Gericht nicht seine Beurteilung an die Stelle der behördlichen Einschätzung setzen darf, es jedoch zu prüfen hat, ob allgemeingültige Wertungsmaßstäbe, insbesondere das haushaltsrechtliche Gebot der Schätzgenauigkeit, beachtet sind.

55

Hinsichtlich der Frage, ob die abstrakte Festsetzung der Beitragshöhe auf einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan beruht, ist eine materielle Betrachtung vorzunehmen. Eine formelle Betrachtung, ob die Mitglieder der Vollversammlung die Prognose in Kenntnis der dafür maßgeblichen Grundlagen getroffen haben, ist nicht anzustellen (a. A. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 21.11.2017, 19 K 903/16, juris Rn. 47; VG Koblenz, Urt. v. 25.11.2013, 3 K 121/12.KO, GewArch 2014, 116, juris Rn. 37; wohl auch VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 355). Denn die Antwort auf die maßgebliche Frage, ob der in der Wirtschaftssatzung festgesetzte Beitragssatz dem Kostendeckungsprinzip genügt, hängt davon ab, ob der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG durch Beiträge zu deckende Mittelbedarf im Wirtschaftsplan in der Sache vertretbar in Ansatz gebracht ist. Der Wirtschaftsplan bedarf formell keiner Begründung. Ebenso wenig hängt seine materielle Rechtmäßigkeit von einer Begründung ab (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 88). Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 16) billigt der Kammer bei der Aufstellung ihres Wirtschaftsplans ausdrücklich einen sehr weiten Gestaltungsspielraum zu. Die Rechtmäßigkeitskontrolle einer in dem Gestaltungsspielraum getroffenen Entscheidung unterscheidet sich von derjenigen einer Ermessenentscheidung im Einzelfall (Jahn, GewArch 2014, 116, 119; GewArch 2016, 263, 265 f.). Während nach § 114 Satz 1 VwGO und § 40 HmbVwVfG die von der Behörde in Ausübung ihres Ermessens bei einer Einzelfallentscheidung angestellten Erwägungen zu überprüfen sind, gilt entsprechendes nicht für die vom Normgeber in Ausübung seines Gestaltungsspielraums bei einer Normsetzung angestellten Erwägungen.

56

Aus dem von der Beklagten vorgebrachten Argument, sie sei nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG objektiv-rechtlich zur Beitragserhebung verpflichtet, bei Unwirksamkeit des Haushaltsplans sei aber die beitragsrechtliche Grundlage des betreffenden Beitragsjahres haushaltsrechtlich unheilbar rechtswidrig, leitet sich nicht her, den gerichtlichen Prüfungsmaßstab zurückzunehmen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat eine fehlerhafte Mittelbedarfsfeststellung im maßgeblichen Wirtschaftsplan die Rechtswidrigkeit der Beitragsveranlagung zur Folge. Eine Fehlerhaftigkeit der Mittelbedarfsfeststellung lässt sich nicht deshalb verneinen, weil ihre Rechtsfolge, die Rechtswidrigkeit der Beitragsveranlagung, unerwünscht wäre. Inwieweit eine rückwirkende Heilung oder ein rückwirkender Neuerlass einer unwirksamen Wirtschaftssatzung möglich wäre, kann dahinstehen, da das Plenum der Beklagten einen Neuerlass nicht unternommen hat.

57

d) Der die Maßgabe für die Beitragserhebung nach Abschnitt I WirtS 2011 bildende und deshalb nach dem Vorstehenden hinsichtlich der Feststellung des Mittelbedarfs inzident zu überprüfende Wirtschaftsplan in Abschnitt II WirtS 2011 hat seine letztgültige Gestalt durch den Zweiten Nachtrag vom 3. November 2011 gefunden. In Übereinstimmung mit dem schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten ist die Wirtschaftsplanung des jeweils streitgegenständlichen Beitragsjahrs maßgeblich, ggf. in Gestalt der Nachtragsplanung (ebenso VG Berlin, Urt. v. 14.4.2015, 4 K 199/14, juris Rn. 55; VG Köln, Urt. v. 15.2.2017, 1 K 1473/16, GewArch 2017, 194, juris Rn. 51).

58

Der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 ist durch den Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung ausdrücklich neu festgestellt worden. Innerhalb der mit Blick auf die Beitragserhebung zweistufigen Willensbildung (dazu BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 12, s. o. c)) hat die Beklagte, indem sie am 3. November 2011 den Wirtschaftsplan in Abschnitt I der Wirtschaftssatzung neugefasst hat, die erste Stufe der Willensbildung erneut betreten. Eine Änderung des Wirtschaftsplans durch Nachträge ist jedenfalls bis zum Abschluss des Geschäftsjahres möglich (Kuhla/Munding, GewArch Beilage WiVerw Nr. 02/2017, 81, 86 f.). Wie bereits ausgeführt, steht auf erster Stufe der Willensbildung der Wirtschaftsplan. Der Wirtschaftsplan prognostiziert vor dem Hintergrund der in dem Geschäftsjahr beabsichtigten Tätigkeiten der Kammer unter Berücksichtigung der erwartbaren Einnahmen und Ausgaben den voraussichtlichen Bedarf, den es durch Beiträge zu decken gilt. Auf einer zweiten Stufe wird dieser voraussichtliche Bedarf alsdann gemäß einer Beitragsordnung im Wege der Beitragserhebung auf die Kammerzugehörigen umgelegt.

59

Der Maßgeblichkeit des erst am 3. November 2011 neu festgestellten Wirtschaftsplans im hiesigen Beitragsprozess steht nicht entgegen, dass das prozessual mit der Anfechtungsklage zu verfolgende Aufhebungsbegehren gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur dann Erfolg hat, wenn der Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 rechtswidrig ist. Selbst dann, wenn im Hinblick auf den prozessual geltend gemachten Aufhebungsanspruch auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 14. Juli 2011 abgestellt würde, müssen doch auch solche Änderungen in der Mittelbedarfsfeststellung Berücksichtigung finden, die die abstrakte Festsetzung der Beiträge rückwirkend rechtswidrig und damit unwirksam machen. Ohne rechtswirksame abstrakte Festsetzung der Beiträge fehlt der konkreten Festsetzung des Beitrags durch Bescheid die Rechtsgrundlage. Die abstrakte Festsetzung der Beiträge in Abschnitt I WirtS 2011 ist nur dann rechtmäßig und damit rechtswirksam, wenn sie einer rechtmäßigen Feststellung des Mittelbedarfs nach dem als Maßgabe dienenden Wirtschaftsplan entspricht. Der Wirtschaftsplan bildet eine auf das jeweilige Geschäftsjahr bezogene Sinneinheit. Für das Geschäftsjahr 2011 ist er durch den Zweiten Nachtrag der Wirtschaftsplan insgesamt und damit rückwirkend ab dem 1. Januar 2011 neu festgestellt worden.

60

Der Wirtschaftsplan für das Geschäftsjahr 2011 in der Gestalt vom 3. November 2011 dient als Maßgabe der Beitragserhebung für das Geschäftsjahr 2011 unabhängig davon, wann der einzelne Beitragsbescheid erlassen worden ist. Die Beklagte hat mit dem (streitgegenständlichen) ersten Beitragsbescheid vom 6. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juli 2011 eine vorläufige Veranlagung zu einem Beitrag von 153,-- Euro ausgesprochen. Der erste Beitragsbescheid ließ – als „vorläufige Veranlagung“ – eine endgültige Abrechnung zu einem späteren Zeitpunkt offen. Auf der kalkulatorischen Grundlage der endgültigen Abrechnung war in dem Fall, dass sich für das Geschäftsjahr ein Minderbetrag ergeben würde, der erste Beitragsbescheid durch einen zweiten Beitragsbescheid teilweise aufzuheben, und in dem Fall, dass sich ein Mehrbetrag ergeben würde, neben dem fortbestehenden ersten Beitragsbescheid eine weitere Festsetzung durch einen zweiten Beitragsbescheid vorzunehmen. Eben dies ist mit dem (nicht streitgegenständlichen) Beitragsbescheid vom 3. Dezember 2015 geschehen (s. o. 1.). Unabhängig vom Erlassdatum des ersten oder auch des zweiten Beitragsbescheids sucht die konkrete Festsetzung der Kammerbeiträge für das Geschäftsjahr 2011 ihre Rechtsgrundlage in der abstrakten Festsetzung der Beiträge in Abschnitt II WirtS 2011, als deren Maßgabe der Wirtschaftsplan in Abschnitt I WirtS 2011 dient.

61

e) Die der abstrakten Festsetzung der Beiträge in Abschnitt II WirtS 2011 zugrundeliegende Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer gemäß dem Wirtschaftsplan in Abschnitt I WirtS 2011 ist zulasten der Beitragspflichtigen fehlerhaft. Dies folgt zunächst daraus, dass im Wirtschaftsplan der Höhe nach sachlich nicht gerechtfertigte Rücklagen aufrechterhalten und die entsprechenden Mittel nicht zugunsten der Beitragspflichtigen zur Begleichung der Kosten der Kammertätigkeit im Geschäftsjahr 2011 freigegeben worden sind. Im Einzelnen betroffen sind die Ausgleichsrücklage (hierzu unter aa)), die Umbau-/Instandhaltungsrücklage (hierzu unter bb)), die Rücklage für Sonderprojekte (hierzu unter cc)) und etwaig auch – was jedoch letztlich dahinstehen kann – die Rücklage BID N. (hierzu unter dd)). Die Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer für das Geschäftsjahr 2011 ist unabhängig davon deshalb fehlerhaft, weil der vorhandene positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nach der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 keiner sachlichen Verwendung zugeführt werden sollte (hierzu unter ee)).

62

aa) Die Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro ist dem Grunde nach gerechtfertigt, aber der Höhe nach nicht angemessen.

63

Die Ausgleichsrücklage ist im Geschäftsjahr 2011 in Höhe von 20.500.000,-- Euro aufrechterhalten worden. Zuvor war diese Rücklage im Zuge der Ergebnisverwendung des Jahres 2009 um 1.000.000,-- Euro von 19.000.000,-- Euro auf 20.000.000,-- Euro erhöht worden (Plenarsitzung v. 1.7.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 7). Sodann hatte die Beklagte die Erlöse aus der Auflösung von Jubiläumsrückstellungen in Höhe von 186.418,-- Euro in die Ausgleichsrücklage eingestellt, die somit in der am 25. März 2011 von Präses und Hauptgeschäftsführer vorgelegten Bilanz 2010 eine Höhe von 20.186.418,-- Euro aufwies (Jahresabschluss 2010, S. 19). Eine weitere Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 313.582,-- Euro auf 20.500.000,-- Euro hatte das Plenum am 7. Juli 2011 zur teilweisen Verwendung des Ergebnisses aus 2010 vorgenommen (Plenarsitzung v. 7.7.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 7 f.). Im Zuge der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 sind alle Rücklagen in der Höhe aufrechterhalten worden, die sie in dem vom Plenum am 7. Juli 2011 beschlossenen Jahresabschluss 2010 erreicht hatten. Der Wirtschaftsplan ist in Abschnitt I WirtS 2011 im Erfolgsplan mit dem Saldo der Rücklagenveränderung in Höhe von 0,-- Euro festgestellt worden. Der zugrundeliegende Erfolgsplan weist unter Nr. 22 Buchst. a und b Entnahmen aus der Ausgleichsrücklage und anderen Rücklagen von je 0,-- Euro sowie unter Nr. 23 Buchst. a und b Einstellungen in die Ausgleichsrücklage und andere Rücklagen von ebenfalls je 0,-- Euro aus. Die nachträgliche Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 500.000,-- Euro gemäß dem am 5. Juli 2012 erstellten Jahresabschluss 2011 bleibt hinsichtlich der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 unberücksichtigt, da sie erst nach dessen Ende vorgenommen worden ist.

64

Dem Grunde nach ist die Ausgleichsrücklage für das Geschäftsjahr 2011 allerdings rechtmäßig. Eine Ausgleichsrücklage dient der Vorsorge, um ohne Zusatzbelastung den Leistungsumfang der Kammer auch bei Schwankungen im Beitragsaufkommen aufrecht zu erhalten, und damit einem dem Grunde nach hinreichenden sachlichen Zweck. Das im Geschäftsjahr 2011 aufrechterhaltene Maß der Ausgleichsrücklage ist jedoch, entgegen den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 18, s. o. c)), nicht mehr vom sachlichen Zweck gedeckt. Die überhöhte Rücklage hätte im Zuge der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 auf ein zulässiges Maß zurückgeführt werden müssen.

65

Zwar überschreitet die Höhe der Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro (gerade noch) nicht den durch das – ältere und auf das Geschäftsjahr 2011 anwendbare – Finanzstatut (v. 2.6.2005, Amtl. Anz. 2006, S. 329 – FSt 2005) gezogenen Rahmen. Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 ist, um Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen, eine Ausgleichsrücklage anzusammeln, die zwischen 30 und 50 v. H. der Betriebsaufwendungen beträgt. Die Ausgleichsrücklage von 20.500.000,-- Euro erreicht 49,6 v. H. des in Abschnitt I WirtS 2011 veranschlagten Betriebsaufwands von 41.337.000,-- Euro. Besteht nach dem Finanzstatut der Industrie- und Handelskammer bei der Bildung des Haushaltsansatzes für eine Rücklage ein Beurteilungsspielraum, darf das Gericht nicht seine Beurteilung an die Stelle der behördlichen Einschätzung setzen, es hat jedoch zu prüfen, ob allgemeingültige Wertungsmaßstäbe beachtet sind (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., 2. Ls., Rn. 20). Hält sich die Rücklage in dem vom Finanzstatut gezogenen Rahmen ist damit aber im Allgemeinen keine Vermutung der Angemessenheit verbunden (a. A. noch VGH München, Beschl. v. 30.7.2012, 22 ZB 11.1509, juris Rn. 34; VG Braunschweig, Urt. v. 20.4.2017, 1 A 40/16, UA S. 12 f.; VG München, Urt. v. 20.1.2015, M 16 K 13.2277, juris Rn. 18), sondern bleibt insbesondere das haushaltsrechtliche Gebot der Schätzgenauigkeit zu prüfen (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20; VGH Mannheim, Urt. v. 2.11.2016, 6 S 1261/14, juris Rn. 36; VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 345). Ob davon eine Ausnahme dann zu machen ist, wenn sich die Ausgleichsrücklage an der Untergrenze des durch das Finanzstatut gezogenen Rahmens bewegt und lediglich 26, 30 oder 36,82 v. H. des Betriebsaufwands erreicht (so VG Köln, Urt. v. 15.2.2017, 1 K 1473/16, GewArch 2017, 194, juris Rn. 82, zustimmend VG Schleswig, Urt. v. 15.2.2018, 12 A 173/16, juris Rn. 33; VG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2017, 20 K 5579/17, juris Rn. 35; VG Mainz, Urt. v. 10.11.2017, 4 K 1310/16.MZ, juris Rn. 28), kann dahinstehen, da die Ausgleichsrücklage der Beklagten im Geschäftsjahr 2011 nahezu die Höchstgrenze von 50 v. H. des geplanten Betriebsaufwands ausmacht.

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Das Gebot der Schätzgenauigkeit erfordert eine Prognose, die aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfällt. Die Prognose muss sich im Fall der Ausgleichsrücklage darauf beziehen, in welcher Höhe Schwankungen im Beitragsaufkommen zu besorgen sind. Einerseits müssen die in Ansatz gebrachten Schwankungen im Beitragsaufkommen weder sicher noch auch nur überwiegend wahrscheinlich sein. Vielmehr sind aller Voraussicht nach im Geschäftsjahr eintretende Einbußen bereits im Haushaltsansatz des Beitragsaufkommens zu berücksichtigen, da dieser Haushaltsansatz ebenfalls dem haushaltsrechtlichen Gebot der Schätzgenauigkeit unterliegt. Die Ausgleichsrücklage sichert das ungewisse Risiko zu befürchtender Beitragsausfälle ab. Andererseits dürfen die angenommenen Schwankungen im Beitragsaufkommen auch nicht so unwahrscheinlich sein, dass ihre Annahme rein spekulativ erscheint oder das abgesicherte Risiko nur in einem fernliegenden „worst case“ eintreten kann. Eine nachvollziehbare Prognose bedarf einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Die vorliegend in Ansatz gebrachte Ausgleichsrücklage könnte daher nur mit einer auf hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten gründenden Prognose gerechtfertigt werden, dass die mit ihr auszugleichenden Schwankungen im Beitragsaufkommen möglicherweise bis fast zur Hälfte des Betriebsaufwands reichen könnten. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20), die für eine Liquiditätsrücklage von annähernd 50 v. H. der laufenden Ausgaben gefordert hat, dass das Risiko eines kurzfristigen Liquiditätsausfalls in dieser Höhe sich aus Erfahrungen der Beitragsveranlagungen belegen läßt.

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Ausgehend von diesem Maßstab findet die fast vollständige Ausschöpfung des vom Finanzstatut gezogenen Rahmens bis nahe an die Höchstgrenze von 50 v. H. des Betriebsaufwands keine Rechtfertigung. Im Einzelnen:

68

Tatsächliche Anhaltspunkte, aufgrund derer das Risiko von Beitragsschwankungen mit fast der Hälfte des Betriebsaufwands hätte abgeschätzt werden können, ergeben sich weder aus den Beschlüssen des Plenums, die bis zum Ende des Geschäftsjahres 2011 die Ausgleichsrücklage auf 20.500.000,-- Euro haben anwachsen lassen, noch aus den Protokollen vorbereitender Gremiensitzungen. Bei Einführung der Ausgleichsrücklage mit einer Bandbreite zwischen 30 bis 50 v. H. des Betriebsaufwands durch § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 heißt es zur Erläuterung lediglich, „die zwingend vorgeschriebene Ausgleichsrücklage solle 30-50 Prozent des Jahresbudgets betragen“ (Plenarsitzung v. 2.6.2005, TOP 6, S. 9 f.). Hinsichtlich der letzten Erhöhungen der Ausgleichsrücklage bis zu dem Stand im Geschäftsjahr 2011 ist in den Protokollen der Gremiensitzungen allenfalls dokumentiert, dass ohne die Erhöhung der durch § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt 2005 gezogene Rahmen noch nicht ausgeschöpft sei, aber kein sachlicher Grund dafür dargelegt, weshalb eine solche Ausschöpfung angezeigt sein könnte. Eine Erhöhung einer Rücklage, nur weil die Erhöhung nicht bereits vom Finanzstatut verboten ist, bliebe ohne einen auf den sachlichen Zweck der Rücklage bezogene Rechtfertigung und wäre damit sachfremd. Eine Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 1.000.000,-- Euro auf 20.000.000,-- Euro unter teilweiser Verwendung des Ergebnisses des Jahres 2009 hat das Plenum am 1. Juli 2010 ohne dokumentierte Diskussion beschlossen (Plenarsitzung v. 1.7.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 7). Der entsprechende Vorschlag des Innenausschusses (Sitzung des Innenausschusses v. 10.5.2010, TOP 1 Jahresabschluss 2009, S. 2) lässt keine Begründung erkennen. Innerhalb des Präsidiums (Sitzung des Präsidiums v. 3.6.2010, TOP 3 b Jahresabschluss 2009, S. 4) ist insoweit lediglich geäußert worden, dass zur Ergebnisverwendung „entsprechend dem gewachsenen Betriebsaufwand 1 Millionen Euro der Ausgleichsrücklage, 1,5 Millionen Euro der Rücklage für Pensionsrisiken und 0,5 Millionen Euro der Umbau- und Instandhaltungsrücklage zuzuführen“ seien. Sodann hat die Beklagte die Erlöse aus der Auflösung von Jubiläumsrückstellungen in Höhe von 186.418,-- Euro in die Ausgleichsrücklage eingestellt, die somit in der am 25. März 2011 von Präses und Hauptgeschäftsführer vorgelegten Bilanz 2010 eine Höhe von 20.186.418,-- Euro aufwies (Jahresabschluss 2010, S. 19). Eine weitere Erhöhung der Ausgleichsrücklage um 313.582,-- Euro hat das Plenum am 7. Juli 2011 zur teilweisen Verwendung des Ergebnisses aus 2010 vorgenommen (Plenarsitzung v. 7.7.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 7 f.). Nähere Begründungen finden sich in den Sitzungsniederschriften des Innenausschusses (v. 11.5.2011), des Präsidiums (v. 9.6.2011) und des Plenums (v. 7.7.2011) nicht. In der Beschlussvorlage an das Präsidium (v. 31.5.2011) ist nur ausgeführt, zunächst solle „die Ausgleichsrücklage wieder dicht an den möglichen Wert (50 % des Betriebsaufwands) ‚aufgerundet‘ werden“.

69

Auch im Übrigen finden sich keine tatsächlichen Anhaltspunkte, die ex ante eine Prognose von Beitragsschwankungen bis zu 50 v. H. des Betriebsaufwands zugelassen hätten. Die Beklagte bringt schriftsätzlich vor, zu Schwankungen im Beitragsaufkommen könnten konjunkturbedingte Schwankungen, der Ausfall einzelner großer Beitragszahler und die Orientierung des Kammerbeitrags an dem erst nach mehreren Jahren endgültig feststehenden Gewerbeertrag führen. Soweit die Beklagte zum Zweck der Quantifizierung Zahlen vorlegt, sind diese nur rechnerisch nachvollziehbar. Die Beklagte veranschlagt für konjunkturelle Schwankungen 15 v. H. der geplanten Beiträge, ausgehend davon, dass das Gewerbesteueraufkommen in den Jahren 1999 bis 2001 um 17 v. H. und in den Jahren 2008 bis 2009 um 19 v. H. rückläufig gewesen sei. Der Anteil von 15 v. H. müsse multipliziert werden mit zwei bis vier, um zwei bis vier Jahre andauernde Schwankungen abzubilden. Für das Risiko des Ausfalls großer Beitragszahler werde ein weiterer Betrag von 1.000.000,-- Euro angesetzt, dies entspreche dem Beitrag der beiden größten einzelnen Beitragszahler. Für das Schwankungsrisiko endgültiger Beitragsabrechnungen werde der Zehnjahresdurchschnitt der Umlagen aus dem Vorjahr angenommen und dieser Wert um 1.000.000,-- Euro verringert. Dieses von der Beklagten vorgetragene Rechenmodell entbehrt einer nachvollziehbaren tatsächlichen Grundlage. Zum einen ist bereits die gedankliche unmittelbare Anknüpfung der Höhe der Ausgleichsrücklage an das erwartete Beitragsaufkommen unplausibel. Da ein Anteil von zweimal bis viermal 15 v. H., also 30 bis 60 v. H., des Beitragsaufkommens veranschlagt wird, wäre nach der Berechnung der Beklagten die Ausgleichsrücklage umso höher anzusetzen, je höher das zu erwartende Beitragsaufkommen ist. Dies ist nicht nachvollziehbar. Zum anderen lässt sich die Höhe der Ausgleichsrücklage entgegen dem Vortrag der Beklagten nicht auf die Erfahrungen der Beitragsveranlagungen der vergangenen Jahre stützen. Dazu im Folgenden:

70

Wie hoch die einzelnen Rücklagen sein dürfen, hängt hinsichtlich der eingehenden Mitgliedsbeiträge von bestehenden Erfahrungen der Kammer selbst und sonst von den anstehenden Finanzierungsvorhaben ab (Wiemers, NVwZ 2016, 615, 616). Zwar wäre der Umkehrschluss nicht richtig, dass die Bildung oder Beibehaltung von Rücklagen allein deswegen ausgeschlossen wäre, weil in der Vergangenheit befürchtete Risiken tatsächlich nicht eingetreten sind (VG Mainz, Urt. v. 10.11.2017, 4 K 1310/16.MZ, juris Rn. 28 a. E.). Doch bedarf es stets positiv tragfähiger Anhaltspunkte, die im jeweiligen Geschäftsjahr ex ante die Bildung oder Beibehaltung einer Rücklage in bestimmter Höhe vertretbar erscheinen lassen. Dabei sind insbesondere die Erfahrungen in den letzten Jahren zu berücksichtigen (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 30.3.2017, 20 K 3225/15, juris Rn. 372). Das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20) hat gefordert, dass ein der Rücklage entsprechendes Risiko sich aus den Erfahrungen der Beitragsveranlagungen belegen lassen muss.

71

In die für das Geschäftsjahr 2011 anzustellende Risikoprognose hätte die Beklagte ihre Erfahrung einstellen müssen, dass sie die Ausgleichsrücklage in der Vergangenheit zu keiner Zeit – selbst nicht in den Zeiten der Finanzkrise – hatte in Anspruch nehmen müssen. Die Ausgleichsrücklage dient der Vorsorge, um bei einem verringerten Beitragsaufkommen die Kammertätigkeit fortzuführen. Sie ist über Jahre hinweg ungeachtet konjunktureller Schwankungen nicht verringert, sondern noch erhöht worden. Musste die Ausgleichsrücklage in der Vergangenheit bei konjunkturellen Krisen nicht in Anspruch genommen werden, so bedarf es besonderer Umstände, aus denen sich das durch die Rücklage abzusichernde Risiko schwankender Beitragsaufkommen erhöht, um zu rechtfertigen, dass sie bis zur Höchstgrenze aufrechterhalten wird. An solchen besonderen Umständen fehlt es jedoch.

72

Aus der Wirtschaftskrise 2008/2009 ergibt sich kein risikoerhöhender Umstand für das Beitragsaufkommen 2011. Vielmehr hat die Beklagte bereits in der Beschlussvorlage zur ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans 2011 (Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, S. 2) die Einschätzung mitgeteilt:

73

„Offensichtlich hat die Unternehmenssteuer-Reform des Jahres 2007 mit der veränderten Ermittlung des steuerlichen Gewerbeertrags ab 2008 zu einer Ausweitung der Gewerbeerträge geführt und somit die aus der Wirtschaftskrise resultierenden Einbußen ausgeglichen.“

74

Überdies hat die Beklagte – im Spannungsverhältnis zu ihrer soeben wiedergegebenen Einschätzung – die Auswirkungen der Wirtschaftskrise 2008/2009 bei dem für das Geschäftsjahr 2011 erwarteten Beitragsaufkommen mindernd in Ansatz gebracht und ausgeführt (Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, S. 3):

75

„Für die Erträge aus Handelskammerbeiträgen erwarten wir 35.325 TEUR (Plan 2010 mit Nachtrag 44.120 TEUR). Für die Veranlagung 2011 haben wir dabei konstante Bemessungsgrundlagen unterstellt; bei Reduzierung des Umlagesatzes von 0,31 auf 0,28 % des Gewerbeertrages ergäbe sich somit für die Position Umlagen lfd. Jahr im Vergleich zu 2010 ein Minus von knapp 2,9 Mio. EUR; wegen der insbesondere bei den Abrechnungen 2009 wirksam werdenden Auswirkungen der Finanzmarktkrise haben wir bei den Veranlagungen für alte Jahre sehr vorsichtig kalkuliert und gehen von einem Minus von 6 Mio. EUR gegenüber dem aktualisierten Plan 2010 aus. Bei voraussichtlich gleich bleibenden Mitgliederzahlen werden sich die Grundbeiträge etwa auf dem Niveau des Jahres 2010 bewegen.“

76

Eine zusätzliche Berücksichtigung von – zumal durch die Beklagten selbst in Abrede gestellten – negativen Auswirkungen der Wirtschaftskrise 2008/2009 bei der Ausgleichsrücklage erscheint daher ausgeschlossen.

77

Besondere neue Gesichtspunkte, die geeignet gewesen wären, die hohe Ausgleichsrücklage zu rechtfertigen, sind auch nicht bis zum Ende des Geschäftsjahres 2011 aufgetreten. In dem am 25. März 2011 erstatteten Lagebericht zur Bilanz 2010 haben Präses und Hauptgeschäftsführer ausgeführt: Die Hamburger Wirtschaft habe sich nach dem krisenbedingten Tief im ersten Quartal 2009 schnell erholt und es zeige sich nach Wirtschaftszweigen ein durchgehend positives Bild (S. 5). Die Arbeit der Beklagten habe 2010 überwiegend im Zeichen der wirtschaftlichen Erholung gestanden (S. 6). Besondere Risiken, die für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Beklagten von Bedeutung sein könnten, bestünden nicht (S. 11). Die Geschäftsführung hat in Vorbereitung des Jahresabschlusses 2010 erläutert (Sitzung des Innenausschusses v. 11.5.2011, TOP 1 Jahresabschluss 2010, S. 2), dass die allgemeine Beitragsentwicklung ausgesprochen positiv zu bewerten sei, es „zeige der Beitragsverlauf des aktuellen Jahres, dass mit Einbrüchen nicht zu rechnen sei“. In Vorbereitung des Zweiten Nachtrags zum Wirtschaftsplan 2011 hat die Geschäftsführung (Sitzung des Innenausschusses v. 19.9.2011, TOP 1 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2) „von der weiterhin positiven Beitragsentwicklung“ berichtet, „der erwartete Rückgang der Beiträge aufgrund der Senkung des Umlagesatzes und der Auswirkungen der Lehman-Krise 2008/2009 sei ausgeblieben“.

78

bb) Die im Geschäftsjahr 2011 aufrechterhaltene Umbau-/Instandhaltungsrücklage ist allenfalls dem Grunde nach rechtmäßig, jedenfalls aber überhöht.

79

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage war im Zuge des Jahresabschlusses 2009 am 1. Juli 2010 von 6.333.439,80 Euro um 500.000,-- Euro auf 6.833.439,80 Euro erhöht worden (vgl. Jahresabschluss 2009, S. 4). Mit dem erst nach dem Jahresabschluss 2009 beschlossenen Ersten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung der Beklagten für das Geschäftsjahr 2010 (v. 4.11.2010, Amtl. Anz. S. 2234, vorbereitend Präsidiumssitzung v. 7.10.2010, TOP 3 b Nachtragswirtschaftsplan 2010, S. 5) war ein weiterer Betrag von 4.300.000,-- Euro in die Umbau-/Instandhaltungsrücklage eingestellt worden. Die Rücklage hat damit im Geschäftsjahr 2011 entsprechend dem im Jahresabschluss 2010 am 7. Juli 2011 ausgewiesenen Stand eine Höhe von 11.133.439,80 Euro erreicht. Die nachfolgende Erhöhung der Rücklage für Umbauten um 8.000.000,-- Euro sowie für Instandhaltungen um 2.000.000,-- Euro im Zuge des Jahresabschlusses 2011 am 5. Juli 2012 ist im Geschäftsjahr 2011 nicht mehr wirksam geworden und bleibt deshalb für die Wirtschaftsplanung 2011 außer Betracht.

80

Die Umbau-/Instandhaltungsrücklage könnte dem Grunde nach rechtmäßig sein, was aber letztlich dahinstehen kann. Der Bildung dieser Rücklage steht jedenfalls nicht bereits das Satzungsrecht entgegen. Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 und 4 FSt 2005 dürfen neben der verpflichtend vorgesehenen Ausgleichsrücklage „andere Rücklagen“ gebildet werden. Wie jede Rücklage bedarf die Umbau-/Instandhaltungsrücklage mit Rücksicht auf das eine bloße Vermögensmehrung verbietende Kostendeckungsprinzip der Rechtfertigung durch einen hinreichenden sachlichen Zweck (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, a. a. O., Rn. 20). Dieser sachliche Zweck bedarf aufgrund dessen einer weitergehenden (besonderen) Konkretisierung als dies bei der (allgemeinen) Ausgleichsrücklage zu fordern ist. Dieses gesetzliche Erfordernis kommt nunmehr zum Ausdruck in dem – neueren und für das Geschäftsjahr 2011 allerdings nicht anwendbaren – Finanzstatut der Beklagten (v. 23.5.2013, Amtl. Anz. S. 915 – FSt 2013), wonach die Bildung von „zweckbestimmten Rücklagen“ („anderen Rücklagen“) zulässig ist, jedoch der Verwendungszweck und der Umfang hinreichend zu konkretisieren sind (§ 15a Abs. 2 Satz 3 bis 5 FSt 2013). Teilweise wird bereits aus dem Gesetz gefolgert, dass „andere Rücklagen“ als die Ausgleichsrücklage einer strengen Zweckbindung unterliegen und fest umrissen ein genau definiertes Risiko abdecken, ihre Bildung auch mit einem Zeitplan unterlegt ist, innerhalb dessen die Rücklagen für den vorgesehenen Zweck zu verbrauchen (aufzulösen) sind (Jahn, GewArch 2016, 263, 267). Bei strenger Handhabung dieser Vorgaben wäre die Aufrechterhaltung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage im Geschäftsjahr 2011 bereits dem Grunde nach zumindest zweifelhaft. Eine sachliche Konkretisierung geringen Grades und auch nur hinsichtlich eines Teil des Rücklagenzwecks könnte jedoch daraus hergeleitet werden, dass der Immobilienbestand im Verwaltungsgebrauch der Beklagten in einem funktionsfähigen Zustand gehalten werden muss. Eine zeitliche Konkretisierung könnte hinsichtlich des Teilzwecks „Instandhaltung“ dann für entbehrlich gehalten werden, wenn auf einen sich etwaig unerwartet aktualisierenden Instandhaltungsbedarf abgestellt würde. Hinsichtlich des Teilzwecks „Umbau“ bietet sich allerdings keine entsprechende Möglichkeit einer Rechtfertigung. Wenngleich die von der Beklagten vorgebrachte Überlegung, die für bauliche Maßnahmen oder ähnliche erhebliche Investitionsmaßnahmen voraussichtlich benötigten Mittel vorher sukzessive aufzubauen, nachvollziehbar ist, muss doch zumindest für eine Rücklage für eine über die bloße Instandhaltung hinausgehende Sanierungs- oder Umbaumaßnahme bereits ein gewisser sachlicher und zeitlicher Planungsstand erreicht sein, um mit der Rücklagenbildung nicht eine bloße Vermögensmehrung auf Vorrat zu betreiben.

81

Jedenfalls der Höhe nach ist die Umbau-/Instandhaltungsrücklage im Geschäftsjahr 2011 nicht zu rechtfertigen. Das Maß der Rücklage ist entgegen den vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigten Anforderungen nicht vom sachlichen Zweck der Rücklage gedeckt.

82

Dabei kann dahinstehen, ob dem Verwaltungsgericht Hamburg (Urt. v. 2.3.2016, 17 K 2912/14, juris Rn. 45) darin zu folgen ist, dass bereits die in der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2006 ausgewiesene Umbau-/Instandsetzungsrücklage von damals 5.333.439,80 Euro – die 10 v. H. des damaligen Versicherungswerts der von der Beklagten genutzten Gebäude A.-Straße x und S.-Straße x entsprach – überhöht war. Auch die Rechtmäßigkeit der weiteren, geringeren Erhöhungen der Rücklage bis zum Stand von 6.833.439,80 Euro im Jahresabschluss 2009 kann dahinstehen. Jedenfalls hätte die am 4. November 2010 vorgenommene erhebliche Aufstockung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage um 4.300.000,-- Euro im Geschäftsjahr 2011 nicht aufrechterhalten bleiben dürfen. Ein noch bei Abschluss der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 am 3. November 2011 tragfähiger Grund für die erhöhte Rücklage ist nicht ersichtlich.

83

Keine Rechtfertigung findet die erhöhte Rücklage darin, dass sich im Jahr 2011 im Handelskammergebäude im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss an der Verbindung zwischen dem Börsensaal und dem Foyer Risse gezeigt hatten (dazu Beschlussvorlage für die Präsidiumssitzung v. 9.6.2011, TOP 3 Jahresrechnung 2010, S. 2). Innerhalb des Präsidiums (Sitzung v. 9.6.2011, TOP 3 b Jahresabschluss 2010, S. 6) war allerdings zunächst angemerkt worden, dass die „Risse im Eingangsbereich des Handelskammergebäudes, […] erhebliche Renovierungskosten“ nach sich zu ziehen drohten, und insoweit ein Betrag von 4.300.000,-- Euro genannt worden. Doch hat der Hauptgeschäftsführer in einer weiteren Präsidiumssitzung (Sitzung v. 6.10.2011, TOP 3 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2) diesen Befürchtungen die Grundlage entzogen, indem er erläutert hat:

84

„Die ursprünglich geplanten Rücklagen für die Sanierung des Gebäudes unserer Handelskammer aufgrund des Risses in der Fassade würden voraussichtlich nicht in der Höhe benötigt werden. Das vorliegende Gutachten eines renommierten Hamburger Architekten beziffere die notwendigen Ausgaben zur Beseitigung des Risses auf lediglich mehrere 10.000 Euro. Eine größere Instandsetzung sei nach Auffassung dieses Architekten nicht notwendig.“

85

Wenngleich der Präses sich in der Präsidiumssitzung „aufgrund der potentiell drohenden Schäden für das Gebäude“ für ein „zweites Gutachten in Bezug auf die Sanierung des Gebäudes“ ausgesprochen hat, ist kein belastbarer Anhaltspunkt dafür ersichtlich, die vorherige Erhöhung der Rücklage um 4.300.000,-- Euro aus einem lediglich „potentiellen“ Grund aufrechtzuerhalten.

86

Die 2010 vorgenommene Erhöhung der Umbau-/Instandhaltungsrücklage um 4.300.000,-- Euro lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass das Plenum 2011 die Entscheidung zugunsten eines Erweiterungsbaus getroffen hat (Plenarsitzung v. 3.3.2011, TOP 3 Beschlussfassung über einen Erweiterungsbau der Handelskammer „Handelskammer Innovations-Campus, HKIC“, S. 7 f.). Für das Gesamtprojekt wurde dabei ein Bedarf von 13.592.000,-- Euro in Ansatz gebracht. In der Finanzplanung für das Geschäftsjahr 2011 wurden gemäß dem Ersten Nachtrag zum Wirtschaftsplan zunächst Investitionskosten von 6.997.000,-- Euro veranschlagt (Beschlussvorschlag in Anlage 2 b zu TOP 5 zu der auf den 3.3.2011 vertagten Plenarsitzung v. 3.2.2011, S. 1, S. 3, Nr. 11 im Finanzplan) und dieser Ansatz sodann im Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan (Beschlussvorschlag in Anlage TOP 4 b zur Plenarsitzung v. 3.11.2011, S. 2, S. 6, Nr. 11 im Finanzplan) wegen aufgetretener Verzögerungen verringert. Keinen Raum ließ die Investitionsentscheidung für eine – nochmalige – Berücksichtigung bei der Umbau-/Instandhaltungsrücklage. Die Aktualisierung von Umbauplänen unter Ansatz entsprechender Aufwendungen im Wirtschaftsplan deutet eher darauf hin, die Berechtigung einer bisherigen Rücklage für noch nicht aktuelle Baumaßnahmen zu überdenken. Eine Sicherheitsreserve für Unvorhergesehenes war bereits innerhalb der in Ansatz gebrachten Investitionskosten des Gesamtprojekts Erweiterungsbau i. H. v. 1.500.000,-- Euro veranschlagt worden.

87

Ferner durfte die Beklagte im Geschäftsjahr 2011 die um 4.300.000,-- Euro erhöhte Umbau-/Instandhaltungsrücklage nicht deshalb aufrechterhalten, weil das am 5. April 2012 und damit nach Abschluss des Geschäftsjahres 2011 vorgelegte Architektengutachten einen Mittelbedarf für beabsichtigte Sanierungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Erhaltung der Bausubstanz von 14.747.235,65 Euro ausweist. Aus der späteren Vorlage des Architektengutachtens kann nicht darauf geschlossen werden, dass bereits im Geschäftsjahr 2011 eine Rücklage in dieser Größenordnung für damals anstehende Umbau- oder Instandhaltungsmaßnahmen berechtigt gewesen wäre. Die Beklagte selbst hat das Architektengutachten nicht als nachträgliche Rechtfertigung der übernommenen Rücklagenhöhe gebraucht, sondern im Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2011 am 5. Juli 2012 und damit im zeitlichen Zusammenhang mit der Vorlage des Architektengutachtens die Rücklage für Umbauten um weitere 8.000.000,-- Euro sowie für Instandhaltungen um weitere 2.000.000,-- Euro auf insgesamt 21.133.439,80 Euro erhöht.

88

Schließlich rechtfertigt sich die Höhe der Umbau-/Instandhaltungsrücklage nicht aus den kleineren und größeren laufenden Arbeiten und Instandhaltungen an den Kammergebäuden. So waren bereits nach der ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans für das Geschäftsjahr 2011 für laufende Instandhaltung und größere Umbaumaßnahmen insgesamt 1.560.000,-- Euro vorgesehen, darunter für die Dachsanierung über dem Börsensaal 300.000,-- Euro, für den Austausch von Fenstern im Obergeschoss an der Johannisstraße 100.000,-- Euro, für die Modernisierung der Klimatechnik in den Sitzungssälen 150.000,-- Euro sowie den Abschluss der Modernisierung der Commerzbibliothek 300.000,-- Euro (Beschlussvorschlag, Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, Wirtschaftsplan 2011, S. 5). Für zunächst bereits im Vorjahr 2010 beabsichtigt gewesene und erst im Geschäftsjahr 2011 durchgeführte Instandhaltungsmaßnahmen wurde der geplante Aufwand um etwa 300.000,-- Euro erhöht (Beschlussvorschlag, Anlage 5 zur Plenarsitzung v. 4.11.2010, Zweiter Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 2).

89

cc) Die Rücklage für Sonderprojekte, in die im Geschäftsjahr 2011 ebenso wie in den Vorjahren durchgängig ein Betrag von 3.900.000,-- Euro eingestellt war, ist überhöht.

90

Eine Rechtmäßigkeit dieser Rücklage dem Grunde nach kann dahinstehen. Es könnte an jeglicher sachlicher und zeitlicher Konkretisierung fehlen, so dass die vom Bundesverwaltungsgericht als zwingende Voraussetzung geforderte Einhaltung des Gebots der Schätzgenauigkeit unmöglich sein könnte. Für eine Rechtmäßigkeit könnte allenfalls ins Feld geführt werden, dass auf Ausgabenseite unvorhergesehene und unvorhersehbare Umstände während des laufenden Geschäftsjahres zu entsprechenden Aufwendungen für unvorhergesehene Vorhaben („Sonderprojekte“) führen können, so dass für das Unvorhergesehene vorab Mittel reserviert werden könnten. Die Beklagte bringt hierzu vor, die Rücklage solle kurzfristige Handlungsspielräume für notwendige ad-hoc-Aktivitäten schaffen.

91

Zumindest ist die Rücklage der Höhe nach rechtswidrig. Da im Geschäftsjahr geplante Aufwendungen wegen des Gebots der Schätzgenauigkeit bereits im Betriebsaufwand zu berücksichtigen sind, können Rücklagen neben dem Risiko zukünftiger Ertragsausfälle (dazu s. o. aa)) nur das Risiko bestimmter zukünftiger, noch nicht aktueller Aufwendungen abdecken. Es ist nicht nachvollziehbar, dass noch nicht im Betriebsaufwand berücksichtigte „Sonderprojekte“ in Höhe von immerhin 9,6 v. H. des Betriebsaufwands von 41.337.000,-- Euro zu erwarten gewesen wären. Falls die Rücklage für Sonderprojekte dem Grunde nach gerechtfertigt wäre, so trüge diese Rechtfertigung allein die Vorsorge für unvorhersehbare Projekte mit einem Aufwand in einer gegenüber dem Gesamthaushalt untergeordneten, eine gesonderte Nachtragswirtschaftsplanung nicht rechtfertigenden Höhe. Das Plenum muss die Entscheidungen über die wesentlichen Haushaltsansätze selbst konkret treffen und darf sie nicht dem Präsidium oder der Geschäftsführung der Kammer überlassen. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, das Plenum habe in Ausübung seines Beurteilungsspielraums über die Rücklagenhöhe entschieden und andere Organe könnten im Rahmen der getroffenen grundlegenden Weichenstellungen agieren, dürfte dies in dieser Allgemeinheit hier nicht zutreffend sein. Denn in der erheblichen Größenordnung von einem Zehntel des Betriebsaufwands fehlt es an grundlegenden Weichenstellungen durch das Plenum als Haushaltsgeber.

92

Auch der Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, bei jedem Bauprojekt bringe der Architekt einen Anteil von 10 v. H. für Unvorhergesehenes in Ansatz, lässt keine Rechtfertigung der Höhe des Rücklage für Sonderprojekte erkennen. Es steht nicht die Abschätzung des sich in der Zukunft entwickelnden Aufwands für ein sachlich und zeitlich bestimmt bezeichnetes Vorhaben in Rede. Vielmehr dient die Rücklage für Sonderprojekte der Vorsorge dazu, die Kosten für in der Zukunft erst noch ad hoc aufzugreifende Vorhaben zu decken.

93

Der von der Beklagten vorgetragene Strauß an möglichen Sonderprojekten ist nicht geeignet, die Rücklagenhöhe zu rechtfertigen. Die Beklagte trägt vor, dass 1.000.000,-- Euro für „standortpolitisch bedeutsame Projekte“, 2.000.000,-- Euro für die Unterstützung einer neuen Olympia-Bewerbung, eventuelle Herausforderungen im Lehrstellenangebot durch den doppelten Abiturjahrgang 2010 sowie die „aktuelle Diskussion in Sachen Klimaschutzaktivitäten“ und weitere 900.000,-- Euro ohne besondere Zuordnung in Ansatz gebracht worden seien. Die Vielfalt denkbarer Zwecke verdeutlicht, dass es zumindest bei einer Rücklage in der in Rede stehenden Größenordnung an einer Konkretisierung des Rücklagenzwecks gemangelt hat. Ein Teilbetrag der Rücklage von 900.000,-- Euro wird überdies auch von der Beklagten keinem genaueren Zweck als dem der „Sonderprojekte“ zugeordnet.

94

dd) Die Rechtmäßigkeit der durch den Wirtschaftsplan nach Abschnitt I WirtS 2011 aufrechterhaltenen Rücklage BID N. in Höhe von 1.000.000,-- Euro kann nach dem Vorstehenden dahinstehen. Der betreffende Business Improvement District (BID) wurde erst im Jahr 2014 durch die Verordnung zur Einrichtung des Innovationsbereichs N. (v. 5.8.2014, HmbGVBl. S. 334) mit einem Gesamtaufwand von 9.320.000,-- Euro (§ 4) einschließlich einer Verwaltungspauschale von 20.000,-- Euro (§ 5) für die Laufzeit von fünf Jahren (§ 6) für einen das von der Beklagten genutzte Hauptgebäude an der A.-Straße einschließenden Innovationsbereich (§ 2) eingerichtet. Offen bleiben kann, ob die Aufrechterhaltung einer Rücklage von 1.000.000,-- Euro in der langjährig vorausgehenden Planungsphase mit dem Kostendeckungsprinzip vereinbar gewesen ist. Überlegenswert erschienen wäre allenfalls, den Betrag zurückzulegen, der im Fall der Einrichtung des Innovationsbereichs einem jährlichen Anliegerbeitrag entsprochen hätte.

95

ee) Die Feststellung des Mittelbedarfs der Kammer für das Geschäftsjahr 2011 ist darüber hinaus deshalb fehlerhaft, weil der vorhandene positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nach der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 keiner sachlichen Verwendung zugeführt werden sollte.

96

Nach dem am 7. Juli 2011 festgestellten Jahresabschluss 2010 wurde ein positives Ergebnis in Höhe von 5.711.000,-- Euro in das Geschäftsjahr 2011 vorgetragen. Die Wirtschaftsplanung ging dahin, dass dieser Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 in keiner Weise zugunsten der Beitragszahler zur Kostendeckung im Geschäftsjahr 2011 verwendet werden sollte. Vielmehr sollte der Ergebnisvortrag aus 2010 in einem geplanten positiven Ergebnis aus 2011 fortgeschrieben werden. Darin liegt ein Verstoß gegen das Verbot der Gewinnorientierung, das der Kammer untersagt, ihre Tätigkeit auf eine bloße Vermögensmehrung anzulegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17). Im Einzelnen:

97

In der Wirtschaftsplanung für das Geschäftsjahr 2011 hat die Beklagte den Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 nicht dazu genutzt, im Rahmen zulässiger Vorsorge eine neue angemessene Rücklage zu bilden. Auch hat sie den positiven Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010 in der Wirtschaftsplanung 2011 nicht dazu verwendet, ein zu erwartendes negatives Jahresergebnis aus dem Geschäftsjahr 2011 auszugleichen und auf diese Weise die anfallenden Betriebsaufwendungen mitzutragen. Vielmehr hatte die Beklagte im Erfolgsplan nach der ursprünglichen Fassung des Wirtschaftsplans für das Geschäftsjahr 2011 vom 4. November 2010 zunächst ein neutrales Jahresergebnis von 0,-- Euro erwartet. Im Erfolgsplan, wie er dem Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan vom 3. November 2011 zugrunde lag, hat die Beklagte aus dem Geschäftsjahr 2011 ein hohes positives Jahresergebnis von 6.655.000,-- Euro (Nr. 20) erwartet, das sich angesichts fehlender Entnahmen aus Rücklagen (Nr. 22) und Einstellungen in Rücklagen (Nr. 23) nach Addition mit dem hohen positiven Ergebnisvortrag aus 2010 von 5.711.000,-- Euro (Nr. 21) zu einem noch höheren positiven Ergebnis des Jahres 2011 von 12.366.000,-- Euro (Nr. 24) aufsummieren sollte.

98

Der bereits feststehende positive Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr 2010, der im Geschäftsjahr 2011 nicht zur Kostendeckung verwendet werden, sondern ins Folgejahr 2012 fortgeschrieben werden sollte, kommt der Bildung einer nicht einem sachlichen Zweck dienenden Rücklage gleich. Eine solche Rücklage ist nach dem Maßstab der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 17; s. o. c)) als bloße Vermögensmehrung unzulässig. Die Kammer darf im Rahmen ihrer Wirtschaftsplanung nicht von vornherein einen Überschuss ihrer Beitragseinnahmen über die erforderlichen Aufwendungen gezielt zur Vermögensbildung planen (Jahn, GewArch 2016, 263, 265).

99

Die Beklagte hat noch im Geschäftsjahr 2011 eingeräumt, dass dieses „überplanmäßig“ verlaufe (Schriftsatz v. 26.10.2011). Sie hätte spätestens bei Befassung über den Zweiten Nachtrag zur Wirtschaftssatzung am 3. November 2011 dafür Sorge tragen müssen, dass angesichts des seit dem 7. Juli 2011 feststehenden Überschusses aus dem Vorjahr dem Kostendeckungsprinzip noch im Geschäftsjahr 2011 Genüge getan wird. Der Beklagten hätten dafür verschiedene Wege zu Gebote gestanden. Die Beklagte war nicht auf einen bestimmten Weg festgelegt, jedoch darauf, einen das Kostendeckungsprinzip achtenden Weg einzuschlagen. Etwa hätte die Beklagte das Vorjahresergebnis im Rahmen zulässiger Vorsorge einer neuen angemessenen Rücklage zuführen können. Auch hätte die Beklagte das positive Vorjahresergebnis zum Ausgleich eines negativen Jahresergebnisses verwenden können. Dies hätte allerdings vorausgesetzt, dass die Beklagte nach ihrer Wahl die geplanten Aufwendungen erhöht hätte oder die geplanten Erträge gesenkt hätte. Die geplanten Aufwendungen hätte die Beklagte etwa dadurch erhöhen können, dass sie im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenkreises nach § 1 Abs. 1 IHKG sowie im Rahmen der Gebote von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und der pfleglichen Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG ihre Tätigkeiten ausgeweitet hätte. Die geplanten Erträge hätte die Beklagte etwa dadurch verringern können, dass sie hinsichtlich der für das Geschäftsjahr 2011 zu leistenden Kammerbeiträge den Grundbeitrag und/oder die Umlage verringert und/oder die Freigrenzen erhöht hätte.

100

Dahinstehen kann, ob die Beklagte nach Feststellung des Überschusses aus dem Vorjahr am 7. Juli 2011 eine Verringerung der Beitragssätze noch im laufenden Jahr hätte unterlassen dürfen, wenn ihr unüberwindliche praktische Hindernisse entgegengestanden hätten. Letzteres ist nicht erkennbar. Dies folgt aus dem bereits dargestellten (s. o. 1.) System der Beitragserhebung zunächst aufgrund vorläufiger Veranlagung und sodann aufgrund endgültiger Abrechnung. Auch ausgehend von der Unterstellung, dass am 7. Juli 2011 alle Beitragspflichtigen bereits durch einen ersten Beitragsbescheid im Wege der „vorläufigen Veranlagung“ nach § 15 Abs. 3 BO zum Kammerbeitrag für das Geschäftsjahr 2011 herangezogen worden wären, hätte doch gegenüber allen Beitragspflichtigen eine endgültige Abrechnung ausgestanden. Unerheblich ist dabei, dass die endgültige Abrechnung ursprünglich nur der Einstellung der für die Beitragsfestsetzung maßgebenden Parameter dienen sollte. Das vorhandene Instrumentarium hätte ohne Schwierigkeiten dafür genutzt werden können, zugunsten der Beitragspflichtigen des Geschäftsjahres 2011 bei der anstehenden endgültigen Abrechnung einen verringerten Grundbeitrag und/oder einen verringerten Umlagesatz und/oder eine erhöhte Freigrenze zu berücksichtigen. Auf der kalkulatorischen Grundlage der endgültigen Abrechnung wäre in dem Fall, dass sich ein geringerer Gesamtbetrag ergeben hätte, der erste Beitragsbescheid durch einen zweiten Beitragsbescheid teilweise aufzuheben gewesen. In dem Fall, dass sich ein höherer Betrag ergeben hätte, wäre neben dem fortbestehenden ersten Beitragsbescheid eine weitere Festsetzung durch einen zweiten Beitragsbescheid vorzunehmen gewesen.

101

Eine etwaige Verwendung des im Geschäftsjahr 2011 erzielten positiven Ergebnisses in den Folgejahren genügt nicht, um das geschäftsjährlich und ex ante zu beachtende Kostendeckungsprinzip des § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG zu wahren. Vielmehr hätte das mit dem Jahresabschluss 2010 feststehende positive Ergebnis aus dem Vorjahr zugunsten der Beitragszahler des Geschäftsjahres 2011 für eine zulässige Rücklagenbildung, für höhere Aufwendungen oder für niedrigere Beitrage genutzt werden müssen. Die Erhebung von Beiträgen für eine bestimmte Beitragsperiode rechtfertigt sich nur in dem Umfang, wie sie zur Tragung sonst nicht gedeckter Kosten der Tätigkeit der Kammer erforderlich ist. Es verstößt gegen das Verbot der Gewinnorientierung, wenn die Kammer sehenden Auges Überschüsse erzielt und eine Reaktion erst für eine folgende Beitragsperiode in Aussicht gestellt hat. Dieser Fall ist hier gegeben. Das Präsidium hat dem Plenum vor der Beschlussfassung über den Zweiten Nachtrag zum Wirtschaftsplan 2011 berichtet (Plenarsitzung v. 3.11.2011, TOP 4 b Nachtragswirtschaftsplan 2011, S. 7),

102

„dass entgegen der Planung und trotz Senkung des Umlagesatzes auch 2011 mit steigenden Erträgen aus Beiträgen und entsprechenden Überschüssen zu rechnen sei. Deshalb wolle die Handelskammer im nächsten Jahr eine spürbare Senkung der Beiträge vorschlagen.“

103

f) Der streitgegenständliche Beitragsbescheid kann auch nicht zum Teil aufrechterhalten bleiben. Die Feststellung des Mittelbedarfs für das Geschäftsjahr 2011 ist insgesamt fehlerhaft, weil in Abschnitt I WirtS 2011 überhöhte Rücklagen aufrechterhalten worden sind und ein positives Vorjahresergebnis keiner sachlichen Verwendung zugeführt worden ist (s. o. e)). Wegen dieser Fehler kann die Feststellung des Mittelbedarfs nicht als Maßgabe für die Beitragserhebung dienen. Die in Abschnitt II WirtS 2011 enthaltene abstrakte Festsetzung der Beiträge ist rechtswidrig und damit rechtsunwirksam, so dass sie keine taugliche Grundlage für eine konkrete Festsetzung der Beiträge bietet. In Übereinstimmung damit hat auch das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 9.12.2015, 10 C 6/15, BVerwGE 153, 315, juris Rn. 11) angenommen, dass bei einem zur Rechtsunwirksamkeit führenden Fehler der Wirtschaftssatzung die konkrete Beitragserhebung insgesamt rechtswidrig ist.

104

II. Die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten unter Abwendungsbefugnis ist § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO zu entnehmen. Ein Grund, die Revision nach § 132 Abs. 1, Abs. 2 VwGO zuzulassen, ist nicht gegeben.

Tenor

Der Bescheid vom 02. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2016 wird insoweit aufgehoben, als er die vorläufige Veranlagung des IHK – Beitrages für das Jahr 2016 betrifft.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt ¾, die Beklagte 1/4 der Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beitragsfestsetzung für die Jahre 2012 bis 2014 und 2016.

2

Der Kläger ist kraft Gesetzes Mitglied der Beklagten und wird als solches von dieser zum Beitrag veranlagt.

3

Die Beklagte forderte den Kläger mit Bescheid vom 02. Februar 2016 auf, im Wege der vorläufigen Veranlagung für das Beitragsjahr 2016 Beiträge in Höhe von 153,00 EUR zu zahlen. Ferner enthielt der Bescheid drei Abschnitte mit der Überschrift „Abrechnung“ für die Beitragsjahre 2012, 2013 und 2014, in denen jeweils die mit früherem Bescheid festgesetzten Beträge aufgeführt waren, sowie in der Spalte „mit diesem Bescheid festgesetzt“ jeweils der Betrag „0,00“ angegeben war. Ferner war der Hinweis enthalten „Wenn zu den oben aufgeführten Beitragsjahren bereits Beitragsbescheide ergangen sind, werden diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben.“

4

Hiergegen erhob der Kläger am 08. Februar 2016 Widerspruch und begründete diesen mit einer aus seiner Sicht unzulässigen Vermögensbildung der Beklagten.

5

Die Beklagte verwarf den Widerspruch mit Bescheid vom 17. Mai 2016 hinsichtlich der Endabrechnungen für die Jahre 2012 bis 2014, da der Kläger durch den Bescheid insoweit nicht beschwert sei. Bezüglich der Veranlagung für das Jahr 2016 wies sie den Widerspruch mit der Begründung zurück, es sei keine unzulässige Vermögensbildung im Rahmen der Wirtschaftsplanung erfolgt und verwies dabei unter anderem auf die im Internet veröffentlichen Jahresabschlüsse der vergangenen fünf Jahre.

6

Unter dem 30. Mai 2016 hat der Kläger Klage erhoben und wiederholt dabei im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt er vor, er sei durch die wiederholende, abrechnende Veranlagung auch hinsichtlich der Jahre 2012 bis 2014 beschwert. Ferner habe die Beklagte auch für 2016 Mitgliedsbeträge unzulässig erhoben, da sie dem Gebot der Schätzgenauigkeit, insbesondere im Hinblick auf die Bemessung der Ausgleichsrücklage nicht genügt habe und ihr durch Reduzierung der zu hohen Rücklagen andere Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Des Weiteren rüge er hinsichtlich aller Zeiträume die Höhe der Ausgleichsrücklage sowie die Festsetzung eines Korridors hierfür in § 15 a Abs. 2 S. 1 der Finanzsatzung der Beklagten, ferner die Höhe der Liquiditätsrücklage in den Jahren 2012 - 2014 und der Nettoposition, durch deren Erhöhung die Beklagte eine unzulässige Vermögensbildung betrieben und gegen die Bestimmungen des eigenen Finanzstatus verstoßen habe. Außerdem sei die Bildung der weiteren Rücklagen nicht ordnungsgemäß, jedenfalls entspreche das Vorhalten des Künstlerfonds nicht der Aufgabenzuweisung der Beklagten. Ebenso habe die Beklagte fehlerhaft Jahresgewinne nicht an die Mitglieder ausgekehrt.

7

Der Kläger beantragt,

8

den Bescheid vom 02. Februar 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2016 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte macht geltend, die erforderlichen Abwägungen hinsichtlich der Rücklagenbildung getroffen zu haben und verweist insoweit auf den eingereichten Jahresabschluss 2015 sowie die eingereichte Wirtschaftsplanung 2016, auf deren Einzelheiten sie Bezug nimmt. Ferner ist sie der Ansicht, bei der Nettoposition handele es sich lediglich um eine rechnerische Größe, deren Erhöhung aufgrund des tatsächlichen Wertes des Gebäudebestandes als langfristig gebundenes Vermögen anzupassen gewesen sei. Das Bilden der Ausgleichsrücklage sei angesichts ihrer Finanzlage geboten gewesen. Darüber hinaus sei die Ausgleichsrücklage lediglich in Höhe von 2.000.000,00 EUR ausfinanziert. Das tatsächlich vorliegende Vermögen der Ausgleichsrücklage wäre im Übrigen ohne Beitragseinnahmen innerhalb eines Zeitraums von höchstens drei Monaten vollständig aufgebraucht, auch insoweit könne keine unverhältnismäßig hohe Einlagensicherung vorliegen. Eine Liquiditätsrücklage bestehe nicht. Ferner lasse die Nettoposition als rechnerische Größe keinerlei Rückschlüsse auf ihre Vermögenssituation zu. Die Zinsausgleichsrücklage, der Instandsetzungsfonds, der DIHK Pensionsfonds, der Nachwuchsförderungsfonds sowie der Prozesskostenfonds seien jeweils durch Aufgaben oder finanzielle Notwendigkeiten gerechtfertigt, soweit hier überhaupt ein Rückschluss auf die Vermögenslage möglich sei. Bei dem Künstlerfonds, der aufgrund eines Dauerbeschlusses der Vollversammlung in Höhe von 44.350,11 EUR bestehe, handele es sich um einen Vermögensbestandteil zur laufenden Beschaffung von künstlerisch gestalteten Einrichtungsgegenständen, der per se auch im Wirtschaftsplan bei den Beschaffungen für Betriebs- und Geschäftsausstattung abgebildet werden könne, allerdings aus Gründen der Transparenz im Fonds separat ausgewiesen sei.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Soweit die Klage gegen die Ausführungen im Bescheid der Beklagten über die Veranlagungszeiträume 2012, 2013 und 2014 gerichtet ist, ist sie unzulässig (1.), im Übrigen ist sie zulässig und begründet (2.).

14

1. Die von dem Kläger erhobene Anfechtungsklage gegen die Abrechnung der Beitragszeiträume 2012 bis 2014 im Bescheid vom 02.02.2016 ist unzulässig. Die Klage ist insbesondere nicht statthaft, denn der Abrechnung der Beitragsjahre 2012 bis 2014 im Bescheid der Beklagten fehlt es an dem für einen Verwaltungsakt wesentlichen Merkmal der Regelungswirkung.

15

Gemäß § 42 Abs. 1 VwGO kann mittels der Anfechtungsklage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes im Sinne des § 106 Abs. 1 Landesverwaltungsgesetz Schleswig – Holstein (LVwG SH) begehrt werden. Dies setzt aber eine (hoheitliche) Maßnahme mit Regelungswirkung voraus, an der es vorliegend fehlt. Mit der Regelung ist die verbindliche Festlegung von Rechten und Pflichten oder eines Rechtsstatus gemeint (OVG Schleswig, Urteil vom 05. November 1992 – 3 L 36/92 – juris, Rn. 21). Der durch die Beklagte angegriffene Bescheid enthält allerdings lediglich die Abrechnung vergangener Beitragszeiträume und weist darüber hinaus keine eigenständige Regelungswirkung auf.

16

Dem Kläger ist in seinem Verweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 02. März 2016 – 17 K 2912/14 – allerdings insoweit zuzustimmen, als dass dieses Ergebnis nicht bereits aus einer analogen Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 212 b Abgabenordnung a. F. folgt (so wohl VG München, Urteil vom 06. Oktober 2015 – M 16 K 15.2443 – juris, Rn. 20).

17

Nach dem Bundesverwaltungsgericht scheidet eine Anfechtungsklage stets dann aus, wenn gegen einen Berichtigungsbescheid vorgegangen wird der auf eine vorherige, mittlerweile unanfechtbare Festsetzung der Gewerbesteuer Bezug nimmt – die Anfechtungsklage komme dann nur dort in Betracht, wo der Adressat des Bescheides einen Anspruch auf neuerliche Sachentscheidung geltend machen kann. Soweit der Berichtigungsbescheid den nicht korrigierten Bestandteil der bisherigen Gewerbesteuerfestsetzung dem Steuerpflichtigen gegenüber nochmals geltend mache, stelle er sich nicht als neuer Sachbescheid, sondern lediglich als „wiederholende Verfügung“ dar, die nicht mehr selbständig angefochten werden könne (vgl. BVerwG, Urteil vom 05 .März 1971 – VII C 44.68 – juris, Rn. 20 - 24).

18

Diese Erwägungen lassen sich grundsätzlich auch auf die Beitragsordnung der Beklagten übertragen. Gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 erfolgt die Veranlagung durch Bescheid, § 15 Abs. 3 ermöglicht die Veranlagung auf Grundlage einer Schätzung oder aufgrund des letzten Gewerbeertrages und § 16 S. 1 die vorausweise Beitragsveranlagung. Im Rahmen des § 15 Abs. 3 der Beitragsordnung kann dann wegen der Änderung der Bemessungsgrundlage nach Erteilung des Beitragsbescheids durch die Beklagte ein berichtigter Bescheid erlassen werden, der seinerseits entweder eine Erstattung oder eine Nachforderung enthält.

19

Damit steht aber auch fest, dass die Annahme einer erneuten, eigenständigen Sachentscheidung ausscheidet, wenn – wie hier – die Kammer dem Mitglied lediglich den Saldo im Rahmen einer erneuten Aufstellung der Beiträge aus den Vorjahren mitteilt (vgl. aber VG Hamburg, Urteil vom 02. März 2016 a.a.O Rn. 68). Insbesondere sprechen hier schon Wortlaut und Gestaltung der Aufstellung gegen eine neuerliche Sachprüfung, da jeweils auf die bereits ausgeglichenen Beträge Bezug genommen wird und im Übrigen am Ende der Aufstellung der ausdrückliche Hinweis erfolgt, „Wenn zu den oben aufgeführten Beitragsjahren bereits Beitragsbescheide ergangen sind, werden diese durch den aktuellen Bescheid nicht aufgehoben.“ Auch insoweit wird also deutlich, dass gerade keine (neue) Regelung eines Sachverhalts aus der Vergangenheit erfolgen soll (insoweit zustimmend VG Hamburg, Urteil vom 02.März 016 a.a.O.).

20

Das Gericht folgt damit insoweit nicht der Auffassung des VG Hamburg, Urteil vom 02. März 2016 a.a.O., dass, auch wenn die Festsetzung im Ergebnis unverändert ist und sich keine Änderung der Höhe des Beitrags ergibt, der Beitrag im Wege der Abrechnung endgültig festzusetzen ist und dieser Veranlagungsbescheid eine in ihrer Gesamtheit anfechtbare Regelung darstellt. Eine solche „abstrakte“ Festsetzungsverfügung sieht im Übrigen auch die Beitragsordnung der Beklagten gar nicht vor. Auch hat sich insoweit, als das VG Hamburg seine Entscheidung auf entsprechende Literaturstimmen stützt (Bezugnahme auf Jahn, GewArch 2008, 190ff.), jene Ansicht überholt. Vielmehr findet gerade die hier vertretene Auffassung, dass maßgeblich die jeweilige Ausgestaltung und Festsetzung im Einzelfall ist und einer lediglich wiederholenden Aufführung einer früheren Heranziehung zu Bemessungsbeiträgen keine eigenständige Regelungswirkung zukommt, auch in der Literatur Zustimmung (so nunmehr Jahn, GewArch 2016, 263, 270, im Ergebnis auch VG München, Urteil vom 06. Oktober 2015 a.a.O.).

21

Auch wenn man der oben dargestellten Auffassung nicht folgt, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Da für die Jahre 2012 bis 2014 der Beitrag auf 0,00 € festgesetzt wurde und dies eine Begünstigung darstellt, scheidet mangels Beschwer bzw. mangels Vorliegens einer Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO eine Anfechtbarkeit ebenfalls aus (VG Hamburg, Urteil vom 02. März 2016 a.a.O. juris, Rn. 66; VG München, Urteil vom 06. Oktober 2015 a.a.O).

22

2. Hinsichtlich des Beitragsjahres 2016 ist die Klage zulässig und begründet.

23

Der Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er entspricht nicht den rechtlichen Anforderungen an die Beitragsfestsetzung.

24

Die vorläufige Veranlagung zu Kammerbeiträgen der Beklagten findet ihre Grundlage in § 3 Abs. 2 IHKG und der konkretisierenden Beitragsordnung der Industrie- und Handelskammer zu Kiel vom 10. Dezember 2014, flankiert durch die Wirtschaftsplanung der Beklagten vom 15. Dezember 2015 sowie das Finanzstatut vom 28. Oktober 2014.

25

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert dabei neben der Feststellung, ob der im Wirtschaftsplan festgesetzte Mittelbedarf der Kammer rechtmäßig auf die Mitglieder umgelegt worden ist und die Beitragsordnung fehlerfrei angewendet wurde, auch die Überprüfung der Festsetzung des Mittelbedarfs der Kammer im Wirtschaftsplan als solcher. Dies entspricht der Zweistufigkeit der Willensbildung nach der Gesetzessystematik: Die Kammer stellt zunächst den Wirtschaftsplan für ein Jahr im Voraus auf und prognostiziert so den voraussichtlichen Finanzbedarf nach erwarteten Einnahmen und Ausgaben im Rahmen des Wirtschaftsplans iSd § 3 Abs. 2 S. 1 IHKG, § 3 Abs. 1 des Finanzstatuts. Dieser zu deckende Betrag wird dann auf der zweiten Stufe gemäß einer Beitragsordnung auf die Kammerzugehörigen mittels der konkret zu erhebenden Beiträge umgelegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 2015 – 10 C 6/15 – juris, Rn. 12).

26

Dabei ist zu beachten, dass die Kammer bei der Aufstellung des Wirtschaftsplanes einen weiten Gestaltungsspielraum hat. Der vom Gericht zu überprüfende Rechtsrahmen als Ermessensgrenze umfasst neben § 3 Abs. 2 Satz 2 IHKG, der die Beachtung der Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung sowie eine pflegliche Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen gebietet, auch die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung, die Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht schon dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Sicht ex ante sachgerecht und vertretbar ausfallen (BVerwG, Urteil vom 09. März 2015 – a.a.O Rn. 16.; VG Hamburg, Urteil vom 02. März 2016 a.a.O. Rn. 35). Insbesondere ist dabei zu beachten, dass den Kammern die Bildung von Vermögen untersagt ist (BVerwG, Urteil vom 26. März 1990 – 1 C 45.87 – juris, Rn. 20). Das schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, können doch auch diese als Teil ordnungsgemäßer Vermögensverwaltung „Kosten“ für die Aufgabenwahrnehmung darstellen – allerdings eben nur, sofern Rücklagen an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit gebunden sind (BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 2015 a.a.O. Rn. 17).

27

Vorliegend hat die Beklagte eine Sachabwägung hinsichtlich der Rücklagenbildung vorgenommen. Insbesondere folgt keine unzulässige Begrenzung durch den „Korridor“ für Ausgleichsrücklagen, ferner ergibt sich die entsprechende Abwägung aus der Wirtschaftsplanung 2016 der Beklagten.

28

Sofern der Kläger geltend macht, die Vorschrift des § 15a des Finanzstatuts der Beklagten stehe hier schon aufgrund der Bildung eines Korridors für zulässige Rücklagen einer rechtmäßigen Rücklagenbildung entgegen, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Dabei kommt es vorliegend nicht auf die Frage an, ob die satzungsmäßige Festlegung eines Mindestbetrags zur Risikovorsorge, beispielsweise 30 v. H. der jährlichen Gesamtaufwendungen, mit dem Gebot der Schätzgenauigkeit in Einklang steht (vgl. zu dieser Differenzierung VGH Mannheim, Urteil vom 02. November 2016 – 6 S 1261/14 – juris, Rn. 37). Denn das Finanzstatut der Beklagten sieht – insoweit auch vom Kläger unbestritten – einen solchen Mindestbetrag gerade nicht vor. Vielmehr ist nach dem Statut auch eine Ausgleichsrücklage von „Null Prozent“ möglich, so dass hinsichtlich der Grenze des finanziell Gebotenen und Notwendigen stets nach dem Statut eine Abwägung zu erfolgen hat. Der Sache nach liegt hierin kein „Korridor“ für die Rücklagenbildung, sondern lediglich eine – nicht zu beanstandende – satzungsmäßige Obergrenze für deren Bildung.

29

Soweit der Kläger im Übrigen mit Nichtwissen zu bestreiten sucht, ob die Sachabwägung vorliegend erfolgt ist und sich die Erwägungen der Beklagten grundsätzlich innerhalb der gerichtlich überprüfbaren Grenzen gehalten haben, weist das Gericht zunächst darauf hin, dass die Vorschrift des § 138 Abs. 4 ZPO, der zufolge die Erklärung mit Nichtwissen nur - aber immerhin - über Tatsachen zulässig ist, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind, im Verwaltungsprozess keine unmittelbare Anwendung findet. Allerdings setzt auch die gerichtliche Amtsermittlungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO zumindest den Vortrag tatsächlicher Umstände voraus dahingehend, dass bestimmte Tatsachen oder Behauptungen geschildert werden, auf die das Gericht seine Untersuchung beziehen kann. Auch wenn es dem Kläger damit grundsätzlich im Einzelfall mangels eigener Kenntnis nicht möglich sein mag, die konkrete Willensbildung der Beklagten nachzuvollziehen, ist dennoch erforderlich, dass er sein Bestreiten substantiiert, also Gründe für die Zweifel anführt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 02. November 2007 – 3 B 58/07 – juris, Rn. 6 mwN.). Auch bei der Vermögensverwaltung mit ihren durchaus komplexen buchhalterischen Abwägungen reicht eine bloße Vermutung ebenso wenig aus wie bloße Hinweise auf die einzelnen Buchungswerte (vgl. VG München, Urteil vom 19. Mai 2015 – M 16 K 14.477 – juris Rn. 29).

30

Insbesondere dürfte vorliegend gerade der Jahresabschluss in seinem Anhang 1.6 sowie im Lagebericht 1.7 den Tatsachenhintergrund aufweisen, vor dem die Beklagte mit der Wirtschaftsplanung 2016 erläuternd eingegangen ist auf die prognostizierte Beitragsentwicklung, mithin ihren Abwägungsvorgang dokumentiert hat. Insoweit wird auf die Anlage B3 Bezug genommen, mit der sich der Kläger nicht (ausreichend) auseinander gesetzt hat. Auch die vorherigen Jahresabschlüsse hätten es dem Kläger in zumutbarer Weise ermöglicht, sich substantiiert mit der Haushaltsführung der Beklagten auseinander zu setzen.

31

Im Hinblick auf die von dem Kläger beanstandete Rücklagenbildung ist indes zu beachten, dass der Beklagten die Bildung von Vermögen grundsätzlich verboten ist. Dies schließt die Bildung von Rücklagen zwar nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. Auch die Höhe der Rücklage muss von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein. Eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Kammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine erhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Kammer bei jedem Wirtschaftsplan - und damit jährlich - erneut treffen. Deshalb ist ein Wirtschaftsplan nicht nur dann rechtswidrig, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält (vgl. BVerwG, Urteil vom 09. Dezember 2015 a.a.O., Rn. 17f; VGH Mannheim, Urteil vom 02. November 2016 a.a.O., Rn. 31).

32

Gemessen an diesen Maßstäben begegnet die Rücklagenbildung der Beklagten für das Jahr 2016 und damit auch die Festsetzung des von der Klägerin zu zahlenden Beitrags Bedenken. Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung ist die Beschlussfassung der Vollversammlung der Beklagten am 15.12.2015 über die Wirtschaftssatzung (Beiakte B3; im Folgenden „Wirtschaftsplan“), der gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 des Finanzstatuts festgestellt wurde.

33

Ob insofern die Bildung der Ausgleichsrücklage ordnungsgemäß erfolgt ist, erscheint nicht frei von Zweifeln. Zwar erscheint eine Ausgleichsrücklage zum Ausgleich aller ergebniswirksamen Schwankungen in Höhe von - maximal - 30 v.H. ohne weitere Darlegungen notwendig und angemessen, um eine ordnungsgemäße Haushaltsführung zu gewährleisten. Denn es ist allgemein nachvollziehbar, dass ein Betrag in Höhe von bis zu 30 v. H. der geplanten Aufwendungen vorgehalten wird, um mögliche Liquiditätsengpässe aufgrund von Beitragsschwankungen und Zahlungsausfall zu vermeiden. Auch wenn § 15a Abs. 3 des FS der Beklagten keine ausdrückliche Untergrenze von 30 v.H., sondern nur eine Obergrenze von 50 v.H. der geplanten Aufwendungen vorsieht, kann dennoch die Mindestdotierung des Musterfinanzstatuts dahingehend herangezogen werden, dass bei einer bis zu dieser Grenze gebildeten Ausgleichsrücklage nicht von einer Vermögensbildung auszugehen wäre. Bei einer Ausgleichsrücklage in Höhe von bis zu 30 v. H. der Aufwendungen spricht jedenfalls die Vermutung dafür, dass eine Ausgleichsrücklage in dieser Höhe angemessen ist, um in dem Haushaltsjahr eine ordnungsgemäße Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten zu gewährleisten und Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen (vgl. VG Köln, Urteil vom 15. Februar 2017 – 1 K 1473/16 - juris Rn. 81). Der von der Beklagten geltend gemachte Zweck der Rücklage, auch bei Mindereinnahmen aufgrund von konjunkturell bedingt schwankenden Einnahmen ihrer Mitglieder stabile Beiträge zu gewährleisten und nicht in konjunkturell schwierigen Phasen die Mitglieder mit Beitragserhöhung zu belasten, dürfte dann ausreichend sein.

34

Vorliegend beträgt die Ausgleichzulage hingegen 34,25 v. H.. Dieser Anteil an den Gesamtaufwendungen ergibt sich auch erst nach Einrechnung einer geplanten Entnahme von 1.119.600,00 €. Vor der geplanten Entnahme betrug der Anteil der Ausgleichsrücklage an den Gesamtaufwendungen sogar 41,23 v. H..

35

In Anbetracht der Überschreitung der 30 v. H. – Grenze, wäre die Beklagte nach Auffassung der Kammer verpflichtet gewesen, im Einzelnen darzulegen, dass sie im Rahmen des ihr aus dem Selbstverwaltungsrecht erwachsenen weiten Gestaltungsspielraums die Grenzen des Vertretbaren eingehalten hat, die Ausgleichsrücklage also plausibel und nachvollziehbar ist. Nach den haushaltsrechtlichen Grundsätzen wäre die Beklagte dann vielmehr stets gehalten, das Bedürfnis für die Ausgleichsrücklage in ihrer konkreten Höhe nachvollziehbar zu begründen und alle voraussichtlich zu erwartenden ergebniswirksamen Schwankungen möglichst zutreffend zu prognostizieren (vgl. VG Koblenz, Urteil vom 25. November 2013 – 3 K 121/12. KO – juris Rn. 41f; VG Düsseldorf, Urteil vom 30. März 2017 – 20 K 3225/15 – juris Rn 345; etwas großzügiger VG Gelsenkirchen, Urteil vom 21. November 2017 – 19 K 903/16 – juris Rn. 44 „…jedenfalls in Grundzügen nachvollziehbar … in transparenter Art und Weise…“),

36

Diese Vorgaben hat die Beklagte nicht eingehalten, weil es insoweit an notwendigen konkreten Darlegungen fehlt.

37

Darüber hinaus ist auch der von der Beklagten vorgehaltene Instandhaltungfonds (Instandhaltungsrücklage) iHv 1.242.753,67 € zu beanstanden.

38

Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt – wie bereits festgestellt –, ob die Beklagte bei der Ausübung des ihr zustehenden weiten Gestaltungsspielraums den durch Rechtsnormen angelegten Rahmen gewahrt hat, wobei zu diesem zu beachtenden – und von den Verwaltungsgerichten zu prüfenden – Rahmen ausdrücklich auch ergänzende Satzungsbestimmungen zählen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2015 – a.a.O. Rn. 16). Den anzuwendenden Rahmen für zweckbestimmte Rücklagen – wie hier die Instandhaltungsrücklage – bildet § 15 a Abs. 2 Sätze 3 bis 5 Finanzstatut. Zwar enthält § 15a Finanzstatut unmittelbar nur Vorgaben für den Jahresabschluss und nicht für den hier zu überprüfenden Wirtschaftsplan, der in den §§ 7 ff. Finanzstatut geregelt ist. Da nach der Regelungskonzeption des Finanzstatuts im Wirtschaftsplan aber nur die Rücklagenveränderungen anzusetzen und auszuweisen sind (vgl. § 7 Abs. 2 Finanzstatut), die Rücklagen selbst dagegen (nur) in der Bilanz oder im Anhang zum Jahresabschluss gesondert einzeln auszuweisen sind (vgl. § 15 a Abs. 2 Satz 4 Finanzstatut), können die satzungsrechtlichen Anforderungen an die Bildung bzw. Beibehaltung von Rücklagen allein § 15 a Abs. 2 Finanzstatut entnommen werden. Danach ist neben einer (zwingenden) Ausgleichsrücklage, die bis zu 50 v. H. der Summe der geplanten Aufwendungen betragen kann (vgl. § 15a Abs. 2 Sätze 1 und 2 Finanzstatut), gemäß § 15 a Abs. 2 Sätze 3 und 4 Finanzstatut die Bildung zweckbestimmter Rücklagen zulässig, die in der Bilanz oder im Anhang zum Jahresabschluss gesondert einzeln auszuweisen sind. Nach der Bestimmung des § 15 a Abs. 2 Satz 5 Finanzstatut sind dabei nicht nur der Verwendungszweck und der Umfang hinreichend zu konkretisieren, sondern auch der Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme.

39

Daran fehlt es hier. Die Zweckbestimmung genügt den satzungsrechtlich geforderten Anforderungen an eine zweckbestimmte Rücklage nicht. Es ist bereits zweifelhaft, ob der bloße Hinweis auf „Instandsetzungsmaßnahmen an Gebäuden und Grund und Boden“ dem (materiellen) Konkretisierungsgebot genügt. Jedenfalls fehlt eine hinreichende Bestimmtheit im Hinblick auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme der Rücklage. Der Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme der Instandhaltungsrücklage wird weder im Jahresabschluss noch sonst auch nur annähernd umschrieben. Der Jahresabschluss enthält keinerlei Angaben zum geplanten Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Instandhaltungsrücklage. Auch aus dem Wirtschaftsplan 2016 ergibt sich hierzu nichts. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass die Inanspruchnahme der Instandhaltungsrücklage für das Jahr 2016 tatsächlich beabsichtigt gewesen sei, hat sich dies weder in dem Jahresabschluss, dem Wirtschaftsplan noch in einem sonstigen Beschluss der Vollversammlung niedergeschlagen. Auch ein Protokoll der Vollversammlung, aus dem sich dies ergeben würde, hat die Beklagte nicht vorgelegt. Es ist nicht ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Wirtschaftsplanung bereits konkrete Planungen für eine Sanierung von Gebäuden o. ä. bestanden (vgl. VG Mainz, Urteil vom 10.November 2017 – 4 K 1310/16 MZ.- juris Rn. 29; vgl. auch VG Hamburg, Urteil vom 02. März 2016 a.a.O. Rn. 43ff).

40

Schließlich ist der von der Beklagten vorgehaltene Künstlerfonds zu beanstanden. Er dient nicht der Förderung der gewerblichen Wirtschaft. Die Beklage überschreitet damit ihren Kompetenzrahmen des § 1 Abs. 2 IHKG. Nach dieser Vorschrift können Industrie- und Handelskammern Anlagen und Einrichtungen, die der Förderung der gewerblichen Wirtschaft oder einzelner Gewerbezweige dienen, begründen, unterhalten und unterstützen. Eine Maßnahme dient zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft, wenn sie nur oder vorrangig in deren Interesse und nicht nur als Reflex einer dem Allgemeininteresse dienenden (Infrastruktur-)Maßnahme erfolgt (vgl. BVerwG, Urt. v. 19. September 2000, - 1 C 29.99 – juris Rn. 17).

41

Soweit die Beklagte mit dem Fonds die Beschaffung von künstlerisch gestalteten Einrichtungsgegenständen für die Betriebs- und Geschäftsausstattung betreibt, liegt ein unmittelbarer, den besonderen Interessen der gewerblichen Wirtschaft dienender Zweck nicht vor. Zunächst erscheint bereits fraglich, ob die von der Beklagten auf ganz Schleswig-Holstein ausgerichtete Förderung mit der ihr nach in § 2 der Satzung vorgegebenen örtlichen Aufgabenwahrnehmung („… Aufgabe, das Gesamtinteresse derihr zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen…“) noch vereinbar ist.

42

Dessen ungeachtet werden die Belange der gewerblichen Wirtschaft auch nicht wenigstens am Rande berührt. Die Förderung rein künstlerischer Zwecke steht allenfalls im allgemeinen öffentlichen Interesse; nachvollziehbare Auswirkungen auf die Wirtschaft werden hierdurch nicht verfolgt. Das Interesse der gewerblichen Wirtschaft wird allenfalls reflexhaft berührt. Der nach § 1 Abs. 1 und 2 IHKG zwingende Bezug zur gewerblichen Wirtschaft kann auch nicht durch den Beschluss zur Errichtung des Künstlerfonds vom 22.Augusr 1979 vermittelt werden. Denn dieser verweist lediglich auf die "Förderung Schleswig-Holsteinischer Künstler“, ohne selbst Vorgaben für die Vergabe von Fördermaßnahmen zu treffen und stellt insofern nicht das Erfordernis des Wirtschaftsbezugs her.

43

Da nach alledem die Rücklagenbildung der Beklagten bereits aus den o. g. Gründen rechtswidrig ist, bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob auch die übrigen vom Kläger gerügten Rücklagenbildungen ebenfalls nicht ordnungsgemäß sind.

44

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO.

45

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

Aktenzeichen: M 16 K 14.477

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 19. Mai 2015

16. Kammer

M 16 K 14.477

Sachgebiets-Nr. 412

Hauptpunkte: Beitragserhebung durch Steuerberaterkammer; Pflichtmitgliedschaft des Geschäftsführers einer Steuerberatungsgesellschaft; gleichzeitige Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer; Beachtung des Äquivalenzprinzips und des Gleichheitssatzes bei der Beitragsbemessung

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Kläger -

gegen

Steuerberaterkammer M.

- Beklagte -

wegen Beiträge zur Steuerberaterkammer

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 16. Kammer, durch die Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichts ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ..., die ehrenamtliche Richterin ..., die ehrenamtliche Richterin ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2015 am 19. Mai 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Kammerbeiträgen aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der beklagten Steuerberaterkammer.

Mit Wirkung zum 2. November 2010 wurde der Kläger zum Geschäftsführer einer Treuhand- und Steuerberatungsgesellschaft mbH bestellt. Mit Schreiben vom ... August 2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er rückwirkend zum 2. November 2010 in ihr Berufsregister eingetragen worden sei.

Ebenfalls mit Datum vom ... August 2013 erließ die Beklagte gegenüber dem Kläger Beitragsbescheide für die Jahre 2010 bis einschließlich 2013. Dabei wurde ein Kammerbeitrag für das Jahr 2010 anteilig in Höhe von 58,- EUR und für die weiteren Jahre 2011 bis 2013 in Höhe von jeweils 348,- EUR festgesetzt. Die vom Kläger gegen diese Bescheide mit Schreiben vom ... September 2013 eingelegten Widersprüche wurden mit Bescheid der Beklagten vom ... Januar 2014 zurückgewiesen.

Am 8. Februar 2014 erhob der Kläger Klage gegen die Beitragsbescheide vom ... August 2013. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die Grundlagen für die Beitragserhebung der Beklagten - die Haushaltspläne mit entsprechenden Beschlüssen sowie die Haushalts- und Beitragsordnung, die Satzung sowie die Geschäftsordnung - seien vorzulegen. Es sei nicht nachgewiesen, dass die Beklagte legitime öffentliche Aufgaben erfülle und ihre Tätigkeit sowie die hierzu erhobenen Beiträge erforderlich und angemessen seien. Die von der Beklagten beanspruchten Tätigkeitsfelder seien wesensgleich mit denen der Rechtsanwaltskammer, in welcher der Kläger ebenfalls Mitglied sei. Insoweit bedürfe es keiner weiteren „Überwachung“ seiner Tätigkeit durch die Beklagte. Die von ihr erbrachten Gegenleistungen für die geforderten Beiträge seien für den Kläger wertlos, da er sie bereits anderweitig erhalte. Weiter würden diese Dienstleistungen bereits gegenüber der Steuerberatungsgesellschaft erbracht und somit automatisch auch dem Kläger als Geschäftsführer zustehen, da die GmbH nur durch eine natürliche Person handeln könne. Es liege eine sittenwidrige und nichtige „Doppelberechnung“ der Beiträge der GmbH und deren Geschäftsführer vor. Die GmbH sei Zwangsmitglied in der IHK und bei der Beklagten; der Kläger werde ebenfalls mit zwei Zwangsmitgliedschaften belastet. Dies stelle eine Überbeanspruchung des Klägers dar und sei wirtschaftlich nicht tragbar. Wenn es schon einer Mitgliedschaft bedürfe, sei jedenfalls eine Freistellung von Beiträgen erforderlich. Bei mehrfacher Mitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Kammern würden eine unzulässige Mehrfachbelastung und ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vorliegen, wenn - wie hier - nicht nur der für die betreffende Kammer spezifische Teil der ausgeübten Tätigkeit der Veranlagung zugrunde gelegt werde. Weiter bestünden europarechtliche Bedenken, da es in den meisten Mitgliedstaaten Kammern und Interessenverbände mit freiwilliger Mitgliedschaft gebe. Die Pflichtmitgliedschaft sei nicht mehr zeitgemäß und zumindest für den Einzelfall entbehrlich. Die angeblich von der Beklagten zu überwachenden „Pflichten“ der Kammermitglieder seien nicht näher substantiiert worden. Die Berufspflichten des Rechtsanwaltes seien mit denen des Steuerberaters nahezu identisch. Eine doppelte Überwachung sei überflüssig und scheitere außerdem an dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Bei Berücksichtigung der gesetzlichen oder satzungsrechtlichen Vorgaben der Kammer müsse festgestellt werden, dass die Erhebung eines Beitrages durch die Beklagte gegenüber dem Kläger gegen das Äquivalenzprinzip, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den Gleichheitssatz verstoße. In Bezug auf die Beitragshöhe sowie den Beitragsbescheid sei auf eine unzulässige Vermögensbildung hinzuweisen. In diesem Zusammenhang werde die Beklagte aufgefordert, die Positionen in der Vermögensübersicht 2014 und in dem Haushaltsplan 2015 aufzugliedern, die geeignet seien, Ausgaben, Rückstellungen und Rückführungen zu verschleiern. Weiter seien Rechnungsprüfungsberichte vorzulegen. Es werde beantragt, das Verfahren bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über anhängige Verfassungsbeschwerden betreffend die Zwangsmitgliedschaft in einer Industrie- und Handelskammer (IHK) auszusetzen. Die Festsetzung von Rücklagen ohne Angabe von sachlichen Gründen, die Bildung bzw. Schonung von nicht unmittelbar zweckgebundenen Rücklagen von jahrelang verschonten Gewinnen etc. würden einen Akt von Willkür darstellen.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide vom ... August 2013 für die Jahre 2010, 2011, 2012 und 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, der Kläger sei als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft gemäß § 74 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes - StBerG - Pflichtmitglied der Beklagten. Gemäß §§ 9 und 10 der Haushalts- und Beitragsordnung der Beklagten sei der Kläger als Mitglied beitragspflichtig. Die verfassungs- und europarechtlichen Bedenken des Klägers gegen § 74 Abs. 2 StBerG würden nicht geteilt. Unabhängig von weiteren Pflichtmitgliedschaften des Klägers in anderen Kammern würde es wegen der Berufsaufsicht der persönlichen Mitgliedschaft von Geschäftsführern von Steuerberatungsgesellschaften bedürfen. Würde der Geschäftsführer nicht Mitglied sein, so könnte die Kammer die Wahrnehmung von dessen berufsrechtlichen Pflichten nicht überprüfen.

Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 19. Mai 2015, die Gerichts- sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Beitragsbescheide vom ... August 2013 für die Jahre 2010 bis einschließlich 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... Januar 2014 (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die festgesetzten Beiträge sind nach § 9 der Haushalts- und Beitragsordnung der Beklagten vom 18. März 1976 in der Fassung vom 7. April 2006 (vgl. Bl. 39 ff. der Gerichtsakte) entstanden.

Der Beitragstatbestand ist erfüllt. Der Kläger ist gemäß § 74 Abs. 2 StBerG i. V. m. § 2 Abs. 1 b der Satzung der Beklagten vom 14. Februar 1975, zuletzt geändert am 25. März 2011 (vgl. Bl. 43 ff. der Gerichtsakte) als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft, der selbst nicht Steuerberater ist, Mitglied der Beklagten. Hieraus folgt die persönliche Beitragspflicht nach § 9 Abs. 1 der Haushalts- und Beitragsordnung. Weiter hat der Kläger nicht in Frage gestellt, dass die Beitragshöhe nach § 10 der Haushalts- und Beitragsordnung zutreffend berechnet wurde. Ferner liegen keine Anhaltspunkte vor, aus denen sich Zweifel an der Wirksamkeit der Haushalts- und Beitragsordnung ergeben könnten.

2. Die Pflichtmitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

Die gesetzliche Vorgabe der Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Organisation verletzt den Betroffenen grundsätzlich nicht in seinen Grundrechten. Der Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG ist bereits nicht eröffnet, weil dieser nur Vereinigungen erfasst, welche auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen (vgl. BVerfG, B. v. 7.12.2001 - 1 BvR 1806/98 - juris). Mit der Zwangsmitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Berufsorganisation ist dagegen ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG bzw. in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG verbunden. Dieser ist gerechtfertigt, wenn der betreffende Verband legitime öffentliche Aufgaben erfüllt und die Errichtung eines Pflichtverbands - gemessen an dessen Aufgaben - verhältnismäßig ist (vgl. BVerwG, U. v. 30.1.1996 - 1 C 9/93 - juris Rn. 22). Die Steuerberaterkammer hat die Aufgabe, die beruflichen Belange der Gesamtheit ihrer Mitglieder zu wahren und die Erfüllung der beruflichen Pflichten zu überwachen, § 76 Abs. 1 StBerG. Angesichts des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums ist die Begründung einer Pflichtmitgliedschaft in dieser Berufsorganisation nicht zu beanstanden.

Die damit verbundene Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit bzw. der allgemeinen Handlungsfreiheit ist nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne. Das gilt auch im Falle der Mitgliedschaft des Klägers als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft. Die in § 76 Abs. 2 StBerG beispielhaft konkretisierten Pflichten der Steuerberaterkammer beziehen sich auch auf die Steuerberatungsgesellschaften und u. a. deren Geschäftsführer (vgl. § 72 Abs. 1 StBerG). Die Anerkennung der Steuerberatungsgesellschaften setzt grundsätzlich den Nachweis einer verantwortlichen Führung durch einen Steuerberater voraus, § 32 Abs. 3 StBerG. Neben Steuerberatern können jedoch gemäß § 50 Abs. 2 StBerG u. a. Rechtsanwälte wie der Kläger Geschäftsführer von Steuerberatungsgesellschaften sein. Gleichzeitig sind diese Geschäftsführer jedoch nach § 72 Abs. 1 StBerG denselben Berufspflichten unterworfen wie Steuerberater und Steuerbevollmächtigte. In der Konsequenz ist dieser Personengruppe auch die Mitgliedschaft in der Steuerberaterkammer zumutbar.

Die gleichzeitige Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der Anwaltskammer rechtfertigt sich dadurch, dass Steuerberater- und Anwaltskammer unterschiedliche Aufgaben in Bezug auf verschiedene Berufsgruppen wahrnehmen. So wie die Berufe des Rechtsanwaltes und des Steuerberaters nach ihren gesetzlichen Ausprägungen jeweils eigenständige Berufe sind, haben auch die von den Angehörigen dieser Berufe zu bildenden Berufskammern jeweils einen besonderen Funktions- und Wirkungsbereich (BVerwG, U. v. 02.10.1973 - 1 C 42/70 - BeckRS 1973, 31275578).

Weiter rechtfertigt das gesetzgeberische Ziel der Gewährleistung der Einhaltung der Berufspflichten innerhalb der Steuerberatungsgesellschaft auch die gleichzeitige Mitgliedschaft des Geschäftsführers in der Steuerberaterkammer. Hintergrund dieser Mitgliedschaft ist die berechtigte Annahme des Gesetzgebers, dass der Geschäftsführer als verantwortliche Führungskraft einer Steuerberatungsgesellschaft die Einhaltung der Berufspflichten innerhalb dieser Gesellschaft gewährleisten kann (vgl. BayVGH, U. v. 21.01.2015 - 7 BV 14.1923 - juris Rn. 31).

Es war nicht veranlasst, das Verfahren im Hinblick auf beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfassungsbeschwerden bezüglich der Pflichtmitgliedschaft in einer IHK auszusetzen. Insbesondere sind die eine Pflichtmitgliedschaft rechtfertigenden Gründe des öffentlichen Wohls im Falle einer IHK einerseits und einer Steuerberaterkammer andererseits unterschiedlich. Während die Industrie- und Handelskammer nach § 1 IHKG die Aufgabe hat, das Gesamtinteresse der ihr zugehörigen Gewerbetreibenden wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen, handelt es sich bei der Steuerberaterkammer um eine Berufsorganisation (vgl. BVerwG, B. v. 21.10.2004 - 6 B 60/04 - Rn. 6). Aufgabe der Steuerberaterkammer ist nicht die berufspolitische Interessenvertretung, sondern die Erfüllung der ihr in Selbstverwaltung gesetzlich zugewiesenen Aufgaben und die Wahrung der Gesamtinteressen der in ihr zusammengeschlossenen Berufsangehörigen (vgl. BVerfG, B. v. 26.10.2004 - 1 BvR 981/00 - juris Rn. 47).

3. Weiter ist die Beitragshöhe mit dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitssatz vereinbar.

Mitgliedsbeiträge berufsständischer Kammern sind Beiträge im Rechtssinne, bei deren Bemessung das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz zu beachten sind. Das Äquivalenzprinzip fordert, dass zwischen der Höhe des Beitrags und dem Nutzen des Mitglieds ein Zusammenhang besteht. Die Höhe des Beitrags darf nicht in einem Missverhältnis zu dem Vorteil stehen, den er abgelten soll. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erfordert, bei der Erhebung vorteilsbezogener Mitgliedsbeiträge durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft wesentlichen Verschiedenheiten der Mitglieder Rechnung zu tragen. Die Beiträge müssen auch im Verhältnis der Beitragspflichtigen zueinander grundsätzlich vorteilsgerecht bemessen werden (vgl. BVerwG, U. v. 26.04.2006 - 6 C 19/05 - juris Rn. 21). Die Beitragsbemessung kann allerdings in typisierender und pauschalierender Weise erfolgen.

Zunächst ist nicht zu beanstanden, wenn Beiträge nicht nach dem Einkommen der Mitglieder gestaffelt bemessen werden, solange sozialen Belangen wie der unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit über eine Härtefallregelung im Einzelfall Rechnung getragen wird (vgl. BVerwG, U. v. 02.10.1973 - 1 C 42/70 - BeckRS 1973, 31275578; OVG NRW, U. v. 17.11.1989 - 5 A 865/88 - juris). Eine solche Regelung ist hier in § 11 der Haushalts- und Beitragsordnung vorgesehen. Danach kann die Beklagte in Härtefällen auf Antrag gegen entsprechende Nachweise und aus Altersgründen Beitragsermäßigungen gewähren.

Weiter begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass für den Geschäftsführer und die betreffende Steuerberatungsgesellschaft ein Mitgliedsbeitrag in jeweils voller Höhe vorgesehen ist. Die Aufgaben der Steuerberaterkammer nach § 76 StBerG werden gleichzeitig gegenüber der Steuerberatungsgesellschaft und deren Geschäftsführer wahrgenommen. Dementsprechend besteht keine Identität der Gegenleistungen für diese beiden Beitragsschuldner (vgl. VG Lüneburg, U. v. 23.1.2004 - 5 A 43/02 - DStRE 2004, 607).

Der Pflichtenkreis der Beklagten ist gegenüber dem Kläger als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft auch nicht wesentlich enger gezogen als in Bezug auf andere Kammermitglieder. Aus der Berufsausübung des Klägers ergeben sich für die Tätigkeit der Beklagten keine Besonderheiten, die eine geringere Beitragshöhe erfordern würden (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 30.1.1996 - 1 C 9/93 - juris Rn. 25). Dies betrifft zum Beispiel die Beratungs- und Aufsichtstätigkeit der Beklagten bezüglich der Kammermitglieder (vgl. § 76 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 StBerG). Der Aufwand der Beklagten für diese Tätigkeit kann nicht sachgerecht nach Mitgliedergruppen gestaffelt veranschlagt werden. Mit dieser Tätigkeit sind je nach Einzelfall unter Umständen sehr hohe Personal- und Sachaufwände verbunden. So kann z. B. ein Hinweis auf mehr oder weniger gravierende Verstöße gegen Berufspflichten nach § 57 StBerG - ggf. i. V. m. § 72 Abs. 1 StBerG - eine eingehende Prüfungstätigkeit der Kammer auslösen. Es kann keine Beziehung zwischen typischerweise auftretenden Prüfungsaufwänden und bestimmten Mitgliedergruppen hergestellt werden.

Zwar sieht der Kläger für sich gegenüber anderen Mitgliedern der Beklagten einen geringeren Vorteil in Kammermittteilungen, die sowohl an die Steuerberatungsgesellschaft wie auch an ihn als Geschäftsführer zugestellt werden. Derartige Vorteilsunterschiede wären jedoch gegebenenfalls als derart geringfügig anzusehen, dass sie keine unterschiedliche Beitragsbemessung erfordern.

Auch die gleichzeitige Mitgliedschaft des Klägers in einer Steuerberater- und einer Rechtsanwaltskammer rechtfertigt keine Beitragsermäßigung, weil diese Kammern - wie bereits oben ausgeführt - unterschiedliche Aufgaben gegenüber dem jeweiligen Mitglied wahrnehmen. Daher kann der Satzungsgeber bei der Beitragsregelung davon ausgehen, dass die Vorteile infolge der Kammermitgliedschaft generell allen Mitgliedern in gleicher Weise zugutekommen und es insoweit auch keinen wesentlichen Unterschied begründet, ob das jeweilige Mitglied nur den Beruf als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft ausübt oder sich daneben noch auf einem anderen Gebiet beruflich betätigt (BVerwG, U. v. 02.10.1973 - 1 C 42/70 - BeckRS 1973, 31275578).

Die Mitgliedschaft der Steuerberatungsgesellschaft sowohl bei der Beklagten wie auch in der IHK ist für die Beitragsbemessung für den Kläger ohne Bedeutung. Der Aspekt dieser Doppelmitgliedschaft könnte allenfalls bei der Beitragsberechnung für die Steuerberatungsgesellschaft selbst relevant werden (vgl. hierzu OVG NRW, U. v. 24.2.1997 - 25 A 2531/94 - juris).

Ferner liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei der Beklagten eine unzulässige Vermögensbildung vorliegen könnte, welche einen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip begründen würde (vgl. BVerwG, U. v. 26.6.1990 - 1 C 45/87 - juris Rn. 22). Der Kläger hat bereits nicht substantiiert geltend gemacht, dass bei der Beklagten Rücklagen in einer Höhe gebildet worden seien, die als nicht mehr angemessen angesehen werden könnten. Sein Vortrag zu einer angeblich unzulässigen Vermögensbildung beruht lediglich auf Vermutungen ohne Tatsachengrundlage. Der bloße Hinweis darauf, dass Angaben der Beklagten, z. B. in einer Vermögensübersicht für 2014 und im Haushaltsplan für 2015, nicht ohne weiteres auf die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Mittelverwendung schließen ließen und eine nähere Überprüfung nicht möglich sei, ist insoweit nicht ausreichend. Einzelheiten der beabsichtigten Mittelverwendung ergeben sich naturgemäß nicht aus Titelbezeichnungen in einem Haushalts- oder Wirtschaftsplan. Auch kann die Angemessenheit einer Rücklagenbildung nur aufgrund einer Gesamtschau von Rücklagen einerseits und Gesamthaushaltsvolumen andererseits beurteilt werden (vgl. BayVGH, B. v. 4.9.2012 - 22 ZB 11.1007 - juris Rn. 25). Dem Kläger als Mitglied der Beklagten wäre es ohne weiteres zumutbar, entsprechende Unterlagen bei der Beklagten einzusehen und sich auf dieser Grundlage einen Einblick in deren Haushaltsplanung zu verschaffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 1.102,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG -).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Heranziehung zum Handwerkskammerbeitrag.

1. Der Kläger ist als Maler- und Lackierermeister Mitglied der Beklagten und hat einen Betrieb in ....

Die Vollversammlung der Beklagten fasste am 3. Dezember 2015 den Beschluss zur Festsetzung des Kammerbeitrags 2016. Der Grundbeitrag betrage für natürliche Personen und Personengesellschaften EUR 156,-. Der Zusatzbeitrag errechne sich aus dem Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz für das Bemessungsjahr 2013.

Ferner wurde durch die Vollversammlung der Beklagten am 3. Dezember 2015 der Beschluss zur Feststellung des Verwaltungs- und Vermögenshaushalts 2016 gefasst. Der Verwaltungshaushalt umfasste 2016 demnach EUR 32.272.000,-, der Vermögenshaushalt EUR 17.081.000,-. Zudem nahm die Vollversammlung mit dem Haushaltsbeschluss die mittelfristige Finanzplanung 2015-2020 zur Kenntnis. Hiernach war für das Jahr 2016 eine Betriebsmittelrücklage i.H.v. EUR 4.000.000,- angesetzt. Zudem war für das Jahr 2016 eine Baurücklage i.H.v. EUR 2.060.000,- ausgewiesen; unter „Fremdfinanzierung“ war „0“ vermerkt. Als Ergebnis des Verwaltungshaushalts war für 2016 ein Betrag von EUR 990.000,- vermerkt, der dem Vermögenshaushalt 2016 zugeführt wurde. Beim Vermögenshaushalt 2016 waren als Einnahmen (einschließlich der Zuführung aus dem Verwaltungshaushalt) EUR 10.847.000,- ausgewiesen, als Ausgaben EUR 17.081.000,- (Entnahme: EUR 6.234.000,-). Als Teil der Ausgaben des Vermögenshaushalts 2016 waren ausweislich des Gesamtplans 2016 Baukosten i.H.v. EUR 12.025.000,- angesetzt; nach dem Einzelplan 30 entfielen hiervon EUR 10.700.000,- auf das Berufsbildungs- und Technologiezentrum .... Der Verwaltungshaushalt der Beklagten betrug im Jahr 2013 EUR 26.662.000,-, im Jahr 2014 EUR 27.388.000,- sowie im Jahr 2015 EUR 29.340.000,-.

Mit Schreiben jeweils vom 30. Dezember 2015 genehmigte das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie rechtsaufsichtlich die Beschlüsse der Vollversammlung der Beklagten vom 3. Dezember 2015 über die Festsetzung des Kammerbeitrags 2016 sowie die Feststellung des Haushaltsplans mit Stellenplan für das Jahr 2016.

2. Mit Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2016 wurde gegenüber dem Kläger der Handwerkskammerbeitrag 2016 auf EUR 593,- festgesetzt.

Zur Begründung wurde u.a. auf § 113 Abs. 1, 2 und 3 HwO i.V.m. § 106 Abs. 1 Nr. 5 HwO hingewiesen. Der Grundbeitrag betrage im Falle des Klägers als natürliche Person EUR 156,-. Der Zusatzbeitrag betrage ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von EUR 43.700,- im Jahr 2013 EUR 437,-.

3. Hiergegen hat der Kläger am 10. März 2016 Klage erhoben. Beantragt ist (sinngemäß),

den Bescheid der Handwerkskammer für ... vom 29. Januar 2016 aufzuheben.

In formeller Hinsicht sei die Klage mit Blick auf die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung:im streitgegenständlichen Bescheid fristgerecht erhoben (§ 58 Abs. 2 VwGO). In der Sache sei der Beitragsbescheid rechtswidrig. Zur Begründung werde Bezug genommen auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15). Zwar sei hiernach die Bildung von Rücklagen nicht dem Grunde nach zu beanstanden. Jedoch sei eine pauschale Festlegung von Rücklagen ohne konkrete jährliche Risikoabschätzung unzulässig. Es sei davon auszugehen, dass auch die Beklagte ohne Beachtung des Gebots der Schätzgenauigkeit in übertriebener und mithin rechtswidriger Weise Rücklagen bzw. Vermögen gebildet habe; hierfür spreche auch ein Schreiben des Deutschen Handwerkskammertags vom 10. Februar 2016, in dem auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hingewiesen werde. Rücklagen, die in dieser Form rechtswidrig gebildet worden seien, hätten richtigerweise gemäß § 113 Abs. 1 HwO als anderweitige Mittel vor einer Beitragsveranlagung des Klägers dem Haushalt zugeführt werden müssen mit der Folge, dass sich die Beitragslast des Klägers entsprechend vermindert hätte. Im Einzelnen gelte, dass die Bildung einer allgemeinen Rücklage durch die Beklagte ersichtlich dem aus dem Kostendeckungsprinzip folgenden Gebot widerspreche, dass die Beklagte nur zweckgebundene Rücklagen bilden dürfe. Eine allgemeine Rücklage in pauschaler Höhe von 15 v.H. sei auch nicht etwa in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 26.6.1990 – 1 C 45.87) gebilligt worden. Das Bundesverwaltungsgericht habe in der genannten Entscheidung lediglich nach Prüfung des damals inmitten stehenden konkreten Einzelfalls eine gebildete Rücklage in der genannten Höhe als zulässig erachtet; die Angemessenheit der Rücklagenbildung sei jedoch stets im Einzelfall anhand des Gebots der Schätzgenauigkeit zu prüfen. Soweit daher vorliegend in § 10 Abs. 1 Satz 2 HKRO ein statischer Rahmen für allgemeine Rücklagen bestimmt werde, sei dies im Lichte des Gebots der Schätzgenauigkeit unzulässig. Die Beklagte habe vielmehr stets – auch im Rahmen etwaiger satzungsmäßig vorgegebener Rücklagenkorridore – jährlich eine Risiko-Kalkulation zur exakten Bestimmung der im Haushaltsjahr erforderlichen (Mindest-)Rücklagenhöhe vorzunehmen; jeder diese ermittelte Rücklagenhöhe übersteigende Betrag sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wegen fehlender Rechtfertigung der Vermögensbildung rechtswidrig (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 30.3.2017 – 20 K 3225/15 – juris Rn. 345; VG Gelsenkirchen, U.v. 21.11.2017 – 19 K 903/16 – juris Rn. 42). Eine Handwerkskammer könne sich nicht durch pauschale Satzungsvorgaben der erforderlichen Anwendung des Gebots der Schätzgenauigkeit entziehen; ohnehin sei vorliegend durch die Beklagte nicht nachgewiesen, dass sie bei Erlass der Vorgaben in § 10 Abs. 1 Satz 2 HKRO das Gebot der Schätzgenauigkeit hinreichend beachtet habe. Ein Verweis auf das Satzungsrecht überzeuge zudem umso weniger, soweit – wie hier in § 10 Abs. 1 Satz 2 HKRO – eine satzungsmäßige Untergrenze nur als Richtwert („in der Regel“) zu verstehen sein sollte. Es sei vorliegend auch nicht eindeutig ersichtlich, welchem Zweck die allgemeine Rücklage aus § 10 Abs. 1 HKRO dienen solle. Die Vorschrift regle wohl eine Art Betriebsmittelrücklage bzw. Liquiditätsrücklage, jedoch nicht die Bildung einer Ausgleichsrücklage. Überdies habe das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung aus Dezember 2015 (U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15) eine mögliche parallele Bildung von Ausgleichs- und Liquiditätsrücklagen neben zweckgebundenen Rücklagen zwar grundsätzlich als zulässig erachtet; allerdings stehe auch eine solche Vorgehensweise stets unter der Maßgabe eines konkret jährlich zu bestimmenden Bedarfs unter Beachtung des Gebots der Schätzgenauigkeit. Die Bayerische Staatsregierung habe insoweit bereits im Rahmen der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage vom 26. März 2012 (Az. IV/3-6010b/110/1) die Auffassung vertreten, dass die Entwicklung der letzten Jahre gezeigt habe, dass die Liquiditätsrücklage zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Industrie- und Handelskammern nicht erforderlich sei. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte letztlich konkret nachzuweisen, warum zur Absicherung entsprechender Liquiditätsrisiken – trotz Einziehung der Jahres-Mitgliedsbeiträge vorab zu Jahresbeginn – im Haushaltsjahr 2016 noch eine allgemeine Rücklage i.H.v. EUR 4.000.000,- vorgehalten habe werden müssen. Hierzu sei den einschlägigen Dokumenten jedoch nichts zu entnehmen. Ebenso sei durch die Beklagte nachzuweisen, dass die Vollversammlung unter Beachtung ihres eigenen Satzungsrechts und des Gebots der Schätzgenauigkeit über die etwaigen Gründe für die Bildung allgemeiner Rücklagen vor der Verabschiedung der Beitragssätze 2016 informiert gewesen sei sowie entsprechend beraten und beschlossen habe (vgl. OVG LSA, U.v. 20.9.2012 – 1 L 124/11). Entsprechende Nachweise der Beklagten fehlten. Auch sei fraglich, ob ein etwaiger Umwidmungsbeschluss zulasten der allgemeinen Rücklage für die Baufinanzierung im Einklang mit dem eigenen Satzungsrecht gestanden sei. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die durch die Beklagte gebildete Baurücklage 2016 i.H.v. EUR 2.060.000,- unter Beachtung des Gebots der Schätzgenauigkeit ermittelt worden sei. Jedenfalls erfordere die Bildung einer solchen Baurücklage unter Beachtung staatlichen Haushaltsrechts eine hinreichende zeitliche, finanzielle und sachliche Konkretisierung vor der Beschlussfassung über die Bildung einer solchen Rücklage. Dazu gehöre auch die Abwägung und Beschlussfassung hinsichtlich der Frage, ob eine mögliche Baumaßnahme aus Fremd- oder Eigenmitteln finanziert werden solle (vgl. VG München, U.v. 20.1.2015 – M 16 K 13.2277). Letztlich fehle ein Konzept zur beitragsgerechten Verteilung der baubezogenen Finanzlast über die Generationen der Beitragspflichtigen hinweg. Unabhängig von der Rücklagenbildung habe die Beklagte zudem unter Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip für das Haushaltsjahr 2016 einen Überschuss im Verwaltungshaushalt i.H.v. EUR 990.000,- geplant, dessen Zweckbestimmung nicht hinreichend erkennbar sei.

4. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei unbegründet. Nach der klägerseitig zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15) seien Rücklagen von Kammern als Mittelreserve im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder Einnahmeausfällen ohne weiteres zulässig. Dabei müsse das Maß der Rücklage nach den jeweiligen Verhältnissen im Einzelfall angemessen sein. Diese Angemessenheit sei danach zu beurteilen, wie konkret der Bedarf der Kammer hinsichtlich der jeweiligen Rücklage im Rahmen der gebotenen Schätzgenauigkeit ist. Zu unterscheiden sei zwischen allgemeinen Betriebsmittelrücklagen und zweckgebundenen Rücklagen für jeweils bestimmte (Bau-)Vorhaben. Allgemeine Rücklagen seien sachgerecht dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen einer Prognose unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände angemessen und für das jeweilige Haushaltsjahr festzulegen. Dabei sei richtigerweise in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 26.6.1990 – 1 C 45.87; vgl. hierzu Jahn, GewArch 2016, 263, 268) anerkannt, dass jedenfalls eine allgemeine Rücklage von 15 v.H. bezogen auf den Gesamthaushalt der Kammer nicht unangemessen sei; lediglich soweit eine allgemeine Rücklage über die den zulässigen Sockelbetrag von 15 v.H. hinausgehe, müsse über die Erforderlichkeit der allgemeinen Rücklage im Wege einer Prognose der zukünftigen Einnahmen und Ausgaben unter Berücksichtigung des Gebots der Schätzgenauigkeit im jährlichen Haushaltsbeschluss entschieden werden. In diesem Sinne sei auch eine allgemeine (Ausgleichs-)Rücklage innerhalb einer satzungsmäßigen Mindestuntergrenze nicht gesondert rechtfertigungsbedürftig (vgl. VG Ansbach, U.v. 8.11.2017 – AN 4 K 15.1648 – juris; VG Düsseldorf, U.v. 30.3.2017 – 20 K 3225/15 – juris; VG Köln, U.v. 15.2.2017 – 1 K 1473/16 – juris). Hiervon ausgehend sei die allgemeine Rücklage der Beklagten im Jahr 2016 von EUR 4.000.000,- rechtlich nicht zu beanstanden. Sie sei gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 HKRO ordnungsgemäß ermittelt worden. Hiernach solle sich die allgemeine Rücklage in der Regel auf mindestens 20 v.H. des Volumens des Verwaltungshaushalts nach dem Durchschnitt der drei dem Haushaltsjahr vorangehenden drei Jahre (hier: 2013-2015) belaufen; bei der Ermittlung seien zudem betriebswirtschaftlich erforderliche Abzüge (etwa durchlaufende Posten bei Weitergabe von Zuwendungen und Zuschüssen) zu berücksichtigen. § 10 Abs. 1 HKRO enthalte somit klare Vorgaben zur Begründung einer allgemeinen Rücklage und zur Schätzgenauigkeit; insbesondere sei die Anknüpfung an den Verwaltungshaushalt nicht zu beanstanden. Die in der Vorschrift enthaltene Untergrenze sei entgegen der Auffassung der Klägerseite auch nicht statisch, sondern im Lichte der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als Richtwert zu verstehen (Wortlaut: „in der Regel“); in diesem Sinne setze § 10 Abs. 1 HKRO voraus, dass die allgemeine Rücklage nur gebildet werden könne, soweit prognostisch potentielle Liquiditätsengpässe denkbar seien. Stelle sich diese Prognose im Nachhinein als unzutreffend heraus, sei hierdurch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht bereits das Gebot der Schätzgenauigkeit verletzt; maßgeblich sei stets die Prognoseentscheidung aus der ex-ante-Sicht und nicht etwa eine ex-post-Analyse anhand des Jahresabschlusses. In Relation zum Gesamthaushalt 2016 der Beklagten (EUR 49.353.000,-) hätten vorliegend die allgemeinen Rücklagen von EUR 4.000.000,- letztlich lediglich 8,1 v.H. betragen, sie hätten demnach unter der vom Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich anerkannten Quote von 15 v.H. und auch unterhalb der nach § 10 Abs. 1 Satz 2 HKRO vorgegebenen Regeluntergrenze von 20 v.H. des Volumens des Verwaltungshaushalts nach dem Durchschnitt der drei dem Haushaltsjahr vorangehenden drei Jahre gelegen; ein gesondertes Rechtfertigungsbedürfnis der allgemeinen Rücklage habe daher nicht bestanden. Überdies sei die allgemeine Rücklage zur Sicherung der laufenden Ausgaben der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts zwingend erforderlich, insbesondere in der kostenintensiven Durchführung der beruflichen Bildung. Ohne die allgemeine Rücklage bestehe auch die konkrete Gefahr realer Liquiditätsengpässe, da an die Beklagte fließende Fördermittel z.T. nur unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit ausgezahlt würden bzw. die Beklagte erhebliche Investitionen oder Leistungen im Voraus tätigen müsse. Über Erforderlichkeit und Höhe der allgemeinen Rücklage sei auch im Haushaltsbeschluss 2016 im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung entschieden worden. In der Vollversammlung seien vor der Beschlussfassung zudem die Zahlen der mittelfristigen Finanzplanung (u.a. die Prognose des laufenden Haushaltsjahres sowie der fünf folgenden Haushaltsjahre, einschließlich der Rücklagen) diskutiert worden. Zu betonen sei, dass in den Haushaltsplänen der letzten Jahre keine weiteren Zuführungen zur allgemeinen Rücklage, sondern nur noch Entnahmen erfolgt seien. Die daneben bestehenden zweckgebundenen Baurücklagen i.H.v. EUR 2.060.000,- hätten ihre Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 2 HKRO. Ihre Bildung sei aufgrund der hoheitlichen Aufgaben der Beklagten aus § 91 Abs. 1 Nr. 7 HwO (Errichtung und Erhalt von Bildungsstätten) zwingend erforderlich, da sich die Beklagte trotz staatlicher Förderung bei Bau- und Ausstattungsmaßnahmen zu mindestens 25 v.H. mit Eigenmitteln beteiligen müsse. Die Baurücklagen seien auf Grundlage der voraussichtlich entstehenden – sachgerecht geschätzten – Kosten für die Bildungsstätten und den Verwaltungssitz der Beklagten ordnungsgemäß ermittelt worden. Hierbei sei insbesondere der Neubau des Berufsbildungs- und Technologiezentrums ... zu nennen. Wie sich aus dem Haushaltsplan 2016 (S. 10) ergebe, habe die Vollversammlung der Beklagten bereits am 4. Dezember 2014 im Rahmen des Haushaltsbeschlusses 2015 ausdrücklich festgelegt, dass bei Bedarf aus der allgemeinen Rücklage ein Betrag i.H.v. EUR 2.000.000,- zur Baufinanzierung entnommen werden dürfe. Darüber hinaus sei damals ein Vorratsbeschluss zur Darlehensaufnahme von bis zu EUR 7.500.000,- zur Finanzierung der Mehrkosten des Neubaus des Berufsbildungs- und Technologiezentrums ... gefasst worden. Die Obergrenze der Baurücklage ergebe sich aus dem Investitionsbedarf der Beklagten, dokumentiert durch entsprechende Beschlüsse der Vollversammlung und die mittelfristige Finanzplanung für die folgenden Jahre. Ausweislich eines Finanzgutachtens des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands zum Neubau des Berufsbildungs- und Technologiezentrums ... vom 27. Februar 2013 (S. 10) reiche die Baurücklage nur „fast“ für die Finanzierung der Eigenmittel der Investition aus, 2016 müssten insoweit jedoch EUR 331.000,- aus der allgemeinen Rücklage in Anspruch genommen werden. Dies verdeutliche, dass durch die Baurücklage kein unzulässiges Vermögen gebildet worden sei. Hinsichtlich der Verwendung der Baurücklage sei durch die Vollversammlung der Beklagten am 4. Dezember 2014 ein separater projektbezogener Beschluss gefasst worden. Entgegen der Behauptung der Klägerseite seien hinsichtlich des Neubaus des Berufsbildungs- und Technologiezentrums ... durch die Vollversammlung am 9. Dezember 2003 und 29. November 2012 auch weitere projektbezogene Beschlüsse gefasst worden. Die streitgegenständlichen Rücklagen der Beklagten seien nach alledem angemessen und rechtmäßig gebildet worden; sie seien daher richtigerweise nicht vor Beitragsveranlagung des Klägers unter Beachtung von § 113 Abs. 1 HwO dem Haushalt der Beklagten zuzuführen gewesen.

5. Am 29. März 2018 fand mündliche Verhandlung statt. Die Sache wurde mit den Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert. Diese wiederholten ihre schriftsätzlich angekündigten Klageanträge.

6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten sowie auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Der Bescheid der Handwerkskammer für ... vom 29. Januar 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die durch die Errichtung und Tätigkeit der Handwerkskammer entstehenden Kosten werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, gemäß § 113 Abs. 1 HwO von den Inhabern eines Betriebs eines Handwerks und eines handwerksähnlichen Gewerbes (§ 90 Abs. 2 HwO) sowie den Mitgliedern der Handwerkskammer nach § 90 Abs. 3 HwO nach einem von der Handwerkskammer mit Genehmigung der obersten Landesbehörde festgesetzten Beitragsmaßstab getragen. Nach § 113 Abs. 2 Satz 1 HwO kann die Handwerkskammer als Beiträge auch Grundbeiträge, Zusatzbeiträge und außerdem Sonderbeiträge erheben. Die Beiträge können nach der Leistungskraft der beitragspflichtigen Kammerzugehörigen gestaffelt werden (§ 113 Abs. 2 Satz 2 HwO).

Der Beschlussfassung der Vollversammlung bleibt gemäß § 106 Abs. 1 Nr. 4 und 5 HwO vorbehalten die Feststellung des Haushaltsplans einschließlich des Stellenplans, die Bewilligung von Ausgaben, die nicht im Haushaltsplan vorgesehen sind, die Ermächtigung zur Aufnahme von Krediten und die dingliche Belastung von Grundeigentum sowie die Festsetzung der Beiträge zur Handwerkskammer. Ebenfalls der Beschlussfassung der Vollversammlung vorbehalten bleibt gemäß § 106 Abs. 1 Nr. 6 HwO der Erlass einer Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO).

Gemäß § 36 Abs. 4 der Satzung der Beklagten dürfen zu anderen Zwecken als zur Erfüllung der Aufgaben der Handwerkskammer und der Deckung der Verwaltungskosten weder Beiträge erhoben noch darf Vermögen der Handwerkskammer verwendet werden.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Beitragsordnung der Beklagten in der hier maßgeblichen Fassung vom 1. Dezember 2012 (BeitragsO 2012) wird zur Deckung der durch die Errichtung und Tätigkeit der Handwerkskammer entstehenden Kosten ein jährlicher Handwerkskammerbeitrag nach Maßgabe des § 113 HwO erhoben. Beitragspflichtig sind nach § 2 Abs. 1 BeitragsO 2012 u.a. alle natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle, im Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke oder im Verzeichnis der handwerksähnlichen Gewerbe eingetragen sind. Der Beitragsanspruch entsteht gemäß § 3 Abs. 1 BeitragsO 2012 grundsätzlich mit Beginn des Beitragsjahres. Der Beitrag setzt sich aus einem Grundbeitrag und einem Zusatzbeitrag zusammen (§ 4 Abs. 1 BeitragsO 2012). Die Bemessungsgrundlagen, das Bemessungsjahr sowie die Beitragshöhe werden gemäß § 4 Abs. 2 BeitragsO 2012 jährlich durch die Vollversammlung beschlossen. Die Höhe des Grundbeitrags und des Zusatzbeitrags sind in den §§ 5 f. BeitragsO 2012 geregelt.

Für die Aufstellung und Ausführung des Haushalts, die Kassen- und Buchführung, die Rechnungslegung, die Rechnungsprüfung und die Erteilung der Entlastung gelten nach § 38 der Satzung der Beklagten die Bestimmungen der Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung, die von der Vollversammlung zu beschließen und von der Aufsichtsbehörde zu genehmigen ist.

Gemäß § 1 Satz 1 der Ordnung für Haushalts-, Kasse und Rechnungswesen der Beklagten in der hier maßgeblichen Änderungsfassung vom 29. November 2012 (HKRO 2012) hat die Kammer ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Die Haushaltswirtschaft ist nach § 1 Satz 2 HKRO 2012 sparsam und wirtschaftlich zu planen und zu führen.

§ 10 Abs. 1 Satz 1 HKRO 2012 regelt, dass eine allgemeine Rücklage die rechtzeitige Leistung von Ausgaben sichern soll. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 HKRO 2012 soll sich die allgemeine Rücklage in der Regel auf mindestens 20 v.H. des Volumens des Verwaltungshaushalts nach dem Durchschnitt der drei dem Haushaltsjahr vorangehenden Jahre belaufen. Gemäß § 10 Abs. 2 HKRO 2012 können neben der allgemeinen Rücklage zusätzliche Mittel zur Deckung des Ausgabenbedarfs im Vermögenshaushalt künftiger Jahre angesammelt werden.

Unter Berücksichtigung obiger Vorgaben ist der streitgegenständliche Beitragsbescheid rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Der Kläger ist als Mitglied der Beklagten (vgl. § 90 Abs. 2 HwO) gemäß § 2 BeitragsO 2012 beitragspflichtig. Anhaltspunkte dafür, dass die im Bescheid festgesetzte Beitragshöhe nach §§ 4-6 BeitragsO 2012 i.V.m. der Festsetzung der Handwerkskammerbeiträge 2016 durch die Vollversammlung am 3. Dezember 2015 fehlerhaft berechnet worden wäre, sind weder klägerseitig vorgetragen noch sonst ersichtlich.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist auch Art und Umfang der Rücklagenbildung der Beklagten rechtsfehlerfrei.

aa) Die Mitgliedsbeiträge berufsständischer Kammern sind Beiträge im Rechtssinne, deren Rechtmäßigkeit an den für Beiträge geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäben zu messen ist. Beiträge sind Gegenleistungen für Vorteile, die das Mitglied aus der Kammerzugehörigkeit oder einer besonderen Tätigkeit der Kammer zieht oder ziehen kann. Für die Beitragserhebung durch öffentlich-rechtliche Berufsorganisationen sind das Äquivalenzprinzip ebenso wie der Gleichheitssatz zu beachten (siehe zum Ganzen: BVerwG, U.v. 26.4.2006 – 6 C 19.05 – juris Rn. 21 m.w.N.).

Die Prüfung, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig ist, erfordert nicht nur die Feststellung, ob der im Haushaltsplan festgesetzte Mittelbedarf der Handwerkskammer – die nicht durch Einnahmen (anderweitig) gedeckten Kosten ihrer Tätigkeit – durch eine Beitragsordnung rechtmäßig auf die Kammerzugehörigen umgelegt und ob die Beitragsordnung auch im Einzelfall fehlerfrei angewendet wurde. Geboten ist vielmehr ebenfalls die Feststellung, ob die Festsetzung des Mittelbedarfs der Handwerkskammer im Haushaltsplan den insofern zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Der Haushaltsplan ist der gerichtlichen Überprüfung nicht schlechthin entzogen. Er ist auch der inzidenten Überprüfung im Beitragsrechtsstreit nicht entzogen. Beides wäre mit dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, gegen die Beitragserhebung der Handwerkskammer effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren, unvereinbar (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 13 – zur IHK).

Die Handwerkskammer besitzt jedoch bei der Aufstellung des Haushaltsplans einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser besteht nicht als globale Größe für den gesamten Bereich des Haushalts- und Finanzrechts, sondern nur, soweit er konkret in den jeweils zu beachtenden Rechtsnormen angelegt ist (vgl. BVerwG, U.v. 5.8.2015 – 6 C 10.14 – juris Rn. 42; U.v. 14.10.2015 – 6 C 17.14 – juris Rn. 35). Der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ob dieser Rahmen gewahrt ist. Gemäß Art. 105 Abs. 1 Nr. 2 BayHO i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayHO hat die Handwerkskammer bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.1995 – 1 C 34.92 – juris Rn. 37 ff. – zur ORH-Prüfkompetenz bzgl. Handwerkskammern; OVG RhPf, U.v. 13.4.2011 – 6 A 11076/10 – juris Rn. 22 – zu Handwerkskammern; VG München, U.v. 20.7.2004 – M 16 K 03.1269 – juris Rn. 59 – zu Apothekerkammern; a.A. Jahn, GewArch 2006, 89). Unabhängig davon sind auch die sonstigen Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts sowie ergänzende Satzungsbestimmungen zu beachten. Zu den Grundsätzen des staatlichen Haushaltsrechts zählt das Gebot der Haushaltswahrheit, aus dem in Ansehung von Prognosen das Gebot der Schätzgenauigkeit folgt. Dieses ist nicht bereits dann verletzt, wenn sich eine Prognose im Nachhinein als falsch erweist; Prognosen müssen aber aus der Exante-Sicht sachgerecht und vertretbar ausfallen (vgl. BVerfG, U.v. 9.7.2007 – 2 BvF 1/04 – BVerfGE 119, 96, 129; vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 16 – zur IHK).

Hinsichtlich der Rücklagenbildung gilt, dass der Handwerkskammer die Bildung von Vermögen verboten ist (vgl. bereits BVerwG, U.v. 26.6.1990 – 1 C 45.87 – NVwZ 1990, 1167). Dies schließt die Bildung von Rücklagen nicht aus, bindet sie aber an einen sachlichen Zweck im Rahmen zulässiger Kammertätigkeit. In diesem Sinne gilt, dass es sich bei den Mitteln für angemessene Rücklagen ebenfalls um Kosten der Handwerkskammer i.S.v. § 113 Abs. 1 HwO handelt, die in Ermangelung anderer Finanzquellen durch Beiträge zu decken sind. Unabhängig von einer Einführung der Verwaltungsdoppik und der damit verbundenen Orientierung an der kaufmännischen Buchführung ist die Bildung von angemessenen Rücklagen für die Kammern als nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaften weiterhin notwendig und gehört zu einer geordneten Haushaltsführung (vgl. Jahn, GewArch 2013, 49, 53; vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 17; U.v. 26.6.1990 – 1 C 45.87 – juris Rn. 20 – jeweils zur IHK; vgl. allg. zur Zulässigkeit der Rücklagenbildung bei Handwerkskammern OVG LSA, U.v. 20.9.2012 – 1 L 136/11 – juris Rn. 64; OVG RhPf, U.v. 13.4.2011 – 6 A 11076/10 – juris Rn. 23; OVG Bbg, U.v. 22.6.2004 – 2 A 394/02 – juris Rn. 33; OVG NW, U.v. 15.9.1993 – 25 A 1714/92 – juris Rn. 91 f.; VG Trier – U.v. 1.9.2010 – 5 K 244/10.TR – juris Rn. 25).

Das Vorhalten einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder Einnahmeausfällen stellt einen solchen sachlichen Zweck dar, der die Bildung einer Rücklage rechtfertigt. Allerdings muss auch das Maß der Rücklage noch von diesem sachlichen Zweck gedeckt sein; eine hierdurch in ihrer Höhe nicht mehr gedeckte Rücklage wäre nicht mehr angemessen und würde einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkommen. Hieraus folgt nicht nur, dass die Handwerkskammer eine überhöhte Rücklage nicht bilden darf, sondern auch, dass sie eine überhöhte Rücklage baldmöglichst wieder auf ein zulässiges Maß zurückführen muss. Die Entscheidung über das Vorhalten einer Rücklage und über deren Höhe muss die Handwerkskammer bei jedem Haushaltsplan – und damit jährlich – erneut treffen. Ein Haushaltsplan kann deshalb nicht nur dann rechtswidrig sein, wenn er eine überhöhte Rücklagenbildung vorsieht, sondern auch dann, wenn er eine überhöhte Rücklage beibehält (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 18 – zur IHK).

Hiervon ausgehend hat das Bundesverwaltungsgericht im Dezember 2015 entschieden, dass eine Kammer jeweils den ihr im Rahmen des einschlägigen Satzungsrechts – dieses sah im entschiedenen Fall eine Rücklagenbildung i.H.v. 30 v.H. bis 50 v.H. der fortdauernden Ausgaben bzw. Betriebsaufwendungen vor – zukommenden Beurteilungsspielraum überschreitet, soweit sie allein für das Risiko des vorübergehenden Zahlungsausfalls in einem Haushaltsjahr annähernd die nach dem Satzungsrecht höchstmögliche Betriebsmittelrücklage von 50 v.H. der fortdauernden Ausgaben (EUR 6,4 Mio.) bzw. in einem weiteren Haushaltsjahr beinahe die nach dem Satzungsrecht maximal zulässige Liquiditätsrücklage von fast 50 v.H. der Betriebsaufwendungen (EUR 7,7 Mio.) veranschlagt. Im Lichte des Grundsatzes der Schätzgenauigkeit hätte eine solche Rücklagenhöhe vielmehr nur mit der Prognose gerechtfertigt werden können, dass es aufgrund konkreter Anhaltspunkte hierfür im jeweiligen Haushaltsjahr bei ungünstigem Zahlungseingang zu zeitweisen Liquiditätsengpässen in entsprechender Höhe kommen könne (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 19 f. – zur IHK; vgl. hierzu auch OVG LSA, U.v. 20.9.2012 – 1 L 136/11 – juris Rn. 74 zu Handwerkskammern).

Bereits im Juni 1990 hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Rücklagen einer Kammer, die bezogen auf den Gesamthaushalt 15 v.H. betragen, noch nicht als unangemessen hoch anzusehen seien (BVerwG, U.v. 26.6.1990 – 1 C 45.87 – juris Rn. 20 – zur IHK; so auch OVG NW, B.v. 29.11.2012 – 17 A 1696/12 – juris Rn. 33 f. – Apothekerkammer).

Ausgehend von der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts ist auch in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geklärt, dass die Bildung angemessener Rücklagen einer Kammer von Rechts wegen zusteht. Die Grenze zur Unangemessenheit der Rücklagenbildung einer Kammer lässt sich eher am Maßstab des Gesamthaushalts als am Maßstab des Jahresbeitragsaufkommens beurteilen. Maßgeblich ist auch, ob die Vorgaben des Satzungsrechts als Grundlage für die Rücklagenbildung beachtet wurden. Eine pauschale Obergrenze für die zulässige Rücklagenbildung besteht nicht (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 4.9.2012 – 22 ZB 11.1007 – juris Rn. 25; B.v. 30.7.2012 – 22 ZB 11.1462 – juris Rn. 36; B.v. 26.8.2005 – 22 ZB 03.2600 – juris Rn. 5; VG München, U.v. 6.10.2015 – M 16 K 15.2443 – juris Rn. 33).

bb) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze – insbesondere der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris – zur IHK) – ist im vorliegenden Fall die Rücklagenbildung der Beklagten im Haushaltsjahr 2016 rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat insoweit den ihr im Rahmen der Rechtsnormen – insbesondere des einschlägigen Satzungsrechts – zukommenden weiten Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

(1) Dies gilt zunächst hinsichtlich der Bildung einer allgemeinen Rücklage im Haushaltsjahr 2016 i.H.v. EUR 4.000.000,-.

Wie ausgeführt ist die Bildung von angemessenen Rücklagen für die Kammern als nicht gewinnorientierte öffentlich-rechtliche Körperschaften weiterhin notwendig und gehört zu einer geordneten Haushaltsführung. Die Vorhaltung einer Mittelreserve zur Überbrückung von Einnahmeverzögerungen oder -ausfällen stellt einen sachlichen Zweck dar, der die Bildung einer Rücklage grundsätzlich rechtfertigt (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 17 f. – zur IHK).

Auch in formeller Hinsicht ist nichts gegen die Bildung der allgemeinen Rücklage zu erinnern. Die Vollversammlung der Beklagten hat in ihrem Haushaltsbeschluss vom 3. Dezember 2015 den Haushaltsplan 2016 beschlossen und hierbei ausdrücklich die mittelfristige Finanzplanung 2015-2020 (beschlussmäßig) zur Kenntnis genommen und damit gebilligt (vgl. § 105 Abs. 2 Nr. 8 HwO i.V.m. § 106 Abs. 1 Nr. 4 HwO; Blatt 7 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187). In dieser Unterlage war die allgemeine Rücklage 2016 i.H.v. EUR 4.000.000,- unter der Position „Betriebsmittelrücklage“ explizit ausgewiesen (Blatt 58 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187). Der Haushaltsbeschluss der Beklagten ist mit Schreiben vom 30. Dezember 2015 durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie rechtsaufsichtlich genehmigt worden (§ 106 Abs. 2 Satz 1 HwO; Blatt 65 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187).

Die allgemeine Rücklage 2016 ist auch der Höhe nach rechtsfehlerfrei gebildet worden. Bei der Prüfung, ob die Beklagte den ihr zukommenden weiten Beurteilungsspielraum überschritten hat, sind – wie ausgeführt – nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 10 C 6.15 – juris Rn. 16, 19 f. – zur IHK) maßgeblich die Vorgaben des einschlägigen Satzungsrechts zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall regelt § 10 Abs. 1 Satz 1 HKRO 2012, dass eine allgemeine Rücklage die rechtzeitige Leistung von Ausgaben sichern soll; nach § 10 Abs. 1 Satz 2 HKRO 2012 soll sich die allgemeine Rücklage in der Regel auf mindestens 20 v.H. des Volumens des Verwaltungshaushalts nach dem Durchschnitt der drei dem Haushaltsjahr vorangehenden Jahre belaufen.

Die Regelung in § 10 Abs. 1 Satz 2 HKRO 2012 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vorschrift sieht nicht etwa einen zwingenden jährlichen Mindestbetrag für die allgemeine Rücklage vor, sondern lediglich einen jährlichen Mindestrichtwert („in der Regel“). Hinsichtlich der Grenze des finanziell Gebotenen und Notwendigen hat daher nach § 10 Abs. 1 Satz 2 HKRO 2012 grundsätzlich eine Abwägung zu erfolgen, wobei die allgemeine Rücklage im Einklang mit dem Satzungsrecht im Einzelfall auch ausnahmsweise „Null“ betragen könnte. Der Sache nach liegt somit vorliegend kein „Korridor“ für die allgemeine Rücklagenbildung vor, sondern lediglich ein – rechtlich unbedenklicher – satzungsmäßiger Mindestrichtwert (vgl. VG Schleswig, U.v. 15.2.2018 – 12 A 173/16 – juris Rn. 28; VG Mainz, U.v. 10.11.2017 – 4 K 1310/16.MZ – juris Rn. 27 – jeweils zu einer satzungsmäßigen Obergrenze der Rücklagenbildung). Ohnehin gilt, dass sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle von untergesetzlichen Normen der Handwerkskammern mit Blick auf das ihnen gesetzlich eingeräumte Normsetzungsermessen darauf beschränkt, ob die äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis überschritten sind (BVerwG, U.v. 26.4.2006 – 6 C 19.05 – juris Rn. 16); hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich.

Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass bei einem Verwaltungshaushalt der Beklagten im Jahr 2013 i.H.v. EUR 26.662.000,-, im Jahr 2014 i.H.v. EUR 27.388.000,- sowie im Jahr 2015 i.H.v. EUR 29.340.000,- (siehe Blatt 32-34 der Gerichtsakte) der maßgebliche Durchschnittsbetrag i.S.v. § 10 Abs. 1 Satz 2 HKRO 2012 EUR 27.796.666,67 beträgt. Demnach hätte nach § 10 Abs. 1 Satz 2 HKRO 2012 die regelmäßige allgemeine Mindestrücklage fiktiv EUR 5.559.333,33 betragen (20 v.H. aus dem ermittelten Durchschnittsbetrag). Die Beklagte ist hier folglich beim Ansatz der allgemeinen Rücklage i.H.v. EUR 4.000.000,- deutlich unterhalb des durch § 10 Abs. 1 Satz 2 HKRO 2012 vorgegebenen Mindestrichtwerts geblieben. Vor diesem Hintergrund bedurfte es im Lichte des weiten Beurteilungsspielraums der Beklagten zur Rechtfertigung der Höhe der allgemeinen Rücklage keiner expliziten Darlegung etwaiger konkreter Haushaltsbzw. Liquiditätsrisiken; eine allgemeine Rücklage von bis zu 20 v.H. des Volumens des Verwaltungshaushalts nach dem Durchschnitt der drei dem Haushaltsjahr vorangehenden Jahre ist vielmehr ohne weiteres als notwendig und erforderlich anzusehen (vgl. in diesem Sinne VG Schleswig, U.v. 15.2.2018 – 12 A 173/16 – juris Rn. 33; VG Düsseldorf, U.v. 30.3.2017 – 20 K 3225/15 – juris Rn. 346; VG Köln, U.v. 15.2.2017 – 1 K 1473/16 – juris Rn. 81 – jeweils Vermutung der Angemessenheit einer Ausgleichsrücklage von bis zu 30 v.H. der geplanten Aufwendungen bei satzungsmäßiger Obergrenze von 50 v.H.; vgl. zum fehlenden Rechtfertigungsbedürfnis bei Rücklagen innerhalb eines satzungsmäßigen Korridors von 30 v.H. bis 50 v.H. der geplanten Aufwendungen: VG Mainz, U.v. 10.11.2017 – 4 K 1310/16.MZ – juris Rn. 28 – Ausgleichsrücklage von 36,82 v.H. der geplanten Aufwendungen; VG Ansbach, U.v. 8.11.2017 – AN 4 K 15.1648 – juris Rn. 50 – Ausgleichsrücklage von 40 v.H. der geplanten Betriebsaufwendungen; VG München, U.v. 20.1.2015 – M 16 K 13.2277 – juris Rn. 18 – Ausgleichsrücklage von 36,3 v.H. des geplanten Betriebsaufwands; vgl. zum Ganzen auch Jahn, GewArch 2016, 263, 268; a.A. VG Gelsenkirchen, U.v. 21.11.2017 – 19 K 903/16 – juris Rn. 42 – konkretes Rechtfertigungsbedürfnis bei Ausgleichsrücklage von 45 v.H. bzw. 36 v.H. bei Rücklagenkorridor von 30 v.H. bis 50 v.H. der geplanten Aufwendungen).

Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die allgemeine Rücklage i.H.v. EUR 4.000.000,- in Relation zum Gesamthaushalt 2016 der Beklagten (EUR 49.353.000,-) vorliegend letztlich lediglich 8,1 v.H. betragen hat; sie lag demnach weit unterhalb der Quote von 15 v.H., die das Bundesverwaltungsgericht noch nicht als unangemessen hoch angesehen hat (BVerwG, U.v. 26.6.1990 – 1 C 45.87 – juris Rn. 20 – zur IHK; so auch OVG NW, B.v. 29.11.2012 – 17 A 1696/12 – juris Rn. 33 f. – Apothekerkammer).

(2) Die Bildung der zweckgebundenen Baurücklage im Haushaltsjahr 2016 i.H.v. EUR 2.060.000,- ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

Auch insoweit ist in formeller Hinsicht auf den Haushaltsbeschluss der Vollversammlung der Beklagten vom 3. Dezember 2015 (Blatt 7 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187) zu verweisen. In der hier ausdrücklich zur Kenntnis genommenen mittelfristigen Finanzplanung 2015-2020 (vgl. § 105 Abs. 2 Nr. 8 HwO i.V.m. § 106 Abs. 1 Nr. 4 HwO; Blatt 58 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187) war die Baurücklage 2016 i.H.v. EUR 2.060.000,- explizit ausgewiesen; unter „Fremdfinanzierung“ war „0“ vermerkt.

Die Baurücklage 2016 ist auch der Höhe nach rechtsfehlerfrei gebildet worden. Bei der Prüfung, ob die Beklagte den ihr zukommenden weiten Beurteilungsspielraum überschritten hat, sind auch hier maßgeblich die Vorgaben des einschlägigen Satzungsrechts zu berücksichtigen.

Gemäß § 10 Abs. 2 HKRO 2012 können neben der allgemeinen Rücklage zusätzliche Mittel zur Deckung des Ausgabenbedarfs im Vermögenshaushalt künftiger Jahre angesammelt werden.

Demnach ist festzustellen, dass das Satzungsrecht in § 10 Abs. 2 HKRO 2012 für zusätzlich zur allgemeinen Rücklage aus § 10 Abs. 1 HKRO 2012 fakultativ zu bildende sonstige Rücklagen – etwa zweckgebundene Baurücklagen – keinen Bezugsrahmen hinsichtlich der Höhe vorgibt. Es verbleibt demnach auch insoweit ein weiter Beurteilungsspielraum der Beklagten hinsichtlich Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit und insbesondere der Frage, inwieweit die Projektfinanzierung über laufende Einnahmen, Kreditaufnahme oder über Rücklagen erfolgen soll (vgl. VG München, U.v. 20.1.2015 – M 16 K 13.2277 – juris Rn. 19).

Hiervon ausgehend ist die Haushaltsplanung der Beklagten mit Blick auf die Baurücklage 2016 rechtsfehlerfrei erfolgt.

Nach § 91 Abs. 1 Nr. 7 HwO ist u.a. Aufgabe der Beklagten, die technische und betriebswirtschaftliche Fortbildung der Meister und Gesellen zur Erhaltung und Steigerung der Leistungsfähigkeit des Handwerks in Zusammenarbeit mit den Innungsverbänden zu fördern und die erforderlichen Einrichtungen hierfür zu schaffen oder zu unterstützen. Demnach gehört die Errichtung oder Unterhaltung von Bildungseinrichtungen zu den gesetzlichen Aufgaben der Beklagten.

Ausweislich des Gesamtplans zu dem am 3. Dezember 2015 durch die Vollversammlung der Beklagten beschlossenen Vermögenshaushalt 2016 sind im Haushaltsplan 2016 Baukosten i.H.v. insgesamt EUR 12.025.000,- eingestellt (Blatt 42 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187). Im Einzelplan 30 des Vermögenshaushalts 2016 („Berufsbildungs- und Technologiezentrum ...“) sind insoweit als Baukosten 2016 allein für das Berufsbildungs- und Technologiezentrum ... EUR 10.700.000,- angesetzt (Blatt 47 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187 – Rückseite). Ausweislich einer ebenfalls enthaltenen Projektübersicht „Neubau BTZ ... (Bauphase 2013 – 2019)“ (Blatt 48 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187 – Rückseite) beträgt insoweit unter Berücksichtigung von Fördermitteln die Gesamtsumme der erforderlichen Eigenmittel im Jahr 2016 EUR 5.846.000,- (Fördermittel: EUR 6.634.000,-). Bereits allein angesichts dieses auf den Neubau des Berufsbildungs- und Technologiezentrums ... bezogenen erheblichen Baufinanzbedarfs 2016 – die Klägerseite hat die im Haushaltsplan genannten Zahlen nicht substantiiert bestritten – ist eine Baurücklage i.H.v. EUR 2.060.000,- ohne weiteres angemessen, um Liquiditätsengpässen – etwa aufgrund einer nur verzögerten Auszahlung von Fördermitteln – vorzubeugen. Dies wird auch dadurch verdeutlicht, dass im Haushaltsbeschluss 2016 (Blatt 7 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187) zusätzlich noch nachrichtlich vermerkt ist, dass entsprechend eines Vorratsbeschlusses der Vollversammlung vom 4. Dezember 2014 (Blatt 74 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187 – Rückseite) zur Finanzierung der Mehrkosten des Neubaus des Berufsbildungs- und Technologiezentrums ... die Aufnahme von Fremdkapital von bis zu EUR 7.500.000,- erforderlich werden kann. Zudem ist dem Haushaltsbeschluss 2016 noch angefügt, dass die Vollversammlung am 4. Dezember 2014 ebenfalls zugestimmt hat, dass bei Bedarf aus der allgemeinen Rücklage i.S.v. § 10 Abs. 1 HKRO 2012 ein Betrag von EUR 2.000.000,- zur Baufinanzierung entnommen werden kann (Blatt 74 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187 – Rückseite). Dies alles belegt, dass mit der streitgegenständlichen Baurücklage jedenfalls keine unzulässige Vermögensbildung stattfindet. Dies wird auch durch das seitens der Beklagten auszugsweise vorgelegte Finanzgutachten des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands zum Neubau des Berufsbildungs- und Technologiezentrums ... vom 27. Februar 2013 (dort S. 10; Blatt 77 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187) gestützt. Demnach war zu diesem Zeitpunkt davon auszugehen, dass die seit 2009 wesentlich verstärkte Baurücklage der Beklagten (Stand zum 31.12.2012: EUR 7,4 Mio.) zusammen mit der gesamten Zuführung des Verwaltungshaushalts nur „fast“ für die Finanzierung der Eigenmittel der Investition im Zeitraum 2013-2016 ausreicht; im streitgegenständlichen Haushaltsjahr 2016 war insbesondere damit zu rechnen, dass EUR 331.000,- aus der allgemeinen Rücklage i.S.v. § 10 Abs. 1 HKRO 2012 in Anspruch genommen werden müssen.

Der Beschluss der Vollversammlung der Beklagten vom 4. Dezember 2014, dass bei Bedarf aus der allgemeinen Rücklage i.S.v. § 10 Abs. 1 HKRO 2012 ein Betrag von EUR 2.000.000,- zur Baufinanzierung entnommen werden kann (Blatt 74 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187 – Rückseite), ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Vollversammlung einer Kammer ist im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums grundsätzlich befugt, Mittel einer vorhandenen allgemeinen (Liquiditäts-)Rücklage durch die Überführung in die Bau- und Instandhaltungsrücklage einem der der gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Aufgaben entsprechenden anderen Zweck zuzuführen. Es besteht im Übrigen keine grundsätzliche Verpflichtung einer Kammer, eine Baumaßnahme mit zinsgünstigen Fremdmitteln zu finanzieren, um auch zukünftige Kammermitglieder an der Kostentragung zu beteiligen (vgl. zum Ganzen: VGH BW, B.v. 20.7.2017 – 6 S 860/17 – juris Rn. 10).

Auch sind in der Vergangenheit durch die Vollversammlung der Beklagten hinsichtlich des Bauvorhabens „Berufsbildungs- und Technologiezentrum ...“ hinreichende Projektbeschlüsse gefasst worden, die die entsprechenden Haushaltsansätze legitimieren. So wurde in der Vollversammlung der Beklagten vom 29. November 2012 bei einer Enthaltung der Neubau des Berufsbildungs- und Technologiezentrums ... (Bauphase 2013-2016) mit Tiefgarage beschlossen (Blatt 59 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187 – Rückseite). Diesem Beschluss lagen eine der Vollversammlung zuvor vorgelegte Kostenberechnung vom 14. November 2012 (Blatt 59 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187), ein Finanzierungskonzept (2013-2016; Blatt 59 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187) sowie ein Ablaufplan (2012-2013; Blatt 59 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187 – Rückseite) zugrunde. Ausweislich des vorgelegten Protokolls der Vollversammlung der Beklagten vom 9. Dezember 2003 war überdies bereits mit Beschluss der Vollversammlung vom 6. Dezember 1999 ein Grundsatzbeschluss gefasst worden, die komplette Verwaltung und den Bildungsbereich der Beklagten schnellstmöglich an die ...straße in ... zu verlagern (Blatt 62 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187 – mit Rückseite).

Weitere hinreichend substantiierte Rügen der Klägerseite sind nicht ersichtlich; eine Pflicht des Gerichts zur Amtsermittlung (§ 86 VwGO) wird in Rechtsstreitigkeiten gegen Kammerbeitragsbescheide durch pauschale Verdachtsäußerungen zur Rücklagenbildung quasi „ins Blaue“ nicht ausgelöst (vgl. VG Schleswig, U.v. 15.2.2018 – 12 A 173/16 – juris Rn. 29; VG Ansbach, U.v. 30.11.2017 – AN 4 K 17.537 – juris Rn. 22, 24 f.).

c) Es ist vor dem Hintergrund des Kostendeckungsprinzips rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte im streitgegenständlichen Haushaltsjahr 2016 einen Haushaltsüberschuss im Verwaltungshaushalt i.H.v. EUR 990.000,- vorgesehen hat.

aa) Gemäß § 11 Abs. 1 HKRO 2012 müssen der Verwaltungshaushalt und der Vermögenshaushalt ausgeglichen sein. Die im Verwaltungshaushalt zur Deckung der Ausgaben nicht benötigten Einnahmen sind dem Vermögenshaushalt zuzuführen (§ 11 Abs. 2 HKRO 2012). Die im Vermögenshaushalt zur Deckung der Ausgaben nicht benötigten Einnahmen sind gemäß § 11 Abs. 3 HKRO 2012 der allgemeinen Rücklage zuzuführen.

Im Lichte des aus § 113 Abs. 1 HwO folgenden Verbots der Vermögensbildung muss eine Handwerkskammer einenungeplanten Bilanzgewinn zeitnah für die Finanzierung ihrer gesetzlichen Aufgaben einsetzen. Sie hat den Gewinn deshalb in der Regel – soweit nicht eine Beitragsrückerstattung an die Kammermitglieder erfolgt ist oder die Vollversammlung bereits einen speziellen Beschluss über die aufgabengemäße Gewinnverwendung gefasst hat – spätestens in den nächsten, zeitlich auf die Feststellung des Gewinns nachfolgenden Haushaltsplan einzustellen (vgl. zum Ganzen: OVG RhPf, U.v. 23.9.2014 – 6 A 11345/13 – juris Rn. 21; VG Köln, U.v. 16.6.2016 – 1 K 1838/15 – juris Rn. 38 f.; VG München, U.v. 20.1.2015 – M 16 K 13.2277 – juris Rn. 25).

Ein geplanter Jahresüberschuss einer Kammer ist im Lichte von § 113 Abs. 1 HwO hingegen nur zulässig, soweit dessen weitere zweckgebundene Verwendung zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben im Wege eines Gewinnvortrags hinreichend feststeht (vgl. VG Berlin, U.v. 14.4.2015 – 4 K 199.14 – juris Rn. 55 f. – zu einem geplanten positiven Jahresergebnis i.H.v. EUR 9.346.100,-; VG Trier, U.v. 1.9.2010 – 5 K 244/10.TR – juris Rn. 26 – zu einem geplanten Jahresüberschuss i.H.v. EUR 19.650,-); denn lediglich eine zweckfreie Ansammlung des Gewinns ohne eine Einbeziehung in die Haushaltsbzw. Wirtschaftsplanung ist mit § 113 Abs. 1 HwO unvereinbar (vgl. VG Minden, U.v. 8.5.2015 – 2 K 693/14 – juris Rn. 72).

bb) Unter Berücksichtigung obiger Vorgaben und Grundsätze ist der vorliegend geplante Jahresüberschuss im Verwaltungshaushalt 2016 der Beklagten i.H.v. EUR 990.000,- rechtlich nicht zu beanstanden.

Die rechtlichen Anforderungen aus § 11 Abs. 1 HKRO 2012 wurden vorliegend beachtet. Der Verwaltungshaushalt 2016 und der Vermögenshaushalt 2016 der Beklagten sind jeweils ausgeglichen, die Ansätze der Positionen „Einnahmen“ und „Ausgaben“ entsprechen einander jeweils (Blatt 5 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187). Ein Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip aus § 113 Abs. 1 HwO ist somit nicht gegeben.

Zwar ist im Verwaltungshaushalt 2016 auf der Ausgabenseite der Titel 718 („Zuführung zum Vermögenshaushalt“) mit einem Ansatz von EUR 990.000,- enthalten (Blatt 11 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187). In der Erläuterung zu Titel 718 ist ausgeführt, dass sich aufgrund der Haushaltsansätze bei den Einnahmen und den Ausgaben ein Überschuss i.H.v. EUR 990.000,- ergebe, der dem Vermögenshaushalt zugeführt werden kann (Blatt 13 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187 – Rückseite). Hiermit korrespondierend ist im Vermögenshaushalt 2016 auf der Einnahmenseite der Titel 44 („Zuführung vom Verwaltungshaushalt“) i.H.v. EUR 990.000,- enthalten (Blatt 41 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187 – Rückseite). Hierzu ist in den Erläuterungen ausgeführt, dass aus dem Verwaltungshaushalt eine Zuführung von EUR 990.000,- an den Vermögenshaushalt geplant sei (Blatt 44 der Verwaltungsakte im Parallelverfahren Au 2 K 16.187).

Diese Vorgehensweise entspricht aber § 11 Abs. 2 HKRO 2012, nach dem die im Verwaltungshaushalt zur Deckung der Ausgaben nicht benötigten Einnahmen dem Vermögenshaushalt zuzuführen sind. § 11 Abs. 2 HKRO 2012 – der wortgleich § 22 Abs. 1 Satz 1 der bayerischen Kommunalhaushaltsverordnung-Kameralistik (KommHV-Kameralistik) entspricht – steht auch nicht im Widerspruch zum Prinzip der Kostendeckung aus § 113 Abs. 1 HwO. Wie ausgeführt ist der Gesamthaushalt 2016 der Beklagten ausgeglichen (§ 11 Abs. 1 HKRO 2012). Soweit die Klägerseite im Kern eine überhöhte Zuführung zum Vermögenshaushalt aus dem Verwaltungshaushalt i.H.v. EUR 990.000,- rügt, so ist nicht ersichtlich, inwieweit dies vorliegend Auswirkungen auf die Beitragshöhe des Klägers haben sollte. Denn würde man sich hypothetisch den Ausgabentitel 718 im Verwaltungshaushalt 2016 wegdenken, führt dies dazu, dass zugleich der korrespondierende Einnahmetitel 44 im Vermögenshaushalt 2016 entfällt. In der Folge müssten dann jedoch zum erforderlichen Haushaltsausgleich die Ausgaben im Vermögenshaushalt 2016 i.H.v. EUR 990.000,- in anderer Weise gedeckt werden, das Ausgabenvolumen des Gesamthaushalts 2016 der Beklagten – und damit auch die streitgegenständliche Beitragsberechnung – bliebe unverändert. Im Übrigen steht es im haushaltsrechtlichen Ermessen der Beklagten, ob sie Ausgaben im Vermögenshaushalt – etwa für Bauvorhaben – durch im Wege der Beitragserhebung gewonnene Eigenmittel, über Rücklagen oder etwa durch Kreditaufnahme finanziert. Gleiches gilt für die Grundsatzentscheidung zur Durchführung eines bestimmten Bauvorhabens sowie dessen Ausgestaltung bzw. Kostenrahmen. Ohnehin hat die Klägerseite den Kostenansatz im Vermögenshaushalt 2016 für die fraglichen Bauvorhaben – insbesondere das Berufsbildungs- und Technologiezentrum ... – weder dem Grunde noch der Höhe nach hinreichend substantiiert in Frage gestellt.

2. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe, die Berufung zuzulassen, bestehen nicht (§§ 124, 124a VwGO).

(1) Gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, kann ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist abzusehen, wenn der Erklärungspflichtige glaubhaft macht, dass die Verspätung entschuldbar ist; das Verschulden eines Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Erklärungspflichtigen zuzurechnen.

(2) Abweichend von Absatz 1 ist ein Verspätungszuschlag festzusetzen, wenn eine Steuererklärung, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt bezieht,

1.
nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahrs oder nicht binnen 14 Monaten nach dem Besteuerungszeitpunkt,
2.
in den Fällen des § 149 Absatz 2 Satz 2 nicht binnen 19 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahrs oder nicht binnen 19 Monaten nach dem Besteuerungszeitpunkt oder
3.
in den Fällen des § 149 Absatz 4 nicht bis zu dem in der Anordnung bestimmten Zeitpunkt
abgegeben wurde.

(3) Absatz 2 gilt nicht,

1.
wenn die Finanzbehörde die Frist für die Abgabe der Steuererklärung nach § 109 verlängert hat oder diese Frist rückwirkend verlängert,
2.
wenn die Steuer auf null Euro oder auf einen negativen Betrag festgesetzt wird,
3.
wenn die festgesetzte Steuer die Summe der festgesetzten Vorauszahlungen und der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge nicht übersteigt oder
4.
bei jährlich abzugebenden Lohnsteueranmeldungen, bei Anmeldungen von Umsatzsteuer-Sondervorauszahlungen nach § 48 Absatz 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung sowie bei jährlich abzugebenden Versicherungsteuer- und Feuerschutzsteueranmeldungen.

(4) Sind mehrere Personen zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet, kann die Finanzbehörde nach ihrem Ermessen entscheiden, ob sie den Verspätungszuschlag gegen eine der erklärungspflichtigen Personen, gegen mehrere der erklärungspflichtigen Personen oder gegen alle erklärungspflichtigen Personen festsetzt. Wird der Verspätungszuschlag gegen mehrere oder gegen alle erklärungspflichtigen Personen festgesetzt, sind diese Personen Gesamtschuldner des Verspätungszuschlags. In Fällen des § 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a ist der Verspätungszuschlag vorrangig gegen die nach § 181 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 erklärungspflichtigen Personen festzusetzen.

(5) Der Verspätungszuschlag beträgt vorbehaltlich des Satzes 2, der Absätze 8 und 13 Satz 2 für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 Prozent der festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 10 Euro für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung. Für Steuererklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt beziehen, beträgt der Verspätungszuschlag für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 Prozent der um die festgesetzten Vorauszahlungen und die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge verminderten festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 25 Euro für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung. Wurde ein Erklärungspflichtiger von der Finanzbehörde erstmals nach Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist zur Abgabe einer Steuererklärung innerhalb einer dort bezeichneten Frist aufgefordert und konnte er bis zum Zugang dieser Aufforderung davon ausgehen, keine Steuererklärung abgeben zu müssen, so ist der Verspätungszuschlag nur für die Monate zu berechnen, die nach dem Ablauf der in der Aufforderung bezeichneten Erklärungsfrist begonnen haben.

(6) Für Erklärungen zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, für Erklärungen zur Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags und für Zerlegungserklärungen gelten vorbehaltlich des Absatzes 7 die Absätze 1 bis 3 und Absatz 4 Satz 1 und 2 entsprechend. Der Verspätungszuschlag beträgt für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 25 Euro.

(7) Für Erklärungen zu gesondert festzustellenden einkommensteuerpflichtigen oder körperschaftsteuerpflichtigen Einkünften beträgt der Verspätungszuschlag für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,0625 Prozent der positiven Summe der festgestellten Einkünfte, mindestens jedoch 25 Euro für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung.

(8) Absatz 5 gilt nicht für

1.
vierteljährlich oder monatlich abzugebende Steueranmeldungen,
2.
nach § 41a Absatz 2 Satz 2 zweiter Halbsatz des Einkommensteuergesetzes jährlich abzugebende Lohnsteueranmeldungen,
3.
nach § 8 Absatz 2 Satz 3 des Versicherungsteuergesetzes jährlich abzugebende Versicherungsteueranmeldungen,
4.
nach § 8 Absatz 2 Satz 3 des Feuerschutzsteuergesetzes jährlich abzugebende Feuerschutzsteueranmeldungen und
5.
Anmeldungen der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung nach § 48 Absatz 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung.
In diesen Fällen sind bei der Bemessung des Verspätungszuschlags die Dauer und Häufigkeit der Fristüberschreitung sowie die Höhe der Steuer zu berücksichtigen.

(9) Bei Nichtabgabe der Steuererklärung ist der Verspätungszuschlag für einen Zeitraum bis zum Ablauf desjenigen Tages zu berechnen, an dem die erstmalige Festsetzung der Steuer wirksam wird. Gleiches gilt für die Nichtabgabe der Erklärung zur Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags, der Zerlegungserklärung oder der Erklärung zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.

(10) Der Verspätungszuschlag ist auf volle Euro abzurunden und darf höchstens 25 000 Euro betragen.

(11) Die Festsetzung des Verspätungszuschlags soll mit dem Steuerbescheid, dem Gewerbesteuermessbescheid oder dem Zerlegungsbescheid verbunden werden; in den Fällen des Absatzes 4 kann sie mit dem Feststellungsbescheid verbunden werden. In den Fällen des Absatzes 2 kann die Festsetzung des Verspätungszuschlags ausschließlich automationsgestützt erfolgen.

(12) Wird die Festsetzung der Steuer oder des Gewerbesteuermessbetrags oder der Zerlegungsbescheid oder die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen aufgehoben, so ist auch die Festsetzung eines Verspätungszuschlags aufzuheben. Wird die Festsetzung der Steuer, die Anrechnung von Vorauszahlungen oder Steuerabzugsbeträgen auf die festgesetzte Steuer oder in den Fällen des Absatzes 7 die gesonderte Feststellung einkommensteuerpflichtiger oder körperschaftsteuerpflichtiger Einkünfte geändert, zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt, so ist ein festgesetzter Verspätungszuschlag entsprechend zu ermäßigen oder zu erhöhen, soweit nicht auch nach der Änderung oder Berichtigung die Mindestbeträge anzusetzen sind. Ein Verlustrücktrag nach § 10d Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes oder ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder Absatz 2 sind hierbei nicht zu berücksichtigen.

(13) Die Absätze 2, 4 Satz 2, Absatz 5 Satz 2 sowie Absatz 8 gelten vorbehaltlich des Satzes 2 nicht für Steuererklärungen, die gegenüber den Hauptzollämtern abzugeben sind. Für die Bemessung des Verspätungszuschlags zu Steuererklärungen zur Luftverkehrsteuer gilt Absatz 8 Satz 2 entsprechend.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Dezember 2014  8 K 8083/12 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Verspätungszuschlages zur Umsatzsteuer 2010 in Höhe von 1.500 € bei geringfügiger Nachzahlung.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Nachdem sie die Umsatzsteuererklärung 2007 mit dreieinhalbmonatiger Verspätung und die Erklärung für 2009 mit 7 Tagen Verspätung eingereicht hatte, forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Umsatzsteuererklärung 2010 vorzeitig zum 30. September 2011 an. Nachdem auch diese Erklärung nicht fristgerecht eingegangen war, erließ das FA am 20. Oktober 2011 einen Schätzungsbescheid, verbunden mit der Festsetzung eines Verspätungszuschlages von 480 €, gegen die die Klägerin Einspruch erhob. Nach Eingang der Steuererklärung am 17. November 2011 setzte das FA den Schätzungsbescheid auf 156.196 € herab, sodass eine Nachzahlung von noch 200,46 € verblieb. Den Verspätungszuschlag minderte es von 480 € auf 100 €.

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Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein mit der Begründung, sie habe die Anforderung der Steuererklärung übersehen und sei nicht an die vorzeitige Abgabe erinnert worden. Mit Schreiben vom 27. Januar 2012 wies das FA darauf hin, dass es beabsichtige, in Bezug auf den Verspätungszuschlag zu verbösern, da auch in den Vorjahren die Steuererklärungen verspätet abgegeben worden seien (2006: 7 Tage, 2007: 3,5 Monate, 2010: 1,5 Monate). Im Hinblick auf die nur geringfügige Nachzahlung von 200,46 € in 2010 halte das FA einen Verspätungszuschlag von 0,967 % der festgesetzten Steuer (= 1.500 €) für ermessensgerecht.

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Nachdem die Klägerin den Einspruch nicht zurückgenommen hatte, erließ das FA am 29. März 2012 eine Einspruchsentscheidung, in der sie den Verspätungszuschlag --wie angekündigt-- auf 1.500 € erhöhte. Die Finanzbehörde habe gemäß § 367 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) die Sache in vollem Umfang neu zu prüfen. Die Klägerin habe den Ablauf der Veranlagungstätigkeit erheblich gestört, weil sie die vorzeitig angeforderte Steuererklärung erst nach Schätzung der Besteuerungsgrundlagen eingereicht habe. Angesichts der Dauer der Überschreitung von 6 Wochen und dem verzögerten Abgabeverhalten in den Vorjahren sowie der geringen Nachzahlung im Verhältnis zur festgesetzten Umsatzsteuer halte es "betragsmäßig als auch prozentual" den Verspätungszuschlag von 1.500 € für angemessen.

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Hiergegen erhob die Klägerin Klage vor dem Finanzgericht (FG) mit der Begründung, das FA dürfe sein Ermessen nur einmal ausüben. Eine Verböserung im Einspruchsverfahren setze voraus, dass sich der zugrunde gelegte Sachverhalt im Verlauf des Einspruchsverfahrens wesentlich geändert habe, woran es fehle. Die Verböserung dokumentiere eine unsachliche Entscheidung zu Lasten eines wegen zahlreicher Streitigkeiten "offenkundig nicht geliebten" Steuerpflichtigen.

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Das FG wies die Klage ab. Das FA habe auch im Hinblick auf die Verböserung ermessensfehlerfrei entschieden. Das FG folge nicht der Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz vom 20. März 1998  3 K 2262/96 (juris), wonach eine Verböserung im Einspruchsverfahren nur bei Änderung der Ermessenskriterien zulässig sei. Angesichts des bisherigen Abgabeverhaltens seien sachfremde Erwägungen wie ein Verstoß gegen das Übermaßverbot nicht zu erkennen. Aus den Ausführungen des FA ergebe sich, dass nach dessen Auffassung der ursprünglich festgesetzte Zuschlag von nur 100 € nicht im angemessenen Verhältnis zur festgesetzten Steuer stehe.

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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Eine Verböserung im Einspruchsverfahren sei bei Ermessensentscheidungen nur bei gravierender Veränderung der Situation, des Verhaltens, der Beträge oder sonstiger Kriterien die zu neuen Ergebnissen führen möglich.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG sowie den Änderungsbescheid über den Verspätungszuschlag aufzuheben und der Klage stattzugeben.

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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Das FA habe auch bei einer Ermessensentscheidung im Einspruchsverfahren die Sache in vollem Umfang zu überprüfen und ggf. eine erneute Ermessensentscheidung zu treffen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA war zwar zur Festsetzung eines Verspätungszuschlages berechtigt und hat auch die Voraussetzungen für eine Verböserung im Rahmen einer Einspruchsentscheidung beachtet. Ein Verspätungszuschlag in der Höhe von 1.500 € bei geringfügiger Abschlusszahlung ist jedoch ermessensfehlerhaft (§ 102 FGO).

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1. Nach § 152 AO kann das FA gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgerecht nachkommt, einen Verspätungszuschlag festsetzen, wenn das Versäumnis nicht entschuldbar erscheint. Die Höhe des Verspätungszuschlages darf 10 % der festgesetzten Steuer und den Betrag von 25.000 € nicht überschreiten. Der Sinn und Zweck des Verspätungszuschlages besteht als Druckmittel eigener Art in einem zugleich repressiven und präventiven (erzieherischen) Charakter (BFH-Urteil vom 18. November 1986 VIII R 183/84, BFH/NV 1987, 416, Rz 16). Es soll die Störung der Veranlagungsarbeit durch den verzögerten oder unterbliebenen Eingang der Steuererklärung sanktioniert werden und der Steuerpflichtige für die Zukunft zur pünktlichen Abgabe der Steuererklärung angehalten werden. Diesem Zweck entsprechend sind bei der Bemessung der Höhe des Verspätungszuschlages neben seinem Zweck, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Erklärungsabgabe zu veranlassen, die Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des sich aus der Steuerfestsetzung ergebenden Zahlungsanspruchs, die aus der verspäteten Abgabe gezogenen Vorteile sowie das Verschulden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Bei der Gewichtung dieser Kriterien handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des FA, die gemäß § 102 FGO gerichtlich lediglich auf Ermessensfehler zu überprüfen ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. März 2007 IX R 9/05, BFH/NV 2007, 1617).

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2. Nach diesen Maßstäben ist die Festsetzung eines Verspätungszuschlages zwar dem Grunde nach --auch im Rahmen einer Verböserung (s. unten 3.)-- gerechtfertigt, weil die Klägerin die Umsatzsteuererklärung 2010 trotz vorzeitiger Anforderung schuldhaft erst mit einer Verspätung von 6 Wochen eingereicht hatte, in ihrer Höhe aber ermessensfehlerhaft (s. unter 4.).

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3. Die Verböserung des zunächst auf nur 100 € festgesetzten Verspätungszuschlages im Einspruchsverfahren ist grundsätzlich zulässig.

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a) Gemäß § 367 Abs. 2 AO hat die Finanzbehörde im Einspruchsverfahren den Verwaltungsakt "in vollem Umfang erneut" zu prüfen. Sie kann den Verwaltungsakt auch zum Nachteil des Einspruchsführers ändern, wenn der Einspruchsführer zuvor auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich zu äußern. Für Einspruchsentscheidungen hinsichtlich einer Ermessensentscheidung gilt nichts anderes: Die Rechtsbehelfsstelle hat eine eigenständige Ermessensentscheidung nach der sich im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bestehenden Sach- und Rechtslage zu treffen (BFH-Beschluss vom 19. November 2007 VIII B 30/07, BFH/NV 2008, 335; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 365 AO Rz 114; a.A. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. März 1998  3 K 2262/96, juris). Dies ergibt sich aus dem unterschiedlichen Prüfungsmaßstab einer Ermessensentscheidung für Gerichte in § 102 FGO (eingeschränkte Prüfung nur auf Ermessensfehler) und der Rechtsbehelfsstelle des FA im Einspruchsverfahren nach § 367 Abs. 2 AO (Überprüfung "im vollen Umfang").

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b) Der Kläger beruft sich zu Unrecht auf den BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 335, der im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde zur Ablehnung einer Divergenz zu den Rechtsausführungen der Vorinstanz ausgeführt hat, dass im dortigen Streitfall nach der erstmaligen Festsetzung des Verspätungszuschlages in der weiterhin nicht erfolgten Abgabe der Steuererklärung eine Intensivierung des Verspätungszeitraums gelegen habe, die auch nach den Maßstäben der Vorinstanz zu einer Änderung der Sachlage führen würde. Die Rechtsauffassung des BFH, wonach auch bei Ermessensentscheidungen eine Prüfung in vollem Umfang erfolgen muss, ergibt sich aus Leitsatz 1 der Entscheidung.

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c) Entgegen der Darstellung der Klägerin hat das FA auch die weitere Voraussetzung erfüllt, wonach gemäß § 367 Abs. 2 AO der Rechtsbehelfsführer vor der Verböserung unter Angabe von Gründen hierauf hingewiesen wurde. Wie das FG zutreffend ausführt, hat das FA in seinem Hinweis im Schreiben vom 27. Januar 2012 die Verböserung des Verspätungszuschlages von 100 € damit begründet, dass das FA nunmehr auch die Verspätungen in den Vorjahren mit einbezogen habe. Eine mehrfache Verspätung in den Vorjahren kann auch dann zu Lasten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, wenn in den Vorjahren noch kein Verspätungszuschlag festgesetzt worden sein sollte (BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1617).

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4. Das FG hat jedoch nicht berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des BFH neben der Anzahl und Dauer der Verspätung der Höhe der Abschlusszahlung ein erhebliches Gewicht beizumessen ist. Nach den BFH-Urteilen vom 15. März 2007 VI R 29/05 (BFH/NV 2007, 1076) und vom 8. Dezember 1988 V R 169/83 (BFHE 155, 46, BStBl II 1989, 231) stellt die Höhe der Abschlusszahlung die Richtschnur für die Bemessung der Höhe des Zuschlages dar. Zwar kann ein Verspätungszuschlag aus erzieherischen Gründen auch dann festgesetzt werden, wenn die geschuldete Steuer --wie im Streitfall-- aufgrund der Voranmeldungen fast oder insgesamt bereits gezahlt worden war (hier 200,46 € Nachzahlung von im Verhältnis zur Steuer von 156.196 €). In diesen Fällen ist unter den Gesichtspunkten der Vorteilsziehung und des Verschuldens nachvollziehbar abzuwägen, welches Gewicht der verspäteten Abgabe der Steuererklärung noch zukommt, nachdem die geschuldete Steuer fast vollständig entrichtet worden ist. Zuschläge, die den Charakter steuerlicher Sanktionen haben, dürfen nicht außer Verhältnis zur Schwere des Verstoßes des Steuerpflichtigen gegen seine Pflichten stehen (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union Salomie und Oltean vom 9. Juli 2015 C-183/14, EU:C:2015:454, Rz 51). Demgemäß kann nach der Rechtsprechung des Senats ein die Abschlusszahlung übersteigender Verspätungszuschlag nur bei besonderer Schwere der Umstände des Einzelfalls festgesetzt werden (BFH-Beschluss vom 14. April 2011 V B 100/10, BFH/NV 2011, 1288).

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5. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird in einem erneuten Verfahren unter Berücksichtigung dieser Ermessensrichtlinien erneut über die Höhe des Verspätungszuschlages entscheiden und hierbei dem FA gemäß § 102 Satz 2 FGO Gelegenheit geben, ggf. seine Ermessenserwägungen zu ergänzen.

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6. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.