Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 01. Juni 2018 - 1 Bs 126/17

bei uns veröffentlicht am01.06.2018

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.

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Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

2

Der ... geborene Antragsteller ist burkinischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben „ungefähr am 29.9.2015“ aus Italien kommend in das Bundesgebiet ein. Dabei war er im Besitz einer italienischen Aufenthaltserlaubnis („Permesso di soggiorno“) und eines italienischen Reiseausweises für Ausländer („Titolo di viaggio per stranieri“), die beide bis zum 8. Juli 2017 gültig waren.

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Am 16. Dezember 2015 schloss der Antragsteller in Dänemark die Ehe mit dem deutschen Staatsangehörigen .... Nach seiner erneuten Einreise in das Bundesgebiet beantragte er am 21. Dezember 2015 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

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Mit Bescheid vom 25. August 2016 lehnte die Antragsgegnerin durch das Einwohnerzentralamt den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und die Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ab. Den dagegen am 15. September 2016 erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2016 zurück.

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Am 12. Januar 2017 hat der Antragsteller dagegen Klage (5 K 345/17) erhoben und Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt.

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Mit Beschluss vom 18. Mai 2017, der Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 29. Mai 2017, hat das Verwaltungsgericht Hamburg den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt: Der Antrag sei nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO statthaft. Der Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet habe nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG aufgrund seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als erlaubt gegolten. Der Antragsteller habe sich im Zeitpunkt der Antragstellung auf der Grundlage des Art. 21 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens wegen seines italienischen Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. In der Sache habe der Antrag keinen Erfolg. Der Antragsteller erfülle zwar die besonderen Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 27 Abs. 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 AufenthG. Ihm könne der Titel jedoch gemäß § 5 Abs. 2 AufenthG nicht ohne Durchführung des Visumverfahrens erteilt werden. Die Voraussetzungen des § 39 Nr. 6 AufenthV zur Einholung des Aufenthaltstitels ohne die Durchführung eines Visumverfahrens seien mangels Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht erfüllt. Hierzu müssten alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erfüllt sein und der Behörde kein Ermessen mehr zustehen. Im vorliegenden Fall reichten jedoch die Angaben und Belege des Antragstellers nicht aus, um von einer Sicherung seines Lebensunterhalts im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auszugehen. Auch die Voraussetzungen für ein Absehen vom Erfordernis der Durchführung des Visumverfahrens gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG lägen nicht vor. Insbesondere sei die Durchführung des Visumverfahrens auch unter Berücksichtigung der zu erwartenden verfahrensbedingten vorübergehenden Trennung von seinem Lebenspartner zumutbar.

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Dagegen hat der Antragsteller am 12. Juni 2017 Beschwerde eingelegt. Außerdem hat er die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt.

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Ebenfalls am 12. Juni 2017 hatte der Antragsteller noch vor Erhebung der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einen Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO auf Abänderung des Beschlusses vom 18. Mai 2017 gestellt (5 E 6175/17). Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 16. Oktober 2017 ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist ebenfalls beim Oberverwaltungsgericht anhängig (1 Bs 260/17).

II.

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Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg.

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1. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass der Antragsteller kurz vor ihrer Erhebung am 12. Juni 2017 beim Verwaltungsgericht auch einen Antrag gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO auf Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 18. Mai 2017 gestellt hat. Der Abänderungsantrag begründet weder eine anderweitige Rechtshängigkeit im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG noch nimmt er der Beschwerde das Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Beschwerde hat nicht denselben Streitgegenstand wie das Abänderungsverfahren: Sie unterliegt nicht den Beschränkungen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO (veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände) und mit ihr können – wenn auch grundsätzlich nur innerhalb der Beschwerde- und Begründungsfrist nach §§ 147 Abs. 1, 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO – neben diesen Umständen alle Rechtsanwendungsfehler des Gerichts geltend gemacht werden, aufgrund deren der Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO im Ergebnis falsch sein soll (vgl. auch OVG Hamburg, Beschl. v. 23.7.2014, 2 Bs 111/14, juris Rn. 19). Deshalb kommt lediglich umgekehrt die Unzulässigkeit des parallel gestellten Abänderungsantrags in Betracht, über die im vorliegenden Verfahren jedoch nicht zu entscheiden ist (vgl. hierzu den Beschluss des Senats vom heutigen Tage in dem gegen die Ablehnung des Antrags nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO gerichteten Beschwerdeverfahren 1 Bs 260/17).

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2. In der Sache hat der Antragsteller mit den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht zunächst grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), die tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung erfolgreich in Zweifel gezogen (unten 2.1.). Die hiernach zulässige vollständige Überprüfung der Sach- und Rechtslage durch das Beschwerdegericht führt indes zu keiner Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Ergebnis zu Recht abgelehnt (unten 2.2.).

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2.1. Der Antragsteller trägt mit der Beschwerde vor, das Einwohnerzentralamt sei sachlich unzuständig gewesen. Grundsätzlich seien die Bezirksämter nach Teil I Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 der Anordnung über Zuständigkeiten im Ausländer- und Asylverfahrensrecht vom 17. Dezember 2004 (Amtl. Anz. 2004, S. 2621 mit nachf. Änd., im Folgenden: Zuständigkeitsanordnung) für die Durchführung des Aufenthaltsgesetzes und der Aufenthaltsverordnung zuständig. Ein Fall des Teils II der Zuständigkeitsanordnung, wonach die Behörde für Inneres und Sport zuständig wäre, liege hier nicht vor. Zwar sei die Behörde für Inneres und Sport nach Teil II Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 Buchst. b) Zuständigkeitsanordnung zuständig für die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 27 bis 30 AufenthG an Ausländer, deren Abschiebung nach § 60a AufenthG vorübergehend ausgesetzt sei. Der Antragsteller habe im Zeitpunkt der Entscheidung auch formal eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung nach § 60a AufenthG besessen. Er sei aber tatsächlich nicht vollziehbar ausreisepflichtig gewesen, weil sein Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis die Fiktionswirkung gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 oder Abs. 4 AufenthG ausgelöst habe. Auch das Verwaltungsgericht sei von einer rechtmäßigen Einreise und einem für die folgenden drei Monate rechtmäßigen Aufenthalt des Antragstellers ausgegangen. Die Antragsgegnerin habe die Zuständigkeit der Behörde für Inneres und Sport insoweit unter unzutreffender Beurteilung der Sach- und Rechtslage angenommen. Eine anderweitige Zuweisung der Zuständigkeit an die Behörde für Inneres und Sport sei nicht ersichtlich.

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Damit zieht der Antragsteller die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zumindest ernsthaft in Zweifel. Das Verwaltungsgericht ist in seiner Entscheidung davon ausgegangen, der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ausgelöst, weil der Antragsteller sich zu diesem Zeitpunkt aufgrund seines italienischen Aufenthaltstitels gemäß Art. 21 Abs. 1 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. 2000 Nr. L 239 S. 19, Schengener Durchführungsübereinkommen – SDÜ) in seiner gemäß Art. 2 der VO (EU) 610/2013 geänderten Fassung (ABl. L 182 S. 1) rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. In seiner weiteren Begründung setzt sich das Verwaltungsgericht nicht mit dem Bestehen der sachlichen Zuständigkeit des Einwohnerzentralamts auseinander. Diese Frage ist jedoch jedenfalls problematisch, wenn der Ausländer – wovon das Verwaltungsgericht ausgegangen ist – nicht vollziehbar ausreisepflichtig ist. Teil II Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 Buchst. b) Zuständigkeitsanordnung setzt voraus, dass die Abschiebung des Ausländers nach § 60a AufenthG vorübergehend ausgesetzt ist. Es ist zumindest begründungsbedürftig, die sachliche Zuständigkeit der Behörde für Inneres und Sport nach dieser Vorschrift auch dann anzunehmen, wenn die Ausländerbehörde zu Unrecht von der vollziehbaren Ausreisepflicht des Ausländers ausgeht und ihm aufgrund dieser Annahme (formal) die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung bescheinigt.

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2.2. Der damit durch das Beschwerdegericht vollständig zu prüfende Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

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a) Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist der Antrag nicht als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO statthaft. Denn der Antragsteller wurde nicht erst durch die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 25. August 2016 gemäß §§ 58 Abs. 2 Satz 2, 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig. Er hielt sich im Zeitpunkt der Antragstellung am 21. Dezember 2015 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, so dass sein Aufenthalt nicht gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG aufgrund der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt galt. Der Antragsteller war bei seiner Einreise nicht im Besitz des erforderlichen Aufenthaltstitels im Sinne von §§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist für längerfristige Aufenthalte ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Der Antragsteller, der nach der Eheschließung im Dezember 2015 in Dänemark in der Absicht in das Bundesgebiet einreiste, mit seinem Ehepartner dauerhaft im Bundesgebiet zusammen zu leben, war nicht im Besitz eines zu diesem Aufenthaltszweck berechtigenden Visums.

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Die Rechtmäßigkeit der Einreise und des Aufenthalts des Antragstellers folgte auch nicht wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts aus Art. 21 Abs. 1 SDÜ. Danach können Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a), c) und e) der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (ABl. L 105 S. 1) in der durch Art. 1 der Verordnung (EU) 610/2013 geänderten Fassung (ABl. L 182 S. 1, Schengener Grenzkodex – SGK a. F.) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen. Der Antragsteller war bei seiner Einreise aus Dänemark im Dezember 2015 zwar im Besitz eines gültigen italienischen Aufenthaltstitels und eines italienischen Reiseausweises für Ausländer. Jedoch gilt zum einen die Privilegierung des Art. 21 Abs. 1 SDÜ von vornherein nicht, wenn der Ausländer bereits mit der Absicht eines Daueraufenthalts in das Bundesgebiet einreist (unten aa). Zum anderen erfüllte der Antragsteller bei seiner Einreise auch nicht die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 SDÜ i. V. m. Art. 5 Abs. 1 Buchst. c) SGK a. F. (unten bb).

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aa) Einreise und Aufenthalt ohne nationales Visum sind nicht gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ rechtmäßig, wenn der Drittstaatsangehörige bereits in der Absicht einreist, sich dauerhaft und nicht nur für maximal 90 Tage in einem Zeitraum von 180 Tagen im Bundesgebiet aufzuhalten (ebenso VGH Kassel, Beschl. v. 4.6.2014, 3 B 785/14, InfAuslR 2014, 435, juris Rn. 7; VGH München, Beschl. v. 14.2.2018, 10 CS 18.350, 10 C 1810 C 18.351, juris Rn. 26; VG Stuttgart, Beschl. v. 7.5.2014, 5 K 4470/13, juris Rn. 6 f.; ebenso für die Einreise eines von der Visumspflicht befreiten Ausländers nach Art. 20 SDÜ: OVG Hamburg, Beschl. v. 23.9.2013, 3 Bs 131/13, NVwZ-RR 2014, 490, juris; OVG Magdeburg, Beschl. v. 7.10.2014, 2 L 152/13, juris Rn. 7; VGH Mannheim, Beschl. v. 14.9.2011, 11 S 2438/11, InfAuslR 2011, 443, juris Rn. 8; OVG Münster, Beschl. v. 11.11.2015, 18 B 387/15, NVwZ-RR 2016, 354, juris Rn. 3; zum Streitstand bei sog. „Positivstaatern“ Hailbronner, AuslR, Stand: Januar 2018, § 14 Rn. 17 m. w. N.; anders noch zu Art. 21 Abs. 1 SDÜ OVG Hamburg, Beschl. v. 9.1.2014, 1 Bs 320/13 und 1 So 137/13; anders auch VG Karlsruhe, Urt. v. 6.3.2018, 1 K 2902/16, juris Rn. 44 ff.; VG Freiburg, Urt. v. 13.5.2016, 4 K 1497/15, juris Rn. 54).

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Dies ergibt sich systematisch aus dem Verweis von Art. 21 Abs. 1 SDÜ auf Art. 5 Abs. 1 SGK a. F., der bereits im Einleitungssatz von einem „geplanten“ Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen spricht. Ebenso bezieht sich Art. 5 Abs. 1 Buchst. c) SGK a. F. ausdrücklich auf einen „beabsichtigten“ Aufenthalt, dessen Zweck und Umstände belegt und für dessen Dauer ebenso wie für die Rückreise ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts vorliegen müssen. Nach Art. 5 Abs. 2 SGK a. F. enthält zudem der Anhang I eine nicht abschließende Liste von Belegen, die sich der Grenzschutzbeamte von dem Drittstaatsangehörigen vorlegen lassen kann, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Buchst. c) erfüllt sind. Zu diesen Belegen gehören bei touristischen oder privaten Reisen etwa Belege betreffend den Reiseverlauf und die Rückreise (Anhang I, Buchst. c) ii) und iii)). Art. 5 Abs. 3 Satz 1 SGK a. F. sieht zudem eine Berechnung des notwendigen Lebensunterhalts anhand der Dauer des Aufenthalts, insbesondere der „Zahl der Aufenthaltstage“ vor. Diese Regelungen ergeben nur Sinn, wenn sie sich auf einen von vornherein als solchen beabsichtigten Aufenthalt von begrenzter Dauer beziehen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 23.9.2013, 3 Bs 131/13, juris Rn. 8).

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Auch Sinn und Zweck der durch Art. 21 Abs. 1 SDÜ gewährten Privilegierung von Drittausländern, die Inhaber eines mitgliedstaatlichen Aufenthaltstitels sind, gebieten ihre Beschränkung auf Fälle, in denen die Einreise nicht von vornherein zum Zweck des Daueraufenthalts erfolgt. Art. 21 Abs. 1 SDÜ dispensiert lediglich für Kurzaufenthalte vom Erfordernis des Visumverfahrens; bei derartigen Aufenthalten ist das Interesse der Mitgliedstaaten an einer präventiven Einreisekontrolle nicht in dem Maße betroffen wie bei einem längerfristigen Aufenthalt im Sinne von § 6 Abs. 3 AufenthG. Beabsichtigt der Ausländer indes bereits bei der Einreise einen Daueraufenthalt, so ist das Interesse des Mitgliedstaates, mit dem Instrument des Visumverfahrens die Zuwanderung in sein Gebiet wirksam zu steuern und zu begrenzen, bereits zum Zeitpunkt der Einreise und nicht erst nach Ablauf eines Aufenthalts von 90 Tagen berührt. Denn das nationale Visumverfahren kann seine Kontrollfunktion nur erfüllen, wenn es vor der Einreise des Ausländers durchgeführt wird.

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Diesem Verständnis der Reichweite des Art. 21 Abs. 1 SDÜ steht nicht § 39 Nr. 6 AufenthV entgegen. Zwar ermöglicht diese Vorschrift einem Drittstaatsangehörigen, aus einem durch Art. 21 Abs. 1 SDÜ gewährten "Besuchsaufenthalt" heraus einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu stellen. Dies impliziert, dass es Fälle geben kann, in denen nach der Einreise die Erlaubnis auch für einen längerfristigen Aufenthalt erstrebt werden darf (vgl. insoweit auch OVG Hamburg, Beschl. v. 9.1.2014, 1 Bs 320/13 und 1 So 137/13). Daraus folgt jedoch nicht, dass Art. 21 Abs. 1 SDÜ auch dann eine rechtmäßige Einreise und einen rechtmäßigen Aufenthalt ermöglicht, wenn der längerfristige Aufenthalt bereits bei der Einreise beabsichtigt war. Zum einen kann die Reichweite einer nationalen Vorschrift wie § 39 Nr. 6 AufenthV schon im Ansatz nicht den Anwendungsbereich einer Vorschrift des SDÜ, das zum unionsrechtlichen Schengen-Besitzstand zählt, bestimmen. Zum anderen verbleibt für die Regelung des § 39 Nr. 6 AufenthV auch dann ein hinreichender Anwendungsbereich, wenn der Aufenthalt bei von vornherein beabsichtigtem Daueraufenthalt nicht aufgrund des Art. 21 Abs. 1 SDÜ „berechtigt“ im Sinne von § 39 Nr. 6 AufenthV ist. Dieser erfasst insbesondere die Fälle eines nachträglichen Wechsels des Aufenthaltszwecks (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.1.2011, 1 C 23/09, BVerwGE 138, 353 ff., juris Rn. 20 a. E.).

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Auch die nationalen Regelungen in § 15 AufenthG über die Zurückweisung an der Grenze gebieten kein anderes Ergebnis. Der dritte Senat des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts hat hierzu in seinem Beschluss vom 23. September 2013 (3 Bs 131/13, juris Rn. 12 ff.) im Zusammenhang mit der Einreise gemäß Art. 20 Abs. 1 SDÜ ausgeführt:

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„Soweit in § 15 Abs. 1 AufenthG die zwingende Zurückweisung eines Ausländers vorgesehen ist, der unerlaubt einreisen will, und in § 15 Abs. 2 AufenthG mehrere lediglich fakultative Zurückweisungsgründe normiert sind, die teilweise Berührungspunkte zur unerlaubten Einreise aufweisen, ändert dies nichts an der unerlaubten Einreise von Drittstaatsangehörigen, die deshalb missbräuchlich die Visaerleichterung nach der EG-Visa-VO in Anspruch nehmen, weil sie bei der Einreise einen nicht bloß kurzfristigen Aufenthalt beabsichtigen.

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Soweit nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG der Ausländer an der Grenze zurückgewiesen werden kann, wenn der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient, hat diese Bestimmung gegenüber der in § 15 Abs. 1 AufenthG geregelten zwingenden Zurückweisung bei gewollter unerlaubter Einreise einen eigenen Anwendungsbereich, wenn der beabsichtigte zweckwidrige Aufenthalt nicht feststeht, sondern hierfür lediglich begründete Verdachtsmomente vorliegen [...].

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Soweit nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 a AufenthG der Ausländer an der Grenze zurückgewiesen werden kann, wenn er nur über ein Schengen-Visum verfügt oder für einen kurzfristigen Aufenthalt von der Visumpflicht befreit ist und beabsichtigt, entgegen § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eine Erwerbstätigkeit auszuüben, sollte diese mit dem Richtlinien-Umsetzungsgesetz 2007 eingeführte Bestimmung nach der Begründung des betreffenden Gesetzentwurfs im Hinblick auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 27.4.2005, BGHSt 50, 105) „klarstellen“, dass ein Ausländer auch unter den genannten Voraussetzungen zurückgewiesen werden kann (BT-Drs. 16/5065 vom 23.4.2007, S. 164). Die Regelung betrifft aber ohnehin nicht die hier interessierenden Fälle, in denen sich die Missbräuchlichkeit der Inanspruchnahme der Visaerleichterungen nach EG-Visa-VO gerade aus der von vornherein bestehenden Absicht eines Daueraufenthalts ergibt.

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Soweit nach § 15 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG der Ausländer an der Grenze zurückgewiesen werden kann, wenn er die Voraussetzungen für eine Einreise in das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten nach Art. 5 des Schengener Grenzkodexes nicht erfüllt, hat diese Vorschrift jedenfalls in den Fällen, in denen der Drittstaatsangehörige erkennbar über den tatsächlichen Einreisezweck des Daueraufenthalts zu täuschen versucht, keine eigenständige Bedeutung, da dann die Einreise ohnehin zwingend nach der anwendungsvorrangigen Regelung in Art. 13 Abs. 1 des Schengener Grenzkodexes zu verweigern ist [...].“

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Diesen auch auf die Bestimmung der Reichweite der Einreisemöglichkeit nach Art. 21 Abs. 1 SDÜ zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat im vorliegenden Fall an.

27

Die hier angenommene Beschränkung des Anwendungsbereichs von Art. 21 Abs. 1 SDÜ widerspricht zuletzt auch nicht der Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, ein Ausländer mit einem Schengen-Visum für einen Kurzaufenthalt im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG reise nicht unerlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in das Bundesgebiet ein, auch wenn er schon im Zeitpunkt der Einreise einen längerfristigen Aufenthalt anstrebte (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.1.2011, 1 C 23/09, BVerwGE 138, 353 ff., juris Rn. 20). Denn in diesem Fall existiert mit dem Schengen-Visum eine wirksame verwaltungsbehördliche Erlaubnis zur Einreise, von der bis zu ihrer Aufhebung Tatbestandswirkung ausgeht (vgl. auch BGH, Urt. v. 27.4.2005, 2 StR 457/04, BGHSt 50, 105 ff., juris Rn. 23 im Kontext der strafrechtlichen Beurteilung der Einreise und des Aufenthalts). Eine solche Erlaubnis fehlt bei der hier zu beurteilenden visumfreien Einreise unter Inanspruchnahme der Privilegierung des Art. 21 Abs. 1 SDÜ gerade (die Strafbarkeit der Einreise in derartigen Fällen deshalb bejahend LG Hof, Urt. v. 20.4.2017, 5 KLs 354 Js 1442/16, juris Rn. 77 f., 82 ff.; nachgehend BGH, Beschl. v. 25.10.2017, 1 StR 426/17, juris).

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bb) Der Antragsteller erfüllte bei seiner Einreise außerdem die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 SDÜ i. V. m. Art. 5 Abs. 1 Buchst. c) Alt. 2 SGK a. F. nicht. Danach gilt für den Aufenthalt die Einreisevoraussetzung, dass der Drittstaatsangehörige über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein muss, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben. Nach Art. 5 Abs. 3 SGK a. F. werden die Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts nach der Dauer und dem Zweck des Aufenthalts und unter Zugrundelegung der Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung in dem/den betreffenden Mitgliedstaat(en) nach Maßgabe eines mittleren Preisniveaus für preisgünstige Unterkünfte bewertet, die um die Zahl der Aufenthaltstage multipliziert werden. Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission entsprechende festgesetzte Richtbeträge. Die Feststellung ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts kann anhand von Bargeld, Reiseschecks und Kreditkarten erfolgen, die sich im Besitz des Drittstaatsangehörigen befinden. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Kommission hierzu mitgeteilt (vgl. ABl. C 247 vom 13.10.2006, S. 21), dass insoweit keine verbindlichen Tagessätze bestünden. Es seien die jeweiligen persönlichen Umstände wie Art und Zweck der Reise, Dauer des Aufenthalts, etwaige Unterbringung bei Angehörigen oder Freunden sowie Kosten für Verpflegung zu berücksichtigen. Könne der Drittstaatsangehörige für diese Umstände keine Belege vorweisen oder zumindest glaubhafte Angaben machen, so müssten für jeden Tag 45 Euro zu seiner Verfügung stehen. Außerdem müsse sichergestellt sein, dass die Rückreise bzw. Weiterreise des Drittstaatsangehörigen möglich sei. Der Nachweis könne zum Beispiel durch Vorlage eines Weiter- oder Rückreisetickets erfolgen.

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Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass er im Zeitpunkt der Einreise aus Dänemark im Dezember 2015 über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts in diesem Sinne verfügte. Seine eigenen Angaben in der Anhörung durch die Antragsgegnerin am 15. März 2016 legen den Schluss nahe, dass er selbst über keine ausreichenden derartigen Mittel verfügte. Auf die Frage, ob er Geld von zu Hause oder anderes Vermögen mitgebracht habe, antwortete er, kein Vermögen dabei zu haben. Er habe nur von einem Freund Geld für die Reise bekommen. Er habe mit seinem Lebenspartner und Freunden den Lebensunterhalt gesichert. Auf Nachfrage, ob er bei der Einreise mittellos gewesen sei, antwortete er, Geld für den Transport bekommen zu haben, von dem ca. 50 oder 60 Euro übrig geblieben seien. Auf die Frage, wie er beabsichtige, seinen Lebensunterhalt in Deutschland sicherzustellen, antwortete er, es hänge von seinem Ehemann ab, er sei ja jetzt verheiratet. Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass sein Lebensunterhalt im Zeitpunkt seiner Einreise durch seinen Lebenspartner ausreichend gesichert war. Er hat zu den Einkommensverhältnissen seines Lebenspartners im Dezember 2015 überhaupt keine Angaben gemacht. Im Schriftsatz vom 17. August 2017 im Verfahren 5 E 6175/17 (1 Bs 260/17) finden sich lediglich Angaben zu dem durch den Lebenspartner erzielten Einkommen im Jahr 2016. Dieses setze sich „zusammen aus verschiedenen Einkommensquellen“ und eine Aufstellung sei „deshalb nicht ohne weiteres beizubringen“. Der Lebenspartner habe als Student BAföG-Leistungen erhalten, sei nebenbei in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen abhängig beschäftigt und habe zudem Nebeneinkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Die Höhe der BAföG-Leistungen habe 649 € monatlich betragen. Außerdem habe er durchschnittlich ca. 400 € monatlich aus abhängigen Beschäftigungsverhältnissen hinzu verdient und im gesamten Jahr einen Gewinn von 635 € aus selbständiger Tätigkeit erzielt. Diese Angaben für das Jahr 2016 beziehen sich jedoch zum einen nicht auf die Verhältnisse im Dezember 2015 bzw. auf den Zeitraum eines sich daran anknüpfenden Kurzaufenthalts. Der vorgelegte Arbeitsvertrag für Hilfskräfte mit der Jugendhilfe e. V. galt erst ab dem 26. September 2016. Zum anderen ist das behauptete Einkommen – mit Ausnahme der BAföG-Leistungen, die für eine Sicherung des gemeinsamen Lebensunterhalts nicht ausreichten – hinsichtlich der genauen Höhe der tatsächlich ausgezahlten Mittel unsubstantiiert und ohne jeglichen Nachweis geblieben. In einem solchen Fall, in dem die tatsächlichen Einkommensverhältnisse trotz der aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. c), Abs. 3 SGK a. F. folgenden Nachweispflicht ohne jeden Beleg bleiben, genügt allein das bloße Indiz, dass keine öffentlichen Leistungen beantragt werden (vgl. hierzu OVG Hamburg, Beschl. v. 9.1.2014, 1 Bs 320/13 und 1 So 137/13), für die Annahme der Sicherung des Lebensunterhalts nicht. Da der Antragsteller bei seiner Einreise auch nicht über eine Beschäftigungserlaubnis verfügte, war er auch nicht in der Lage, die Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. c), 2. Alt. SGK a. F. rechtmäßig zu erwerben.

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b) Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist allerdings als Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) zu verpflichten, einstweilen aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den Antragsteller zu unterlassen, statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil der Antragsteller das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

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Ein Anspruch darauf, von der Antragsgegnerin einstweilen zur Sicherung eines möglichen Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geduldet zu werden, ist nicht ersichtlich. Denn dem Antragsteller ist aller Voraussicht nach keine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (unten aa und bb). Auch die Voraussetzungen eines originären Duldungsanspruchs nach § 60a Abs. 2 AufenthG sind nicht glaubhaft gemacht worden (unten cc).

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aa) Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 27 Abs. 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zur Wahrung der Lebensgemeinschaft mit seinem Lebenspartner.

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Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die sachliche Zuständigkeit der Behörde für Inneres und Sport zur Entscheidung über die Erteilung dieses Aufenthaltstitels nach Teil II Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 Buchst. b) Zuständigkeitsanordnung nach dem Obenstehenden nicht mehr zweifelhaft ist. Die Antragsgegnerin hatte die Abschiebung des Antragstellers nach § 60a AufenthG vorübergehend ausgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt galt der Aufenthalt des Antragstellers entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts auch nicht gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG als erlaubt (s. o. 2.2.a).

34

Im Übrigen sind unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 27 Abs. 2 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG jedenfalls die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen der Passpflichterfüllung (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG) und der Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 AufenthG) nicht erfüllt.

35

(1) Nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass die Passpflicht nach § 3 AufenthG erfüllt wird. Nach § 3 Abs. 1 AufenthG dürfen Ausländer nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Der Antragsteller ist derzeit nicht im Besitz eines anerkannten und gültigen Passes. Bei der am 5. Mai 2017 von der burkinischen Botschaft in Berlin ausgestellten „Carte d’identité consulaire“ handelt es sich nicht um einen anerkannten Pass. Die Anerkennung eines Passes ist ein souveräner Akt des anerkennenden Staates (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8.3.2013, OVG 7 N 91.13, juris Rn. 12; Urt. v. 17.3.2016, OVG 7 B 24.15, juris Rn. 31; Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 3 AufenthG Rn. 8). Die Zuständigkeit für die Anerkennung liegt gemäß § 71 Abs. 6 AufenthG beim Bundesministerium des Innern oder der von ihm bestimmten Stelle. Nach der auf dieser Grundlage erlassenen Allgemeinverfügung über die Anerkennung eines ausländischen Passes oder Passersatz des Bundesministeriums des Innern vom 6. April 2016 (BAnz. AT 25.4.2016 B 1, S. 1) gehört die von dem Antragsteller vorgelegte „Carte d’identité consulaire“ nicht zu den anerkannten Pässen und Passersatzpapieren aus Burkina Faso (vgl. Ziffer I. Nr. 2 i. V. m. Anlage 1, Rubrik „Burkina Faso“ der Allgemeinverfügung). Der Antragsteller ist auch nicht im Besitz eines anerkannten und gültigen Passersatzes im Sinne von § 3 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 3 AufenthV. Sein italienischer Reiseausweis für Ausländer („Titolo di viaggio per stranieri“) ist am 8. Juli 2017 abgelaufen; maßgeblich ist insoweit auf die aktuelle Sach- und Rechtslage abzustellen.

36

Es liegen auch keine Gründe vor, aufgrund deren von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG abzusehen wäre. Dies ist nur geboten, wenn ein atypischer Sachverhalt gegeben ist, der sich von der Menge gleich liegender Fälle durch besondere Umstände unterscheidet, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht des der Regelerteilungsvoraussetzung zugrunde liegenden öffentlichen Interesses beseitigen. Derartige Umstände hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Grundsätzlich ist er gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG verpflichtet, an der Beschaffung eines Passes oder Passersatzes mitzuwirken. Die ihm zumutbaren Initiativ- und Mitwirkungshandlungen zur Erlangung eines Passes richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Ihm ist insbesondere zumutbar, derart rechtzeitig vor Ablauf der Gültigkeit eines Passes oder Passersatzes bei den zuständigen Behörden im In- und Ausland die erforderlichen Anträge für die Neuerteilung oder Verlängerung zu stellen, dass mit der Neuerteilung oder Verlängerung innerhalb der Gültigkeitsdauer des bisherigen Passes oder Passersatzes gerechnet werden kann (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthV). Umstände, die einen Ausnahmefall begründen, sind vom Ausländer darzulegen und nachzuweisen (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 8.2.2018, 13 LB 45/17, juris Rn. 41). Dies hat der Antragsteller nicht getan. Er hat lediglich eine Bescheinigung der Konsularabteilung der burkinischen Botschaft in Berlin vom 25. Juli 2017 vorgelegt, in der bestätigt wird, dass die Botschaft seinen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses erhalten und diesen am 14. Juli 2017 zur Bearbeitung an die zuständigen Behörden in Burkina Faso weitergeleitet hat. Daraus folgt nicht, dass er alle zumutbaren Anstrengungen zur rechtzeitigen Erlangung eines Passes unternommen hat. Der Antragsteller hat den Antrag bei der burkinischen Botschaft bereits nicht mit dem gebotenen Vorlauf, sondern in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Ablauf der Gültigkeit seines italienischen Reisedokuments gestellt. Er hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass er mit der Antragstellung alle zumutbaren Mitwirkungshandlungen vorgenommen hat und die lange Bearbeitungszeit seines Antrags von ihm nicht zu vertreten ist. Aus der Bescheinigung vom 25. Juli 2017 ergibt sich nicht, dass die von ihm bei der Antragstellung beigebrachten Angaben und Unterlagen vollständig und für die Ausstellung des Passes ausreichend waren. Es wäre dem Antragsteller außerdem zumutbar gewesen, sich in den seit Antragstellung verstrichenen fast elf Monaten bei der burkinischen Botschaft nach dem Sachstand und den Gründen für die Verzögerung der Ausstellung zu erkundigen.

37

(2) Der Antragsteller ist außerdem nicht gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit dem erforderlichen Visum eingereist. Für den zur Herstellung der Lebensgemeinschaft mit seinem Lebenspartner beabsichtigten längerfristigen Aufenthalt war gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG die Erteilung eines nationalen Visums vor der Einreise erforderlich, über das der Antragsteller bei der Einreise nicht verfügte.

38

Der Antragsteller kann den Aufenthaltstitel auch nicht ausnahmsweise gemäß § 39 Nr. 6 AufenthV im Bundesgebiet einholen. Dies würde voraussetzen, dass er einen von einem anderen Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel besitzt und aufgrund dieses Aufenthaltstitels berechtigt ist, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sind. Nach dem Obenstehenden verfügte der Antragsteller zwar bei der Einreise und Antragstellung über einen gültigen italienischen Aufenthaltstitel, war jedoch wegen des beabsichtigten Daueraufenthalts nicht gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ aufgrund dieses Aufenthaltstitels berechtigt, sich im Bundesgebiet aufzuhalten.

39

Von dem Erfordernis der Einreise mit dem erforderlichen Visum ist auch nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abzusehen. Danach kann von dem Visumserfordernis abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Die Voraussetzungen eines Anspruchs, der auch in diesem Kontext als strikter Rechtsanspruch zu verstehen ist, liegen wie ausgeführt wegen der fehlenden Passpflichterfüllung nicht vor. Es ist auch nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller die Nachholung des Visumverfahrens aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls unzumutbar wäre. Eine solche Unzumutbarkeit folgt insbesondere nicht aus einer mit der Nachholung des Visumverfahrens verbundenen Beeinträchtigung der durch Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit seinem Lebenspartner, wobei offen bleiben kann, ob der Antragsteller glaubhaft gemacht hat, dass die Lebenspartnerschaft noch fortbesteht, obwohl er mit Frau... eine Beziehung eingegangen ist, aus der ein gemeinsames Kind hervorgegangen ist. Dies gilt selbst für den Fall, dass er das Visumverfahren wegen des Ablaufs der Gültigkeit seiner italienischen Papiere in Burkina Faso nachholen müsste. Nach den auf der Webseite der deutschen Botschaft in Ouagadougou abrufbaren Informationen beträgt die Regelbearbeitungsdauer für einen Antrag auf Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung nach Eheschließung zwischen acht und zwölf Wochen (https://ouagadougou.diplo.de/blob/1909720/81bb1603a068bcf2f4435be1a5016c16/visa-mariage-03-2018-data.pdf). Die damit voraussichtlich mehrmonatige Trennung des Antragstellers von seinem erwachsenen Lebenspartner wäre angesichts der Möglichkeit, fernmündlich oder über das Internet Kontakt zu halten, und unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an der Wahrung der Kontroll- und Steuerungsfunktion des Visumverfahrens zumutbar.

40

Soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom 31. Mai 2018 nunmehr außerdem vorträgt, Vater eines schwer erkrankten deutschen Kindes geworden zu sein, bei dessen Behandlung er ständig anwesend sei, so hat er eine aus Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 8 Abs. 1 EMRK folgende Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat hierzu eine Geburtsurkunde vorgelegt, in der er neben der Mutter ... als Vater des am 12. Dezember 2017 geborenen Kindes ... eingetragen ist. Außerdem hat er eine ärztliche Bescheinigung vom 23. Februar 2018 eingereicht, wonach sich das Kind wegen einer schweren malignen Erkrankung zur Chemotherapie im Universitätsklinikum Eppendorf befinde und die ständige Begleitung des Kindes von einem Elternteil bei allen Behandlungsmaßnahmen aus medizinischen Gründen für dringend erforderlich gehalten werde. Der Antragsteller hat lediglich behauptet und in keiner Weise (insbesondere durch eine von ihm selbst oder der Kindesmutter abgegebene eidesstattliche Versicherung) gemäß § 123 Abs. 3, §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft gemacht, dass zwischen ihm und dem Kind eine schützenswerte Lebensgemeinschaft besteht und er die vorgetragenen eigenen Beiträge zur Betreuung des Kindes tatsächlich erbringt. In einem solchen Fall ist das Gericht nicht gehalten, den anwaltlich vertretenen Antragsteller auf die ersichtlich nicht erfüllten Voraussetzungen der Glaubhafthaftmachung hinzuweisen. Die vorgelegte ärztliche Bescheinigung ist im Übrigen mittlerweile über drei Monate alt und damit nicht mehr geeignet, den aktuellen Gesundheitszustand des Kindes glaubhaft zu machen.

41

bb) Wegen der fehlenden Glaubhaftmachung der schützenswerten Lebensgemeinschaft mit dem deutschen Kind scheidet auch ein Anordnungsanspruch zur Sicherung eines möglichen Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG oder § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus. Ein solcher Anspruch könnte im Übrigen auch nicht im vorliegenden Verfahren geltend gemacht werden. Denn er stellt wegen des Wechsels des Aufenthaltszwecks einen neuen Streitgegenstand dar, mit dem die Antragsgegnerin bisher noch nicht durch einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis befasst wurde.

42

cc) Der Antragsteller hat auch nicht die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Aussetzung seiner Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG glaubhaft gemacht. Danach ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Der Antragsteller hat insbesondere kein aus Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 8 Abs. 1 EMRK folgendes rechtliches Abschiebungshindernis glaubhaft gemacht. Dies gilt sowohl hinsichtlich der familiären Lebensgemeinschaft mit seinem Lebenspartner als auch hinsichtlich des neuen Vortrags des Antragstellers im Beschwerdeverfahren, Vater eines schwer erkrankten deutschen Kindes geworden zu sein. Zur Begründung wird auf die Ausführungen zur Zumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens verwiesen.

III.

43

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

IV.

44

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Hinreichende Aussicht auf Erfolg ist zwar bereits dann anzunehmen, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der beabsichtigten Rechtsverfolgung besteht. Denn die Prüfung der Erfolgsaussichten im Prozesskostenhilfeverfahren darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung seitens einer unbemittelten Partei unverhältnismäßig zu erschweren und die Gewährung von Prozesskostenhilfe von einem schon hoch wahrscheinlichen oder gar sicheren Prozesserfolg abhängig zu machen; die Rechtsverfolgung würde sonst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.1.1994, 1 A 14/92, Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 33). Auch nach diesem Maßstab sind indes keine hinreichenden Erfolgsaussichten der Beschwerde gegeben. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungsreife, die im vorliegenden Fall frühestens am 1. Juni 2018 eingetreten ist, weil der Antragsteller vorher keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beschwerde jedenfalls wegen der fehlenden Erfüllung der Passpflicht keine hinreichenden Erfolgsaussichten im oben dargelegten Sinne.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

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(1) Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen. (2) Ein Ausländer kann an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn 1. ein Ausweisungsinteresse besteht,2. der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht

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(1) Einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, kann nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden. (2) Als zumutbar im Sinne

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(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

Über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn

1.
er ein nationales Visum (§ 6 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes) oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
er vom Erfordernis des Aufenthaltstitels befreit ist und die Befreiung nicht auf einen Teil des Bundesgebiets oder auf einen Aufenthalt bis zu längstens sechs Monaten beschränkt ist,
3.
er Staatsangehöriger eines in Anhang II der Verordnung (EU) 2018/1806 aufgeführten Staates ist und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Absatz 1 Nummer 1 des Aufenthaltsgesetzes) besitzt, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind, es sei denn, es handelt sich um einen Anspruch nach den §§ 16b, 16e oder 19e des Aufenthaltsgesetzes,
4.
er eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz besitzt und die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 oder 2 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen,
5.
seine Abschiebung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes ausgesetzt ist und er auf Grund einer Eheschließung oder der Begründung einer Lebenspartnerschaft im Bundesgebiet oder der Geburt eines Kindes während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat,
6.
er einen von einem anderen Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel besitzt und auf Grund dieses Aufenthaltstitels berechtigt ist, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sind; § 41 Abs. 3 findet Anwendung,
7.
er seit mindestens 18 Monaten eine Blaue Karte EU besitzt, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellt wurde, und er für die Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung eine Blaue Karte EU beantragt. Gleiches gilt für seine Familienangehörigen, die im Besitz eines Aufenthaltstitels zum Familiennachzug sind, der von demselben Staat ausgestellt wurde wie die Blaue Karte EU des Ausländers. Die Anträge auf die Blaue Karte EU sowie auf die Aufenthaltserlaubnisse zum Familiennachzug sind innerhalb eines Monats nach Einreise in das Bundesgebiet zu stellen,
8.
er die Verlängerung einer ICT-Karte nach § 19 des Aufenthaltsgesetzes beantragt,
9.
er
a)
einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates besitzt, der ausgestellt worden ist nach der Richtlinie 2014/66/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen eines unternehmensinternen Transfers (ABl. L 157 vom 27.5.2014, S. 1), und
b)
eine Mobiler-ICT-Karte nach § 19b des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs zu einem Inhaber einer Mobiler-ICT-Karte nach § 19b des Aufenthaltsgesetzes beantragt,
10.
er
a)
einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates besitzt, der ausgestellt worden ist nach der Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit (ABl. L 132 vom 21.5.2016, S. 21), und
b)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18f des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs zu einem Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18f des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder
11.
er vor Ablauf der Arbeitserlaubnis oder der Arbeitserlaubnisse zum Zweck der Saisonbeschäftigung, die ihm nach § 15a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 der Beschäftigungsverordnung erteilt wurde oder wurden, einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Saisonbeschäftigung bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber beantragt; dieser Aufenthaltstitel gilt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erteilt.
Satz 1 gilt nicht, wenn eine ICT-Karte nach § 19 des Aufenthaltsgesetzes beantragt wird.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.

(2) Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Artikel 14 Abs. 3 Satz 4 und Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes bleiben unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt.

(2) Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 30. April 2014 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert und der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 14. Mai 2013 i.d.F. des Änderungsbescheids Nr. 1 vom 16. Mai 2014 abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung mit Nachträgen und einer Änderung zur Errichtung eines „Loftgebäudes“ mit 10 Wohneinheiten, eines rückwärtigen Gebäudes mit 3 Wohneinheiten sowie einer Tiefgarage mit 11 Stellplätzen und Fahrradstellplätzen.

2

Die Antragstellerin ist u.a. Eigentümerin des 573 m² großen Grundstücks S.-weg 5/5a ........ (Flurstück X der Gemarkung U.), das im vorderen straßennahen Bereich mit einem dreigeschossigen Gebäude und im rückwärtigen Bereich mit einem viergeschossigen Gebäude bebaut ist. Beide Gebäude werden gewerblich genutzt.

3

Die Beigeladene ist u.a. Eigentümerin des nach Süden angrenzenden Grundstücks S.-weg 7/7a (Flurstück X der Gemarkung U.). Es war bisher im straßennahen Bereich mit einem dreigeschossigen und im rückwärtigen Bereich ebenfalls mit einem dreigeschossigen Gebäude grenzständig mit der Bebauung auf dem Grundstück der Antragstellerin bebaut. Die ursprünglich gewerblich genutzten Gebäude dienten zuletzt jedenfalls teilweise auch Wohnzwecken.

4

Beide Grundstücke befanden sich bis vor kurzem im Geltungsbereich des Bebauungsplans U. 9 vom 6. März 1972 (HmbGVBl. S. 50), der beide Grundstücke – sowie seinen gesamten weiteren Geltungsbereich - als Gewerbegebiet (GE IV/GRZ 0,8/GFZ 2,0) auswies. Außer straßenparallelen vorderen Baugrenzen enthielt der Bebauungsplan keine weiteren Baugrenzen oder Regelungen zur Bauweise. Während des Beschwerdeverfahrens nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist ist dieser Bebauungsplan durch den Bebauungsplan U. 14 vom 11. Juni 2014 ersetzt worden, der am 20. Juni 2014 (HmbGVBl. S. 209) bekannt gemacht worden ist. Dieser Bebauungsplan setzt für die Grundstücke ein Mischgebiet mit geschlossener Bauweise (GRZ 0,6/GFZ 2,2) fest. Beide Grundstücke sind auf 17 m Tiefe straßennah nunmehr fünfgeschossig und im gesamten weiteren rückwärtigen Teil dreigeschossig bebaubar.

5

Mit Bescheid vom 14. Mai 2013 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen auf einen Antrag vom Dezember 2012 antragsgemäß eine Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 61 HBauO) für die Errichtung eines fünfgeschossigen Vorderhauses mit Staffelgeschoss und 10 Wohneinheiten und eines rückwärtigen zweigeschossigen Hauses mit Staffelgeschoss und 3 Wohneinheiten sowie einer unter beiden Gebäuden liegenden, vom Vorderhaus zugänglichen Tiefgarage mit 11 Stellplätzen. Die Baugenehmigung wurde gemäß § 33 BauGB im Hinblick auf den in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan U. 14 erteilt.

6

Die Antragstellerin erhob im Oktober 2013 gegen die Baugenehmigung sowie die inzwischen ergangenen Ergänzungsbescheide Nr. 1 und 2, die ihr nicht bekannt gegeben worden waren, Widerspruch und machte zunächst vor allem Bedenken gegen die Standsicherheit ihres Grenzbaus geltend, da die neuen Gebäude der Beigeladenen tiefer als ihre Bebauung gegründet werden sollen. Mit Ergänzungsbescheid Nr. 3 vom 13. November 2013 genehmigte die Antragsgegnerin u.a. die Prüfung des Standsicherheitsnachweises, auch insoweit legte die Antragstellerin in der Folge Widerspruch ein. Im März 2013 begründete die Antragstellerin ihre Widersprüche näher dahin, dass die Tiefgarage nach den genehmigten Plänen zwischen Vorder- und Hinterhaus auf einer Länge von ca. 11,5 m grenzständig um jedenfalls 0,81 m über die natürliche Geländeoberfläche hinausrage und sie mit der vorgesehenen Bodenaufschüttung von 0,55 m Stärke, der hierfür erforderlichen Abstützung an ihrer Grundstücksgrenze sowie einer zusätzlichen dichten Gartenmauer von weiteren 0,64 m Höhe zu einer durchgängig jedenfalls 2 m hohen Wand an ihrer südlichen Grundstücksgrenze führe. Die Tiefgarage sei abstandsflächenrelevant und partizipiere als Nebenanlage nicht von einer etwaigen geschlossenen Bauweise. Dies verletze sie in ihrem subjektiven Recht nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO auf Einhaltung eines Mindestabstands von 2,5 m zu ihrer Grenze, da sie keine entsprechende Zustimmung erteilt habe.

7

Nachdem die Antragsgegnerin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehbarkeit nicht beschied, hat die Antragstellerin Anfang April 2014 den gerichtlichen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. Wegen des Fortschritts der Bauarbeiten hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 14. April 2014 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vorläufig angeordnet. Die dagegen erhobene Beschwerde der Beigeladenen hat das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 17. April 2014 zurückgewiesen (2 Bs 90/14).

8

Mit Beschluss vom 30. April 2014 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin angeordnet und im Wesentlichen ausgeführt:

9

Das Bauvorhaben verletze die Antragstellerin voraussichtlich in ihrem subjektiven Recht auf Einhaltung einer Mindestabstandsfläche von 2,5 m aus § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO durch die Tiefgarage an der Grundstücksgrenze. Sie sei ein Gebäude i.S.v. § 2 Abs. 2 HBauO, das nach § 6 Abs. 5 HBauO einen Abstand zur gemeinsamen Grundstücksgrenze einzuhalten habe. Besondere Regelungen, die einen Verzicht auf diesen Abstand zuließen, griffen nicht ein. Die Privilegierung aus § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 HBauO für eingeschossige Garagen greife nicht, da ihre Länge entlang der Grundstücksgrenze mehr als 9 m betrage. Die Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 HBauO für bis zu 2 m hohe Stützmauern oder Einfriedigungen an der Grundstückgrenze greife nicht, da diese Ausnahmevorschrift einer erweiternden Auslegung mit Anwendung auf Teile eines Gebäudes nicht zugänglich sei. Zur HBauO vorrangige bauplanungsrechtliche Festsetzungen ließen einen Verzicht auf den Grenzabstand ebenfalls nicht zu. Solches sei auch unter Anwendung der zukünftigen Festsetzungen des Bebauungsplans U. 14 nicht zulässig. Die Festsetzung der geschlossenen Bauweise beziehe sich nur auf Gebäude der Hauptnutzung. Die Zulässigkeit von Nebenanlagen richte sich ausschließlich nach Bauordnungsrecht. Auch nach den gesonderten Regelungen des Bebauungsplans sei die Tiefgarage nicht grenzständig zulässig. Die festgesetzte Grundflächenzahl von 0,6 zeige, dass – auch wenn Tiefgaragen ausdrücklich vom Plan privilegiert werden sollten – eine vollständige Unterbauung eines Grundstücks nicht zulässig sein solle und dies erst recht nicht für Tiefgaragen gelte, die über die natürliche Geländeoberfläche hinausragten. Eine wirksame Zustimmungserklärung für die Nichteinhaltung des Abstands von 2,5 m habe die Antragstellerin für das nunmehr genehmigte Bauvorhaben nicht abgegeben.

10

Gegen den der Antragsgegnerin am 8. Mai 2014 und der Beigeladenen am 9. Mai 2014 zugestellten Beschluss legten diese am 21. Mai 2014 Beschwerde ein.

11

Zuvor hatte die Beigeladene am 14. Mai 2014 einen Änderungsantrag für das Bauvorhaben gestellt, den die Antragsgegnerin unter dem 16. Mai 2014 als Änderungsbescheid Nr. 1 genehmigte. Danach sollen über eine Länge von 9 m entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze und einer Tiefe von 2,51 m zur Grenze in der Tiefgarage nur Fahrradstellplätze eingerichtet, die Oberkante des Daches der Tiefgarage auf das natürliche Geländeniveau an der Grenze abgesenkt sowie in diesem Bereich auf einen Substratauftrag verzichtet werden.

12

Ferner hat die Beigeladene am 20. Mai 2014 beim Verwaltungsgericht unter Berufung auf diesen Änderungsbescheid einen Antrag gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO auf Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung gestellt, den das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 5. Juni 2014 mangels Rechtsschutzbedürfnis abgelehnt hat.

13

Mit ihrer Beschwerdebegründung vom 2. Juni 2014 beruft sich die Antragsgegnerin auf die durch die Änderungsgenehmigung veränderte Sachlage, die ein Zustimmungserfordernis nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO durch die Antragstellerin ausschließe. Da für die Baugenehmigung wegen § 33 BauGB im Übrigen der Entwurf des Bebauungsplans U. 14 maßgeblich sei, könne sich die Antragstellerin nicht – wie geschehen – auf einen Gebietserhaltungsanspruch auf Wahrung der Gebietsausweisung „Gewerbegebiet“ stützen, da bereits die Ausweisung Mischgebiet anzuwenden sei, die das Bauvorhaben der Beigeladenen zulasse. Eine inzidente Normenkontrolle finde im gerichtlichen Aussetzungsverfahren im Stadium des § 33 BauGB nicht statt. Im Übrigen habe die Antragstellerin erstinstanzlich keine Abwägungsfehler geltend gemacht.

14

Die Beigeladene hält in ihrer Beschwerdebegründung vom 10. Juni 2014 (Dienstag nach Pfingsten) die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bereits auf der Basis der ursprünglichen Genehmigung für unzutreffend, da die Tiefgarage aus verschiedenen bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten wie eine vollständig unterirdische Tiefgarage zu behandeln sei und aus diesem Grunde an der Grenze ohne Nachbarzustimmung errichtet werden dürfe. Stütz- und Gartenmauer seien bauordnungsrechtlich nicht abstandsflächenrelevant. Aber auch bauplanungsrechtlich sei die Tiefgarage bereits auf der Basis des Bebauungsplans U. 9 an der Grundstücksgrenze zulässig, weil auch dieser Bebauungsplan eine geschlossene Bauweise zulasse und die Garage keine Nebenanlage sei. Auf einen Gebietserhaltungsanspruch könne sich die Antragstellerin nicht berufen. Maßgeblich sei insofern die Festsetzung Mischgebiet im Entwurf des Bebauungsplans U. 14, die eine Wohnnutzung einschließe. Die genehmigten Lofteinheiten könnten im Übrigen im Einklang mit dem Bebauungsplan U. 9 auch gewerblich genutzt werden. Auf § 71 HBauO könne sich die Antragstellerin nicht berufen, da sie im Jahre 2011 bereits einer Wohnbebauung auf dem Grundstück zugestimmt habe und sich daran festhalten lassen müsse. Ferner sei die veränderte Sachlage durch den Änderungsbescheid Nr. 1 zu beachten. Auf etwaige Fehler im Aufstellungsverfahren des Bebauungsplans U. 14 könne sich die Antragstellerin nicht berufen.

15

Die Antragstellerin macht im Hinblick auf die Beschwerdebegründungen und die danach erfolgte Bekanntmachung des Bebauungsplans U. 14 im Wesentlichen geltend, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei aufrecht zu erhalten, weil dieser Bebauungsplan aufgrund von Fehlern bei der Auslegung umweltrelevanter Unterlagen im Planaufstellungsverfahren auf der Basis der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unwirksam sei, wie sie zwischenzeitlich auch bereits gemäß § 215 BauGB gegenüber der Antragsgegnerin gerügt habe. Deshalb sei weiterhin der Bebauungsplan U. 9 für die Genehmigung des Vorhabens maßgeblich. Die Zulassung von Wohnungen auf dem Nachbargrundstück verstoße deshalb weiterhin gegen ihren Gebietserhaltungsanspruch auf Wahrung der Nutzung als Gewerbegebiet.

II.

16

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben mit ihren zulässigen Beschwerden (1.) die Entscheidung des Verwaltungsgerichts entsprechend § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO in ihrer tragenden Begründung hinreichend in Zweifel gezogen (2.). Die dem Beschwerdegericht daraufhin obliegende umfassende summarische Prüfung des Streitgegenstands führt auf der Basis der nunmehr maßgeblichen Sach- und Rechtslage bei summarischer Prüfung und unter Abwägung der zu berücksichtigenden Belange dazu, dass dem Interesse der Beigeladenen an einer Ausnutzung der ihr erteilten Baugenehmigung entsprechend § 212a Abs. 1 BauGB der Vorrang gegenüber dem Interesse der Antragstellerin an einem weiteren Stopp der Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück zukommt (3.).

17

1. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben ihre Beschwerden innerhalb der gesetzlichen Fristen der §§ 147 Abs. 1 Satz 1, 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingereicht und begründet.

18

Der Zulässigkeit der Beschwerde der Beigeladenen steht nicht der Umstand entgegen, dass sie unter Berufung auf neue, nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts entstandene Tatsachen bereits am 20. Mai 2014 – und damit einen Tag vor Einlegung der Beschwerde – beim Verwaltungsgericht Hamburg einen Antrag auf Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO wegen einer nachträglichen Änderung der Sachlage gestellt hatte. Dieser Antrag führt nicht zur Unzulässigkeit der Beschwerde wegen doppelter Rechtshängigkeit oder wegen Wegfall des Rechtsschutzinteresses.

19

Beide Rechtsbehelfe verfolgen unterschiedliche Ziele und haben eine unterschiedliche Reichweite. Die Beschwerde ist das regelhafte Rechtsmittel der unterlegenen Partei gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts gemäß §§ 80 Abs. 5, 80a VwGO. Sie geht in Prüfungsumfang und Reichweite über den auf die Geltendmachung nachträglicher Veränderungen der Sach- oder Rechtslage begrenzten – allerdings nicht an die Beschwerdefrist gebundenen - Antrag gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO deutlich hinaus. Denn das Beschwerdegericht prüft auf den entsprechenden Vortrag des Beschwerdeführers ggf. umfassend, ob die Entscheidung des Ausgangsgerichts zutreffend ist, und hat dabei nachträgliche, während der Beschwerdebegründungsfrist eingetretene und geltend gemachte Veränderungen der Sach- oder Rechtslage nur neben der übrigen inhaltlichen Überprüfung der angegriffenen Ausgangsentscheidung zu berücksichtigen. Dementsprechend wird zu Recht nicht die Auffassung vertreten, dass die Beschwerde eines Beteiligten unzulässig ist, wenn dieser Beschwerdeführer zeitlich vor oder gleichzeitig mit der Beschwerdeeinlegung auch einen Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO gestellt hat; unzulässig ist in einem derartigen Fall nach weit überwiegender Auffassung allenfalls der noch während der Beschwerdefrist (parallel) gestellte Änderungsantrag (vgl. z.B. Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 80 Rn. 362; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 198, § 146 Rn. 42; Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 108a, jew. m.w.N.).

20

2. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung vom 13. Mai 2013 ausschließlich auf einen Verstoß gegen § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO gestützt, weil die genehmigte Tiefgarage, die zusammen mit einer auf dem Garagendach zu errichtenden Mauer eine Höhe von jedenfalls ca. 2 m über der natürlichen Geländeoberfläche erreicht, ohne die – fehlende - Zustimmung der Antragstellerin nicht ohne Wahrung eines Abstands von 2,50 m errichtet werden dürfe. Alle weiteren Erwägungen betrafen lediglich die - verneinte - Frage, ob diese Zustimmungspflicht ggf. durch vorrangige Regelungen entfalle.

21

Mit der Beschwerde haben Antragsgegnerin und Beigeladene innerhalb der gesetzlichen Beschwerdebegründungsfrist dargelegt, dass – in Reaktion auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts – eine Umplanung des Vorhabens erfolgt ist und die Antragsgegnerin diese mit Änderungsbescheid Nr. 1 vom 16. Mai 2014 genehmigt hat. Dabei sieht die Umplanung nach den Darlegungen der Beschwerdeführerinnen vor, dass der über die natürliche Erdoberfläche hinausragende Bereich der Tiefgarage gegenüber der gemeinsamen Grundstücksgrenze um 2,51 m zurückverlegt wird. Jedenfalls aufgrund dieser Änderung des Bauvorhabens sei eine Nachbarzustimmung der Antragstellerin nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO nicht erforderlich.

22

Auf der Basis dieses in sich schlüssigen Vorbringens über eine veränderte Sachlage, die innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen geltend gemacht worden ist, wird der allein tragenden Begründung des Verwaltungsgerichts für seine Entscheidung der Boden entzogen, da das Verwaltungsgericht über etwaige weitere Verletzungen subjektiver Rechte der Antragstellerin ausdrücklich keine Feststellungen getroffen hat. Ob eine angefochtene Baugenehmigung den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, beurteilt sich zwar grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Spätere Änderungen zu Lasten des Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben. Nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten sind aber, wie hier, zu berücksichtigen. Dies beruht darauf, dass es im Hauptsacheverfahren mit der nach Maßgabe des einschlägigen Rechts gewährleisteten Baufreiheit nicht vereinbar wäre, eine zur Zeit des Erlasses rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wieder erteilt werden müsste (BVerwG, Beschl. v. 23.4.1998, Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 87; OVG Hamburg, Beschl. v. 28.9.2011, 2 Bs 144/11).

23

Ob die umfangreichen weiteren Erwägungen der Beigeladenen in ihrer Beschwerde darüber hinaus geeignet wären, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen, bedarf deshalb keiner weiteren Prüfung.

24

Soweit die Antragstellerin die Entscheidungserheblichkeit dieser Begründung der Beschwerde mit der Erwägung in Zweifel zieht, der verfügende Teil der Änderungsgenehmigung Nr. 1 vom 16. Mai 2014 lasse im Unklaren, ob der Beigeladenen nunmehr im Sinne einer weiteren Teilbaugenehmigung eine alternative Bauausführung gestattet werde, so dass sie die Wahl habe, welche der beiden Alternativen sie in der tatsächlichen Bauausführung verwirkliche, ist dieser Zweifel unberechtigt. Denn der Änderungsbescheid Nr. 1 erklärt unmissverständlich die ursprünglich genehmigten Bauvorlagen 111/9, 111/10 und 111/24, die die Gestaltung der Tiefgarage betrafen, als Bestandteil der Baugenehmigung für ungültig und macht die Bauvorlagen 111/41 – 43 im Rahmen des Prüfungsumfangs nach § 61 HBauO nunmehr zur alleinigen Rechtsgrundlage für das unterste Geschoss des genehmigten Bauvorhabens. Die in den Raum gestellte Wahlmöglichkeit der Beigeladenen besteht deshalb nicht. Auch ein etwaiger zusätzlicher Verzicht der Beigeladenen auf die Ausnutzung eines Teils der Ausgangsgenehmigung ist nicht erforderlich, da der Bescheid vom 16. Mai 2014 diese nicht ergänzt, sondern insoweit konstitutiv abändert.

25

Wird mit der Beschwerde die tragende Begründung des Verwaltungsgerichts im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO in Frage gestellt, führt dies nicht zum Erfolg des Rechtsmittels des jeweiligen Rechtsmittelführers, sondern eröffnet dieser Umstand nach der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts diesem nur die Berechtigung und Verpflichtung, im Beschwerdeverfahren nunmehr eine eigene Prüfung nach den Maßstäben des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmen (st. Rspr. des Senats vgl. z.B. OVG Hamburg, Beschl. v. 22.10.2013, NordÖR 2014, 26, 27).

26

3. Die dem Beschwerdegericht im Rahmen der Abwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO obliegende summarische rechtliche Prüfung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs und einer nachfolgenden Klage der Antragstellerin führt auf der Basis der nunmehr maßgeblichen Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (a) und unter Abwägung der zu berücksichtigenden Belange (b) dazu, dass dem Interesse der Beigeladenen an einer Ausnutzung der ihr erteilten Baugenehmigung entsprechend § 212a Abs. 1 BauGB der Vorrang gegenüber dem Interesse der Antragstellerin an einem weiteren Stopp der Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück zukommt.

27

a) Bei summarischer Prüfung anhand der nunmehr maßgeblichen Sach- und Rechtslage dürfte eine Verletzung subjektiver Rechte der Antragstellerin durch das der Beigeladenen genehmigte Vorhaben voraussichtlich nicht eintreten.

28

aa) Subjektive öffentliche Rechte, die der Antragstellerin durch das hamburgische Bauordnungsrecht eingeräumt sind, werden durch die im vereinfachten Verfahren nach § 61 HBauO erteilte Baugenehmigung vom 13. Mai 2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 16. Mai 2014 voraussichtlich nicht verletzt.

29

Die nachbarschützende Vorschrift des § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO wird durch diese Fassung der Baugenehmigung nicht deshalb verletzt, weil die Antragstellerin insoweit durch ihre vertretungsbefugten Organe keine Zustimmung zu diesem Bauvorhaben erteilt hat. Denn über einen Bereich von 9 m der Hoffläche zwischen dem Vorder- und Hinterhaus des Bauvorhabens der Beigeladenen hält das Vorhaben nach den im Gesamtzusammenhang mit den weiteren genehmigten Bauvorlagen, insbesondere jener zur Höhenlage (Bauvorlage 111/43), in Höhe der natürlichen Geländeoberfläche nunmehr einen Grenzabstand von jedenfalls 2,50 m ein. Soweit in diesem Bereich an der gemeinsamen Grenze nach der Bauvorlage 111/43 (neu) ein ca. 1 m hoher Grenzzaun vorgesehen ist, ist dieser nach § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 HBauO ohne Abstandsfläche und damit nach der Gesetzessystematik auch ohne Nachbarzustimmung zulässig.

30

Allerdings geht das Vorbringen von Antragsgegnerin und Beigeladener insoweit fehl, wenn es dahin zu verstehen sein soll, dass der über dem natürlichen Geländeverlauf liegende Teil der Tiefgarage durch die Umplanung – außerhalb des Vorder- und Hinterhauses – nunmehr im gesamten Hofbereich einen Abstand von 2,50 m zur gemeinsamen Grundstücksgrenze mit der Antragstellerin einhalte. Denn aus der Bauvorlage 111/42 ergibt sich, dass der ursprüngliche grenznahe Verlauf der Tiefgaragenwand sowie der Abschlussmauer auf einem unmittelbar an das Vorderhaus anschließendem Abschnitt von jedenfalls 1,23 m Länge beibehalten werden soll und erst danach der Rücksprung auf 2,51 m von der Grundstücksgrenze erfolgt. Dieses ist dem aus der Bauvorlage 111/41 ersichtlichen Umstand geschuldet, dass andernfalls im Einfahrtsbereich in die Tiefgarage die erforderliche Deckenhöhe nicht erreicht werden könnte.

31

Ein Zustimmungsvorbehalt für die Antragstellerin nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO folgt hieraus jedoch nicht.

32

Sollte die Tiefgarage als selbständige Garage einzuordnen sein, wie das Verwaltungsgericht gemeint hat, wäre sie nunmehr bereits bauordnungsrechtlich gemäß § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 HBauO ohne eigene Abstandsfläche an der Grundstücksgrenze zulässig, da sie nur (noch) über eine Länge von ca. 1,23 m näher als 2,50 m an die Grundstücksgrenze heranrückt. Die auf der Garagendecke in diesem Bereich errichtete Stützmauer zur Abfangung des auf der Garage vorgesehenen Bodensubstrats in Höhe von ca. 0,55 m bzw. die darüber hinausgehende Gartenmauer in Höhe von 0,65 m in diesem Abschnitt wären nach § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 HBauO privilegiert, da sie mit dem aus der natürlichen Geländeoberfläche herausragenden Teil der Tiefgarage nach der Vermaßung der neu genehmigten Bauvorlage 111/43 insgesamt nicht höher als 2 m sind. Allein der Umstand, dass es sich um drei in unterschiedlichen Normteilen des § 6 Abs. 7 Satz 1 HBauO privilegierte Anlagenteile handelt, führt nicht dazu, dass die Regelung des § 6 Abs. 7 HBauO insgesamt nicht anwendbar ist. Denn in ihrer nachbarrelevanten Wirkung bleiben sie auch in der Summierung hinter jenen Wirkungen zurück, für die der Gesetzgeber im Grenzbereich zweier Grundstücke die Ausnahme zur Zustimmungsbedürftigkeit des § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO vorgesehen hat. Auf eine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Grenzbebauung durch die Garage aufgrund von § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO und die damit verbundenen planungsrechtlichen Fragen, wie sie vom Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss erörtert worden sind, kommt es in diesem Fall bereits im Ansatz nicht an.

33

Allerdings spricht Vieles dafür, dass die Tiefgarage schon bauordnungsrechtlich keine selbständige bauliche Anlage darstellt, sondern nach den genehmigten Bauvorlagen nur ein unselbständiger Bestandteil des der Beigeladenen genehmigten Vorderhauses ist. Sie ist nur durch bauliche Vorkehrungen im Vorderhaus – Einfahrt im Erdgeschoss – zu befahren, ist im regelmäßigen Betrieb für Fußgänger nur über das Treppenhaus des Vorderhauses zu erreichen und zu verlassen und in technischer Hinsicht – Beleuchtung pp. – nach den Bauvorlagen nicht mit eigenen Anschlüssen bzw. Räumlichkeiten hierfür ausgestattet. Dass die Garage im Eingangstor nach der genehmigten Planzeichnung auch über eine sog. Schlupftür verfügt, die insbesondere das Verlassen der Garage über diese Tür ermöglicht, stellt die funktionale Zusammengehörigkeit nicht in Frage, sondern ist vor allem der Notwendigkeit eines zweiten Rettungsweges nach § 15 Abs. 1 GarVO geschuldet. Ist die Tiefgarage Bestandteil des Vorderhauses, unterliegt sie abstandrechtlich denselben rechtlichen Anforderungen wie das Vorderhaus mit der zugelassenen Hauptnutzung, weil sie ein Teil dieses Gebäudes ist (vgl. Niere in: Alexejew, HBauO, Stand 1/2012, § 6 Rn. 109 m.w.N.). In der Konsequenz hat sie dann zum Grundstück der Antragstellerin – (nur) oberhalb der natürlichen Geländeoberfläche i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 4 HBauO - bauordnungsrechtlich einen Abstand zur Grundstücksgrenze einzuhalten, wenn das Gebäude der Hauptnutzung einen Abstand einzuhalten hat oder darf an der Grenze errichtet werden, wenn dieses keinen Grenzabstand einhalten muss.

34

Auch in diesem Fall bedarf das genehmigte Bauvorhaben jedoch voraussichtlich keiner Zustimmung seitens der Antragstellerin nach § 71 Abs. 2 Nr. 1 HBauO, weil das Vorhaben dann einschließlich der Tiefgarage gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO nach planungsrechtlichen Vorschriften an der Grundstücksgrenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Planungsrechtlich dürfte das Bauvorhaben dann einschließlich der gegenwärtig genehmigten Form der Tiefgarage als Grenzbebauung zum Grundstück der Antragstellerin zulässig sein, ohne dass es entscheidend darauf ankommt, welche planungsrechtliche Festsetzung für die rechtliche Würdigung letztendlich zugrunde zu legen ist.

35

Da für die Beurteilung der Rechtslage im Rahmen der unbeschränkten Prüfung des Begehrens der Antragstellerin auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung abzustellen ist, wenn, wie bereits ausgeführt, eine Rechtsänderung zu Gunsten des Bauherrn eintritt, ist insoweit nunmehr auf die Rechtslage unter Geltung des Bebauungsplans U. 14 vom 11. Juni 2014 abzustellen, der am 20. Juni 2014 (HmbGVBl. S. 209) bekannt gemacht worden ist. Dieser Bebauungsplan lässt zukünftig eine Bebauung in geschlossener Bauweise gemäß § 22 Abs. 3 BauNVO und nach § 23 Abs. 4 BauNVO im Umfang bis zu drei Vollgeschossen über die gesamte Grundstückstiefe zu, so dass danach der über die Geländeoberfläche hinausragende Teil der Tiefgarage als Bestandteil des Vordergebäudes insoweit mit den planungsrechtlichen Anforderungen in Einklang steht. Auch bauplanungsrechtlich wird die Tiefgarage als Teil des genehmigten Vordergebäudes anzusehen sein. Denn soweit die planungsrechtliche Regelung über die Bauweise in § 22 Abs. 3 BauNVO nicht auf Nebenanlagen anwendbar ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, gilt dies nur für selbständige Nebenanlagen, die also nicht selbst baulich und funktionell Teil des Gebäudes der Hauptnutzung sind (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl., 2008, §14 Rn. 4.1).

36

Soweit sich in einem Hauptsache- oder in einem Normenkontrollverfahren ergeben sollte, dass der Bebauungsplan U. 14 aufgrund der von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren geltend gemachten Fehler unwirksam ist, dürfte planungsrechtlich nichts anderes gelten. Auch in diesem Fall spricht Überwiegendes dafür, dass die geschlossene Bauweise und die genehmigte Bautiefe des Vorderhauses in dem nunmehr vorgesehenen Umfang kraft Bundesrechts zulässig sind, und dieser Umstand im Rahmen von § 6 Abs. 1 Satz 3 HBauO zu berücksichtigen ist. Dabei kann gegenwärtig ebenfalls dahinstehen, ob dann der Bebauungsplan U. 9 wieder Anwendung finden würde oder die Zulässigkeit von Vorhaben im Plangebiet in diesem Fall insgesamt nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen wäre. Denn bundesrechtlich wäre in beiden Fällen auch eine geschlossene Bauweise in der genehmigten Form zulässig. Im ersteren Falle ergäbe sich dies daraus, dass eine bestimmte Bauweise vom Plangeber wegen des Charakters des Gewerbegebiets offenbar bewusst – und zulässigerweise – nicht festgesetzt worden war und deshalb planungsrechtlich sowohl die offene wie die geschlossene Bauweise zulässig wäre (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O., § 22 BauNVO Rn. 2; Schilder in: Bönker/Bischopenk, BauNVO, 2014, § 22 Rn. 9; Niere in: Alexejew, a.a.O., § 6 HBauO Rn. 36). Andernfalls würde dieses daraus folgen, dass in der die Bebauung prägenden Umgebung überwiegend eine geschlossene Bauweise vorzufinden ist und sie im Rahmen von § 34 Abs. 1 BauGB deshalb auch für das jetzt genehmigte Vorhaben der Beigeladenen zulässig wäre, das über den bisherigen, durch den Neubau ersetzten Baukörper nur um jene 1,23 m hinausragt und in dieser Form allein deshalb auch keinen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot darstellen würde.

37

bb) Entgegen ihrer Auffassung im Beschwerdeverfahren wird die Baugenehmigung voraussichtlich auch keine der Antragstellerin durch das Bauplanungsrecht vermittelten subjektiven Rechte verletzen.

38

(1) Dies gilt zunächst hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung ihres Gebietserhaltungsanspruchs auf Einhaltung der im Baugebiet zulässigen Nutzungsarten, weil die Antragsgegnerin der Beigeladenen in unzulässiger Weise eine Nutzung der Gebäude zu Wohnzwecken gestattet habe. Denn auf eine Verletzung des planungsrechtlichen Gebietserhaltungsanspruchs könnte sich die Antragstellerin nur (noch) berufen, soweit das Bauvorhaben der Beigeladenen ausschließlich auf der Basis des Bebauungsplans U. 9 zu beurteilen wäre. Nur in diesem Fall lägen beide Grundstücke (weiterhin) in einem Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO, in dem Wohnnutzungen mit Ausnahme der besonderen Ausnahmeregelung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO unzulässig sind (OVG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2013, NVwZ-RR 2013, 990 ff.). Die Beigeladene könnte eine Vereinbarkeit mit § 8 BauNVO in diesem Fall nicht durch ein Offenhalten der konkreten Nutzung als Wohnung, gemischte Nutzung oder rein gewerbliche Nutzung durch die Bezeichnung „Loft“ erreichen. Vielmehr geböte die erforderliche Bestimmtheit der zu genehmigenden Nutzungsart eine klare Festlegung, um deren Vereinbarkeit mit § 8 BauNVO sicherzustellen (OVG Hamburg, Beschl. v. 2.9.2011, NordÖR 2011, 556 f.).

39

Dabei kann dahinstehen, ob das Beschwerdegericht im Verfahren gemäß §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 1, 3 VwGO überhaupt Anlass und Berechtigung hat, die Wirksamkeit eines Bebauungsplans im Rahmen einer Inzidentprüfung zu überprüfen, insbesondere dann, wenn – wie hier – nicht die Verletzung eigener Belange des vorläufigen Rechtsschutz Suchenden, sondern die Verletzung formeller Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird (generell verneinend OVG Saarlouis, Beschl. v. 10.5.2012, 2 B 49/12, juris Rn. 25 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 11.12.2009, OVG 10 S 15.09, juris Rn. 7 - Ausnahme allenfalls bei Evidenz der Fehlerhaftigkeit; ähnlich OVG Schleswig, Beschl. v. 26.4.2005, 1 MB 19/05, juris Rn. 21; a.A. wohl BayVGH, Beschl. v. 5.10.2001, 14 Cs 01.1364, juris Rn. 18).

40

Denn von einer Fortgeltung der Bebauungsplans U. 9 wird bei summarischer Prüfung voraussichtlich selbst dann nicht auszugehen sein, wenn sich in weiteren Verfahren ergeben sollte, dass der Bebauungsplan U. 14 wegen der von der Antragstellerin gerügten Verfahrensfehler im Planaufstellungsverfahren unwirksam ist. Denn in diesem Fall tritt der vorherige Bebauungsplan U. 9 nicht automatisch wieder in Kraft, bis die Antragsgegnerin einen verfahrensfehlerfrei zustande gekommenen Bebauungsplan erlässt. Insbesondere dann, wenn mit dem Erlass eines neuen Bebauungsplans der zuvor geltende Bebauungsplan ausdrücklich außer Kraft gesetzt wird, wie hier durch § 3 der Verordnung über den Bebauungsplan U. 14 geschehen, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Regelung zur Aufhebung des früheren Bebauungsplans im Falle der inhaltlichen Unwirksamkeit des neuen Bebauungsplans ebenfalls von der Unwirksamkeit erfasst wird oder ob sie nach dem Willen des Plangebers fortgelten soll und die planungsrechtliche Situation deshalb in dieser Konstellation nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen wäre (BVerwG, Urt. v. 10.8.1990, BVerwGE 85, 289, 293; OVG Hamburg, Urt. v. 1.7.1993, Bf II 45/92). Mangels einer planerischen Festsetzung zur Art des Baugebiets würde es im letztgenannten Fall an einem Gebietserhaltungsanspruch der Antragstellerin fehlen, da dieser nur innerhalb durch Bebauungsplan festgesetzter Baugebiete oder solcher nach § 34 Abs. 2 BauGB besteht.

41

Vorliegend spricht nach summarischer Prüfung Überwiegendes dafür, dass § 3 der Verordnung Ausdruck dessen ist, dass der Plangeber im Falle einer Unwirksamkeit des Bebauungsplans U. 14 den Bebauungsplan U. 9 nicht wieder in Kraft treten lassen wollte, sondern die Aufhebung des alten Planrechts in diesem Fall fortbestehen soll. Zwar enthält die Begründung zum Bebauungsplan U. 14 zur Regelung des § 3 der Verordnung keine spezifischen Begründungserwägungen. Die Erwägungen für die Einleitung des Planverfahrens und die inhaltlichen Festsetzungen dieses Plans sprechen jedoch für diesen mutmaßlichen Planungswillen.

42

Denn es entsprach von vornherein der Zielsetzung des Plangebers des Planaufstellungsverfahrens, die Ausweisung der Grundstücke um den S.-weg als ausschließliches Gewerbegebiet nicht aufrechtzuerhalten, weil diese Festsetzung weder nach dem Bestand noch nach der perspektivischen Entwicklung die Verhältnisse in diesem Teil des Plangebiets widerspiegelte. Deutlich wird dies bereits in den Ausführungen zum Anlass der Planung, in der das bestehende Planrecht pauschal als „überholt“ gekennzeichnet wird (Planbegründung S. 3). Auch die Antragstellerin verkennt nicht, dass auf der gegenüberliegenden Straßenseite des S.-wegs (Nr. 2 und 4, vgl. Planbegründung S. 5) über die gesamte Geltungsdauer des Bebauungsplans U. 9 weiterhin Wohnbebauung vorhanden war, die inzwischen sogar unter Denkmalschutz steht. Auch die Bebauung auf dem Eckgrundstück Z.-straße 54/S.-weg auf der Seite der Grundstücke der Antragstellerin dient in den Obergeschossen der Wohnnutzung. Gleiches gilt für die weitere Bebauung entlang der Z.-straße zwischen W. Weg und A.--straße, die nach der Bestandsaufnahme der Antragsgegnerin seit jeher Wohnbebauung aufweist (Planbegründung S. 5). Dieser Bereich war vor Schaffung des Bebauungsplans U. 9 Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts im bis dahin anwendbaren Baustufenplan B. /U. auch als Wohngebiet ausgewiesen. Nur die rückwärtigen zum U. Kanal hin gelegenen Flächen waren typischerweise gewerblich genutzt. Dies zeigt, dass die Bebauung in erheblichen Teilen des Geltungsbereichs des Bebauungsplans U. 9 nie dessen Festsetzung entsprochen hat, sich während seiner Geltung auch nicht in eine gewerbegebietstypische Richtung entwickelt hat und der Plangeber mit der Neuüberplanung hieraus die Konsequenzen ziehen wollte. Letzteres kommt auch im Rahmen der Ausführungen der Planbegründung zur Abwägung mit der Erwägung zum Ausdruck, dass die traditionell vorhandene Wohnbebauung in diesem Bereich zukünftig in ihrem Bestand gesichert werden solle (Planbegründung S. 26). Solches wäre mit einem Wiederaufleben des Bebauungsplans U. 9 und der Festsetzung als Gewerbegebiet, mit der eine Wohnnutzung grundsätzlich unverträglich ist, unvereinbar. Selbst wenn bei Einleitung des Planungsverfahrens für den Bebauungsplan U. 14 noch kein durchgreifender Anlass für die Annahme bestand, die einheitliche Ausweisung des gesamten Planbereichs als Gewerbegebiet sei obsolet, fehlen angesichts dieser Sachlage gegenwärtig erforderliche Hinweise darauf, dass es dem Willen des Plangebers entspricht, im Falle einer Unwirksamkeit des neuen Plans den von ihm zuvor als überholt gekennzeichneten und ausdrücklich außer Kraft gesetzten Bebauungsplan U. 9 wieder aufleben zu lassen.

43

(2) Soweit das Bauvorhaben die im Bebauungsplan U. 14 die im Bebauungsplan festgesetzte Grundflächenzahl von 0,6 überschreitet und auch die hier allein maßgebliche Privilegierungsregelung in § 2 Nr. 3 der Planverordnung i.V.m. mit § 19 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 und Satz 4 BauNVO mit einer Grundflächenzahl von bis zu 0,9 nicht einhält, da diese nur für bauliche Anlagen „unterhalb der Geländeoberfläche, durch die das Baugrundstück lediglich unterbaut wird“ Anwendung finden kann, werden dadurch subjektive Rechte der Antragstellerin nicht verletzt. Denn die Regelung des § 19 BauNVO ist als Bestimmung zum Maß der zulässigen Bebauung nicht aus sich heraus nachbarschützend (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O., § 16 Rn. 58, 58.1 m.w.N.). Für die Annahme, dass die Festsetzung im konkreten Bebauungsplan vom Plangeber als nachbarschützend ausgestaltet worden sein könnte, fehlen alle Anhaltspunkte.

44

Soweit der Bebauungsplan U. 14 unwirksam sein sollte, ergibt sich aus den dann für das zulässige Maß der Bebauung anwendbaren Regelungen nichts anderes.

45

(3) Gleichermaßen lassen sich weder den Ausführungen der Antragstellerin im gesamten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes noch den vorliegenden Genehmigungsunterlagen Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, dass das genehmigte Vorhaben so schwere Nachteile für das Grundstück der Antragstellerin zur Folge hat, dass die bauliche Gestaltung oder die genehmigte Nutzung ihr gegenüber einen Verstoß gegen das in § 34 BauGB oder § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltene nachbarschützende Rücksichtnahmegebot darstellen.

46

Da sich die Grundfläche von Vorder- und Hinterhaus der Beigeladenen gegenüber der bisherigen Bestandsbebauung nicht vergrößert, führt allein die seit jeher um ca. 5 m größere Tiefe des Vorderhauses gegenüber der gegenwärtigen Bebauung auf dem Grundstück der Antragstellerin nicht zu einer rücksichtslosen Beeinträchtigung, unabhängig davon, ob der Bebauungsplan U. 14 wirksam ist oder nicht. Auch eine abriegelnde Wirkung des gesamten Vorhabens besteht nicht, da eine solche allein mit der ca. 2 m hohen Wand aus Garagenteil, Stütz- und Gartenmauer, die nunmehr weitestgehend in einem Abstand von mindestens 2,5 m zur Grenze verläuft, für das Grundstück der Antragstellerin nicht entsteht. Für die Fünfgeschossigkeit des Vorderhauses zuzüglich eines Staffelgeschosses gilt insoweit nichts anderes. Soweit der Bebauungsplan gültig ist, entspricht sie der planerischen Festsetzung und darf auch die Antragstellerin einen gleichartigen Neubau errichten. Wenn deren Bestandsbebauung gegenwärtig hinter der zulässigen Bebauung zurückbleibt, führt nicht per se zur Rücksichtslosigkeit des Vorhabens der Beigeladenen (OVG Hamburg, Beschl. v. 8.1.2007, NordÖR 2007, 366). Dass vorliegend aufgrund atyischer Verhältnisse etwas anderes gelten könnte, ist weder ersichtlich noch von der Antragstellerin geltend gemacht. Sollte sich der Bebauungsplan U. 14 als unwirksam erweisen, dürfte das Vorhaben hinsichtlich seiner Geschossigkeit gleichwohl nicht rücksichtslos sein. Denn, wie sich aus der Bestandserfassung im Bereich des S.-weges und der Z.-straße ergibt, sind in der maßgeblichen näheren Umgebung andere fünfgeschossige Wohnhäuser seit langem vorhanden (Planbegründung S. 6) und weicht das Vorhaben nicht in einer Weise davon ab, die Anhaltspunkte für seine Rücksichtslosigkeit erkennen lassen.

47

Eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens lässt sich schließlich nicht aufgrund der für das Grundstück der Beigeladenen genehmigten Wohnnutzung herleiten, sollte das Vorhaben nach § 34 Abs. 1 BauNVO zu beurteilen sein. Auch auf der Basis des Vorbringens der Antragstellerin und der Aktenlage ist nicht ersichtlich, dass die auf ihrem Grundstück betriebene gewerbliche Nutzung wegen der verstärkt heranrückenden Wohnnutzung der Gefahr unzumutbarer Einschränkungen ausgesetzt sein könnte, etwa weil die zulässigen Immissionsrichtwerte für die Wohnnutzung durch die gewerbliche Nutzung der Antragstellerin überschritten werden. Soweit ersichtlich ist, findet auf dem Grundstück der Antragstellerin eine Büronutzung statt, die mit einer Wohnnutzung ohne weiteres verträglich ist.

48

b) Wird eine Anfechtungsklage der Antragstellerin danach voraussichtlich mangels Verletzung ihrer subjektiven Rechte keine durchgreifenden Erfolgsaussichten aufweisen, führt die Abwägung der zu berücksichtigenden Belange von Antragstellerin und Beigeladener dazu, dass dem Interesse der Beigeladenen an einer Ausnutzung der ihr erteilten Baugenehmigung entsprechend der gesetzgeberischen Wertung des § 212a Abs. 1 BauGB der Vorrang gegenüber dem Interesse der Antragstellerin an einem weiteren Stopp der Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück zukommt. Soweit eine tiefergehende rechtliche Klärung der verbleibenden Unsicherheiten für die Beurteilung der planungsrechtlichen Situation in vorliegenden Verfahren nicht möglich ist, rechtfertigt dies keinen Vorrang des Aussetzungsinteresses der Antragstellerin. Sollte sich in einem Hauptsacheverfahren insoweit Anderes ergeben, hat die Beigeladene die sich daraus ergebenden Risiken für ihr Vorhaben zu tragen, wenn sie die Baugenehmigung ausnutzt. Dieser Umstand rechtfertigt demgegenüber nicht, ihr diese Entscheidung durch eine aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung in der Fassung des Änderungsbescheids vom 16. Mai 2014 vorzuenthalten.

III.

49

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO und die Festsetzung des Streitwerts aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

2

Der Antragsteller, ein ... geborener burkinischer Staatsangehöriger, erhob am 12. Januar 2017 Klage gegen die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung der Lebensgemeinschaft mit seinem deutschen Lebenspartner. Am selben Tag hat er einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Mit Beschluss vom 18. Mai 2017 hat das Verwaltungsgericht Hamburg den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt (5 E 346/17).

3

Am 12. Juni 2017 hat der Antragsteller einen Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO auf Abänderung des Beschlusses vom 18. Mai 2017 gestellt. Kurz danach hat er am selben Tag auch Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt (1 Bs 126/17).

4

Mit Beschluss vom 16. Oktober 2017, der Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 20. Oktober 2017, hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Abänderung des Beschlusses vom 18. Mai 2017 abgelehnt. Dagegen hat der Antragsteller am 3. November 2017 Beschwerde eingelegt, die er am 20. November 2017 begründet hat. Außerdem hat er die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt.

II.

5

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg.

6

Es kann offen bleiben, ob der Antragsteller mit den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) die tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts erschüttert hat. Zugunsten des Antragstellers geht der Senat hiervon aus. Die hiernach vorliegend zulässige vollständige Überprüfung der Sach- und Rechtslage durch das Beschwerdegericht führt indes zu keiner Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis den Antrag des Antragstellers auf Änderung des Beschlusses vom 18. Mai 2017 zu Recht abgelehnt. Es kann offenbleiben, ob hier § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO unmittelbar anzuwenden ist, weil der verwaltungsgerichtliche Beschluss vom 16. Oktober 2017 den Antrag als solchen nach § 80 Abs. 5 VwGO ausgelegt hat, oder ob § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO in analoger Anwendung heranzuziehen ist, weil der Rechtsschutzantrag wegen der unerlaubten Einreise des Antragstellers (vgl. hierzu im Einzelnen den Beschluss des Gerichts vom heutigen Tage in der Sache 1 Bs 126/17) dahingehend umzudeuten ist, dass er Abschiebungsschutz gemäß § 123 VwGO begehrt.

7

1. Der Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO bzw. § 123 i. V. m. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO analog ist jedenfalls bereits unzulässig. Ihm fehlt wegen der am selben Tag ebenfalls erhobenen Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts das Rechtsschutzbedürfnis.

8

In Rechtsprechung und Literatur ist bisher nicht abschließend geklärt, in welchem Verhältnis das Abänderungsverfahren und die Beschwerde nach § 146 Abs. 1, Abs. 4 VwGO zueinander stehen. Nach überwiegender Auffassung ist der Abänderungsantrag unzulässig, solange der Ausgangsbeschluss des Verwaltungsgerichts, dessen Abänderung begehrt wird, noch nicht unanfechtbar geworden ist. Zur Begründung wird überwiegend auf das wegen der noch möglichen Beschwerde fehlende Rechtsschutzbedürfnis für den Abänderungsantrag sowie auf den prozessualen Rechtsgedanken, der den Vorschriften über die Rechtshängigkeit (§ 17 Abs. 1 Satz 2 GVG) und die – erst nach Rechtskrafteintritt zulässige – Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 153 VwGO, §§ 578 ff. ZPO) zugrunde liege, verwiesen (vgl. mit Unterschieden in der jeweiligen Begründung OVG Weimar, Beschl. v. 3.5.1994, 1 EO 156/93, NVwZ-RR 1995, 179, juris Rn. 40 ff.; OVG Bautzen, Beschl. v. 14.6.1995, 1 S 138/95, NVwZ-RR 1996, 423 [a. A. nunmehr OVG Bautzen, Beschl. v. 2.3.1999, 2 S 200/98, NVwZ-RR 2000, 124]; VGH München, Beschl. v. 12.5.1987, 26 CS 85 A.3154, BayVBl. 1988, 306; VG Saarland, Beschl. v. 5.6.2012, 5 L 497/12, juris Rn. 3 ff.; VG Dresden, Beschl. v. 4.3.2009, 3 L 58/09, juris Rn. 9 ff.; VG München, Beschl. v. 31.1.2012, M 9 S7 12.457, juris Rn. 9 ff.; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 1175; Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 103; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 80 Rn. 185; tendenziell auch VGH Mannheim, Beschl. v. 4.6.1997, 5 S 985/97, NVwZ 1998, 202, juris Rn. 1). Die Gegenauffassung erkennt den Beteiligten grundsätzlich ein Wahlrecht zu, ob sie im Wege des Abänderungsverfahrens, der Beschwerde nach § 146 Abs. 1, Abs. 4 VwGO oder parallel in beiden Verfahren gegen die Ausgangsentscheidung vorgehen (OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 23.9.2004, 8 B 11561/04, NVwZ-RR 2005, 748, juris Rn. 3; VG Düsseldorf, Beschl. v. 25.9.2017, 28 L 3809/17, juris Rn. 14 ff.; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Loseblatt, Stand: Juni 2017, § 80 Rn. 552 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 198; für ein lediglich alternatives Wahlrecht Kamp, NWVBl. 2005, 248, 252 ff.). Eine vermittelnde Auffassung geht schließlich davon aus, die Beschwerde stehe der Zulässigkeit eines Abänderungsantrags wegen der Beschränkung der Prüfung des Beschwerdegerichts auf die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) nicht entgegen, wenn die veränderten oder ohne Verschulden nicht geltend gemachten Umstände nicht innerhalb der Begründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragen werden konnten (Saurenhaus/Buchheister, in: Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 80 Rn. 74; ähnl. mit weiteren Differenzierungen Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 6. Aufl. 2014, § 80 Rn. 138a).

9

Im vorliegenden Fall bedarf es keiner umfassenden Klärung, ob der Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO bzw. § 123 i. V. m. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO analog in jedem Falle unzulässig ist, wenn er vor der Unanfechtbarkeit des Ausgangsbeschlusses gestellt wird und noch die Möglichkeit der Einlegung der Beschwerde bestand. Das Rechtsschutzbedürfnis für den Abänderungsantrag fehlt jedenfalls dann, wenn ein Beteiligter – wie der Antragsteller im vorliegenden Fall – nicht nur diesen Antrag vor Eintritt der Unanfechtbarkeit stellt, sondern parallel auch Beschwerde gegen den Ausgangsbeschluss einlegt und diese fristgemäß begründet. Denn in diesem Fall ist die anhängige Beschwerde gegenüber dem Abänderungsverfahren der rechtsschutzintensivere Weg, eine Änderung des Ausgangsbeschlusses des Verwaltungsgerichts zu erreichen. Der Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens geht über den des Abänderungsverfahrens hinaus. Die Beschwerde unterliegt nicht den Beschränkungen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO (veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände). Der Beschwerdeführer kann nicht nur die in § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO genannten Umstände, sondern alle Rechtsanwendungsfehler des Gerichts geltend machen, aufgrund deren der Ausgangsbeschluss aus seiner Sicht aufzuheben ist (vgl. auch OVG Hamburg, Beschl. v. 23.7.2014, 2 Bs 111/14, juris Rn. 19). Ein darüber hinausgehender relevanter Nutzen eines gleichzeitig betriebenen Abänderungsverfahrens für den Antragsteller ist nicht ersichtlich.

10

2. Im Übrigen wäre der Antrag auf Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts auch unbegründet. Der Antragsteller hat keine Gründe dargetan, die eine Abänderung des Ausgangsbeschlusses rechtfertigen. Der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis stand auch unter Berücksichtigung der im Abänderungsverfahren vorgetragenen Umstände die Nichterfüllung der Passpflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG) und die fehlende Durchführung des Visumverfahrens (§ 5 Abs. 2 AufenthG) entgegen. Originäre Duldungsgründe nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht glaubhaft gemacht worden. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die Ausführungen des Gerichts im Beschluss vom heutigen Tage verwiesen, mit dem die Beschwerde gegen den Beschluss vom 18. Mai 2017 zurückgewiesen wurde (1 Bs 126/17).

III.

11

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

IV.

12

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Hinreichende Aussicht auf Erfolg ist zwar bereits dann anzunehmen, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der beabsichtigten Rechtsverfolgung besteht. Denn die Prüfung der Erfolgsaussichten im Prozesskostenhilfeverfahren darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung seitens einer unbemittelten Partei unverhältnismäßig zu erschweren und die Gewährung von Prozesskostenhilfe von einem schon hoch wahrscheinlichen oder gar sicheren Prozesserfolg abhängig zu machen; die Rechtsverfolgung würde sonst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.1.1994, 1 A 14/92, Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 33). Auch nach diesem Maßstab sind indes keine hinreichenden Erfolgsaussichten der Beschwerde gegeben. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungsreife, die im vorliegenden Fall frühestens am 1. Juni 2018 eingetreten ist, weil der Antragsteller vorher keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beschwerde aus den unter II. ausgeführten Gründen keine hinreichenden Erfolgsaussichten.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

(1) Einem Ausländer können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 folgende Visa erteilt werden:

1.
ein Visum für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen (Schengen-Visum),
2.
ein Flughafentransitvisum für die Durchreise durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen.

(2) Schengen-Visa können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 bis zu einer Gesamtaufenthaltsdauer von 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen verlängert werden. Für weitere 90 Tage innerhalb des betreffenden Zeitraums von 180 Tagen kann ein Schengen-Visum aus den in Artikel 33 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009/EG genannten Gründen, zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder aus völkerrechtlichen Gründen als nationales Visum verlängert werden.

(2a) Schengen-Visa berechtigen nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, es sei denn, sie wurden zum Zweck der Erwerbstätigkeit erteilt.

(3) Für längerfristige Aufenthalte ist ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Die Erteilung richtet sich nach den für die Aufenthaltserlaubnis, die Blaue Karte EU, die ICT-Karte, die Niederlassungserlaubnis und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU geltenden Vorschriften. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts mit einem nationalen Visum wird auf die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis, Blauen Karte EU, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU angerechnet.

(4) Ein Ausnahme-Visum im Sinne des § 14 Absatz 2 wird als Visum im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 erteilt.

Tenor

Die Anträge werden abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller, der die ukrainische Staatsangehörigkeit besitzt und mit einer Deutschen verheiratet ist, begehrt die einstweilige Feststellung einer Fiktionswirkung i.S.v. § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG; hilfsweise begehrt er die einstweilige Anordnung, dass die Antragsgegnerin vorläufig von Abschiebungsmaßnahmen absieht. Beide Anträge können keinen Erfolg haben, denn sie sind in der Sache nicht begründet.
I. Die Voraussetzungen für den Erlass einer dem Hauptantrag des Antragstellers entsprechenden einstweiligen Anordnung sind nicht erfüllt. Das Gericht kann gemäß § 123 Abs. 1 VwGO schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte oder wenn eine Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Inhalt einer solchen Anordnung kann auch die einstweilige Feststellung eines Rechtsverhältnisses sein (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 123, Rdn. 64). Der Hauptantrag des Antragstellers ist danach, obwohl er sich seiner Begründung nach auf § 80 Abs. 5 VwGO stützt, bei sachdienlicher Auslegung (§§ 88, 122 Abs. 1 VwGO) darauf gerichtet, einstweilig nach § 123 Abs. 1 VwGO festzustellen, dass der Aufenthalt des Antragstellers als erlaubt gilt, bis die Ausländerbehörde über seinen Antrag vom 06.11.2013 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entschieden hat. Für diese einstweilige Feststellung fehlt es jedoch an einem Anordnungsanspruch. Ein Anordnungsanspruch liegt nur vor, wenn das mit Anordnung nach § 123 VwGO einstweilig zu sichernde oder zu regelnde Recht materiell-rechtlich besteht. Dies wäre glaubhaft zu machen (§§ 920 Abs. 2 ZPO, 123 Abs. 3 VwGO). Der Antragsteller hat keinen Sachverhalt glaubhaft gemacht, bei dem sein Aufenthalt als erlaubt gilt, bis über seinen Aufenthaltserlaubnisantrag entschieden wird. Gemäß § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG gilt der Aufenthalt eines Ausländers, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und einen Aufenthaltstitels beantragt, bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über diesen Antrag als erlaubt. Dieser Tatbestand ist vorliegend nicht erfüllt, denn als der Antragsteller am 06.11.2013 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragte, hielt er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf.
1. Dem Antragsteller fehlte das für seinen Aufenthalt erforderliche Visum. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 AufenthG bedürfen Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet grundsätzlich eines Aufenthaltstitels. Für längerfristige Aufenthalte ist dabei grundsätzlich ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird (§ 6 Abs. 3 S. 1 AufenthG). Der Aufenthalt des Antragstellers stellt einen längerfristigen Aufenthalt i.S.v. § 6 Abs. 3 S. 1 AufenthG dar, denn er dient der Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis und des damit zu ermöglichenden längerfristigen Bleibens im Bundesgebiet. Über das dafür nach §§ 4, 6 Abs. 3 S. 1 AufenthG erforderliche nationale Visum verfügt der Antragsteller nicht.
2. Der Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet war auch nicht aufgrund seiner polnischen Aufenthaltserlaubnis - ohne Visum - als rechtmäßig anzusehen.
Das Erfordernis eines Aufenthaltstitels (wie des nationalen Visums) nach § 4 Abs. 1 S. 1 AufenthG gilt zwar grundsätzlich nur, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union (EU) etwas Anderes bestimmt ist. Zum Recht der EU zählt Art. 21 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) in seiner gemäß Art. 2 Ziff. 3 der Verordnung (EU) Nr. 610/2013 geänderten Fassung. Nach Art. 21 SDÜ können Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a), c) und e) des Schengener Grenzkodex aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen; der sonst gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. b) des Schengener Grenzkodex erforderliche Besitz eines gültigen Visums gehört nicht zu den Voraussetzungen von Art. 21 SDÜ. Gemessen am Wortlaut von Art. 21 SDÜ ist dessen Tatbestand vorliegend auch erfüllt. Zumindest ist nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung anzunehmen, dass der Antragsteller am 06.11.2013 Inhaber eines gültigen, von einem EU-Mitgliedstaat ausgestellten Aufenthaltstitels war, weil er über eine wirksame polnische Aufenthaltserlaubnis bis 22.09.2022 verfügte. Die Existenz einer solchen Aufenthaltserlaubnis ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Eine Kopie eines entsprechenden Dokuments mit Ausstellungsdatum 20.09.2012 und Ablaufdatum 22.09.2022 befindet sich in den Verwaltungsakten (AS. 274). Von der Wirksamkeit der Aufenthaltserlaubnis ist mangels gegenteiliger Hinweise auszugehen. Ebenso ist anzunehmen, dass der Antragsteller die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a), c) und e) des Schengener Grenzkodex aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllte. Seinem unwidersprochen gebliebenen Vortrag zufolge hielt er sich bei Antragstellung (06.11.2013) zudem noch weniger als 90 Tage im Bundesgebiet auf; er hat erklärt, die Dauer seines Aufenthalts habe am 13.11.2013 drei Monate betragen.
Der Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet ist dennoch nicht von Art. 21 SDÜ gedeckt. Art. 21 SDÜ begründet trotz seines insoweit offenen Wortlauts keine Berechtigung zu einem von vornherein als Daueraufenthalt geplanten Aufenthalt. Dies folgt aus einer Auslegung der Norm, die über ihren Wortlaut hinaus auch ihren systematischen Kontext und Telos berücksichtigt. Zum Kontext der Regelung von Art. 21 SDÜ gehören Art. 20 SDÜ und Art. 5 Abs. 1 Buchst. a), c) und e) des Schengener Grenzkodex. Nach Art. 20 SDÜ können sich Staatsangehörige bestimmter Drittstaaten schon allein wegen dieser Staatsangehörigkeit (als sichtvermerksfreie Drittausländer) visumsfrei im Bundesgebiet bewegen (für bis zu 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen). Dementsprechend regelt Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 539/ 2001, dass die Staatsangehörigen bestimmter Drittländer von der sonst bestehenden Visumspflicht für einen Aufenthalt von insgesamt bis zu drei Monaten befreit sind. Die sich aus diesen Vorschriften ergebende Visumsfreiheit entfällt aber etwa, wenn der Aufenthalt von Anfang an dazu dient, einen Aufenthaltstitel für den Familiennachzug zu beantragen und so von vornherein ein Daueraufenthalt im Bundesgebiet bezweckt ist (HambOVG, B. v. 23.09.2013 - 3 Bs 131/13 -, juris; VGH BW, B. v. 14.09.2011 - 11 S 2438/11 -, juris). Dies muss auch gelten, wenn ein Drittausländer nicht schon wegen seiner Staatsangehörigkeit zum visumsfreien Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist, sondern erst aufgrund eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Aufenthaltstitels i.V.m. Art. 21 SDÜ. Andernfalls entstünde ein Wertungswiderspruch zwischen der besonderen „Privilegierung“ sichtvermerksfreier Drittausländer nach Art. 20 SDÜ und der (demgegenüber weniger privilegierten) Stellung von Drittausländern, die auf Art. 21 SDÜ angewiesen sind, denn (nur) die Letztgenannten wären berechtigt, ohne Visum einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet zu suchen, und zwar ohne dass diese Ungleichbehandlung einen sachlichen Grund hätte. Gegen ein solches Verständnis von Art. 21 SDÜ spricht überdies auch Art. 5 Abs. 1 Buchst. c) des Schengener Grenzkodex, auf den Art. 21 SDÜ verweist. Gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c) des Schengener Grenzkodex gehört es zu den Voraussetzungen der Einreise eines Drittstaatsangehörigen, dass er den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegt; gemäß Art. 5 Abs. 2 enthält der Anhang I des Grenzkodex eine nicht abschließende Liste von Belegen, die sich der Grenzschutzbeamte von dem Drittstaatsangehörigen vorlegen lassen kann, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Abs. 1 Buchst. c) erfüllt sind. Dies lässt darauf schließen, dass ein visumsfreier Aufenthalt nicht unabhängig von seinem Zweck und seiner geplanten Dauer möglich ist (vgl. HambOVG, a.a.O.).
Dass Art. 21 SDÜ nicht zu einem von vornherein auf Dauer angelegten Aufenthalt berechtigt, entspricht aber schließlich auch dem Telos der Norm. Denn Art. 21 SDÜ soll, vergleichbar wie Art. 19 und 20 SDÜ, den vorübergehenden Aufenthalt erleichtern und nicht einen Daueraufenthalt erlauben, der das Visa-System aushöhlt (vgl. Tiede/Schirmer/Yang, FamRZ 2014, 527, juris, zum Missbrauch eines Schengen-Visums). Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts i.S.v. § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG ist daher ausgeschlossen, wenn der Aufenthalt des Ausländers „von Anfang an […] einem Daueraufenthalt dienen sollte“, für den es eines Visums i.S.v. § 6 Abs. 3 AufenthG bedurft hätte (vgl. VGH BW, a.a.O., zu einem Fall von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 539/ 2001). Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet von vornherein - zumindest auch - dazu diente, eine Aufenthaltserlaubnis zu beantragen, sodass von vornherein ein Daueraufenthalt bezweckt war. Zwar trägt der Antragsteller vor, die Absicht zu einem Daueraufenthalt im Bundesgebiet beruhe auf einem erst nach der Einreise gefassten Entschluss. Dies ist aber nicht hinreichend glaubhaft. Der entsprechende Vortrag erweckt vielmehr den Eindruck einer Schutzbehauptung als Reaktion auf den Vortrag der Antragsgegnerin. Die Behauptung eines Nachentschlusses erfolgte erst, nachdem die Antragsgegnerin im Hinblick auf das Visumserfordernis geltend gemacht hatte, der Antragsteller habe von vornherein einen Daueraufenthalt beabsichtigt. Zudem hat der Antragsteller zur Erläuterung seines Nachentschlusses lediglich ausgeführt, er habe zunächst beabsichtigt wieder auszureisen, was sich daran zeige, dass er auch in der Vergangenheit die Aufenthaltsdauer zu Besuchszwecken von drei Monaten nicht überschritten habe, sondern regelmäßig ausgereist sei; dieses Mal habe er aber einen Nachentschluss gefasst, nachdem ihn seine Ehefrau gebeten habe, im Bundesgebiet einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu stellen. Demgegenüber ist aus Sicht der Kammer aber gerade vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller in der Vergangenheit regelmäßig ins Bundesgebiet „pendelte“ und nicht ersichtlich ist, wodurch sich sein derzeitiger Aufenthalt von früheren Besuchen unterscheidet, anzunehmen, dass er die Absicht, eine Aufenthaltserlaubnis zu beantragen, schon früher hatte, und zwar auch schon bei der Einreise. Das Gegenteil wäre auch dann nicht schon ohne Weiteres glaubhaft, wenn es zuträfe, dass die Ehefrau des Antragstellers ihn erst nach seiner Einreise gebeten hätte, noch vor der Ausreise eine Aufenthaltserlaubnis zu beantragen. Die Kammer geht vielmehr davon aus, dass auch eine solche Bitte nur einen schon bestehenden Entschluss aktualisiert und nicht erst eine neue Absicht begründet hätte. Merkmale, die demgegenüber dennoch auf die Glaubhaftigkeit des gegenteiligen Vortrags des Antragstellers schließen ließen, fehlen. Sein Vortrag ist arm an Details. Vor allem innere Vorgänge des Antragstellers, die seinen Vortrag und insbesondere seine Entscheidungsfindung glaub-haft erscheinen ließen, werden nicht geschildert. Bezüge zu Orten, Zeiten und Lebensgewohnheiten werden ebenso wenig hergestellt wie Querverbindungen zu Begleitumständen oder Geschehnissen aus der Vergangenheit. Etwaige ungewöhnliche, überraschende oder sogar überflüssige Einzelheiten, die für die Glaubhaftigkeit des Vortrags sprechen könnten, fehlen völlig. Insgesamt wirkt der Vortrag des Antragstellers zu seinem Nachentschluss beliebig erfindbar und - zumindest bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen Prüfung - wie ein Erklärungsversuch ins Blaue.
II. Die Voraussetzungen für eine dem Hilfsantrag des Antragstellers entsprechende einstweilige Anordnung liegen ebenfalls nicht vor. Der Antragsteller begehrt mit seinem Hilfsantrag, dass der Antragsgegnerin durch einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO aufgegeben wird, vorläufig von Abschiebungsmaßnahmen ihm gegenüber abzusehen. Ob dieser Antrag nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO korrekterweise wegen einer sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 AAZuVO ergebenden Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Karlsruhe gegen das Land zu richten wäre, oder ob er (auch) gegen die Antragsgegnerin als Trägerin der unteren Ausländerbehörde zu richten ist (vgl. VGH BW, a.a.O.), kann dahinstehen. Denn jedenfalls ist der Antrag unbegründet, weil ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht wurde. Dieser könnte sich aus §§ 60, 60a AufenthG ergeben. Dass die Voraussetzungen dieser Normen vorliegen, ist aber weder aufgrund des Vortrags des Antragstellers noch sonst ersichtlich. Dies gilt auch im Hinblick auf die Ehe des Antragstellers mit einer Deutschen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich weder Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet begründen und dass es grundsätzlich mit dem Recht auf Ehe und Familie vereinbar ist, die Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft von der Beantragung eines Visums aus dem Ausland abhängig zu machen (OVG NRW, B. v. 07.09.2005 - 18 E 1048/05 -, juris, m.w.N.).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
10 
IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 S. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2, 45 Abs. 1 S. 2 GKG und ist nach der Bedeutung der Sache für den Antragsteller bemessen.

Gründe

I.

1

Am 10.07.2012 beantragten die Kläger beim Beklagten, ihnen gemäß § 15a Abs. 5 Satz 1 AufenthG zu erlauben, ihre Wohnung im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen zu nehmen, weil die Klägerin zu 1 erkrankt und alleinerziehend sei und ihre gesamte Familie in A-Stadt lebe. Zudem leide der Kläger zu 2 an Diabetes, was eine Behandlung in einer in Stendal nicht vorhandenen Spezialklinik für diabeteskranke Kinder erfordere. Nachdem der Beklagte den Antrag nicht beschieden hatte, haben die Kläger am 09.04.2013 Untätigkeitsklage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, über ihren länderübergreifenden Umverteilungsantrag durch Aufhebung der räumlichen Beschränkung zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung darauf verwiesen, dass der Beklagte für die begehrte Entscheidung nicht zuständig sei.

II.

2

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg

3

1.1. Die Rechtssache weist nicht die von den Klägern geltend gemachten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.

4

Besondere Schwierigkeiten liegen nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 27.12.2006 – 2 L 66/05 –, Juris) vor bei erheblich über dem Durchschnitt liegender Komplexität der Rechtssache, im Rechtlichen bei neuartigen oder ausgefallenen Rechtsfragen. Besondere rechtliche Schwierigkeiten können sich auch dann ergeben, wenn zu einzelnen Rechtsfragen in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur uneinheitliche Auffassungen bestehen und deshalb eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Rechtsauffassungen nötig erscheint (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642 [3643], RdNr. 21 in juris). Wie beim Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 21.12.2011 – 4 B 14.11 –, juris, RdNr. 4) enthält hingegen nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift gleichzeitig eine im Berufungsverfahren zu klärende Fragestellung, namentlich dann wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen obergerichtlichen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt (vgl. Beschl. d. Senats v. 13.02.2014 – 2 L 4/13 –, juris, RdNr. 50).

5

Gemessen daran haben die Kläger keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache dargelegt. Sie tragen vor, die Rechtsgrundlage für die Verfügung der Wohnsitzauflage und einer Umverteilung sei unklar und hänge von ihrem Aufenthaltsstatus ab. Der Umstand, dass sie im Besitz von Duldungsbescheinigungen seien, bedeute nicht notwendigerweise, dass sie auch vollziehbar ausreisepflichtig seien. Daran könne es insbesondere deshalb fehlen, weil ihnen aufgrund der Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis während ihres visumfreien Aufenthalts die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 AufenthG zugute komme. Andererseits sei bislang höchstrichterlich nicht geklärt, ob es für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auf die objektive Sachlage ankomme oder auf den subjektiven Zweck. Fehle es an der vollziehbaren Ausreisepflicht, dann könne die Wohnsitzauflage nicht an eine Duldung gekoppelt werden. Auch § 12 AufenthG enthalte keine Regelungsbefugnisse, visafreie Aufenthalte mit Nebenbestimmungen zu versehen. Bestehe eine vollziehbare Ausreisepflicht, sei die Rechtslage ebenfalls unklar, weil in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten würden, ob die Wohnsitzauflage zu streichen, eine Umverteilung vorzunehmen oder eine Zweitduldung zu erteilen sei. Aus diesem Vorbringen ergeben sind indes für den konkreten Fall keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten.

6

Die Kläger wurden auf der Grundlage des § 15a Abs. 1 AufenthG dem Land Sachsen-Anhalt und mit Bescheid vom 28.06.2012 gemäß § 15a Abs. 4 Satz 5 AufenthG i.V.m. § 50 Abs. 4 AsylVfG dem Beklagten zugewiesen. Gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 AufenthG werden unerlaubt eingereiste Ausländer, die weder um Asyl nachsuchen noch unmittelbar nach der Feststellung der unerlaubten Einreise in Abschiebungshaft genommen und aus der Haft abgeschoben oder zurückgeschoben werden können, vor der Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung oder die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Länder verteilt. Eine solche Verteilung hat hier stattgefunden. Nach § 15a Abs. 5 Satz 1 AufenthG können die zuständigen Behörden dem Ausländer nach der Verteilung erlauben, seine Wohnung in einem anderen Land zu nehmen. Einen solchen Antrag haben die Kläger in ihrem Schreiben vom 10.07.2012 beim Beklagten gestellt.

7

§ 15a Abs. 1 Satz 1 AufenthG stellt bei dem von der Norm erfassten Personenkreis nicht auf die von den Klägern in Frage gestellte vollziehbare Ausreisepflicht des Ausländers ab, sondern allein darauf, ob er „unerlaubt eingereist“ ist. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet u.a. dann unerlaubt, wenn er den erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt. Die Kläger bedurften als sog. Positivstaater nach Art. 1 Abs. 2 der Verordnung EG Nr. 539/201 des Rates vom 15.03.2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von der Visumpflicht befreit sind (EG-VisaVO) als Staatsangehörige Serbiens für das Überschreiten der Außengrenze der Bundesrepublik für einen Aufenthalt, der insgesamt drei Monate nicht überschreitet, zwar grundsätzlich keines Visums. Eine visumfreie Einreise ist aber nur dann als erlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG anzusehen, wenn der beabsichtigte Aufenthaltszweck nur auf einen Kurzaufenthalt im Sinne von Art. 1 Abs. 2 EG-VisaVO gerichtet ist. Daher ist unter dem Aspekt der Aufenthaltsdauer für die Frage, ob eine Befreiung von der Visumpflicht nach Art. 1 Abs. 2 EG-VisaVO besteht, maßgeblich, welche Absichten bzw. Vorstellungen die Betreffenden im Zeitpunkt der Einreise haben. Für die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift des Art. 1 Abs. 2 EG-VisaVO kommt es somit darauf an, ob der Ausländer schon bei der Einreise einen Aufenthalt beabsichtigt, der wegen der Überschreitung des zeitlichen Rahmens eines Visums bedurft hätte. Folglich reist ein Staatsangehöriger eines der in Anhang II der EG-VisaVO genannten Staaten unerlaubt ein, wenn er bereits bei der Einreise die Absicht hat, sich länger als drei Monate im Bundesgebiet oder im Gebiet der Anwenderstaaten aufzuhalten (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 23.09.2013 – 3 Bs 131/13 –, AuAS 2013, 242, RdNr. 16 in juris; BayVGH, Beschl. v. 21.06.2013 – 10 CS 13.1002 –, juris, RdNr. 13; VGH BW, Beschl. v. 14.09.2011 – 11 S 2438/11 – AuAS 2011, 256 [258], RdNr. 8 in juris; Nr. 14.1.2.1.1.7.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum AufenthG vom 26.10.2009 [GMBl S. 877 ff.]; Funke/Kaiser, in: GK Aufenthaltsgesetz, Stand Dezember 2012, § 14 Rn. 14 ff.; Renner, AufenthG, 9. Aufl., § 14 Rn. 13; a.A.: Hailbronner, AufenthG, Stand November 2011, § 14 RdNr. 16 ff.). Die Kläger haben die Annahme der Behörden, dass eine solche unerlaubte Einreise stattgefunden hat und damit § 15a AufenthG zu Recht angewendet wurde, nicht angegriffen. Auch sind sie bei dem von ihnen gestellten Antrag auf Umverteilung nach § 15a Abs. 5 AufenthG vom 10.07.2012 davon ausgegangen, dass sie zu dem von § 15a AufenthG erfassten Personenkreis gehören.

8

Geht es um eine länderübergreifende Umverteilung auf der Grundlage des § 15a Abs. 5 AufenthG, ergeben sich besondere rechtliche Schwierigkeiten auch nicht in Bezug auf die Frage, welche Behörde für die insoweit zu treffende Entscheidung zuständig ist. Zuständig ist die Behörde des Landes, in welches der Zuzug begehrt wird (OVG BBg, Urt. v. 09.04.2014 – OVG 3 B 33.11 – juris, RdNr. 21 ff.). In der zitierten Entscheidung hat das OVG BBg dazu Folgendes ausgeführt:

9

„Die mit dem Zuwanderungsgesetz vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) auf Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses (s. BT-Drs. 15/3479 S. 3) eingeführte Regelung des § 15a AufenthG geht auf einen Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen vom 31. Oktober 2000 zurück (BR-Drs. 706/00), der zum Ziel hatte, die bis dahin bestehende Regelungslücke zu schließen, welche für unerlaubt eingereiste Ausländer bestand, die keinen Asylantrag gestellte hatten (BR-Drs. 706/00 S. 4). Der als § 56a AuslG vorgeschlagene Entwurf orientierte sich ausweislich seiner Begründung (BR-Drs. 706/00 S. 5) an den für die Verteilung von Asylbewerbern geltenden Vorschriften. § 56a Abs. 5 AuslG sah insoweit vor, dass Ausländer mit Erlaubnis „der zuständigen Behörden“ nach der Verteilungsentscheidung Wohnsitz in einem anderen Land nehmen konnten. In der Entwurfsbegründung heißt es hierzu: „Abs. 5 trägt dem Umstand Rechnung, dass sich nach der Verteilungsentscheidung die Notwendigkeit einer ‚Umverteilung‘ ergeben kann. Die möglichen Gründe für die von der zuständigen Behörde des aufnehmenden Landes im Einvernehmen mit der zuständigen Behörde des abgebenden Landes zu treffende Entscheidung sind in § 51 Abs. 1 AsylVfG benannt.“ § 51 AsylVfG in der zum Zeitpunkt des Entwurfs geltenden Fassung ermöglichte eine länderübergreifende Umverteilung, bei welcher der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie Eltern und ihren minderjährigen ledigen Kindern oder sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht Rechnung zu tragen war. Zuständig für die Entscheidung war und ist die zuständige Behörde des Landes, für das der weitere Aufenthalt beantragt ist (§ 51 Abs. 2 AsylVfG).

10

Der von dem Bundesrat beschlossene Gesetzentwurf wurde von diesem im Februar 2001 unverändert in den Bundestag eingebracht (BT-Drs. 14/5266). Ca. ein Jahr später brachte die Bundesregierung - als Teil des Entwurfs des Zuwanderungsgesetzes - unter Bezugnahme auf § 56a AuslG sowie zwischenzeitlich in die Diskussion eingebrachte Anregungen zu einer Änderung den Entwurf als § 15a AufenthG in den Bundestag ein (BT-Drs. 14/7987 S. 8 f.). Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 15a Abs. 1 Satz 6 und Abs. 5 des Entwurfs stimmen mit der heute geltenden Fassung des § 15a AufenthG überein.

11

Unter Zugrundelegung der Entstehungsgeschichte des § 15a AufenthG ist die Entscheidung über einen nach § 15a AufenthG gestellten Umverteilungsantrag von der zuständigen Behörde des Landes zu treffen, in welches der Zuzug begehrt wird. Dies hob das Land NRW in seiner durch die nachfolgenden Änderungen nicht modifizierten Begründung zu § 56a Abs. 5 AuslG ausdrücklich hervor. Dieses Normverständnis ist mit dem Wortlaut vereinbar und entspricht der insoweit unverändert fortgeltenden Regelung des § 51 Abs. 2 AsylVfG, welcher die ausländerrechtliche Regelung über die Umverteilung unerlaubt eingereister Ausländer i.S.d. § 15a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nachgebildet ist. Anders als bei der asylverfahrensrechtlichen Umverteilung ist allerdings die Entscheidung im Einvernehmen mit der zuständigen Behörde des abgebenden Landes zu treffen. Dieses Erfordernis ist in der Begründung des Entwurfs des § 56a AuslG zu dessen Absatz 5 ausdrücklich angesprochen worden. Mit ihm wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Ausländer von der Quote des abgebenden Landes abgezogen wird, wie dies die Anrechnungsregelung der Ursprungsfassung sowie nunmehr § 15a Abs. 5 Satz 2 AufenthG vorsehen. Dies entspricht dem sich durch alle Gesetzesbegründungen ziehenden Sinn und Zweck der als § 15a AufenthG beschlossenen Regelung, eine möglichst gleichmäßige Verteilung der durch die Aufnahme unerlaubt eingereister Ausländer entstehenden Lasten zu erreichen (vgl. hierzu: BR Drs. 406/00 S. 4; BT-Drs. 14/5226 S. 6; BT-Drs. 14/7987 S. 9; BT-Drs. 15/955 S. 11; BT-Drs. 15/3479 S. 3). Dieses Normverständnis spiegelt sich auch in dem Wortlaut des § 15a Abs. 5 AufenthG wider, demzufolge „die zuständigen Behörden“ die Umverteilung erlauben können.

12

Nach alledem enthält § 15a Abs. 5 AufenthG eine Regelung über die Verbandskompetenz, so dass für eine entsprechende Anwendung des § 3 VwVfG kein Raum besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 1 C 5.11 –, juris Rn. 17).“

13

Diese Erwägungen hält der Senat für überzeugend.

14

Soweit über den Anwendungsbereich des § 15a AufenthG hinaus – konkurrierend – eine Abweichung von der räumlichen Beschränkung gemäß § 61 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Satz 3 AufenthG zur Aufrechterhaltung der Familieneinheit in Betracht kommt, die allerdings im Antragsschreiben der Kläger vom 10.07.2012 nicht erwähnt wurde, ist dagegen eine Zuständigkeit des Beklagten gegeben. Insoweit gilt die allgemeine Zuständigkeitsregelung nach § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG, wonach diejenige Behörde örtlich zuständig ist, in deren Bezirk die Person ihren „gewöhnlichen Aufenthalt" hat oder zuletzt hatte. In Anlehnung an die Definition des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Bei Ausländern setzt die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts voraus, dass das nicht nur vorübergehende Verweilen nach den Vorschriften des Ausländerrechts zulässig ist; verlässt der Ausländer den ihm zugewiesenen Aufenthaltsbereich, kann er einen gewöhnlichen Aufenthalt an einem anderen Ort nur dann begründen, wenn dies mit Billigung der Ausländerbehörde geschieht (Urt. d. Senats v. 15.05.2014 – 2 L 136/12 –, AuAS 2014, 151, RdNr. 24 f., m.w.N.). Da die Kläger aufgrund ihrer Zuweisung an den Beklagten und der räumlichen Beschränkung in der Duldung verpflichtet sind, ihren Wohnsitz im Gebiet des Beklagten zu nehmen, ist dieser für eine Entscheidung nach § 61 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Abs. 3 AufenthG die örtlich zuständige Behörde.

15

Unklar ist die Rechtslage im vorliegenden Fall auch nicht im Hinblick auf die Frage, ob im Falle einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bei Vorliegen dringender persönlicher, insbesondere familiärer Gründe die Erteilung einer weiteren Duldung (sog. Zweitduldung) durch die Ausländerbehörde, in deren Zuständigkeitsbereich der Ausländer seinen Wohnsitz verlegen will, in Betracht kommt (vgl. dazu Beschl. d. Senats v. 05.04.2006 – 2 M 126/06 –, juris, RdNr. 3, m.w.N.). Mit der am 26.11.2011 in Kraft getretenen Bestimmung des § 61 Abs. 1 Satz 4 AufenthG hat der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen, die es erlaubt, aus familiären Gründen von der räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG abzuweichen. Durch diese Regelung wird die Ausländerbehörde am Wohnsitz des Ausländers nunmehr grundsätzlich in die Lage versetzt, die räumliche Beschränkung auf einen anderen Ort zu erweitern (vgl. OVG BBg, Beschl. v. 12.06.2013 – 3 S 32.13 –, juris, RdNr. 2). Die Frage, ob darüber hinaus die Erteilung einer Zweitduldung (noch) in Betracht kommt, um einen dauerhaften landerübergreifenden Wohnsitzwechsel zu ermöglichen, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Kommt – wie hier – § 15a AufenthG zur Anwendung, kann den Gewährleistungen des Art. 6 GG, Art 8 EMRK durch § 15a Abs. 1 Satz 6, Abs. 5 Satz 1 AufenthG hinreichend Rechnung getragen werden (vgl. OVG BBg, Urt. v. 09.04.2014, a.a.O., RdNr. 20).

16

1.2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

17

Dieser Zulassungsgrund verlangt, dass eine konkrete, aber generalisierbare, aus Anlass dieses Verfahrens zu beantwortende, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausreichende Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, die um der Einheitlichkeit der Rechtsprechung willen der Klärung bedarf und noch nicht (hinreichend) geklärt worden ist. Die Frage muss für eine Vielzahl, jedenfalls Mehrzahl von Verfahren bedeutsam sein; jedoch reicht allein der Umstand nicht aus, dass der Ausgang des Rechtsstreits auch für andere Personen von Interesse sein könnte oder sich vergleichbare Fragen in einer unbestimmten Vielzahl ähnlicher Verfahren stellen (vgl. Beschl. d. Senats v. 23.04.2010 – 2 L 148/09 –, Juris). Die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass der Rechtsmittelführer konkret auf die Rechts- oder Tatsachenfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.06.2006 – 5 B 99.05 –, Juris, m.w.N.).

18

Diesen Anforderungen wird die Zulassungsschrift nicht gerecht. Die Kläger halten für klärungsbedürftig, „auf welcher Rechtsgrundlage und in welchen Verfahren wie die länderübergreifende Umverteilung von geduldeten Ausländern vorzunehmen ist“. Diese Frage lässt sich indes nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise beantworten, sondern hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere auch vom Aufenthaltsstatus des betroffenen Ausländers und den Gründen, aus denen eine „Umverteilung“ begehrt wird.

19

2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil er keinen Sachantrag gestellt und sich so auch nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.

20

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG

21

4. Die beantragte Prozesskostenhilfe kann nicht gewährt werden, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO).


Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- EUR festgesetzt.


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Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Ziffer 1 der Verfügung der Beklagten vom 23.06.2015 und der sie betreffende Teil des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 20.09.2016 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Kläger wenden sich gegen ihre Ausweisung, die Aufforderung zur Ausreise sowie die Androhung der Abschiebung.
Die Kläger sind türkische Staatsangehörige. Die Klägerin zu Ziffer 1 ist seit dem 23.08.2012 mit Herrn XXX (nachfolgend: Ehemann) verheiratet. Dieser reiste aus Italien, wo er die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehatte, am 10.01.2013 in das Bundesgebiet ein. Er war zunächst in der XXX in XXX gemeldet. Am 01.04.2014 erhielt er erstmals eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG, die zunächst bis zum 30.09.2014 befristet war und die ihm die Aufnahme einer Beschäftigung unter Auflagen gestattete. Seit dem 08.07.2014 ist er in der XXX in XXX gemeldet. Er gab in seinem Antrag vom 24.09.2014 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an, dass sich seine Familie noch in der Türkei aufhalte. Auf Antrag vom 04.09.2015 wurde die Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG zuletzt bis zum 30.09.2017 verlängert und dem Ehemann war weiterhin die (nichtselbständige) Beschäftigung gestattet. Derzeit hat der Ehemann keine Aufenthaltserlaubnis mehr, sondern besitzt lediglich eine Fiktionsbescheinigung.
Die Klägerin zu Ziffer 1 meldete sich am 10.04.2015 mit ihren beiden am XXX und am XXX geborenen Kindern, den Klägern zu Ziffern 2, in Mannheim unter derselben Anschrift wie ihr Ehemann an. In der Anmeldung vom 10.04.2015 gab sie im Feld „Bei Zuzug aus dem Ausland, letzte Anschrift im Bundesgebiet“ „Türkei“ an. In einer am 28.05.2015 eingeholten Einwohnerauskunft ist als „Wohnort“ in der Rubrik „Ziel- und Herkunftswohnung“ „Republik Türkei“ angegeben. Eine Nachprüfung der Beklagten in der Visa-Datei des Ausländerzentralregisters ergab, dass die Kläger bei ihrer Einreise kein nationales deutsches Visum und kein Schengen-Visum besaßen.
Mit Schreiben vom 29.05.2015 teilte die Beklagte dem Polizeipräsidium XXX den Verdacht eines Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz wegen unerlaubter Einreise bzw. Aufenthalts im Sinne des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG mit.
Mit Schreiben vom 01.06.2015 forderte die Beklagte die Klägerin zu Ziffer 1 auf, mit ihrem Pass und den Pässen ihrer Kinder, den Einreisevisa sowie eventuell vorhandenen italienischen Aufenthaltserlaubnissen bis spätestens 08.06.2015 bei der Beklagten vorzusprechen. Sie teilte mit, dass anderenfalls beabsichtigt sei, die Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufzufordern. Sie gab Gelebenheit zur Stellungnahme bis zum 17.06.2015.
Am 11.06.2015 wurde der Beklagten ein türkischer Pass der Klägerin zu Ziffer 1 vorgelegt. Darin befand sich ein Visum vom Typ D für Italien mit Gültigkeit vom 05.03.2015 bis zum 11.03.2016. Als Vermerk war „Motivi Familiari“ eingetragen. Zugleich wurde ein italienisches Dokument vorgelegt. Aus einer später angefertigten Übersetzung ergab sich, dass es sich um eine „Bestätigung zur Vorladung für elek-tronische Aufenthaltstitel“ handelt. Dem Dokument ließ sich entnehmen, dass am 25.03.2015 in Italien eine Aufenthaltserlaubnis beantragt wurde. Am gleichen Tag wurde eine Gebühr für die elektronische Aufenthaltserlaubnis in Höhe von 107,50 EUR entrichtet.
Mit Verfügung vom 23.06.2015 wies die Beklagte die Klägerin zu Ziffer 1 aus der Bundesrepublik aus (Ziffer 1 Satz 1) und befristete die Wirkung der Ausweisung auf zwei Jahre nach erfolgter Ausreise (Ziffer 1 Satz 2). Sie forderte die Kläger zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung der Verfügung auf (Ziffer 2). Für den Fall einer nicht fristgerechten Ausreise drohte sie den Klägern die Abschiebung in die Türkei an und wies daraufhin, dass sie auch in einen anderen Staat abgeschoben werden könnten, in den sie einreisen dürften oder der zu ihrer Rücknahme verpflichtet sei (Ziffer 3). Sie wies weiter darauf hin, dass, sollte eine freiwillige Ausreise nicht erfolgen und eine Abschiebung notwendig werden, dies eine Einreisesperre nach § 11 AufenthG zur Folge habe (Ziffer 4 Satz 1). Diese Sperrwirkung befristete sie auf zwei Jahre nach erfolgter Abschiebung (Ziffer 4 Satz 2). Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen einer Ausweisung gemäß § 55 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (jeweils alter Fassung) vorlägen. Eine Ausweisung könne erfolgen, wenn der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtige. Insbesondere könne ausgewiesen werden, wer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen habe. Von einem solchen nicht nur geringfügigen Verstoß gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen sei hier auszugehen. Gemäß § 4 AufenthG benötigten Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet einen Aufenthaltstitel. Einen solchen besäßen die Kläger jedoch nicht und sie seien von dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels auch nicht befreit gewesen. Damit sei der Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG verwirklicht. Die Kläger genössen keinen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG (alter Fassung), da die dort aufgeführten Voraussetzungen nach Aktenlage nicht erfüllt seien. Die Ausweisung stünde im Ermessen der Beklagten, wobei die in § 55 Abs. 3 AufenthG normierten Gründe zu berücksichtigen seien. Die Ausweisung sei aus spezial- und generalpräventiven Gründen zu verfügen und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich. Durch die Einreise bzw. den Aufenthalt ohne Visum bzw. Aufenthaltstitel habe die Klägerin zu Ziffer 1 zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit sei, die bestehenden Gesetze der Bundesrepublik Deutschland zu beachten. Auch wenn sie hier bislang nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, liege aufgrund der verwirklichten Straftatbestände eine für die Ausweisung ausreichende Wiederholungsgefahr vor. Daneben sei die Ausweisung aus generalpräventiven Gründen geboten. Es entspreche dem in § 55 Abs. 1 AufenthG enthaltenen ordnungsrechtlichen Zweck, durch die Ausweisung straffällig gewordener Ausländer andere von der Begehung gleichartiger Taten abzuhalten. Auch wenn der Verstoß gegen ausländerrechtliche Vorschriften und damit im Zusammenhang stehende Straftaten im Einzelfall möglicherweise nicht so schwer wiegen würde, könne dies aus generalpräventiven Gründen dahinstehen. Es würde sich im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten rasch herumsprechen, wenn sie entsprechende Verstöße nicht unnachsichtig ahnde. Nur eine konsequent durchgeführte Ausweisungspraxis sei geeignet, andere Ausländer von einem ähnlichen Verhalten abzuschrecken. Die Ausweisung sei auch verhältnismäßig. Schutzwürdige familiäre oder sonstige Belange lägen nicht vor. Zwar lebe der Ehemann der Klägerin zu Ziffer 1 im Bundesgebiet, die eheliche Lebensgemeinschaft könne aber in der Türkei oder Italien hergestellt werden. Nach Ablauf der Einreisesperre sei auch ein Familiennachzug möglich. Gründe, die gegenüber dem öffentlichen Interesse zu einem Absehen von der Ausweisung führen könnten, seien nicht ersichtlich. Die Ausweisung sei demnach unter Berücksichtigung der in § 55 Abs. 3 AufenthG normierten Gründe gerechtfertigt und verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Wirkung der Ausweisung sei auf die Regelfrist von zwei Jahren befristet worden, da kein Grund für eine kürzere Frist erkennbar sei.
Gegen diese Verfügung legte die Klägerin zu Ziffer 1 am 01.07.2015 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus: Die Kläger seien nicht aus der Türkei, sondern aus Italien eingereist. Am 09.04.2015 habe die Klägerin zu Ziffer 1 bei der für sie zuständigen Ausländerbehörde in Italien vorgesprochen. Sie habe eine Aufenthaltserlaubnis erhalten bzw. mündlich zugesichert bekommen. Sie sei für den 09.04.2015 zur Beantragung der elektronischen Aufenthaltserlaubnis vorgeladen worden. Ihr sei nach Entrichtung der Gebühr in Höhe von 107,50 EUR mündlich eine Aufenthaltserlaubnis von einem Jahr erteilt worden. Damit sei der Besitz eines Aufenthaltstitels nachgewiesen. Selbst wenn man die Ansicht vertrete, die Kläger seien am 09.04.2015 noch nicht im Besitz einer italienischen Aufenthaltserlaubnis gewesen, könne man der Klägerin zu Ziffer 1 das nicht vorhalten. Ihr sei nämlich bei der Vorsprache am 09.04.2015 erklärt worden, dass sie eine Aufenthaltserlaubnis erhalte und sie ab sofort mit dem ihr gegebenen Beleg auch in Europa reisen dürfe. Die Ausweisung sei daher jedenfalls unverhältnismäßig. Die Kläger kündigten an, nach Italien ausreisen zu wollen, um sodann bei der deutschen Auslandsvertretung einen Visumantrag zum Familiennachzug zu stellen. Sie baten um Verlängerung der Ausreisefrist bis zum 10.07.2015, dem die Beklagte mit Schreiben vom 02.07.2015 zustimmte.
Am 16.07.2015 legten die Kläger der Beklagten ihre italienischen Aufenthaltserlaubnisse vor. Auf der Aufenthaltskarte der Klägerin zu Ziffer 1 ist neben dem Eintrag „LUOGO DI RILASCIO E DATA DI INIZIO DELLA VALIDITA“ folgender Vermerk vorhanden: „LI 25.03.2015“. Auf den Aufenthaltskarten der Kläger zu Ziffer 2 und 3 findet sich jeweils unter dem Eintrag „LUOGO E DATA DI RILASCIO“ folgender Vermerk: „LI 25-03-2015“.
10 
Mit Schreiben vom 24.07.2015 teilten die Kläger mit, dass sie am 08.07.2015 aus dem Bundesgebiet ausgereist und nach Italien eingereist seien.
11 
Mit Schreiben vom 11.08.2015 fragte die Staatsanwaltschaft XXX bei der Beklagten an, ob diese Bedenken gegen eine mögliche Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen die Klägerin zu Ziffer 1 wegen eines Vergehens nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG [gemeint wohl: § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG] wegen Geringfügigkeit habe. Daraufhin teilte die Beklagte mit Schreiben vom 03.09.2015 der Staatsanwaltschaft XXX mit, dass sie Bedenken gegen die Einstellung des Verfahrens habe und ihre Anzeige auf § 95 Abs. 2 Nr. 1 a) und b) AufenthG erweitere.
12 
Am 04.09.2015 beantragte die Klägerin zu Ziffer 1 für sich und ihre Kinder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU. Im Antrag beantwortete sie die – auch in türkischer Übersetzung vorliegende – Frage „Wurden Sie aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen oder abgeschoben oder ist ein Antrag auf Aufenthaltstitel abgelehnt oder eine Einreise in die Bundesrepublik Deutschland verweigert worden?“ mit „nein/no/non/hayir“.
13 
Mit Schreiben vom 04.09.2015 teilte die Beklagte der Staatsanwaltschaft XXX mit, dass der Straftatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG verwirklicht worden sei, da die Klägerin zu Ziffer 1 in ihrem Antrag vom 04.09.2015 falsche Angaben gemacht habe. Es liege der Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 1 a) AufenthG (alter Fassung) vor.
14 
Mit Schreiben vom 25.11.2015 teilte die Staatsanwaltschaft XXX der Beklagten mit, dass mit Verfügung vom 24.11.2015 das Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin zu Ziffer 1 hinsichtlich des Verdachts der falschen Angaben im Antrag vom 04.09.2015 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Der erforderliche Vorsatz könne der Beschuldigten nicht nachgewiesen werden. Wegen der Wiedereinreise zwischen dem 08.07.2015 und dem 16.07.2015 sei unter dem 25.11.2015 ein Strafbefehl beantragt worden. Gegen den am 14.12.2015 durch das Amtsgericht XXX erlassenen Strafbefehl - 12 Cs 705 Js 23726/15 - legte die Klägerin zu Ziffer 1 Einspruch ein. Daraufhin wurde das Verfahren gemäß § 153 Abs. 2 StPO am 24.05.2016 eingestellt.
15 
Mit an die Klägerin zu Ziffer 1 adressiertem Schreiben vom 29.01.2016 hob die Beklagte den Sofortvollzug in Ziffer 5 der Verfügung vom 23.06.2015 auf.
16 
Am 22.06.2016 haben die Kläger (Untätigkeits-)Klage erhoben. Sie führten zur Begründung aus, dass der Ehemann der Klägerin zu Ziffer 1 assoziationsberechtigt sei und die Kläger daher nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16.09.2015 - 11 S 1711/15 - kein Visum zur Einreise in das Bundesgebiet benötigt hätten.
17 
Mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums XXX vom 20.09.2016 wurde der Widerspruch gegen die Verfügung vom 23.06.2015 zurückgewiesen. Zur Begründung heißt es unter anderem: Es liege ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorliege. Die Klägerin zu Ziffer 1 sei mit ihren Kindern ohne das für den Aufenthalt erforderliche Visum in das Bundesgebiet eingereist und habe damit den Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AufenthG erfüllt. Zwar hätten die Kläger am 25.03.2015 in Italien eine Aufenthaltserlaubnis beantragt, diese hätten sie zum Zeitpunkt der Einreise am 10.04.2015 jedoch noch nicht erhalten. Das italienische Visum und die italienische Aufenthaltserlaubnis seien im Frühjahr 2015 zum Zweck der Familienzusammenführung eingeholt worden. Eine Familienzusammenführung habe in Italien aber nicht stattfinden können, da sich der Ehemann der Klägerin zu Ziffer 1 bereits seit dem 10.01.2013 im Bundesgebiet aufhalte. Das lege den Schluss nahe, dass die Einholung des nationalen italienischen Visums und des italienischen Aufenthaltstitels nur zum Zwecke der Durchreise in die Bundesrepublik Deutschland erfolgt sei. Das Erfordernis eines Aufenthaltstitels oder eines nationalen Visums gelte nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nur, sofern nicht unter anderem durch das Recht der Europäischen Union etwas anderes bestimmt sei. Eine solche Bestimmung enthalte Art. 21 SDÜ. Die sich aus dieser Vorschrift ergebende Visafreiheit bestehe aber nicht, wenn der Aufenthalt von Anfang an dazu diene, einen Aufenthaltstitel für den Familiennachzug zu beantragen und so von vornherein ein Daueraufenthalt im Bundesgebiet bezweckt sei. Das gelte auch dann, wenn ein Drittausländer nicht schon wegen seiner Staatsangehörigkeit zum visumfreien Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei, sondern erst aufgrund eines von einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels in Verbindung mit Art. 21 SDÜ. Dies entspreche auch dem Sinn der Norm, denn Art. 21 SDÜ solle den vorübergehenden Aufenthalt erleichtern und nicht einen Daueraufenthalt erlauben und somit das Visasystem obsolet werden lassen. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Sinne von § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG sei daher ausgeschlossen, wenn der Aufenthalt des Ausländers so angelegt gewesen sei, dass es eines Visums bedurft hätte. So liege der Fall hier. Es sei nie eine Familienzusammenführung in Italien beabsichtigt gewesen. Das nationale italienische Visum sei nur beantragt worden, um der deutschen Visapflicht zu entgehen. Die Kläger seien auch nicht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19.09.1980 über die Entwicklung der Assoziation (nachfolgend: ARB 1/80) zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei von der Visumpflicht befreit. Der Beschluss ARB 1/80 sehe selbst keine visumfreie Einreise vor. Diese ergebe sich auch nicht aus der in Art. 13 ARB 1/80 enthaltenen sogenannten „Stand-Still-Klausel“. Nach dieser Regelung dürften Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung im jeweiligen Hoheitsgebiet ordnungsgemäß seien, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zuzug zum Arbeitsmarkt einführen. Diese Klausel sei am 01.12.1980 in Kraft getreten. Nach § 5 Abs. 1 der Durchführungsverordnung zum Ausländergesetz in der Fassung vom 25.06.1985 (nachfolgend: DV-AuslG) seien türkische Staatsangehörige nur dann vor der Einreise zur Einholung einer Aufenthaltserlaubnis in der Form eines Sichtvermerks verpflichtet gewesen, wenn sie eine Erwerbstätigkeit ausüben wollten, nicht dagegen, wenn ein Familiennachzug beabsichtigt war, was sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 DV-AuslG ergebe. Erst durch Art. 1 der 11. Verordnung zur Änderung der Durchführungsverordnung AuslG vom 01.07.1980 sei mit Wirkung vom 06.10.1980 die Sichtvermerkpflicht für die Türkei eingeführt worden. Dies sei jedoch vor Inkrafttreten der „Stand-Still-Klausel“ erfolgt, weshalb diese nach ihrem Wortlaut auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden sei. Soweit der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 16.09.2015 - 11 S 1711/15 - entschieden habe, dass aufgrund der „Stand-Still-Klausel“ in Art. 13 ARB 1/80 beim Familiennachzug türkischer Arbeitnehmer keine Visumpflicht bestehe, könne dem nicht gefolgt werden. Die vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommene Auslegung überdehne den Anwendungsbereich des Art. 13 ARB 1/80. Das im Rahmen des Flüchtlingszuzugs verhandelte Rücknahme-/Einreiseabkommen zwischen der Türkei und der EU und die in diesem Zusammenhang geplante Visafreiheit, welche nur unter bestimmten Bedingungen stattfinden solle, zeige, dass die Vertragsparteien derzeit selbst nicht von einer allgemeinen Visafreiheit ausgehen würden. Zudem habe das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 06.11.2014 – 1 C 4.14 – zurecht festgestellt, dass selbst dann, wenn die „Stand-Still-Klausel“ greifen würde, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses die Anwendung der Klausel eingeschränkt werden könne, wenn dies verhältnismäßig sei. Ein aufenthaltsrechtlicher Erlaubnisvorbehalt sei verhältnismäßig, um eine wirksame präventive Zuwanderungskontrolle gewährleisten zu können. Die Abwägung des Ausweisungsinteresses gegenüber dem Bleibeinteresse der Kläger falle hier zugunsten des Ausweisungsinteresses aus, zumal die Kläger die Möglichkeit hätten, auf legalem Wege im Zuge des Familiennachzugs in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen. Das erforderliche Visum habe die Klägerin zu Ziffer 1 für sich und ihre Kinder bewusst nicht eingeholt. Die Ausweisung sei auch verhältnismäßig, da ein besonderes Interesse der Bundesrepublik Deutschland daran bestehe, den Zuzug aus Staaten, deren Staatsangehörige für den Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland eines Visums bedürfen, einer geordneten Regelung zuzuführen. Dieses Bedürfnis wiege schwerer als die visumfreie Einreise.
18 
Mit Schriftsatz vom 27.09.2016 haben die Kläger die Fortführung ihrer Klage unter Einbeziehung des Widerspruchsbescheids vom 20.09.2016 erklärt. Sie tragen zur Begründung vor, dass die Ausweisung ohne Rechtsgrundlage erfolgt sei. Die Kläger hätten zum Zeitpunkt ihrer Ersteinreise jeweils über vom 05.03.2015 bis zum 11.03.2016 gültige italienische Aufenthaltserlaubnisse verfügt. Unerheblich sei, ob diese ihnen rechtmäßig erteilt worden seien. Jedenfalls seien sie wirksam und gültig gewesen. Die Kläger hätten sich somit gemäß Art. 21 SDÜ für drei Monate erlaubt im Bundesgebiet aufhalten dürfen. Dass die Kläger aus der Türkei eingereist seien, treffe nicht zu. Die Einreise sei aus Italien erfolgt. Im Übrigen würden die Bleibeinteressen der Kläger überwiegen. Diese hätten ein Interesse daran, die Familieneinheit in Deutschland herzustellen, da dem Ehemann der Klägerin ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht zustehe.
19 
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Ziffern 2 bis 4 ihrer Verfügung vom 23.06.2015 aufgehoben. Die Beteiligten haben insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
20 
Die Kläger beantragen,
21 
die Ziffer 1 der Verfügung der Beklagten vom 23.06.2015 und den sie betreffenden Teil des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 20.09.2016 aufzuheben,
22 
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über die Dauer der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer 1 Satz 2 der Verfügung vom 23.06.2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
23 
Die Beklagte beantragt,
24 
die Klage abzuweisen.
25 
Sie bezieht sich zur Begründung ihres Antrags auf ihre Verfügung vom 23.06.2015 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 20.09.2016 und führt ergänzend aus, dass die Einreise der Kläger unerlaubt erfolgt sei und ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG vorliege. Die Einreise sei nicht auf der Grundlage des Art. 21 SDÜ erlaubt gewesen, da die Kläger aus der Türkei eingereist seien und ein Daueraufenthalt zum Familiennachzug beabsichtigt gewesen sei. Auf § 38a AufenthG könnten sich die Kläger ebenfalls nicht berufen, da sie die dazu erforderlichen Aufenthaltstitel für einen Daueraufenthalt nicht besäßen. Auch der Umstand, dass der Ehemann der Klägerin zu Ziffer 1 assoziationsberechtigt sei, erlaube den Klägern keine visumfreie Einreise in das Bundesgebiet. Gegenüber dem schwerwiegenden Ausweisungsinteresse müsse das Bleibeinteresse der Kläger zurückstehen. Die Familieneinheit mit dem Ehemann könne auch in der Türkei hergestellt werden. Zu berücksichtigen sei außerdem, dass sich die Klägerin zu Ziffer 1 während des gesamten Verwaltungsverfahrens nicht gesetzeskonform verhalten und durchgehend zu erkennen gegeben habe, dass sie nicht bereit sei, die deutsche Rechtsordnung zu beachten.
26 
Dem Gericht liegen die die Kläger und den Ehemann der Klägerin zu Ziffer 1 betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten und die Widerspruchsakte des Regierungspräsidiums XXX, die Gerichtsakte im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (1 K 4404/15) sowie die Gerichtsakte des Amtsgerichts XXX (12 Cs 705 Js 23726/15 jug.) vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
27 
Soweit die Beteiligten hinsichtlich der Ziffern 2 bis 4 der angegriffenen Verfügung vom 23.06.2015 nach deren Aufhebung durch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
28 
Im Übrigen ist die Klage der Klägerin zu Ziffer 1 begründet, da die Ziffer 1 der Verfügung der Beklagten vom 23.06.2015 und der sie betreffende Teil des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums XXX vom 20.09.2016 rechtswidrig sind und die Klägerin zu Ziffer 1 in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29 
1. Rechtliche Grundlage der verfügten Ausweisung ist § 53 Abs. 1 i.V.m. § 54 Abs. 2 Nr. 8 a), Nr. 9 AufenthG in der im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gültigen Fassung (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.01.2009 – 1 C 2. 08 -, juris Rn. 12; VGH-Baden-Württemberg, Urteil vom 15.07.2009 – 13 S 2372/08 –, juris).
30 
Die Rechtsgrundlage ist anwendbar. Insbesondere steht Art. 13 ARB 1/80 ihrer Heranziehung nicht entgegen, da der mit der grundlegenden Neuregelung des Ausweisungsrechts durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.07.2015 (BGBl. I, S. 1386) einhergehende Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege (vgl. § 55 Abs. 2 in der Fassung vom 22.11.2011 – a.F. –) hin zu einer gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden Entscheidung ebenso wenig eine neue Beschränkung im Sinne der aus Art. 13 ARB 1/80 abgeleiteten sogenannten Stand-Still-Klausel des Assoziationsrechts ist wie die Gewichtung bestimmter in § 55 Abs. 2 AufenthG a.F. bereits aufgeführter Ausweisungsgründe in § 54 Abs. 2 Nr. 8 a) und Nr. 9 AufenthG (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.04.2016 – 11 S 393/16 –, juris Rn. 21 f. und Urteil vom 13.01.2016 – 11 S 889/15 –, juris Rn. 150 ff.; Kurzidem, in: BeckOK, Ausländerrecht, Stand: 01.11.2017, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 15 ff.; a.A. Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 68 ff.). Es bedarf daher keiner abschließenden Entscheidung, ob die Klägerin zu Ziffer 1 überhaupt schon zu dem von Art. 13 ARB 1/80 begünstigten Personenkreis gehört, wofür allerdings einiges spricht, weil ihr Ehemann im Bundesgebiet seit einigen Jahren ordnungsgemäß als Arbeitnehmer beschäftigt und die Klägerin zu Ziffer 1 dessen Familienangehörige im Sinne des Art. 13 ARB 1/80 sein dürfte (vgl. allgemein zum Anwendungsbereich Armbruster, in: HTK-AuslR, ARB 1/80 / Art. 13, Stand: 18.11.2016, Rn. 27 ff. und 57 ff.; Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, Rn. 66 ff.). Selbst wenn Art. 13 ARB 1/80 einer Anwendung der Vorschriften des neuen Ausweisungsrechts entgegenstünde, so führte dies zur Anwendbarkeit des von der Beklagten in ihrer Verfügung vom 23.06.2015 herangezogenen § 55 Abs. 1 AufenthG a.F. (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.01.2016 – 11 S 889/15 –, juris Rn. 150 ff. und Dienelt, in: a.a.O., Rn. 66 f.). Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift liegen jedoch ebenfalls nicht vor (dazu 2.5.3).
31 
2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 53 Abs. 1 i.V.m. § 54 Abs. 2 Nr. 8 a), Nr. 9 AufenthG liegen nicht vor. Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Bei der Abwägung sind gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. Dieser Grundtatbestand umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteresse ausdifferenziert werden.
32 
2.1 Ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 8 a) AufenthG liegt nicht vor.
33 
Das Ausweisungsinteresse wiegt gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 8 a) AufenthG schwer im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG, wenn der Ausländer – soweit hier relevant – in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden durchgeführt wurde, im In- oder Ausland falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels gemacht hat, soweit der Ausländer – wie hier – zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde (vgl. zum Belehrungserfordernis Bauer/Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 54 AufenthG Rn. 72).
34 
Die Klägerin zu Ziffer 1 hat in ihrem Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU vom 04.09.2015 bei der auch ins Türkische übersetzten Frage „Wurden Sie aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen oder abgeschoben oder ist ein Antrag auf Aufenthaltstitel abgelehnt oder eine Einreise in die Bundesrepublik Deutschland verweigert worden?“ das Feld „nein/no/non/hayir“ angekreuzt und damit, da sie mit (zu diesem Zeitpunkt noch) sofort vollziehbarer Verfügung vom 23.06.2015 ausgewiesen worden war, eine falsche Angabe gemacht. Über die Rechtsfolgen unrichtiger Angaben wurde sie belehrt.
35 
Zu einem schweren Ausweisungsinteresse führt diese objektiv falsche Angabe wegen der Besonderheiten im hier vorliegenden Einzelfall gleichwohl nicht (vgl. allgemein Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG / Abs. 2, Stand: 18.11.2016, Rn. 3). Der Antrag wurde – darauf deuten schon die unterschiedlichen Kugelschreiberfarben hin (schwarz: das Datum „04.09.2015“ neben „Eingang:“ und die Unterschrift der Klägerin zu Ziffer 1; blau: die übrigen Angaben im Antrag) – offenbar nicht von der Klägerin zu Ziffer 1 selbst ausgefüllt, sondern von einem Sachbearbeiter/einer Sachbearbeiterin der Beklagten. Die Beklagte hätte der Klägerin zu Ziffer 1 daher ihre die Ausweisung betreffende unrichtige Angabe vorhalten können. Es gibt nach Aktenlage indes keine Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Vorhalt erfolgt ist. Der unterlassene Vorhalt relativiert die Vorwerfbarkeit der falschen Angabe ebenso wie der Umstand, dass es der Klägerin zu Ziffer 1 zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht in erheblicher Weise vorgeworfen werden kann, wenn sie als juristischer Laie davon ausgegangen ist, die Ausweisung sei auf Grund des dagegen eingelegten Widerspruchs nicht anzugeben. Gegen ein schweres Ausweisungsinteresse spricht schließlich auch, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen der falschen Angabe nach § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts für eine Straftat nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG eingestellt worden ist.
36 
2.2 Ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor.
37 
Das Ausweisungsinteresse wiegt gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG schwer im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG, wenn der Ausländer unter anderem – soweit hier relevant – einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen hat. Diese Vorschrift ist dahin zu verstehen, dass ein Rechtsverstoß nur dann unbeachtlich ist, wenn er vereinzelt und geringfügig ist, andererseits aber immer dann beachtlich ist, wenn er vereinzelt, aber nicht geringfügig oder geringfügig, aber nicht vereinzelt ist. Geringfügigkeit ist kein absoluter Begriff, sondern erfordert eine wertende und abwägende Beurteilung, insbesondere der Begehungsweise, des Verschuldens und der Tatfolgen. Eine vorsätzlich begangene Straftat ist grundsätzlich nicht geringfügig (vgl. allgemein BVerwG, Urteil vom 24.09.1996 – 1 C 9.94 –, juris Rn. 19; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.07.2014 – 2 L 91/12 –, juris; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG / zu Abs. 2 Nr. 9, Stand: 18.11.2016, Rn. 27 ff.). Nur unter engen Voraussetzungen kann es bei vorsätzlich begangenen Straftaten Ausnahmefälle geben, in denen der Rechtsverstoß als geringfügig zu bewerten ist. Als geringfügige Verstöße kommen grundsätzlich Straftaten in Betracht, die zu einer Einstellung wegen Geringfügigkeit nach § 153 Abs. 2 StPO geführt haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2004 – 1 C 23.03 –, juris und Neidhardt, a.a.O., Rn. 34).
38 
2.2.1 Die Klägerin zu Ziffer 1 hat durch ihre Einreise am 10.04.2015 keinen Verstoß gegen Rechtsvorschriften im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG begangen.
39 
2.2.1.1 Es liegt keine strafbare unerlaubte Einreise nach § 14 Abs. 1 Nr. 2, 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG vor, da der Klägerin zu Ziffer 1 gemäß Art. 21 Abs. 1 und 2a SDÜ i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG die Einreise in das Bundesgebiet erlaubt war.
40 
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG benötigen Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet einen Aufenthaltstitel, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12.09.1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509; Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15.03.2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von der Visumpflicht befreit sind (vgl. Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 539/2001), müssen türkische Staatsangehörige wie die Klägerin zu Ziffer 1 (sog. „Anhang-I-Staater“) beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft im Besitz eines Visums sein.
41 
Zwar war die Klägerin zu Ziffer 1 nicht im Besitz eines Schengen-Visums (vgl. § 6 Abs. 1 und 2 AufenthG) oder eines nationalen Visums (vgl. § 6 Abs. 3 AufenthG), allerdings war ihr die Einreise in das Bundesgebiet aufgrund von Art. 21 Abs. 1 und 2a SDÜ gestattet.
42 
Gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ können Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Abs. 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.03.2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen. Das in Art. 21 Abs. 1 SDÜ festgelegte Recht auf freien Personenverkehr gilt gemäß Art. 21 Abs. 2a SDÜ auch für solche Drittausländer, die Inhaber eines von einem der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 18 SDÜ erteilten Visums für den längerfristigen Aufenthalt sind.
43 
Die Klägerin besaß zum Zeitpunkt ihrer Einreise ein vom 05.03.2015 bis zum 11.03.2016 gültiges italienisches Visum vom Typ D für einen Aufenthalt von mehr als 90 Tagen (Visum für den längerfristigen Aufenthalt) im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 SDÜ. Sie erfüllte auch die weiteren in Art. 21 Abs. 1 SDÜ normierten Voraussetzungen, insbesondere verfügte sie über einen gültigen Reisepass.
44 
Die Einreise der Klägerin zu Ziffer 1 war auch nicht deshalb unerlaubt, weil diese nicht bloß einen Kurzaufenthalt von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen plante, sondern zwecks Ehegatten- bzw. Familiennachzugs zu ihrem bereits in Deutschland lebenden Ehemann bzw. Vater der Kläger zu Ziffer 2 und 3 von vornherein einen Daueraufenthalt anstrebte. Der Umstand, dass die Klägerin zu Ziffer 1 gemäß §§ 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1, 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zu diesem Zweck ein nationales Visum benötigt hätte, führt nicht zu einer unerlaubten Einreise im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, sondern lediglich dazu, dass ihr die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG versagt werden kann.
45 
Diese Auslegung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG hat nicht nur die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 14 AufenthG (BT-Drs. 15/420, S. 73) auf ihrer Seite, in der es heißt, dass durch den Verweis in Nr. 2 auf die Erforderlichkeit des Aufenthaltstitels nach § 4 „[...] angesichts der unterschiedlichen Auffassung in Rechtsprechung und Lehre klargestellt werden [sollte], dass sich die Erforderlichkeit des Aufenthaltstitels nach objektiven Kriterien und nicht nach dem beabsichtigten Aufenthaltszweck bemisst“. Sie wird auch dem Zweck des § 14 AufenthG, nämlich der Sicherung der kontrollierten Einreise, gerecht. Schutzgegenstand des § 14 AufenthG ist die Unverletzlichkeit der Staatsgrenze; die Regelung steht im Zusammenhang mit – Entscheidungen anhand formaler, schnell und unzweideutig festzustellender Kriterien erfordernden – polizeilichen und strafrechtlichen (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) Maßnahmen zur Verhinderung oder Sanktionierung unerlaubter Grenzübertritte. Davon unabhängig zu sehen – und vom Schutzzweck des § 14 Abs. 1 AufenthG nicht primär erfasst – ist das Ziel der Einhaltung des Visumsverfahrens als Steuerungsinstrument einer geordneten Zuwanderung. Dieser Zielsetzung dient stattdessen § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, der zur Versagung des begehrten Aufenthaltstitels führt, wenn bei der Einreise kein dem aktuell verfolgten Aufenthaltszweck entsprechendes Visum vorlag (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11.01.2011 – 1 C 23/09 –, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.03.2006 – 11 S 1797/05 –, juris). Für die genannte Auslegung spricht ferner § 15 AufenthG. Diese Vorschrift begründet neben dem zwingenden Zurückweisungsgrund des Versuchs einer unerlaubten Einreise in Abs. 1 in Abs. 2 die Möglichkeit zur Zurückweisung unter anderem für den Fall, dass der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Der Ermächtigung zur fakultativen Zurückweisung in diesen Fällen bedürfte es nicht, wenn die Angabe eines falschen Aufenthaltszwecks (und hierunter lässt sich auch der Zweck eines vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts fassen) stets dazu führte, dass die Einreise unerlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist. Schließlich bekräftigt die 2013 ins Gesetz eingefügte Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG diese Auslegung. Aus § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG ergibt sich, dass auch derjenige, der mit einem durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkten Visum einreist, bis zu dessen Rücknahme oder Annullierung ein erforderliches Visum besitzt; würde man in diesem Fall bereits die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bejahen, wäre Nr. 2a überflüssig (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 13.06.2016 – 4 K 1497/15 –, juris Rn. 53 ff.; Winkelmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 14 AufenthG Rn. 9; Zeitler, in: HTK-AuslR, § 14 AufenthG / zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 20.01.2018, Rn. 11 ff.; a.A. Dollinger, in: BeckOK Ausländerrecht, Stand: 01.11.2016, § 14 AufenthG Rn. 11).
46 
Von dieser Auslegung geht auch das Bundesverwaltungsgericht für den Fall aus, dass der Ausländer mit einem Schengen-Visum für einen Kurzaufenthalt in das Bundesgebiet eingereist ist, obgleich er bereits zum Zeitpunkt der Einreise einen längerfristigen Aufenthalt angestrebt hat und infolgedessen eines nationalen Visums bedurft hätte (vgl. BVerwG, Urteile vom 11.01.2011 – 1 C 23/09 – und vom 16.11.2010 – 1 C 17/09 –, jeweils juris). Diese Auslegung muss darüber hinaus auch gelten, wenn ein Ausländer visumfrei in das Bundesgebiet eingereist ist (vgl. § 15 AufenthV, Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 539/2001 – EG-Visa-VO – und Art. 20 SDÜ). Anderenfalls würde ein durch die Visafreiheit privilegierter Ausländer schlechter behandelt, ohne dass dafür ein sachlicher Grund ersichtlich ist (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 13.06.2016 – 4 K 1497/15 –, juris Rn. 55 ff. m.w.N.; Zeitler, in: HTK-AuslR, § 14 AufenthG / zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 20.01.2018, Rn. 29 ff. m.w.N.). Dieser liegt insbesondere nicht in der auf geplante Aufenthalte von bis zu drei Monaten bzw. kurzfristige Aufenthalte beschränkten Rechtsetzungskompetenz der Europäischen Gemeinschaft (vgl. einerseits Art. 62 Nr. 2 lit. b) i) EGV bzgl. des visumfreien Aufenthalts geregelt in der EG-Visa-VO und Art. 62 Nr. 2 lit. b ii) EGV bzgl. sog. Schengen-Visa geregelt in der VO (EG) Nr. 810/2009 vom 13.07.2009 und andererseits Art. 77 Abs. 2 a) und c) AEUV). Denn diese besteht in beiden Fällen (visumpflichtiger bzw. von der Visumpflicht befreiter Ausländer) gleichermaßen und rechtfertigt mithin keine Ungleichbehandlung (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 13.06.2016 – 4 K 1497/15 –, juris Rn. 58 f. m.w.N.; a.A. VG Stuttgart, Beschluss vom 07.05.2014 – 5 K 4470/13 –, juris Rn. 7).
47 
Vor diesem Hintergrund reist ein Ausländer, der einen nationalen Aufenthaltstitel eines Schengen-Staates besitzt und zum Zeitpunkt der Einreise bereits die Absicht hat, länger als drei Monate in Deutschland zu bleiben, nicht unerlaubt ein (vgl. Zeitler, in: HTK-AuslR, Art. 21 SDÜ, Stand: 10.07.2017, Rn. 34; a.A. VG Stuttgart, Beschluss vom 07.05.2014 – 5 K 4470/13 –, juris Rn. 6 f.). Gemäß Art. 21 SDÜ i.V.m. Art. 5 Abs. 1 c) der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 muss der Ausländer zwar unter anderem den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen (vgl. auch Art. 6 Abs. 1 c) Schengener Grenzkodex – SGK –). Das führt aber aufgrund der oben beschriebenen gesetzlichen Systematik der §§ 14, 15 AufenthG nicht dazu, dass die Einreise bereits wegen der Absicht eines Daueraufenthalts ohne das Hinzutreten weiterer Umstände unerlaubt wäre. Der Ausländer kann allerdings, wenn er die Zwecke und die Umstände seines beabsichtigten Aufenthalts nicht zu belegen vermag oder Anhaltspunkte für einen beabsichtigten Daueraufenthalts bestehen, gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 2 und 3 AufenthG an der Grenze zurückgewiesen werden. Erst durch die (fakultative) Zurückweisung nach Prüfung der Einreisevoraussetzungen wird die dennoch erfolgte Einreise bzw. der (Dauer-)Aufenthalt unerlaubt. Diese Auslegung wird schließlich auch durch § 39 Abs. 1 Nr. 6 AufenthV gestützt. Danach kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn er einen von einem anderen Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel besitzt und auf Grund dieses Aufenthaltstitels berechtigt ist, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sind. Die Vorschrift legt es nahe, dass ein Ausländer, der über einen Aufenthaltstitel im Sinne des Art. 21 SDÜ verfügt, auch dann erlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG einreist, wenn er einen Daueraufenthalt – beispielsweise zum Zwecke des Ehegatten- oder Familiennachzugs – beabsichtigt (vgl. allgemein Samel, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 5 AufenthG Rn. 132 und Fehrenbacher, HTK-AuslR, § 39 AufenthV / zu Nr. 6, Stand: 23.10.2017, Rn. 3 f.). Der Anwendungsbereich der Vorschrift würde anderenfalls ausgehöhlt, da der Ausländer die Vergünstigung in § 39 Nr. 6 AufenthV faktisch nicht nutzen könnte, weil er dazu das Risiko eingehen müsste, sich wegen unerlaubter Einreise nach § 95 Nr. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG strafbar zu machen.
48 
2.2.1.2 Nach alledem war die Einreise der Klägerin zu Ziffer 1 am 10.04.2015 gemäß Art. 21 Abs. 1 und 2a SDÜ i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erlaubt. Die Klägerin durfte sich nach den genannten Vorschriften auch für 90 Tage bis zum 08.07.2015, dem Tag ihrer nach eigenen Angaben erfolgten Ausreise nach Italien, im Bundesgebiet aufhalten.
49 
2.2.2 Die Klägerin zu Ziffer 1 hat durch ihre nach eigenen Angaben erfolgte Wiedereinreise am 15.07.2015 einen nur vereinzelten und geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften, behördliche Entscheidungen und Verfügungen begangen, der kein schweres Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG begründet.
50 
2.2.2.1 Die Wiedereinreise der Klägerin zu Ziffer 1 am 15.07.2015 verstieß gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in der zum damaligen Zeitpunkt gültigen Fassung, welches wegen der mit Verfügung der Beklagten vom 23.06.2015 erlassenen Ausweisung bestand. Der gegen die Ausweisungsverfügung eingelegte Widerspruch der Klägerin zu Ziffer 1 vom 01.07.2015 führte wegen des angeordneten Sofortvollzugs nicht zu einer vorläufigen Wirksamkeits- oder Vollzugshemmung. Neben der Erlöschenswirkung des § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG traten damit trotz des eingelegten Widerspruchs auch alle weiteren Wirkungen der Ausweisung ein. Insbesondere galt das Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG a.F. mit Bekanntgabe der Verfügung gegenüber der Klägerin zu Ziffer 1 am 25.06.2015 (vgl. allgemein Armbruster, HTK-AuslR / § 84 AufenthG, Stand: 18.11.2016, Rn. 56). Es kann deshalb offenbleiben, ob daneben auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, der nicht für türkische Staatsangehörige gilt, die ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 ARB 1/80 oder Art. 7 ARB 1/80 besitzen, die Wirksamkeit der Ausweisung trotz eingelegtem Widerspruch bestehen ließ (vgl. allgemein Armbruster, HTK-AuslR, § 84 AufenthG, Stand: 18.11.2016, Rn. 59 ff.).
51 
Der Verstoß gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 AufenthG wiegt im hier vorliegenden Einzelfall allerdings nicht schwer. Die auf § 55 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F. gestützte Ausweisung war rechtswidrig und konnte keinen Bestand haben, da aus den unter 2.2.1 ausgeführten Gründen die Einreise der Klägerin zu Ziffer 1 am 10.04.2015 nicht unerlaubt war. Für die Geringfügigkeit des Verstoßes spricht als Indiz außerdem, dass das diesbezüglich eingeleitete strafrechtliche Verfahren durch das Amtsgericht XXX - 12 Cs 705 Js 23726/15 jug. - gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen Geringfügigkeit eingestellt worden ist.
52 
2.2.2.2 Es spricht viel dafür, dass die Wiedereinreise der Klägerin zu Ziffer 1 (am 15.07.2015) auch abgesehen von dem Verstoß gegen das Wiedereinreiseverbot des § 11 AufenthG nicht unerlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG war.
53 
Zwar berechtigten weder das italienische Visum noch der Besitz einer italienischen Aufenthaltserlaubnis die Klägerin zu 1 wegen des Erreichens der maximalen Aufenthaltsdauer von 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen, beginnend ab dem Zeitpunkt der Ersteinreise am 10.04.2015, zur Wiedereinreise in das bzw. zum Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Art. 21 Abs. 1 und 2a SDÜ i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Die Dauer des zulässigen Aufenthalts verlängerte sich insbesondere auch nicht dadurch, dass die Klägerin zu Ziffer 1 zum Zeitpunkt ihrer Wiedereinreise nunmehr neben einem italienischen Visum zusätzlich im Besitz einer italienischen Aufenthaltserlaubnis war. Dieser von Italien ausgestellte Aufenthaltstitel berechtigte gemäß § 21 Abs. 1 SDÜ ebenfalls nur zu einem Kurzaufenthalt im Bundesgebiet. Dem Sinn und Zweck des Art. 21 Abs. 1 SDÜ, der in Verbindung mit einem nationalen Aufenthaltstitel eines (anderen) Mitgliedsstaates nur Kurzaufenthalte gestattet, entspricht es, die Aufenthaltszeiten auf der Grundlage der in Art. 21 SDÜ genannten Aufenthaltstitel innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen zusammenzurechnen. Beurteilte man dies anders, wäre die Wiedereinreise der Klägerin schon aus diesem Grund erlaubt.
54 
Unabhängig davon ist mit Blick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Beschluss vom 16.09.2015 – 11 S 1711/15 –, juris) davon auszugehen, dass die Klägerin zu Ziffer 1 für den beabsichtigten Ehegattennachzug gemäß § 30 Abs. 1 AufenthG zu ihrem ordnungsgemäß beschäftigten türkischen Ehemann, der nach Aktenlage gemäß Art. 6 Abs. 1 assoziationsberechtigt sein dürfte, mit Rücksicht auf die Stand-Stillklausel des Art. 7 ARB 2/76 kein nationales Visum einholen musste. Dies braucht hier aber nicht abschließend entschieden zu werden. Selbst wenn man nämlich der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg nicht folgte und davon ausginge, dass eine Einschränkung der Stand-Stillklausel im Fall des Vorliegens eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses, der in der Einhaltung der Visumvorschriften als zentralem und verhältnismäßigem Steuerungsinstrument der Zuwanderung liegen könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.11.2014 – 1 C 4/14 –, juris und EuGH, Urteil vom 29.03.2017 – C 652/15 –, juris), wäre wegen der unklaren Rechtslage – eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts steht noch aus – nur von einem vereinzelten und geringfügigen Verstoß der Klägerin zu Ziffer 1 auszugehen. Diese Bewertung erscheint auch deshalb gerechtfertigt, weil die Klägerin immerhin ein Visumsverfahren von der Türkei aus für Italien durchgeführt hat (vgl. allgemein VG des Saarlandes, Beschluss vom 25.02.2016 – 6 L 2026/15 –, juris Rn. 13) und im Besitz eines Visums für den längerfristigen Aufenthalt in Italien war. Das strafrechtliche Verfahren wurde zudem durch das Amtsgericht XXX - 12 Cs 705 Js 23726/15 jug. - gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen Geringfügigkeit eingestellt (dazu bereits unter 2.2.2.1 a.E.). Der bei Annahme einer (nationalen) Visumpflicht bestehende Mangel an Rechtstreue der Klägerin zu Ziffer 1 wird durch diese Umstände deutlich relativiert.
55 
2.2.3 Die Klägerin zu Ziffer 1 hat durch ihren unerlaubten Aufenthalt ab dem 15.07.2015 einen nur geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen, der kein schweres Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG begründet.
56 
2.2.3.1 Sie hat die ihr auf Grund des italienischen Visums für den längerfristigen Aufenthalt in Italien bzw. auf Grund des italienischen Aufenthaltstitels zustehende zulässige Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet überschritten (vgl. Art. 21 SDÜ und dazu bereits unter 2.2.2.2).
57 
Ihr steht auch kein Aufenthaltsrecht aus Art. 6 oder 7 Satz 1 ARB 1/80 zu. Sie gehört nicht als Arbeitnehmerin dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaats an und erfüllt keine der beiden in Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 aufgeführten Tatbestände, die einen mindestens dreijährigen (erste Alternative bzw. erster Spiegelstrich) bzw. fünfjährigen (zweite Alternative bzw. zweiter Spiegelstrich) ununterbrochenen ordnungsgemäßen Wohnsitz im Inland voraussetzen (vgl. Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, ARB 1/80 Art. 7 Rn. 35).
58 
Der Aufenthalt der Klägerin zu Ziffer 1 galt auch nicht gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AufenthG als erlaubt. Dem Eintritt der Erlaubnisfiktion steht zum einen entgegen, dass die Klägerin zu Ziffer 1 nicht unverzüglich bzw. nicht innerhalb der in der Aufenthaltsverordnung bestimmten Fristen (vgl. §§ 81 Abs. 2 Satz 1, 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, § 39 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 41 Abs. 3 AufenthV) nach ihrer Einreise am 10.04.2015 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (zum Familiennachzug) gestellt hat. Erstmals hat sie am 04.09.2015, also fast fünf Monate nach ihrer Ersteinreise einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU gestellt. Zu diesem Zeitpunkt war die in § 39 Nr. 6 i.V.m. § 41 Abs. 3 AufenthV bestimmte Frist zur Beantragung eines Aufenthaltstitels von 90 Tagen nach Einreise überschritten. Zum anderen hielt sie sich nach ihrer Wiedereinreise am 15.07.2015 nicht mehr berechtigt auf Grund des Aufenthaltstitels eines anderen Schengen-Staates im Bundesgebiet auf (vgl. § 39 Nr. 6 AufenthV; dazu auch unter 2.2.2.2). Aus diesem Grund scheidet auch die Anwendung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG aus, der einen rechtmäßigen Aufenthalt voraussetzt. Ob die Voraussetzungen der Duldungsfiktion vorliegen, kann an dieser Stelle offenbleiben, da diese nicht zur Rechtmäßigkeit des Aufenthalts führt und der Aufenthalt somit unerlaubt bliebe (vgl. Zeitler, in: HTK-AuslR, § 81 AufenthG / zu Abs. 3 und 4, Stand: 25.01.2018, Rn. 33).
59 
2.2.3.2 Der unerlaubte Aufenthalt ab dem 15.07.2015 ist nur als geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften (hier einschlägig: § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG zu bewerten.
60 
Für die Geringfügigkeit des Verstoßes spricht, dass die Rechtslage bzgl. der Einreise und des Aufenthalts der Klägerin zu Ziffer 1 kompliziert ist und ihr Rechtsverstöße daher nur einschränkt vorgeworfen werden können. Die Beklagte ging bis zum 24.07.2015 selbst fälschlich davon aus (vgl. Aktenvermerk vom 24.07.2015 auf Blatt 105 der Verwaltungsakte betreffend die Klägerin zu Ziffer 1), die Klägerin zu Ziffer 1 sei am 10.04.2015 unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist und habe sich dort bis zum 15.07.2015 unerlaubt aufgehalten. Der unerlaubte Aufenthalt ab dem 15.07.2015 kann der Klägerin auch deshalb nur eingeschränkt vorgehalten werden, weil sie bis zum 08.07.2015 ihren Aufenthalt hätte legalisieren können, wenn sie einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug (vgl. § 29 AufenthG) gestellt hätte. Von der Pflicht zur Durchführung des Visumsverfahrens hätte die Beklagte – auch mit Blick auf § 39 Satz 1 Nr. 6 AufenthV – im Ermessenswege nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG absehen können. Auf die Erforderlichkeit und Möglichkeit eines Antrags auf Erteilung einer (nationalen) Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug hat die Beklagte die bis zum 26.06.2015 nicht anwaltlich beratene Klägerin zu Ziffer 1 nicht hingewiesen (vgl. aber § 25 Abs. 1 und 2 LVwVfG). Es gibt daher Anhaltspunkte dafür, dass die unerlaubte Einreise am bzw. der unerlaubte Aufenthalt ab dem 15.07.2015 vermeidbar gewesen wäre. Ende Januar 2016 hat die Beklagte außerdem den Sofortvollzug ihrer Verfügung vom 23.06.2015 aufgehoben, da sie es für geboten hielt, die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verfügung im Hauptsacheverfahren zu klären, und die Klägerin zu Ziffer 1 in der Folgezeit faktisch geduldet. Dies relativiert das Unrecht des unerlaubten Aufenthalts der Klägerin zu Ziffer 1 ebenso wie der Umstand, dass das strafrechtliche Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt worden ist (dazu bereits unter 2.2.2.1 und 2.2.2.2).
61 
2.2.4 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Rechtsverstöße der Klägerin zu Ziffer 1 (dazu 2.2.2 und 2.2.3) zwar auf einen gewissen Mangel an Rechtstreue hinweisen. Unter Berücksichtigung der aufgezeigten rechtlichen und tatsächlichen Besonderheiten führen sie jedoch im hier vorliegenden Einzelfall auch in Summe nicht zu einem schweren Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 8 a), 9 AufenthG. Selbst wenn man ein schweres Ausweisungsinteresse bejahte, würde das für die Annahme eines schweren Ausweisungsinteresses erforderliche Gewicht nur (sehr) knapp erreicht (vgl. allgemein Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG / Abs. 2, Stand: 18.11.2016, Rn. 3). Es könnte das Bleibeinteresse der Klägerin zu Ziffer 1 jedenfalls nicht überwiegen (vgl. 2.5).
62 
2.3 Die Klägerin zu Ziffer 1 kann ein Bleibeinteresse für sich aus § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG ableiten.
63 
Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG wiegt gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG schwer, wenn die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind.
64 
Hier sind die Belange und das Wohl der Kläger zu Ziffer 2 und 3 zu berücksichtigen, die mittelbar das Bleibeinteresse der Klägerin zu Ziffer 1 stärken (vgl. allgemein Bauer/Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 55 AufenthG Rn. 23). Es entspricht dem Wohl der Kläger zu Ziffer 2 und 3 und dient ihren Belangen, wenn sie in einer gelebten Familieneinheit aufwachsen können. Derzeit besteht eine solche Familieneinheit im Bundesgebiet. Dafür spricht entscheidend, dass die Klägerin zu Ziffer 1, ihr Ehemann und die gemeinsamen Kinder in einer Wohnung leben. Durch die Ausweisung der Klägerin zu Ziffer 1 würde die entstandene Familieneinheit für einen erheblichen Zeitraum beeinträchtigt. Solange die Wirkungen der Ausweisung bestehen (hier zwei Jahre gemäß Ziffer 1 Satz 2 der angegriffenen Verfügung der Beklagten), könnte der Klägerin zu Ziffer 1 nämlich selbst im Fall eines Anspruchs kein Aufenthaltstitel zum Ehegatten- oder Familiennachzug erteilt werden (vgl. § 11 Abs. 1 AufenthG). Da sich die Klägerin zu Ziffer 1 somit einerseits selbst nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten könnte, der Vater der Kläger zu Ziffer 2 und 3 sich andererseits nach Aktenlage aber rechtmäßig in Deutschland aufhält (dazu 2.2.2.2), spricht einiges dafür – wie es in der Vergangenheit auch der Fall war –, dass die Klägerin zu Ziffer 1 mit ihren Kindern in die Türkei zurückkehren würde und die Kläger zu Ziffer 2 und 3 dann für einen erheblichen Zeitraum ohne ihren Vater aufwachsen müssten. Dass die Familieneinheit auch in der Türkei hergestellt werden könnte, kann zwar für die vorzunehmende Interessenabwägung relevant sein (dazu aber 2.5.2), schließt das Vorliegen des in § 55 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG typisierten Bleibeinteresses, bei dem es sich um eine Auffangnorm handelt, jedoch nicht aus (vgl. allgemein VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/15 -, Rn. 140, juris und Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG / zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.11.2016, Rn. 3).
65 
2.4 Es spricht einiges dafür, dass der Aufenthalt der Klägerin zu Ziffer 1 keine Gefahr mehr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG darstellt. An das Vorliegen einer Gefahr sind vorliegend tendenziell erhöhte Anforderungen zu stellen, da es sich bei den wenigen feststellbaren Rechtsverstößen um solche von geringem Gewicht handelt (vgl. allgemein Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG / Abs. 1 (Spezialprävention), Stand: 18.11.2016, Rn. 13 ff.). Einzubeziehen ist weiter, dass der Aufenthalt der Klägerin zu Ziffer 1 nach Aufhebung der Ausweisung legalisiert werden kann (dazu unter 2.2.3.2). Das spricht ebenfalls dagegen, dass in absehbarer Zukunft noch eine Wiederholungsgefahr bezüglich der von der Klägerin zu Ziffer 1 begangenen Verstöße besteht. Selbst wenn man jedoch eine Wiederholungsgefahr bejahte, fehlt es jedenfalls an einem das Bleibeinteresse überwiegenden öffentlichen Interesse an der Ausreise der Klägerin zu Ziffer 1.
66 
2.5 Das öffentliche Interesse an der Ausreise der Klägerin zu Ziffer 1 überwiegt bei der unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmenden Abwägung der Interessen nicht ihr Bleibeinteresse.
67 
2.5.1 § 53 Abs. 1 AufenthG erfordert ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen, diese unterschreiten oder ihnen entgegenstehen. Insbesondere ist hier der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles signifikant von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen. Sind im konkreten Fall keine Gründe von erheblichem Gewicht – etwa auch solche rechtlicher Art – ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren. Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. April 2016 – 11 S 393/16 –, juris Rn. 29 f.).
68 
2.5.2 Ausgehend davon, dass es einerseits an einem gewichteten Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 8 a) und 9 AufenthG fehlt, andererseits aber ein gewichtetes Bleibeinteresse im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG besteht, überwiegt das Bleibeinteresse der Klägerin zu Ziffer 1. Es sind nämlich keine Gründe von erheblichem Gewicht erkennbar, die Anlass bieten, die in den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG zum Ausdruck gekommen typisierten Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren. Wenn überhaupt bestünde wegen der komplizierten Rechtslage und der aus diesem Grunde eingeschränkten Vorwerfbarkeit von Rechtsverstößen der Klägerin zu Ziffer 1 Anlass, die in § 54 Abs. 2 Nr. 8 a) und 9) AufenthG zum Ausdruck gekommenen Wertungen dahingehend zu korrigieren, dass das dort typisierte Ausweisungsinteresse weniger schwer zu gewichten ist. Das Bleibeinteresse der Klägerin zu Ziffer 1 überwiegt aus diesem Grund selbst dann das öffentliche Interesse an der Ausreise, wenn ein gewichtetes Ausweisungsinteresse bestünde. Verstärkt wird das Bleibeinteresse zudem durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK, da die Klägerin zu Ziffer 1 mit ihrem Ehemann, der sich rechtmäßig in Deutschland aufhält, und ihren Kindern eine Familieneinheit bildet, die durch eine Ausreise der Klägerin zu Ziffer 1 beeinträchtigt würde. Schließlich sind keine weiteren außer den hier erörterten, vereinzelt und geringfügig gebliebenen Rechtsverstöße der Klägerin zu Ziffer 1 bekannt geworden.
69 
2.5.3 Insbesondere aus diesen Gründen hätte die streitgegenständliche Ausweisung auch nicht als eine auf § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 a) und 2 AufenthG a.F. gestützte Ermessensausweisung der Beklagten Bestand haben können.
70 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO.
71 
Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrensteils – aufgehobene Ziffern 2 bis 4 der Verfügung der Beklagten vom 23.06.2015 – ist die Kostenentscheidung gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen zu treffen. Billigem Ermessen entspricht es hier, der Beklagten insoweit die Kosten aufzuerlegen. So hat sich die Beklagte durch die Aufhebung von Ziffern 2 bis 4 ihrer Verfügung vom 23.06.2015 in die Rolle der Unterlegenen begeben, ohne dass dies auf einem außerhalb des Einflussbereichs der Beteiligten liegenden Ereignis beruhte oder durch eine Handlung der Kläger veranlasst worden war.
72 
Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich (§§ 124, 124a VwGO).
73 
Soweit das Verfahren eingestellt ist, ist die Entscheidung – auch hinsichtlich der Kostenentscheidung – unanfechtbar (§§ 92 Absatz 3 Satz 2, 158 Absatz 2 VwGO; vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.08.1998 - 4 B 75/98 -, juris).
74 
Beschluss
75 
Der Streitwert wird gemäß §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 8.2 und 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der zuletzt am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
27 
Soweit die Beteiligten hinsichtlich der Ziffern 2 bis 4 der angegriffenen Verfügung vom 23.06.2015 nach deren Aufhebung durch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
28 
Im Übrigen ist die Klage der Klägerin zu Ziffer 1 begründet, da die Ziffer 1 der Verfügung der Beklagten vom 23.06.2015 und der sie betreffende Teil des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums XXX vom 20.09.2016 rechtswidrig sind und die Klägerin zu Ziffer 1 in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29 
1. Rechtliche Grundlage der verfügten Ausweisung ist § 53 Abs. 1 i.V.m. § 54 Abs. 2 Nr. 8 a), Nr. 9 AufenthG in der im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gültigen Fassung (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.01.2009 – 1 C 2. 08 -, juris Rn. 12; VGH-Baden-Württemberg, Urteil vom 15.07.2009 – 13 S 2372/08 –, juris).
30 
Die Rechtsgrundlage ist anwendbar. Insbesondere steht Art. 13 ARB 1/80 ihrer Heranziehung nicht entgegen, da der mit der grundlegenden Neuregelung des Ausweisungsrechts durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.07.2015 (BGBl. I, S. 1386) einhergehende Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege (vgl. § 55 Abs. 2 in der Fassung vom 22.11.2011 – a.F. –) hin zu einer gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden Entscheidung ebenso wenig eine neue Beschränkung im Sinne der aus Art. 13 ARB 1/80 abgeleiteten sogenannten Stand-Still-Klausel des Assoziationsrechts ist wie die Gewichtung bestimmter in § 55 Abs. 2 AufenthG a.F. bereits aufgeführter Ausweisungsgründe in § 54 Abs. 2 Nr. 8 a) und Nr. 9 AufenthG (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.04.2016 – 11 S 393/16 –, juris Rn. 21 f. und Urteil vom 13.01.2016 – 11 S 889/15 –, juris Rn. 150 ff.; Kurzidem, in: BeckOK, Ausländerrecht, Stand: 01.11.2017, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 15 ff.; a.A. Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 68 ff.). Es bedarf daher keiner abschließenden Entscheidung, ob die Klägerin zu Ziffer 1 überhaupt schon zu dem von Art. 13 ARB 1/80 begünstigten Personenkreis gehört, wofür allerdings einiges spricht, weil ihr Ehemann im Bundesgebiet seit einigen Jahren ordnungsgemäß als Arbeitnehmer beschäftigt und die Klägerin zu Ziffer 1 dessen Familienangehörige im Sinne des Art. 13 ARB 1/80 sein dürfte (vgl. allgemein zum Anwendungsbereich Armbruster, in: HTK-AuslR, ARB 1/80 / Art. 13, Stand: 18.11.2016, Rn. 27 ff. und 57 ff.; Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, Rn. 66 ff.). Selbst wenn Art. 13 ARB 1/80 einer Anwendung der Vorschriften des neuen Ausweisungsrechts entgegenstünde, so führte dies zur Anwendbarkeit des von der Beklagten in ihrer Verfügung vom 23.06.2015 herangezogenen § 55 Abs. 1 AufenthG a.F. (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.01.2016 – 11 S 889/15 –, juris Rn. 150 ff. und Dienelt, in: a.a.O., Rn. 66 f.). Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift liegen jedoch ebenfalls nicht vor (dazu 2.5.3).
31 
2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 53 Abs. 1 i.V.m. § 54 Abs. 2 Nr. 8 a), Nr. 9 AufenthG liegen nicht vor. Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Bei der Abwägung sind gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. Dieser Grundtatbestand umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteresse ausdifferenziert werden.
32 
2.1 Ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 8 a) AufenthG liegt nicht vor.
33 
Das Ausweisungsinteresse wiegt gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 8 a) AufenthG schwer im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG, wenn der Ausländer – soweit hier relevant – in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden durchgeführt wurde, im In- oder Ausland falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels gemacht hat, soweit der Ausländer – wie hier – zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde (vgl. zum Belehrungserfordernis Bauer/Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 54 AufenthG Rn. 72).
34 
Die Klägerin zu Ziffer 1 hat in ihrem Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU vom 04.09.2015 bei der auch ins Türkische übersetzten Frage „Wurden Sie aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen oder abgeschoben oder ist ein Antrag auf Aufenthaltstitel abgelehnt oder eine Einreise in die Bundesrepublik Deutschland verweigert worden?“ das Feld „nein/no/non/hayir“ angekreuzt und damit, da sie mit (zu diesem Zeitpunkt noch) sofort vollziehbarer Verfügung vom 23.06.2015 ausgewiesen worden war, eine falsche Angabe gemacht. Über die Rechtsfolgen unrichtiger Angaben wurde sie belehrt.
35 
Zu einem schweren Ausweisungsinteresse führt diese objektiv falsche Angabe wegen der Besonderheiten im hier vorliegenden Einzelfall gleichwohl nicht (vgl. allgemein Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG / Abs. 2, Stand: 18.11.2016, Rn. 3). Der Antrag wurde – darauf deuten schon die unterschiedlichen Kugelschreiberfarben hin (schwarz: das Datum „04.09.2015“ neben „Eingang:“ und die Unterschrift der Klägerin zu Ziffer 1; blau: die übrigen Angaben im Antrag) – offenbar nicht von der Klägerin zu Ziffer 1 selbst ausgefüllt, sondern von einem Sachbearbeiter/einer Sachbearbeiterin der Beklagten. Die Beklagte hätte der Klägerin zu Ziffer 1 daher ihre die Ausweisung betreffende unrichtige Angabe vorhalten können. Es gibt nach Aktenlage indes keine Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Vorhalt erfolgt ist. Der unterlassene Vorhalt relativiert die Vorwerfbarkeit der falschen Angabe ebenso wie der Umstand, dass es der Klägerin zu Ziffer 1 zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht in erheblicher Weise vorgeworfen werden kann, wenn sie als juristischer Laie davon ausgegangen ist, die Ausweisung sei auf Grund des dagegen eingelegten Widerspruchs nicht anzugeben. Gegen ein schweres Ausweisungsinteresse spricht schließlich auch, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen der falschen Angabe nach § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts für eine Straftat nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG eingestellt worden ist.
36 
2.2 Ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor.
37 
Das Ausweisungsinteresse wiegt gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG schwer im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG, wenn der Ausländer unter anderem – soweit hier relevant – einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen hat. Diese Vorschrift ist dahin zu verstehen, dass ein Rechtsverstoß nur dann unbeachtlich ist, wenn er vereinzelt und geringfügig ist, andererseits aber immer dann beachtlich ist, wenn er vereinzelt, aber nicht geringfügig oder geringfügig, aber nicht vereinzelt ist. Geringfügigkeit ist kein absoluter Begriff, sondern erfordert eine wertende und abwägende Beurteilung, insbesondere der Begehungsweise, des Verschuldens und der Tatfolgen. Eine vorsätzlich begangene Straftat ist grundsätzlich nicht geringfügig (vgl. allgemein BVerwG, Urteil vom 24.09.1996 – 1 C 9.94 –, juris Rn. 19; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.07.2014 – 2 L 91/12 –, juris; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG / zu Abs. 2 Nr. 9, Stand: 18.11.2016, Rn. 27 ff.). Nur unter engen Voraussetzungen kann es bei vorsätzlich begangenen Straftaten Ausnahmefälle geben, in denen der Rechtsverstoß als geringfügig zu bewerten ist. Als geringfügige Verstöße kommen grundsätzlich Straftaten in Betracht, die zu einer Einstellung wegen Geringfügigkeit nach § 153 Abs. 2 StPO geführt haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.11.2004 – 1 C 23.03 –, juris und Neidhardt, a.a.O., Rn. 34).
38 
2.2.1 Die Klägerin zu Ziffer 1 hat durch ihre Einreise am 10.04.2015 keinen Verstoß gegen Rechtsvorschriften im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG begangen.
39 
2.2.1.1 Es liegt keine strafbare unerlaubte Einreise nach § 14 Abs. 1 Nr. 2, 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG vor, da der Klägerin zu Ziffer 1 gemäß Art. 21 Abs. 1 und 2a SDÜ i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG die Einreise in das Bundesgebiet erlaubt war.
40 
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG benötigen Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet einen Aufenthaltstitel, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12.09.1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509; Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15.03.2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von der Visumpflicht befreit sind (vgl. Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 539/2001), müssen türkische Staatsangehörige wie die Klägerin zu Ziffer 1 (sog. „Anhang-I-Staater“) beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft im Besitz eines Visums sein.
41 
Zwar war die Klägerin zu Ziffer 1 nicht im Besitz eines Schengen-Visums (vgl. § 6 Abs. 1 und 2 AufenthG) oder eines nationalen Visums (vgl. § 6 Abs. 3 AufenthG), allerdings war ihr die Einreise in das Bundesgebiet aufgrund von Art. 21 Abs. 1 und 2a SDÜ gestattet.
42 
Gemäß Art. 21 Abs. 1 SDÜ können Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einem der Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments bis zu 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten bewegen, sofern sie die in Artikel 5 Abs. 1 Buchstaben a, c und e der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.03.2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste des betroffenen Mitgliedstaats stehen. Das in Art. 21 Abs. 1 SDÜ festgelegte Recht auf freien Personenverkehr gilt gemäß Art. 21 Abs. 2a SDÜ auch für solche Drittausländer, die Inhaber eines von einem der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 18 SDÜ erteilten Visums für den längerfristigen Aufenthalt sind.
43 
Die Klägerin besaß zum Zeitpunkt ihrer Einreise ein vom 05.03.2015 bis zum 11.03.2016 gültiges italienisches Visum vom Typ D für einen Aufenthalt von mehr als 90 Tagen (Visum für den längerfristigen Aufenthalt) im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 SDÜ. Sie erfüllte auch die weiteren in Art. 21 Abs. 1 SDÜ normierten Voraussetzungen, insbesondere verfügte sie über einen gültigen Reisepass.
44 
Die Einreise der Klägerin zu Ziffer 1 war auch nicht deshalb unerlaubt, weil diese nicht bloß einen Kurzaufenthalt von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen plante, sondern zwecks Ehegatten- bzw. Familiennachzugs zu ihrem bereits in Deutschland lebenden Ehemann bzw. Vater der Kläger zu Ziffer 2 und 3 von vornherein einen Daueraufenthalt anstrebte. Der Umstand, dass die Klägerin zu Ziffer 1 gemäß §§ 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1, 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zu diesem Zweck ein nationales Visum benötigt hätte, führt nicht zu einer unerlaubten Einreise im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, sondern lediglich dazu, dass ihr die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG versagt werden kann.
45 
Diese Auslegung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG hat nicht nur die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 14 AufenthG (BT-Drs. 15/420, S. 73) auf ihrer Seite, in der es heißt, dass durch den Verweis in Nr. 2 auf die Erforderlichkeit des Aufenthaltstitels nach § 4 „[...] angesichts der unterschiedlichen Auffassung in Rechtsprechung und Lehre klargestellt werden [sollte], dass sich die Erforderlichkeit des Aufenthaltstitels nach objektiven Kriterien und nicht nach dem beabsichtigten Aufenthaltszweck bemisst“. Sie wird auch dem Zweck des § 14 AufenthG, nämlich der Sicherung der kontrollierten Einreise, gerecht. Schutzgegenstand des § 14 AufenthG ist die Unverletzlichkeit der Staatsgrenze; die Regelung steht im Zusammenhang mit – Entscheidungen anhand formaler, schnell und unzweideutig festzustellender Kriterien erfordernden – polizeilichen und strafrechtlichen (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) Maßnahmen zur Verhinderung oder Sanktionierung unerlaubter Grenzübertritte. Davon unabhängig zu sehen – und vom Schutzzweck des § 14 Abs. 1 AufenthG nicht primär erfasst – ist das Ziel der Einhaltung des Visumsverfahrens als Steuerungsinstrument einer geordneten Zuwanderung. Dieser Zielsetzung dient stattdessen § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, der zur Versagung des begehrten Aufenthaltstitels führt, wenn bei der Einreise kein dem aktuell verfolgten Aufenthaltszweck entsprechendes Visum vorlag (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11.01.2011 – 1 C 23/09 –, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.03.2006 – 11 S 1797/05 –, juris). Für die genannte Auslegung spricht ferner § 15 AufenthG. Diese Vorschrift begründet neben dem zwingenden Zurückweisungsgrund des Versuchs einer unerlaubten Einreise in Abs. 1 in Abs. 2 die Möglichkeit zur Zurückweisung unter anderem für den Fall, dass der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Der Ermächtigung zur fakultativen Zurückweisung in diesen Fällen bedürfte es nicht, wenn die Angabe eines falschen Aufenthaltszwecks (und hierunter lässt sich auch der Zweck eines vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts fassen) stets dazu führte, dass die Einreise unerlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist. Schließlich bekräftigt die 2013 ins Gesetz eingefügte Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG diese Auslegung. Aus § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG ergibt sich, dass auch derjenige, der mit einem durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkten Visum einreist, bis zu dessen Rücknahme oder Annullierung ein erforderliches Visum besitzt; würde man in diesem Fall bereits die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bejahen, wäre Nr. 2a überflüssig (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 13.06.2016 – 4 K 1497/15 –, juris Rn. 53 ff.; Winkelmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 14 AufenthG Rn. 9; Zeitler, in: HTK-AuslR, § 14 AufenthG / zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 20.01.2018, Rn. 11 ff.; a.A. Dollinger, in: BeckOK Ausländerrecht, Stand: 01.11.2016, § 14 AufenthG Rn. 11).
46 
Von dieser Auslegung geht auch das Bundesverwaltungsgericht für den Fall aus, dass der Ausländer mit einem Schengen-Visum für einen Kurzaufenthalt in das Bundesgebiet eingereist ist, obgleich er bereits zum Zeitpunkt der Einreise einen längerfristigen Aufenthalt angestrebt hat und infolgedessen eines nationalen Visums bedurft hätte (vgl. BVerwG, Urteile vom 11.01.2011 – 1 C 23/09 – und vom 16.11.2010 – 1 C 17/09 –, jeweils juris). Diese Auslegung muss darüber hinaus auch gelten, wenn ein Ausländer visumfrei in das Bundesgebiet eingereist ist (vgl. § 15 AufenthV, Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 539/2001 – EG-Visa-VO – und Art. 20 SDÜ). Anderenfalls würde ein durch die Visafreiheit privilegierter Ausländer schlechter behandelt, ohne dass dafür ein sachlicher Grund ersichtlich ist (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 13.06.2016 – 4 K 1497/15 –, juris Rn. 55 ff. m.w.N.; Zeitler, in: HTK-AuslR, § 14 AufenthG / zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 20.01.2018, Rn. 29 ff. m.w.N.). Dieser liegt insbesondere nicht in der auf geplante Aufenthalte von bis zu drei Monaten bzw. kurzfristige Aufenthalte beschränkten Rechtsetzungskompetenz der Europäischen Gemeinschaft (vgl. einerseits Art. 62 Nr. 2 lit. b) i) EGV bzgl. des visumfreien Aufenthalts geregelt in der EG-Visa-VO und Art. 62 Nr. 2 lit. b ii) EGV bzgl. sog. Schengen-Visa geregelt in der VO (EG) Nr. 810/2009 vom 13.07.2009 und andererseits Art. 77 Abs. 2 a) und c) AEUV). Denn diese besteht in beiden Fällen (visumpflichtiger bzw. von der Visumpflicht befreiter Ausländer) gleichermaßen und rechtfertigt mithin keine Ungleichbehandlung (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 13.06.2016 – 4 K 1497/15 –, juris Rn. 58 f. m.w.N.; a.A. VG Stuttgart, Beschluss vom 07.05.2014 – 5 K 4470/13 –, juris Rn. 7).
47 
Vor diesem Hintergrund reist ein Ausländer, der einen nationalen Aufenthaltstitel eines Schengen-Staates besitzt und zum Zeitpunkt der Einreise bereits die Absicht hat, länger als drei Monate in Deutschland zu bleiben, nicht unerlaubt ein (vgl. Zeitler, in: HTK-AuslR, Art. 21 SDÜ, Stand: 10.07.2017, Rn. 34; a.A. VG Stuttgart, Beschluss vom 07.05.2014 – 5 K 4470/13 –, juris Rn. 6 f.). Gemäß Art. 21 SDÜ i.V.m. Art. 5 Abs. 1 c) der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 muss der Ausländer zwar unter anderem den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen (vgl. auch Art. 6 Abs. 1 c) Schengener Grenzkodex – SGK –). Das führt aber aufgrund der oben beschriebenen gesetzlichen Systematik der §§ 14, 15 AufenthG nicht dazu, dass die Einreise bereits wegen der Absicht eines Daueraufenthalts ohne das Hinzutreten weiterer Umstände unerlaubt wäre. Der Ausländer kann allerdings, wenn er die Zwecke und die Umstände seines beabsichtigten Aufenthalts nicht zu belegen vermag oder Anhaltspunkte für einen beabsichtigten Daueraufenthalts bestehen, gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 2 und 3 AufenthG an der Grenze zurückgewiesen werden. Erst durch die (fakultative) Zurückweisung nach Prüfung der Einreisevoraussetzungen wird die dennoch erfolgte Einreise bzw. der (Dauer-)Aufenthalt unerlaubt. Diese Auslegung wird schließlich auch durch § 39 Abs. 1 Nr. 6 AufenthV gestützt. Danach kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn er einen von einem anderen Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel besitzt und auf Grund dieses Aufenthaltstitels berechtigt ist, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sind. Die Vorschrift legt es nahe, dass ein Ausländer, der über einen Aufenthaltstitel im Sinne des Art. 21 SDÜ verfügt, auch dann erlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG einreist, wenn er einen Daueraufenthalt – beispielsweise zum Zwecke des Ehegatten- oder Familiennachzugs – beabsichtigt (vgl. allgemein Samel, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 5 AufenthG Rn. 132 und Fehrenbacher, HTK-AuslR, § 39 AufenthV / zu Nr. 6, Stand: 23.10.2017, Rn. 3 f.). Der Anwendungsbereich der Vorschrift würde anderenfalls ausgehöhlt, da der Ausländer die Vergünstigung in § 39 Nr. 6 AufenthV faktisch nicht nutzen könnte, weil er dazu das Risiko eingehen müsste, sich wegen unerlaubter Einreise nach § 95 Nr. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG strafbar zu machen.
48 
2.2.1.2 Nach alledem war die Einreise der Klägerin zu Ziffer 1 am 10.04.2015 gemäß Art. 21 Abs. 1 und 2a SDÜ i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erlaubt. Die Klägerin durfte sich nach den genannten Vorschriften auch für 90 Tage bis zum 08.07.2015, dem Tag ihrer nach eigenen Angaben erfolgten Ausreise nach Italien, im Bundesgebiet aufhalten.
49 
2.2.2 Die Klägerin zu Ziffer 1 hat durch ihre nach eigenen Angaben erfolgte Wiedereinreise am 15.07.2015 einen nur vereinzelten und geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften, behördliche Entscheidungen und Verfügungen begangen, der kein schweres Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG begründet.
50 
2.2.2.1 Die Wiedereinreise der Klägerin zu Ziffer 1 am 15.07.2015 verstieß gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in der zum damaligen Zeitpunkt gültigen Fassung, welches wegen der mit Verfügung der Beklagten vom 23.06.2015 erlassenen Ausweisung bestand. Der gegen die Ausweisungsverfügung eingelegte Widerspruch der Klägerin zu Ziffer 1 vom 01.07.2015 führte wegen des angeordneten Sofortvollzugs nicht zu einer vorläufigen Wirksamkeits- oder Vollzugshemmung. Neben der Erlöschenswirkung des § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG traten damit trotz des eingelegten Widerspruchs auch alle weiteren Wirkungen der Ausweisung ein. Insbesondere galt das Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG a.F. mit Bekanntgabe der Verfügung gegenüber der Klägerin zu Ziffer 1 am 25.06.2015 (vgl. allgemein Armbruster, HTK-AuslR / § 84 AufenthG, Stand: 18.11.2016, Rn. 56). Es kann deshalb offenbleiben, ob daneben auch § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, der nicht für türkische Staatsangehörige gilt, die ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 ARB 1/80 oder Art. 7 ARB 1/80 besitzen, die Wirksamkeit der Ausweisung trotz eingelegtem Widerspruch bestehen ließ (vgl. allgemein Armbruster, HTK-AuslR, § 84 AufenthG, Stand: 18.11.2016, Rn. 59 ff.).
51 
Der Verstoß gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 AufenthG wiegt im hier vorliegenden Einzelfall allerdings nicht schwer. Die auf § 55 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F. gestützte Ausweisung war rechtswidrig und konnte keinen Bestand haben, da aus den unter 2.2.1 ausgeführten Gründen die Einreise der Klägerin zu Ziffer 1 am 10.04.2015 nicht unerlaubt war. Für die Geringfügigkeit des Verstoßes spricht als Indiz außerdem, dass das diesbezüglich eingeleitete strafrechtliche Verfahren durch das Amtsgericht XXX - 12 Cs 705 Js 23726/15 jug. - gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen Geringfügigkeit eingestellt worden ist.
52 
2.2.2.2 Es spricht viel dafür, dass die Wiedereinreise der Klägerin zu Ziffer 1 (am 15.07.2015) auch abgesehen von dem Verstoß gegen das Wiedereinreiseverbot des § 11 AufenthG nicht unerlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG war.
53 
Zwar berechtigten weder das italienische Visum noch der Besitz einer italienischen Aufenthaltserlaubnis die Klägerin zu 1 wegen des Erreichens der maximalen Aufenthaltsdauer von 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen, beginnend ab dem Zeitpunkt der Ersteinreise am 10.04.2015, zur Wiedereinreise in das bzw. zum Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Art. 21 Abs. 1 und 2a SDÜ i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Die Dauer des zulässigen Aufenthalts verlängerte sich insbesondere auch nicht dadurch, dass die Klägerin zu Ziffer 1 zum Zeitpunkt ihrer Wiedereinreise nunmehr neben einem italienischen Visum zusätzlich im Besitz einer italienischen Aufenthaltserlaubnis war. Dieser von Italien ausgestellte Aufenthaltstitel berechtigte gemäß § 21 Abs. 1 SDÜ ebenfalls nur zu einem Kurzaufenthalt im Bundesgebiet. Dem Sinn und Zweck des Art. 21 Abs. 1 SDÜ, der in Verbindung mit einem nationalen Aufenthaltstitel eines (anderen) Mitgliedsstaates nur Kurzaufenthalte gestattet, entspricht es, die Aufenthaltszeiten auf der Grundlage der in Art. 21 SDÜ genannten Aufenthaltstitel innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen zusammenzurechnen. Beurteilte man dies anders, wäre die Wiedereinreise der Klägerin schon aus diesem Grund erlaubt.
54 
Unabhängig davon ist mit Blick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Beschluss vom 16.09.2015 – 11 S 1711/15 –, juris) davon auszugehen, dass die Klägerin zu Ziffer 1 für den beabsichtigten Ehegattennachzug gemäß § 30 Abs. 1 AufenthG zu ihrem ordnungsgemäß beschäftigten türkischen Ehemann, der nach Aktenlage gemäß Art. 6 Abs. 1 assoziationsberechtigt sein dürfte, mit Rücksicht auf die Stand-Stillklausel des Art. 7 ARB 2/76 kein nationales Visum einholen musste. Dies braucht hier aber nicht abschließend entschieden zu werden. Selbst wenn man nämlich der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg nicht folgte und davon ausginge, dass eine Einschränkung der Stand-Stillklausel im Fall des Vorliegens eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses, der in der Einhaltung der Visumvorschriften als zentralem und verhältnismäßigem Steuerungsinstrument der Zuwanderung liegen könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.11.2014 – 1 C 4/14 –, juris und EuGH, Urteil vom 29.03.2017 – C 652/15 –, juris), wäre wegen der unklaren Rechtslage – eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts steht noch aus – nur von einem vereinzelten und geringfügigen Verstoß der Klägerin zu Ziffer 1 auszugehen. Diese Bewertung erscheint auch deshalb gerechtfertigt, weil die Klägerin immerhin ein Visumsverfahren von der Türkei aus für Italien durchgeführt hat (vgl. allgemein VG des Saarlandes, Beschluss vom 25.02.2016 – 6 L 2026/15 –, juris Rn. 13) und im Besitz eines Visums für den längerfristigen Aufenthalt in Italien war. Das strafrechtliche Verfahren wurde zudem durch das Amtsgericht XXX - 12 Cs 705 Js 23726/15 jug. - gemäß § 153 Abs. 2 StPO wegen Geringfügigkeit eingestellt (dazu bereits unter 2.2.2.1 a.E.). Der bei Annahme einer (nationalen) Visumpflicht bestehende Mangel an Rechtstreue der Klägerin zu Ziffer 1 wird durch diese Umstände deutlich relativiert.
55 
2.2.3 Die Klägerin zu Ziffer 1 hat durch ihren unerlaubten Aufenthalt ab dem 15.07.2015 einen nur geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen, der kein schweres Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG begründet.
56 
2.2.3.1 Sie hat die ihr auf Grund des italienischen Visums für den längerfristigen Aufenthalt in Italien bzw. auf Grund des italienischen Aufenthaltstitels zustehende zulässige Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet überschritten (vgl. Art. 21 SDÜ und dazu bereits unter 2.2.2.2).
57 
Ihr steht auch kein Aufenthaltsrecht aus Art. 6 oder 7 Satz 1 ARB 1/80 zu. Sie gehört nicht als Arbeitnehmerin dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaats an und erfüllt keine der beiden in Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 aufgeführten Tatbestände, die einen mindestens dreijährigen (erste Alternative bzw. erster Spiegelstrich) bzw. fünfjährigen (zweite Alternative bzw. zweiter Spiegelstrich) ununterbrochenen ordnungsgemäßen Wohnsitz im Inland voraussetzen (vgl. Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, ARB 1/80 Art. 7 Rn. 35).
58 
Der Aufenthalt der Klägerin zu Ziffer 1 galt auch nicht gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AufenthG als erlaubt. Dem Eintritt der Erlaubnisfiktion steht zum einen entgegen, dass die Klägerin zu Ziffer 1 nicht unverzüglich bzw. nicht innerhalb der in der Aufenthaltsverordnung bestimmten Fristen (vgl. §§ 81 Abs. 2 Satz 1, 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, § 39 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 41 Abs. 3 AufenthV) nach ihrer Einreise am 10.04.2015 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (zum Familiennachzug) gestellt hat. Erstmals hat sie am 04.09.2015, also fast fünf Monate nach ihrer Ersteinreise einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU gestellt. Zu diesem Zeitpunkt war die in § 39 Nr. 6 i.V.m. § 41 Abs. 3 AufenthV bestimmte Frist zur Beantragung eines Aufenthaltstitels von 90 Tagen nach Einreise überschritten. Zum anderen hielt sie sich nach ihrer Wiedereinreise am 15.07.2015 nicht mehr berechtigt auf Grund des Aufenthaltstitels eines anderen Schengen-Staates im Bundesgebiet auf (vgl. § 39 Nr. 6 AufenthV; dazu auch unter 2.2.2.2). Aus diesem Grund scheidet auch die Anwendung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG aus, der einen rechtmäßigen Aufenthalt voraussetzt. Ob die Voraussetzungen der Duldungsfiktion vorliegen, kann an dieser Stelle offenbleiben, da diese nicht zur Rechtmäßigkeit des Aufenthalts führt und der Aufenthalt somit unerlaubt bliebe (vgl. Zeitler, in: HTK-AuslR, § 81 AufenthG / zu Abs. 3 und 4, Stand: 25.01.2018, Rn. 33).
59 
2.2.3.2 Der unerlaubte Aufenthalt ab dem 15.07.2015 ist nur als geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften (hier einschlägig: § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG zu bewerten.
60 
Für die Geringfügigkeit des Verstoßes spricht, dass die Rechtslage bzgl. der Einreise und des Aufenthalts der Klägerin zu Ziffer 1 kompliziert ist und ihr Rechtsverstöße daher nur einschränkt vorgeworfen werden können. Die Beklagte ging bis zum 24.07.2015 selbst fälschlich davon aus (vgl. Aktenvermerk vom 24.07.2015 auf Blatt 105 der Verwaltungsakte betreffend die Klägerin zu Ziffer 1), die Klägerin zu Ziffer 1 sei am 10.04.2015 unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist und habe sich dort bis zum 15.07.2015 unerlaubt aufgehalten. Der unerlaubte Aufenthalt ab dem 15.07.2015 kann der Klägerin auch deshalb nur eingeschränkt vorgehalten werden, weil sie bis zum 08.07.2015 ihren Aufenthalt hätte legalisieren können, wenn sie einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug (vgl. § 29 AufenthG) gestellt hätte. Von der Pflicht zur Durchführung des Visumsverfahrens hätte die Beklagte – auch mit Blick auf § 39 Satz 1 Nr. 6 AufenthV – im Ermessenswege nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG absehen können. Auf die Erforderlichkeit und Möglichkeit eines Antrags auf Erteilung einer (nationalen) Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug hat die Beklagte die bis zum 26.06.2015 nicht anwaltlich beratene Klägerin zu Ziffer 1 nicht hingewiesen (vgl. aber § 25 Abs. 1 und 2 LVwVfG). Es gibt daher Anhaltspunkte dafür, dass die unerlaubte Einreise am bzw. der unerlaubte Aufenthalt ab dem 15.07.2015 vermeidbar gewesen wäre. Ende Januar 2016 hat die Beklagte außerdem den Sofortvollzug ihrer Verfügung vom 23.06.2015 aufgehoben, da sie es für geboten hielt, die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verfügung im Hauptsacheverfahren zu klären, und die Klägerin zu Ziffer 1 in der Folgezeit faktisch geduldet. Dies relativiert das Unrecht des unerlaubten Aufenthalts der Klägerin zu Ziffer 1 ebenso wie der Umstand, dass das strafrechtliche Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt worden ist (dazu bereits unter 2.2.2.1 und 2.2.2.2).
61 
2.2.4 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Rechtsverstöße der Klägerin zu Ziffer 1 (dazu 2.2.2 und 2.2.3) zwar auf einen gewissen Mangel an Rechtstreue hinweisen. Unter Berücksichtigung der aufgezeigten rechtlichen und tatsächlichen Besonderheiten führen sie jedoch im hier vorliegenden Einzelfall auch in Summe nicht zu einem schweren Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 8 a), 9 AufenthG. Selbst wenn man ein schweres Ausweisungsinteresse bejahte, würde das für die Annahme eines schweren Ausweisungsinteresses erforderliche Gewicht nur (sehr) knapp erreicht (vgl. allgemein Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG / Abs. 2, Stand: 18.11.2016, Rn. 3). Es könnte das Bleibeinteresse der Klägerin zu Ziffer 1 jedenfalls nicht überwiegen (vgl. 2.5).
62 
2.3 Die Klägerin zu Ziffer 1 kann ein Bleibeinteresse für sich aus § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG ableiten.
63 
Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG wiegt gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG schwer, wenn die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind.
64 
Hier sind die Belange und das Wohl der Kläger zu Ziffer 2 und 3 zu berücksichtigen, die mittelbar das Bleibeinteresse der Klägerin zu Ziffer 1 stärken (vgl. allgemein Bauer/Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 55 AufenthG Rn. 23). Es entspricht dem Wohl der Kläger zu Ziffer 2 und 3 und dient ihren Belangen, wenn sie in einer gelebten Familieneinheit aufwachsen können. Derzeit besteht eine solche Familieneinheit im Bundesgebiet. Dafür spricht entscheidend, dass die Klägerin zu Ziffer 1, ihr Ehemann und die gemeinsamen Kinder in einer Wohnung leben. Durch die Ausweisung der Klägerin zu Ziffer 1 würde die entstandene Familieneinheit für einen erheblichen Zeitraum beeinträchtigt. Solange die Wirkungen der Ausweisung bestehen (hier zwei Jahre gemäß Ziffer 1 Satz 2 der angegriffenen Verfügung der Beklagten), könnte der Klägerin zu Ziffer 1 nämlich selbst im Fall eines Anspruchs kein Aufenthaltstitel zum Ehegatten- oder Familiennachzug erteilt werden (vgl. § 11 Abs. 1 AufenthG). Da sich die Klägerin zu Ziffer 1 somit einerseits selbst nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten könnte, der Vater der Kläger zu Ziffer 2 und 3 sich andererseits nach Aktenlage aber rechtmäßig in Deutschland aufhält (dazu 2.2.2.2), spricht einiges dafür – wie es in der Vergangenheit auch der Fall war –, dass die Klägerin zu Ziffer 1 mit ihren Kindern in die Türkei zurückkehren würde und die Kläger zu Ziffer 2 und 3 dann für einen erheblichen Zeitraum ohne ihren Vater aufwachsen müssten. Dass die Familieneinheit auch in der Türkei hergestellt werden könnte, kann zwar für die vorzunehmende Interessenabwägung relevant sein (dazu aber 2.5.2), schließt das Vorliegen des in § 55 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG typisierten Bleibeinteresses, bei dem es sich um eine Auffangnorm handelt, jedoch nicht aus (vgl. allgemein VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/15 -, Rn. 140, juris und Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG / zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.11.2016, Rn. 3).
65 
2.4 Es spricht einiges dafür, dass der Aufenthalt der Klägerin zu Ziffer 1 keine Gefahr mehr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG darstellt. An das Vorliegen einer Gefahr sind vorliegend tendenziell erhöhte Anforderungen zu stellen, da es sich bei den wenigen feststellbaren Rechtsverstößen um solche von geringem Gewicht handelt (vgl. allgemein Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG / Abs. 1 (Spezialprävention), Stand: 18.11.2016, Rn. 13 ff.). Einzubeziehen ist weiter, dass der Aufenthalt der Klägerin zu Ziffer 1 nach Aufhebung der Ausweisung legalisiert werden kann (dazu unter 2.2.3.2). Das spricht ebenfalls dagegen, dass in absehbarer Zukunft noch eine Wiederholungsgefahr bezüglich der von der Klägerin zu Ziffer 1 begangenen Verstöße besteht. Selbst wenn man jedoch eine Wiederholungsgefahr bejahte, fehlt es jedenfalls an einem das Bleibeinteresse überwiegenden öffentlichen Interesse an der Ausreise der Klägerin zu Ziffer 1.
66 
2.5 Das öffentliche Interesse an der Ausreise der Klägerin zu Ziffer 1 überwiegt bei der unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmenden Abwägung der Interessen nicht ihr Bleibeinteresse.
67 
2.5.1 § 53 Abs. 1 AufenthG erfordert ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen, diese unterschreiten oder ihnen entgegenstehen. Insbesondere ist hier der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles signifikant von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen. Sind im konkreten Fall keine Gründe von erheblichem Gewicht – etwa auch solche rechtlicher Art – ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren. Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. April 2016 – 11 S 393/16 –, juris Rn. 29 f.).
68 
2.5.2 Ausgehend davon, dass es einerseits an einem gewichteten Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 2 Nr. 8 a) und 9 AufenthG fehlt, andererseits aber ein gewichtetes Bleibeinteresse im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG besteht, überwiegt das Bleibeinteresse der Klägerin zu Ziffer 1. Es sind nämlich keine Gründe von erheblichem Gewicht erkennbar, die Anlass bieten, die in den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG zum Ausdruck gekommen typisierten Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren. Wenn überhaupt bestünde wegen der komplizierten Rechtslage und der aus diesem Grunde eingeschränkten Vorwerfbarkeit von Rechtsverstößen der Klägerin zu Ziffer 1 Anlass, die in § 54 Abs. 2 Nr. 8 a) und 9) AufenthG zum Ausdruck gekommenen Wertungen dahingehend zu korrigieren, dass das dort typisierte Ausweisungsinteresse weniger schwer zu gewichten ist. Das Bleibeinteresse der Klägerin zu Ziffer 1 überwiegt aus diesem Grund selbst dann das öffentliche Interesse an der Ausreise, wenn ein gewichtetes Ausweisungsinteresse bestünde. Verstärkt wird das Bleibeinteresse zudem durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK, da die Klägerin zu Ziffer 1 mit ihrem Ehemann, der sich rechtmäßig in Deutschland aufhält, und ihren Kindern eine Familieneinheit bildet, die durch eine Ausreise der Klägerin zu Ziffer 1 beeinträchtigt würde. Schließlich sind keine weiteren außer den hier erörterten, vereinzelt und geringfügig gebliebenen Rechtsverstöße der Klägerin zu Ziffer 1 bekannt geworden.
69 
2.5.3 Insbesondere aus diesen Gründen hätte die streitgegenständliche Ausweisung auch nicht als eine auf § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 a) und 2 AufenthG a.F. gestützte Ermessensausweisung der Beklagten Bestand haben können.
70 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO.
71 
Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrensteils – aufgehobene Ziffern 2 bis 4 der Verfügung der Beklagten vom 23.06.2015 – ist die Kostenentscheidung gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen zu treffen. Billigem Ermessen entspricht es hier, der Beklagten insoweit die Kosten aufzuerlegen. So hat sich die Beklagte durch die Aufhebung von Ziffern 2 bis 4 ihrer Verfügung vom 23.06.2015 in die Rolle der Unterlegenen begeben, ohne dass dies auf einem außerhalb des Einflussbereichs der Beteiligten liegenden Ereignis beruhte oder durch eine Handlung der Kläger veranlasst worden war.
72 
Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich (§§ 124, 124a VwGO).
73 
Soweit das Verfahren eingestellt ist, ist die Entscheidung – auch hinsichtlich der Kostenentscheidung – unanfechtbar (§§ 92 Absatz 3 Satz 2, 158 Absatz 2 VwGO; vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.08.1998 - 4 B 75/98 -, juris).
74 
Beschluss
75 
Der Streitwert wird gemäß §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 8.2 und 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der zuletzt am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen auf 10.000 EUR festgesetzt.

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 11.07.2014 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 01.06.2015 werden aufgehoben und die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Klägerin ist eine am ...1999 geborene moldawische Staatsangehörige. Sie ist das nichtehelich geborene Kind der im Jahr 1984 geborenen türkischen und moldawischen Staatsangehörigen S.E. (geb. P.); der leibliche Vater der Klägerin verzichtete mit notarieller Urkunde am …2008 auf alle Erziehungsrechte. Die Klägerin lebte zuletzt in familiärer Lebensgemeinschaft mit ihrer Mutter in der Türkei, wo ihre Mutter in erster Ehe mit einem türkischen Staatsangehörigen verheiratet war.
Nachdem die Mutter der Klägerin in zweiter Ehe am …2013 den deutschen Staatsangehörigen Se.E. geheiratet hatte, beantragte die Klägerin mit dem Leitantrag der Mutter im Sommer 2013 bei der Deutschen Botschaft in Istanbul die Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung. Dem Leitantrag wurde am 04.09.2013 zugestimmt. Die Mutter der Klägerin reiste daraufhin am 25.09.2013 ins Bundesgebiet ein und ist seit dem 21.10.2013 im Besitz einer zunächst auf den 21.10.2014 befristeten, zuletzt bis zum 06.10.2016 verlängerten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Am 23.12.2013 kam im Bundesgebiet ihre Tochter Sa. zur Welt, die die deutsche und die türkische Staatsangehörigkeit hat; das Sorgerecht für sie wird von S.E. und Se.E. gemeinsam ausgeübt. S.E. lebt zusammen mit Sa., Se.E. und dessen im Jahr 2000 geborener Tochter A., die deutsche Staatsangehörige ist und für welche das Sorgerecht von Se.E. und der Kindsmutter gemeinsam ausgeübt wird, in familiärer bzw. ehelicher Lebensgemeinschaft.
Mit Schreiben vom 04.09.2013 teilte die im Visumsverfahren beteiligte Ausländerbehörde der Beklagten mit, dass es für die Klägerin im Hinblick auf die Frage, wer für deren Lebensunterhalt aufkomme, bei einer Ablehnung der Visumserteilung bleibe.
Mit Schreiben vom 20.11.2013 legte die Beklagte dem Regierungspräsidium Freiburg den Visumsantrag vor mit der Bitte um Prüfung eines Härtefallgrundes gemäß § 32 Abs. 4 AufenthG. Mit Schreiben vom 16.12.2013 wies das Regierungspräsidium Freiburg die Beklagte darauf hin, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AufenthG und im Hinblick auf die Nichterfüllung der Regel-erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG unter dem Aspekt des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG eine Ausnahme in Betracht komme.
Auf die Aufforderung an den seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Härtefallgründe vorzutragen, teilte dieser mit, dass die Klägerin seinerzeit in der Erwartung, ein Visum werde rasch erteilt werden, in der Türkei bei Verwandten zurückgelassen worden sei. Diese seien nur zu einer vorübergehenden Aufnahme der Klägerin bereit gewesen. Die räumliche Trennung von Mutter und Tochter bedeute eine ungeheure Härte für die junge Patchworkfamilie und eine erhebliche Störung der durch Art. 6 GG geschützten Ehe; die Verweigerung der Visumserteilung habe möglicherweise zur Folge, dass der Se.E. seine Ehe nicht weiter im Bundesgebiet führen könne. Ferner trugen die Mutter der Klägerin und deren Ehemann in einem Schreiben an die Beklagte vor, dass die Klägerin erst 14 Jahre alt sei und keine weiteren erziehungsberechtigten Personen in der Türkei habe. Zum Vater bestehe seit 14 Jahren kein Kontakt. Die Unterbringung bei der Tante sei eine nicht länger tragbare Notlösung. Die Mutter der Klägerin sei aufgrund der bevorstehenden Geburt ihres zweiten Kindes vorab ins Bundesgebiet gereist, um formale Komplikationen zu vermeiden. Die momentane Situation sei für keinen der Beteiligten tragbar, da die Tante nicht mehr in der Lage sei, die finanzielle Belastung zu tragen, und, wie sich aus einem Schreiben ergebe, jegliche Verantwortung für das Kind von sich weise. Die Situation sei für alle Beteiligten eine schwere psychische Belastung; die Klägerin habe binnen kurzer Zeit dramatisch abgenommen und ihre Leistungen in der Schule seien eingebrochen.
Am 19.05.2014 reiste die Klägerin mit einem biometrischen Pass der Republik Moldau visumsfrei ins Bundesgebiet ein. Ihr Aufenthalt wird seitdem „faktisch geduldet“.
Unter dem 03.06.2014 stellte die Klägerin Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage des § 32 AufenthG. Zwischenzeitlich sei klar, dass die Mutter der Klägerin die allein Sorgeberechtigte sei. Zwar sei richtig, dass der Lebensunterhalt des Kindes weder aus eigenen Mitteln noch aus denen der Familie gesichert sei. Aber die Lebensunterhaltssicherung sei nur im Regelfall erforderlich; ein Ausnahmefall komme dann in Betracht, wenn die familiäre Lebensgemeinschaft nur im Bundesgebiet geführt werden könne, weil die Stammfamilie hier lebe und zur Stammfamilie deutsche Staatsangehörige gehörten. Dies sei hier der Fall. Daher sei eine Abweichung von der Regelvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG geboten. Was die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG angehe, so sei die Klägerin zwar nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist. Allerdings seien die Voraussetzungen eines Anspruchs erfüllt. Jedenfalls sei es unzumutbar, das Visumsverfahren nachzuholen. Der Visumsantrag sei schon Anfang August 2013 ordnungsgemäß gestellt worden. Die Bearbeitung habe sich über Monate hingezogen, obwohl klar gewesen sei, dass mit Blick auf Art. 6 GG die Erteilung eines Visums nicht an der fehlenden Lebensunterhaltssicherung scheitere und bereits seit Monaten die Sorgerechtsfrage geklärt gewesen sei. Infolge dieser zögerlichen Entscheidungspraxis habe die Klägerin immer mehr unter Druck ihrer Tante gestanden, die sie letztlich vor die Tür gesetzt habe.
Mit Bescheid vom 11.07.2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 1 AufenthG. ab. Zwar sei die Kindsmutter allein sorgeberechtigt und besitze eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Die allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzungen lägen nicht vor. Die Klägerin hätte auf Grundlage von Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 539/2001 nur für einen drei Monate nicht überschreitenden Aufenthalt visumsfrei einreisen dürfen. Die Klägerin habe gewusst, dass für den geplanten Kindernachzug ein Visum erforderlich sei, und habe ein solches auch beantragt. Als der Verfahrensverlauf der Klägerin missfallen habe, habe sie versucht, vollendete Tatsachen zu schaffen. § 39 Abs. 3 AufenthV sei nicht einschlägig, da der Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise entstanden sein müsse. Die zentralen Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 1 AufenthG - allein sorgeberechtigte Kindsmutter, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war - seien aber bereits vor der Einreise ins Bundesgebiet erfüllt gewesen. Somit sei allenfalls zu prüfen, ob das Nachholen des Visums unzumutbar sei. Die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sei eng auszulegen. Auch der verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie stehe einer Nachholung des Visumsverfahrens nicht per se entgegen. Die mit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis eintretenden Schwierigkeiten für den Erhalt der Familiengemeinschaft müssten nach ihrer Art und Schwere vielmehr so ungewöhnlich und groß sein, dass im Hinblick auf den Zweck der Nachzugsvorschriften, die Herstellung und Wahrung der Familieneinheit zu schützen, die Ablehnung der Erlaubnis schlechthin unvertretbar sei. Hier lägen gesicherte Nachweise, dass eine Betreuung im Ausland schlichtweg nicht gesichert sei, nicht vor. Daher könne von der Durchführung eines ordnungsgemäßen Visumsverfahrens nicht abgesehen werden. Von der Klägerin werde nicht in Abrede gestellt, dass der Lebensunterhalt ungesichert sei; sowohl der schwerbehinderte Stiefvater der Klägerin als auch dessen Tochter bezögen Leistungen nach SGB XII, die Mutter der Klägerin und deren zweites Kind hätten bereits Leistungen nach SGB II beantragt. Atypische Umstände, die ein Absehen vom Regelfall geböten, lägen nicht vor. Denn weder die Klägerin noch ihre Mutter seien deutsche Staatsangehörige. Eine Atypik sei nicht zu sehen. Beim Familiennachzug zu Deutschen habe der Gesetzgeber das Spannungsverhältnis zwischen den mit dem Regelerfordernis verfolgten fiskalischen Interessen und den Belangen der Familie aufgelöst, nicht jedoch beim Familiennachzug von Ausländern zu Ausländern. Hier erfolge gerade kein Nachzug zu einem Deutschen. Den bestehenden Regelungen könne der allgemeine Rechtsgedanke entnommen werden, dass beim Nachzug in eine Familie, der ein deutscher Staatsangehöriger angehört, dem fiskalischen Interesse ein geringeres Gewicht zukomme als beim Nachzug in eine rein ausländische Familie. Dies sei auch bei der Frage des Vorliegens atypischer Umstände zu berücksichtigen. Allein die Tatsache, dass einer Kernfamilie ein oder mehrere minderjährige deutsche Kinder angehörten, rechtfertige noch kein Absehen vom Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung. Hierzu bedürfe es vielmehr des Hinzutretens weiterer Umstände. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts liege eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts vor beim Nachzug eines minderjährigen Kindes in eine Kernfamilie, der mindestens ein minderjähriges deutsches Kind angehörige, wenn die Kernfamilie ihren Schwerpunkt in Deutschland habe und mit dem Nachzug vervollständigt werde, wenn das nachziehende Kind das 13. Lebensjahr noch nicht vollendet habe und wenn gegen die Eltern keine Sanktionen wegen Verletzung ihrer sozialrechtlichen Verpflichtungen verhängt worden seien. Vorliegend seien die familienrechtlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Kernfamilie noch nicht erfüllt, denn es gebe derzeit weder eine gemeinsame Sorgerechtserklärung der Mutter der Klägerin und deren Ehemann noch gar Adoptionsbemühungen. Insoweit verbleibe es beim familiären Nachzug nur zur Kindesmutter. Auch habe die Klägerin zwischenzeitlich sogar das 15. Lebensjahr vollendet. Das Bundesverwaltungsgericht sehe bis zum 12. Lebensjahr einen gesteigerten Schutz- und Betreuungsbedarf. Diese Regelannahme werde hier bei weitem nicht erfüllt. Dies schon deshalb, weil die Mutter der Klägerin den Ehegattennachzug angetreten und ihre Tochter zurückgelassen habe; dafür, dass die Mutter der Klägerin davon ausgegangen sein will, ihre Tochter zeitnah nachholen zu können, habe die Verwaltung keinen Anlass geboten. Die Klägerin habe wie gewohnt weiter im Ausland gelebt, nur bei einer Tante. Dass diese die Klägerin auf die Straße gesetzt habe, werde mit Nichtwissen bestritten. Auch erfülle die Klägerin nicht die allgemeinen Nachzugsvoraussetzungen der §§ 27, 29 AufenthG. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels hänge insbesondere nach § 27 Abs. 3 Satz 1 AufenthG von einer Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde ab. Liege wie hier hinsichtlich der Regelerteilungsvoraussetzung kein Ausnahmefall vor, reduziere sich das der Ausländerbehörde eingeräumte Versagungsermessen nicht zugunsten des Ausländers auf Null. Bei der Interessenabwägung sei maßgeblich zu berücksichtigen, in welchem Umfang der Nachzug in Bezug auf andere Personen zu einer stärkeren Belastung der Sozialsysteme führe. Dies sei hier der Fall, da die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Falle eines Nachzugs zumindest für die Mutter der Klägerin erhöht würden. Auf die vorherige Anhörung sei verzichtet worden, weil die Rechtsauffassung der Ausländerbehörde mit den Ablehnungsgründen seit Monaten diskutiert worden sei. Die tatsächliche Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen werde vorerst mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG zurückgestellt.
Die Klägerin legte gegen den ihr am 16.07.2014 zugegangenen Bescheid am 18.08.2014, einem Montag, Widerspruch ein. Im Rahmen des § 32 AufenthG komme es auf das Vorliegen einer besonderen Härte nicht an, vielmehr sei eine Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 3 AufenthG zu erteilen. Soweit es um das Erfordernis des Visumsverfahrens gehe, werde den verfassungsrechtlichen Pflichten nicht ausreichend Rechnung getragen. Es liege auf der Hand, dass die Garantien der Art. 6 GG, Art. 8 EMRK bei einem 15-jährigen Mädchen überwögen. Auch bei der Argumentation betreffend die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG versäume es die Beklagte, aus Art. 6 GG, Art. 8 EMRK die gebotene Konsequenz zu ziehen, und zwar trotz Nr. 5.1.1.2 der Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz. Es liege nach der Geburt des zweiten Kindes der Mutter der Klägerin doch auf der Hand, dass es nicht öffentlichen Interessen entsprechen könne, die Mutter der Klägerin vor die Wahl zu stellen, ob sie das kleine Kind betreue, das aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit ein Recht darauf habe, in Deutschland zu leben, oder ob sie mit dem 15-jährigen Kind das Land verlasse. Eine derartige Praxis wäre auch mit der EU-Familiennachzugsrichtlinie nicht vereinbar. Höchstfürsorglich werde beantragt, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.
10 
Mit Bescheid vom 23.12.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ab. § 25 Abs. 5 AufenthG befreie nicht von der Beachtung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG. Über deren Absehen könne gemäß § 5 Abs. 3 AufenthG nur nach Ermessen entschieden werden. Nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens komme das Absehen von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen hinsichtlich des gesicherten Lebensunterhalts nicht in Betracht. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG könne darüber hinaus nur erteilt werden, wenn die Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht nur vorübergehend unmöglich sei. Die Ausreise der Klägerin sei weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen unmöglich. Art. 6 GG begründe nicht unmittelbar einen Anspruch auf Aufenthalt. Ein Rückgriff auf § 25 Abs. 5 AufenthG komme nicht in Betracht, um eine aufenthaltsrechtlich gescheiterte Familienzusammenführung letztlich zu ermöglichen. Ein humanitäres Aufenthaltsrecht substituiere kein familiäres Aufenthaltsbegehren.
11 
Die Klägerin legte gegen den Bescheid der Beklagten vom 23.12.2014, eingegangen am 05.01.2015, mit Schreiben vom 04.02.2015 Widerspruch ein.
12 
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2015 wies das Regierungspräsidium Freiburg den Widerspruch der Klägerin gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 11.07.2014 zurück. Zur Begründung wurde auf das Nichtvorliegen der Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sowie auf § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG verwiesen.
13 
Ebenfalls mit Bescheid vom 01.06.2015 wies das Regierungspräsidium Freiburg den Widerspruch der Klägerin gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 23.12.2014 zurück und verwies vor allem darauf, dass § 25 Abs. 5 AufenthG keine Auffangnorm für die Fälle sei, in denen die in den §§ 27 ff. AufenthG genannten Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
14 
Die Klägerin hat gegen die am 05.06.2015 zugestellten Widerspruchsbescheide am 03.07.2015 Klage erhoben. Zur Begründung werden die im Vorverfahren vorgebrachten Argumente wiederholt und vertieft und ergänzend vorgetragen, dass die zusätzlichen Anforderungen des § 32 Abs. 2 AufenthG hier nicht vorliegen müssten. Die Annahme, der Klägerin sei eine Nachholung des Visumsverfahrens zumutbar, werde den familiären Beziehungen, also der engen Mutter-Kind-Beziehung sowie der familiären Beziehung zu ihrer kleinen Schwester Sa. und zum Stiefvater nicht im Ansatz gerecht. Soweit die Beklagte darauf verweise, es sei nicht glaubhaft gemacht, dass die anderweitige Betreuung der Klägerin in der Türkei nicht gesichert sei, verkenne sie, dass Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern des Kindes sei. Im Übrigen gebe es eine anderweitige Betreuungsmöglichkeit in der Türkei gerade nicht, wie sich auch aus dem Schreiben des Diakonischen Werks vom 03.03.2014 ergebe. Der Verweis auf das Visumsverfahren bedeute, dass die Klägerin als Minderjährige in die Republik Moldau zurückkehren müsse. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, weshalb das Visumsverfahren dieses Mal weniger lange dauern sollte als beim ersten Mal, wo nach acht Monaten noch nicht absehbar gewesen sei, wann das Verfahren seinen Abschluss gefunden hätte. Auch sei noch gar nicht berücksichtigt, welche psychischen Folgen es für die Klägerin hätte, wenn sie aus der neuen Familie herausgerissen würde und allein in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werde. Das Bundesverwaltungsgericht habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sowohl die Richtlinie 2003/86/EG als auch Art. 6 GG, Art. 8 EMRK, Art. 7, 24 Abs. 2 und 3 GR-Charta die Behörden beim Kindernachzug verpflichteten, bei Ausfüllung ihres Handlungsspielraums den Schutz der Familie und das Recht auf Familienleben zu achten und dabei insbesondere das Kindeswohl angemessen zu berücksichtigen. Wie das Ausgangsgericht in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall habe auch die Beklagte keinerlei Feststellungen dazu getroffen, welche Folgen die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis für das Wohl der zur Kernfamilie gehörenden Kinder habe und ob die Familie ihres Stiefvaters, ihrer Schwester und ihrer Mutter darauf verwiesen werden könne, die angestrebte familiäre Lebensgemeinschaft in der Republik Moldau zu führen. Das aber sei auszuschließen, denn es sei völlig unklar wie es angesichts fehlender moldawischer Sprachkenntnisse dem Stiefvater der Klägerin möglich sein sollte, als behinderter Mensch in der Republik Moldau sein Dasein zu fristen, ganz zu schweigen davon, dass es ihm und dem Kind Sa. nicht zumutbar wäre, als deutsche Staatsbürger ihren Wohnsitz dorthin zu verlagern. Was die Argumentation im Zusammenhang mit § 25 Abs. 5 AufenthG betreffe, führe die Beklagte keinerlei Erwägungen an, weshalb sie ihr Ermessen zu Lasten der Klägerin ausgeübt habe.
15 
Die Klägerin beantragt,
16 
den Bescheid der Beklagten vom 11.07.2014 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 01.06.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden;
17 
hilfsweise, den Bescheid der Beklagten vom 23.12.2014 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 01.06.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Vorliegend werde die Erteilung einer Duldung in Aussicht gestellt; aufenthaltsbeendende Maßnahmen seien folglich nicht vorgesehen. Im Kern handele es sich um die Beantwortung der Frage, wie das Spannungsverhältnis zwischen dem Normzweck des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG im Sinne des grundlegenden staatlichen Interesses, Neubelastung für die öffentlichen Haushalte durch die Erteilung von Aufenthaltstiteln zu vermeiden, und den Belangen der Familie, wie sie insbesondere in Art. 6 GG, Art. 8 EMRK zum Ausdruck kämen, aufgelöst würden. Es sei bemerkenswert, wie hier geradezu als Selbstverständlichkeit unter Verstoß gegen geltendes Recht mit der Einreise Fakten geschaffen würden. Auf das Vorliegen einer besonderen Härte komme es vorliegend tatsächlich nicht an. Allerdings sei auch im Rahmen des § 32 Abs. 1 AufenthG das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 AufenthG zu prüfen; vorliegend seien weder § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG noch § 5 Abs. 2 AufenthG gegeben. Der Umstand, dass es um den Zuzug zu einer Kernfamilie in die Bundesrepublik gehe, könne nicht ohne Weiteres einen atypischen Sonderfall begründen, vielmehr seien die gesetzlichen Regelungen zum Familiennachzug der §§ 27 ff. AufenthG zu berücksichtigen. Die Klägerin habe zwischenzeitlich ihr 16. Lebensjahr vollendet. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Mutter der Klägerin diese bewusst bei ihrer Übersiedlung zurückgelassen habe; sie sei offenbar der Auffassung gewesen, dass die Klägerin in der Türkei zurechtkommen werde, eine Annahme, für deren Richtigkeit auch der zwischenzeitliche Zeitablauf spreche. Auch sei die Klägerin in der Türkei keinesfalls auf sich allein gestellt. Der Erklärung der Tante komme ein nur eingeschränkter Beweiswert zu. Auch sei davon auszugehen, dass in der Türkei entsprechende Sozialstrukturen zum Betreuen Minderjähriger bestünden.
21 
Dem Gericht haben die einschlägigen Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bde.) und die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Freiburg (1 Bd.) vorgelegen. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
I.
22 
Die Klage ist in ihrem auf erneute Entscheidung der Beklagten über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 32 Abs. 1 AufenthG gerichteten Hauptantrag als Verpflichtungsklage gemäß §§ 40, 42, 68 ff. VwGO zulässig.
23 
Die Klage ist auch in ihrem Hauptantrag begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11.07.2014 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 01.06.2015 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten; sie sind aufzuheben und die Beklagte ist verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
24 
Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels auch dann grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, wenn es um den Nachzugsanspruch von Kindern geht (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 13.06.2013 - 10 C 16/12 -, und vom 01.12.2009 - 1 C 32/08 -, jew. juris). Der Nachzugsanspruch der Klägerin ist daher an § 32 AufenthG in der seit dem 01.08.2015 geltenden, gegenüber der Vorgängerfassung allerdings, soweit hier einschlägig, unveränderten Fassung zu messen.
25 
1. Gemäß § 32 Abs. 1 AufenthG ist dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Blaue Karte EU, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt - EU besitzen. Hat das minderjährige ledige Kind bereits das 16. Lebensjahr vollendet und verlegt es seinen Lebensmittelpunkt nicht zusammen mit seinen Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in das Bundesgebiet, gilt gemäß Absatz 2 der Vorschrift Absatz 1 nur, wenn es die deutsche Sprache beherrscht oder gewährleistet erscheint, dass es sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann; diese Beschränkungsnorm wiederum gilt nach Satz 2 des Absatzes nicht, wenn der Ausländer im Besitz einer bestimmten, in der Regelung enumerativ aufgezählten, hier nicht einschlägigen Aufenthaltserlaubnis ist.
26 
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 AufenthG.
27 
1.1 Die am ...1999 geborene Klägerin ist auch gegenwärtig noch minderjährig und ledig.
28 
Dass sie zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits 16 Jahre alt ist, das 16. Lebensjahr folglich vollendet hat, schadet nicht; insbesondere ist insoweit nicht die Beschränkungsnorm des § 32 Abs. 2 Satz 1 AufenthG anwendbar. Sind aufenthaltsrechtliche Ansprüche an eine Höchstaltersgrenze geknüpft - wie hier beim Kindernachzug gemäß § 32 Abs. 2 AufenthG an die Vollendung des 16. Lebensjahres -, ist für die Einhaltung der Altersgrenze nämlich auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung aber - am 03.06.2014 - war die Klägerin erst 14 Jahre alt, hatte sie also das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet. Wird die Altersgrenze allerdings - wie vorliegend - im Laufe des Verfahrens überschritten, müssen die übrigen Anspruchsvoraussetzungen auch spätestens im Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze, hier also am ...2015, vorgelegen haben. Insoweit bedarf es bei Anspruchsgrundlagen mit einer Höchstaltersgrenze, die der Betroffene - wie hier die Klägerin - im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Verhandlung oder Entscheidung überschritten hat, einer auf zwei unterschiedliche Zeitpunkte bezogenen Doppelprüfung (BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - 10 C 11/12 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.11.2014 - 2 B 13/12 -, juris).
29 
1.2 Die Mutter der Klägerin, die türkische und moldawische Staatsangehörige S.E., war am ...2015 und ist gegenwärtig im Besitz einer - zunächst auf den 21.10.2014, gegenwärtig auf den 06.10.2016 - befristeten Aufenthaltserlaubnis.
30 
1.3 S.E. war am ...2015 und ist auch gegenwärtig der für die Klägerin allein personensorgeberechtigte Elternteil. Denn nach Auskunft der Visastelle des deutschen Generalkonsulats in Istanbul vom 12.03.2014 stand nach den in der Türkei geltenden Sorgerechtsregelungen (Art. 337 türkisches Zivilgesetzbuch Nr. 4721), auf welche es, nachdem die Türkei seinerzeit Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin war, gemäß Art. 21 EGBGB für die Entscheidung über die Sorgerechtsverhältnisse zunächst ankam, das Sorgerecht für die nichtehelich geborene Klägerin allein ihrer Mutter, S.E., zu. Diese (alleinige) elterliche Verantwortung besteht auch nach dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts durch Einreise der Klägerin nach Deutschland unverändert fort (vgl. § 1626a BGB).
31 
2. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug gemäß § 32 Abs. 1 AufenthG erfordert neben dem Vorliegen der dort genannten Anspruchsvoraussetzungen aber grundsätzlich auch, dass die allgemeinen, in § 5 AufenthG geregelten Erteilungsvoraussetzungen erfüllt sind.
32 
2.1 Die Klägerin erfüllte und erfüllt die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht, denn ihr Lebensunterhalt war und ist in Deutschland nicht gesichert. Vielmehr bezog und bezieht die Mutter der Klägerin für sich und die Halbschwester der Klägerin Sa. Leistungen nach dem SGB II, und auch der Ehemann der Mutter der Klägerin ist als Schwerbehinderter auf staatliche Leistungen (auf Grundlage des SGB XII) angewiesen. Die positive Prognose, dass der Lebensunterhalt der Klägerin in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert ist, lässt sich vor diesem Hintergrund nicht stellen.
33 
Von dieser Regelerteilungsvoraussetzung ist im vorliegenden Fall aber eine Ausnahme zu machen.
34 
Sowohl verfassungs-, unions- oder völkerrechtliche Gewährleistungen als auch atypische Umstände des Einzelfalls, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, können eine Ausnahme vom Regelfall rechtfertigen (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urteile vom 13.06.2013 - 10 C 16/12 -, juris; und vom 26.08.2008 - 1 C 32/07 -, juris). Die Annahme eines Ausnahmefalls ist vorliegend sowohl mit Blick auf verfassungsrechtliche Gewährleistungen (dazu unter 2.1.1) als auch aufgrund atypischer Umstände des Einzelfalls (dazu unter 2.1.2) geboten.
35 
2.1.1 Ein Ausnahmefall von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ergibt sich zunächst aus Gründen höherrangigen Rechts, nämlich aus Art. 6 GG.
36 
2.1.1.1 Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG umfasst namentlich die Freiheit der Eheschließung und Familiengründung sowie das Recht auf ein eheliches und familiäres Zusammenleben (vgl. zum Folgenden VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.11.2009 - 13 S 2002/09 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 11.05.2007 - 2 BvR 2483/06 -, juris; Beschluss vom 10.05.2008 - 2 BvR 588/08 -, juris; jew. m.w.N.). Die in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm begründet grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt, verpflichtet jedoch die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden familiären Bindungen an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen zur Geltung zu bringen. Für die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG ist die Frage, ob es den anderen Familienangehörigen zumutbar ist, den Ausländer in sein Herkunftsland zu begleiten, von erheblicher Bedeutung. Kann die familiäre Lebensgemeinschaft nur in der Bundesrepublik Deutschland gelebt werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen der Bundesrepublik nicht zumutbar ist, drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück; andererseits liegt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG fern, wenn das Familienleben ohne unzumutbare Hindernisse auch im Herkunftsland des Ausländers möglich ist.
37 
2.1.1.2 Gemessen an diesem Maßstab liegt im Falle der Klägerin ein Sachverhalt vor, der im Hinblick auf den Regelungszweck der Norm besondere, vom Regelfall abweichende Umstände aufweist.
38 
Die Mutter der Klägerin, S.E., ist für ihre Tochter allein sorgeberechtigt und auch tatsächlich, nachdem der Vater seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Tochter hat und ihm offenbar auch nicht daran gelegen ist, die wichtigste Bezugsperson. Art. 6 Abs. 1 GG kommt daher in dem Verhältnis Mutter-Tochter ein besonders hohes Gewicht zu. Die Mutter der Klägerin aber ist im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis und lebt in familiärer Lebensgemeinschaft mit ihrem Mann, Se.E., der die deutsche Staatsangehörigkeit hat, sowie mit der gemeinsamen Tochter Sa., die ebenfalls (auch) deutsche Staatsangehörige ist, im Bundesgebiet. Ebenfalls im Haushalt lebt die im Jahr 2000 geborene Tochter von Se.E., die deutsche Staatsangehörige A., für die dieser zusammen mit der Kindsmutter das gemeinsame Sorgerecht ausübt. Auch wenn die Mutter der Klägerin nicht selbst deutsche Staatsangehörige ist und derzeit (nur) über eine befristete Aufenthaltserlaubnis verfügt, so ist sie doch aufgrund dieser familiären Konstellation tatsächlich fest in Deutschland verwurzelt. Würde der Klägerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis verweigert, bedeutete dies für ihre Mutter, sich zwischen der familiären Lebensgemeinschaft mit der Klägerin und der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann - beide gleichermaßen durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt - entscheiden zu müssen, und gleichermaßen bedeutete es für ihre Tochter Sa., die familiäre Lebensgemeinschaft, die derzeit mit beiden leiblichen Eltern besteht, mit einem Elternteil aufgeben zu müssen. Unabhängig davon, ob es Se.E. zumutbar wäre, als Schwerbehinderter in der Republik Moldau, zu der er allem Anschein nach keinerlei Beziehungen hat, zu leben, genießt er als deutscher Staatsangehöriger - ebenso wie seine Tochter Sa. - das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Freizügigkeit im Bundesgebiet (Art. 11 Abs. 1 GG), mithin auf Aufenthalt an jedem Ort im Bundesgebiet (OVG NRW, Urteil vom 16.11.2010 - 17 A 2434/07 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.09.2013 - 7 M 36.13 -, juris; auf die Bedeutung des Art. 11 GG verweisend auch BVerwG, Urteil vom 04.09.2012 - 10 C 12.12 -, juris [im Zusammenhang mit dem Spracherfordernis des § 28 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG]; vgl. auch OVG RP, Urteil vom 18.04.2012 - 7 A 10112/12 -, juris). Wollte er seiner Ehefrau und seiner Tochter Sa. ins Ausland folgen, bedeutete dies, wie auch bei seiner Tochter Sa., eine Beeinträchtigung seines Rechts aus Art. 11 GG; außerdem stellte es auch die derzeit mit seiner deutschen Tochter A. gelebte, von Art. 6 GG geschützte familiäre Lebensgemeinschaft in Frage. Die Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis unter Berufung auf die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts der Kernfamilie stellte folglich die vielfältigen innerhalb der Kernfamilie gelebten, durch Art. 6 GG geschützten familiären Bindungen zu Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit in Frage. Diese konkreten Umstände des Falles lassen es geboten erscheinen, vorliegend von einem Ausnahmefall auszugehen, da durch Art. 6 GG geschützten Interesse an einer Erhaltung der Familieneinheit keine öffentlichen Interessen gegenüberstehen, die die Nichterteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Klägerin erforderten.
39 
2.1.2 Eine Ausnahme vom Regelfall der Sicherung des Lebensunterhalts ist ferner aufgrund atypischer Umstände anzunehmen. Derartige atypische Umstände können auch solche sein, die in keinem Zusammenhang mit der Möglichkeit stehen, ein Einkommen zu erwirtschaften (BVerwG, Urteil vom 13.06.2013 - 10 C 16/12 -, juris).
40 
2.1.2.1 Der Normzweck des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besteht darin, neue Belastungen für die öffentlichen Haushalte durch die Erteilung von Aufenthaltstiteln zu vermeiden. Dabei handelt es sich um eine Erteilungsvoraussetzung von grundlegendem staatlichem Interesse (BT-Drs. 15/420 S. 70). Diese gilt aber nur in der Regel. Im vorliegenden Fall stehen die mit dem Regelerfordernis verfolgten fiskalischen Interessen in einem Spannungsverhältnis mit den Belangen der Familie. Denn die Klägerin hat, wie bereits ausgeführt, ein schützenswertes Interesse daran, mit ihrer leiblichen Mutter, S.E., zusammenzuleben. S.E. aber hat ihren rechtmäßigem Aufenthalt im Bundesgebiet und hat ihrerseits ein schutzwürdiges Interesse daran, dort weiterhin mit ihrem deutschen Ehemann, Se.E., und ihrer Tochter Sa., die ebenfalls (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit hat, in familiärer Lebensgemeinschaft zu leben. Auch Se.E. hat ein schützenswertes Interesse daran, die familiäre Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau und seiner Tochter Sa. sowie mit seiner deutschen Tochter A. im Bundesgebiet fortzusetzen.
41 
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 13. Juni 2013 (- 10 C 16/12 -, juris) deutlich gemacht, dass die Annahme eines Ausnahmefalls nicht nur unter Berücksichtigung höherrangigen Rechts in Betracht kommt, wenn etwa den deutschen Mitgliedern der Kernfamilie ein Verlassen des Bundesgebiets unzumutbar oder ein dauerhafter Aufenthalt im Ausland tatsächlich nicht möglich wäre. Vielmehr, so das Bundesverwaltungsgericht, kommt unabhängig von der Frage, ob dem Begehren des nachzugswilligen Kindes aus Gründen höherrangigen oder vorrangig anzuwendenden Rechts die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts nicht entgegengehalten werden kann, eine Ausnahme vom Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenhG auch allein aufgrund atypischer Umstände in Betracht, die darauf beruhen, dass die Kernfamilie des Betreffenden bereits ihren rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland hat und deutsche Staatsangehörige umfasst. Zum Spannungsverhältnis zwischen fiskalischen Interessen und familiären Belangen hat das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung ausgeführt:
42 
„Dieses Spannungsverhältnis hat der Gesetzgeber beim Familiennachzug zu Deutschen dahin aufgelöst, dass - über zwingende verfassungs- oder völkerrechtlichen Vorgaben hinaus - sowohl das ausländische minderjährige ledige Kind eines Deutschen als auch der ausländische Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis haben (§ 28 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 2 und 3 AufenthG). Auch dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen soll eine Aufenthaltserlaubnis in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilt werden (§ 28 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Diese den Familiennachzug begünstigenden einfachgesetzlichen Regelungen sind hier weder unmittelbar noch analog anzuwenden, da kein Nachzug zu einem Deutschen erfolgt. Ihnen kann aber der allgemeine Rechtsgedanke entnommen werden, dass beim Nachzug in eine Familie, der ein deutscher Staatsangehöriger angehört, dem fiskalischen Interesse ein geringeres Gewicht zukommt als beim Nachzug in eine rein ausländische Familie. Diese Wertung ist auch bei der Frage, ob im vorliegenden Fall besondere atypische Umstände eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG rechtfertigen, zu berücksichtigen. Dies führt allerdings nicht dazu, dass allein die Tatsache, dass einer Kernfamilie ein oder - wie hier - mehrere minderjährige deutsche Kinder angehören, bereits ein Absehen vom Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung rechtfertigt. Hierzu bedarf es vielmehr des Hinzutretens weiterer Umstände, die bei einer wertenden Gesamtschau das ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG beseitigen.“
43 
Im Folgenden sieht das Bundesverwaltungsgericht im konkreten Fall derartige ausschlaggebende atypische Umstände als gegeben an. Dies waren der Nachzug in eine Kernfamilie, die bei einer qualitativen Betrachtung aller für die Bestimmung des Lebensmittelpunkts maßgeblichen Umstände ihren Schwerpunkt in Deutschland hat, während der Kläger - im dortigen Verfahren - das einzige Mitglied der Kernfamilie ist, das außerhalb Deutschlands lebt, außerdem der Umstand, dass der den Nachzug begehrende Kläger im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erst zwölf Jahre alt war, sowie schließlich der Umstand, dass gegen die Eltern keinerlei Sanktionen wegen Verletzung sozialrechtlicher Verpflichtungen nach §§ 31 ff. SGB II verhängt worden sind.
44 
2.1.2.2 Die – nach den zuvor zitierten Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts durchzuführende – wertende Gesamtschau führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass auch im vorliegenden Fall eine Ausnahme vom Regelerfordernis der Sicherung des Lebensunterhaltes anzunehmen ist.
45 
Den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich entnehmen, dass bei einem Nachzug in eine Familie, der ein deutscher Staatsangehöriger angehört, dem fiskalischen Interesse ein geringeres Gewicht zukommt als beim Nachzug in eine rein ausländische Familie. Dieser Rechtsgedanke greift auch im vorliegenden Fall. Zwar ist die Klägerin nicht mit dem Ehemann ihrer Mutter, dem deutschen Staatsangehörigen Se.E., verwandt. Se.E. ist jedoch fester Bestandteil der Kernfamilie, in die der Nachzug erfolgen soll; außerdem wird der Zuzug auch zu Sa., der Halbschwester der Klägerin, begehrt, die (auch) deutsche Staatsangehörige ist. Diese Kernfamilie hat auch ihren eindeutigen Schwerpunkt in Deutschland. Dies beruht nicht nur darauf, dass Se.E. allein die deutsche Staatsangehörigkeit hat und Sa. jedenfalls auch deutsche Staatsangehörige ist. Hinzu kommt, dass A., die leibliche Tochter von Se.E., ebenfalls deutsche Staatsangehörige ist. Se.E. hat für A., mit der er in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht und zusammen mit der Mutter von A. das gemeinsame Sorgerecht. Die Klägerin ist daher das einzige Mitglied der Kernfamilie, das außerhalb Deutschlands und nicht in familiärer Lebensgemeinschaft mit den anderen Familienmitgliedern lebt. Dafür, dass dieser Fall allein im Hinblick darauf, dass Se.E. sich bislang offenbar nicht um das gemeinsame Sorgerecht für die Klägerin oder ihre Adoption bemüht hat, anders zu sehen sein könnte als der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedene, sieht die Kammer - anders als offenbar die Beklagte - keine Anhaltspunkte; entscheidend ist vielmehr, dass die wichtigste Bezugsperson der Klägerin, nämlich ihre leibliche Mutter, zusammen mit ihrem - deutschen - Ehemann und dem gemeinsamen Kind, der Halbschwester der Klägerin, im Bundesgebiet lebt.
46 
Auch ein weiteres Argument, das das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung für die Annahme eines Ausnahmefalles in die Waagschale geworfen hat, kann vorliegend fruchtbar gemacht werden: Gegen Se.E., der schwerbehindert ist, und S.E. wurden offenbar in der Vergangenheit keinerlei Sanktionen wegen Verletzung ihrer sozialrechtlichen Verpflichtungen nach §§ 31 ff. SGB II verhängt. Angesichts der konkreten Umstände - Schwerbehinderung von Se.E. und betreuungsbedürftiges Kleinkind im Haushalt - ist auch fraglich, ob ihnen der Umstand, dass sie staatliche Leistungen beziehen, gegenwärtig überhaupt zum Vorwurf gemacht werden könnte.
47 
Dem Umstand, dass die Klägerin inzwischen 16 Jahre alt ist, misst die Kammer im vorliegenden Fall dagegen kein wesentliches Gewicht bei. Richtig ist, dass das Kind in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall das 13. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte; nicht richtig ist allerdings die dem Vortrag des Beklagten offenbar zugrunde liegende Auffassung, das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung eine entsprechende Höchstgrenze von zwölf Jahren aufgestellt. Die Kammer vermag die Erwägungen der Beklagten nicht nachzuvollziehen, die offenbar den Umstand, dass die Mutter der Klägerin diese in der Obhut der Tante in der Türkei belassen habe, um hochschwanger zu ihrem deutschen Ehemann zu ziehen, als Beleg für das fehlende Angewiesensein der Klägerin auf ein Aufwachsen in der Kernfamilie sieht. Wenn man sich mit der Beklagten auf die Ebene bloßer Mutmaßungen begeben möchte, wäre es aus Sicht der Kammer wesentlich naheliegender anzunehmen, ein Kind, das auf eine nur kurzfristige Trennung von seiner Mutter vertraut hat und - nach Auffassung der Kammer, die im Ergebnis einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für gegeben erachtet - auch vertrauen durfte, dann aber während eines knappen Jahres gegen den eigenen Willen wie auch den der Mutter ohne seine Mutter als der wichtigsten Bezugsperson hat leben müssen, bedürfe in der Folge eines umso intensiveren Kontaktes zu seiner Kernfamilie, um diese Erfahrungen verarbeiten zu können; die Aussage im angefochtenen Bescheid, die Klägerin habe ihre Lebensführung „wie gewohnt im Ausland, nur bei einer Tante“ fortgesetzt, mutet in diesem Zusammenhang im Lichte von Art. 6 GG beinahe zynisch an, ebenso wie der Verweis darauf, es gebe in der Türkei, wenn sich denn die Tante nicht mehr um die Klägerin hätte kümmern wollen, „entsprechende Sozialstrukturen zum Betreuen Minderjähriger“.
48 
Hinzu kommt vorliegend ein weiteres Argument, das für die Annahme eines Ausnahmefalls streitet: Die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis für die Klägerin führte nicht nur zu einer Kollision der Interessen der S.E. an einem familiären Zusammenleben mit beiden leiblichen Kindern und mit ihrem Ehemann sowie dem berechtigten Interesse von Sa. an einem Umgang mit beiden Elternteilen und ihrer Schwester. Auch der deutsche Staatsangehörige Se.E. müsste - auch unabhängig davon, ob ihm insbesondere unter Berücksichtigung seiner Schwerbehinderung ein Leben in der Republik Moldau oder der Türkei zumutbar wäre - wählen, ob er für den Fall, dass sich S.E. für ein Zusammenleben mit der Klägerin entschiede, seiner Frau und seiner Tochter Sa. ins Ausland folgt, oder ob er weiterhin in familiärer Lebensgemeinschaft mit seiner Tochter A. lebt, die ihrerseits Anspruch auf Kontakt zu beiden Elternteilen hat. Der Konflikt zwischen fiskalischen Interessen des Staates und den Belangen der Familie hätte mithin auch Auswirkungen auf Dritte wie A. sowie ggf. deren Mutter (vgl. zu diesem Aspekt VG Berlin, Urteil vom 07.01.2014 - 19 K 192/13 V -, juris).
49 
2.1.3 Damit liegt im Hinblick auf die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ein Ausnahmefall vor mit der Folge, dass die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Ergebnis nicht hindert.
50 
2.2 Auch § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Ergebnis nicht entgegen. Nach dieser Regelung setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsinteresse besteht.
51 
2.2.1 Ein solches Ausweisungsinteresse könnte vorliegend nach Aktenlage gemäß §§ 54 Abs. 2 Nr. 9, 95 Abs. 1 Nr. 3, 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG allein deshalb vorliegen, weil die Klägerin am 19.05.2014 ohne Visum, nur mit einem biometrischen Pass der Republik Moldau, ins Bundesgebiet eingereist ist, obwohl sie ganz offensichtlich - und von ihr zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt - bereits bei ihrer Einreise einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet beabsichtigte. Die Republik Moldau gehört seit dem 28.04.2014 zu den Anhang-II-Staaten der VO (EG) Nr. 539/2001 vom 15.03.2001 - EU-VisumVO - (vgl. Änderungs-VO EU Nr. 258/2014 vom 03.04.2014); (nur) für einen Kurzaufenthalt von bis zu drei Monaten sind moldawische Staatsangehörige, sofern sie Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, folglich von der Visumspflicht befreit.
52 
Damit stellt sich die Frage, ob auch derjenige unerlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ins Bundesgebiet einreist, der als sog. „Positivstaater“ zwar grundsätzlich visumsfrei einreisen darf, für den konkret mit der Einreise verfolgten Zweck jedoch ein Visum benötigt hätte.
53 
2.2.1.1 Für den Fall, dass der Ausländer mit einem Schengen-Visum für einen Kurzaufenthalt ins Bundesgebiet einreist, obgleich er bereits zum Zeitpunkt der Einreise einen längerfristigen Aufenthalt angestrebt hat und infolgedessen eines nationalen Visums bedurft hätte, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine unerlaubte Einreise im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor; der Umstand, dass der Ausländer aufgrund des Aufenthaltszwecks ein nationales Visum benötigt hätte, kommt laut Bundesverwaltungsgericht erst im Rahmen des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zum Tragen, wo sich die Frage der Erforderlichkeit des Visums nach dem konkreten Aufenthaltszweck bemisst (BVerwG, Urteile vom 11.01.2011 - 1 C 23/09 -, juris, und vom 16.11.2010 - 1 C 17/09 -, juris).
54 
Diese Auslegung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG hat nicht nur die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 14 AufenthG (BT-DrS. 15/420, S. 73) auf ihrer Seite, in der es heißt, dass durch den Verweis in Nr. 2 auf die Erforderlichkeit des Aufenthaltstitels nach § 4 „... angesichts der unterschiedlichen Auffassung in Rechtsprechung und Lehre klargestellt werden [sollte], dass sich die Erforderlichkeit des Aufenthaltstitels nach objektiven Kriterien und nicht nach dem beabsichtigten Aufenthaltszweck bemisst“. Sie wird auch dem Zweck des § 14 AufenthG, nämlich der Sicherung der kontrollierten Einreise, gerecht. Schutzgegenstand des § 14 AufenthG ist die Unverletzlichkeit der Staatsgrenze; die Regelung steht im Zusammenhang mit - Entscheidungen anhand formaler, schnell und unzweideutig festzustellender Kriterien erfordernden - polizeilichen und strafrechtlichen (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) Maßnahmen zur Verhinderung oder Sanktionierung unerlaubter Grenzübertritte. Davon unabhängig zu sehen - und vom Schutzzweck des § 14 Abs. 1 AufenthG nicht primär erfasst - ist das Ziel der Einhaltung des Visumsverfahrens als Steuerungsinstrument einer geordneten Zuwanderung. Dieser Zielsetzung dient stattdessen § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG, der zur Versagung des begehrten Aufenthaltstitels führt, wenn bei der Einreise kein dem konkret aktuell verfolgten Aufenthaltszweck entsprechendes Visum vorlag (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11.01.2011 - 1 C 23/09 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.03.2006 - 11 S 1797/05 -, juris). Für die genannte Auslegung spricht ferner § 15 AufenthG. Diese Vorschrift begründet neben dem zwingenden Zurückweisungsgrund des Versuchs einer unerlaubten Einreise in Abs. 1 in Abs. 2 die Möglichkeit zur Zurückweisung u.a. für den Fall, dass der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Der Ermächtigung zur fakultativen Zurückweisung in diesen Fällen bedürfte es nicht, wenn die Angabe eines falschen Aufenthaltszwecks (und hierunter lässt sich mühelos auch der Zweck eines vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts fassen) stets dazu führte, dass die Einreise unerlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist. Schließlich bekräftigt die 2013 ins Gesetz eingefügte Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG die gefundene Auslegung. Aus § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG ergibt sich, dass auch derjenige, der mit einem durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkten Visum einreist, bis zu dessen Rücknahme oder Annullierung ein erforderliches Visum besitzt; würde man in diesem Fall bereits die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bejahen, wäre Nr. 2a überflüssig (für eine derartige formale Sichtweise ohne Berücksichtigung des Einreisemotivs des Betreffenden mit unterschiedlichen Argumenten auch Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl., § 14 Rn. 9; HTK-AuslR, Stand 04/2016, § 14 AufenthG / zu Abs. 1 Nr. 2, Rn. 11 ff.; GK-AufenthG, Stand 2015, § 14 Rn. 15; Hailbronner, AuslR, Stand 02/16, § 14 Rn. 13 ff.; a.A. offenbar BeckOK AuslR, Stand 12/2015, § 14 Rn. 12).
55 
2.2.1.2 Vorliegend ist die Klägerin aber nicht mit einem gemessen an ihrem Aufenthaltszweck unzureichenden Visum ins Bundesgebiet eingereist; vielmehr ist sie visumsfrei - nur mit ihrem biometrischen Reisepass - ins Bundesgebiet eingereist, was zwar auf Grundlage von § 15 AufenthV, Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 539/2001 - EG-Visa-VO - für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten zulässig gewesen wäre, nicht aber für den beabsichtigten Daueraufenthalt.
56 
Dieser Fall wird in der Rechtsprechung - zumeist ohne Begründung, insbesondere ohne jede Auseinandersetzung mit der zitierten bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung - regelmäßig dahingehend entschieden, dass eine unter Ausnutzung der Visaerleichterungen für Kurzaufenthalte nach der EG-Visa-VO erfolgte Einreise in das Bundesgebiet bei einer von vornherein bestehenden Absicht des Daueraufenthalts unerlaubt im Sinne des §§ 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist (so etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.09.2011 - 11 S 2438/11 -, juris; OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 07.10.2014 - 2 L 152/13 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss vom 21.06.2013 - 10 CS 13.1002 -, juris; OVG Hamb., Beschluss vom 23.09.2013 - 3 Bs 131/13 -, juris; so im Ergebnis auch GK-AufenthG, Stand 2015, § 14 Rn. 17; auch Nr. 14.1.2.1.1.7.1 AufenthG-VwV geht in diesem Fall von unerlaubter Einreise aus).
57 
Diese unterschiedliche Behandlung von Ausländern, die im Besitz eines im Hinblick auf ihren Aufenthaltszweck unzureichenden Visums - etwa eines für 90 Tage geltenden Schengen-Visums, obgleich sie einen Daueraufenthalt anstreben - sind, und Ausländern, die als Positivstaater ohne Visum einreisen, obwohl auch sie einen über drei Monate hinausgehenden Daueraufenthalt anstreben, ist nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist der - unzutreffenden - Angabe eines Ausländers im Visumsantrag über die Länge bzw. den Zweck des geplanten Aufenthalts kein anderes Gewicht im Hinblick auf die Frage, ob er mit dem erforderlichen Aufenthaltstitel im Sinne des § 14 Abs. 1 AufenthG eingereist ist, beizumessen als der mit Vorlage des Ausweisdokuments konkludent erfolgten, ebenso unzutreffenden Aussage des Positivstaaters, sich nicht länger als drei Monate im Schengenraum aufhalten zu wollen. Denn hier wie dort ergibt sich aus dem geschilderten Zweck des § 14 Abs. 1 AufenthG und seinem Zusammenspiel mit § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG, dass für die Frage der unerlaubten Einreise im Rahmen des § 14 Abs. 1 AufenthG allein auf objektive Gesichtspunkte abzustellen und die Frage des subjektiven Einreisemotivs erst im Rahmen des § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG zu stellen ist.
58 
Zwar ist es richtig, dass der visumsfrei mögliche Aufenthalt in der EG-Visa-VO bereits deshalb auf drei Monate beschränkt worden ist, weil die Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit auf den Erlass von Vorschriften für Visa für geplante Aufenthalte von bis zu drei Monaten beschränkt (vgl. Art. 62 Nr. 2 lit. b) i) EGV) war (hierauf verweisend etwa GK-AufenthG, Stand 2015, § 14 Rn. 17; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.09.2011 - 11 S 2438/11 -, juris). Gleichermaßen war aber die Rechtsetzungskompetenz der Europäischen Gemeinschaft für Regelungen bezüglich sog. Schengen-Visa (vgl. VO (EG) Nr. 810/2009 vom 13.07.2009) ebenso auf einen Zeitraum von drei Monaten beschränkt (vgl. Art. 62 Nr. 2 lit. b) ii) EGV). Weshalb im einen Fall die beschränkte gemeinschaftsrechtliche Regelungskompetenz auf die Frage der unerlaubten Einreise durchschlagen soll, im anderen nicht, erschließt sich nicht.
59 
Derjenige, der als sog. Positiv-Staater ohne Visum einreist, reist folglich auch dann nicht unerlaubt ein, wenn er bereits bei Einreise einen über 90 Tage hinausgehenden Aufenthalt plant (wie hier auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 30.08.2013 - 8 L 1466/13 -, juris; HTK-AuslR, Stand 04/2016, § 14 AufenthG / zu Abs. 1 Nr. 2, Rn. 3, 33 ff. und Art. 1 EU-VisumVO / zu Abs. 2, Rn. 12 ff.; Hailbronner, AuslR, Stand 02/2016, § 14 Rn. 11a ff.; Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand 03/2016, § 14 AufenthG Rn. 2, § 95 AufenthG Rn. 7).
60 
2.2.2 Selbst wenn man dies anders sehen und die Einreise der Klägerin ins Bundesgebiet am 19.05.2014 entgegen der Rechtsauffassung der Kammer als unerlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ansehen wollte, weil sie unbestritten von Anfang an ihre Einreise zum Zweck der dauerhaften Familienzusammenführung beabsichtigte, stünde dies im Ergebnis der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. In diesem Fall wäre zwar davon auszugehen, dass sich die Klägerin gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG strafbar gemacht und damit ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG - nicht nur vereinzelter oder geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften - erfüllt hat, da die illegale Einreise regelmäßig keinen geringfügigen Rechtsverstoß darstellt (vgl. [jew. zu § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F.] OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 28.07.2014 - 2 L 91/12 -, juris; OVG Saarl., Beschluss vom 15.12.2014 - 2 B 374/14 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 11.07.2012 - 18 B 562/12 -, juris). Selbst wenn man aber vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht vorliegt, stünde dies der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis deshalb nicht entgegen, weil auch insoweit im Hinblick auf das große Gewicht, das Art. 6 GG vorliegend zukommt (vgl. dazu die Ausführungen unter Ziff. 2.1.1), auf der einen und dem vergleichsweise geringeren Gewicht des allein im Raum stehenden Verstoßes gegen Visumsbestimmungen auf der anderen Seite ein Ausnahmefall von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG anzunehmen ist.
61 
2.3 Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht schließlich auch nicht § 5 Abs. 2 AufenthG entgegen.
62 
Fest steht, dass die Klägerin ohne das in Anbetracht ihres Zieles eines dauerhaften Aufenthalts im Bundesgebiet erforderliche Visum eingereist ist, somit die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfüllt (dazu unter 2.3.1). Auch sind die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG nicht gegeben, da sie keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat (dazu unter 2.3.2). Der Klägerin ist es jedoch im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. AufenthG auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar, das Visumsverfahren nachzuholen (dazu unter 2.3.3).
63 
2.3.1 Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung u.a. einer Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist. Die Klägerin ist, wie bereits erörtert, ohne Visum ins Bundesgebiet eingereist, obgleich sie unstreitig bereits bei ihrer Einreise einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet begehrte. Welches Visum als das erforderliche Visum anzusehen ist, bestimmt sich im Rahmen von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG - anders als es nach Auffassung der Kammer bei § 14 Abs. 1 AufenthG der Fall ist - nach dem konkreten Aufenthaltszweck, der mit der im Bundesgebiet beantragten Aufenthaltserlaubnis verfolgt wird (BVerwG, Urteile vom 11.01.2011 - 1 C 23/09 -, juris, und vom 16.11.2010 - 1 C 17/09 -, juris; ebenso etwa OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 27.05.2015 - 2 M 21/15 -, juris; OVG Saarl., Beschluss vom 15.12.2014 - 2 B 374/14 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss vom 30.09.2014 - 19 CS 14.1576 -, juris). Für einen längerfristigen Aufenthalt hätte die Klägerin aber, was von ihr auch nicht in Abrede gestellt wird, gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eines Visums für das Bundesgebiet (nationales Visum) bedurft, das vor der Einreise erteilt wird und der Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde bedarf (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV). Tatsächlich hatte sie dementsprechend im Sommer 2013 die Erteilung eines nationalen Visums beantragt.
64 
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. §§ 39 ff. AufenthV berufen. Sie war nicht abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG berechtigt, den Aufenthaltstitel (erst) im Bundesgebiet einzuholen, denn die in § 99 AufenthG i.V.m. § 39 AufenthV normierten Voraussetzungen, nach denen über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern kann, liegen erkennbar nicht vor. Insbesondere sind die Voraussetzungen für einen - ohnehin, wie zu zeigen sein wird (s.u. 2.3.2), nicht bestehenden - Anspruch nicht bereits, wie es § 39 Nr. 3 AufenthVO verlangt, (erst) nach der Einreise entstanden, vielmehr bestanden die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 AufenthG - Minderjährigkeit, Aufenthaltserlaubnis der allein sorgeberechtigten Mutter - bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin sich noch in der Türkei befand.
65 
2.3.2 Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG.
66 
Unter einem Anspruch im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist nur ein strikter, gesetzlich gebundener Anspruch zu verstehen. In der Rechtsprechung besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Vorschrift etwa in Fällen einer Ermessensreduktion auf Null nicht anwendbar ist (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.03.2009 - 11 S 2990/08 -, juris; OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 04.07.2006 - 2 O 210/06 -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 18.06.2007 - 10 PA 65/07 -, juris).
67 
Vorliegend besteht keine Ermessensreduzierung auf Null; vielmehr steht der Umstand, dass die Klägerin die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht verwirklicht, der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis deshalb nicht entgegen, weil insoweit nicht von einem Regel-, sondern von einem Ausnahmefall auszugehen ist. Für diese Fälle ging die obergerichtliche Rechtsprechung in der Vergangenheit teilweise davon aus, ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG bestehe auch dann, wenn im Hinblick auf eine Regelerteilungsvoraussetzung wegen eines atypischen Sachverhalts ein Ausnahmefall vorliegt (so etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.09.2007 - 11 S 837/06 -, juris [für den Begriff des „Anspruchs“ in § 39 Nr. 5 AufenthV und § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG]; Beschluss vom 05.03.2008 - 11 S 378/08 -, juris [für den Begriff des „Anspruchs“ in § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG]; OVG Hamb., Urteil vom 10.04.2014 - 4 Bf 19/13 -, juris; Beschluss vom 09.05.2012 - 4 Bs 15/12 -, juris; so auch GK-AufenthR, Stand 2015, II-§ 5 Rn. 127; HTK-AuslR, Stand 04/2016, § 5 AufenthG / zu Abs. 2 Satz 2, Nr. 1 a.E.). Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch mit Urteil vom 10.12.2014 (- 1 C 15/14 -, juris; bekräftigt mit Urteil vom 17.12.2015 - 1 C 31/14 -, juris) klargestellt, dass ein Rechtsanspruch im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG nur dann vorliegt, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat. Der Anspruch muss sich aus der typisierten gesetzlichen Regelung ergeben mit der Folge, dass Ausnahmetatbestände insoweit unberücksichtigt bleiben müssen. Speziell für den Fall des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG begründet das Bundesverwaltungsgericht seine Auffassung damit, dass das in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vorgeschriebene Visumverfahren dem Zweck diene, die Zuwanderung nach Deutschland wirksam steuern und begrenzen zu können. Ausgehend von dem Zweck, generalpräventiv dem Anreiz entgegenzuwirken, nach einer unter bewusster Umgehung des Visumsverfahrens erfolgten, folglich illegalen Einreise Bleibegründe zu schaffen, seien Ausnahmen von der Visumpflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG prinzipiell eng auszulegen, um dieses wichtige Steuerungsinstrument der Zuwanderung nicht zu entwerten.
68 
Diese Rechtsauffassung, der sich die Kammer aus Gründen der Rechtseinheit anschließt, zugrunde gelegt, fehlt es vorliegend an einem Anspruch im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG.
69 
2.3.3 Mithin bedarf es der Prüfung, ob es der Klägerin im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. AufenthG auf Grund besonderer Umstände unzumutbar ist, das Visumsverfahren nachzuholen. Dies ist zur Überzeugung der Kammer der Fall.
70 
In diesem Zusammenhang ist zwar zu berücksichtigen, dass die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG als Ausnahmeentscheidung grundsätzlich restriktiv auszulegen ist (vgl. zum Folgenden OVG Nieders., Beschluss vom 11.07.2007 - 10 ME 130/07 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss vom 24.02.2014 - 10 ZB 11.2268 -, juris; OVG Saarl., Beschluss vom 22.03.2012 - 2 B 34/12 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 10.04.2007 - 18 B 303/07 -, juris). Die Ausländerbehörde darf im Rahmen der zu treffenden Güterabwägung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit daher als beachtlichen öffentlichen Belang mit in ihre Erwägungen einstellen, dass die Einhaltung des Visumsverfahrens der Regelfall bleiben soll. Auch mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen; der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen. Auch darf die Ausländerbehörde ihrer Entscheidung die Erwägung zugrunde legen, dass dem Eindruck entgegengewirkt werden soll, man könne durch eine Einreise unter bewusster Missachtung der Visumsregeln stets vollendete Tatsachen schaffen. Die Grenze liegt allerdings dort, wo das Beharren auf die Einhaltung des Visumsverfahrens objektiv als unangemessen empfunden werden müsste.
71 
Diese Grenze der objektiven Unangemessenheit ist vorliegend zur Überzeugung der Kammer überschritten.
72 
Zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin als moldawische Staatsangehörige ihr Visum aller Voraussicht nach nicht (mehr) von der Türkei aus beantragen könnte, vielmehr, nachdem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in der Türkei hat, in die Republik Moldau nach Chişinău reisen müsste. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin, die selbst seit April 2004 und damit seit ihrer frühen Kindheit überwiegend in der Türkei gelebt und seit vielen Jahren keinerlei Kontakt zu ihrem leiblichen Vater gehabt hat, in Chişinău über soziale Kontakte verfügen könnte, die sie für ihren Aufenthalt in der Republik Moldau nutzbar machen könnte; wie die Klägerin die Nichtexistenz einer Betreuungsmöglichkeit in der Republik Moldau über die Erklärungen zum fehlenden Kontakt zum Vater hinaus sollte „glaubhaft“ machen können, erläutert auch die Beklagte nicht. Dass es aber für die Klägerin als einem 16-jährigen Kind eine besondere und unzumutbare Belastung wäre, im Ausland ohne Beistand der engeren Familie - ob ihre Mutter, ggf. zusammen mit Sa., die Klägerin begleiten könnte, erscheint schon allein aus finanziellen Gründen mehr als fraglich - ihre Visaangelegenheiten zu klären, bedarf keiner weiteren Ausführungen; vielmehr folgt die Kammer hier der auch von der Beklagten zitierten Rechtsprechung, wonach eine vorübergehende Trennung eines Kindes von seinen Eltern zum Zwecke der Durchführung des Visumsverfahrens regelmäßig dann nicht hinnehmbar ist, wenn das ausreisepflichtige Familienmitglied ein Kind ist und seine Betreuung im Ausland nicht gesichert ist (Bayer. VGH, Beschluss vom 22.08.2007 - 24 CS 07.1495 -, juris; HTK-AuslR, Stand 04/2016, § 5 AufenthG / zu Abs. 2 Satz 2, Rn. 29). Hinzu kommt, dass die zeitliche Dimension eines solchen Visumsverfahrens nicht absehbar ist. Dabei kann dahinstehen, welche Dauer für sich genommen das Verfahren bei der deutschen Botschaft in der Republik Moldau in Anspruch nähme. Denn § 31 AufenthV macht die Erteilung eines Visums von der Zustimmung der Beklagten abhängig. Vor dem Hintergrund ihrer bisherigen, auch in der mündlichen Verhandlung wiederholten Argumentation ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte der Klägerin eine Vorabzustimmung zu erteilen bereit sein könnte. Nachdem sie auf dem Standpunkt steht, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis jedenfalls die Nichterfüllung der Regel-erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegensteht, ist vielmehr damit zu rechnen, dass die deutsche Botschaft einen Visumsantrag bereits deshalb ablehnen wird, weil die Beklagte ihre Zustimmung zur Erteilung des Visums nicht erteilt; dies aber hätte zur Folge, dass die Klägerin den Ausgang eines vor dem zuständigen Verwaltungsgericht Berlin einzuleitenden Klageverfahrens abwarten muss, bevor sie erneut nach Deutschland einreisen kann. Damit aber wäre die weitere Zukunft der Klägerin gänzlich ungewiss (vgl. dazu Bayer. VGH, Beschlüsse vom 22.08.2007 - 24 CS 07.1495 -, juris, und vom 06.02.2012 - 19 CS 11.2613 -, juris; HTK-AuslR, Stand 04/2016, § 5 AufenthG / zu Abs. 2 Satz 2, Rn. 31 ff.).
73 
Ferner liegt es nahe, die Frage der Zumutbarkeit nicht losgelöst von der Frage zu sehen, wie nahe der betreffende Ausländer gegenwärtig an einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG ist. Mit anderen Worten: Je zweifelhafter ein Aufenthaltserlaubnisanspruch des Betreffenden ist, um so naheliegender und zumutbarer ist es, ihn auf die Einhaltung der Visumsvorschriften zu verweisen, um bereits vom Ausland aus die ausländerbehördliche Prüfung seines Begehrens zu ermöglichen; je mehr andererseits der Anspruch des Ausländers an einen strikten Rechtsanspruchs im Sinne von § 5 Abs. 2 S. 2 1. Alt. AufenthG angenähert ist - wenn insbesondere ein strikter Rechtsanspruch allein deshalb zu verneinen ist, weil hinsichtlich einer Regelerteilungsvoraussetzung ein Ausnahmefall anzunehmen ist -, umso eher wird die Durchführung eines Visumsverfahrens als reine Förmelei und damit als unzumutbar anzusehen sein (vgl. zu diesem Aspekt VG Stuttgart, Urteil vom 27.04.2015 - 11 K 5751/14 -, juris; ähnlich auch Beck-OK AuslR, Stand 02/2016, § 5 Rn. 36). Vorliegend hätte die Klägerin, wie bereits erörtert, aufgrund der Annahme eines Ausnahmefalls betreffend § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, abgesehen von der Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG, gegenwärtig einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage des § 32 Abs. 1 AufenthG.
74 
Bereits dieser Aspekt im Zusammenspiel mit den erwähnten, mit der Durchführung des Visumsverfahrens zusammenhängenden Belastungen der Klägerin legen die Annahme der Unzumutbarkeit nahe. Hinzu kommt jedoch ein weiterer Gesichtspunkt: Müsste die Klägerin das Bundesgebiet verlassen, um das Visumsverfahren von der Republik Moldau aus neu zu betreiben, wären die Hürden für die Klägerin im damit neu einzuleitenden Verfahren aufgrund der nunmehrigen Vollendung ihres 16. Lebensjahrs mit der Folge der Anwendbarkeit der Regelung des § 32 Abs. 2 AufenthG wesentlich höher. Eine solche wesentliche Erschwerung der Durchsetzung eines bis vor kurzem bestehenden Anspruchs stellt einen besonderen Umstand dar (vgl. zu diesem Aspekt VG München, Urteil vom 18.06.2015 - M 23 K 14/5549 -, juris). Die Klägerin befindet sich daher in einer Sondersituation, die sie deutlich von der Lage vergleichbarer Ausländer unterscheidet und die in der Gesamtschau zur Annahme der Unzumutbarkeit im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG führt.
75 
2.3.4 Die Klägerin hat daher wegen der Einreise ohne das erforderliche Visum (lediglich) einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde eine Ermessensentscheidung darüber trifft, ob sie von den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG absieht („hiervon kann abgesehen werden“). Eine solche Ermessensentscheidung hat die Beklagte, die nach wie vor davon ausgeht, dass einem Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegensteht, noch nicht getroffen.
76 
Bei ihrer Ermessensentscheidung wird die Beklagte zu berücksichtigen haben, dass, nachdem die legitimen Interessen der Klägerin am Verbleib im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Visumsverfahrens überwiegen, kaum ermessensfehlerfrei zu begründen sein dürfte, warum der Klägerin etwas, das ihr explizit unzumutbar ist, dennoch abverlangt werden können sollte (vgl. zu diesem Aspekt auch VG Saarland, Beschluss vom 25.06.2016 - 6 L 2026/15 -, juris; VG Aachen, Beschluss vom 23.05.2013 - 8 L 471/12 -, juris; GK-AufenthG, Stand 2015, § 5 Rn. 145, m.w.N.; vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 27.04.2015 - 11 K 5751/14 -, juris, und Bayer. VGH, Beschlüsse vom 27.02.2014 - 10 CS 13.2346 -, juris, und vom 22.08.2007 - 24 CS 07.1495 -, juris [jew. Ermessensreduzierung auf Null im dort zu entscheidenden Einzelfall]; a.A. [Entscheidung im Ermessenswege, allerdings ohne Anhaltspunkte zu nennen, worin diese Ermessenserwägungen bestehen könnten] Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl., § 5 Rn. 139). Nach Auffassung der Kammer spricht jedenfalls im vorliegenden Fall alles dafür, dass das Ermessen der Beklagten dahingehend reduziert ist, auf die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu verzichten.
II.
77 
Hat nach alldem die Klage bereits in ihrem Hauptantrag Erfolg, bedarf es der Prüfung des Hilfsantrags nicht mehr.
III.
78 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens davon ab, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Gründe, die Berufung durch das Verwaltungsgericht zuzulassen, bestehen nicht.

Gründe

 
I.
22 
Die Klage ist in ihrem auf erneute Entscheidung der Beklagten über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 32 Abs. 1 AufenthG gerichteten Hauptantrag als Verpflichtungsklage gemäß §§ 40, 42, 68 ff. VwGO zulässig.
23 
Die Klage ist auch in ihrem Hauptantrag begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11.07.2014 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 01.06.2015 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten; sie sind aufzuheben und die Beklagte ist verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
24 
Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels auch dann grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, wenn es um den Nachzugsanspruch von Kindern geht (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 13.06.2013 - 10 C 16/12 -, und vom 01.12.2009 - 1 C 32/08 -, jew. juris). Der Nachzugsanspruch der Klägerin ist daher an § 32 AufenthG in der seit dem 01.08.2015 geltenden, gegenüber der Vorgängerfassung allerdings, soweit hier einschlägig, unveränderten Fassung zu messen.
25 
1. Gemäß § 32 Abs. 1 AufenthG ist dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Blaue Karte EU, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt - EU besitzen. Hat das minderjährige ledige Kind bereits das 16. Lebensjahr vollendet und verlegt es seinen Lebensmittelpunkt nicht zusammen mit seinen Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in das Bundesgebiet, gilt gemäß Absatz 2 der Vorschrift Absatz 1 nur, wenn es die deutsche Sprache beherrscht oder gewährleistet erscheint, dass es sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann; diese Beschränkungsnorm wiederum gilt nach Satz 2 des Absatzes nicht, wenn der Ausländer im Besitz einer bestimmten, in der Regelung enumerativ aufgezählten, hier nicht einschlägigen Aufenthaltserlaubnis ist.
26 
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 AufenthG.
27 
1.1 Die am ...1999 geborene Klägerin ist auch gegenwärtig noch minderjährig und ledig.
28 
Dass sie zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits 16 Jahre alt ist, das 16. Lebensjahr folglich vollendet hat, schadet nicht; insbesondere ist insoweit nicht die Beschränkungsnorm des § 32 Abs. 2 Satz 1 AufenthG anwendbar. Sind aufenthaltsrechtliche Ansprüche an eine Höchstaltersgrenze geknüpft - wie hier beim Kindernachzug gemäß § 32 Abs. 2 AufenthG an die Vollendung des 16. Lebensjahres -, ist für die Einhaltung der Altersgrenze nämlich auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Zum Zeitpunkt der Antragstellung aber - am 03.06.2014 - war die Klägerin erst 14 Jahre alt, hatte sie also das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet. Wird die Altersgrenze allerdings - wie vorliegend - im Laufe des Verfahrens überschritten, müssen die übrigen Anspruchsvoraussetzungen auch spätestens im Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze, hier also am ...2015, vorgelegen haben. Insoweit bedarf es bei Anspruchsgrundlagen mit einer Höchstaltersgrenze, die der Betroffene - wie hier die Klägerin - im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Verhandlung oder Entscheidung überschritten hat, einer auf zwei unterschiedliche Zeitpunkte bezogenen Doppelprüfung (BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - 10 C 11/12 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.11.2014 - 2 B 13/12 -, juris).
29 
1.2 Die Mutter der Klägerin, die türkische und moldawische Staatsangehörige S.E., war am ...2015 und ist gegenwärtig im Besitz einer - zunächst auf den 21.10.2014, gegenwärtig auf den 06.10.2016 - befristeten Aufenthaltserlaubnis.
30 
1.3 S.E. war am ...2015 und ist auch gegenwärtig der für die Klägerin allein personensorgeberechtigte Elternteil. Denn nach Auskunft der Visastelle des deutschen Generalkonsulats in Istanbul vom 12.03.2014 stand nach den in der Türkei geltenden Sorgerechtsregelungen (Art. 337 türkisches Zivilgesetzbuch Nr. 4721), auf welche es, nachdem die Türkei seinerzeit Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin war, gemäß Art. 21 EGBGB für die Entscheidung über die Sorgerechtsverhältnisse zunächst ankam, das Sorgerecht für die nichtehelich geborene Klägerin allein ihrer Mutter, S.E., zu. Diese (alleinige) elterliche Verantwortung besteht auch nach dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts durch Einreise der Klägerin nach Deutschland unverändert fort (vgl. § 1626a BGB).
31 
2. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug gemäß § 32 Abs. 1 AufenthG erfordert neben dem Vorliegen der dort genannten Anspruchsvoraussetzungen aber grundsätzlich auch, dass die allgemeinen, in § 5 AufenthG geregelten Erteilungsvoraussetzungen erfüllt sind.
32 
2.1 Die Klägerin erfüllte und erfüllt die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht, denn ihr Lebensunterhalt war und ist in Deutschland nicht gesichert. Vielmehr bezog und bezieht die Mutter der Klägerin für sich und die Halbschwester der Klägerin Sa. Leistungen nach dem SGB II, und auch der Ehemann der Mutter der Klägerin ist als Schwerbehinderter auf staatliche Leistungen (auf Grundlage des SGB XII) angewiesen. Die positive Prognose, dass der Lebensunterhalt der Klägerin in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert ist, lässt sich vor diesem Hintergrund nicht stellen.
33 
Von dieser Regelerteilungsvoraussetzung ist im vorliegenden Fall aber eine Ausnahme zu machen.
34 
Sowohl verfassungs-, unions- oder völkerrechtliche Gewährleistungen als auch atypische Umstände des Einzelfalls, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, können eine Ausnahme vom Regelfall rechtfertigen (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urteile vom 13.06.2013 - 10 C 16/12 -, juris; und vom 26.08.2008 - 1 C 32/07 -, juris). Die Annahme eines Ausnahmefalls ist vorliegend sowohl mit Blick auf verfassungsrechtliche Gewährleistungen (dazu unter 2.1.1) als auch aufgrund atypischer Umstände des Einzelfalls (dazu unter 2.1.2) geboten.
35 
2.1.1 Ein Ausnahmefall von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ergibt sich zunächst aus Gründen höherrangigen Rechts, nämlich aus Art. 6 GG.
36 
2.1.1.1 Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG umfasst namentlich die Freiheit der Eheschließung und Familiengründung sowie das Recht auf ein eheliches und familiäres Zusammenleben (vgl. zum Folgenden VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.11.2009 - 13 S 2002/09 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 11.05.2007 - 2 BvR 2483/06 -, juris; Beschluss vom 10.05.2008 - 2 BvR 588/08 -, juris; jew. m.w.N.). Die in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm begründet grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt, verpflichtet jedoch die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden familiären Bindungen an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen zur Geltung zu bringen. Für die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG ist die Frage, ob es den anderen Familienangehörigen zumutbar ist, den Ausländer in sein Herkunftsland zu begleiten, von erheblicher Bedeutung. Kann die familiäre Lebensgemeinschaft nur in der Bundesrepublik Deutschland gelebt werden, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen der Bundesrepublik nicht zumutbar ist, drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, regelmäßig einwanderungspolitische Belange zurück; andererseits liegt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG fern, wenn das Familienleben ohne unzumutbare Hindernisse auch im Herkunftsland des Ausländers möglich ist.
37 
2.1.1.2 Gemessen an diesem Maßstab liegt im Falle der Klägerin ein Sachverhalt vor, der im Hinblick auf den Regelungszweck der Norm besondere, vom Regelfall abweichende Umstände aufweist.
38 
Die Mutter der Klägerin, S.E., ist für ihre Tochter allein sorgeberechtigt und auch tatsächlich, nachdem der Vater seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Tochter hat und ihm offenbar auch nicht daran gelegen ist, die wichtigste Bezugsperson. Art. 6 Abs. 1 GG kommt daher in dem Verhältnis Mutter-Tochter ein besonders hohes Gewicht zu. Die Mutter der Klägerin aber ist im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis und lebt in familiärer Lebensgemeinschaft mit ihrem Mann, Se.E., der die deutsche Staatsangehörigkeit hat, sowie mit der gemeinsamen Tochter Sa., die ebenfalls (auch) deutsche Staatsangehörige ist, im Bundesgebiet. Ebenfalls im Haushalt lebt die im Jahr 2000 geborene Tochter von Se.E., die deutsche Staatsangehörige A., für die dieser zusammen mit der Kindsmutter das gemeinsame Sorgerecht ausübt. Auch wenn die Mutter der Klägerin nicht selbst deutsche Staatsangehörige ist und derzeit (nur) über eine befristete Aufenthaltserlaubnis verfügt, so ist sie doch aufgrund dieser familiären Konstellation tatsächlich fest in Deutschland verwurzelt. Würde der Klägerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis verweigert, bedeutete dies für ihre Mutter, sich zwischen der familiären Lebensgemeinschaft mit der Klägerin und der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann - beide gleichermaßen durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt - entscheiden zu müssen, und gleichermaßen bedeutete es für ihre Tochter Sa., die familiäre Lebensgemeinschaft, die derzeit mit beiden leiblichen Eltern besteht, mit einem Elternteil aufgeben zu müssen. Unabhängig davon, ob es Se.E. zumutbar wäre, als Schwerbehinderter in der Republik Moldau, zu der er allem Anschein nach keinerlei Beziehungen hat, zu leben, genießt er als deutscher Staatsangehöriger - ebenso wie seine Tochter Sa. - das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Freizügigkeit im Bundesgebiet (Art. 11 Abs. 1 GG), mithin auf Aufenthalt an jedem Ort im Bundesgebiet (OVG NRW, Urteil vom 16.11.2010 - 17 A 2434/07 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.09.2013 - 7 M 36.13 -, juris; auf die Bedeutung des Art. 11 GG verweisend auch BVerwG, Urteil vom 04.09.2012 - 10 C 12.12 -, juris [im Zusammenhang mit dem Spracherfordernis des § 28 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG]; vgl. auch OVG RP, Urteil vom 18.04.2012 - 7 A 10112/12 -, juris). Wollte er seiner Ehefrau und seiner Tochter Sa. ins Ausland folgen, bedeutete dies, wie auch bei seiner Tochter Sa., eine Beeinträchtigung seines Rechts aus Art. 11 GG; außerdem stellte es auch die derzeit mit seiner deutschen Tochter A. gelebte, von Art. 6 GG geschützte familiäre Lebensgemeinschaft in Frage. Die Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis unter Berufung auf die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts der Kernfamilie stellte folglich die vielfältigen innerhalb der Kernfamilie gelebten, durch Art. 6 GG geschützten familiären Bindungen zu Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit in Frage. Diese konkreten Umstände des Falles lassen es geboten erscheinen, vorliegend von einem Ausnahmefall auszugehen, da durch Art. 6 GG geschützten Interesse an einer Erhaltung der Familieneinheit keine öffentlichen Interessen gegenüberstehen, die die Nichterteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Klägerin erforderten.
39 
2.1.2 Eine Ausnahme vom Regelfall der Sicherung des Lebensunterhalts ist ferner aufgrund atypischer Umstände anzunehmen. Derartige atypische Umstände können auch solche sein, die in keinem Zusammenhang mit der Möglichkeit stehen, ein Einkommen zu erwirtschaften (BVerwG, Urteil vom 13.06.2013 - 10 C 16/12 -, juris).
40 
2.1.2.1 Der Normzweck des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besteht darin, neue Belastungen für die öffentlichen Haushalte durch die Erteilung von Aufenthaltstiteln zu vermeiden. Dabei handelt es sich um eine Erteilungsvoraussetzung von grundlegendem staatlichem Interesse (BT-Drs. 15/420 S. 70). Diese gilt aber nur in der Regel. Im vorliegenden Fall stehen die mit dem Regelerfordernis verfolgten fiskalischen Interessen in einem Spannungsverhältnis mit den Belangen der Familie. Denn die Klägerin hat, wie bereits ausgeführt, ein schützenswertes Interesse daran, mit ihrer leiblichen Mutter, S.E., zusammenzuleben. S.E. aber hat ihren rechtmäßigem Aufenthalt im Bundesgebiet und hat ihrerseits ein schutzwürdiges Interesse daran, dort weiterhin mit ihrem deutschen Ehemann, Se.E., und ihrer Tochter Sa., die ebenfalls (auch) die deutsche Staatsangehörigkeit hat, in familiärer Lebensgemeinschaft zu leben. Auch Se.E. hat ein schützenswertes Interesse daran, die familiäre Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau und seiner Tochter Sa. sowie mit seiner deutschen Tochter A. im Bundesgebiet fortzusetzen.
41 
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 13. Juni 2013 (- 10 C 16/12 -, juris) deutlich gemacht, dass die Annahme eines Ausnahmefalls nicht nur unter Berücksichtigung höherrangigen Rechts in Betracht kommt, wenn etwa den deutschen Mitgliedern der Kernfamilie ein Verlassen des Bundesgebiets unzumutbar oder ein dauerhafter Aufenthalt im Ausland tatsächlich nicht möglich wäre. Vielmehr, so das Bundesverwaltungsgericht, kommt unabhängig von der Frage, ob dem Begehren des nachzugswilligen Kindes aus Gründen höherrangigen oder vorrangig anzuwendenden Rechts die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts nicht entgegengehalten werden kann, eine Ausnahme vom Regelfall des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenhG auch allein aufgrund atypischer Umstände in Betracht, die darauf beruhen, dass die Kernfamilie des Betreffenden bereits ihren rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland hat und deutsche Staatsangehörige umfasst. Zum Spannungsverhältnis zwischen fiskalischen Interessen und familiären Belangen hat das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung ausgeführt:
42 
„Dieses Spannungsverhältnis hat der Gesetzgeber beim Familiennachzug zu Deutschen dahin aufgelöst, dass - über zwingende verfassungs- oder völkerrechtlichen Vorgaben hinaus - sowohl das ausländische minderjährige ledige Kind eines Deutschen als auch der ausländische Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis haben (§ 28 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 2 und 3 AufenthG). Auch dem ausländischen Ehegatten eines Deutschen soll eine Aufenthaltserlaubnis in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilt werden (§ 28 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Diese den Familiennachzug begünstigenden einfachgesetzlichen Regelungen sind hier weder unmittelbar noch analog anzuwenden, da kein Nachzug zu einem Deutschen erfolgt. Ihnen kann aber der allgemeine Rechtsgedanke entnommen werden, dass beim Nachzug in eine Familie, der ein deutscher Staatsangehöriger angehört, dem fiskalischen Interesse ein geringeres Gewicht zukommt als beim Nachzug in eine rein ausländische Familie. Diese Wertung ist auch bei der Frage, ob im vorliegenden Fall besondere atypische Umstände eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG rechtfertigen, zu berücksichtigen. Dies führt allerdings nicht dazu, dass allein die Tatsache, dass einer Kernfamilie ein oder - wie hier - mehrere minderjährige deutsche Kinder angehören, bereits ein Absehen vom Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung rechtfertigt. Hierzu bedarf es vielmehr des Hinzutretens weiterer Umstände, die bei einer wertenden Gesamtschau das ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG beseitigen.“
43 
Im Folgenden sieht das Bundesverwaltungsgericht im konkreten Fall derartige ausschlaggebende atypische Umstände als gegeben an. Dies waren der Nachzug in eine Kernfamilie, die bei einer qualitativen Betrachtung aller für die Bestimmung des Lebensmittelpunkts maßgeblichen Umstände ihren Schwerpunkt in Deutschland hat, während der Kläger - im dortigen Verfahren - das einzige Mitglied der Kernfamilie ist, das außerhalb Deutschlands lebt, außerdem der Umstand, dass der den Nachzug begehrende Kläger im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erst zwölf Jahre alt war, sowie schließlich der Umstand, dass gegen die Eltern keinerlei Sanktionen wegen Verletzung sozialrechtlicher Verpflichtungen nach §§ 31 ff. SGB II verhängt worden sind.
44 
2.1.2.2 Die – nach den zuvor zitierten Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts durchzuführende – wertende Gesamtschau führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass auch im vorliegenden Fall eine Ausnahme vom Regelerfordernis der Sicherung des Lebensunterhaltes anzunehmen ist.
45 
Den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich entnehmen, dass bei einem Nachzug in eine Familie, der ein deutscher Staatsangehöriger angehört, dem fiskalischen Interesse ein geringeres Gewicht zukommt als beim Nachzug in eine rein ausländische Familie. Dieser Rechtsgedanke greift auch im vorliegenden Fall. Zwar ist die Klägerin nicht mit dem Ehemann ihrer Mutter, dem deutschen Staatsangehörigen Se.E., verwandt. Se.E. ist jedoch fester Bestandteil der Kernfamilie, in die der Nachzug erfolgen soll; außerdem wird der Zuzug auch zu Sa., der Halbschwester der Klägerin, begehrt, die (auch) deutsche Staatsangehörige ist. Diese Kernfamilie hat auch ihren eindeutigen Schwerpunkt in Deutschland. Dies beruht nicht nur darauf, dass Se.E. allein die deutsche Staatsangehörigkeit hat und Sa. jedenfalls auch deutsche Staatsangehörige ist. Hinzu kommt, dass A., die leibliche Tochter von Se.E., ebenfalls deutsche Staatsangehörige ist. Se.E. hat für A., mit der er in familiärer Lebensgemeinschaft lebt, das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht und zusammen mit der Mutter von A. das gemeinsame Sorgerecht. Die Klägerin ist daher das einzige Mitglied der Kernfamilie, das außerhalb Deutschlands und nicht in familiärer Lebensgemeinschaft mit den anderen Familienmitgliedern lebt. Dafür, dass dieser Fall allein im Hinblick darauf, dass Se.E. sich bislang offenbar nicht um das gemeinsame Sorgerecht für die Klägerin oder ihre Adoption bemüht hat, anders zu sehen sein könnte als der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedene, sieht die Kammer - anders als offenbar die Beklagte - keine Anhaltspunkte; entscheidend ist vielmehr, dass die wichtigste Bezugsperson der Klägerin, nämlich ihre leibliche Mutter, zusammen mit ihrem - deutschen - Ehemann und dem gemeinsamen Kind, der Halbschwester der Klägerin, im Bundesgebiet lebt.
46 
Auch ein weiteres Argument, das das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung für die Annahme eines Ausnahmefalles in die Waagschale geworfen hat, kann vorliegend fruchtbar gemacht werden: Gegen Se.E., der schwerbehindert ist, und S.E. wurden offenbar in der Vergangenheit keinerlei Sanktionen wegen Verletzung ihrer sozialrechtlichen Verpflichtungen nach §§ 31 ff. SGB II verhängt. Angesichts der konkreten Umstände - Schwerbehinderung von Se.E. und betreuungsbedürftiges Kleinkind im Haushalt - ist auch fraglich, ob ihnen der Umstand, dass sie staatliche Leistungen beziehen, gegenwärtig überhaupt zum Vorwurf gemacht werden könnte.
47 
Dem Umstand, dass die Klägerin inzwischen 16 Jahre alt ist, misst die Kammer im vorliegenden Fall dagegen kein wesentliches Gewicht bei. Richtig ist, dass das Kind in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall das 13. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte; nicht richtig ist allerdings die dem Vortrag des Beklagten offenbar zugrunde liegende Auffassung, das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung eine entsprechende Höchstgrenze von zwölf Jahren aufgestellt. Die Kammer vermag die Erwägungen der Beklagten nicht nachzuvollziehen, die offenbar den Umstand, dass die Mutter der Klägerin diese in der Obhut der Tante in der Türkei belassen habe, um hochschwanger zu ihrem deutschen Ehemann zu ziehen, als Beleg für das fehlende Angewiesensein der Klägerin auf ein Aufwachsen in der Kernfamilie sieht. Wenn man sich mit der Beklagten auf die Ebene bloßer Mutmaßungen begeben möchte, wäre es aus Sicht der Kammer wesentlich naheliegender anzunehmen, ein Kind, das auf eine nur kurzfristige Trennung von seiner Mutter vertraut hat und - nach Auffassung der Kammer, die im Ergebnis einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für gegeben erachtet - auch vertrauen durfte, dann aber während eines knappen Jahres gegen den eigenen Willen wie auch den der Mutter ohne seine Mutter als der wichtigsten Bezugsperson hat leben müssen, bedürfe in der Folge eines umso intensiveren Kontaktes zu seiner Kernfamilie, um diese Erfahrungen verarbeiten zu können; die Aussage im angefochtenen Bescheid, die Klägerin habe ihre Lebensführung „wie gewohnt im Ausland, nur bei einer Tante“ fortgesetzt, mutet in diesem Zusammenhang im Lichte von Art. 6 GG beinahe zynisch an, ebenso wie der Verweis darauf, es gebe in der Türkei, wenn sich denn die Tante nicht mehr um die Klägerin hätte kümmern wollen, „entsprechende Sozialstrukturen zum Betreuen Minderjähriger“.
48 
Hinzu kommt vorliegend ein weiteres Argument, das für die Annahme eines Ausnahmefalls streitet: Die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis für die Klägerin führte nicht nur zu einer Kollision der Interessen der S.E. an einem familiären Zusammenleben mit beiden leiblichen Kindern und mit ihrem Ehemann sowie dem berechtigten Interesse von Sa. an einem Umgang mit beiden Elternteilen und ihrer Schwester. Auch der deutsche Staatsangehörige Se.E. müsste - auch unabhängig davon, ob ihm insbesondere unter Berücksichtigung seiner Schwerbehinderung ein Leben in der Republik Moldau oder der Türkei zumutbar wäre - wählen, ob er für den Fall, dass sich S.E. für ein Zusammenleben mit der Klägerin entschiede, seiner Frau und seiner Tochter Sa. ins Ausland folgt, oder ob er weiterhin in familiärer Lebensgemeinschaft mit seiner Tochter A. lebt, die ihrerseits Anspruch auf Kontakt zu beiden Elternteilen hat. Der Konflikt zwischen fiskalischen Interessen des Staates und den Belangen der Familie hätte mithin auch Auswirkungen auf Dritte wie A. sowie ggf. deren Mutter (vgl. zu diesem Aspekt VG Berlin, Urteil vom 07.01.2014 - 19 K 192/13 V -, juris).
49 
2.1.3 Damit liegt im Hinblick auf die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ein Ausnahmefall vor mit der Folge, dass die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Ergebnis nicht hindert.
50 
2.2 Auch § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Ergebnis nicht entgegen. Nach dieser Regelung setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsinteresse besteht.
51 
2.2.1 Ein solches Ausweisungsinteresse könnte vorliegend nach Aktenlage gemäß §§ 54 Abs. 2 Nr. 9, 95 Abs. 1 Nr. 3, 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG allein deshalb vorliegen, weil die Klägerin am 19.05.2014 ohne Visum, nur mit einem biometrischen Pass der Republik Moldau, ins Bundesgebiet eingereist ist, obwohl sie ganz offensichtlich - und von ihr zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt - bereits bei ihrer Einreise einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet beabsichtigte. Die Republik Moldau gehört seit dem 28.04.2014 zu den Anhang-II-Staaten der VO (EG) Nr. 539/2001 vom 15.03.2001 - EU-VisumVO - (vgl. Änderungs-VO EU Nr. 258/2014 vom 03.04.2014); (nur) für einen Kurzaufenthalt von bis zu drei Monaten sind moldawische Staatsangehörige, sofern sie Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, folglich von der Visumspflicht befreit.
52 
Damit stellt sich die Frage, ob auch derjenige unerlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ins Bundesgebiet einreist, der als sog. „Positivstaater“ zwar grundsätzlich visumsfrei einreisen darf, für den konkret mit der Einreise verfolgten Zweck jedoch ein Visum benötigt hätte.
53 
2.2.1.1 Für den Fall, dass der Ausländer mit einem Schengen-Visum für einen Kurzaufenthalt ins Bundesgebiet einreist, obgleich er bereits zum Zeitpunkt der Einreise einen längerfristigen Aufenthalt angestrebt hat und infolgedessen eines nationalen Visums bedurft hätte, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine unerlaubte Einreise im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor; der Umstand, dass der Ausländer aufgrund des Aufenthaltszwecks ein nationales Visum benötigt hätte, kommt laut Bundesverwaltungsgericht erst im Rahmen des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zum Tragen, wo sich die Frage der Erforderlichkeit des Visums nach dem konkreten Aufenthaltszweck bemisst (BVerwG, Urteile vom 11.01.2011 - 1 C 23/09 -, juris, und vom 16.11.2010 - 1 C 17/09 -, juris).
54 
Diese Auslegung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG hat nicht nur die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 14 AufenthG (BT-DrS. 15/420, S. 73) auf ihrer Seite, in der es heißt, dass durch den Verweis in Nr. 2 auf die Erforderlichkeit des Aufenthaltstitels nach § 4 „... angesichts der unterschiedlichen Auffassung in Rechtsprechung und Lehre klargestellt werden [sollte], dass sich die Erforderlichkeit des Aufenthaltstitels nach objektiven Kriterien und nicht nach dem beabsichtigten Aufenthaltszweck bemisst“. Sie wird auch dem Zweck des § 14 AufenthG, nämlich der Sicherung der kontrollierten Einreise, gerecht. Schutzgegenstand des § 14 AufenthG ist die Unverletzlichkeit der Staatsgrenze; die Regelung steht im Zusammenhang mit - Entscheidungen anhand formaler, schnell und unzweideutig festzustellender Kriterien erfordernden - polizeilichen und strafrechtlichen (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) Maßnahmen zur Verhinderung oder Sanktionierung unerlaubter Grenzübertritte. Davon unabhängig zu sehen - und vom Schutzzweck des § 14 Abs. 1 AufenthG nicht primär erfasst - ist das Ziel der Einhaltung des Visumsverfahrens als Steuerungsinstrument einer geordneten Zuwanderung. Dieser Zielsetzung dient stattdessen § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG, der zur Versagung des begehrten Aufenthaltstitels führt, wenn bei der Einreise kein dem konkret aktuell verfolgten Aufenthaltszweck entsprechendes Visum vorlag (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11.01.2011 - 1 C 23/09 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.03.2006 - 11 S 1797/05 -, juris). Für die genannte Auslegung spricht ferner § 15 AufenthG. Diese Vorschrift begründet neben dem zwingenden Zurückweisungsgrund des Versuchs einer unerlaubten Einreise in Abs. 1 in Abs. 2 die Möglichkeit zur Zurückweisung u.a. für den Fall, dass der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Der Ermächtigung zur fakultativen Zurückweisung in diesen Fällen bedürfte es nicht, wenn die Angabe eines falschen Aufenthaltszwecks (und hierunter lässt sich mühelos auch der Zweck eines vorübergehenden oder dauernden Aufenthalts fassen) stets dazu führte, dass die Einreise unerlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist. Schließlich bekräftigt die 2013 ins Gesetz eingefügte Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG die gefundene Auslegung. Aus § 14 Abs. 1 Nr. 2a AufenthG ergibt sich, dass auch derjenige, der mit einem durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkten Visum einreist, bis zu dessen Rücknahme oder Annullierung ein erforderliches Visum besitzt; würde man in diesem Fall bereits die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bejahen, wäre Nr. 2a überflüssig (für eine derartige formale Sichtweise ohne Berücksichtigung des Einreisemotivs des Betreffenden mit unterschiedlichen Argumenten auch Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl., § 14 Rn. 9; HTK-AuslR, Stand 04/2016, § 14 AufenthG / zu Abs. 1 Nr. 2, Rn. 11 ff.; GK-AufenthG, Stand 2015, § 14 Rn. 15; Hailbronner, AuslR, Stand 02/16, § 14 Rn. 13 ff.; a.A. offenbar BeckOK AuslR, Stand 12/2015, § 14 Rn. 12).
55 
2.2.1.2 Vorliegend ist die Klägerin aber nicht mit einem gemessen an ihrem Aufenthaltszweck unzureichenden Visum ins Bundesgebiet eingereist; vielmehr ist sie visumsfrei - nur mit ihrem biometrischen Reisepass - ins Bundesgebiet eingereist, was zwar auf Grundlage von § 15 AufenthV, Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 539/2001 - EG-Visa-VO - für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten zulässig gewesen wäre, nicht aber für den beabsichtigten Daueraufenthalt.
56 
Dieser Fall wird in der Rechtsprechung - zumeist ohne Begründung, insbesondere ohne jede Auseinandersetzung mit der zitierten bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung - regelmäßig dahingehend entschieden, dass eine unter Ausnutzung der Visaerleichterungen für Kurzaufenthalte nach der EG-Visa-VO erfolgte Einreise in das Bundesgebiet bei einer von vornherein bestehenden Absicht des Daueraufenthalts unerlaubt im Sinne des §§ 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist (so etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.09.2011 - 11 S 2438/11 -, juris; OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 07.10.2014 - 2 L 152/13 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss vom 21.06.2013 - 10 CS 13.1002 -, juris; OVG Hamb., Beschluss vom 23.09.2013 - 3 Bs 131/13 -, juris; so im Ergebnis auch GK-AufenthG, Stand 2015, § 14 Rn. 17; auch Nr. 14.1.2.1.1.7.1 AufenthG-VwV geht in diesem Fall von unerlaubter Einreise aus).
57 
Diese unterschiedliche Behandlung von Ausländern, die im Besitz eines im Hinblick auf ihren Aufenthaltszweck unzureichenden Visums - etwa eines für 90 Tage geltenden Schengen-Visums, obgleich sie einen Daueraufenthalt anstreben - sind, und Ausländern, die als Positivstaater ohne Visum einreisen, obwohl auch sie einen über drei Monate hinausgehenden Daueraufenthalt anstreben, ist nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist der - unzutreffenden - Angabe eines Ausländers im Visumsantrag über die Länge bzw. den Zweck des geplanten Aufenthalts kein anderes Gewicht im Hinblick auf die Frage, ob er mit dem erforderlichen Aufenthaltstitel im Sinne des § 14 Abs. 1 AufenthG eingereist ist, beizumessen als der mit Vorlage des Ausweisdokuments konkludent erfolgten, ebenso unzutreffenden Aussage des Positivstaaters, sich nicht länger als drei Monate im Schengenraum aufhalten zu wollen. Denn hier wie dort ergibt sich aus dem geschilderten Zweck des § 14 Abs. 1 AufenthG und seinem Zusammenspiel mit § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG, dass für die Frage der unerlaubten Einreise im Rahmen des § 14 Abs. 1 AufenthG allein auf objektive Gesichtspunkte abzustellen und die Frage des subjektiven Einreisemotivs erst im Rahmen des § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG zu stellen ist.
58 
Zwar ist es richtig, dass der visumsfrei mögliche Aufenthalt in der EG-Visa-VO bereits deshalb auf drei Monate beschränkt worden ist, weil die Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft seinerzeit auf den Erlass von Vorschriften für Visa für geplante Aufenthalte von bis zu drei Monaten beschränkt (vgl. Art. 62 Nr. 2 lit. b) i) EGV) war (hierauf verweisend etwa GK-AufenthG, Stand 2015, § 14 Rn. 17; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.09.2011 - 11 S 2438/11 -, juris). Gleichermaßen war aber die Rechtsetzungskompetenz der Europäischen Gemeinschaft für Regelungen bezüglich sog. Schengen-Visa (vgl. VO (EG) Nr. 810/2009 vom 13.07.2009) ebenso auf einen Zeitraum von drei Monaten beschränkt (vgl. Art. 62 Nr. 2 lit. b) ii) EGV). Weshalb im einen Fall die beschränkte gemeinschaftsrechtliche Regelungskompetenz auf die Frage der unerlaubten Einreise durchschlagen soll, im anderen nicht, erschließt sich nicht.
59 
Derjenige, der als sog. Positiv-Staater ohne Visum einreist, reist folglich auch dann nicht unerlaubt ein, wenn er bereits bei Einreise einen über 90 Tage hinausgehenden Aufenthalt plant (wie hier auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 30.08.2013 - 8 L 1466/13 -, juris; HTK-AuslR, Stand 04/2016, § 14 AufenthG / zu Abs. 1 Nr. 2, Rn. 3, 33 ff. und Art. 1 EU-VisumVO / zu Abs. 2, Rn. 12 ff.; Hailbronner, AuslR, Stand 02/2016, § 14 Rn. 11a ff.; Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand 03/2016, § 14 AufenthG Rn. 2, § 95 AufenthG Rn. 7).
60 
2.2.2 Selbst wenn man dies anders sehen und die Einreise der Klägerin ins Bundesgebiet am 19.05.2014 entgegen der Rechtsauffassung der Kammer als unerlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ansehen wollte, weil sie unbestritten von Anfang an ihre Einreise zum Zweck der dauerhaften Familienzusammenführung beabsichtigte, stünde dies im Ergebnis der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. In diesem Fall wäre zwar davon auszugehen, dass sich die Klägerin gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG strafbar gemacht und damit ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG - nicht nur vereinzelter oder geringfügiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften - erfüllt hat, da die illegale Einreise regelmäßig keinen geringfügigen Rechtsverstoß darstellt (vgl. [jew. zu § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG a.F.] OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 28.07.2014 - 2 L 91/12 -, juris; OVG Saarl., Beschluss vom 15.12.2014 - 2 B 374/14 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 11.07.2012 - 18 B 562/12 -, juris). Selbst wenn man aber vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht vorliegt, stünde dies der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis deshalb nicht entgegen, weil auch insoweit im Hinblick auf das große Gewicht, das Art. 6 GG vorliegend zukommt (vgl. dazu die Ausführungen unter Ziff. 2.1.1), auf der einen und dem vergleichsweise geringeren Gewicht des allein im Raum stehenden Verstoßes gegen Visumsbestimmungen auf der anderen Seite ein Ausnahmefall von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG anzunehmen ist.
61 
2.3 Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis steht schließlich auch nicht § 5 Abs. 2 AufenthG entgegen.
62 
Fest steht, dass die Klägerin ohne das in Anbetracht ihres Zieles eines dauerhaften Aufenthalts im Bundesgebiet erforderliche Visum eingereist ist, somit die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfüllt (dazu unter 2.3.1). Auch sind die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG nicht gegeben, da sie keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat (dazu unter 2.3.2). Der Klägerin ist es jedoch im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. AufenthG auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar, das Visumsverfahren nachzuholen (dazu unter 2.3.3).
63 
2.3.1 Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung u.a. einer Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist. Die Klägerin ist, wie bereits erörtert, ohne Visum ins Bundesgebiet eingereist, obgleich sie unstreitig bereits bei ihrer Einreise einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet begehrte. Welches Visum als das erforderliche Visum anzusehen ist, bestimmt sich im Rahmen von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG - anders als es nach Auffassung der Kammer bei § 14 Abs. 1 AufenthG der Fall ist - nach dem konkreten Aufenthaltszweck, der mit der im Bundesgebiet beantragten Aufenthaltserlaubnis verfolgt wird (BVerwG, Urteile vom 11.01.2011 - 1 C 23/09 -, juris, und vom 16.11.2010 - 1 C 17/09 -, juris; ebenso etwa OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 27.05.2015 - 2 M 21/15 -, juris; OVG Saarl., Beschluss vom 15.12.2014 - 2 B 374/14 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss vom 30.09.2014 - 19 CS 14.1576 -, juris). Für einen längerfristigen Aufenthalt hätte die Klägerin aber, was von ihr auch nicht in Abrede gestellt wird, gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eines Visums für das Bundesgebiet (nationales Visum) bedurft, das vor der Einreise erteilt wird und der Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde bedarf (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV). Tatsächlich hatte sie dementsprechend im Sommer 2013 die Erteilung eines nationalen Visums beantragt.
64 
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i.V.m. §§ 39 ff. AufenthV berufen. Sie war nicht abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG berechtigt, den Aufenthaltstitel (erst) im Bundesgebiet einzuholen, denn die in § 99 AufenthG i.V.m. § 39 AufenthV normierten Voraussetzungen, nach denen über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern kann, liegen erkennbar nicht vor. Insbesondere sind die Voraussetzungen für einen - ohnehin, wie zu zeigen sein wird (s.u. 2.3.2), nicht bestehenden - Anspruch nicht bereits, wie es § 39 Nr. 3 AufenthVO verlangt, (erst) nach der Einreise entstanden, vielmehr bestanden die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 AufenthG - Minderjährigkeit, Aufenthaltserlaubnis der allein sorgeberechtigten Mutter - bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin sich noch in der Türkei befand.
65 
2.3.2 Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG.
66 
Unter einem Anspruch im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist nur ein strikter, gesetzlich gebundener Anspruch zu verstehen. In der Rechtsprechung besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Vorschrift etwa in Fällen einer Ermessensreduktion auf Null nicht anwendbar ist (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.03.2009 - 11 S 2990/08 -, juris; OVG Sachs.-Anh., Beschluss vom 04.07.2006 - 2 O 210/06 -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 18.06.2007 - 10 PA 65/07 -, juris).
67 
Vorliegend besteht keine Ermessensreduzierung auf Null; vielmehr steht der Umstand, dass die Klägerin die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht verwirklicht, der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis deshalb nicht entgegen, weil insoweit nicht von einem Regel-, sondern von einem Ausnahmefall auszugehen ist. Für diese Fälle ging die obergerichtliche Rechtsprechung in der Vergangenheit teilweise davon aus, ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG bestehe auch dann, wenn im Hinblick auf eine Regelerteilungsvoraussetzung wegen eines atypischen Sachverhalts ein Ausnahmefall vorliegt (so etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.09.2007 - 11 S 837/06 -, juris [für den Begriff des „Anspruchs“ in § 39 Nr. 5 AufenthV und § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG]; Beschluss vom 05.03.2008 - 11 S 378/08 -, juris [für den Begriff des „Anspruchs“ in § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG]; OVG Hamb., Urteil vom 10.04.2014 - 4 Bf 19/13 -, juris; Beschluss vom 09.05.2012 - 4 Bs 15/12 -, juris; so auch GK-AufenthR, Stand 2015, II-§ 5 Rn. 127; HTK-AuslR, Stand 04/2016, § 5 AufenthG / zu Abs. 2 Satz 2, Nr. 1 a.E.). Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch mit Urteil vom 10.12.2014 (- 1 C 15/14 -, juris; bekräftigt mit Urteil vom 17.12.2015 - 1 C 31/14 -, juris) klargestellt, dass ein Rechtsanspruch im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG nur dann vorliegt, wenn alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat. Der Anspruch muss sich aus der typisierten gesetzlichen Regelung ergeben mit der Folge, dass Ausnahmetatbestände insoweit unberücksichtigt bleiben müssen. Speziell für den Fall des § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG begründet das Bundesverwaltungsgericht seine Auffassung damit, dass das in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vorgeschriebene Visumverfahren dem Zweck diene, die Zuwanderung nach Deutschland wirksam steuern und begrenzen zu können. Ausgehend von dem Zweck, generalpräventiv dem Anreiz entgegenzuwirken, nach einer unter bewusster Umgehung des Visumsverfahrens erfolgten, folglich illegalen Einreise Bleibegründe zu schaffen, seien Ausnahmen von der Visumpflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG prinzipiell eng auszulegen, um dieses wichtige Steuerungsinstrument der Zuwanderung nicht zu entwerten.
68 
Diese Rechtsauffassung, der sich die Kammer aus Gründen der Rechtseinheit anschließt, zugrunde gelegt, fehlt es vorliegend an einem Anspruch im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG.
69 
2.3.3 Mithin bedarf es der Prüfung, ob es der Klägerin im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. AufenthG auf Grund besonderer Umstände unzumutbar ist, das Visumsverfahren nachzuholen. Dies ist zur Überzeugung der Kammer der Fall.
70 
In diesem Zusammenhang ist zwar zu berücksichtigen, dass die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG als Ausnahmeentscheidung grundsätzlich restriktiv auszulegen ist (vgl. zum Folgenden OVG Nieders., Beschluss vom 11.07.2007 - 10 ME 130/07 -, juris; Bayer. VGH, Beschluss vom 24.02.2014 - 10 ZB 11.2268 -, juris; OVG Saarl., Beschluss vom 22.03.2012 - 2 B 34/12 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 10.04.2007 - 18 B 303/07 -, juris). Die Ausländerbehörde darf im Rahmen der zu treffenden Güterabwägung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit daher als beachtlichen öffentlichen Belang mit in ihre Erwägungen einstellen, dass die Einhaltung des Visumsverfahrens der Regelfall bleiben soll. Auch mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen; der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland begehrt, regelmäßig hinzunehmen. Auch darf die Ausländerbehörde ihrer Entscheidung die Erwägung zugrunde legen, dass dem Eindruck entgegengewirkt werden soll, man könne durch eine Einreise unter bewusster Missachtung der Visumsregeln stets vollendete Tatsachen schaffen. Die Grenze liegt allerdings dort, wo das Beharren auf die Einhaltung des Visumsverfahrens objektiv als unangemessen empfunden werden müsste.
71 
Diese Grenze der objektiven Unangemessenheit ist vorliegend zur Überzeugung der Kammer überschritten.
72 
Zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin als moldawische Staatsangehörige ihr Visum aller Voraussicht nach nicht (mehr) von der Türkei aus beantragen könnte, vielmehr, nachdem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in der Türkei hat, in die Republik Moldau nach Chişinău reisen müsste. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin, die selbst seit April 2004 und damit seit ihrer frühen Kindheit überwiegend in der Türkei gelebt und seit vielen Jahren keinerlei Kontakt zu ihrem leiblichen Vater gehabt hat, in Chişinău über soziale Kontakte verfügen könnte, die sie für ihren Aufenthalt in der Republik Moldau nutzbar machen könnte; wie die Klägerin die Nichtexistenz einer Betreuungsmöglichkeit in der Republik Moldau über die Erklärungen zum fehlenden Kontakt zum Vater hinaus sollte „glaubhaft“ machen können, erläutert auch die Beklagte nicht. Dass es aber für die Klägerin als einem 16-jährigen Kind eine besondere und unzumutbare Belastung wäre, im Ausland ohne Beistand der engeren Familie - ob ihre Mutter, ggf. zusammen mit Sa., die Klägerin begleiten könnte, erscheint schon allein aus finanziellen Gründen mehr als fraglich - ihre Visaangelegenheiten zu klären, bedarf keiner weiteren Ausführungen; vielmehr folgt die Kammer hier der auch von der Beklagten zitierten Rechtsprechung, wonach eine vorübergehende Trennung eines Kindes von seinen Eltern zum Zwecke der Durchführung des Visumsverfahrens regelmäßig dann nicht hinnehmbar ist, wenn das ausreisepflichtige Familienmitglied ein Kind ist und seine Betreuung im Ausland nicht gesichert ist (Bayer. VGH, Beschluss vom 22.08.2007 - 24 CS 07.1495 -, juris; HTK-AuslR, Stand 04/2016, § 5 AufenthG / zu Abs. 2 Satz 2, Rn. 29). Hinzu kommt, dass die zeitliche Dimension eines solchen Visumsverfahrens nicht absehbar ist. Dabei kann dahinstehen, welche Dauer für sich genommen das Verfahren bei der deutschen Botschaft in der Republik Moldau in Anspruch nähme. Denn § 31 AufenthV macht die Erteilung eines Visums von der Zustimmung der Beklagten abhängig. Vor dem Hintergrund ihrer bisherigen, auch in der mündlichen Verhandlung wiederholten Argumentation ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte der Klägerin eine Vorabzustimmung zu erteilen bereit sein könnte. Nachdem sie auf dem Standpunkt steht, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis jedenfalls die Nichterfüllung der Regel-erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegensteht, ist vielmehr damit zu rechnen, dass die deutsche Botschaft einen Visumsantrag bereits deshalb ablehnen wird, weil die Beklagte ihre Zustimmung zur Erteilung des Visums nicht erteilt; dies aber hätte zur Folge, dass die Klägerin den Ausgang eines vor dem zuständigen Verwaltungsgericht Berlin einzuleitenden Klageverfahrens abwarten muss, bevor sie erneut nach Deutschland einreisen kann. Damit aber wäre die weitere Zukunft der Klägerin gänzlich ungewiss (vgl. dazu Bayer. VGH, Beschlüsse vom 22.08.2007 - 24 CS 07.1495 -, juris, und vom 06.02.2012 - 19 CS 11.2613 -, juris; HTK-AuslR, Stand 04/2016, § 5 AufenthG / zu Abs. 2 Satz 2, Rn. 31 ff.).
73 
Ferner liegt es nahe, die Frage der Zumutbarkeit nicht losgelöst von der Frage zu sehen, wie nahe der betreffende Ausländer gegenwärtig an einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG ist. Mit anderen Worten: Je zweifelhafter ein Aufenthaltserlaubnisanspruch des Betreffenden ist, um so naheliegender und zumutbarer ist es, ihn auf die Einhaltung der Visumsvorschriften zu verweisen, um bereits vom Ausland aus die ausländerbehördliche Prüfung seines Begehrens zu ermöglichen; je mehr andererseits der Anspruch des Ausländers an einen strikten Rechtsanspruchs im Sinne von § 5 Abs. 2 S. 2 1. Alt. AufenthG angenähert ist - wenn insbesondere ein strikter Rechtsanspruch allein deshalb zu verneinen ist, weil hinsichtlich einer Regelerteilungsvoraussetzung ein Ausnahmefall anzunehmen ist -, umso eher wird die Durchführung eines Visumsverfahrens als reine Förmelei und damit als unzumutbar anzusehen sein (vgl. zu diesem Aspekt VG Stuttgart, Urteil vom 27.04.2015 - 11 K 5751/14 -, juris; ähnlich auch Beck-OK AuslR, Stand 02/2016, § 5 Rn. 36). Vorliegend hätte die Klägerin, wie bereits erörtert, aufgrund der Annahme eines Ausnahmefalls betreffend § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, abgesehen von der Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG, gegenwärtig einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage des § 32 Abs. 1 AufenthG.
74 
Bereits dieser Aspekt im Zusammenspiel mit den erwähnten, mit der Durchführung des Visumsverfahrens zusammenhängenden Belastungen der Klägerin legen die Annahme der Unzumutbarkeit nahe. Hinzu kommt jedoch ein weiterer Gesichtspunkt: Müsste die Klägerin das Bundesgebiet verlassen, um das Visumsverfahren von der Republik Moldau aus neu zu betreiben, wären die Hürden für die Klägerin im damit neu einzuleitenden Verfahren aufgrund der nunmehrigen Vollendung ihres 16. Lebensjahrs mit der Folge der Anwendbarkeit der Regelung des § 32 Abs. 2 AufenthG wesentlich höher. Eine solche wesentliche Erschwerung der Durchsetzung eines bis vor kurzem bestehenden Anspruchs stellt einen besonderen Umstand dar (vgl. zu diesem Aspekt VG München, Urteil vom 18.06.2015 - M 23 K 14/5549 -, juris). Die Klägerin befindet sich daher in einer Sondersituation, die sie deutlich von der Lage vergleichbarer Ausländer unterscheidet und die in der Gesamtschau zur Annahme der Unzumutbarkeit im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG führt.
75 
2.3.4 Die Klägerin hat daher wegen der Einreise ohne das erforderliche Visum (lediglich) einen Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde eine Ermessensentscheidung darüber trifft, ob sie von den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG absieht („hiervon kann abgesehen werden“). Eine solche Ermessensentscheidung hat die Beklagte, die nach wie vor davon ausgeht, dass einem Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegensteht, noch nicht getroffen.
76 
Bei ihrer Ermessensentscheidung wird die Beklagte zu berücksichtigen haben, dass, nachdem die legitimen Interessen der Klägerin am Verbleib im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Visumsverfahrens überwiegen, kaum ermessensfehlerfrei zu begründen sein dürfte, warum der Klägerin etwas, das ihr explizit unzumutbar ist, dennoch abverlangt werden können sollte (vgl. zu diesem Aspekt auch VG Saarland, Beschluss vom 25.06.2016 - 6 L 2026/15 -, juris; VG Aachen, Beschluss vom 23.05.2013 - 8 L 471/12 -, juris; GK-AufenthG, Stand 2015, § 5 Rn. 145, m.w.N.; vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 27.04.2015 - 11 K 5751/14 -, juris, und Bayer. VGH, Beschlüsse vom 27.02.2014 - 10 CS 13.2346 -, juris, und vom 22.08.2007 - 24 CS 07.1495 -, juris [jew. Ermessensreduzierung auf Null im dort zu entscheidenden Einzelfall]; a.A. [Entscheidung im Ermessenswege, allerdings ohne Anhaltspunkte zu nennen, worin diese Ermessenserwägungen bestehen könnten] Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl., § 5 Rn. 139). Nach Auffassung der Kammer spricht jedenfalls im vorliegenden Fall alles dafür, dass das Ermessen der Beklagten dahingehend reduziert ist, auf die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu verzichten.
II.
77 
Hat nach alldem die Klage bereits in ihrem Hauptantrag Erfolg, bedarf es der Prüfung des Hilfsantrags nicht mehr.
III.
78 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens davon ab, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Gründe, die Berufung durch das Verwaltungsgericht zuzulassen, bestehen nicht.

(1) Einem Ausländer können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 folgende Visa erteilt werden:

1.
ein Visum für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen (Schengen-Visum),
2.
ein Flughafentransitvisum für die Durchreise durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen.

(2) Schengen-Visa können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 bis zu einer Gesamtaufenthaltsdauer von 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen verlängert werden. Für weitere 90 Tage innerhalb des betreffenden Zeitraums von 180 Tagen kann ein Schengen-Visum aus den in Artikel 33 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009/EG genannten Gründen, zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder aus völkerrechtlichen Gründen als nationales Visum verlängert werden.

(2a) Schengen-Visa berechtigen nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, es sei denn, sie wurden zum Zweck der Erwerbstätigkeit erteilt.

(3) Für längerfristige Aufenthalte ist ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Die Erteilung richtet sich nach den für die Aufenthaltserlaubnis, die Blaue Karte EU, die ICT-Karte, die Niederlassungserlaubnis und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU geltenden Vorschriften. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts mit einem nationalen Visum wird auf die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis, Blauen Karte EU, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU angerechnet.

(4) Ein Ausnahme-Visum im Sinne des § 14 Absatz 2 wird als Visum im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 erteilt.

Über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn

1.
er ein nationales Visum (§ 6 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes) oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
er vom Erfordernis des Aufenthaltstitels befreit ist und die Befreiung nicht auf einen Teil des Bundesgebiets oder auf einen Aufenthalt bis zu längstens sechs Monaten beschränkt ist,
3.
er Staatsangehöriger eines in Anhang II der Verordnung (EU) 2018/1806 aufgeführten Staates ist und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Absatz 1 Nummer 1 des Aufenthaltsgesetzes) besitzt, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind, es sei denn, es handelt sich um einen Anspruch nach den §§ 16b, 16e oder 19e des Aufenthaltsgesetzes,
4.
er eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz besitzt und die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 oder 2 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen,
5.
seine Abschiebung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes ausgesetzt ist und er auf Grund einer Eheschließung oder der Begründung einer Lebenspartnerschaft im Bundesgebiet oder der Geburt eines Kindes während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat,
6.
er einen von einem anderen Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel besitzt und auf Grund dieses Aufenthaltstitels berechtigt ist, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sind; § 41 Abs. 3 findet Anwendung,
7.
er seit mindestens 18 Monaten eine Blaue Karte EU besitzt, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellt wurde, und er für die Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung eine Blaue Karte EU beantragt. Gleiches gilt für seine Familienangehörigen, die im Besitz eines Aufenthaltstitels zum Familiennachzug sind, der von demselben Staat ausgestellt wurde wie die Blaue Karte EU des Ausländers. Die Anträge auf die Blaue Karte EU sowie auf die Aufenthaltserlaubnisse zum Familiennachzug sind innerhalb eines Monats nach Einreise in das Bundesgebiet zu stellen,
8.
er die Verlängerung einer ICT-Karte nach § 19 des Aufenthaltsgesetzes beantragt,
9.
er
a)
einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates besitzt, der ausgestellt worden ist nach der Richtlinie 2014/66/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen eines unternehmensinternen Transfers (ABl. L 157 vom 27.5.2014, S. 1), und
b)
eine Mobiler-ICT-Karte nach § 19b des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs zu einem Inhaber einer Mobiler-ICT-Karte nach § 19b des Aufenthaltsgesetzes beantragt,
10.
er
a)
einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates besitzt, der ausgestellt worden ist nach der Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit (ABl. L 132 vom 21.5.2016, S. 21), und
b)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18f des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs zu einem Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18f des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder
11.
er vor Ablauf der Arbeitserlaubnis oder der Arbeitserlaubnisse zum Zweck der Saisonbeschäftigung, die ihm nach § 15a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 der Beschäftigungsverordnung erteilt wurde oder wurden, einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Saisonbeschäftigung bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber beantragt; dieser Aufenthaltstitel gilt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erteilt.
Satz 1 gilt nicht, wenn eine ICT-Karte nach § 19 des Aufenthaltsgesetzes beantragt wird.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein russischer Staatsangehöriger, erstrebt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug.

2

Der 1968 geborene Kläger hielt sich nach eigenen Angaben im Anschluss an ein erfolgloses Asylverfahren längere Zeit ohne Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet auf. Nach seinen Angaben lernte er im Jahr 2004 Frau G., eine 1947 geborene deutsche Staatsangehörige türkischer Herkunft, kennen und lebte mit ihr seit September 2007 zusammen. Um seinen Aufenthalt legalisieren zu können, habe er das Bundesgebiet im Februar 2008 verlassen.

3

Der Kläger reiste am 27. Juli 2008 mit einem von der griechischen Auslandsvertretung in Moskau ausgestellten Schengen-Visum nach Deutschland ein, das vom 27. Juli 2008 bis zum 18. August 2008 gültig war. Am 1. August 2008 heiratete er Frau G. in Bornholm (Dänemark) und kehrte noch am selben Tag nach Deutschland zurück.

4

Am 8. August 2008 beantragte der Kläger die Erteilung einer ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis. Mit Bescheid vom 25. September 2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab und drohte ihm die Abschiebung an. Der Kläger sei am 27. Juli 2008 ohne das für einen Daueraufenthalt erforderliche nationale Visum in das Bundesgebiet eingereist. Dieses könne nur von einer konsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland erteilt werden. Von dem Visumerfordernis sei auch nicht im Ermessenswege nach § 5 Abs. 2 AufenthG abzusehen, da eine Umgehung des Sichtvermerkverfahrens in offensichtlich missbräuchlicher Absicht stattgefunden habe. Außergewöhnliche schutzwürdige Belange des Klägers und seiner Ehefrau seien nicht erkennbar.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. November 2009 abgewiesen. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG fehle, da der Kläger bei seiner Einreise lediglich im Besitz eines für kurzfristige Aufenthalte gültigen Schengen-Visums gewesen sei. In Bezug auf den aktuell begehrten Daueraufenthalt sei das nicht das erforderliche Visum gewesen. Unabhängig davon habe ausweislich der eidesstattlichen Versicherung der Ehefrau des Klägers bereits vor der Einreise die Absicht zur Eheschließung und zum Daueraufenthalt bestanden, so dass der Kläger die für die Erteilung maßgeblichen Angaben nicht bereits im Visumantrag gemacht habe. Er habe auch nicht die Möglichkeit, die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 39 Nr. 3 AufenthV im Inland zu beantragen. Zwar sei er im Zeitpunkt der Eheschließung im Besitz eines gültigen Schengen-Visums gewesen. Der aus der Eheschließung folgende Anspruch sei jedoch nicht nach der Einreise entstanden, da es insoweit auf die letzte vor der Antragstellung liegende Einreise in das Bundesgebiet und nicht auf die Einreise in den Schengen-Raum ankomme. Der Beklagte habe das ihm in § 5 Abs. 2 AufenthG eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Zu Recht habe die Behörde darauf abgestellt, dass dem Kläger die Ausreise und Wiedereinreise mit dem erforderlichen Visum zumutbar sei. Besondere Umstände, die die kürzere Trennung der Eheleute als unverhältnismäßig erscheinen lassen könnten, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.

6

Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend, die Auslegung des Verwaltungsgerichts lasse die Privilegierung des § 39 Nr. 3 AufenthV leerlaufen. In der Praxis sei es für einen Ausländer unmöglich, in Deutschland innerhalb von drei Monaten die Ehe zu schließen. Der Verordnungsgeber habe die Heirat in Dänemark nicht als Missbrauch ansehen dürfen, da er zu deren Anerkennung unionsrechtlich verpflichtet sei. Weder die systematische Stellung des § 39 Nr. 3 AufenthV noch die Materialien zu der Änderung der Vorschrift gäben etwas für die Auffassung des Verwaltungsgerichts her, dass auf die letzte Einreise in das Bundesgebiet abzustellen sei. Die Interpretation des Verwaltungsgerichts schaffe Eheschließungen unterschiedlicher Art und Güte und erschwere den Ehegattennachzug, so dass dieser faktisch nicht mehr stattfinden könne.

7

Der Beklagte verteidigt die Entscheidung der Vorinstanz. Entgegen der Auffassung des Klägers werde eine in Deutschland vorgenommene Eheschließung bei verschwiegenem Vorentschluss nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht von § 39 Nr. 3 AufenthV privilegiert. Im Übrigen wäre aber auch eine unterschiedliche aufenthaltsrechtliche Behandlung von Eheschließungen in Dänemark und Deutschland gerechtfertigt, da der deutsche Standesbeamte verpflichtet sei, das Vorliegen einer Scheinehe zu prüfen, bei Verdachtsmomenten weitere Ermittlungen anzustellen und ggf. die Eheschließung zu versagen.

8

Der Senat hat das Auswärtige Amt gebeten, den Visumvorgang des Klägers zu übermitteln. Das Auswärtige Amt hat daraufhin mitgeteilt, der Visumvorgang sei von der Griechischen Botschaft in Moskau bereits vernichtet worden.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug ohne vorherige Durchführung eines nationalen Visumverfahrens zu Recht verneint und den angefochtenen Ablehnungsbescheid als rechtmäßig bestätigt. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes unterliegt (1.), dass er die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - nicht erfüllt (2.a) und weder nach § 39 Aufenthaltsverordnung - AufenthV - hiervon befreit ist (2.b) noch verlangen kann, dass der Beklagte im Rahmen seines Ermessens nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG von dieser Erteilungsvoraussetzung absieht (2.c).

10

1. Zunächst ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass das Klagebegehren nach den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes zu beurteilen ist. Die Anwendung des Aufenthaltsgesetzes ist nicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen, da die Rechtsstellung des Klägers nicht von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) erfasst wird. Denn nach § 1 FreizügG/EU regelt dieses Gesetz nur die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und ihren Familienangehörigen, nicht aber die Einreise und den Aufenthalt von Familienangehörigen deutscher Staatsangehöriger.

11

Allerdings unterfallen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ausnahmsweise auch Familienangehörige von Deutschen den unionsrechtlichen Nachzugsregelungen, nämlich dann, wenn es sich um sog. Rückkehrerfälle handelt (EuGH, Urteile vom 7. Juli 1992 - Rs. C-370/90, Singh - InfAuslR 1992, 341 und vom 11. Dezember 2007 - Rs. C-291/05, Eind - InfAuslR 2008, 114). Nach dieser Rechtsprechung kann sich der einem Drittstaat angehörende Ehegatte eines Unionsbürgers auch gegenüber dem Staat der Staatsangehörigkeit des Unionsbürgers auf ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht berufen, wenn der Unionsbürger von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht und sich in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen hat, der Ehegatte ihn in den anderen Mitgliedstaat begleitet hat oder ihm nachgezogen ist und sich mit ihm dort aufgehalten hat. Dies gilt auch, wenn die Ehe erst in dem anderen Mitgliedstaat geschlossen wurde, und ist unabhängig von dem Zeitpunkt der Einreise und der Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthalts des Ehegatten in dem Staat der Staatsangehörigkeit des Unionsbürgers (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2007 a.a.O. Rn. 27 ff., 45) oder dem anderen Mitgliedstaat (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2008 - Rs. C-127/08, Metock - NVwZ 2008, 1097 Rn. 48 ff.). Nach der Rechtsprechung des EuGH erfordert es die praktische Wirksamkeit des Freizügigkeitsrechts des Unionsbürgers, dass in diesen Fällen der drittstaatsangehörige Ehegatte bei einer gemeinsamen Rückkehr in den Herkunftsstaat des Unionsbürgers auch dort ein unionsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht hat.

12

Dieses Recht darf von den Mitgliedstaaten grundsätzlich keinen weiteren Voraussetzungen als dem Nachweis der Identität und der Ehe unterworfen werden. Insbesondere darf nicht ein "Aufenthaltsvisum zum Zweck der Familienzusammenführung" verlangt werden (EuGH, Urteil vom 14. April 2005 - Rs. C-157/03, Kommission/Spanien - Slg. 2005, I-2911 Rn. 28). Selbst die Einreise ohne ein zulässigerweise gefordertes Einreisevisum in Gestalt eines Schengen-Visums darf allenfalls zur Belegung mit Verwaltungssanktionen, nicht aber zur Versagung des Aufenthaltsrechts und erst recht nicht zur Entfernung aus dem Hoheitsgebiet führen (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2002 - Rs. C-459/99, MRAX - InfAuslR 2002, 417 Rn. 56 und 59). Ob bei Bestehen eines solchen unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts des drittstaatsangehörigen Ehegatten eines Deutschen die Regelungen des Freizügigkeitsgesetzes/EU in unionsrechtskonformer Auslegung entsprechend anzuwenden sind (vgl. Hailbronner, AuslR, § 1 FreizügG/EU Rn. 2 und 14; VG Darmstadt, Beschluss vom 6. Oktober 2010 - 5 L 492/10.DA - S. 4 f.; wohl auch OVG Bremen, Beschluss vom 17. August 2010 - 1 B 166/10 - InfAuslR 2011, 1) oder ob eine unionsrechtskonforme Handhabung durch unmittelbaren Rückgriff auf das Unionsrecht sicherzustellen ist (vgl. Epe, in: GK-AufenthG, § 1 FreizügG/EU Rn. 26), braucht hier nicht abschließend geklärt zu werden. Aus Sicht des Senats sprechen durchaus gute Gründe für eine analoge Anwendung der Regelungen des Freizügigkeitsgesetzes/EU mit der Folge, dass bei Vorliegen eines sog. Rückkehrerfalles nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG auch die Anwendung des Aufenthaltsgesetzes ausgeschlossen ist. Das würde allerdings nicht bedeuten, dass in allen Fällen des Nachzugsbegehrens von Drittstaatsangehörigen zu ihrem deutschen Ehegatten vor einer Anwendung des Aufenthaltsgesetzes auch stets eine Feststellung über das Nichtbestehen eines Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU gemäß § 11 Abs. 2 FreizügG/EU erforderlich wäre. Denn diese Regelung beruht auf der Vermutung eines Freizügigkeitsrechts zugunsten der in § 1 FreizügG/EU genannten Personen, die bei Familienangehörigen deutscher Staatsangehöriger gerade nicht besteht, und dürfte daher von einer entsprechenden Anwendung der Regelungen des Freizügigkeitsgesetzes/EU in Rückkehrerfällen ausgenommen sein.

13

Die vorstehend aufgeworfene Rechtsfrage bedarf hier keiner abschließenden Klärung, weil bei dem Kläger die Voraussetzungen eines sog. Rückkehrerfalles im Sinne der Rechtsprechung des EuGH nicht vorliegen. Denn seine deutsche Ehefrau hat durch die Kurzreise nach Dänemark und die dortige Heirat nicht in so nachhaltiger Weise von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht, dass es die praktische Wirksamkeit des Freizügigkeitsrechts erforderte, dem Kläger einen unionsrechtlichen Nachzugsanspruch zuzubilligen. Dabei kann dahinstehen, ob und in welchem Umfang die Ehefrau des Klägers bei ihrer Kurzreise nach Dänemark durch Inanspruchnahme von Dienstleistungen von ihrem wirtschaftlichen Freizügigkeitsrecht in Gestalt der passiven Dienstleistungsfreiheit Gebrauch gemacht hat. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH setzt die Anwendung der in den sog. Rückkehrerfällen entwickelten Grundsätze nicht mehr notwendig ein Gebrauchmachen des Unionsbürgers von den wirtschaftlichen Grundfreiheiten voraus (zum wirtschaftlichen Freizügigkeitsrecht durch Erbringung von Dienstleistungen vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - Rs. C-60/00, Carpenter - Slg. 2002, I-6279). Vielmehr kann auch ein Gebrauchmachen von dem allgemeinen mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Freizügigkeitsrecht nach Art. 21 Abs. 1 AEUV geeignet sein, die Anwendbarkeit der unionsrechtlichen Familiennachzugsregeln zu begründen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 - Rs. C-200/02, Zhu und Chen - InfAuslR 2004, 413 Rn. 34 ff.). Dennoch genügt, wie die vom EuGH entschiedenen Fälle zeigen, nicht jede auch noch so geringfügige Ausübung des Freizügigkeitsrechts durch den Unionsbürger. Vielmehr ist für eine "Mitnahme" des Freizügigkeitsstatus in den Heimatstaat und eine entsprechende Begünstigung des drittstaatsangehörigen Ehegatten erforderlich, dass der Unionsbürger mit einer gewissen Nachhaltigkeit von seiner Freizügigkeit Gebrauch macht (Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 17.09 - Rn. 9 ff. - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen, so auch die ganz überwiegende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung: VGH Mannheim, Beschluss vom 25. Januar 2010 - 11 S 2181/09 - InfAuslR 2010, 143; VGH München, Beschluss vom 29. September 2009 - 19 CS 09.1405 - juris Rn. 8; VG Darmstadt, Beschluss vom 23. Oktober 2009 - 5 L 557/09.DA(2) - InfAuslR 2010, 67; nachgehend VGH Kassel, Beschluss vom 22. Januar 2010 - 3 B 2948/09 - juris Rn. 16 ff.). Würde bereits jeder kurzfristige, von vornherein nicht auf eine gewisse Dauer angelegte Aufenthalt eines Unionsbürgers in einem anderen Mitgliedstaat - etwa zu touristischen Zwecken - für einen unionsrechtlich begründeten Nachzugsanspruch des mitreisenden drittstaatsangehörigen Ehegatten bei Rückkehr in den Heimatstaat ausreichen, liefe das Recht der Mitgliedstaaten zur Regelung von Einreise und Aufenthalt für den einem Drittstaat angehörenden Ehegatten oder sonstige Familienangehörige ihrer eigenen Staatsbürger weitgehend leer. Dieses Recht der Mitgliedstaaten hat der EuGH in seinen Entscheidungen aber immer wieder ausdrücklich anerkannt und betont, dass die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit nicht auf Tätigkeiten anwendbar sind, die mit keinem relevanten Element über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen (EuGH, Urteile vom 25. Juli 2008 a.a.O. Rn. 77 und vom 1. April 2008 - Rs. C-212/06, Gouvernement de la Communauté française etc. - Slg. 2008, I-1683 Rn. 39 m.w.N.). Insofern kann der Rechtsprechung des EuGH zu den Rückkehrerfällen eine Art Bagatellvorbehalt entnommen werden, nach dem - angesichts der erheblichen Rechtsfolgen des Gebrauchmachens von der Freizügigkeit im Rückkehrfall - auch dieses Gebrauchmachen selbst von einer gewissen Erheblichkeit bzw. Nachhaltigkeit sein muss. In die gleiche Richtung gehen auch die Überlegungen der Kommission zu einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Unionsrechts in diesem Zusammenhang, die die Begründung eines tatsächlichen und effektiven Aufenthalts in dem anderen Mitgliedstaat, d.h. der Sache nach in der Regel einen Umzug des Unionsbürgers, für erforderlich hält (Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 2. Juli 2009, KOM(2009) 313 endgültig, S. 19 f.).

14

Wo im Einzelnen die Grenze zu ziehen ist, von der an das Gebrauchmachen von den unionsrechtlichen Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechten in einem anderen Mitgliedstaat als ausreichend nachhaltig angesehen werden kann, um bei Rückkehr in den Heimatstaat ein unionsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht des drittstaatsangehörigen Ehegatten zu rechtfertigen, und ob eine verallgemeinerungsfähige Konkretisierung insoweit überhaupt möglich ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls im vorliegenden Fall ist durch den kurzfristigen, nur wenige Tage dauernden gemeinsamen Aufenthalt des Klägers und seiner Ehefrau in Dänemark diese Grenze zweifellos nicht erreicht. Deshalb erübrigt sich auch eine Vorlage an den EuGH.

15

Die Notwendigkeit einer solchen Vorlage ergibt sich auch nicht aus den Schlussanträgen der Generalanwältin Sharpston in der der Großen Kammer des EuGH zugewiesenen Rechtssache C-34/09 - Zambrano - vom 30. September 2010. Die Generalanwältin hat darin grundsätzlich die Frage aufgeworfen, ob ein Unionsbürger sich gegenüber dem Staat seiner Staatsangehörigkeit auch ohne vorheriges Gebrauchmachen von der Freizügigkeit auf seine Rechte als Unionsbürger - einschließlich des damit verbundenen Anspruchs auf Familiennachzug nach unionsrechtlichen Regeln - berufen kann. Nach ihrer Auffassung ist eine solche Inländerdiskriminierung unionsrechtlich unzulässig. Dies widerspricht allerdings der bisherigen gefestigten Rechtsprechung des EuGH, nach der Unionsrecht auf rein innerstaatliche Sachverhalte keine Anwendung findet und über etwaige Benachteiligungen, denen Staatsangehörige eines Mitgliedstaates nach dem Recht dieses Staates ausgesetzt sein können, allein im Rahmen des internen Rechtssystems dieses Staates zu entscheiden ist (neben den oben zitierten Urteilen vom 25. Juli 2008 und 1. April 2008 auch Urteil vom 5. Juni 1997 - Rs. C-64/96 und C-65/96, Uecker und Jacquet - Slg. 1997, I-3171 Rn. 23). Dies hat der EuGH auf einen ähnlichen Vorstoß der Generalanwältin Sharpston in ihren Schlussanträgen vom 28. Juni 2007, Rn. 121 in der Rechtssache C-212/06 durch Urteil vom 1. April 2008 a.a.O., Rn. 37 bis 39 ausdrücklich bestätigt. Aus Sicht des Senats stellt sich angesichts dieser eindeutigen Rechtsprechung derzeit insoweit keine europarechtliche Zweifelsfrage.

16

Die Anwendung des Aufenthaltsgesetzes auf inländische Unionsbürger, die von ihrem Freizügigkeitsrecht keinen Gebrauch gemacht haben, verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Dabei kann dahinstehen, ob angesichts der Verpflichtung zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und der dadurch bedingten Betroffenheit unterschiedlicher Rechtskreise überhaupt gleiche oder vergleichbare Sachverhalte im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 8. November 1989 - 1 BvR 986/89 - NJW 1990, 1033 und vom 13. Juni 2006 - 1 BvR 1160/03 - BVerfGE 116, 135 <159>). Denn die aus dem Nebeneinander von Unionsrecht und nationalem Recht entstehende Ungleichbehandlung ist jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Ist eine Übertragung des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts auf Familienangehörige von inländischen Unionsbürgern, die von ihrem Freizügigkeitsrecht keinen Gebrauch gemacht haben, unionsrechtlich nicht geboten, liegen hinreichend gewichtige Gründe vor, dass in diesen Fällen die für alle nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländer geltenden Bestimmungen des nationalen Aufenthaltsrechts zur Anwendung kommen (vgl. Urteil vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 43.06 - BVerwGE 129, 226 Rn. 40).

17

2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens sind daher die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten.

18

Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug zu einem Deutschen gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 27 Abs. 1 AufenthG erfordert neben dem Vorliegen der dort genannten Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich auch, dass die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erfüllt ist, d.h. dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist (Nr. 1) und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat (Nr. 2). Etwas anderes gilt nur, wenn der Ausländer nach § 39 AufenthV berechtigt ist, die Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise einzuholen, oder ein Absehen von dieser Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG in Betracht kommt.

19

a) Das Verwaltungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht erfüllt. Er ist nicht mit einem zum Zweck des Ehegattennachzugs erteilten nationalen Visum gemäß § 6 Abs. 4 AufenthG eingereist und hat nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts die für dessen Erteilung erforderlichen Angaben nicht bereits im Visumantrag gemacht.

20

Der Kläger ist mit einem Schengen-Visum für einen Kurzaufenthalt von bis zu drei Monaten im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG und damit nicht unerlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in das Bundesgebiet eingereist (vgl. zur Auslegung dieser Vorschrift: BTDrucks 15/420 S. 73 und BGH, Urteil vom 27. April 2005 - 2 StR 457/04 - NJW 2005, 2095). Für einen längerfristigen Aufenthalt ist aber gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG - vorbehaltlich der oben genannten Ausnahmen - ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird und der Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde bedarf (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV). Welches Visum im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG als das erforderliche Visum anzusehen ist, bestimmt sich nach dem Aufenthaltszweck, der mit der im Bundesgebiet beantragten Aufenthaltserlaubnis verfolgt wird (Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 17.09 - Rn. 19, so auch die ganz überwiegende Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte: neben dem Berufungsurteil etwa VGH Kassel, Beschluss vom 16. März 2005 - 12 TG 298/05 - NVwZ 2006, 111; VGH Mannheim, Beschluss vom 14. März 2006 - 11 S 1797/05 - juris Rn. 12 ff.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. August 2008 - 13 ME 131/08 - juris Rn. 3; OVG Bremen, Beschluss vom 26. Juni 2009 - 1 B 552/08 - juris Rn. 30; zur alten Rechtslage noch offengelassen im Urteil vom 18. Juni 1996 - BVerwG 1 C 17.95 - BVerwGE 101, 265 <267>). Für dieses Verständnis der Vorschrift spricht neben ihrer systematischen Stellung bei den allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltstiteln auch der Sinn und Zweck der Regelung. Sie dient anders als § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht primär der Verhinderung oder Sanktion einer unerlaubten Einreise, sondern soll die Einhaltung des Visumverfahrens als wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung gewährleisten (BTDrucks 15/420 S. 70). Diesem Zweck der Vorschrift wird eine weite, auch nachträgliche Änderungen des Aufenthaltszwecks erfassende Auslegung der Vorschrift am ehesten gerecht. Nur bei einem solchen Verständnis der Vorschrift erlangen im Übrigen die in § 39 Nr. 2, 3 und 6 AufenthV vorgesehenen Ausnahmen eine eigenständige Bedeutung. In den dort geregelten Fällen einer nachträglichen Änderung des Aufenthaltszwecks würde andernfalls schon nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG die Beantragung eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet zulässig sein.

21

Da der Kläger "nur" mit einem Schengen-Visum und nicht mit dem nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderlichen nationalen Visum eingereist ist, fehlt es - ungeachtet des Umstandes, dass er auch nicht die für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Eheschließung und Eheführung erforderlichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat - an der Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG.

22

b) Der Kläger ist auch nicht nach den auf § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG beruhenden Regelungen der §§ 39 ff. AufenthV ausnahmsweise berechtigt, den Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einzuholen, und damit von dem Visumerfordernis befreit.

23

aa) Die im Fall des Klägers allein in Betracht kommende Regelung in § 39 Nr. 3 AufenthV ist in der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes (vgl. Art. 7 Abs. 4 Nr. 13 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007, BGBl I S. 1970) anzuwenden. Umstände, die es aus Gründen des Vertrauensschutzes gebieten würden, abweichend von dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der aktuellen Rechtslage ausnahmsweise auf die zuvor geltende Rechtslage abzustellen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 21. Dezember 2007 - 18 B 1535/07 - InfAuslR 2008, 129), liegen im Fall des Klägers nicht vor. Denn die für die Anwendung der Vorschrift maßgebliche Eheschließung fand ebenso wie die Beantragung der Aufenthaltserlaubnis erst nach Inkrafttreten der Rechtsänderung statt, so dass es schon deshalb an einem unter Geltung der alten Rechtslage ins Werk gesetzten Vertrauen fehlt.

24

Nach § 39 Nr. 3 AufenthV in der hier anzuwendenden neuen Fassung kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn er Staatsangehöriger eines in Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 aufgeführten Staates ist und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) besitzt, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind. In der alten Fassung lautete der letzte Halbsatz: "..., sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sind." Der Kläger, für den allein die zweite Alternative der Vorschrift in Betracht kommt, war zwar bei der Stellung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug im Besitz eines gültigen Schengen-Visums für kurzfristige Aufenthalte. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sind jedoch nicht nach, sondern vor seiner letzten Einreise in das Bundesgebiet entstanden.

25

bb) Das Verwaltungsgericht hat bei der Prüfung des § 39 Nr. 3 AufenthV zutreffend auf die letzte Einreise des Klägers in das Bundsgebiet abgestellt (so auch VGH München, Beschlüsse vom 23. Dezember 2008 - 19 CS 08.577 - juris Rn.15 und vom 12. Januar 2010 - 10 CS 09.2705 - juris Rn. 9; VGH Mannheim, Beschlüsse vom 8. Juli 2008 - 11 S 1041/08 - juris Rn. 17 und vom 16. September 2009 - 13 S 1975/09 - juris Rn. 5; VGH Kassel, Beschluss vom 22. September 2008 - 1 B 1628/08 - juris Rn. 5; OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. März 2010 - 13 ME 3/10 - juris Rn. 8; OVG Münster, Beschluss vom 2. November 2009 - 18 B 1516/08 - juris Rn. 10 ff.; OVG Greifswald, Beschluss vom 22. Juli 2009 - 2 M 93/09 - juris Rn. 8). Auch wenn der Wortlaut der Vorschrift eine andere Lesart zulässt, deutet die Stellung der Vorschrift im Vierten Abschnitt der Aufenthaltsverordnung, der nur Ausnahmen vom Visumerfordernis für die Erteilung nationaler Aufenthaltstitel gemäß § 6 Abs. 4 AufenthG betrifft, darauf hin, dass mit diesem Tatbestandsmerkmal nicht die Einreise in den Schengen-Raum, sondern die (letzte) Einreise in das Bundesgebiet gemeint ist. Der Verordnungsgeber unterliegt bei der Regelung von Ausnahmen zur nationalen Visumpflicht keinen unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. Art. 18 Satz 1 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985, ABl 2000 Nr. L 239 S. 19 - SDÜ). Allein die Anknüpfung an unionsrechtliche Tatbestände rechtfertigt nicht die Annahme, er habe in § 39 Nr. 3 AufenthV auf die Einreise in den Schengen-Raum abgestellt (a.A. Benassi, InfAuslR 2008, 127 <128 f.>). Dagegen sprechen vor allem Sinn und Zweck des § 39 Nr. 3 AufenthV. Denn die Vorschrift soll nur diejenigen Ausländer begünstigen, die im Schengen-Visumverfahren zutreffende Angaben gemacht haben und bei denen sich aufgrund nach der Einreise eingetretener neuer Umstände der Aufenthaltszweck geändert hat. Sie soll aber nicht den Versuch honorieren, einen von Anfang an beabsichtigten Daueraufenthalt in Deutschland unter Umgehung der nationalen Visumvorschriften durchzusetzen. Andernfalls würde die bewusste Umgehung des Visumverfahrens folgenlos bleiben und dieses wichtige Steuerungsinstrument der Zuwanderung (so BTDrucks 15/420 S. 70) entwertet. Dieser Regelungszweck kommt in der Begründung der Neufassung der Vorschrift durch das Richtlinienumsetzungsgesetz durch das Beispiel der Eheschließung im Ausland deutlich zum Ausdruck (BTDrucks 16/5065 S. 240).

26

cc) Für die Beurteilung, wann die Voraussetzungen eines Anspruchs im Sinne des § 39 Nr. 3 AufenthV entstanden sind, ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem das zentrale Merkmal der jeweiligen Anspruchsnorm, das den Aufenthaltszweck kennzeichnet (hier: Eheschließung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG), erfüllt worden ist (ebenso OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. März 2010 a.a.O. Rn. 9 f.; VGH München, Beschluss vom 29. September 2009 - 19 CS 09.1405 - juris Rn. 4; OVG Bremen, Beschluss vom 26. Juni 2009 - 1 B 552/08 - InfAuslR 2009, 380 <381 f.>; a.A. VGH Mannheim, Beschluss vom 8. Juli 2008 - 11 S 1041/08 - InfAuslR 2008, 444 <449>). Denn in der Amtlichen Begründung der Neufassung werden Anspruchsentstehung und Aufenthaltszweck miteinander verknüpft, während die übrigen Anspruchsvoraussetzungen an dieser Stelle nicht genannt werden ("... die Vergünstigung nur dann gilt, wenn der Anspruch nach der Einreise entsteht und damit ein von vornherein beabsichtigter Wechsel des angegebenen Aufenthaltszwecks ausgeschlossen werden kann." - BTDrucks 16/5065 a.a.O.). Daraus folgt, dass im Rahmen des § 39 Nr. 3 AufenthV für das Entstehen der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nur darauf abzustellen ist, wann das den Aufenthaltszweck kennzeichnende Tatbestandsmerkmal der Anspruchsgrundlage gegeben war. Im Übrigen führt die Gegenauffassung, die auf das Vorliegen sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen - mit Ausnahme des Visumerfordernisses gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG - für einen Aufenthaltstitel abstellt, zu willkürlichen Ergebnissen. Mit Blick auf das Anliegen des Gesetzgebers, von vornherein beabsichtigte Daueraufenthalte nicht länger visumrechtlich zu privilegieren, ist eine Differenzierung danach, ob z.B. die notwendigen Kenntnisse der deutschen Sprache (§ 28 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) vor oder nach Einreise in das Bundesgebiet erworben worden sind, nicht zu vereinbaren.

27

dd) Durch die Neufassung des § 39 Nr. 3 AufenthV werden drittstaatsangehörige Ausländer, die im Besitz eines gültigen Schengen-Visum sind, einen deutschen Staatsbürger geheiratet haben und mit diesem die eheliche Lebensgemeinschaft in der Bundesrepublik Deutschland führen wollen, im Hinblick auf das Visumerfordernis für den angestrebten Daueraufenthalt im Bundesgebiet unterschiedlich behandelt: Wurde die Ehe im Schengen-Raum geschlossen, verbleibt es bei der in § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG angeordneten Visumpflicht. Haben die Eheleute in Deutschland geheiratet, ermöglicht es § 39 Nr. 3 AufenthV, die Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet einzuholen. Die Ungleichbehandlung beruht jedoch auf legitimen Erwägungen des Gesetzgebers und ist sowohl verfassungs- als auch unionsrechtlich gerechtfertigt.

28

Gemessen am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigt es die Typisierungsbefugnis des Gesetz- und Verordnungsgebers, für das Eingreifen des Visumerfordernisses nach dem Ort der Eheschließung im In- oder Ausland zu differenzieren. Denn bei einer Eheschließung in Deutschland sieht das nationale Familienrecht spezielle Kontrollmechanismen zur Sicherung der Eheschließungsvoraussetzungen und Verhütung von Schein- oder Mehrehen vor: So hat der Verlobte, der gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB hinsichtlich der Voraussetzungen der Eheschließung ausländischem Recht unterliegt, grundsätzlich ein Ehefähigkeitszeugnis seines Heimatstaates beizubringen, dass nach dessen Recht kein Ehehindernis vorliegt (§ 1309 Abs. 1 BGB). Zudem hat der Standesbeamte Anhaltspunkten für eine Scheinehe nachzugehen, denn er muss seine Mitwirkung u.a. dann verweigern, wenn offenkundig ist, dass beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig sind, keine eheliche Lebensgemeinschaft begründen zu wollen (§ 1310 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB). Diese Prüfungs- und Ermittlungspflicht des Standesbeamten wird verfahrensrechtlich durch die Befugnisse zu gemeinsamer und getrennter Befragung der Verlobten, der Anordnung zur Beibringung von Nachweisen sowie einer eidesstattlichen Versicherung in § 13 Abs. 1 und 2 PStG näher ausgestaltet. Folglich wird die gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG auch aufenthaltsrechtliche bedeutsame Absicht der Verlobten, eine eheliche Lebensgemeinschaft herstellen zu wollen, bei einer Eheschließung im Inland schon vom Standesbeamten geprüft und entsprechenden Verdachtsmomenten nachgegangen. Das erleichtert der Ausländerbehörde die spätere Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Dieser zusätzliche Kontrollmechanismus fehlt typischerweise bei einer im Ausland eingegangenen Ehe. Das zeigt gerade der vorliegende Fall einer Eheschließung in Dänemark. Denn das Dänische Ehegesetz sieht in § 22a beim Verdacht des Vorliegens einer aufenthaltsrechtlich motivierten Schein- oder Zweckehe lediglich vor, dass die Prüfungs- oder Trauungsbehörde der dänischen Ausländerbehörde darüber zu berichten hat (abgedruckt in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Band IV, Dänemark, Stand: 30. September 2007, 175. Lieferung). Die Ungleichbehandlung beruht daher auf einem hinreichend gewichtigen sachlichen Grund.

29

Auch Unionsrecht steht der durch § 39 Nr. 3 AufenthV bewirkten Schlechterstellung des deutschen Ehegatten, der als Unionsbürger mit der Eheschließung in Dänemark von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat und dessen drittstaatsangehöriger Ehegatte vor Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland auf das Visumverfahren verwiesen wird, nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ist der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt, der grundlegende Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, der es denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, im sachlichen Geltungsbereich des Vertrags unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen (EuGH, Urteile vom 20. September 2001 - Rs. C-184/99, Grzelczyk - Slg. 2001, I-6193 Rn. 31, vom 11. Juli 2002 - Rs. C-224/98, D'Hoop - Slg. 2002, I-6191 Rn. 28 und vom 2. Oktober 2003 - Rs. C-148/02, Avello - Slg. 2003, I-11613 Rn. 22 f.). Zu den Situationen, die in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, gehören diejenigen, die sich auf die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten beziehen, und insbesondere auch die, in denen es um das durch Art. 20 AEUV verliehene Recht geht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (EuGH, Urteile vom 20. September 2001 a.a.O. Rn. 33, vom 11. Juli 2002 a.a.O. Rn. 29 und vom 29. April 2004 - Rs. C-224/02, Pusa - Slg. 2004, I-5763 Rn. 17). Da ein Unionsbürger in allen Mitgliedstaaten Anspruch auf die gleiche rechtliche Behandlung wie die eigenen Staatsangehörigen dieser Mitgliedstaaten hat, die sich in der gleichen Situation befinden, wäre es mit dem Recht auf Freizügigkeit unvereinbar, wenn der Mitgliedstaat, dem er angehört, ihn weniger günstig behandeln könnte, als wenn er nicht von den Erleichterungen der Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätte (EuGH, Urteile vom 11. Juli 2002 a.a.O. Rn. 30 und vom 29. April 2004 a.a.O. Rn. 18). Diese Erleichterungen könnten nämlich nach Auffassung des Gerichtshofs ihre volle Wirkung nicht entfalten, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats von ihrer Wahrnehmung durch Hindernisse abgehalten werden könnte, die sich aus einer nationalen Regelung ergeben, die Nachteile daran knüpft, dass er von ihnen Gebrauch gemacht hat (EuGH, Urteile vom 7. Juli 1992 - Rs. C-370/90, Singh - Slg. 1992, I-4265 Rn. 23, vom 11. Juli 2002 a.a.O. Rn. 31 und vom 29. April 2004 a.a.O. Rn. 19).

30

Es kann dahinstehen, ob diese Rechtsprechung, mit der der Gerichtshof den im Status des Unionsbürgers wurzelnden Gleichbehandlungsanspruch gegenüber allen Mitgliedstaaten auf die Freizügigkeit bezogen und gegen den eigenen Mitgliedstaat gewendet hat, im vorliegenden Fall herangezogen werden kann. Offen erscheint dies zum einen, weil die deutsche Ehefrau des Klägers sich nur einen Tag in Dänemark aufgehalten und daher nicht in nachhaltiger Weise von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat (vgl. oben Rn. 10 ff.). Zum anderen lässt sich daran zweifeln, ob § 39 Nr. 3 AufenthV eine Beschränkung der aus Art. 20 Abs. 1 AEUV hergeleiteten Rechte darstellt (vgl. dazu EuGH, Urteile vom 18. Juli 2006 - Rs. C-406/04, De Cuyper - Slg. 2006, I-6947 Rn. 39 sowie vom 26. Oktober 2006 - Rs. C-192/05, Tas-Hagen und Tas - Slg. 2006, I-10451 Rn. 31). Allerdings benachteiligt die Regelung deutsche Staatsangehörige, da sie die eheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem drittstaatsangehörigen Ehegatten nicht sofort im Bundesgebiet herstellen können. Sie knüpft auch daran an, dass die deutsche Ehefrau des Klägers als Unionsbürgerin von ihrer Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zur Eheschließung zu begeben, Gebrauch gemacht hat. Ob die Anknüpfung des § 39 Nr. 3 AufenthV in Fällen der Eheschließung, die als hoheitliche Amtshandlung zum Kernbereich der Ausübung öffentlicher Gewalt zählt, in gleicher Weise wie in den bisher vom Gerichtshof entschiedenen Fällen als Beschränkung der Freizügigkeit anzusehen ist und den gleichen Maßgaben unterliegt, bedarf hier keiner Entscheidung.

31

Denn selbst wenn man die wiedergegebene Rechtsprechung des Gerichtshofs zugunsten des Klägers heranzieht, wäre die durch § 39 Nr. 3 AufenthV ausgelöste visumrechtliche Ungleichbehandlung gerechtfertigt, da sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht legitimerweise verfolgten Zweck steht (vgl. zu diesen Kriterien: EuGH, Urteile vom 11. Juli 2002 a.a.O. Rn. 36, vom 26. Oktober 2006 a.a.O. Rn. 33 und vom 11. September 2007 - Rs. C-76/05, Schwarz und Gootjes-Schwarz - Slg. 2007, I-6849 Rn. 94). Die Visumpflicht beruht im Vergleich zu Nachzugsbegehren, die sich auf im Inland vorgenommene Eheschließungen stützen, auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen. Sie dient dem Interesse des Staates an einer präventiven Kontrolle der aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen vor Beginn des Aufenthalts. Das Interesse des Mitgliedstaates an effektiven administrativen Kontrollmöglichkeiten wurde vom Gerichtshof bereits im Zusammenhang mit dem Bezug von Sozialleistungen zur Rechtfertigung einer freizügigkeitsrelevanten Ungleichbehandlung anerkannt (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 40 ff.). Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit ist zu berücksichtigen, dass das Visumverfahren nur eine Verzögerung, nicht aber eine dauernde Verhinderung des ehelichen Zusammenlebens bewirkt. Diese Wirkung steht in einem angemessenen Verhältnis zu dem legitimen Kontrollzweck.

32

Die Rechtfertigung einer zugunsten des Klägers unterstellten Beschränkung der Rechte, die sich aus Art. 20 Abs. 1 AEUV ergeben, erscheint angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den dabei anzulegenden Maßstäben als acte claire. Daher besteht auch insoweit keine Notwendigkeit, den Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV anzurufen.

33

c) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Ermessensentscheidung des Beklagten rechtmäßig ist, von der Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht gemäß Satz 2 der Vorschrift abzusehen.

34

Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kann von dem Erfordernis eines Visumverfahrens nach Satz 1 abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfüllt sind oder es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der ersten, nicht aber der zweiten Alternative der Vorschrift. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts liegen besondere Umstände, die es ihm unzumutbar erscheinen ließen, das Bundesgebiet vorübergehend zur Nachholung des Visumverfahrens zu verlassen, nicht vor. Allein der Umstand, dass die Eheleute möglicherweise eine vorübergehende Trennung für die übliche Dauer des Visumverfahrens hinnehmen müssen, reicht hierfür auch unter Berücksichtigung des Schutzes der Ehe durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht aus (vgl. Beschluss vom 31. August 1984 - BVerwG 1 B 99.84 - BVerwGE 70, 54 <56 ff.>; Urteil vom 9. Dezember 1997 - BVerwG 1 C 20.97 - NVwZ 1998, 748 = Buchholz 402.240 § 8 AuslG 1990 Nr. 14). Demzufolge war das dem Beklagten eingeräumte Ermessen nicht von vornherein reduziert. Seine Erwägung in dem Bescheid, eine geplante Umgehung des Visumverfahrens durch Angabe eines anderen Aufenthaltszwecks nicht durch eine Abweichung im Ermessenswege zu honorieren, ist nicht zu beanstanden. Soll das Visumverfahren als wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung (BTDrucks 15/420 S. 70) seine Funktion wirksam erfüllen können, dürfen in die Ermessensausübung auch generalpräventive Aspekte einfließen (Urteil vom 4. September 1986 - BVerwG 1 C 19.86 - BVerwGE 75, 20 <23 f.>).

35

Die Abschiebungsandrohung in dem angefochtenen Bescheid ist nach alledem ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.

(1) Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen.

(2) Ein Ausländer kann an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn

1.
ein Ausweisungsinteresse besteht,
2.
der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient,
2a.
er nur über ein Schengen-Visum verfügt oder für einen kurzfristigen Aufenthalt von der Visumpflicht befreit ist und beabsichtigt, entgegen § 4a Absatz 1 und 2 eine Erwerbstätigkeit auszuüben oder
3.
er die Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien nach Artikel 6 des Schengener Grenzkodex nicht erfüllt.

(3) Ein Ausländer, der für einen vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit ist, kann zurückgewiesen werden, wenn er nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und des § 5 Abs. 1 erfüllt.

(4) § 60 Abs. 1 bis 3, 5 und 7 bis 9 ist entsprechend anzuwenden. Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, darf nicht zurückgewiesen werden, solange ihm der Aufenthalt im Bundesgebiet nach den Vorschriften des Asylgesetzes gestattet ist.

(5) Ein Ausländer soll zur Sicherung der Zurückweisung auf richterliche Anordnung in Haft (Zurückweisungshaft) genommen werden, wenn eine Zurückweisungsentscheidung ergangen ist und diese nicht unmittelbar vollzogen werden kann. Im Übrigen ist § 62 Absatz 4 entsprechend anzuwenden. In den Fällen, in denen der Richter die Anordnung oder die Verlängerung der Haft ablehnt, findet Absatz 1 keine Anwendung.

(6) Ist der Ausländer auf dem Luftweg in das Bundesgebiet gelangt und nicht nach § 13 Abs. 2 eingereist, sondern zurückgewiesen worden, ist er in den Transitbereich eines Flughafens oder in eine Unterkunft zu verbringen, von wo aus seine Abreise aus dem Bundesgebiet möglich ist, wenn Zurückweisungshaft nicht beantragt wird. Der Aufenthalt des Ausländers im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft nach Satz 1 bedarf spätestens 30 Tage nach Ankunft am Flughafen oder, sollte deren Zeitpunkt nicht feststellbar sein, nach Kenntnis der zuständigen Behörden von der Ankunft, der richterlichen Anordnung. Die Anordnung ergeht zur Sicherung der Abreise. Sie ist nur zulässig, wenn die Abreise innerhalb der Anordnungsdauer zu erwarten ist. Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

(1) Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen.

(2) Ein Ausländer kann an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn

1.
ein Ausweisungsinteresse besteht,
2.
der begründete Verdacht besteht, dass der Aufenthalt nicht dem angegebenen Zweck dient,
2a.
er nur über ein Schengen-Visum verfügt oder für einen kurzfristigen Aufenthalt von der Visumpflicht befreit ist und beabsichtigt, entgegen § 4a Absatz 1 und 2 eine Erwerbstätigkeit auszuüben oder
3.
er die Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien nach Artikel 6 des Schengener Grenzkodex nicht erfüllt.

(3) Ein Ausländer, der für einen vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit ist, kann zurückgewiesen werden, wenn er nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und des § 5 Abs. 1 erfüllt.

(4) § 60 Abs. 1 bis 3, 5 und 7 bis 9 ist entsprechend anzuwenden. Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, darf nicht zurückgewiesen werden, solange ihm der Aufenthalt im Bundesgebiet nach den Vorschriften des Asylgesetzes gestattet ist.

(5) Ein Ausländer soll zur Sicherung der Zurückweisung auf richterliche Anordnung in Haft (Zurückweisungshaft) genommen werden, wenn eine Zurückweisungsentscheidung ergangen ist und diese nicht unmittelbar vollzogen werden kann. Im Übrigen ist § 62 Absatz 4 entsprechend anzuwenden. In den Fällen, in denen der Richter die Anordnung oder die Verlängerung der Haft ablehnt, findet Absatz 1 keine Anwendung.

(6) Ist der Ausländer auf dem Luftweg in das Bundesgebiet gelangt und nicht nach § 13 Abs. 2 eingereist, sondern zurückgewiesen worden, ist er in den Transitbereich eines Flughafens oder in eine Unterkunft zu verbringen, von wo aus seine Abreise aus dem Bundesgebiet möglich ist, wenn Zurückweisungshaft nicht beantragt wird. Der Aufenthalt des Ausländers im Transitbereich eines Flughafens oder in einer Unterkunft nach Satz 1 bedarf spätestens 30 Tage nach Ankunft am Flughafen oder, sollte deren Zeitpunkt nicht feststellbar sein, nach Kenntnis der zuständigen Behörden von der Ankunft, der richterlichen Anordnung. Die Anordnung ergeht zur Sicherung der Abreise. Sie ist nur zulässig, wenn die Abreise innerhalb der Anordnungsdauer zu erwarten ist. Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Einem Ausländer können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 folgende Visa erteilt werden:

1.
ein Visum für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen (Schengen-Visum),
2.
ein Flughafentransitvisum für die Durchreise durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen.

(2) Schengen-Visa können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 bis zu einer Gesamtaufenthaltsdauer von 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen verlängert werden. Für weitere 90 Tage innerhalb des betreffenden Zeitraums von 180 Tagen kann ein Schengen-Visum aus den in Artikel 33 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009/EG genannten Gründen, zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder aus völkerrechtlichen Gründen als nationales Visum verlängert werden.

(2a) Schengen-Visa berechtigen nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, es sei denn, sie wurden zum Zweck der Erwerbstätigkeit erteilt.

(3) Für längerfristige Aufenthalte ist ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Die Erteilung richtet sich nach den für die Aufenthaltserlaubnis, die Blaue Karte EU, die ICT-Karte, die Niederlassungserlaubnis und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU geltenden Vorschriften. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts mit einem nationalen Visum wird auf die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis, Blauen Karte EU, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU angerechnet.

(4) Ein Ausnahme-Visum im Sinne des § 14 Absatz 2 wird als Visum im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 erteilt.

(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er

1.
einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt,
2.
den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt,
2a.
zwar ein nach § 4 erforderliches Visum bei Einreise besitzt, dieses aber durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen wurde und deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder annulliert wird, oder
3.
nach § 11 Absatz 1, 6 oder 7 nicht einreisen darf, es sei denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8.

(2) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden können Ausnahme-Visa und Passersatzpapiere ausstellen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein russischer Staatsangehöriger, erstrebt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug.

2

Der 1968 geborene Kläger hielt sich nach eigenen Angaben im Anschluss an ein erfolgloses Asylverfahren längere Zeit ohne Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet auf. Nach seinen Angaben lernte er im Jahr 2004 Frau G., eine 1947 geborene deutsche Staatsangehörige türkischer Herkunft, kennen und lebte mit ihr seit September 2007 zusammen. Um seinen Aufenthalt legalisieren zu können, habe er das Bundesgebiet im Februar 2008 verlassen.

3

Der Kläger reiste am 27. Juli 2008 mit einem von der griechischen Auslandsvertretung in Moskau ausgestellten Schengen-Visum nach Deutschland ein, das vom 27. Juli 2008 bis zum 18. August 2008 gültig war. Am 1. August 2008 heiratete er Frau G. in Bornholm (Dänemark) und kehrte noch am selben Tag nach Deutschland zurück.

4

Am 8. August 2008 beantragte der Kläger die Erteilung einer ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis. Mit Bescheid vom 25. September 2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab und drohte ihm die Abschiebung an. Der Kläger sei am 27. Juli 2008 ohne das für einen Daueraufenthalt erforderliche nationale Visum in das Bundesgebiet eingereist. Dieses könne nur von einer konsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland erteilt werden. Von dem Visumerfordernis sei auch nicht im Ermessenswege nach § 5 Abs. 2 AufenthG abzusehen, da eine Umgehung des Sichtvermerkverfahrens in offensichtlich missbräuchlicher Absicht stattgefunden habe. Außergewöhnliche schutzwürdige Belange des Klägers und seiner Ehefrau seien nicht erkennbar.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. November 2009 abgewiesen. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG fehle, da der Kläger bei seiner Einreise lediglich im Besitz eines für kurzfristige Aufenthalte gültigen Schengen-Visums gewesen sei. In Bezug auf den aktuell begehrten Daueraufenthalt sei das nicht das erforderliche Visum gewesen. Unabhängig davon habe ausweislich der eidesstattlichen Versicherung der Ehefrau des Klägers bereits vor der Einreise die Absicht zur Eheschließung und zum Daueraufenthalt bestanden, so dass der Kläger die für die Erteilung maßgeblichen Angaben nicht bereits im Visumantrag gemacht habe. Er habe auch nicht die Möglichkeit, die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 39 Nr. 3 AufenthV im Inland zu beantragen. Zwar sei er im Zeitpunkt der Eheschließung im Besitz eines gültigen Schengen-Visums gewesen. Der aus der Eheschließung folgende Anspruch sei jedoch nicht nach der Einreise entstanden, da es insoweit auf die letzte vor der Antragstellung liegende Einreise in das Bundesgebiet und nicht auf die Einreise in den Schengen-Raum ankomme. Der Beklagte habe das ihm in § 5 Abs. 2 AufenthG eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Zu Recht habe die Behörde darauf abgestellt, dass dem Kläger die Ausreise und Wiedereinreise mit dem erforderlichen Visum zumutbar sei. Besondere Umstände, die die kürzere Trennung der Eheleute als unverhältnismäßig erscheinen lassen könnten, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.

6

Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend, die Auslegung des Verwaltungsgerichts lasse die Privilegierung des § 39 Nr. 3 AufenthV leerlaufen. In der Praxis sei es für einen Ausländer unmöglich, in Deutschland innerhalb von drei Monaten die Ehe zu schließen. Der Verordnungsgeber habe die Heirat in Dänemark nicht als Missbrauch ansehen dürfen, da er zu deren Anerkennung unionsrechtlich verpflichtet sei. Weder die systematische Stellung des § 39 Nr. 3 AufenthV noch die Materialien zu der Änderung der Vorschrift gäben etwas für die Auffassung des Verwaltungsgerichts her, dass auf die letzte Einreise in das Bundesgebiet abzustellen sei. Die Interpretation des Verwaltungsgerichts schaffe Eheschließungen unterschiedlicher Art und Güte und erschwere den Ehegattennachzug, so dass dieser faktisch nicht mehr stattfinden könne.

7

Der Beklagte verteidigt die Entscheidung der Vorinstanz. Entgegen der Auffassung des Klägers werde eine in Deutschland vorgenommene Eheschließung bei verschwiegenem Vorentschluss nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht von § 39 Nr. 3 AufenthV privilegiert. Im Übrigen wäre aber auch eine unterschiedliche aufenthaltsrechtliche Behandlung von Eheschließungen in Dänemark und Deutschland gerechtfertigt, da der deutsche Standesbeamte verpflichtet sei, das Vorliegen einer Scheinehe zu prüfen, bei Verdachtsmomenten weitere Ermittlungen anzustellen und ggf. die Eheschließung zu versagen.

8

Der Senat hat das Auswärtige Amt gebeten, den Visumvorgang des Klägers zu übermitteln. Das Auswärtige Amt hat daraufhin mitgeteilt, der Visumvorgang sei von der Griechischen Botschaft in Moskau bereits vernichtet worden.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug ohne vorherige Durchführung eines nationalen Visumverfahrens zu Recht verneint und den angefochtenen Ablehnungsbescheid als rechtmäßig bestätigt. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes unterliegt (1.), dass er die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - nicht erfüllt (2.a) und weder nach § 39 Aufenthaltsverordnung - AufenthV - hiervon befreit ist (2.b) noch verlangen kann, dass der Beklagte im Rahmen seines Ermessens nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG von dieser Erteilungsvoraussetzung absieht (2.c).

10

1. Zunächst ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass das Klagebegehren nach den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes zu beurteilen ist. Die Anwendung des Aufenthaltsgesetzes ist nicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG ausgeschlossen, da die Rechtsstellung des Klägers nicht von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) erfasst wird. Denn nach § 1 FreizügG/EU regelt dieses Gesetz nur die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und ihren Familienangehörigen, nicht aber die Einreise und den Aufenthalt von Familienangehörigen deutscher Staatsangehöriger.

11

Allerdings unterfallen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ausnahmsweise auch Familienangehörige von Deutschen den unionsrechtlichen Nachzugsregelungen, nämlich dann, wenn es sich um sog. Rückkehrerfälle handelt (EuGH, Urteile vom 7. Juli 1992 - Rs. C-370/90, Singh - InfAuslR 1992, 341 und vom 11. Dezember 2007 - Rs. C-291/05, Eind - InfAuslR 2008, 114). Nach dieser Rechtsprechung kann sich der einem Drittstaat angehörende Ehegatte eines Unionsbürgers auch gegenüber dem Staat der Staatsangehörigkeit des Unionsbürgers auf ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht berufen, wenn der Unionsbürger von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht und sich in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen hat, der Ehegatte ihn in den anderen Mitgliedstaat begleitet hat oder ihm nachgezogen ist und sich mit ihm dort aufgehalten hat. Dies gilt auch, wenn die Ehe erst in dem anderen Mitgliedstaat geschlossen wurde, und ist unabhängig von dem Zeitpunkt der Einreise und der Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthalts des Ehegatten in dem Staat der Staatsangehörigkeit des Unionsbürgers (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2007 a.a.O. Rn. 27 ff., 45) oder dem anderen Mitgliedstaat (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2008 - Rs. C-127/08, Metock - NVwZ 2008, 1097 Rn. 48 ff.). Nach der Rechtsprechung des EuGH erfordert es die praktische Wirksamkeit des Freizügigkeitsrechts des Unionsbürgers, dass in diesen Fällen der drittstaatsangehörige Ehegatte bei einer gemeinsamen Rückkehr in den Herkunftsstaat des Unionsbürgers auch dort ein unionsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht hat.

12

Dieses Recht darf von den Mitgliedstaaten grundsätzlich keinen weiteren Voraussetzungen als dem Nachweis der Identität und der Ehe unterworfen werden. Insbesondere darf nicht ein "Aufenthaltsvisum zum Zweck der Familienzusammenführung" verlangt werden (EuGH, Urteil vom 14. April 2005 - Rs. C-157/03, Kommission/Spanien - Slg. 2005, I-2911 Rn. 28). Selbst die Einreise ohne ein zulässigerweise gefordertes Einreisevisum in Gestalt eines Schengen-Visums darf allenfalls zur Belegung mit Verwaltungssanktionen, nicht aber zur Versagung des Aufenthaltsrechts und erst recht nicht zur Entfernung aus dem Hoheitsgebiet führen (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2002 - Rs. C-459/99, MRAX - InfAuslR 2002, 417 Rn. 56 und 59). Ob bei Bestehen eines solchen unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts des drittstaatsangehörigen Ehegatten eines Deutschen die Regelungen des Freizügigkeitsgesetzes/EU in unionsrechtskonformer Auslegung entsprechend anzuwenden sind (vgl. Hailbronner, AuslR, § 1 FreizügG/EU Rn. 2 und 14; VG Darmstadt, Beschluss vom 6. Oktober 2010 - 5 L 492/10.DA - S. 4 f.; wohl auch OVG Bremen, Beschluss vom 17. August 2010 - 1 B 166/10 - InfAuslR 2011, 1) oder ob eine unionsrechtskonforme Handhabung durch unmittelbaren Rückgriff auf das Unionsrecht sicherzustellen ist (vgl. Epe, in: GK-AufenthG, § 1 FreizügG/EU Rn. 26), braucht hier nicht abschließend geklärt zu werden. Aus Sicht des Senats sprechen durchaus gute Gründe für eine analoge Anwendung der Regelungen des Freizügigkeitsgesetzes/EU mit der Folge, dass bei Vorliegen eines sog. Rückkehrerfalles nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG auch die Anwendung des Aufenthaltsgesetzes ausgeschlossen ist. Das würde allerdings nicht bedeuten, dass in allen Fällen des Nachzugsbegehrens von Drittstaatsangehörigen zu ihrem deutschen Ehegatten vor einer Anwendung des Aufenthaltsgesetzes auch stets eine Feststellung über das Nichtbestehen eines Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU gemäß § 11 Abs. 2 FreizügG/EU erforderlich wäre. Denn diese Regelung beruht auf der Vermutung eines Freizügigkeitsrechts zugunsten der in § 1 FreizügG/EU genannten Personen, die bei Familienangehörigen deutscher Staatsangehöriger gerade nicht besteht, und dürfte daher von einer entsprechenden Anwendung der Regelungen des Freizügigkeitsgesetzes/EU in Rückkehrerfällen ausgenommen sein.

13

Die vorstehend aufgeworfene Rechtsfrage bedarf hier keiner abschließenden Klärung, weil bei dem Kläger die Voraussetzungen eines sog. Rückkehrerfalles im Sinne der Rechtsprechung des EuGH nicht vorliegen. Denn seine deutsche Ehefrau hat durch die Kurzreise nach Dänemark und die dortige Heirat nicht in so nachhaltiger Weise von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht, dass es die praktische Wirksamkeit des Freizügigkeitsrechts erforderte, dem Kläger einen unionsrechtlichen Nachzugsanspruch zuzubilligen. Dabei kann dahinstehen, ob und in welchem Umfang die Ehefrau des Klägers bei ihrer Kurzreise nach Dänemark durch Inanspruchnahme von Dienstleistungen von ihrem wirtschaftlichen Freizügigkeitsrecht in Gestalt der passiven Dienstleistungsfreiheit Gebrauch gemacht hat. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH setzt die Anwendung der in den sog. Rückkehrerfällen entwickelten Grundsätze nicht mehr notwendig ein Gebrauchmachen des Unionsbürgers von den wirtschaftlichen Grundfreiheiten voraus (zum wirtschaftlichen Freizügigkeitsrecht durch Erbringung von Dienstleistungen vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002 - Rs. C-60/00, Carpenter - Slg. 2002, I-6279). Vielmehr kann auch ein Gebrauchmachen von dem allgemeinen mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Freizügigkeitsrecht nach Art. 21 Abs. 1 AEUV geeignet sein, die Anwendbarkeit der unionsrechtlichen Familiennachzugsregeln zu begründen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2004 - Rs. C-200/02, Zhu und Chen - InfAuslR 2004, 413 Rn. 34 ff.). Dennoch genügt, wie die vom EuGH entschiedenen Fälle zeigen, nicht jede auch noch so geringfügige Ausübung des Freizügigkeitsrechts durch den Unionsbürger. Vielmehr ist für eine "Mitnahme" des Freizügigkeitsstatus in den Heimatstaat und eine entsprechende Begünstigung des drittstaatsangehörigen Ehegatten erforderlich, dass der Unionsbürger mit einer gewissen Nachhaltigkeit von seiner Freizügigkeit Gebrauch macht (Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 17.09 - Rn. 9 ff. - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen, so auch die ganz überwiegende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung: VGH Mannheim, Beschluss vom 25. Januar 2010 - 11 S 2181/09 - InfAuslR 2010, 143; VGH München, Beschluss vom 29. September 2009 - 19 CS 09.1405 - juris Rn. 8; VG Darmstadt, Beschluss vom 23. Oktober 2009 - 5 L 557/09.DA(2) - InfAuslR 2010, 67; nachgehend VGH Kassel, Beschluss vom 22. Januar 2010 - 3 B 2948/09 - juris Rn. 16 ff.). Würde bereits jeder kurzfristige, von vornherein nicht auf eine gewisse Dauer angelegte Aufenthalt eines Unionsbürgers in einem anderen Mitgliedstaat - etwa zu touristischen Zwecken - für einen unionsrechtlich begründeten Nachzugsanspruch des mitreisenden drittstaatsangehörigen Ehegatten bei Rückkehr in den Heimatstaat ausreichen, liefe das Recht der Mitgliedstaaten zur Regelung von Einreise und Aufenthalt für den einem Drittstaat angehörenden Ehegatten oder sonstige Familienangehörige ihrer eigenen Staatsbürger weitgehend leer. Dieses Recht der Mitgliedstaaten hat der EuGH in seinen Entscheidungen aber immer wieder ausdrücklich anerkannt und betont, dass die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit nicht auf Tätigkeiten anwendbar sind, die mit keinem relevanten Element über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen (EuGH, Urteile vom 25. Juli 2008 a.a.O. Rn. 77 und vom 1. April 2008 - Rs. C-212/06, Gouvernement de la Communauté française etc. - Slg. 2008, I-1683 Rn. 39 m.w.N.). Insofern kann der Rechtsprechung des EuGH zu den Rückkehrerfällen eine Art Bagatellvorbehalt entnommen werden, nach dem - angesichts der erheblichen Rechtsfolgen des Gebrauchmachens von der Freizügigkeit im Rückkehrfall - auch dieses Gebrauchmachen selbst von einer gewissen Erheblichkeit bzw. Nachhaltigkeit sein muss. In die gleiche Richtung gehen auch die Überlegungen der Kommission zu einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Unionsrechts in diesem Zusammenhang, die die Begründung eines tatsächlichen und effektiven Aufenthalts in dem anderen Mitgliedstaat, d.h. der Sache nach in der Regel einen Umzug des Unionsbürgers, für erforderlich hält (Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 2. Juli 2009, KOM(2009) 313 endgültig, S. 19 f.).

14

Wo im Einzelnen die Grenze zu ziehen ist, von der an das Gebrauchmachen von den unionsrechtlichen Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechten in einem anderen Mitgliedstaat als ausreichend nachhaltig angesehen werden kann, um bei Rückkehr in den Heimatstaat ein unionsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht des drittstaatsangehörigen Ehegatten zu rechtfertigen, und ob eine verallgemeinerungsfähige Konkretisierung insoweit überhaupt möglich ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls im vorliegenden Fall ist durch den kurzfristigen, nur wenige Tage dauernden gemeinsamen Aufenthalt des Klägers und seiner Ehefrau in Dänemark diese Grenze zweifellos nicht erreicht. Deshalb erübrigt sich auch eine Vorlage an den EuGH.

15

Die Notwendigkeit einer solchen Vorlage ergibt sich auch nicht aus den Schlussanträgen der Generalanwältin Sharpston in der der Großen Kammer des EuGH zugewiesenen Rechtssache C-34/09 - Zambrano - vom 30. September 2010. Die Generalanwältin hat darin grundsätzlich die Frage aufgeworfen, ob ein Unionsbürger sich gegenüber dem Staat seiner Staatsangehörigkeit auch ohne vorheriges Gebrauchmachen von der Freizügigkeit auf seine Rechte als Unionsbürger - einschließlich des damit verbundenen Anspruchs auf Familiennachzug nach unionsrechtlichen Regeln - berufen kann. Nach ihrer Auffassung ist eine solche Inländerdiskriminierung unionsrechtlich unzulässig. Dies widerspricht allerdings der bisherigen gefestigten Rechtsprechung des EuGH, nach der Unionsrecht auf rein innerstaatliche Sachverhalte keine Anwendung findet und über etwaige Benachteiligungen, denen Staatsangehörige eines Mitgliedstaates nach dem Recht dieses Staates ausgesetzt sein können, allein im Rahmen des internen Rechtssystems dieses Staates zu entscheiden ist (neben den oben zitierten Urteilen vom 25. Juli 2008 und 1. April 2008 auch Urteil vom 5. Juni 1997 - Rs. C-64/96 und C-65/96, Uecker und Jacquet - Slg. 1997, I-3171 Rn. 23). Dies hat der EuGH auf einen ähnlichen Vorstoß der Generalanwältin Sharpston in ihren Schlussanträgen vom 28. Juni 2007, Rn. 121 in der Rechtssache C-212/06 durch Urteil vom 1. April 2008 a.a.O., Rn. 37 bis 39 ausdrücklich bestätigt. Aus Sicht des Senats stellt sich angesichts dieser eindeutigen Rechtsprechung derzeit insoweit keine europarechtliche Zweifelsfrage.

16

Die Anwendung des Aufenthaltsgesetzes auf inländische Unionsbürger, die von ihrem Freizügigkeitsrecht keinen Gebrauch gemacht haben, verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Dabei kann dahinstehen, ob angesichts der Verpflichtung zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und der dadurch bedingten Betroffenheit unterschiedlicher Rechtskreise überhaupt gleiche oder vergleichbare Sachverhalte im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 8. November 1989 - 1 BvR 986/89 - NJW 1990, 1033 und vom 13. Juni 2006 - 1 BvR 1160/03 - BVerfGE 116, 135 <159>). Denn die aus dem Nebeneinander von Unionsrecht und nationalem Recht entstehende Ungleichbehandlung ist jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Ist eine Übertragung des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts auf Familienangehörige von inländischen Unionsbürgern, die von ihrem Freizügigkeitsrecht keinen Gebrauch gemacht haben, unionsrechtlich nicht geboten, liegen hinreichend gewichtige Gründe vor, dass in diesen Fällen die für alle nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländer geltenden Bestimmungen des nationalen Aufenthaltsrechts zur Anwendung kommen (vgl. Urteil vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 43.06 - BVerwGE 129, 226 Rn. 40).

17

2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens sind daher die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten.

18

Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug zu einem Deutschen gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 27 Abs. 1 AufenthG erfordert neben dem Vorliegen der dort genannten Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich auch, dass die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erfüllt ist, d.h. dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist (Nr. 1) und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat (Nr. 2). Etwas anderes gilt nur, wenn der Ausländer nach § 39 AufenthV berechtigt ist, die Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise einzuholen, oder ein Absehen von dieser Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG in Betracht kommt.

19

a) Das Verwaltungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht erfüllt. Er ist nicht mit einem zum Zweck des Ehegattennachzugs erteilten nationalen Visum gemäß § 6 Abs. 4 AufenthG eingereist und hat nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts die für dessen Erteilung erforderlichen Angaben nicht bereits im Visumantrag gemacht.

20

Der Kläger ist mit einem Schengen-Visum für einen Kurzaufenthalt von bis zu drei Monaten im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG und damit nicht unerlaubt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in das Bundesgebiet eingereist (vgl. zur Auslegung dieser Vorschrift: BTDrucks 15/420 S. 73 und BGH, Urteil vom 27. April 2005 - 2 StR 457/04 - NJW 2005, 2095). Für einen längerfristigen Aufenthalt ist aber gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG - vorbehaltlich der oben genannten Ausnahmen - ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird und der Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde bedarf (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthV). Welches Visum im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG als das erforderliche Visum anzusehen ist, bestimmt sich nach dem Aufenthaltszweck, der mit der im Bundesgebiet beantragten Aufenthaltserlaubnis verfolgt wird (Urteil vom 16. November 2010 - BVerwG 1 C 17.09 - Rn. 19, so auch die ganz überwiegende Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte: neben dem Berufungsurteil etwa VGH Kassel, Beschluss vom 16. März 2005 - 12 TG 298/05 - NVwZ 2006, 111; VGH Mannheim, Beschluss vom 14. März 2006 - 11 S 1797/05 - juris Rn. 12 ff.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. August 2008 - 13 ME 131/08 - juris Rn. 3; OVG Bremen, Beschluss vom 26. Juni 2009 - 1 B 552/08 - juris Rn. 30; zur alten Rechtslage noch offengelassen im Urteil vom 18. Juni 1996 - BVerwG 1 C 17.95 - BVerwGE 101, 265 <267>). Für dieses Verständnis der Vorschrift spricht neben ihrer systematischen Stellung bei den allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltstiteln auch der Sinn und Zweck der Regelung. Sie dient anders als § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht primär der Verhinderung oder Sanktion einer unerlaubten Einreise, sondern soll die Einhaltung des Visumverfahrens als wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung gewährleisten (BTDrucks 15/420 S. 70). Diesem Zweck der Vorschrift wird eine weite, auch nachträgliche Änderungen des Aufenthaltszwecks erfassende Auslegung der Vorschrift am ehesten gerecht. Nur bei einem solchen Verständnis der Vorschrift erlangen im Übrigen die in § 39 Nr. 2, 3 und 6 AufenthV vorgesehenen Ausnahmen eine eigenständige Bedeutung. In den dort geregelten Fällen einer nachträglichen Änderung des Aufenthaltszwecks würde andernfalls schon nach § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG die Beantragung eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet zulässig sein.

21

Da der Kläger "nur" mit einem Schengen-Visum und nicht mit dem nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderlichen nationalen Visum eingereist ist, fehlt es - ungeachtet des Umstandes, dass er auch nicht die für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Eheschließung und Eheführung erforderlichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat - an der Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG.

22

b) Der Kläger ist auch nicht nach den auf § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG beruhenden Regelungen der §§ 39 ff. AufenthV ausnahmsweise berechtigt, den Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einzuholen, und damit von dem Visumerfordernis befreit.

23

aa) Die im Fall des Klägers allein in Betracht kommende Regelung in § 39 Nr. 3 AufenthV ist in der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes (vgl. Art. 7 Abs. 4 Nr. 13 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007, BGBl I S. 1970) anzuwenden. Umstände, die es aus Gründen des Vertrauensschutzes gebieten würden, abweichend von dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der aktuellen Rechtslage ausnahmsweise auf die zuvor geltende Rechtslage abzustellen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 21. Dezember 2007 - 18 B 1535/07 - InfAuslR 2008, 129), liegen im Fall des Klägers nicht vor. Denn die für die Anwendung der Vorschrift maßgebliche Eheschließung fand ebenso wie die Beantragung der Aufenthaltserlaubnis erst nach Inkrafttreten der Rechtsänderung statt, so dass es schon deshalb an einem unter Geltung der alten Rechtslage ins Werk gesetzten Vertrauen fehlt.

24

Nach § 39 Nr. 3 AufenthV in der hier anzuwendenden neuen Fassung kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn er Staatsangehöriger eines in Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 aufgeführten Staates ist und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) besitzt, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind. In der alten Fassung lautete der letzte Halbsatz: "..., sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sind." Der Kläger, für den allein die zweite Alternative der Vorschrift in Betracht kommt, war zwar bei der Stellung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug im Besitz eines gültigen Schengen-Visums für kurzfristige Aufenthalte. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sind jedoch nicht nach, sondern vor seiner letzten Einreise in das Bundesgebiet entstanden.

25

bb) Das Verwaltungsgericht hat bei der Prüfung des § 39 Nr. 3 AufenthV zutreffend auf die letzte Einreise des Klägers in das Bundsgebiet abgestellt (so auch VGH München, Beschlüsse vom 23. Dezember 2008 - 19 CS 08.577 - juris Rn.15 und vom 12. Januar 2010 - 10 CS 09.2705 - juris Rn. 9; VGH Mannheim, Beschlüsse vom 8. Juli 2008 - 11 S 1041/08 - juris Rn. 17 und vom 16. September 2009 - 13 S 1975/09 - juris Rn. 5; VGH Kassel, Beschluss vom 22. September 2008 - 1 B 1628/08 - juris Rn. 5; OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. März 2010 - 13 ME 3/10 - juris Rn. 8; OVG Münster, Beschluss vom 2. November 2009 - 18 B 1516/08 - juris Rn. 10 ff.; OVG Greifswald, Beschluss vom 22. Juli 2009 - 2 M 93/09 - juris Rn. 8). Auch wenn der Wortlaut der Vorschrift eine andere Lesart zulässt, deutet die Stellung der Vorschrift im Vierten Abschnitt der Aufenthaltsverordnung, der nur Ausnahmen vom Visumerfordernis für die Erteilung nationaler Aufenthaltstitel gemäß § 6 Abs. 4 AufenthG betrifft, darauf hin, dass mit diesem Tatbestandsmerkmal nicht die Einreise in den Schengen-Raum, sondern die (letzte) Einreise in das Bundesgebiet gemeint ist. Der Verordnungsgeber unterliegt bei der Regelung von Ausnahmen zur nationalen Visumpflicht keinen unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. Art. 18 Satz 1 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985, ABl 2000 Nr. L 239 S. 19 - SDÜ). Allein die Anknüpfung an unionsrechtliche Tatbestände rechtfertigt nicht die Annahme, er habe in § 39 Nr. 3 AufenthV auf die Einreise in den Schengen-Raum abgestellt (a.A. Benassi, InfAuslR 2008, 127 <128 f.>). Dagegen sprechen vor allem Sinn und Zweck des § 39 Nr. 3 AufenthV. Denn die Vorschrift soll nur diejenigen Ausländer begünstigen, die im Schengen-Visumverfahren zutreffende Angaben gemacht haben und bei denen sich aufgrund nach der Einreise eingetretener neuer Umstände der Aufenthaltszweck geändert hat. Sie soll aber nicht den Versuch honorieren, einen von Anfang an beabsichtigten Daueraufenthalt in Deutschland unter Umgehung der nationalen Visumvorschriften durchzusetzen. Andernfalls würde die bewusste Umgehung des Visumverfahrens folgenlos bleiben und dieses wichtige Steuerungsinstrument der Zuwanderung (so BTDrucks 15/420 S. 70) entwertet. Dieser Regelungszweck kommt in der Begründung der Neufassung der Vorschrift durch das Richtlinienumsetzungsgesetz durch das Beispiel der Eheschließung im Ausland deutlich zum Ausdruck (BTDrucks 16/5065 S. 240).

26

cc) Für die Beurteilung, wann die Voraussetzungen eines Anspruchs im Sinne des § 39 Nr. 3 AufenthV entstanden sind, ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem das zentrale Merkmal der jeweiligen Anspruchsnorm, das den Aufenthaltszweck kennzeichnet (hier: Eheschließung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG), erfüllt worden ist (ebenso OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. März 2010 a.a.O. Rn. 9 f.; VGH München, Beschluss vom 29. September 2009 - 19 CS 09.1405 - juris Rn. 4; OVG Bremen, Beschluss vom 26. Juni 2009 - 1 B 552/08 - InfAuslR 2009, 380 <381 f.>; a.A. VGH Mannheim, Beschluss vom 8. Juli 2008 - 11 S 1041/08 - InfAuslR 2008, 444 <449>). Denn in der Amtlichen Begründung der Neufassung werden Anspruchsentstehung und Aufenthaltszweck miteinander verknüpft, während die übrigen Anspruchsvoraussetzungen an dieser Stelle nicht genannt werden ("... die Vergünstigung nur dann gilt, wenn der Anspruch nach der Einreise entsteht und damit ein von vornherein beabsichtigter Wechsel des angegebenen Aufenthaltszwecks ausgeschlossen werden kann." - BTDrucks 16/5065 a.a.O.). Daraus folgt, dass im Rahmen des § 39 Nr. 3 AufenthV für das Entstehen der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nur darauf abzustellen ist, wann das den Aufenthaltszweck kennzeichnende Tatbestandsmerkmal der Anspruchsgrundlage gegeben war. Im Übrigen führt die Gegenauffassung, die auf das Vorliegen sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen - mit Ausnahme des Visumerfordernisses gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG - für einen Aufenthaltstitel abstellt, zu willkürlichen Ergebnissen. Mit Blick auf das Anliegen des Gesetzgebers, von vornherein beabsichtigte Daueraufenthalte nicht länger visumrechtlich zu privilegieren, ist eine Differenzierung danach, ob z.B. die notwendigen Kenntnisse der deutschen Sprache (§ 28 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) vor oder nach Einreise in das Bundesgebiet erworben worden sind, nicht zu vereinbaren.

27

dd) Durch die Neufassung des § 39 Nr. 3 AufenthV werden drittstaatsangehörige Ausländer, die im Besitz eines gültigen Schengen-Visum sind, einen deutschen Staatsbürger geheiratet haben und mit diesem die eheliche Lebensgemeinschaft in der Bundesrepublik Deutschland führen wollen, im Hinblick auf das Visumerfordernis für den angestrebten Daueraufenthalt im Bundesgebiet unterschiedlich behandelt: Wurde die Ehe im Schengen-Raum geschlossen, verbleibt es bei der in § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG angeordneten Visumpflicht. Haben die Eheleute in Deutschland geheiratet, ermöglicht es § 39 Nr. 3 AufenthV, die Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet einzuholen. Die Ungleichbehandlung beruht jedoch auf legitimen Erwägungen des Gesetzgebers und ist sowohl verfassungs- als auch unionsrechtlich gerechtfertigt.

28

Gemessen am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigt es die Typisierungsbefugnis des Gesetz- und Verordnungsgebers, für das Eingreifen des Visumerfordernisses nach dem Ort der Eheschließung im In- oder Ausland zu differenzieren. Denn bei einer Eheschließung in Deutschland sieht das nationale Familienrecht spezielle Kontrollmechanismen zur Sicherung der Eheschließungsvoraussetzungen und Verhütung von Schein- oder Mehrehen vor: So hat der Verlobte, der gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB hinsichtlich der Voraussetzungen der Eheschließung ausländischem Recht unterliegt, grundsätzlich ein Ehefähigkeitszeugnis seines Heimatstaates beizubringen, dass nach dessen Recht kein Ehehindernis vorliegt (§ 1309 Abs. 1 BGB). Zudem hat der Standesbeamte Anhaltspunkten für eine Scheinehe nachzugehen, denn er muss seine Mitwirkung u.a. dann verweigern, wenn offenkundig ist, dass beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig sind, keine eheliche Lebensgemeinschaft begründen zu wollen (§ 1310 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB). Diese Prüfungs- und Ermittlungspflicht des Standesbeamten wird verfahrensrechtlich durch die Befugnisse zu gemeinsamer und getrennter Befragung der Verlobten, der Anordnung zur Beibringung von Nachweisen sowie einer eidesstattlichen Versicherung in § 13 Abs. 1 und 2 PStG näher ausgestaltet. Folglich wird die gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG auch aufenthaltsrechtliche bedeutsame Absicht der Verlobten, eine eheliche Lebensgemeinschaft herstellen zu wollen, bei einer Eheschließung im Inland schon vom Standesbeamten geprüft und entsprechenden Verdachtsmomenten nachgegangen. Das erleichtert der Ausländerbehörde die spätere Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Dieser zusätzliche Kontrollmechanismus fehlt typischerweise bei einer im Ausland eingegangenen Ehe. Das zeigt gerade der vorliegende Fall einer Eheschließung in Dänemark. Denn das Dänische Ehegesetz sieht in § 22a beim Verdacht des Vorliegens einer aufenthaltsrechtlich motivierten Schein- oder Zweckehe lediglich vor, dass die Prüfungs- oder Trauungsbehörde der dänischen Ausländerbehörde darüber zu berichten hat (abgedruckt in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Band IV, Dänemark, Stand: 30. September 2007, 175. Lieferung). Die Ungleichbehandlung beruht daher auf einem hinreichend gewichtigen sachlichen Grund.

29

Auch Unionsrecht steht der durch § 39 Nr. 3 AufenthV bewirkten Schlechterstellung des deutschen Ehegatten, der als Unionsbürger mit der Eheschließung in Dänemark von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat und dessen drittstaatsangehöriger Ehegatte vor Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland auf das Visumverfahren verwiesen wird, nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ist der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt, der grundlegende Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, der es denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, im sachlichen Geltungsbereich des Vertrags unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen (EuGH, Urteile vom 20. September 2001 - Rs. C-184/99, Grzelczyk - Slg. 2001, I-6193 Rn. 31, vom 11. Juli 2002 - Rs. C-224/98, D'Hoop - Slg. 2002, I-6191 Rn. 28 und vom 2. Oktober 2003 - Rs. C-148/02, Avello - Slg. 2003, I-11613 Rn. 22 f.). Zu den Situationen, die in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, gehören diejenigen, die sich auf die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten beziehen, und insbesondere auch die, in denen es um das durch Art. 20 AEUV verliehene Recht geht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (EuGH, Urteile vom 20. September 2001 a.a.O. Rn. 33, vom 11. Juli 2002 a.a.O. Rn. 29 und vom 29. April 2004 - Rs. C-224/02, Pusa - Slg. 2004, I-5763 Rn. 17). Da ein Unionsbürger in allen Mitgliedstaaten Anspruch auf die gleiche rechtliche Behandlung wie die eigenen Staatsangehörigen dieser Mitgliedstaaten hat, die sich in der gleichen Situation befinden, wäre es mit dem Recht auf Freizügigkeit unvereinbar, wenn der Mitgliedstaat, dem er angehört, ihn weniger günstig behandeln könnte, als wenn er nicht von den Erleichterungen der Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätte (EuGH, Urteile vom 11. Juli 2002 a.a.O. Rn. 30 und vom 29. April 2004 a.a.O. Rn. 18). Diese Erleichterungen könnten nämlich nach Auffassung des Gerichtshofs ihre volle Wirkung nicht entfalten, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats von ihrer Wahrnehmung durch Hindernisse abgehalten werden könnte, die sich aus einer nationalen Regelung ergeben, die Nachteile daran knüpft, dass er von ihnen Gebrauch gemacht hat (EuGH, Urteile vom 7. Juli 1992 - Rs. C-370/90, Singh - Slg. 1992, I-4265 Rn. 23, vom 11. Juli 2002 a.a.O. Rn. 31 und vom 29. April 2004 a.a.O. Rn. 19).

30

Es kann dahinstehen, ob diese Rechtsprechung, mit der der Gerichtshof den im Status des Unionsbürgers wurzelnden Gleichbehandlungsanspruch gegenüber allen Mitgliedstaaten auf die Freizügigkeit bezogen und gegen den eigenen Mitgliedstaat gewendet hat, im vorliegenden Fall herangezogen werden kann. Offen erscheint dies zum einen, weil die deutsche Ehefrau des Klägers sich nur einen Tag in Dänemark aufgehalten und daher nicht in nachhaltiger Weise von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat (vgl. oben Rn. 10 ff.). Zum anderen lässt sich daran zweifeln, ob § 39 Nr. 3 AufenthV eine Beschränkung der aus Art. 20 Abs. 1 AEUV hergeleiteten Rechte darstellt (vgl. dazu EuGH, Urteile vom 18. Juli 2006 - Rs. C-406/04, De Cuyper - Slg. 2006, I-6947 Rn. 39 sowie vom 26. Oktober 2006 - Rs. C-192/05, Tas-Hagen und Tas - Slg. 2006, I-10451 Rn. 31). Allerdings benachteiligt die Regelung deutsche Staatsangehörige, da sie die eheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem drittstaatsangehörigen Ehegatten nicht sofort im Bundesgebiet herstellen können. Sie knüpft auch daran an, dass die deutsche Ehefrau des Klägers als Unionsbürgerin von ihrer Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zur Eheschließung zu begeben, Gebrauch gemacht hat. Ob die Anknüpfung des § 39 Nr. 3 AufenthV in Fällen der Eheschließung, die als hoheitliche Amtshandlung zum Kernbereich der Ausübung öffentlicher Gewalt zählt, in gleicher Weise wie in den bisher vom Gerichtshof entschiedenen Fällen als Beschränkung der Freizügigkeit anzusehen ist und den gleichen Maßgaben unterliegt, bedarf hier keiner Entscheidung.

31

Denn selbst wenn man die wiedergegebene Rechtsprechung des Gerichtshofs zugunsten des Klägers heranzieht, wäre die durch § 39 Nr. 3 AufenthV ausgelöste visumrechtliche Ungleichbehandlung gerechtfertigt, da sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht legitimerweise verfolgten Zweck steht (vgl. zu diesen Kriterien: EuGH, Urteile vom 11. Juli 2002 a.a.O. Rn. 36, vom 26. Oktober 2006 a.a.O. Rn. 33 und vom 11. September 2007 - Rs. C-76/05, Schwarz und Gootjes-Schwarz - Slg. 2007, I-6849 Rn. 94). Die Visumpflicht beruht im Vergleich zu Nachzugsbegehren, die sich auf im Inland vorgenommene Eheschließungen stützen, auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen. Sie dient dem Interesse des Staates an einer präventiven Kontrolle der aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen vor Beginn des Aufenthalts. Das Interesse des Mitgliedstaates an effektiven administrativen Kontrollmöglichkeiten wurde vom Gerichtshof bereits im Zusammenhang mit dem Bezug von Sozialleistungen zur Rechtfertigung einer freizügigkeitsrelevanten Ungleichbehandlung anerkannt (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 40 ff.). Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit ist zu berücksichtigen, dass das Visumverfahren nur eine Verzögerung, nicht aber eine dauernde Verhinderung des ehelichen Zusammenlebens bewirkt. Diese Wirkung steht in einem angemessenen Verhältnis zu dem legitimen Kontrollzweck.

32

Die Rechtfertigung einer zugunsten des Klägers unterstellten Beschränkung der Rechte, die sich aus Art. 20 Abs. 1 AEUV ergeben, erscheint angesichts der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den dabei anzulegenden Maßstäben als acte claire. Daher besteht auch insoweit keine Notwendigkeit, den Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV anzurufen.

33

c) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Ermessensentscheidung des Beklagten rechtmäßig ist, von der Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht gemäß Satz 2 der Vorschrift abzusehen.

34

Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kann von dem Erfordernis eines Visumverfahrens nach Satz 1 abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfüllt sind oder es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen der ersten, nicht aber der zweiten Alternative der Vorschrift. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts liegen besondere Umstände, die es ihm unzumutbar erscheinen ließen, das Bundesgebiet vorübergehend zur Nachholung des Visumverfahrens zu verlassen, nicht vor. Allein der Umstand, dass die Eheleute möglicherweise eine vorübergehende Trennung für die übliche Dauer des Visumverfahrens hinnehmen müssen, reicht hierfür auch unter Berücksichtigung des Schutzes der Ehe durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht aus (vgl. Beschluss vom 31. August 1984 - BVerwG 1 B 99.84 - BVerwGE 70, 54 <56 ff.>; Urteil vom 9. Dezember 1997 - BVerwG 1 C 20.97 - NVwZ 1998, 748 = Buchholz 402.240 § 8 AuslG 1990 Nr. 14). Demzufolge war das dem Beklagten eingeräumte Ermessen nicht von vornherein reduziert. Seine Erwägung in dem Bescheid, eine geplante Umgehung des Visumverfahrens durch Angabe eines anderen Aufenthaltszwecks nicht durch eine Abweichung im Ermessenswege zu honorieren, ist nicht zu beanstanden. Soll das Visumverfahren als wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung (BTDrucks 15/420 S. 70) seine Funktion wirksam erfüllen können, dürfen in die Ermessensausübung auch generalpräventive Aspekte einfließen (Urteil vom 4. September 1986 - BVerwG 1 C 19.86 - BVerwGE 75, 20 <23 f.>).

35

Die Abschiebungsandrohung in dem angefochtenen Bescheid ist nach alledem ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 426/17
vom
25. Oktober 2017
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern
ECLI:DE:BGH:2017:251017B1STR426.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 25. Oktober 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 20. April 2017 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die vom Angeklagten in dieser Sache in Bulgarien erlittene Freiheitsentziehung auf die hier verhängte Strafe in der Weise angerechnet wird, dass ein Tag Auslieferungshaft zwei Tagen inländischer Haft entspricht. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 3.100 Euro angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt lediglich zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Ergänzung des Strafausspruchs (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte ist ein in Bulgarien wohnhafter syrischer Staatsangehöriger , der dort ein Restaurant und einen Supermarkt betrieb. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor dem 20. November 2014 entschloss er sich, die wiederholte Schleusung von Flüchtlingen aus dem Flüchtlingsheim der bulgarischen Stadt H. nach Deutschland gegen ein Entgelt von mindestens 200 Euro je Person zu organisieren und sich dadurch eine weitere Einnahmequelle von nicht unerheblichem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen. Die geschleusten Flüchtlinge nahmen Kontakt zu dem unter Aliasnamen handelnden Angeklagten auf, indem sie ihn anriefen oder ihn sogleich an einem bekannten Treffpunkt nahe der Unterkunft aufsuchten. Die Telefonnummer des Angeklagten war Aushängen in dem Flüchtlingsheim zu entnehmen, in denen er als eine Art „Reiseunternehmer“ auftrat.
4
Vom 20. November 2014 bis zum 14. März 2015 organisierte er mindestens sechs Fahrten mit insgesamt 31 syrischen Staatsangehörigen, die ein Fahrer im Auftrag des Angeklagten mit einem Personenkraftwagen von Bulgarien aus über Ungarn nach Deutschland transportierte. Nach der Einreise stellten mindestens 21 von ihnen in Deutschland einen Asylantrag. Die letzte Fahrt endete in einer Polizeikontrolle auf der Bundesautobahn A 93. Alle transportierten Personen verfügten – dies kontrollierte der Angeklagte jeweils vor Fahrtantritt – über einen „bulgarischen Flüchtlingspass“.
5
Der Angeklagte wusste um die Praxis der bulgarischen Behörden, dass geflüchtete Personen, die als Asylsuchende für einige Monate in der Flücht- lingsunterkunft untergebracht waren, binnen 14 Tagen nach Erhalt des „bulgarischen Flüchtlingspasses“ diese Unterkunft verlassen mussten und keine staatliche Unterstützung mehr erhielten. Des Weiteren war dem Angeklagten bekannt, dass alle von ihm geschleusten Personen nicht nur Kurzbesuche, sondern einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland anstrebten und „nicht über einen Aufenthaltstitel für die Bundesrepublik“ verfügten.
6
2. Das Landgericht hat dies als gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern in sechs Fällen gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b, Abs. 2 Nr. 1, § 95 Abs. 1 Nr. 3, § 14 Abs. 1 Nr. 2, § 4 Abs. 1 AufenthG gewertet, weil sich die transportierten Personen mit Grenzübertritt nach Deutschland der unerlaubten Einreise schuldig gemacht hätten. Der bulgarische Flüchtlingsausweis erlaube keine Einreise der syrischen Staatsangehörigen. Dies hat das Landgericht insbesondere mit Blick auf den beabsichtigten Daueraufenthalt verneint.

II.

7
Der Schuldspruch wird von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen. Insbesondere sind die Personen, denen der Angeklagte unter Verwirklichung von Schleusermerkmalen zur Einreise in die Bundesrepublik verholfen hat, ohne den nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel und daher unerlaubt eingereist. Im Einzelnen:
8
1. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass den syrischen Staatsangehörigen die Einreise in die Bundesrepublik nicht nach Art. 20 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) gestattet war, weil es sich bei ihnen nicht um „sichtvermerksfreie Drittausländer“ handelte. Dies folgt schon daraus, dass die in Bulgarien anerkannten Flüchtlinge dort keinen „Wohnsitz“ hatten.
9
a) Das Tatbestandsmerkmal der „sichtvermerksfreien Drittausländer“ in Art. 20 SDÜ nimmt Bezug auf Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 (ABl. L 81 vom 21. März 2001, S. 1 – EGVisaVO ). Nach dessen Satz 1 dürfen Angehörige der im Anhang II der Verord- nung genannten Staaten die EU-Außengrenzen für einen Kurzaufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, visumfrei passieren (sog. „Positivstaater“, zu denen syrische Staatsangehörige nicht zählen). Ihnen stehen Personen mit Flüchtlingsstatus und Wohnsitz in dem EU-Mitgliedstaat gleich, der ihnen ein Reisedokument ausgestellt hat (vgl. Art. 1 Abs. 2 Satz 2, 3. Spiegelstrich EG-VisaVO). Die Regelungen der EG-VisaVO sind gemäß Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang II Nr. 8 der EU-Beitrittsakte 2005 (Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens und die Anpassungen der Verträge, auf denen die Europäische Union beruht, ABl. L 157 vom 21. Juni 2005, S. 203) auch in Bulgarien anzuwenden. Im Anschluss an das Passieren der EU-Außengrenze gestattet sodann Art. 20 SDÜ den Kurzaufenthalt der nach Art. 1 Abs. 2 EG-VisaVO privilegierten Personen im Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten und das Überschreiten der Binnengrenzen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 4 StR 142/12, NStZ 2013, 481, 482; OVG Münster, Beschluss vom 11. November 2015 – 18 B 387/15, NVwZ-RR 2016, 354, 356).
10
b) Den geschleusten Flüchtlingen war die Einreise in die Bundesrepublik nicht nach Art. 20 SDÜ gestattet. Denn sie erfüllten mangels eines „Wohnsitzes“ in Bulgarien nicht die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 2 Satz 2, 3. Spie- gelstrich EG-VisaVO. Dieses Tatbestandsmerkmal hat aufgrund der Bezüge der EG-VisaVO zum „Europäischen Übereinkommen über die Aufhebung des Sichtvermerkszwangs für Flüchtlinge“ vom 20. April 1959 (BGBl. II 1961 S. 1098 – EuSVkÜbk) entsprechend dessen Art. 1 Abs. 1 keine andere Bedeutung als der „gewöhnliche Aufenthalt“ (vgl. Erwägungsgrund7 der EG-VisaVO; ebenso Baetge, StAZ 2016, 289, 290 zum „Wohnsitz“ in Art. 12 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, BGBl. II 1953 S. 560 – GenferFlüchtlingskonvention). Demgemäß decken sich die englischen Fassungen der EG-VisaVO („reside“) und des Übereinkommens („resident“).
11
In unionsrechtlichen Rechtsquellen ist unter dem gewöhnlichen Aufenthalt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Kern der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Person zu verstehen, der aufgrund einer Gesamtabwägung der tatsächlichen Umstände (wie Dauer des Aufenthalts, soziale und familiäre Bindungen, Beweggründe) zu bestimmen ist (vgl. hierzu EuGH, Urteile vom 15. September 1994 – C-452/93, Slg. 1994, I-4295 Rn. 22; vom 25. Februar 1999 – C-90/97, Slg. 1999, I-1075 Rn. 28 f.; vom 11. November 2004 – C-372/02, Slg. 2004, I-10761 Rn. 37; vom 17. Juli 2008 – C-66/08, Slg. 2008, I-6041 Rn. 48; vom 5. Juni 2014 – C-255/13 Rn. 44 f. und vom 11. September 2014 – C-394/13 Rn. 34). Dafür, dass der Regelungskontext und der Zweck des Art. 1 Abs. 2 Satz 2, 3. Spiegelstrich EGVisaVO , anerkannten Flüchtlingen (und Personen ohne Staatsangehörigkeit) ein visumfreies Passieren der EU-Außengrenzen für Kurzaufenthalte zu ermöglichen , ein grundlegend anderes Verständnis erfordern könnten, ist nichts ersichtlich.
12
Den gewöhnlichen Aufenthalt im Einzelfall festzustellen, ist Sache der nationalen Gerichte (vgl. EuGH, Urteile vom 22. Dezember 2010 – C-497/10, Slg. 2010, I-14309 Rn. 56 aE und vom 16. Mai 2013 – C-589/10 Rn. 52). Nach den Feststellungen des Landgerichts mussten die geschleusten Personen mit Gewährung des Flüchtlingsstatus das ihnen für einige Monate als Unterkunft zugewiesene Flüchtlingsheim auf Weisung der bulgarischen Behörden kurzfristig verlassen. Auch unter besonderer Berücksichtigung der Situation geflohener Personen ist es daher mangels Festigung sozialer Bindungen und des nicht weiter beabsichtigten Aufenthalts in Bulgarien nicht zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in Bulgarien als „Person mit Flüchtlingsstatus“ gekommen (vgl. auch OVG Magdeburg, Beschluss vom 13. September 1999 – A 3 S 638/98, BeckRS 2016, 43435; Vienenkötter, Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Internationalen Familien- und Erbrecht der EU, 2017, S. 351). Zu- dem hätte ein solcher spätestens mit dem Verlassen des Flüchtlingsheims ohne einen Bleibe- und Rückkehrwillen sein Ende finden müssen. Dass Personen ein gewöhnlicher Aufenthalt fehlen kann, entspricht der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010 – C-497/10, Slg. 2010, I-14309 Rn. 57). Diese Möglichkeit belegt zudem Art. 12 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention, der das Personalstatut von Flüchtlingen hilfsweise an deren (schlichten) Aufenthalt knüpft.
13
c) Der Senat weicht dabei von der dem Urteil des Landgerichts zugrundeliegenden Begründung ab, weil er anstatt auf den Einreisezweck auf den fehlenden fortbestehenden „Wohnsitz“ abstellt.
14
Da ein „Wohnsitz“ in Bulgarien bei einem Reiseantrittder geschleusten Personen – wie festgestellt – aus der Flüchtlingsunterkunft heraus offensichtlich nicht einmal hätte fortbestehen können, kann der Senat ausschließen, dass sich der Angeklagte anders hätte verteidigen können, wäre bereits das Landgericht auf diesen Gesichtspunkt eingegangen.
15
2. Die Einreise der geschleusten Flüchtlinge nach Deutschland erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als erlaubt.
16
a) Art. 21 SDÜ, wonach ein Aufenthaltstitel und das Reisedokument eines Mitgliedstaats die Bewegungsfreiheit im Schengen-Raum (für einen Kurzaufenthalt) verbürgen, findet im Verhältnis zu Bulgarien keine Anwendung. Die Vorschrift ist in Anhang II Nr. 2 der EU-Beitrittsakte 2005 nicht genannt, fällt also nach deren Art. 4 Abs. 2 unter den für Bulgarien zwar bindenden, aber noch unanwendbaren Teil des Schengen-Besitzstands (vgl. Winkelmann, ZAR 2010, 270, 277). Dass von dort stammende Aufenthaltstitel nicht genügen (vgl. Stahmann/Schild in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., § 6 AufenthG Rn. 4; Visumhandbuch Auswärtiges Amt, 67. Erg.-Lfg., Aufenthaltsfragen allgemein S. 15), lässt sich zudem etwa Erwägungsgrund 3 der ÄndVO (EU) Nr. 265/2010 vom 25. März 2010 (ABl. L 85 vom 31. März 2010, S. 1) entnehmen, mit der unter anderem Art. 21 Abs. 2a in das SDÜ eingefügt worden ist. Demnach sollten neben sonstigen Aufenthaltstiteln auch Visa für den längerfristigen Aufenthalt den freien Personenverkehr unter jenen Mitgliedstaaten verbürgen, die – anders als Bulgarien – den Schengen-Besitzstand vollständig anwenden.
17
b) Die visumfreie Einreise ermöglichte ebenso wenig § 18 AufenthV, der ebenfalls an die Flüchtlingseigenschaft und den von bestimmten Staaten ausgestellten Reiseausweis anknüpft. Schon die – vormalige – Ermächtigungsgrundlage für § 18 AufenthV in der EG-VisaVO (Art. 3, 2. Spiegelstrich aF) knüpfte nicht anders als Art. 1 Abs. 1 EuSVkÜbk daran an, dass sich die Flüchtlinge in näher bezeichneten Drittstaaten (gewöhnlich) aufhalten (engli- sche Fassung: „reside“). Aufgrund des abschließenden Charakters des vorran- gigen EU-Rechts (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 4 StR 142/12, NStZ 2013, 481, 482 mwN), wie ihn auch § 15 AufenthV betont, ist nicht anzunehmen, dass der deutsche Verordnungsgeber die visumfreie Einreise von Flüchtlingen mit Reisedokumenten eines EU-Mitgliedstaates ohne dortigen gewöhnlichen Aufenthalt ermöglichen wollte (vgl. auch OVG Hamburg, Beschluss vom 23. September 2013 – 3 Bs 131/13, NVwZ-RR 2014, 490, 492). In der geforderten Rückkehrberechtigung findet dies seinen Ausdruck. Das Landgericht hat darüber hinaus die Anwendbarkeit von § 16 AufenthV zutreffend verneint.
18
c) Auch aus Art. 16a Abs. 1 GG lässt sich für die geschleusten Personen , die in Deutschland im Anschluss an ihre Einreise Asyl beantragt haben, keine Befugnis ableiten, in die Bundesrepublik einzureisen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – 4 StR 178/14, NStZ-RR 2015, 184, 185 f.).
19
3. Schließlich sind den Urteilsgründen jene subjektiven Umstände zu entnehmen, die für eine Verurteilung wegen (gewerbsmäßigen) Einschleusens von Ausländern notwendig sind. Die – entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hinreichend bestimmt geregelte – Strafbarkeit des Schleusers nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG setzt unerlaubte Einreisen als vorsätzlich begangene rechtswidrige Haupttaten voraus; Umstände, die gleichwohl einer Bestrafung der eingereisten Personen entgegenstehen können, sind hingegen unmaßgeblich (vgl. zum Vorrang des Rückführungsverfahrens BGH, Urteile vom 8. März 2017 – 5 StR 333/16, NJW 2017, 1624 f. und vom 4. Mai2017 – 3 StR 69/17, Rn. 20 f.; vgl. zudem aaO Rn. 19 und BGH, Urteil vom 26. Feb- ruar 2015 – 4 StR 178/14, NStZ-RR 2015, 184, 186 zu § 95 Abs. 5 AufenthG). Das Landgericht ist im Einklang hiermit davon ausgegangen, dass nicht nur der Angeklagte, sondern auch die geschleusten Personen vorsätzlich handelten.
20
Den auf die Haupttaten der unerlaubt einreisenden Personen und auf die eigenen Tatbeiträge bezogenen, „doppelten“ Vorsatz des Angeklagten hat das Landgericht auf Basis einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung festgestellt.
21
Nach den getroffenen Feststellungen ist offenkundig, dass diese Personen um alle relevanten äußeren Umstände inklusive ihres fehlenden Wohnsitzes in Bulgarien wussten, aus denen sich die unerlaubte Einreise ergab. Darüber hinaus ist auch ein nach § 16 StGB zu behandelnder (so LG Landshut, Urteil vom 11. April 2011 – 5 Ns 35 Js 28732/08, juris Rn. 38 ff. unter Hinweis auf eine unveröffentlichte Entscheidung des OLG München; BeckOK AuslR/ Hohoff, § 95 AufenthG Rn. 25; aA etwa MüKoStGB/Gericke, 2. Aufl., § 95 AufenthG Rn. 44) Irrtum über den rechtlichen Bedeutungsgehalt des Merkmals „erforderlicher Aufenthaltstitel“ (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 AufenthG) auszuschließen. Die Urteilsgründe belegen ein Vorstellungsbild der Flüchtlinge, dass ihr an einen dortigen Wohnsitz anknüpfendes bulgarisches Reisedokument für die Einreise in die Bundesrepublik nicht genügte. Damit geht konform, dass zumindest die Mehrzahl von ihnen „entsprechend ihrer be- reits bei Reiseantritt bestehenden Absicht“ (UA S. 5 f.) einen Asylantrag in der Bundesrepublik stellte.

III.

22
Die Revision bleibt auch im Strafausspruch erfolglos. Sie führt lediglich zu einer Ergänzung der Entscheidung um die unterbliebene Anrechnungsentscheidung.
23
1. Entgegen der Auffassung der Revision liegt ein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB nicht vor. Mit der Erwägung im Rahmen der Strafzumessung, der Angeklagte habe die Schleusungsfahrten „geschäftsmäßig organisiert“, hat das Landgericht ihm im Sinne der nachfolgend genannten Umstände die Organisation einer erheblichen Anzahl an Schleusungen in einem recht kurzen Zeitraum und für eine Vielzahl von Personen als Ausdruck krimineller Energie anlasten wollen. Dies geht über das Merkmal „gewerbsmäßig“ des § 96 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AufenthG hinaus. Da gewerbsmäßig nur die Absicht umschreibt, sich eine fortlaufende Einnahmequelle zu sichern, aber nicht notwendig eine geschäftsmäßige Organisation umfasst, liegt keine unzulässige Doppelverwertung vor.
24
2. Allerdings hat das Landgericht entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB keine Bestimmung über den Maßstab getroffen, nach dem die in Bulgarien vollzogene Auslieferungshaft des Angeklagten auf die verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. Dies holt der Senat entsprechend § 354 Abs. 1 StPO nach (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2003 – 5 StR 170/03, juris Rn. 2). Aufgrund der im Einzelfall hinter deutschen Verhältnissen zurückbleibenden Haftbedingungen in Bulgarien, wie sie Entscheidungen im Auslieferungsverfahren zu entnehmen sind (vgl. etwa OLG München, Beschluss vom 4. April 2017 – 1 AR 328/16, juris Rn. 47), legt der Senat einen Anrechnungsmaßstab von 1:2 fest, um eine Beschwer des Angeklagten auszuschließen.

IV.

25
Angesichts des nur geringfügigen Teilerfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit sämtlichen Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Raum Bellay Fischer Bär Hohoff

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.

(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.

(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.

(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.

(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.

(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.

(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

(1) Für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen sind die Ausländerbehörden zuständig. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann bestimmen, dass für einzelne Aufgaben nur eine oder mehrere bestimmte Ausländerbehörden zuständig sind. Nach Satz 2 kann durch die zuständigen Stellen der betroffenen Länder auch geregelt werden, dass den Ausländerbehörden eines Landes für die Bezirke von Ausländerbehörden verschiedener Länder Aufgaben zugeordnet werden. Für die Vollziehung von Abschiebungen ist in den Ländern jeweils eine zentral zuständige Stelle zu bestimmen. Die Länder sollen jeweils mindestens eine zentrale Ausländerbehörde einrichten, die bei Visumanträgen nach § 6 zu Zwecken nach den §§ 16a, 16d, 17 Absatz 1, den §§ 18a, 18b, 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19, 19b, 19c und 20 sowie bei Visumanträgen des Ehegatten oder der minderjährigen ledigen Kinder zum Zweck des Familiennachzugs, die in zeitlichem Zusammenhang gestellt werden, die zuständige Ausländerbehörde ist.

(2) Im Ausland sind für Pass- und Visaangelegenheiten die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. Das Auswärtige Amt wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten die Entscheidung über Anträge auf Erteilung eines Visums zu übertragen. Soweit von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht wird, stehen dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten die Befugnisse zur Datenverarbeitung sowie alle sonstigen Aufgaben und Befugnisse einer Auslandsvertretung bei der Erteilung von Visa gemäß Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe b sowie gemäß den §§ 54, 66, 68, 69, 72, 72a, 73, 73a, 75, 87, 90c, 91d und 91g zu.

(3) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden sind zuständig für

1.
die Zurückweisung und die Zurückschiebung an der Grenze, einschließlich der Überstellung von Drittstaatsangehörigen auf Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, wenn der Ausländer von der Grenzbehörde im grenznahen Raum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer unerlaubten Einreise angetroffen wird,
1a.
Abschiebungen an der Grenze, sofern der Ausländer bei oder nach der unerlaubten Einreise über eine Grenze im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/399 (Binnengrenze) aufgegriffen wird,
1b.
Abschiebungen an der Grenze, sofern der Ausländer bereits unerlaubt eingereist ist, sich danach weiter fortbewegt hat und in einem anderen Grenzraum oder auf einem als Grenzübergangsstelle zugelassenen oder nicht zugelassenen Flughafen, Flug- oder Landeplatz oder See- oder Binnenhafen aufgegriffen wird,
1c.
die Befristung der Wirkungen auf Grund der von ihnen vorgenommenen Ab- und Zurückschiebungen nach § 11 Absatz 2, 4 und 8,
1d.
die Rückführungen von Ausländern aus anderen und in andere Staaten; die Zuständigkeit besteht neben derjenigen der in Absatz 1 und in Absatz 5 bestimmten Stellen,
1e.
die Beantragung von Haft und die Festnahme, soweit es zur Vornahme der in den Nummern 1 bis 1d bezeichneten Maßnahmen erforderlich ist,
2.
die Erteilung eines Visums und die Ausstellung eines Passersatzes nach § 14 Abs. 2 sowie die Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2a,
3.
die Rücknahme und den Widerruf eines nationalen Visums sowie die Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009
a)
im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung, soweit die Voraussetzungen der Nummer 1a oder 1b erfüllt sind,
b)
auf Ersuchen der Auslandsvertretung, die das Visum erteilt hat, oder
c)
auf Ersuchen der Ausländerbehörde, die der Erteilung des Visums zugestimmt hat, sofern diese ihrer Zustimmung bedurfte,
4.
das Ausreiseverbot und die Maßnahmen nach § 66 Abs. 5 an der Grenze,
5.
die Prüfung an der Grenze, ob Beförderungsunternehmer und sonstige Dritte die Vorschriften dieses Gesetzes und die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen und Anordnungen beachtet haben,
6.
sonstige ausländerrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen, soweit sich deren Notwendigkeit an der Grenze ergibt und sie vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hierzu allgemein oder im Einzelfall ermächtigt sind,
7.
die Beschaffung von Heimreisedokumenten im Wege der Amtshilfe in Einzelfällen für Ausländer,
8.
die Erteilung von in Rechtsvorschriften der Europäischen Union vorgesehenen Vermerken und Bescheinigungen vom Datum und Ort der Einreise über die Außengrenze eines Mitgliedstaates, der den Schengen-Besitzstand vollständig anwendet; die Zuständigkeit der Ausländerbehörden oder anderer durch die Länder bestimmter Stellen wird hierdurch nicht ausgeschlossen.

(4) Für die erforderlichen Maßnahmen nach den §§ 48, 48a und 49 Absatz 2 bis 9 sind die Ausländerbehörden, die Polizeivollzugsbehörden der Länder sowie bei Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben die Bundespolizei und andere mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragte Behörden zuständig. In den Fällen des § 49 Abs. 4 sind auch die Behörden zuständig, die die Verteilung nach § 15a veranlassen. In den Fällen des § 49 Absatz 5 Nummer 5 und 6 sind die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. In den Fällen des § 49 Absatz 8 und 9 sind auch die Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylgesetzes und die Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge befugt, bei Tätigwerden in Amtshilfe die erkennungsdienstlichen Maßnahmen bei ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die unbegleitet in das Bundesgebiet eingereist sind, vorzunehmen; diese Maßnahmen sollen im Beisein des zuvor zur vorläufigen Inobhutnahme verständigten Jugendamtes und in kindgerechter Weise durchgeführt werden.

(5) Für die Zurückschiebung sowie die Durchsetzung der Verlassenspflicht des § 12 Abs. 3 und die Durchführung der Abschiebung und, soweit es zur Vorbereitung und Sicherung dieser Maßnahmen erforderlich ist, die Festnahme und Beantragung der Haft sind auch die Polizeien der Länder zuständig.

(6) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle entscheidet im Benehmen mit dem Auswärtigen Amt über die Anerkennung von Pässen und Passersatzpapieren (§ 3 Abs. 1); die Entscheidungen ergehen als Allgemeinverfügung und können im Bundesanzeiger bekannt gegeben werden.

(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

(1) Von anderen Behörden als von deutschen Behörden ausgestellte amtliche Ausweise sind als Passersatz zugelassen, ohne dass es einer Anerkennung nach § 71 Abs. 6 des Aufenthaltsgesetzes bedarf, soweit die Bundesrepublik Deutschland

1.
auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen oder
2.
auf Grund des Rechts der Europäischen Union
verpflichtet ist, dem Inhaber unter den dort festgelegten Voraussetzungen den Grenzübertritt zu gestatten. Dies gilt nicht, wenn der ausstellende Staat aus dem Geltungsbereich des Ausweises ausgenommen oder wenn der Inhaber nicht zur Rückkehr in diesen Staat berechtigt ist.

(2) Die Zulassung entfällt, wenn das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 feststellt, dass

1.
die Gegenseitigkeit, soweit diese vereinbart wurde, nicht gewahrt ist oder
2.
der amtliche Ausweis
a)
keine hinreichenden Angaben zur eindeutigen Identifizierung des Inhabers oder der ausstellenden Behörde enthält,
b)
keine Sicherheitsmerkmale aufweist, die in einem Mindestmaß vor Fälschung oder Verfälschung schützen, oder
c)
die Angaben nicht in einer germanischen oder romanischen Sprache enthält.

(3) Zu den Ausweisen im Sinne des Absatzes 1 zählen insbesondere:

1.
Reiseausweise für Flüchtlinge (§ 1 Abs. 3),
2.
Reiseausweise für Staatenlose (§ 1 Abs. 4),
3.
Ausweise für Mitglieder und Bedienstete der Organe der Europäischen Gemeinschaften,
4.
Ausweise für Abgeordnete der Parlamentarischen Versammlung des Europarates,
5.
amtliche Personalausweise der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und der Schweiz für deren Staatsangehörige,
6.
Schülersammellisten (§ 1 Abs. 5),
7.
Flugbesatzungsausweise, soweit sie für einen Aufenthalt nach § 23 gebraucht werden, und
8.
Binnenschifffahrtsausweise, soweit sie für einen Aufenthalt nach § 25 gebraucht werden.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ein Ausländer ist verpflichtet,

1.
seinen Pass, seinen Passersatz oder seinen Ausweisersatz und
2.
seinen Aufenthaltstitel oder eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung
auf Verlangen den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, soweit dies zur Durchführung oder Sicherung von Maßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich ist. Ein deutscher Staatsangehöriger, der zugleich eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, ist verpflichtet, seinen ausländischen Pass oder Passersatz auf Verlangen den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, wenn
1.
ihm nach § 7 Absatz 1 des Passgesetzes der deutsche Pass versagt, nach § 8 des Passgesetzes der deutsche Pass entzogen worden ist oder gegen ihn eine Anordnung nach § 6 Absatz 7 des Personalausweisgesetzes ergangen ist, wenn Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer beabsichtigt, das Bundesgebiet zu verlassen oder
2.
die Voraussetzungen für eine Untersagung der Ausreise nach § 10 Absatz 1 des Passgesetzes vorliegen und die Vorlage, Aushändigung und vorübergehende Überlassung des ausländischen Passes oder Passersatzes zur Durchführung oder Sicherung des Ausreiseverbots erforderlich sind.

(2) Ein Ausländer, der einen Pass oder Passersatz weder besitzt noch in zumutbarer Weise erlangen kann, genügt der Ausweispflicht mit der Bescheinigung über einen Aufenthaltstitel oder die Aussetzung der Abschiebung, wenn sie mit den Angaben zur Person und einem Lichtbild versehen und als Ausweisersatz bezeichnet ist.

(3) Besitzt der Ausländer keinen gültigen Pass oder Passersatz, ist er verpflichtet, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken sowie alle Urkunden, sonstigen Unterlagen und Datenträger, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit und für die Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden auf Verlangen vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen. Kommt der Ausländer seiner Verpflichtung nicht nach und bestehen tatsächliche Anhaltspunkte, dass er im Besitz solcher Unterlagen oder Datenträger ist, können er und die von ihm mitgeführten Sachen durchsucht werden. Der Ausländer hat die Maßnahme zu dulden.

(3a) Die Auswertung von Datenträgern ist nur zulässig, soweit dies für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers und für die Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat nach Maßgabe von Absatz 3 erforderlich ist und der Zweck der Maßnahme nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann. Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch die Auswertung von Datenträgern allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden, ist die Maßnahme unzulässig. Der Ausländer hat die notwendigen Zugangsdaten für eine zulässige Auswertung von Datenträgern zur Verfügung zu stellen. Die Datenträger dürfen nur von einem Bediensteten ausgewertet werden, der die Befähigung zum Richteramt hat. Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch die Auswertung von Datenträgern erlangt werden, dürfen nicht verwertet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache ihrer Erlangung und Löschung ist aktenkundig zu machen.

(4) Wird nach § 5 Abs. 3 oder § 33 von der Erfüllung der Passpflicht (§ 3 Abs. 1) abgesehen, wird ein Ausweisersatz ausgestellt. Absatz 3 bleibt hiervon unberührt.

(1) Einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, kann nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden.

(2) Als zumutbar im Sinne des Absatzes 1 gilt es insbesondere,

1.
derart rechtzeitig vor Ablauf der Gültigkeit eines Passes oder Passersatzes bei den zuständigen Behörden im In- und Ausland die erforderlichen Anträge für die Neuerteilung oder Verlängerung zu stellen, dass mit der Neuerteilung oder Verlängerung innerhalb der Gültigkeitsdauer des bisherigen Passes oder Passersatzes gerechnet werden kann,
2.
in der den Bestimmungen des deutschen Passrechts, insbesondere den §§ 6 und 15 des Passgesetzes in der jeweils geltenden Fassung, entsprechenden Weise an der Ausstellung oder Verlängerung mitzuwirken und die Behandlung eines Antrages durch die Behörden des Herkunftsstaates nach dem Recht des Herkunftsstaates zu dulden, sofern dies nicht zu einer unzumutbaren Härte führt,
3.
die Wehrpflicht, sofern deren Erfüllung nicht aus zwingenden Gründen unzumutbar ist, und andere zumutbare staatsbürgerliche Pflichten zu erfüllen oder
4.
für die behördlichen Maßnahmen die vom Herkunftsstaat allgemein festgelegten Gebühren zu zahlen.

(3) Ein Reiseausweis für Ausländer wird in der Regel nicht ausgestellt, wenn der Herkunftsstaat die Ausstellung eines Passes oder Passersatzes aus Gründen verweigert, auf Grund derer auch nach deutschem Passrecht, insbesondere nach § 7 des Passgesetzes oder wegen unterlassener Mitwirkung nach § 6 des Passgesetzes, der Pass versagt oder sonst die Ausstellung verweigert werden kann.

(4) Ein Reiseausweis für Ausländer soll nicht ausgestellt werden, wenn der Antragsteller bereits einen Reiseausweis für Ausländer missbräuchlich verwendet hat oder tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Reiseausweis für Ausländer missbräuchlich verwendet werden soll. Ein Missbrauch liegt insbesondere vor bei einem im Einzelfall erheblichen Verstoß gegen im Reiseausweis für Ausländer eingetragene Beschränkungen oder beim Gebrauch des Reiseausweises für Ausländer zur Begehung oder Vorbereitung einer Straftat. Als Anhaltspunkt für die Absicht einer missbräuchlichen Verwendung kann insbesondere auch gewertet werden, dass der wiederholte Verlust von Passersatzpapieren des Antragstellers geltend gemacht wird.

(5) Der Reiseausweis für Ausländer ohne elektronisches Speicher- und Verarbeitungsmedium darf, soweit dies zulässig ist, nur verlängert werden, wenn die Ausstellungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Einem Ausländer können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 folgende Visa erteilt werden:

1.
ein Visum für die Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten oder für geplante Aufenthalte in diesem Gebiet von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen (Schengen-Visum),
2.
ein Flughafentransitvisum für die Durchreise durch die internationalen Transitzonen der Flughäfen.

(2) Schengen-Visa können nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 bis zu einer Gesamtaufenthaltsdauer von 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen verlängert werden. Für weitere 90 Tage innerhalb des betreffenden Zeitraums von 180 Tagen kann ein Schengen-Visum aus den in Artikel 33 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009/EG genannten Gründen, zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder aus völkerrechtlichen Gründen als nationales Visum verlängert werden.

(2a) Schengen-Visa berechtigen nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, es sei denn, sie wurden zum Zweck der Erwerbstätigkeit erteilt.

(3) Für längerfristige Aufenthalte ist ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Die Erteilung richtet sich nach den für die Aufenthaltserlaubnis, die Blaue Karte EU, die ICT-Karte, die Niederlassungserlaubnis und die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU geltenden Vorschriften. Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts mit einem nationalen Visum wird auf die Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis, Blauen Karte EU, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU angerechnet.

(4) Ein Ausnahme-Visum im Sinne des § 14 Absatz 2 wird als Visum im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 erteilt.

Über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn

1.
er ein nationales Visum (§ 6 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes) oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
er vom Erfordernis des Aufenthaltstitels befreit ist und die Befreiung nicht auf einen Teil des Bundesgebiets oder auf einen Aufenthalt bis zu längstens sechs Monaten beschränkt ist,
3.
er Staatsangehöriger eines in Anhang II der Verordnung (EU) 2018/1806 aufgeführten Staates ist und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Absatz 1 Nummer 1 des Aufenthaltsgesetzes) besitzt, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind, es sei denn, es handelt sich um einen Anspruch nach den §§ 16b, 16e oder 19e des Aufenthaltsgesetzes,
4.
er eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz besitzt und die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 oder 2 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen,
5.
seine Abschiebung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes ausgesetzt ist und er auf Grund einer Eheschließung oder der Begründung einer Lebenspartnerschaft im Bundesgebiet oder der Geburt eines Kindes während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat,
6.
er einen von einem anderen Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel besitzt und auf Grund dieses Aufenthaltstitels berechtigt ist, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sind; § 41 Abs. 3 findet Anwendung,
7.
er seit mindestens 18 Monaten eine Blaue Karte EU besitzt, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellt wurde, und er für die Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung eine Blaue Karte EU beantragt. Gleiches gilt für seine Familienangehörigen, die im Besitz eines Aufenthaltstitels zum Familiennachzug sind, der von demselben Staat ausgestellt wurde wie die Blaue Karte EU des Ausländers. Die Anträge auf die Blaue Karte EU sowie auf die Aufenthaltserlaubnisse zum Familiennachzug sind innerhalb eines Monats nach Einreise in das Bundesgebiet zu stellen,
8.
er die Verlängerung einer ICT-Karte nach § 19 des Aufenthaltsgesetzes beantragt,
9.
er
a)
einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates besitzt, der ausgestellt worden ist nach der Richtlinie 2014/66/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen eines unternehmensinternen Transfers (ABl. L 157 vom 27.5.2014, S. 1), und
b)
eine Mobiler-ICT-Karte nach § 19b des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs zu einem Inhaber einer Mobiler-ICT-Karte nach § 19b des Aufenthaltsgesetzes beantragt,
10.
er
a)
einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates besitzt, der ausgestellt worden ist nach der Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit (ABl. L 132 vom 21.5.2016, S. 21), und
b)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18f des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs zu einem Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18f des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder
11.
er vor Ablauf der Arbeitserlaubnis oder der Arbeitserlaubnisse zum Zweck der Saisonbeschäftigung, die ihm nach § 15a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 der Beschäftigungsverordnung erteilt wurde oder wurden, einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Saisonbeschäftigung bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber beantragt; dieser Aufenthaltstitel gilt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erteilt.
Satz 1 gilt nicht, wenn eine ICT-Karte nach § 19 des Aufenthaltsgesetzes beantragt wird.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat auf die Verpflichtung, die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten, keinen Einfluss.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.