Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 22. Jan. 2014 - 4 K 1961/12

ECLI:ECLI:DE:FGRLP:2014:0122.4K1961.12.0A
bei uns veröffentlicht am22.01.2014

Tenor

I. Der Einkommensteuerbescheid für 2010 in der letzten Fassung vom 31. Juli 2012 sowie die Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2012 werden geändert. Der Beklagte hat die Einkommensteuer 2010 auf den Betrag festzusetzen, der sich ergibt, wenn weitere Aufwendungen in Höhe von 6.242,- € als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG vor Abzug der zumutbaren Belastung berücksichtigt werden.

II. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

III. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

IV. Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten zugunsten der Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruches der Kläger abwenden, soweit die Kläger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

V. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes –EStG-.

2

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.
Der Kläger erzielte aus einer Mitunternehmerschaft sowie als Unternehmensberater Einkünfte aus Gewerbetrieb. Des Weiteren erzielte er als Geschäftsführer Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Die Klägerin erzielte als Rechtsanwältin Einkünfte aus selbständiger Arbeit, aus einer Mitunternehmerschaft und aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie aus der Beteiligung an einer Grundstücksgemeinschaft in B Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

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Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2010 machten die Kläger Aufwendungen für die Führung eines Prozesses als außergewöhnliche Belastungen geltend. Die angegebenen Rechtsanwaltskosten beliefen sich auf 6.242,- € und resultierten aus der angestrebten Rückgängigmachung einer Erbenstellung der Klägerin. Der Erbfall war mit dem Tod des Vaters der Klägerin im Jahre 1999 eingetreten.
Der Beklagte berücksichtigte diese Kosten im Einkommensteuerbescheid 2010 vom 24. Januar 2012 nicht. Er begründete dies damit, dass die Aufwendungen in die Vermögenssphäre fielen, worunter auch die aus Anlass eines Erbschaftsstreites entstandenen Prozesskosten gehörten.

4

Im Einspruchsverfahren machten die Kläger geltend, dass die angefallenen Prozesskosten nicht in die Vermögenssphäre fielen, sondern es hier um die Feststellung ginge, dass eine Erbenstellung nicht vorliege und somit auch kein Vermögenserwerb bestehe, mit dem eine Gefährdung ihrer Existenzgrundlage verbunden gewesen wäre. Hierzu legten die Kläger die Forderung der ...-Bank in Höhe von 668.840,72 € sowie die Forderung des ...-Amts von B in Höhe von 20.967,00 € vor, welche sich gegen die insgesamt fünf Erbinnen richteten. Hinzu kamen laut Auskunft der Kläger noch weitere Forderungen aus im Nachlass enthaltenen Beteiligungen. Aufgrund der Überschuldung des Nachlasses sei ein Verfahren zur Feststellung der Erbenstellung geführt worden, in welchem festgestellt werden sollte, dass keinerlei Ansprüche mehr gegen die potentiellen Erben geltend gemacht werden könnten, da die Erbenstellung rückgängig gemacht worden sei. Die Überschuldung des Nachlasses hätte hier eine Privatinsolvenz nach sich gezogen und die Existenzgrundlage aller Erben gefährdet. Aufgrund des geführten Verfahrens seien die Erbscheine sämtlicher Erben mit Beschluss vom 26. November 2010 eingezogen und die Erbenstellung somit rückgängig gemacht worden.

5

Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 18. Juni 2012 als unbegründet zurück.

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Nach § 33 Abs. 1 EStG könne einem Steuerpflichtigen, dem zwangsläufig höhere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwüchsen, die Einkommensteuer dadurch ermäßigt werden, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung übersteige, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werde. Aufwendungen erwüchsen zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen könne (§ 33 Abs. 2 EStG). Prozesskosten, insbesondere Kosten eines Zivilprozesses seien grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastung absetzbar und zwar unabhängig davon, ob sie in der Kläger- oder Beklagtenstellung erwüchsen. Bei den Kosten eines Zivilprozesses spreche eine Vermutung gegen ihre Zwangsläufigkeit. Für die Betrachtung der Zwangsläufigkeit sei nicht auf die - regelmäßig vorliegende -Zwangsläufigkeit der Zahlungsverpflichtung abzustellen. Hinzukommen müsse vielmehr, dass der Steuerpflichtige dem Prozess aus einer rechtlichen oder sittlichen Verpflichtung oder aus tatsächlichem Zwang nicht habe ausweichen können. Lediglich unter besonderen sehr engen Voraussetzungen könnten Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung angesehen werden, wenn der Steuerpflichtige Gefahr liefe, ohne den Prozess seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse im Üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen könnte. Die Prozessführung könne hier nicht als zwangsläufig beurteilt werden, da im Erbfall zunächst die Möglichkeit der Ausschlagung des Erbes bestehe und die Klägerin das Erbe angenommen habe. Sie hätte sich somit einem Prozess grundsätzlich entziehen können und Ansprüche aus der Erbmasse von vornherein ausschließen können. Darüber hinaus sei auch fraglich, ob aufgrund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger von einer ernsthaften Gefährdung der Existenzgrundlage ausgegangen werden könne. Bei einer anteiligen Inanspruchnahme aus den Erbverbindlichkeiten wäre den Klägern zwar ein erheblicher finanzieller Schaden entstanden, jedoch sei von einer Gefährdung der Existenzgrundlage bzw. einer Privatinsolvenz hier nicht zwingend auszugehen gewesen. Soweit der Bundesfinanzhof –BFH- mit Urteil vom 12. Mai 2011 (VI R 42/10, BStBI II 2011, 1015) entschieden habe, dass Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG zu berücksichtigen seien, wenn der Steuerpflichtige darlegen könne, dass die Rechtsverfolgung oder -verteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine, sei ein sog. Nichtanwendungserlass (BMF-Schreiben vom 20. Dezember 2011) ergangen, der zeitgleich im Bundessteuerblatt - Teil I - veröffentlicht worden sei. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12. Mai 2011 sei somit über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden.
Hiergegen richtet sich die Klage.

7

Die Argumentation des Beklagten hinsichtlich eines Bezugs zur Vermögenssphäre gehe fehl, da gerade kein Vermögen erworben werden sollte, sondern das Begehren in den Verfahren darauf gerichtet gewesen sei, dass die Nichterbenstellung festgestellt werde. Aufgrund der Überschuldung des Nachlasses sei ein Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens gestellt worden.
Auch der Ansicht des Beklagten, wonach keine Existenzgefährdung vorgelegen habe, könne nicht gefolgt werden. Die Kläger hätten im Einspruchsverfahren dargelegt, dass sie allein seitens der ...-Bank Forderungen in Höhe von 668.840,72 € ausgesetzt gewesen seien. Soweit dennoch keine Existenzgefährdung anzunehmen sei, da der Kläger über ein ausreichendes Einkommen verfüge, verkenne der Beklagte, dass der Kläger zivilrechtlich nicht verpflichtet sei, mit seinem Vermögen oder seinem Einkommen eventuelle Nachlassschulden der Klägerin zu tragen. Aber auch im Verhältnis zu dem gesamten Einkommen wären diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen. Das Gesamteinkommen sei nämlich bereinigt um Steuern, Kranken- und Altersvorsorge der Forderung gegenüberzustellen und auch die Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem minderjährigen Kind sei zu berücksichtigen.
Die Forderungen der Nachlassgläubiger seien auch nicht nur anteilig zu betrachten, da hier Gesamtschuldnerschaft vorgelegen habe. Unter den vermeintlichen Miterben seien zwei Schwestern der Klägerin, die noch in der Ausbildung gewesen seien, sowie eine vermeintliche weitere Miterbin, die nur einer geringfügigen Beschäftigung nachgehe. Die Durchsetzung einer Ausgleichsforderung bei voller Inanspruchnahme durch die Gläubiger wäre mehr als vage gewesen. Auch sei dargelegt worden, dass weitere Forderungen auf die Klägerin zugekommen wären, da noch weitere Gesellschaftsbeteiligungen des Erblassers bestanden hätten. Die Prozessführung sei für alle vermeintlichen Erben damit zwangsläufig notwendig und damit auch die entstandenen Anwaltskosten.

8

Auch soweit der Beklagte ausführe, dass die Anwaltskosten vermeidbar gewesen seien, wenn das Erbe rechtzeitig ausgeschlagen worden wäre, könne dies nicht überzeugen. Für die Frage, ob eine außergewöhnliche Belastung vorliege, sei nicht ausschlaggebend, ob in der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft ein Irrtum vorgelegen habe. Es sei auch nicht Aufgabe des Finanzamts zu beurteilen, ob die Führung eines Rechtsstreits rückblickend betrachtet aussichtsreich oder aussichtslos gewesen sei. Ob ein Verfahren aussichtslos oder mutwillig geführt werde, vermöge allein das zuständige Gericht  zu beurteilen. Die den geltend gemachten Anwaltskosten zugrunde liegenden Verfahren vor dem Amtsgericht, Landgericht und Oberlandesgericht gäben jedenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine Mutwilligkeit vorliege.
Im Übrigen sei zunächst das Erbe ausgeschlagen worden. Der vom Nachlassgericht eingesetzte Nachlassverwalter sei jedoch aufgrund falscher Einschätzung zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Überschuldung vorgelegen habe, weshalb das Erbe dann doch angenommen worden sei. Erst später habe sich herausgestellt, dass die Einschätzung des Nachlassverwalters falsch gewesen sei.
Unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 (VI R 42/10, a.a.O.) führen die Kläger weiter aus, dass ein Steuerpflichtiger das Prozessrisiko nicht „freiwillig" übernehme, da zivilrechtliche Ansprüche nur gerichtlich abgewehrt werden könnten. Es komme auch nur auf eine hinreichende Erfolgsaussicht des geführten Rechtsstreits an. Diese sei im vorliegenden Fall bereits dadurch festgestellt, dass im Verfahren vor dem Oberlandesgericht festgestellt worden sei, dass keine Erbenstellung vorliege. Insoweit sei der Rechtsstreit erfolgreich verlaufen, weil der Erbschein durch Beschluss des Oberlandesgerichts vom 09. September 2010 (Az. ...) zur Einziehung angewiesen worden sei.
Der Beklagte hat nach Klageerhebung den Einkommensteuerbescheid 2010 mit Datum vom 31. Juli 2012 (Bl. 66 ff. der Einkommensteuerakten -EStA-) aus anderen Gründen geändert.

9

Die Kläger beantragen (sinngemäß),
unter Änderung des letztmalig geänderten Einkommensteuerbescheides 2010 vom 31. Juli 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2012 die Einkommensteuer 2010 unter Berücksichtigung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 6.242,- € als außergewöhnliche Belastungen herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

10

Er führt aus:
Aufwendungen stellten nur dann außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG dar, wenn sie zwangsläufig erwüchsen. Aufwendungen erwüchsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen könne. Im vorliegenden Streitfall sei der Zivilrechtsstreit offensichtlich auf eine Fehleinschätzung der Kläger hinsichtlich des Wertes des Nachlasses zurückzuführen gewesen. Dieser Rechtsstreit hätte durch fristgerechte Ausschlagung der Erbschaft (§ 1944 BGB) vermieden werden können. Die Aufwendungen seien den Klägern schon aus diesem Grund nicht zwangsläufig entstanden.

11

Im Übrigen habe die bisherige Rechtsprechung des BFH die Aufwendungen für einen Zivilprozess grundsätzlich nicht als zwangsläufig beurteilt, es sei denn, der Steuerpflichtigen sei ohne den Rechtsstreit Gefahr gelaufen, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen zu können. Mit seinem Urteil vom 12. Mai 2011 (VI R 42/10, a.a.O.) habe der BFH die Versagung der Anerkennung als außergewöhnliche Belastungen nur noch auf die Fälle beschränkt, in denen die Rechtsverfolgung oder -verteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg böte und mutwillig erscheine. Ein solcher Sachverhalt könne vorliegend nicht unterstellt werden, da der Rechtsstreit für die Kläger erfolgreich geendet habe. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) habe jedoch mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 - IV C 4 - S 2284/07/0031:002 die Finanzverwaltung angewiesen, das BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 (a.a.O.) nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden. Es bleibe danach bei der bisherigen Rechtslage, wonach eine Zwangsläufigkeit bei Zivilprozesskosten nur hinsichtlich der die Existenzgrundlage betreffenden Prozessen vorliegen könne. Im vorliegenden Streitfall könne es aber letztlich dahingestellt bleiben, ob die Existenzgrundlage der Kläger ohne den Rechtsstreit gefährdet gewesen wäre, weil dieser Rechtsstreit bereits durch rechtzeitige Ausschlagung der Erbschaft hätte verhindert werden können. Eine Zwangsläufigkeit könne somit bereits aus diesem Grund nicht angenommen werden.

12

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter gem. § 79a Abs. 3 i.V.m. § 79a Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung –FGO- einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

13

I. Die Klage, über die der Berichterstatter gemäß gem. § 79a Abs. 3 i.V.m. § 79a Abs. 4 FGO und mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist begründet.

14

1. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und die Kläger hierdurch in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Denn die von der Klägerin getragenen Rechtsanwaltskosten sind in Höhe von 6.242,- € - nach Abzug der zumutbaren Belastung - im Streitjahr 2010 als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen.

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a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird die Einkommensteuer nach § 33 Abs. 1 EStG auf Antrag in bestimmtem Umfang ermäßigt. Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

16

b) Für die Entscheidung, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, ist auf die wesentliche Ursache abzustellen, die zu den Aufwendungen geführt hat. Liegt diese in der vom Einzelnen gestaltbaren Lebensführung, kommt ein Abzug nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 18. März 2004 III R 31/02, BStBl II 2004, 867). Die Kosten eines Zivilprozesses wurden bis zum Ergehen der Grundsatzentscheidung des BFH vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 lediglich in besonders gelagerten Fällen als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die erforderliche Zwangsläufigkeit der Kosten wurde nur dann bejaht, wenn die Durchführung eines Gerichtsverfahrens prozessrechtlich der einzige Weg war, das Klageziel zu erreichen.

17

c) Dagegen erwachsen Kosten eines Zivilprozesses den Parteien nach der neuen Rechtsprechung des BFH unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (vgl. BFH-Urteil vom 12.Mai 2011 VI R 42/10, a.a.O.). Für die Frage der Zwangsläufigkeit von Zivilprozesskosten ist nicht – wie nach der bisherigen Rechtsprechung – auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Denn der Steuerpflichtige muss, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten. War - wie hier - der Erbschein erteilt, konnte die Beschwerde hiergegen nur noch mit dem Ziel der nachträglichen Einziehung des Erbscheins eingelegt werden (§ 352 Abs. 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit -FamFG-). Trotz Obsiegens waren die damit verbundenen außergerichtlichen anwaltlichen Kosten von der Klägerin und den anderen vermeintlichen Miterbinnen zu tragen, weil es anzurechnende Erstattungen eines Prozessgegners im Erbscheinsverfahren nicht gab.

18

Die fehlende objektive Unausweichlichkeit durch rechtzeitige Ausschlagung der Erbschaft steht jedoch der neueren Rechtsprechung des BFH nicht mehr entgegen. Maßgeblich ist vielmehr, dass sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf das gerichtliche Verfahren eingelassen hat. Er muss dieses vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider - auch des Kostenrisikos - eingegangen sein. Damit ist allein ausreichend, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten zumindest eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt worden ist. Dies war auch - wie von den Klägern auch substantiiert dargelegt - angesichts des Obsiegens vor dem Oberlandesgericht der Fall.

19

Bei Anwendung dieser Rechtsprechung, der das Gericht folgt, sind die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten der Klägerin als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen.

20

2. Das Gericht erachtet auch mit Rücksicht auf den Nichtanwendungserlass der Verwaltung eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Gründen des BFH-Urteils vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 nicht für erforderlich (vgl. hierzu im Einzelnen Rosenke, EFG 2013, 1668 f.; 1845 f.; Steinhauff, jurisPR-SteuerR 33/2011 Anm. 5). Dies insbesondere deshalb nicht, weil die hier zur Beurteilung stehenden Anwaltskosten auch bei einer sachgerechten Anwendung der früheren Rechtsprechungs- und Verwaltungsgrundsätze als zwangsläufig zu beurteilen wären. Denn so hielt der BFH nach früherer Auffassung dann eine Ausnahme für denkbar, wenn der Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich berührte und der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (z.B. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BStBl II 2002, 382, m.w.N.). Danach waren die Kosten des hier in Rede stehenden Verfahrens nicht mit den Kosten eines beliebigen Zivilprozesses vergleichbar.

21

a) Die auf die fehlerhafte Einschätzung des Nachlassverwalters zurückzuführende Annahme der Erbschaft hatte zur Folge, dass die Klägerin im Hinblick auf ihre Stellung als Gesamtschuldnerin Forderungen der Nachlassgläubiger in einer Größenordnung von knapp 700.000,- € ausgesetzt war und lediglich im Innenverhältnis zu den bisherigen Miterbinnen Ausgleichsansprüche nach Maßgabe der §§ 421, 426 BGB mit der Gefahr der fehlenden Realisierung hätte geltend machen können. Das von den Klägern angeführte  Szenario einer möglichen Privatinsolvenz war daher nicht von Hand zu weisen.

22

b) Für diesen Fall musste die Klägerin auch mit dem Widerruf ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft rechnen. Nach der Bundesrechtsanwaltsordnung -BRAO- widerruft die Rechtsanwaltskammer die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist. Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs -BGH- ; vgl. nur BGH-Beschlüsse  vom 22. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 12/11, juris Rn. 3; vom 11. Juni 2012 - AnwZ (Brfg) 20/12, juris Rn. 4; vom 21. Februar 2013 - AnwZ (Brfg) 68/12, juris Rn. 10, und vom 25. April 2013 – AnwZ (Brfg) 9/13 –, NJW-RR 2013, 1012). Hierfür trägt der Rechtsanwalt die Feststellungslast (vgl. BGH-Beschlüsse vom 8. Februar 2010 - AnwZ (B) 67/08, BRAK-Mitt. 2010, 129 Rn. 11; vom 11. Juni 2012, a.a.O., und vom 5. September 2012 - AnwZ (Brfg) 26/12, NJW-RR 2013, 175Rn. 5). Die Annahme einer solchen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine selbständige anwaltliche Tätigkeit vollständig und nachhaltig aufgibt, diese nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. nur BGH-Beschlüsse vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 f.; vom 22. Juni 2011, a.a.O., und vom 24. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 43/12, juris Rn. 9). Angesichts dessen lag die geforderte existenzielle Betroffenheit, weswegen die Miterbenstellung wieder beseitigt werden sollte, vor.

23

c) Die Annahme der Erbschaft konnte nur nach den allgemeinen Vorschriften über die Willenserklärung unter Lebenden angefochten werden (§§ 119, 123 BGB), wobei dies wiederum voraussetzte, dass ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft vorlag. Ein solcher Irrtum ist für den Fall anerkannt, dass sich der Nachlass entgegen den Erwartungen des Erben als überschuldet darstellt (vgl. Palandt-Edenhofer, 72. Aufl. 2013, § 1954 Rn. 6 m. w. N). Im Falle der Unwirksamkeit der Anfechtung hätte die Klägerin für die Nachlassverbindlichkeiten grundsätzlich auch mit ihrem außerhalb des Nachlasses bestehenden Vermögen gehaftet (vgl. BGH-Beschluss vom 19. Mai 2011 – IX ZB 74/10 –, juris). Während der Erbe vor der Annahme der Erbschaft durch die Vorschrift des § 1958 BGB vor der gerichtlichen Inanspruchnahme durch Nachlassgläubiger geschützt wird, können Nachlassgläubiger nach der Erklärung der Annahme oder dem Ablauf der Ausschlagungsfrist (§ 1943 Halbsatz 2 BGB) ihre Forderungen gegen den Erben auch dann nach § 1967 Abs. 1 BGB durchsetzen, wenn dieser behauptet, die Annahme oder die Versäumung der Ausschlagungsfrist (§ 1956 BGB) angefochten zu haben. Auch die Regelung des § 778 Abs. 1 ZPO, wonach die Zwangsvollstreckung durch Nachlassgläubiger in das sonstige Vermögen des Erben bis zur Annahme der Erbschaft unzulässig ist, schützt den Erben nicht mehr, wenn dieser die Ausschlagungsfrist hat verstreichen lassen (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 778 Rn. 2; MünchKomm-ZPO/K. Schmidt, 3. Aufl., § 778 Rn. 2). Der als Erbe in Anspruch Genommene kann für den Fall seiner Verurteilung lediglich nach § 780 Abs. 1 ZPO den Vorbehalt beschränkter Erbenhaftung erwirken. Zwar kann ein solcher Vorbehalt unabhängig davon erfolgen, ob bereits die Nachlassverwaltung angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet oder auch nur beantragt worden ist, weil mit dem Vorbehalt noch keine Sachentscheidung über die Haftungsbeschränkung ergeht (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1955 - III ZR 115/53, BGHZ 17, 69, 73; vom 13. Juli 1989 - IX ZR 227/87, juris; vom 11. Juli 1991 - IX ZR 180/90, juris). Der Vorbehalt hindert jedoch die Nachlassgläubiger nicht, in das außerhalb des Nachlasses bestehende Vermögen des in Anspruch Genommenen zu vollstrecken, wenn dieser im Rechtsstreit als Erbe angesehen und zur Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten verurteilt worden ist. Der Erbe kann solche Vollstreckungsmaßnahmen nach den Bestimmungen der §§ 781, 784 Abs. 1, § 785 in Verbindung mit § 767 ZPO, § 1975 BGB nur unterbinden, wenn tatsächlich die Nachlassverwaltung angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet worden ist oder die Voraussetzungen der Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB vorliegen (vgl. dazu MünchKomm-BGB/Küpper, 5. Aufl., § 1990 Rn. 14 f). Die bloße Möglichkeit einer künftigen Haftungsbeschränkung genügt hingegen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung nicht (vgl. MünchKomm-ZPO/K. Schmidt, 3. Aufl., § 781 Rn. 2). Vor diesem Hintergrund bot aus verständiger Sicht eines Dritten allein die erfolgreiche Anfechtung der Erbschaftsannahme mit dem Ziel der nachträglichen Einziehung des Erbscheins im Beschwerdeverfahren die erfolgversprechende Aussicht, der drohenden Inanspruchnahme seitens der Nachlassgläubiger entgehen zu können.

24

3. Die als außergewöhnliche Belastungen abziehbaren Aufwendungen mindern sich um die zumutbare Eigenbelastung nach § 33 Abs. 3 EStG, die im Streitfall 4 v. H. des Gesamtbetrags der Einkünfte, mithin laut Einkommensteuerbescheid 2010 vom 27. Juli 2012 4.699,- € beträgt.

25

Danach ergibt sich folgende Berechnung:

26

im Streitjahr gezahlte Rechtsanwaltskosten:

6.242,00 €

erklärte Krankheitskosten:

609,00 €

Summe:

  6.851,00 €

                 

abzüglich zumutbare Belastung:

4.699,00 €

                 

abziehbare außergewöhnliche Belastungen:

2.152,00 €

27

II. Die Übertragung der Berechnung der Steuer auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

28

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

29

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

30

V. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und Fortbildung des Rechts im Hinblick auf zahlreiche bereits anhängige Revisionsverfahren zur Frage der Berücksichtigungsfähigkeit von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO). Die vom BFH zugelassene Revision betrifft ein – hier vergleichbares - Verfahren bezüglich Anwaltskosten aus einem Scheidungsverbundverfahren (VI R 70/12), die nach Ansicht der Vorinstanz (Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 21. Februar 2012, 1 K 75/11, EFG 2013, 523) auch nach alter Rechtsprechung zum typischen Anwendungsfall einer außergewöhnlichen Belastung gehört haben sollen.

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Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO | § 14 Rücknahme und Widerruf der Zulassung


(1) Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, wenn Tatsachen nachträglich bekannt werden, bei deren Kenntnis die Zulassung hätte versagt werden müssen. Von der Rücknahme der Zulassung kann abgesehen werden,

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1990 Dürftigkeitseinrede des Erben


(1) Ist die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wegen Mangels einer den Kosten entsprechenden Masse nicht tunlich oder wird aus diesem Grunde die Nachlassverwaltung aufgehoben oder das Insolvenzverfahre

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1944 Ausschlagungsfrist


(1) Die Ausschlagung kann nur binnen sechs Wochen erfolgen. (2) Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt. Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen, beginnt die

Zivilprozessordnung - ZPO | § 780 Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung


(1) Der als Erbe des Schuldners verurteilte Beklagte kann die Beschränkung seiner Haftung nur geltend machen, wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist. (2) Der Vorbehalt ist nicht erforderlich, wenn der Fiskus als gesetzlicher Erbe verurteilt wird

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 352 Angaben im Antrag auf Erteilung eines Erbscheins; Nachweis der Richtigkeit


(1) Wer die Erteilung eines Erbscheins als gesetzlicher Erbe beantragt, hat anzugeben1.den Zeitpunkt des Todes des Erblassers,2.den letzten gewöhnlichen Aufenthalt und die Staatsangehörigkeit des Erblassers,3.das Verhältnis, auf dem sein Erbrecht ber

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1975 Nachlassverwaltung; Nachlassinsolvenz


Die Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten beschränkt sich auf den Nachlass, wenn eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger (Nachlassverwaltung) angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1956 Anfechtung der Fristversäumung


Die Versäumung der Ausschlagungsfrist kann in gleicher Weise wie die Annahme angefochten werden.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1958 Gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Erben


Vor der Annahme der Erbschaft kann ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet, nicht gegen den Erben gerichtlich geltend gemacht werden.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 778 Zwangsvollstreckung vor Erbschaftsannahme


(1) Solange der Erbe die Erbschaft nicht angenommen hat, ist eine Zwangsvollstreckung wegen eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, nur in den Nachlass zulässig. (2) Wegen eigener Verbindlichkeiten des Erben ist eine Zwangsvollstrec

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Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 22. Jan. 2014 - 4 K 1961/12 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 22. Jan. 2014 - 4 K 1961/12 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 20. Jan. 2016 - VI R 70/12

bei uns veröffentlicht am 20.01.2016

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 21. Februar 2012  1 K 75/11 aufgehoben.

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 21. Feb. 2012 - 1 K 75/11

bei uns veröffentlicht am 21.02.2012

Tenor Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 5. November 2010 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 21. März 2011 werden geändert. Die dem Kläger aus Anlass seines gerichtlichen Scheidungsverfahrens in 1. und 2. Instanz entstande

Bundesfinanzhof Urteil, 12. Mai 2011 - VI R 42/10

bei uns veröffentlicht am 12.05.2011

Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob Zivilprozesskosten wegen einer Klage auf Zahlung von Krankentagegeld als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 22. Jan. 2014 - 4 K 1961/12.

Bundesfinanzhof Urteil, 14. Apr. 2016 - VI R 14/14

bei uns veröffentlicht am 14.04.2016

Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Januar 2014  4 K 1961/12 aufgehoben.

Referenzen

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Zivilprozesskosten wegen einer Klage auf Zahlung von Krankentagegeld als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für die Klägerin bestand eine private Krankenversicherung bei der R, die eine Krankentagegeld-Versicherung für ein tägliches Krankengeld von 51 € nach Ablauf von sechs Wochen einer Arbeitsunfähigkeit umfasste. Die Klägerin war als Geschäftsleitungsassistentin nichtselbständig tätig. Anfang 2004 traten bei ihr Probleme mit dem Gebrauch der rechten Hand und Bewegungsstörungen des rechten Beines auf. Bei ihr wurden eine fokale Dystonie und eine spastische Hemiphlegie diagnostiziert. Die Klägerin wurde krankgeschrieben. Nach sechs Wochen stellte der Arbeitgeber seine Gehaltszahlungen ein. Daraufhin wurde die R in Anspruch genommen, die zunächst das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld zahlte. Auf Veranlassung der R wurde die Klägerin am 28. Januar 2005 von einem Mitarbeiter des Vertrauensarztes H untersucht. In dem von H erstellten Gutachten wurde der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Er diagnostizierte eine fokale Dystonie bzw. ein Parkinson-Syndrom. Ein halbes Jahr später musste die Klägerin sich erneut bei H vorstellen. Dieser kam in seinem daraufhin angefertigten Gutachten vom 29. Juli 2005 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin immer noch Arbeitsunfähigkeit bestehe. Weiterhin stellte er fest, dass zwischenzeitlich auch Berufsunfähigkeit eingetreten sei. Die R stellte sich daraufhin auf den Standpunkt, dass bei der Klägerin ab dem 28. Juli 2005 Berufsunfähigkeit eingetreten sei und damit die Leistungspflicht zur Zahlung von Krankentagegeld drei Monate nach Beginn der Berufsunfähigkeit ende. Dementsprechend wurde letztmalig am 28. Oktober 2005 der versicherte Tagessatz gezahlt. Ab dem 1. August 2006 wurde der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt (Bescheid vom 31. Januar 2007).

3

Im Dezember 2005 erhob der Kläger als Versicherungsnehmer Klage gegen die R. Die Klage war auf die Feststellung des Fortbestands der Krankentagegeldversicherung sowie die Zahlung von Krankentagegeld ab dem 28. Oktober 2005 gerichtet. Nachdem der Klägerin die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuerkannt worden war, wurde der Feststellungsantrag für erledigt erklärt; der Kläger beantragte lediglich noch die Zahlung von 14.111 € (Krankentagegeld vom 28. Oktober 2005 bis 31. Juli 2006) nebst Zinsen. Mit Urteil des Landgerichts C vom 30. März 2007 wurde die Klage abgewiesen.

4

Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 machten die Kläger die Prozesskosten von 9.906 € als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht, weil Krankentagegeld regelmäßig steuerfrei sei und der Prozess somit nicht der Erzielung steuerbarer Einnahmen gedient habe. Den hiergegen gerichteten Einspruch, mit dem die Kläger geltend machten, die Prozesskosten seien als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 als unbegründet zurück.

5

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1607 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

7

Die Kläger beantragen,

das Urteil des FG Köln vom 18. November 2009  11 K 185/09 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 --zuletzt-- vom 6. April 2009 in der Weise zu ändern, dass Aufwendungen in Höhe von 9.906 € als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. 1. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Zivilprozesskosten des Klägers zu Unrecht vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen.

10

a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

11

b) Bei den Kosten eines Zivilprozesses, die vorliegend von den Beteiligten zutreffend nicht als Werbungskosten der Klägerin beurteilt worden sind, spricht nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, m.w.N.; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig erwachsen ist (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Es sei in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Lasse sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen; es entspräche nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, ihm die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko realisiert habe (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten bisher nur an, wenn der Prozess existentiell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFH/NV 2009, 533).

12

2. An dieser Rechtsauffassung hält der erkennende Senat nicht länger fest.

13

a) Denn die Auffassung, der Steuerpflichtige übernehme das Prozesskostenrisiko "freiwillig", verkennt, dass streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols, das der Verwirklichung des inneren Friedens dient (Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 71 Rz 76; Roman Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 72 Rz 38; Bardo Fassbender, Wissen als Grundlage staatlichen Handelns, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 76 Rz 26), regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren sind. Dies folgt aus dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (Helmuth Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 19 IV Rz 35). Es ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien werden zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten der Staatsbürger (Roman Herzog, a.a.O., § 72 Rz 26) vielmehr auf den Weg vor die Gerichte verwiesen (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1980  1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277 <292>; vom 13. März 1990  2 BvR 94 u.a./88, BVerfGE 81, 347 <356>). Zivilprozesskosten erwachsen Kläger wie Beklagtem deshalb unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 117; Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz C 57).

14

b) Entgegen der bisherigen Rechtsprechung ist für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Denn der Steuerpflichtige muss, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten. Dieser Unausweichlichkeit steht nicht entgegen, dass mit den Kosten eines Zivilprozesses in der Regel nur die unterliegende Partei (§ 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung) belastet ist. Denn der Einwand, der Unterliegende hätte bei gehöriger Prüfung seiner Rechte und Pflichten erkennen können, der Prozess werde keinen Erfolg haben, wird der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Vorherzusagen wie ein Gericht entscheiden wird, ist "riskant" (Tipke, Steuer und Wirtschaft 2008, 377 <380>). Denn nur selten findet sich der zu entscheidende Sachverhalt so deutlich im Gesetz wieder, dass der Richter seine Entscheidung mit arithmetischer Gewissheit aus dem Gesetzestext ablesen kann. Nicht zuletzt deshalb bietet die Rechtsordnung ihren Bürgern ein sorgfältig ausgebautes und mehrstufiges Gerichtssystem an.

15

c) Als außergewöhnliche Belastungen sind Zivilprozesskosten jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er muss diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider --auch des Kostenrisikos-- eingegangen sein (vgl. Stöcker in Lademann, EStG, § 33 EStG Rz 495). Demgemäß sind Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (vgl. Kanzler, a.a.O.; Arndt, a.a.O.).

16

d) Schließlich steht dem Abzug von Zivilprozesskosten nach § 33 EStG auch nicht Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen. Die steuerliche Entlastung derartiger Aufwendungen dient nicht dazu, dem Steuerpflichtigen die "Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko zu seinem Nachteil realisiert hat", sondern sucht der verminderten subjektiven Leistungsfähigkeit des Betroffenen Rechnung zu tragen (Kanzler, a.a.O., § 33 EStG Rz 9; Arndt, a.a.O., § 33 Rz A 8). Demgemäß sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BFHE 231, 158, und vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794, m.w.N.). Zu den üblichen Kosten der Lebensführung, zu denen sozialhilferechtlicher Regelbedarf nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch i.V.m. dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (BGBl I 2011, 453) und der Versorgungsbedarf für den Krankheits- und Pflegefall zählen (vgl. den für das Streitjahr maßgebenden Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2005 , BTDrucks 15/2462), gehören Zivilprozesskosten jedoch nicht.

17

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe dem Kläger Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und außergerichtliche Kosten durch den Zivilprozess entstanden sind. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang nachholen müssen. Sodann hat das Gericht die Gesamtumstände des Einzelfalls --ex ante-- dahingehend zu würdigen, ob der Prozess, den der Kläger angestrengt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt worden ist. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Dies hat das FG im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen. Darüber hinaus hat das Gericht festzustellen, in welchem Veranlagungszeitraum der Kläger die streitigen Prozesskosten getragen hat. Denn diese sind nach § 11 EStG jeweils in dem Veranlagungszeitraum der Zahlung als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Schließlich weist der Senat darauf hin, dass nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG außergewöhnliche Belastungen nur insoweit abzugsfähig sind, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Gegebenenfalls erlangte Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, BFHE 232, 518).

18

Einer Entscheidung über den geltend gemachten Gehörsverstoß bedurfte es angesichts der Aufhebung der Vorentscheidung des FG nicht.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Zivilprozesskosten wegen einer Klage auf Zahlung von Krankentagegeld als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für die Klägerin bestand eine private Krankenversicherung bei der R, die eine Krankentagegeld-Versicherung für ein tägliches Krankengeld von 51 € nach Ablauf von sechs Wochen einer Arbeitsunfähigkeit umfasste. Die Klägerin war als Geschäftsleitungsassistentin nichtselbständig tätig. Anfang 2004 traten bei ihr Probleme mit dem Gebrauch der rechten Hand und Bewegungsstörungen des rechten Beines auf. Bei ihr wurden eine fokale Dystonie und eine spastische Hemiphlegie diagnostiziert. Die Klägerin wurde krankgeschrieben. Nach sechs Wochen stellte der Arbeitgeber seine Gehaltszahlungen ein. Daraufhin wurde die R in Anspruch genommen, die zunächst das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld zahlte. Auf Veranlassung der R wurde die Klägerin am 28. Januar 2005 von einem Mitarbeiter des Vertrauensarztes H untersucht. In dem von H erstellten Gutachten wurde der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Er diagnostizierte eine fokale Dystonie bzw. ein Parkinson-Syndrom. Ein halbes Jahr später musste die Klägerin sich erneut bei H vorstellen. Dieser kam in seinem daraufhin angefertigten Gutachten vom 29. Juli 2005 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin immer noch Arbeitsunfähigkeit bestehe. Weiterhin stellte er fest, dass zwischenzeitlich auch Berufsunfähigkeit eingetreten sei. Die R stellte sich daraufhin auf den Standpunkt, dass bei der Klägerin ab dem 28. Juli 2005 Berufsunfähigkeit eingetreten sei und damit die Leistungspflicht zur Zahlung von Krankentagegeld drei Monate nach Beginn der Berufsunfähigkeit ende. Dementsprechend wurde letztmalig am 28. Oktober 2005 der versicherte Tagessatz gezahlt. Ab dem 1. August 2006 wurde der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt (Bescheid vom 31. Januar 2007).

3

Im Dezember 2005 erhob der Kläger als Versicherungsnehmer Klage gegen die R. Die Klage war auf die Feststellung des Fortbestands der Krankentagegeldversicherung sowie die Zahlung von Krankentagegeld ab dem 28. Oktober 2005 gerichtet. Nachdem der Klägerin die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuerkannt worden war, wurde der Feststellungsantrag für erledigt erklärt; der Kläger beantragte lediglich noch die Zahlung von 14.111 € (Krankentagegeld vom 28. Oktober 2005 bis 31. Juli 2006) nebst Zinsen. Mit Urteil des Landgerichts C vom 30. März 2007 wurde die Klage abgewiesen.

4

Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 machten die Kläger die Prozesskosten von 9.906 € als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht, weil Krankentagegeld regelmäßig steuerfrei sei und der Prozess somit nicht der Erzielung steuerbarer Einnahmen gedient habe. Den hiergegen gerichteten Einspruch, mit dem die Kläger geltend machten, die Prozesskosten seien als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 als unbegründet zurück.

5

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1607 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

7

Die Kläger beantragen,

das Urteil des FG Köln vom 18. November 2009  11 K 185/09 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 --zuletzt-- vom 6. April 2009 in der Weise zu ändern, dass Aufwendungen in Höhe von 9.906 € als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. 1. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Zivilprozesskosten des Klägers zu Unrecht vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen.

10

a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

11

b) Bei den Kosten eines Zivilprozesses, die vorliegend von den Beteiligten zutreffend nicht als Werbungskosten der Klägerin beurteilt worden sind, spricht nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, m.w.N.; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig erwachsen ist (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Es sei in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Lasse sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen; es entspräche nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, ihm die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko realisiert habe (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten bisher nur an, wenn der Prozess existentiell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFH/NV 2009, 533).

12

2. An dieser Rechtsauffassung hält der erkennende Senat nicht länger fest.

13

a) Denn die Auffassung, der Steuerpflichtige übernehme das Prozesskostenrisiko "freiwillig", verkennt, dass streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols, das der Verwirklichung des inneren Friedens dient (Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 71 Rz 76; Roman Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 72 Rz 38; Bardo Fassbender, Wissen als Grundlage staatlichen Handelns, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 76 Rz 26), regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren sind. Dies folgt aus dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (Helmuth Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 19 IV Rz 35). Es ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien werden zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten der Staatsbürger (Roman Herzog, a.a.O., § 72 Rz 26) vielmehr auf den Weg vor die Gerichte verwiesen (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1980  1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277 <292>; vom 13. März 1990  2 BvR 94 u.a./88, BVerfGE 81, 347 <356>). Zivilprozesskosten erwachsen Kläger wie Beklagtem deshalb unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 117; Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz C 57).

14

b) Entgegen der bisherigen Rechtsprechung ist für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Denn der Steuerpflichtige muss, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten. Dieser Unausweichlichkeit steht nicht entgegen, dass mit den Kosten eines Zivilprozesses in der Regel nur die unterliegende Partei (§ 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung) belastet ist. Denn der Einwand, der Unterliegende hätte bei gehöriger Prüfung seiner Rechte und Pflichten erkennen können, der Prozess werde keinen Erfolg haben, wird der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Vorherzusagen wie ein Gericht entscheiden wird, ist "riskant" (Tipke, Steuer und Wirtschaft 2008, 377 <380>). Denn nur selten findet sich der zu entscheidende Sachverhalt so deutlich im Gesetz wieder, dass der Richter seine Entscheidung mit arithmetischer Gewissheit aus dem Gesetzestext ablesen kann. Nicht zuletzt deshalb bietet die Rechtsordnung ihren Bürgern ein sorgfältig ausgebautes und mehrstufiges Gerichtssystem an.

15

c) Als außergewöhnliche Belastungen sind Zivilprozesskosten jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er muss diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider --auch des Kostenrisikos-- eingegangen sein (vgl. Stöcker in Lademann, EStG, § 33 EStG Rz 495). Demgemäß sind Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (vgl. Kanzler, a.a.O.; Arndt, a.a.O.).

16

d) Schließlich steht dem Abzug von Zivilprozesskosten nach § 33 EStG auch nicht Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen. Die steuerliche Entlastung derartiger Aufwendungen dient nicht dazu, dem Steuerpflichtigen die "Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko zu seinem Nachteil realisiert hat", sondern sucht der verminderten subjektiven Leistungsfähigkeit des Betroffenen Rechnung zu tragen (Kanzler, a.a.O., § 33 EStG Rz 9; Arndt, a.a.O., § 33 Rz A 8). Demgemäß sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BFHE 231, 158, und vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794, m.w.N.). Zu den üblichen Kosten der Lebensführung, zu denen sozialhilferechtlicher Regelbedarf nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch i.V.m. dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (BGBl I 2011, 453) und der Versorgungsbedarf für den Krankheits- und Pflegefall zählen (vgl. den für das Streitjahr maßgebenden Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2005 , BTDrucks 15/2462), gehören Zivilprozesskosten jedoch nicht.

17

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe dem Kläger Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und außergerichtliche Kosten durch den Zivilprozess entstanden sind. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang nachholen müssen. Sodann hat das Gericht die Gesamtumstände des Einzelfalls --ex ante-- dahingehend zu würdigen, ob der Prozess, den der Kläger angestrengt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt worden ist. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Dies hat das FG im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen. Darüber hinaus hat das Gericht festzustellen, in welchem Veranlagungszeitraum der Kläger die streitigen Prozesskosten getragen hat. Denn diese sind nach § 11 EStG jeweils in dem Veranlagungszeitraum der Zahlung als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Schließlich weist der Senat darauf hin, dass nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG außergewöhnliche Belastungen nur insoweit abzugsfähig sind, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Gegebenenfalls erlangte Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, BFHE 232, 518).

18

Einer Entscheidung über den geltend gemachten Gehörsverstoß bedurfte es angesichts der Aufhebung der Vorentscheidung des FG nicht.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Die Ausschlagung kann nur binnen sechs Wochen erfolgen.

(2) Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt. Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen, beginnt die Frist nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 entsprechende Anwendung.

(3) Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Zivilprozesskosten wegen einer Klage auf Zahlung von Krankentagegeld als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für die Klägerin bestand eine private Krankenversicherung bei der R, die eine Krankentagegeld-Versicherung für ein tägliches Krankengeld von 51 € nach Ablauf von sechs Wochen einer Arbeitsunfähigkeit umfasste. Die Klägerin war als Geschäftsleitungsassistentin nichtselbständig tätig. Anfang 2004 traten bei ihr Probleme mit dem Gebrauch der rechten Hand und Bewegungsstörungen des rechten Beines auf. Bei ihr wurden eine fokale Dystonie und eine spastische Hemiphlegie diagnostiziert. Die Klägerin wurde krankgeschrieben. Nach sechs Wochen stellte der Arbeitgeber seine Gehaltszahlungen ein. Daraufhin wurde die R in Anspruch genommen, die zunächst das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld zahlte. Auf Veranlassung der R wurde die Klägerin am 28. Januar 2005 von einem Mitarbeiter des Vertrauensarztes H untersucht. In dem von H erstellten Gutachten wurde der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Er diagnostizierte eine fokale Dystonie bzw. ein Parkinson-Syndrom. Ein halbes Jahr später musste die Klägerin sich erneut bei H vorstellen. Dieser kam in seinem daraufhin angefertigten Gutachten vom 29. Juli 2005 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin immer noch Arbeitsunfähigkeit bestehe. Weiterhin stellte er fest, dass zwischenzeitlich auch Berufsunfähigkeit eingetreten sei. Die R stellte sich daraufhin auf den Standpunkt, dass bei der Klägerin ab dem 28. Juli 2005 Berufsunfähigkeit eingetreten sei und damit die Leistungspflicht zur Zahlung von Krankentagegeld drei Monate nach Beginn der Berufsunfähigkeit ende. Dementsprechend wurde letztmalig am 28. Oktober 2005 der versicherte Tagessatz gezahlt. Ab dem 1. August 2006 wurde der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt (Bescheid vom 31. Januar 2007).

3

Im Dezember 2005 erhob der Kläger als Versicherungsnehmer Klage gegen die R. Die Klage war auf die Feststellung des Fortbestands der Krankentagegeldversicherung sowie die Zahlung von Krankentagegeld ab dem 28. Oktober 2005 gerichtet. Nachdem der Klägerin die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuerkannt worden war, wurde der Feststellungsantrag für erledigt erklärt; der Kläger beantragte lediglich noch die Zahlung von 14.111 € (Krankentagegeld vom 28. Oktober 2005 bis 31. Juli 2006) nebst Zinsen. Mit Urteil des Landgerichts C vom 30. März 2007 wurde die Klage abgewiesen.

4

Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 machten die Kläger die Prozesskosten von 9.906 € als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht, weil Krankentagegeld regelmäßig steuerfrei sei und der Prozess somit nicht der Erzielung steuerbarer Einnahmen gedient habe. Den hiergegen gerichteten Einspruch, mit dem die Kläger geltend machten, die Prozesskosten seien als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 als unbegründet zurück.

5

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1607 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

7

Die Kläger beantragen,

das Urteil des FG Köln vom 18. November 2009  11 K 185/09 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 --zuletzt-- vom 6. April 2009 in der Weise zu ändern, dass Aufwendungen in Höhe von 9.906 € als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. 1. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Zivilprozesskosten des Klägers zu Unrecht vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen.

10

a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

11

b) Bei den Kosten eines Zivilprozesses, die vorliegend von den Beteiligten zutreffend nicht als Werbungskosten der Klägerin beurteilt worden sind, spricht nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, m.w.N.; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig erwachsen ist (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Es sei in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Lasse sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen; es entspräche nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, ihm die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko realisiert habe (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten bisher nur an, wenn der Prozess existentiell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFH/NV 2009, 533).

12

2. An dieser Rechtsauffassung hält der erkennende Senat nicht länger fest.

13

a) Denn die Auffassung, der Steuerpflichtige übernehme das Prozesskostenrisiko "freiwillig", verkennt, dass streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols, das der Verwirklichung des inneren Friedens dient (Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 71 Rz 76; Roman Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 72 Rz 38; Bardo Fassbender, Wissen als Grundlage staatlichen Handelns, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 76 Rz 26), regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren sind. Dies folgt aus dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (Helmuth Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 19 IV Rz 35). Es ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien werden zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten der Staatsbürger (Roman Herzog, a.a.O., § 72 Rz 26) vielmehr auf den Weg vor die Gerichte verwiesen (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1980  1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277 <292>; vom 13. März 1990  2 BvR 94 u.a./88, BVerfGE 81, 347 <356>). Zivilprozesskosten erwachsen Kläger wie Beklagtem deshalb unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 117; Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz C 57).

14

b) Entgegen der bisherigen Rechtsprechung ist für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Denn der Steuerpflichtige muss, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten. Dieser Unausweichlichkeit steht nicht entgegen, dass mit den Kosten eines Zivilprozesses in der Regel nur die unterliegende Partei (§ 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung) belastet ist. Denn der Einwand, der Unterliegende hätte bei gehöriger Prüfung seiner Rechte und Pflichten erkennen können, der Prozess werde keinen Erfolg haben, wird der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Vorherzusagen wie ein Gericht entscheiden wird, ist "riskant" (Tipke, Steuer und Wirtschaft 2008, 377 <380>). Denn nur selten findet sich der zu entscheidende Sachverhalt so deutlich im Gesetz wieder, dass der Richter seine Entscheidung mit arithmetischer Gewissheit aus dem Gesetzestext ablesen kann. Nicht zuletzt deshalb bietet die Rechtsordnung ihren Bürgern ein sorgfältig ausgebautes und mehrstufiges Gerichtssystem an.

15

c) Als außergewöhnliche Belastungen sind Zivilprozesskosten jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er muss diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider --auch des Kostenrisikos-- eingegangen sein (vgl. Stöcker in Lademann, EStG, § 33 EStG Rz 495). Demgemäß sind Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (vgl. Kanzler, a.a.O.; Arndt, a.a.O.).

16

d) Schließlich steht dem Abzug von Zivilprozesskosten nach § 33 EStG auch nicht Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen. Die steuerliche Entlastung derartiger Aufwendungen dient nicht dazu, dem Steuerpflichtigen die "Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko zu seinem Nachteil realisiert hat", sondern sucht der verminderten subjektiven Leistungsfähigkeit des Betroffenen Rechnung zu tragen (Kanzler, a.a.O., § 33 EStG Rz 9; Arndt, a.a.O., § 33 Rz A 8). Demgemäß sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BFHE 231, 158, und vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794, m.w.N.). Zu den üblichen Kosten der Lebensführung, zu denen sozialhilferechtlicher Regelbedarf nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch i.V.m. dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (BGBl I 2011, 453) und der Versorgungsbedarf für den Krankheits- und Pflegefall zählen (vgl. den für das Streitjahr maßgebenden Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2005 , BTDrucks 15/2462), gehören Zivilprozesskosten jedoch nicht.

17

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe dem Kläger Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und außergerichtliche Kosten durch den Zivilprozess entstanden sind. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang nachholen müssen. Sodann hat das Gericht die Gesamtumstände des Einzelfalls --ex ante-- dahingehend zu würdigen, ob der Prozess, den der Kläger angestrengt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt worden ist. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Dies hat das FG im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen. Darüber hinaus hat das Gericht festzustellen, in welchem Veranlagungszeitraum der Kläger die streitigen Prozesskosten getragen hat. Denn diese sind nach § 11 EStG jeweils in dem Veranlagungszeitraum der Zahlung als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Schließlich weist der Senat darauf hin, dass nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG außergewöhnliche Belastungen nur insoweit abzugsfähig sind, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Gegebenenfalls erlangte Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, BFHE 232, 518).

18

Einer Entscheidung über den geltend gemachten Gehörsverstoß bedurfte es angesichts der Aufhebung der Vorentscheidung des FG nicht.

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Der Vorsitzende kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid (§ 90a) entscheiden. Dagegen ist nur der Antrag auf mündliche Verhandlung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides gegeben.

(3) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle des Senats entscheiden.

(4) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Zivilprozesskosten wegen einer Klage auf Zahlung von Krankentagegeld als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für die Klägerin bestand eine private Krankenversicherung bei der R, die eine Krankentagegeld-Versicherung für ein tägliches Krankengeld von 51 € nach Ablauf von sechs Wochen einer Arbeitsunfähigkeit umfasste. Die Klägerin war als Geschäftsleitungsassistentin nichtselbständig tätig. Anfang 2004 traten bei ihr Probleme mit dem Gebrauch der rechten Hand und Bewegungsstörungen des rechten Beines auf. Bei ihr wurden eine fokale Dystonie und eine spastische Hemiphlegie diagnostiziert. Die Klägerin wurde krankgeschrieben. Nach sechs Wochen stellte der Arbeitgeber seine Gehaltszahlungen ein. Daraufhin wurde die R in Anspruch genommen, die zunächst das vertraglich vereinbarte Krankentagegeld zahlte. Auf Veranlassung der R wurde die Klägerin am 28. Januar 2005 von einem Mitarbeiter des Vertrauensarztes H untersucht. In dem von H erstellten Gutachten wurde der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Er diagnostizierte eine fokale Dystonie bzw. ein Parkinson-Syndrom. Ein halbes Jahr später musste die Klägerin sich erneut bei H vorstellen. Dieser kam in seinem daraufhin angefertigten Gutachten vom 29. Juli 2005 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin immer noch Arbeitsunfähigkeit bestehe. Weiterhin stellte er fest, dass zwischenzeitlich auch Berufsunfähigkeit eingetreten sei. Die R stellte sich daraufhin auf den Standpunkt, dass bei der Klägerin ab dem 28. Juli 2005 Berufsunfähigkeit eingetreten sei und damit die Leistungspflicht zur Zahlung von Krankentagegeld drei Monate nach Beginn der Berufsunfähigkeit ende. Dementsprechend wurde letztmalig am 28. Oktober 2005 der versicherte Tagessatz gezahlt. Ab dem 1. August 2006 wurde der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt (Bescheid vom 31. Januar 2007).

3

Im Dezember 2005 erhob der Kläger als Versicherungsnehmer Klage gegen die R. Die Klage war auf die Feststellung des Fortbestands der Krankentagegeldversicherung sowie die Zahlung von Krankentagegeld ab dem 28. Oktober 2005 gerichtet. Nachdem der Klägerin die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuerkannt worden war, wurde der Feststellungsantrag für erledigt erklärt; der Kläger beantragte lediglich noch die Zahlung von 14.111 € (Krankentagegeld vom 28. Oktober 2005 bis 31. Juli 2006) nebst Zinsen. Mit Urteil des Landgerichts C vom 30. März 2007 wurde die Klage abgewiesen.

4

Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 machten die Kläger die Prozesskosten von 9.906 € als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht, weil Krankentagegeld regelmäßig steuerfrei sei und der Prozess somit nicht der Erzielung steuerbarer Einnahmen gedient habe. Den hiergegen gerichteten Einspruch, mit dem die Kläger geltend machten, die Prozesskosten seien als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 als unbegründet zurück.

5

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1607 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

7

Die Kläger beantragen,

das Urteil des FG Köln vom 18. November 2009  11 K 185/09 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2009 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 --zuletzt-- vom 6. April 2009 in der Weise zu ändern, dass Aufwendungen in Höhe von 9.906 € als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. 1. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Zivilprozesskosten des Klägers zu Unrecht vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen.

10

a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

11

b) Bei den Kosten eines Zivilprozesses, die vorliegend von den Beteiligten zutreffend nicht als Werbungskosten der Klägerin beurteilt worden sind, spricht nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, m.w.N.; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig erwachsen ist (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Es sei in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags)Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Lasse sich der Steuerpflichtige trotz ungewissen Ausgangs auf einen Prozess ein, liege die Ursache für die Prozesskosten in seiner Entscheidung, das Prozesskostenrisiko in der Hoffnung auf ein für ihn günstiges Ergebnis in Kauf zu nehmen; es entspräche nicht Sinn und Zweck des § 33 EStG, ihm die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko realisiert habe (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten bisher nur an, wenn der Prozess existentiell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFH/NV 2009, 533).

12

2. An dieser Rechtsauffassung hält der erkennende Senat nicht länger fest.

13

a) Denn die Auffassung, der Steuerpflichtige übernehme das Prozesskostenrisiko "freiwillig", verkennt, dass streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols, das der Verwirklichung des inneren Friedens dient (Josef Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 71 Rz 76; Roman Herzog, Ziele, Vorbehalte und Grenzen der Staatstätigkeit, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 72 Rz 38; Bardo Fassbender, Wissen als Grundlage staatlichen Handelns, in: Handbuch des Staatsrechts, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 76 Rz 26), regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren sind. Dies folgt aus dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) allgemein niedergelegt ist und für den Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (Helmuth Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 19 IV Rz 35). Es ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien werden zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten der Staatsbürger (Roman Herzog, a.a.O., § 72 Rz 26) vielmehr auf den Weg vor die Gerichte verwiesen (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1980  1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277 <292>; vom 13. März 1990  2 BvR 94 u.a./88, BVerfGE 81, 347 <356>). Zivilprozesskosten erwachsen Kläger wie Beklagtem deshalb unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 117; Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz C 57).

14

b) Entgegen der bisherigen Rechtsprechung ist für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Denn der Steuerpflichtige muss, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten. Dieser Unausweichlichkeit steht nicht entgegen, dass mit den Kosten eines Zivilprozesses in der Regel nur die unterliegende Partei (§ 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung) belastet ist. Denn der Einwand, der Unterliegende hätte bei gehöriger Prüfung seiner Rechte und Pflichten erkennen können, der Prozess werde keinen Erfolg haben, wird der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Vorherzusagen wie ein Gericht entscheiden wird, ist "riskant" (Tipke, Steuer und Wirtschaft 2008, 377 <380>). Denn nur selten findet sich der zu entscheidende Sachverhalt so deutlich im Gesetz wieder, dass der Richter seine Entscheidung mit arithmetischer Gewissheit aus dem Gesetzestext ablesen kann. Nicht zuletzt deshalb bietet die Rechtsordnung ihren Bürgern ein sorgfältig ausgebautes und mehrstufiges Gerichtssystem an.

15

c) Als außergewöhnliche Belastungen sind Zivilprozesskosten jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er muss diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider --auch des Kostenrisikos-- eingegangen sein (vgl. Stöcker in Lademann, EStG, § 33 EStG Rz 495). Demgemäß sind Zivilprozesskosten des Klägers wie des Beklagten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot (vgl. Kanzler, a.a.O.; Arndt, a.a.O.).

16

d) Schließlich steht dem Abzug von Zivilprozesskosten nach § 33 EStG auch nicht Sinn und Zweck der Vorschrift entgegen. Die steuerliche Entlastung derartiger Aufwendungen dient nicht dazu, dem Steuerpflichtigen die "Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko zu seinem Nachteil realisiert hat", sondern sucht der verminderten subjektiven Leistungsfähigkeit des Betroffenen Rechnung zu tragen (Kanzler, a.a.O., § 33 EStG Rz 9; Arndt, a.a.O., § 33 Rz A 8). Demgemäß sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind, sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen (z.B. BFH-Urteile vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09, BFHE 231, 158, und vom 15. April 2010 VI R 51/09, BFHE 229, 206, BStBl II 2010, 794, m.w.N.). Zu den üblichen Kosten der Lebensführung, zu denen sozialhilferechtlicher Regelbedarf nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch i.V.m. dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (BGBl I 2011, 453) und der Versorgungsbedarf für den Krankheits- und Pflegefall zählen (vgl. den für das Streitjahr maßgebenden Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2005 , BTDrucks 15/2462), gehören Zivilprozesskosten jedoch nicht.

17

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das FG keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe dem Kläger Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und außergerichtliche Kosten durch den Zivilprozess entstanden sind. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang nachholen müssen. Sodann hat das Gericht die Gesamtumstände des Einzelfalls --ex ante-- dahingehend zu würdigen, ob der Prozess, den der Kläger angestrengt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig geführt worden ist. Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reicht nicht aus. Der Erfolg muss mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Dies hat das FG im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen. Darüber hinaus hat das Gericht festzustellen, in welchem Veranlagungszeitraum der Kläger die streitigen Prozesskosten getragen hat. Denn diese sind nach § 11 EStG jeweils in dem Veranlagungszeitraum der Zahlung als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Schließlich weist der Senat darauf hin, dass nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG außergewöhnliche Belastungen nur insoweit abzugsfähig sind, als sie notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten. Gegebenenfalls erlangte Leistungen aus einer Rechtsschutzversicherung sind im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 2011 VI R 16/10, BFHE 232, 518).

18

Einer Entscheidung über den geltend gemachten Gehörsverstoß bedurfte es angesichts der Aufhebung der Vorentscheidung des FG nicht.

(1) Wer die Erteilung eines Erbscheins als gesetzlicher Erbe beantragt, hat anzugeben

1.
den Zeitpunkt des Todes des Erblassers,
2.
den letzten gewöhnlichen Aufenthalt und die Staatsangehörigkeit des Erblassers,
3.
das Verhältnis, auf dem sein Erbrecht beruht,
4.
ob und welche Personen vorhanden sind oder vorhanden waren, durch die er von der Erbfolge ausgeschlossen oder sein Erbteil gemindert werden würde,
5.
ob und welche Verfügungen des Erblassers von Todes wegen vorhanden sind,
6.
ob ein Rechtsstreit über sein Erbrecht anhängig ist,
7.
dass er die Erbschaft angenommen hat,
8.
die Größe seines Erbteils.
Ist eine Person weggefallen, durch die der Antragsteller von der Erbfolge ausgeschlossen oder sein Erbteil gemindert werden würde, so hat der Antragsteller anzugeben, in welcher Weise die Person weggefallen ist.

(2) Wer die Erteilung des Erbscheins auf Grund einer Verfügung von Todes wegen beantragt, hat

1.
die Verfügung zu bezeichnen, auf der sein Erbrecht beruht,
2.
anzugeben, ob und welche sonstigen Verfügungen des Erblassers von Todes wegen vorhanden sind, und
3.
die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 bis 8 sowie Satz 2 vorgeschriebenen Angaben zu machen.

(3) Der Antragsteller hat die Richtigkeit der Angaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 3 sowie Satz 2 durch öffentliche Urkunden nachzuweisen und im Fall des Absatzes 2 die Urkunde vorzulegen, auf der sein Erbrecht beruht. Sind die Urkunden nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu beschaffen, so genügt die Angabe anderer Beweismittel. Zum Nachweis, dass der Erblasser zur Zeit seines Todes im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hat, und zum Nachweis der übrigen nach den Absätzen 1 und 2 erforderlichen Angaben hat der Antragsteller vor Gericht oder vor einem Notar an Eides statt zu versichern, dass ihm nichts bekannt sei, was der Richtigkeit seiner Angaben entgegensteht. Das Nachlassgericht kann dem Antragsteller die Versicherung erlassen, wenn es sie für nicht erforderlich hält.

Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet.

(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.

(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.

(1) Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen, wenn Tatsachen nachträglich bekannt werden, bei deren Kenntnis die Zulassung hätte versagt werden müssen. Von der Rücknahme der Zulassung kann abgesehen werden, wenn die Gründe, aus denen die Zulassung hätte versagt werden müssen, nicht mehr bestehen.

(2) Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist zu widerrufen,

1.
wenn der Rechtsanwalt nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Grundrecht verwirkt hat;
2.
wenn der Rechtsanwalt infolge strafgerichtlicher Verurteilung die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter verloren hat;
3.
wenn der Rechtsanwalt aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, den Beruf eines Rechtsanwalts ordnungsgemäß auszuüben, es sei denn, dass sein Verbleiben in der Rechtsanwaltschaft die Rechtspflege nicht gefährdet;
4.
wenn der Rechtsanwalt auf die Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft der Rechtsanwaltskammer gegenüber schriftlich verzichtet hat;
5.
wenn der Rechtsanwalt zum Richter oder Beamten auf Lebenszeit ernannt, in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten berufen oder nach § 6 des Abgeordnetengesetzes oder entsprechenden Rechtsvorschriften wieder in das frühere Dienstverhältnis als Richter oder Beamter auf Lebenszeit oder als Berufssoldat zurückgeführt wird und nicht auf die Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verzichtet;
6.
(weggefallen)
7.
wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, daß dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind; ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das Schuldnerverzeichnis (§ 882b der Zivilprozessordnung) eingetragen ist;
8.
wenn der Rechtsanwalt eine Tätigkeit ausübt, die mit seinem Beruf, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann; dies gilt nicht, wenn der Widerruf für ihn eine unzumutbare Härte bedeuten würde;
9.
wenn der Rechtsanwalt nicht die vorgeschriebene Berufshaftpflichtversicherung (§ 51) unterhält.

(3) Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft kann widerrufen werden, wenn der Rechtsanwalt

1.
nicht binnen drei Monaten, nachdem die Pflicht hierzu entstanden ist, im Bezirk der Rechtsanwaltskammer eine Kanzlei einrichtet;
2.
nicht binnen drei Monaten eine ihm bei der Befreiung nach § 29 Abs. 1 oder § 29a Abs. 2 gemachte Auflage erfüllt;
3.
nicht binnen drei Monaten, nachdem er von der Pflicht, eine Kanzlei zu unterhalten, befreit worden (§ 29 Abs. 1, § 29a Abs. 2) oder der bisherige Zustellungsbevollmächtigte weggefallen ist, einen Zustellungsbevollmächtigten benennt;
4.
seine Kanzlei aufgibt, ohne dass er von der Pflicht des § 27 Abs. 1 befreit worden ist.

(4) Ordnet die Rechtsanwaltskammer die sofortige Vollziehung der Verfügung an, sind § 155 Abs. 2, 4 und 5, § 156 Abs. 2, § 160 Abs. 1 Satz 2 und § 161 entsprechend anzuwenden. Im Fall des Absatzes 2 Nr. 9 ist die Anordnung in der Regel zu treffen.

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

Vor der Annahme der Erbschaft kann ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet, nicht gegen den Erben gerichtlich geltend gemacht werden.

(1) Der Erbe haftet für die Nachlassverbindlichkeiten.

(2) Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören außer den vom Erblasser herrührenden Schulden die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten, insbesondere die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen.

Die Versäumung der Ausschlagungsfrist kann in gleicher Weise wie die Annahme angefochten werden.

(1) Solange der Erbe die Erbschaft nicht angenommen hat, ist eine Zwangsvollstreckung wegen eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, nur in den Nachlass zulässig.

(2) Wegen eigener Verbindlichkeiten des Erben ist eine Zwangsvollstreckung in den Nachlass vor der Annahme der Erbschaft nicht zulässig.

(1) Der als Erbe des Schuldners verurteilte Beklagte kann die Beschränkung seiner Haftung nur geltend machen, wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist.

(2) Der Vorbehalt ist nicht erforderlich, wenn der Fiskus als gesetzlicher Erbe verurteilt wird oder wenn das Urteil über eine Nachlassverbindlichkeit gegen einen Nachlassverwalter oder einen anderen Nachlasspfleger oder gegen einen Testamentsvollstrecker, dem die Verwaltung des Nachlasses zusteht, erlassen wird.

(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.

(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.

(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.

Die Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten beschränkt sich auf den Nachlass, wenn eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger (Nachlassverwaltung) angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet ist.

(1) Ist die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wegen Mangels einer den Kosten entsprechenden Masse nicht tunlich oder wird aus diesem Grunde die Nachlassverwaltung aufgehoben oder das Insolvenzverfahren eingestellt, so kann der Erbe die Befriedigung eines Nachlassgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht. Der Erbe ist in diesem Fall verpflichtet, den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben.

(2) Das Recht des Erben wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gläubiger nach dem Eintritt des Erbfalls im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung ein Pfandrecht oder eine Hypothek oder im Wege der einstweiligen Verfügung eine Vormerkung erlangt hat.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 21. Februar 2012  1 K 75/11 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die im Jahr 1984 geschlossene Ehe des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) wurde durch Urteil des Amtsgerichts (AG) X vom 3. März 2009 geschieden. Das amtsgerichtliche Urteil erging auf Antrag der früheren Ehefrau (E) des Klägers als sog. Verbundurteil. Das AG entschied hierin sowohl über die Ehesache als auch über den Versorgungsausgleich und den nachehelichen Unterhalt. Mit Beschluss vom 1. April 2009 setzte das AG den Streitwert für die Ehescheidung auf 6.150 €, für den Versorgungsausgleich auf 1.000 € und für den Unterhalt auf 8.400 € fest.

2

Der Kläger legte gegen das Urteil des AG wegen seiner Verurteilung zur Zahlung des nachehelichen Unterhalts Berufung, die E Anschlussberufung ein. Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Y schlossen der Kläger und die E auf Vorschlag des OLG-Senats zur Erledigung des Rechtsstreits einen Vergleich, mit dem der nacheheliche Unterhalt, den der Kläger nach dem amtsgerichtlichen Urteil bis zum 30. April 2014 an die E zu zahlen hatte, von 605 € auf 450 € monatlich herabgesetzt wurde.

3

Die Prozessbevollmächtigten des Klägers rechneten mit Kostenrechnung vom 6. April 2009 für das Verfahren wegen Ehescheidung, Versorgungsausgleich und nachehelichen Unterhalts vor dem AG Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 1.707,65 € nach einem Gesamtstreitwert von 15.550 € ab. Abzüglich der vom Kläger im Jahr 2008 geleisteten Abschlagszahlungen verblieb ein Rechnungsbetrag in Höhe von 1.107,65 €. Für das Verfahren vor dem OLG stellten die Prozessbevollmächtigten dem Kläger mit Kostenrechnung vom 27. August 2009 insgesamt 2.171,99 € nach einem Streitwert von 8.000 € in Rechnung.

4

Der Kläger machte die vorgenannten Rechtsanwaltskosten im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2009) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte die Rechtsanwaltskosten jedoch auch im Einspruchsverfahren nicht als außergewöhnliche Belastungen an.

5

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 523 veröffentlichten Gründen statt.

6

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

7

Es beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Schleswig-Holsteinischen FG vom 21. Februar 2012  1 K 75/11 die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die geltend gemachten Prozesskosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt.

10

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, und vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

11

a) Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Derartige Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Vielmehr sei es in der Regel der freien Entscheidung der (Vertrags-)Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozess(kosten)risiko aussetzten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2009, 553).

12

b) Demgegenüber nahm der Senat in seinem Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Auffassung hat auch das FG dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.

13

c) Der Senat hält an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung allerdings nicht mehr fest. Wie er in seinem Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14 (BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800) entschieden hat, kehrt er unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil in BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800 Bezug genommen.

14

2. Nach diesen Maßstäben ist auch im Streitfall zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten für die zivilprozessuale Auseinandersetzung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Zivilprozesskosten sind demnach nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann der Steuerpflichtige auch bei unsicheren Erfolgsaussichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, sodass die Prozesskosten zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.

15

a) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung hat daher keinen Bestand.

16

b) Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen allerdings in der Sache selbst entscheiden. Die vom Kläger getragenen Rechtsanwaltskosten sind im Ergebnis nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen.

17

Die Rechtsanwaltskosten gemäß der Kostenrechnung vom 6. April 2009 betrafen das familiengerichtliche Verfahren vor dem AG wegen der Ehesache (Scheidung der Ehe) sowie wegen des Versorgungsausgleichs und des nachehelichen Unterhalts.

18

aa) Durch Ehescheidungsverfahren entstandene Prozesskosten hat der BFH als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die Begründung dafür hat im Laufe der Zeit gewechselt. Während zunächst auf den rechtsgestaltenden Charakter der Ehescheidung, also auf rechtliche Gründe abgestellt wurde (Senatsurteil vom 8. November 1974 VI R 22/72, BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111), prüfte der erkennende Senat die Zwangsläufigkeit von Ehescheidungskosten später unter dem Gesichtspunkt der Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen (Urteil vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Dabei vertrat er die Auffassung, es könne insbesondere wegen des im Ehescheidungsrecht maßgebenden Zerrüttungsprinzips im Regelfall davon ausgegangen werden, dass sich Ehepartner nur scheiden ließen, wenn die Ehe so zerrüttet sei, dass ihnen ein Festhalten an ihr nicht mehr möglich sei. Deshalb sei die Zwangsläufigkeit bei Ehescheidungen grundsätzlich zu bejahen.

19

Der Streitfall erfordert keine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung und ihrer Begründung. Es bedarf hier auch keiner Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung auch unter Geltung der für das Streitjahr noch nicht anwendbaren Regelung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG, die durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (BGBl I 2013, 1809) neu in das Einkommensteuergesetz eingefügt wurde, festzuhalten ist. Denn sie bezieht sich nur auf die infolge der prozessualen Durchführung des Ehescheidungsverfahrens unmittelbar und unvermeidbar entstehenden Kosten, also im Regelfall auf die Gerichts- und Anwaltskosten des Scheidungsprozesses (BFH-Urteile in BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111, und vom 10. Februar 1977 IV R 87/74, BFHE 121, 440, BStBl II 1977, 462). Folgekosten eines Ehescheidungsprozesses sind nach der Rechtsprechung des BFH nur insoweit als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, als sie unmittelbar und unvermeidbar durch die Ehescheidung entstehen (BFH-Urteil vom 21. Februar 1992 III R 88/90, BFHE 168, 39, BStBl II 1992, 795).

20

Nicht als zwangsläufig hat der BFH Scheidungsfolgesachen angesehen, die nicht nach § 623 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) a.F. zusammen mit der Scheidungssache zu verhandeln und zu entscheiden waren und deshalb nicht mit der Scheidung in einem unlösbaren prozessualen Zusammenhang standen (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596 --Schiedsvergleich vor der Scheidung--; BFH-Beschlüsse vom 9. Mai 1996 III B 180/95, BFH/NV 1996, 882 --Kosten eines Zivilprozesses, der nach der Scheidung um vermögensrechtliche Ansprüche nach Gütertrennung geführt wurde--; vom 22. März 2002 III B 158/01, BFH/NV 2002, 1025 --Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Teilungsversteigerung des Familienheims nach der Scheidung--, und vom 21. März 2003 III B 110/02, BFH/NV 2003, 937 --Kosten der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung--).

21

bb) Nach dem im Streitfall anzuwendenden Scheidungsrecht waren bestimmte, für den Fall der Scheidung zu treffende Familiensachen (sog. Folgesachen) --wie die Auseinandersetzung über das gemeinsame Vermögen und Regelungen über den Unterhalt-- zusammen mit der Scheidungssache zu verhandeln und zu entscheiden (sog. Verbund), wenn dies von einem Ehegatten rechtzeitig begehrt wurde (§§ 623, 621 ZPO a.F.). Nur der Versorgungsausgleich von Rentenanwartschaften gemäß § 1587b des Bürgerlichen Gesetzbuchs a.F. war ohne Antrag zusammen mit der Scheidungssache durchzuführen (sog. Zwangsverbund, § 623 Abs. 1 Satz 3 ZPO a.F.).

22

cc) Der Senat hält daran fest, dass Kosten familienrechtlicher und sonstiger Regelungen im Zusammenhang mit der Ehescheidung grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Das gilt jedenfalls für alle Regelungen, die außerhalb des sog. Zwangsverbunds durch das Familiengericht oder außergerichtlich getroffen worden sind. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber den (früheren) Eheleuten Inhalt und Verfahren der Regelung ihrer Verhältnisse im Wesentlichen in gleicher Weise zur eigenverantwortlichen Gestaltung übertragen hat wie in bestehender Ehe oder im Falle nichtehelicher Familienbeziehungen (vgl. BFH-Urteile vom 30. Juni 2005 III R 27/04, BFHE 210, 306, BStBl II 2006, 492, und III R 36/03, BFHE 210, 302, BStBl II 2006, 491; ebenso FG München, Urteil vom 21. August 2012  10 K 800/10, EFG 2013, 451). Besonderheiten des Scheidungsverfahrens, die eine Berücksichtigung der in dieser Situation zu tragenden Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung rechtfertigen, lassen sich der im Streitfall geltenden Gestaltung des Familienrechts nicht entnehmen.

23

Die Folgesachen außerhalb des sog. Zwangsverbunds, wie die Auseinandersetzung über das gemeinsame Vermögen oder den nachehelichen Unterhalt, können ohne Mitwirkung des Familiengerichts geregelt werden. Werden sie auf Antrag zusammen mit der Scheidung durch das Familiengericht entschieden, sind dadurch entstehende Prozesskosten somit nicht zwangsläufig.

24

Diese Scheidungsfolgekosten sind hiernach auch dann nicht als zwangsläufig anzusehen, wenn ein Ehegatte die --Kosten auslösende-- Aufnahme von Scheidungsfolgesachen in den Scheidungsverbund nicht verhindern kann, weil der andere Ehegatte dies beantragt. Denn die Frage, ob der Steuerpflichtige die Entstehung der Prozesskosten verhindern kann oder nicht, ist für den Abzug der Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung allenfalls insoweit von Bedeutung, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Letzteres ist bei den Scheidungsfolgesachen außerhalb des sog. Zwangsverbunds indes zu verneinen. Auch bei einem gewöhnlichen Zivilprozess, der keine Scheidungsfolgesachen betrifft, kann sich ein Beklagter dem Rechtsstreit in der Regel nicht entziehen. Er wird allein durch die Klage und regelmäßig gegen seinen Willen in den Rechtsstreit hineingezogen.

25

dd) Nach diesen Maßstäben können die Rechtsanwaltskosten des Klägers für das Verfahren vor dem OLG nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Das Verfahren vor dem OLG betraf ausschließlich die Berufung (und Anschlussberufung) gegen die Entscheidung des AG über den nachehelichen Unterhalt.

26

Auch die Rechtsanwaltskosten des Klägers für seine Vertretung im amtsgerichtlichen Verfahren sind jedenfalls insoweit keine außergewöhnliche Belastung, als sie auf den nachehelichen Unterhalt entfallen.

27

Der Prozentsatz der als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigenden Aufwendungen ermittelt sich bei Prozesskosten dadurch, dass der Streitwert der Klageanträge, soweit sie einen existenziell wichtigen Bereich betreffen, zur Summe der Streitwerte aller Klageanträge ins Verhältnis gesetzt wird (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 553).

28

Der Anteil des Streitwerts, der das Ehescheidungsverfahren und das zum Zwangsverbund gehörende Verfahren über den Versorgungsausgleich betrifft, am Streitwert aller Klageanträge beträgt im Streitfall 46 % ((6.150 + 1.000) / 15.550 x 100). Hiernach sind im Streitjahr allenfalls 510 € (1.107,65 € x 46 / 100) Rechtsanwaltskosten aus der Rechnung vom 6. April 2009 als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.

29

Hinsichtlich der in der Rechnung vom 6. April 2009 ausgewiesenen Abschlagszahlungen, die der Kläger auf die Gesamtforderung seiner Prozessbevollmächtigten für das amtsgerichtliche Verfahren in Höhe von insgesamt 1.707,65 € gezahlt hat, kommt ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen im Streitfall bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger die Abschlagszahlungen nicht im Streitjahr geleistet hat (§ 11 Abs. 2 EStG). Auch bei außergewöhnlichen Belastungen richtet sich der Abzugszeitpunkt nach § 11 Abs. 2 EStG (BFH-Urteil vom 30. Juni 1999 III R 8/95, BFHE 189, 371, BStBl II 1999, 766; Schmidt/ Krüger, EStG, 34. Aufl., § 11 Rz 5). Dies hat das FG auch auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung nicht beachtet.

30

Nach Abzug der zumutbaren Belastung gemäß § 33 Abs. 3 EStG in Höhe von 6 % des Gesamtbetrages der Einkünfte (6 % x 34.117 € = 2.047 €) und Ansatz der bei der Einkommensteuerfestsetzung bereits anerkannten außergewöhnlichen Belastungen von 163 € sind dementsprechend keine außergewöhnlichen Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen.

31

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Tenor

Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 5. November 2010 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 21. März 2011 werden geändert.

Die dem Kläger aus Anlass seines gerichtlichen Scheidungsverfahrens in 1. und 2. Instanz entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 3.879,64 Euro sind als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Die Einkommensteuer ist unter Berücksichtigung der zumutbaren Belastung entsprechend herabzusetzen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Anerkennung von Anwaltskosten aus einem Scheidungsverbundverfahren als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG).

2

Die im Jahre 1984 geschlossene Ehe des Klägers wurde durch Urteil des Amtsgerichts vom 3. März 2009 geschieden. Das Scheidungsurteil, auf dessen Inhalt verwiesen wird, ist auf Antrag der früheren Ehefrau des Klägers als sogenanntes Verbundurteil ergangen. Das Familiengericht erkannte gemäß § 623 Abs. 1 i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung (ZPO) in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung zugleich über den durch die Ehe begründeten Unterhaltsanspruch und verurteilte den Kläger zur Zahlung eines monatlichen Ehegattenunterhalts in Höhe von 605 Euro, befristet bis zum 30. April 2014. Es handelt sich hierbei um 3/7 seines unterhaltsrechtlich relevanten (Netto-) Einkommens von 1.410 Euro. In dem vom Kläger mit Rücksicht auf den Unterhaltsausspruch angestrengten Berufungsverfahren schlossen die Parteien vor dem Oberlandesgericht einen Vergleich, in dem der monatliche Unterhalt auf 450 Euro herabgesetzt wurde. Für die anwaltliche Vertretung in beiden Instanzen zahlte der Kläger auf die Rechnungen seiner Bevollmächtigten vom 6. April 2009 und vom 27. August 2009 abzüglich bereits im Vorjahr geleisteter Vorschüsse 3.879,64 Euro.

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Im Rahmen seiner Einkommensteuer(ESt-)Erklärung 2009 begehrte der Kläger die Anerkennung von Anwaltskosten in Höhe von 3.655 Euro als außergewöhnliche Belastung. Der Beklagte, das Finanzamt (FA), lehnte dies ab. Der ESt-Bescheid 2009 vom 5. November 2010 enthält hierzu folgende Begründung:

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„Die erklärten Scheidungskosten i.H.v. 3.655 Euro konnten nicht anerkannt werden, weil die Kosten auch den nachehelichen Unterhalt betreffen. Insoweit konnte nicht festgestellt werden wie hoch der Anteil der Prozesskosten für die Scheidung war. Da bereits im Vorjahr Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.859,53 Euro als Scheidungskosten anerkannt wurden, wurde davon ausgegangen, dass es sich bei den Aufwendungen nicht die unmittelbaren und unvermeidlichen Kosten des Scheidungsprozesses gehandelt hat“.

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Hiergegen erhob der Kläger am 6. Dezember 2010 Einspruch: Der nacheheliche Unterhalt sei vom OLG Schleswig im August 2009 geregelt worden. Die hierdurch entstandenen Kosten bezögen sich somit auf das Scheidungsurteil. Das FA erwiderte mit Schreiben vom 28. Dezember 2010, über den nachehelichen Unterhalt sei lediglich als sogenannte Folgesache in einem beantragten Verbundverfahren entschieden worden. Die auf die Folgesache entfallenden anteiligen Prozesskosten seien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht unvermeidbar und deshalb auch nicht zwangsläufig (BFH, Urteil vom 30. Juni 2005 III R 27/04, BStBl II 2006, 492). Mit Schreiben vom 9. März 2011 vertiefte das FA seine Ausführungen und wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 21. März 2011 zurück.

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Mit der am 7. April 2011 erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend:

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Das Scheidungsverfahren sei von der geschiedenen Ehefrau eingeleitet worden. Diese habe zugleich eine gerichtliche Entscheidung über ihren Unterhaltsanspruch beantragt. Das Gericht habe deshalb zwingend im Scheidungsverbundverfahren erkennen müssen. Er selbst habe keinerlei (prozessuale) Gestaltungsmöglichkeiten gehabt. Er habe sich gegen die vom Familiengericht ausgesprochene Unterhaltsverpflichtung im Berufungsverfahren zur Wehr setzen müssen und sich wegen des vor dem OLG geltenden Anwaltszwanges anwaltlich vertreten lassen müssen. Das vom FA angeführte BFH-Urteil III R 27/04 vom 30. Juni 2005 sei vom Sachverhalt nicht einschlägig, weil es darin um die Beurteilung der Kosten einer Vermögensauseinandersetzung zwischen Ehegatten gegangen sei. Im Übrigen sei die rechtliche Argumentation des Beklagten durch die Entscheidung des BFH vom 12. Mai 2011 VI R 42/10, BFH/NV 2011, 1308 überholt.

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Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 5. November 2010 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 21. März 2011 in der Weise zu ändern, dass die ihm aus Anlass seines gerichtlichen Scheidungsverfahrens in 1. und 2. Instanz entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 3.879,64 Euro als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind.

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Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.

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Der Unterhaltsstreit habe als lediglich antragsweise einbezogene Folgesache nicht in einem unlösbaren Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren gestanden. Dies folge aus den Gründen des BFH-Urteils III R 27/04 vom 30. Juni 2005.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet.

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Die dem Kläger aus Anlass des Scheidungsantrages seiner geschiedenen Ehefrau entstandenen Anwaltskosten 1. und 2. Instanz sind unter den vorliegenden Bedingungen als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG anzuerkennen.

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Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

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Für die Entscheidung, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, ist auf die wesentliche Ursache abzustellen, die zu den Aufwendungen geführt hat. Liegt diese in der vom Einzelnen gestaltbaren Lebensführung, kommt ein Abzug nicht in Betracht (vgl. BFH, Urteil vom 18. März 2004 III R 31/02, BStBl II 2004, 867). Die Kosten eines Zivilprozesses wurden bis zum Ergehen der Grundsatzentscheidung des BFH vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 lediglich in besonders gelagerten Fällen als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die erforderliche Zwangsläufigkeit der Kosten wurde nur dann bejaht, wenn die Durchführung eines Gerichtsverfahrens prozessrechtlich der einzige Weg war, das Klageziel zu erreichen. Dies wurde z.B. für Scheidungskosten bejaht, soweit sie unmittelbar und unvermeidbar durch die prozessuale Durchführung des Ehescheidungsverfahrens entstanden sind: Wenn Ehepartner sich scheiden ließen, sei davon auszugehen, dass die Ehe zerrüttet und deshalb die Ehescheidung aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig sei. Dabei wurde zunächst keine Unterscheidung zwischen dem Scheidungsverfahren als solchen und antragsweise in den Scheidungsverbund einbezogenen Folgesachen gemacht. Nach früherer Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 25. September 1980 IV B 5 -S 2284- 42/80 III, juris; Abschn. 186 der Einkommensteuer-Richtlinien -EStR- 1990; H 186-189 EStH ab 1993) waren Kosten der Ehescheidung auch hinsichtlich der Scheidungsfolgeregelungen als zwangsläufig erwachsen anzusehen. Damit sollte dem prozessualen Verbund und dem Umstand Rechnung getragen werden, dass im Verbundverfahren eine einheitliche Kostenentscheidung ergeht. Wegen der Degression der Gebührentabelle war eine Aufteilung des Gesamtstreitwertes nach den einzelnen Streitwertposten nicht möglich. Gemessen an diesen Grundsätzen wären die geltend gemachten Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

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Allerdings hatte der BFH in seiner Entscheidung vom 30. Juni 2005 III R 27/04 erkannt, dass die anteiligen Kosten einer Scheidungsfolgesache auch dann nicht als zwangsläufig anzusehen seien, wenn der andere Ehegatte die Einbeziehung in den Scheidungsverbund beantragt hat. Die Finanzverwaltung hat ihre Richtlinien unter Bezugnahme auf das vorgenannte Urteil entsprechend geändert. Diese Rechtsprechung ist jedoch nicht mehr aktuell. Durch Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10, BFH/NV 2011, 1612 hat der BFH neue Rechtsgrundsätze aufgestellt und erkannt, dass Zivilprozesskosten mit Rücksicht auf das staatliche Gewaltmonopol unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Unausweichlich seien derartige Aufwendungen jedoch nur, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, nicht mutwillig erscheint und einen angemessenen Betrag nicht überschreitet.

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Auf der Grundlage der aktuellen Rechtsprechung stellen die geltend gemachten Anwaltskosten (wieder) in vollem Umfang eine außergewöhnliche Belastung dar. Aufgrund des Scheidungsantrages seiner früheren Ehefrau und des von ihr gestellten Verbundantrages in Sachen Unterhalt musste sich der Kläger dem Verfahren ohne jeden eigenen Gestaltungsspielraum stellen. Sein Klagabweisungsantrag in Sachen Unterhaltsforderung erscheint weder ohne Aussicht auf Erfolg noch mutwillig: Die vom Kläger ausweislich des Tatbestands des familiengerichtlichen Urteils gegen die Unterhaltsforderung vorgebrachten Argumente erscheinen nachvollziehbar und können unter keinen Umständen als mutwillig qualifiziert werden. Dass hinreichende Erfolgsaussichten bestanden, ergibt sich mittelbar aus dem Umstand, dass der Kläger in 2. Instanz eine erhebliche Reduzierung der Unterhaltsforderung durchsetzen konnte. Die Prozesskosten können auch der Höhe nicht als unangemessen qualifiziert werden.

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Das Gericht erachtet auch mit Rücksicht auf den Nichtanwendungserlass der Verwaltung eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Gründen des BFH-Urteils vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 nicht für erforderlich. Dies insbesondere deshalb nicht, weil die hier zur Beurteilung stehenden Anwaltskosten des Scheidungsverfahrens auch bei einer sachgerechten Anwendung der früheren Rechtsprechungs- und Verwaltungsgrundsätze als zwangsläufig zu beurteilen wären. Die Kosten eines Scheidungsverfahrens sind nicht mit den Kosten eines beliebigen Zivilprozesses vergleichbar: Eine zerrüttete Ehe kann nur im Wege des familiengerichtlichen Scheidungsverfahrens beendet werden. Dementsprechend ist es unstreitig, dass die Scheidungskosten als solche eine außergewöhnliche Belastung darstellen. Eine Trennung der Scheidungskosten im engeren Sinne von den anteiligen Kosten einer Scheidungsfolgesache erachtet das Gericht für rechtlich nicht geboten. Stellt ein Ehegatte Antrag auf Verbundentscheidung mit seiner Unterhaltsforderung, dann hat das Familiengericht durch einheitliches Verbundurteil mit einheitlicher Kostenentscheidung zu erkennen. Es bestehen deshalb keinerlei Verhaltensspielräume. Dies muss im Rahmen des § 33 EStG angemessen Berücksichtigung finden. Die im Urteil des BFH vom 30. Juni 2005 III R 27/04 angesprochene Möglichkeit einer anderweitigen Kostenregelung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar ermöglichen die in Bezug genommenen Kostenregelungen der ZPO dem Familiengericht in besonderen Fällen eine kostenrechtliche Billigkeitsentscheidung. Allein hierdurch wird jedoch kein hinreichender Ausgleich für die durch eine Scheidungsverbundsache entstehende zusätzliche Kostenbelastung geschaffen. Dies insbesondere deshalb nicht, weil die kostenrechtlichen Entscheidungsmaßstäbe des Familiengerichts regelmäßig nicht mit den für eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG geltenden steuerlichen Maßstäben deckungsgleich sind. Im Streitfall kommt hinzu, dass der Kläger in 1. Instanz ungeachtet der von ihm geltend gemachten Verwirkungstatbestände zu einer vergleichsweise hohen Unterhaltsleistung verurteilt wurde, die ihm kaum mehr als den familienrechtlichen Selbstbehalt beließ. Die Durchführung eines Berufungsverfahrens stellte für ihn nach Lage der Dinge die einzige Korrekturmöglichkeit dar und war für seine persönliche Lebensführung von besonderer Bedeutung.

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Die geltend gemachten Anwaltskosten sind der Höhe nach durch Rechnungen belegt und nicht streitig. Nach allem ist der Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stattzugeben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i.V.m den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Die Rechtslage ist bereits höchstrichterlich geklärt. Unabhängig davon gehören Scheidungskosten auch nach alter Rechtsprechung zum typischen Anwendungsfall einer außergewöhnlichen Belastung.