Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 11. Sept. 2013 - 3 K 1235/10

ECLI:ECLI:DE:FGST:2013:0911.3K1235.10.0A
bei uns veröffentlicht am11.09.2013

Tenor

Der Bescheid über die Festsetzung eines Verzögerungsgelds vom 01. Juni 2010 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 sowie der den Bescheid vom 01. Juni 2010 ändernde Bescheid vom 01. Oktober 2010 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages oder Hinterlegung abwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds.

2

Die Klägerin ist durch Eintritt von Kommanditisten in die A. & B. ...gesellschaft OHG entstanden, letztere wurde am 21. Juni 2012 erstmals in das Handelsregister eingetragen und führte zuvor die Bezeichnung A. & B. ...gesellschaft GbR.

3

Mit Schreiben vom 08. April 2010 forderte der Beklagte die GbR im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 2004 bis 2006 durch den Betriebsprüfer R. auf, die Buchführungsunterlagen und den Datenträger bis zum 15. April 2010 vorzulegen. Die erste Aufforderung sei bei Prüfungsbeginn am 01. März 2010 erfolgt. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung habe er abgelehnt. Hemmende Anträge zur Prüfung seien nicht gegeben. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung liege nach Mitteilung des Finanzgerichts nicht vor. Auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds dürfe er hinweisen.

4

Mit Schreiben vom 21. April 2010 forderte der Beklagte die GbR unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 08. April 2010 auf, die im Rahmen der Betriebsprüfung angeforderten Unterlagen bis zum 27. April 2010 vorzulegen. Die Mitwirkungspflichten der GbR ergäben sich aus § 200 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) und § 147 Abs. 6 AO. Im weiteren Text des Schreibens heißt es: „Sollten Sie die angeforderten Unterlagen nicht bis zum 27.04.2010 vorlegen, werde ich Verzögerungsgelder wie folgt festsetzen:

5

Buchführungsunterlagen

 Frist 27.04.2010

 2.500 EUR

Datenträger

 Frist 27.04.2010

 2.500 EUR“.

6

Unter dem 31. Mai 2010 quittierte der beim Beklagten beschäftigte Betriebsprüfer R. im Rahmen einer Außenprüfung für 2004 bis einschließlich 2006 den Erhalt einer
„Daten-CD
 A. &  B.
Verwaltungs GmbH 2004- 2006
A. &  B.
...gesellschaft GbR 2004 – 2006“.

7

Unter dem 01. Juni 2010 setzte der Beklagte der GbR gegenüber ein Verzögerungsgeld i.H.v. 2.500,- € fest. Er führte aus, mit Schreiben vom 08. April 2010 habe er sie unter Hinweis auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds aufgefordert, gemäß § 200 Abs. 1 AO näher bezeichnete Unterlagen bis zum 15. April 2010 vorzulegen. Jener Aufforderung sei sie ohne Angabe von Gründen nicht nachgekommen. Durch die Möglichkeit, ein Verzögerungsgeld zu verhängen, solle der Steuerpflichtige zur zeitnahen Mitwirkung an der Außenprüfung angehalten werden. Das Verhalten der GbR verzögere die Außenprüfung, die derzeit wegen des Fehlens der Unterlagen nicht weiter geführt werden könne.

8

Der hiergegen gerichtete Einspruch ging beim Beklagten am 04. Juni 2010 ein. Die GbR führte aus, sie habe die angeforderten Unterlagen in Form einer CD an das Finanzamt (FA) gesandt. Sie habe einen Antrag auf Aussetzung der Prüfungsanordnung nach § 69 Abs. 3 FGO gestellt, über den noch nicht entschieden worden sei. Die Frist für den Einspruch gegen die unter dem 07. Mai 2010 erfolgte Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung durch den Beklagten ende am 10. Juni 2010. Im Ablehnungsbescheid sei ihr eine vierwöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt worden. Die Festsetzung eines Verzögerungsgelds vor Ablauf beider Fristen sei rechtswidrig. Die Außenprüfung habe noch nicht begonnen.

9

Mit Schreiben vom 21. Juni 2010 forderte der Beklagte die GbR unter Hinweis auf einen Prüfungsbeginn am 01. März 2010 auf, die Buchführungsunterlagen bis zum 29. Juni 2010 vorzulegen, wobei er erneut auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds hinwies.

10

Der Beklagte setzte mit Verfügung vom 29. Juni 2010 der GbR gegenüber ein Verzögerungsgeld i.H.v. 5.000,- € fest. Er führte aus, er habe sie mit Schreiben vom 21. Juni 2010 aufgefordert, gemäß § 200 Abs. 1 AO näher bezeichnete Unterlagen bis zum 29. Juni 2010 vorzulegen und dabei auf die Möglichkeit, ein Verzögerungsgeld festzusetzen, hingewiesen. Sie habe die Unterlagen nicht vorgelegt, weshalb die Außenprüfung derzeit nicht fortgeführt werden könne, wodurch sie verzögert werde. Durch das Verzögerungsgeld solle der Steuerpflichtige zur zeitnahen Mitwirkung an der Außenprüfung angehalten werden.

11

Unter dem 27. Juli 2010 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Bescheid vom 01. Juni 2010 als unbegründet zurück. Er führte aus, gemäß § 200 Abs. 1 AO habe der Steuerpflichtige u.a. Aufzeichnungen, Bücher und Geschäftspapiere sowie andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen. Komme er einer Aufforderung dazu nicht nach, so könne ein Verzögerungsgeld zwischen 2.500,- und 250.000,- € festgesetzt werden. Auch wenn zwischenzeitlich der Datenträger vorgelegt worden sei, so habe die Vorlage der Buchführungsunterlagen zumindest bis zum Erlass des angefochtenen Bescheids ausgestanden. Ein Verzögerungsgeld könne unabhängig von einer Verlagerung der Buchführung ins Ausland festgesetzt werden. Die Betriebsprüfung könne zu einem Großteil nur dann in sinnvoller Weise durchgeführt werden, wenn die Buchführungsunterlagen vorgelegt würden; die GbR enthalte sie dem Beklagten trotz mehrfacher Aufforderung vor. Ihr Einwand, sie habe ausreichende Gründe vorgetragen, die die Vorlage der Unterlagen entbehrlich machten, greife nicht durch, er könne sich nur auf Rechtsmittel beziehen, die sie gegen die schriftliche Anforderung von Unterlagen erhoben habe, jene hätten jedoch bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung keinen Erfolg gehabt. Der Einwand, dass die Betriebsprüfung noch nicht begonnen habe, gehe ins Leere. § 335 AO sei auf das Verzögerungsgeld weder direkt noch analog anwendbar. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass weitere von der GbR gestellte Anträge, seine Ermessensentscheidung beeinflussen könnten. Er habe ihr ausreichend rechtliches Gehör gewährt und ihr gegenüber erklärt, er habe keine offenen Fragen zur Sachverhaltsaufklärung. Eine Hinzuziehung nach § 360 AO sei nicht vorzunehmen. Er habe sich bei der Festsetzung des Verzögerungsgeld am gesetzlich vorgesehenen Mindestbetrag von 2.500,- € orientiert, weshalb eine weitere Begründung des Auswahlermessens nicht erforderlich sei.

12

Gleichfalls unter dem 27. Juli 2010 führte der Beklagte der GbR gegenüber aus, ein Einspruch sei nur gegen einen Verwaltungsakt statthaft. Die schriftliche Aufforderung durch den Prüfer, bestimmte Fragen zu beantworten und genau bezeichnete Belege, Verträge und Konten vorzulegen, bilde keinen Verwaltungsakt, sondern eine nicht auf Erzwingung von Unterlagen ausgehende nicht selbständig anfechtbare Vorbereitungshandlung. Das Schreiben vom 21. Juni 2010 bilde trotz des Hinweises auf das Verzögerungsgeld keinen Verwaltungsakt. Die konkrete Erzwingung der Vorlage einzelner Buchführungsunterlagen könne nur im Rahmen eines Zwangsmittelverfahrens i.S.d. §§ 328 ff AO erfolgen. Die Festsetzung eines Verzögerungsgelds sanktioniere demgegenüber nicht nur ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten, sondern solle auch allgemein zur künftigen zeitnahen Mitwirkung anhalten. Das Schreiben bereite nicht die künftige Erzwingung der angefochtenen Unterlagen vor. Der Hinweis auf das Verzögerungsgeld besitze keinen Regelungsgehalt.

13

Ebenfalls mit Datum 27. Juli 2010 wies der Beklagte die Einsprüche vom 28. Juni 2010 gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung vom 09. Mai 2008 sowie der Schreiben vom 01. März 2010 sowie 08. und 21. April 2010 als unbegründet zurück. Er verwies auf die Bestandskraft der Prüfungsanordnung und führte aus, die GbR habe im Rahmen ihrer Einsprüche gegen die drei vorgenannten Schreiben jeweils die Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung beantragt, was er jeweils unter dem 07. Mai 2010 abgelehnt habe. Mit ihrem dagegen gerichteten Einspruch vom 08. Juni 2010 beantrage sie sinngemäß erneut die Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung sowie die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Schreiben.

14

Unter dem 12. August 2010 bestätigte der Beklagte durch den Betriebsprüfer R. Buchhaltungsunterlagen für 2005 und 2006 sowie Jahresabschlüsse für 2002 bis 2006 erhalten zu haben; die Quittung trägt den handschriftlichen Vermerk. „Belege 2004 unklar“.

15

Mit Verfügung vom 13. August 2010 lehnte der Beklagte die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids vom 29. Juni 2010 ab. Er führte aus, die erneute Festsetzung eines höheren Verzögerungsgelds von 5.000,- € sei erforderlich gewesen, um die Mitwirkung der GbR an der Betriebsprüfung durchzusetzen. Die Festsetzung vom 01. Juni 2010 habe zu keiner Änderung des Verhaltens der GbR geführt. Sie habe die Buchführungsunterlagen trotz erneuter Aufforderung vom 21. Juni 2010 nicht vorgelegt. Die Betriebsprüfung könne einen Großteil der vorzunehmenden Prüfungstätigkeiten nicht sinnvoll wahrnehmen, wenn ihr die gesamten Buchführungsunterlagen für den zu prüfenden Zeitraum nach Festsetzung eines Verzögerungsgelds i.H.v. 2.500,- € und einer weiteren schriftlichen Aufforderung weiterhin vorenthalten würden. Im Rahmen seines Ermessens seien die weiteren Verzögerungshandlungen durch die Festsetzung eines weiteren Verzögerungsgelds zu sanktionieren. In Anbetracht der steuerlichen Erheblichkeit der GbR, die sich in den für den Prüfungszeitraum erklärten Umsätzen und Jahresergebnissen ausdrücke, sei es angemessen, die von ihr beibehaltene Verzögerungshaltung mit einem um 2.500,- € höheren Verzögerungsgeld zu belegen.

16

Die noch von der GbR erhobene Klage gegen den Bescheid vom 01. Juni 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist beim Gericht am 27. August 2010 eingegangen.

17

Unter dem 01. Oktober 2010 hat der Beklagte den Bescheid vom 01. Juni 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 07. Juli 2010 bei ausdrücklich unveränderter Festsetzung geändert. Dort hat er nicht erwähnt, dass ihm am 12. August 2010 die angeforderten Unterlagen zum Teil vorgelegt worden sind. Er hat ausgeführt, mit Schreiben vom 01. März sowie 08. und 21. April 2010 habe er in Gestalt der Betriebsprüfung die GbR insbesondere zur Vorlage der Buchführungsunterlagen aufgefordert. Unter dem 08. April habe er die GbR unter Hinweis auf die Mitwirkungspflichten nach § 200 Abs. 1 AO und die Möglichkeit, ein Verzögerungsgeld festzusetzen, aufgefordert, die Buchführungsunterlagen bis zum 15. April 2010 vorzulegen. Die GbR sei jener Aufforderung bis zum 01. Juni 2010 nicht nachgekommen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Festsetzung eines Verzögerungsgelds seien erfüllt. Er nahm insoweit auf die Ausführungen im Bescheid vom 01. Juni 2010 und der Einspruchsentscheidung Bezug. Während die GbR den angeforderten Datenträger vorgelegt habe, habe sie die Vorlage der Buchführungsunterlagen auch nach jenem Hinweis verweigert. Es sei ermessensgerecht gewesen, die mit jener Weigerung eingetretene Verzögerung der Betriebsprüfung durch die Festsetzung eines Verzögerungsgelds zu sanktionieren. Die Vorlage der Buchführungsunterlagen zähle zu den in § 200 Abs. 1 AO ausdrücklich genannten Mitwirkungspflichten aufgrund einer im Streitfall bestandskräftigen Prüfungsanordnung. Die Betriebsprüfung könne einen Großteil ihrer Prüfungstätigkeiten nicht sinnvoll vornehmen, wenn ihr die gesamten Buchführungsunterlagen für den zu prüfenden Zeitraum auch nach mehrfacher schriftlicher Aufforderung vorenthalten würden. Aufgrund des mit der Mindesthöhe des Verzögerungsgelds von 2.500,- € verbundenen starken Eingriffs in das Vermögen des Mitwirkungspflichtigen müsse ein entsprechend wesentlicher Fall vorliegen. Der Ablauf der Betriebsprüfung sei mehrfach schuldhaft durch Verzögerungshandlungen der GbR gestört worden. Bereits mit der Prüfungsanordnung vom 09. Mai 2008 habe er sie darüber belehrt, dass sie zur Vorlage der relevanten Buchführungsunterlagen verpflichtet sei. Die Vollziehung der angefochtenen Prüfungsanordnung sei nie ausgesetzt worden. Die GbR nehme u.a. in einer Klageschrift vom 26. August 2010 an, sie habe der Betriebsprüfung den Zutritt zu ihren Betriebsräumen verwehrt, um sodann zu behaupten, die Buchführungsunterlagen müssten mangels Prüfungsbeginns nicht herausgegeben werden. Sie habe nicht nur vorsätzlich gegen die ihr durch die Prüfungsanordnung auferlegten besonderen Mitwirkungspflichten verstoßen, sondern erneut den Ablauf der Betriebsprüfung in erheblicher Weise schuldhaft gestört. Es könne dahinstehen, ob die Betriebsprüfung tatsächlich ihre Betriebs- bzw. Geschäftsräume betreten habe und die Prüfung formal am 01. März 2010 begonnen habe. Aus jenem Geschehensablauf lasse sich eindeutig erkennen, dass die GbR die Durchführung der angeordneten Betriebsprüfung behindern wolle. Zwar sei es grundsätzlich nicht verwerflich, Rechtsmittel einzulegen, zur Begründung ihrer Rechtsmittel gegen die schriftlichen Aufforderungen vom 01. März sowie 08. und 21. April 2010 aber rüge die GbR den ausstehenden Beginn der Betriebsprüfung, den sie selbst verhindert habe. In jenem Zusammenhang müsse berücksichtigt werden, dass sie im Rahmen der Rechtsmittelverfahren mehrfach Anträge auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung gestellt habe, welche auf Grund der Bestandskraft der Prüfungsanordnung keinerlei Erfolg hätten haben können.

18

Ein Verschulden der GbR entfalle nicht etwa, weil sie gegen die mehrfache Anforderung der Buchführungsunterlagen jeweils Rechtsmittel eingelegt habe. Sie habe die Fristsetzungen nicht unbeachtet lassen dürfen, was unabhängig davon gelte, ob jene Aufforderung Verwaltungsakte bildeten, die der Aussetzung der Vollziehung zugänglich seien. Denn die Aussetzung der Vollziehung sei abgelehnt worden. Die Nichtbeachtung der schriftlichen Aufforderungen zur Vorlage der Buchführungsunterlagen bilde eine weitere Verzögerung in einer Reihe von Handlungen, mit denen die GbR den Ablauf der Betriebsprüfung nachhaltig schuldhaft gestört habe, so dass die am 09. Mai 2008 angeordnete Betriebsprüfung nach mehr als 2 Jahren noch nicht habe abgeschlossen werden können. Aufgrund der Nachhaltigkeit der Verzögerungshandlungen sei unnötiger Verwaltungsaufwand in nicht unerheblicher Höhe entstanden. Auch im Hinblick auf die Betriebsgröße sei es ermessensgerecht, ein Verzögerungsgeld festzusetzen. Die Festsetzung eines Verzögerungsgelds hänge nicht allein von der Größe des zu prüfenden Betriebs ab. Der Betrieb der Klägerin sei für den Prüfungszeitraum nicht als Großbetrieb einzustufen. Der Festsetzung des Verzögerungsgelds stehe nicht entgegen, dass es sich je nach Sichtweise um die erste oder aber zweite Anschlussprüfung handele. Zwar müsse die damit einhergehende Belastung der GbR beachtet werden, gerade jene Belastungen hätten jedoch im Rahmen der Rechtsmittelverfahren gegen die Prüfungsanordnung nicht zu deren Rechtswidrigkeit geführt. Es wäre widersinnig, wenn jene Belastungen die Durchsetzung der Prüfungsanordnung durch die Festsetzung eines Verzögerungsgelds über Gebühr erschweren könnten. Es sei grundsätzlich nicht erforderlich, dass das Mitwirkungsverlangen zu Steuernachforderungen führen werde. Allein die Möglichkeit der steuerlichen Relevanz reiche aus. So verhalte es sich im Hinblick auf die vorenthaltene komplette Buchführung. Die vorangegangenen Betriebsprüfungen hätten zu verschiedenen Prüfungsfeststellungen geführt. Zwar werde von der GbR die Höhe der Mehrergebnisse bestritten, es seien jedoch eine Reihe von Prüfungsfeststellungen getroffen worden, die zur Änderung von Steuerfestsetzungen geführt hätten. Damit könne nicht ausgeschlossen werden, dass die laufende Betriebsprüfung ebenfalls Prüfungsfeststellungen treffen werde, die zur Änderung der betreffenden Steuerfestsetzungen führten. Neben der Anfechtung verschiedener Verwaltungsakte und Prüfungshandlungen seien keine Gründe ersichtlich, die gegen das Vorlageverlangen sprechen könnten. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin durch Erfüllung des Vorlageverlangens strafrechtlich selbst belastet hätte. Angesichts des gewählten Mindestbetrags sei eine weitere Begründung des Auswahlermessens nicht erforderlich. Trotz der Schwere der Verzögerungshandlungen reiche der Betrag von 2.500,- € im Rahmen einer ersten Sanktionsmaßnahme aus.

19

Gleichfalls mit Datum vom 01. Oktober 2010 hat der Beklagte den Bescheid vom 29. Juni 2010 bei ebenfalls ausdrücklich unveränderter Festsetzung geändert. Er hat ausgeführt, mit Schreiben vom 21. Juni 2010 habe er die GbR insbesondere zur Vorlage von Buchführungsunterlagen bis zum 29. Juni 2010 aufgefordert. Die Frist habe sie nicht gewahrt. Die weiteren Ausführungen decken sich im Wesentlichen mit denen im Änderungsbescheid zum Bescheid vom 01. Juni 2010. Desweiteren hat der Beklagte ausgeführt, die Festsetzung eines ersten Verzögerungsgelds mit Bescheid vom 01. Juni 2010 habe nicht zur Aufgabe der Verzögerungshaltung der GbR geführt. Mit Schreiben vom 21. Juni 2010 habe er sie erneut unter Hinweis auf die Möglichkeit, ein Verzögerungsgeld festzusetzen, aufgefordert, die Buchführungsunterlagen vorzulegen. Da die GbR nach der erstmaligen Festsetzung eines Verzögerungsgelds keine Änderung in ihrem Verhalten gezeigt habe, sei es ermessensgerecht gewesen, erneut ein Verzögerungsgeld festzusetzen. Um die gebotene Mitwirkung der GbR durchzusetzen, sei für die erneute Verzögerung ein höheres Verzögerungsgeld festzusetzen gewesen.

20

Die Klägerin trägt vor, sie habe dem Beklagten die von ihm angeforderten Unterlagen bereits am 12. August 2010 vollständig vorgelegt. der den Bescheid vom 01. Juni 2010 betreffende Bescheid vom 01. Oktober 2010 sei zum Gegenstand des Verfahrens geworden, nachdem sie zunächst vorgetragen hatte, der Bescheid sei nicht zum Gegenstand des Verfahrens geworden, weil es sich um eine Ermessensentscheidung handele. Mit dem Bescheid vom 01. Oktober 2010 habe der Beklagte nachträglich eine Begründung seiner Entscheidung gegeben. Jedoch könne die notwendige Ermessensentscheidung nicht im finanzgerichtlichen Verfahren nachgeholt werden. Eine Begründung der Ermessensentscheidung hätte spätestens in der Einspruchsentscheidung erfolgen müssen.

21

Maßgeblich für die Beurteilung der Ausübung des Ermessens durch die Finanzbehörde sei diejenigen Verhältnisse, die ihr im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung bekannt gewesen seien oder hätten bekannt sein müssen. Die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Behörde könne nicht von der späteren Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse oder auch der Erkenntnisse der Behörde abhängen.

22

Im Bescheid vom 01. Oktober 2010 hätte der Beklagte auf den Bescheid vom 29. Juni 2010 Bezug nehmen müssen. Die nachträgliche Ermessensentscheidung könne sich nicht einzig auf die erstmalige im Bescheid vom 01. Juni 2010 liegende Sanktionsmaßnahme beziehen. § 146 Abs. 2b AO enthalte keine § 332 Abs. 3 AO vergleichbare Regelung.

23

Das Verzögerungsgeld stelle ein Zwangsgeld i.S.d. § 329 AO dar, da es auf die Vornahme einer Handlung bzw. Duldung des Steuerpflichtigen gerichtet sei. Der Bescheid über die Festsetzung eines „Zwangsgelds“ sei zwar durch den Prüfer erfolgt; ob er auch wie erforderlich zusätzlich vom zuständigen Außendienst-Sachgebietsleiter unterzeichnet worden sei, könne von der Klägerin nicht überprüft werden, weshalb es gerügt werde.

24

Als Zwangsgeld, das der Willensbeugung diene, könne ein Verzögerungsgeld nur natürlichen Personen gegenüber festgesetzt werden. Im Streitfall hätte es gegenüber den Gesellschaftern der Klägerin, festgesetzt werden müssen. Sie hätten als gesetzliche Vertreter etc. die Pflichten der Personengesellschaft zu erfüllen, so dass ihr Wille gebeugt werden müsse. Gegen die juristische Person könne im Falle der Uneinbringlichkeit des Zwangsgelds nicht durch Anordnung der „Ersatzzwangshaft“ vorgegangen werden. Könnten juristische Personen nicht in Haft genommen werden, so könne gegen sie auch kein Zwangsgeld festgesetzt werden.

25

Die Androhung eines Zwangsgelds bilde einen Verwaltungsakt und auch hinsichtlich der Höhe eine Ermessensentscheidung. Die Ermessenserwägungen müssten spätestens in der Einspruchsentscheidung dargelegt werden. Das Verzögerungsgeld bilde eine weitere steuerliche Nebenleistung. Der Zweck der im Ermessen der Finanzbehörde stehenden neuen Kategorie und seine Konkurrenz zum Zwangsgeld als ein in die Zukunft wirkendes Beugemittel zur Durchsetzung von Mitwirkungspflichten seien unklar. Das Verzögerungsgeld solle gemäß dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum JStG 2009 vom 02. September 2008, BTDrs. 16/10189, S. 81, den Steuerpflichtigen insbesondere zur zeitnahen Mitwirkung und zur Repatriierung seiner Finanzbuchhaltung anhalten. Daneben sie das Verzögerungsgeld auch Sanktion für die Verlagerung der Buchführung in das Ausland, wo gar keine Verzögerung, sondern allein die Missachtung des Bewilligungserfordernisses Rechtsgrund der Nebenleistung sei. Trotz Vergleichbarkeit fehle die inhaltliche und verfahrensrechtliche Verzahnung (§ 162 Abs. 4 AO). Die teleologische und systematische Offenheit des § 146 Abs. 2b AO lasse die Ermessensentscheidung des Beklagten ins Leere laufen. Die Festsetzung des Verzögerungsgelds unterliege dem Opportunitätsprinzip und damit dem Grunde wie auch der Höhe nach dem Entschließungs- und Auswahlermessen, weil die gesetzliche Determinationskraft des § 146 Abs. 2a AO fehle.

26

Sowohl der Bescheid vom 01. Juni 2010 als auch die zu jenem ergangene Einspruchsentscheidung ließen sämtliche Merkmale einer Ermessensentscheidung vermissen. Es sei weder ein Entschließungs- noch ein Auswahlermessen betätigt oder dokumentiert worden.

27

Anders als in § 152 AO fänden sich in § 146 Abs. 2b AO keine ausdrücklichen Ermessensleitlinien oder –grenzen. Das Ermessen sei nicht durch eine etwaige Erfüllung des Tatbestands vorgeprägt. Auch Verschuldensaspekte seien bereits bei der Betätigung des Entschließungsermessens zu berücksichtigen. Angesichts der Mindesthöhe des Verzögerungsgelds sei seine Festsetzung auf wesentliche Fälle zu beschränken.

28

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei widerrechtlich, vorsätzlich und wissentlich verletzt worden, weshalb die getroffene Ermessensentscheidung grob fehlerhaft sei. Die Höhe des Verzögerungsgelds sei im Kontext zur kurzfristigen Anforderung von Unterlagen (7 Tage) unangemessen und willkürlich. Der Beklagte habe eine konkrete zeitliche Verzögerung in Form einer Anzahl von Tagen nicht dargetan. Er behaupte „intergalaktisch“ die Prüfung, die nach seiner Meinung noch nicht begonnen habe, sei verzögert worden. Der Beklagte hätte der Klägerin aufgrund ihres plausiblen Vortrags eine Fristverlängerung gewähren müssen. Erst nach deren Ablauf hätte er ein Verzögerungsgeld festsetzen dürfen. Eine Frist von lediglich einer Woche entspreche nicht einem normalen Prüfungsablauf.

29

Die Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen Nichtvorlage von Buchführungsunterlagen nach § 146 Abs. 2b AO sei auf wesentliche Fälle zu beschränken. Das Verzögerungsgeld stelle bereits ein Mehrfaches des zuletzt festgestellten Mehrergebnisses dar. Die Klägerin führe einen Kleinbetrieb. Die Ergebnisse des Beklagten stünden in keinem Verhältnis zum Verzögerungsgeld i.H.v. 2.500,- € sowie zusätzlich 3.000,- €.

30

Die Ermessensentscheidung lasse unberücksichtigt, dass derjenigen Außenprüfung, in deren Rahmen die Verzögerungsgelder verhängt worden seien, bereits aufeinander folgende Betriebsprüfungen vorangegangenen seien, ohne das ein wesentliches Mehrergebnis erzielt worden seien. Die Festsetzungen der Verzögerungsgelder basierten nicht etwa auf voneinander unabhängigen Mitwirkungsverlangen. Die jeweilige Höhe sei unangemessen.

31

Das Schreiben vom 08. April 2010, mit dem der Betriebsprüfer im Namen des Beklagten die Buchführungsunterlagen und einen Datenträger für den Prüfungszeitraum angefordert habe, enthalte keine weiteren Angaben. Es bilde einen Verwaltungsakt, der weder eindeutig noch konkret auf einen bestimmten Zeitraum bezogen gewesen sei, für den Unterlagen angefordert worden wären. Mangels Rechtsbehelfsbelehrung habe sich die Einspruchsfrist auf ein Jahr belaufen.

32

Verzögerungshandlungen durch die Nichtvorlage von Buchführungsunterlagen habe die Klägerin nicht verursacht, weil die die Anforderung von Buchführungsunterlagen betreffenden Verwaltungsakte noch nicht rechtskräftig gewesen seien. Damit sei eine Ahndung durch die Festsetzung von Verzögerungsgeldern von vornherein ausgeschlossen. Zu beachten seien das die Prüfungsanordnung betreffende Einspruchsverfahren, das anschließende Klageverfahren sowie das darauf folgende Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. Während eines anhängigen Einspruchsverfahrens mit Aussetzung der Vollziehung sei die Festsetzung eines Verzögerungsgelds unzulässig, da ansonsten das Rechtsbehelfsverfahren unterlaufen und ausgehebelt werde. Damit werde der Rechtsweg unzulässig weiter eingeschränkt und die verfassungsrechtliche Garantie des Rechtsschutzes beseitigt.

33

Bereits die Androhung eines Verzögerungsgelds nach § 146 Abs. 2b AO stelle einen Verwaltungsakt dar.

34

Für die Anforderung der Buchhaltungsunterlagen und der Daten-CD habe der Beklagte die Festsetzung eines Zwangsgelds i.H.v. jeweils 2.500,- € angedroht und ein solches auch später festgesetzt. Das sei überhöht und unangemessen. Eine unabhängige Ahndung sei auszuschließen, da sich beide Mitwirkungsverlangen – Anforderung von Buchführungsunterlagen und Vorlage der Daten-CD – auf ein und dieselbe Prüfungsanordnung bezögen.

35

Mit der Übergabe der CD am 04. Mai 2010 habe die Klägerin klar dokumentiert, dass sie ordnungsgemäß im Rahmen der Betriebsprüfung mitwirken werde. Der Bescheid vom 01. Oktober 2010, der den Bescheid vom 01. Juni 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 ändere, sei rechtswidrig gewesen, weil bei seinem Erlass die Außenprüfung bereits begonnen gehabt habe und sämtliche angeforderten und prüfungsrelevanten Unterlagen dem Beklagten bereits übergeben gewesen seien. Bereits vor dem 01. Oktober sei der Grund für die Festsetzung eines Verzögerungsgelds entfallen.

36

Es fehle an einer strafrechtlichen Relevanz, da die Besteuerungsgrundlagen stets umfassend unter Vorlage von Urkunden und Nachweisen erläutert worden seien, was der Beklagte nicht beachte, in der Außenprüfung nicht zur Kenntnis genommen habe oder ignoriere. Dem Beklagten seit Jahren bekannte Vorgänge würden wiederholt „gebetsmühlenartig“ angefordert. In der Betriebsprüfung habe der Beklagte bereits bekannte Vorgänge, Nachweise und Urkunden wie in den beiden vorangegangenen Außenprüfungen verlangt. Sie fänden sich bereits in den Steuerakten, weshalb das neuerliche Vorlageverlangen rechtswidrig sei. Angebliche Verzögerungen lägen im Unvermögen des Betriebsprüfers, den vorliegenden Jahresabschluss und die umfassenden Erläuterungen mit Nachweisen und vorhandenen Urkunden zur Steuererklärung zur Kenntnis zu nehmen und auszuwerten, begründet.

37

Nicht jede Verletzung der Mitwirkungspflichten dürfe grundsätzlich dazu führen, dass das FA zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds komme. Auch führe nicht jede Verletzung von Mitwirkungspflichten zu einem Verschulden.

38

Angesichts der Mindesthöhe des Verzögerungsgelds sei es dem FA versagt, von einer Vorprägung seines Ermessens auszugehen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schließe aus, dass das FA dem Zwangsmittel Verzögerungsgeld die Summe der Pflichtverletzungen als Bündel zugrunde lege.

39

Auch der Umfang der Auskunfts- und Vorlageverpflichtung und die im Einspruchsverfahren größtenteils erfolgte Erfüllung wie auch der Umfang der Verzögerung, hätten im angefochtenen Verwaltungsakt berücksichtigt werden müssen. Der Beklagte habe sich zuvorderst von Verschuldensaspekten leiten lassen. Es erscheine jedoch denkbar, trotz eines Verschuldens von der Festsetzung eines Verzögerungsgelds abzusehen.

40

Die Klägerin beantragt,

          1.

dass der Bescheid über die Festsetzung eines Verzögerungsgelds vom 01. Juni 2010 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 sowie der den Bescheid vom 01. Juni 2010 ändernde Bescheid vom 01. Oktober 2010 ersatzlos aufgehoben werden,

          2.

dass die Kosten des Rechtsstreits und des Vorverfahrens der Beklagte zu tragen hat,

          3.

dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt wird,

          4.

dass im Falle einer abweisenden Entscheidung des Gerichts die Revision zugelassen wird,

          5.

dass im Fall der Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand oder der Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache, der Streitwert durch das Gericht festgesetzt wird,

          6.

dass bei Erlass des Urteils die Kosten des Verfahrens gemäß § 149 FGO i.V.m. § 139 Abs. 3 FGO und § 41 StBGebV gegen den Beklagten festgesetzt werden,

          7.

dass die Verzinsung der festzusetzenden Kosten mit 5 v.H. über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB ab Antragstellung zugesprochen wird (§ 155 FGO i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 2 und § 105 Abs. 2 ZPO),

          8.

dass die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung festgestellt wird,

          9.

dass das Verfahren durch Gerichtsbescheid entschieden wird.

41

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und im Falle des Obsiegens der Klägerin die Revision zuzulassen.

42

Er verweist auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BStBl II 2011, 855. Gegenstand jenes Verfahrens sei ebenfalls die Festsetzung des Verzögerungsgelds vom 01. Oktober 2010 gewesen. Der Bundesfinanzhof habe die Ermessensentscheidung des Beklagten nicht beanstandet.

43

Er trägt vor, die Finanzbehörde habe bei einer Ermessensentscheidung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Es komme jedoch nicht darauf an, dass das Finanzamt im Rahmen der im Bescheid aufgeführten Ermessenserwägungen ausdrücklich die Verhältnismäßigkeit seiner Entscheidung feststelle. Es genüge, dass seine Ermessensentscheidung insgesamt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genüge.

44

Die Ermessenserwägungen des Finanzamts seien ausschließlich auf den erstmalig verwirklichten Sachverhalt zu beziehen. Später eintretende Umstände seien auch dann nicht im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen, wenn das Finanzamt die zunächst unterlassenen Ermessenerwägungen in einem Änderungs- oder Ersetzungsbescheid zu einem späteren Zeitpunkt nachhole. Unabhängig davon, dass die Klägerin am 12. August 2010 noch nicht sämtliche zu prüfenden Unterlagen vorgelegt gehabt habe, sei es unerheblich, dass sie die Buchführungsunterlagen vor dem 01. Oktober 2010 eingereicht habe.

45

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

46

A. Aufgrund des Verzichts beider Beteiligter auf mündliche Verhandlung kann der Senat ohne diese entscheiden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)).

47

An den Antrag auf Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist er nicht gebunden.

48

B. Der den Bescheid vom 01. Juni 2010 betreffende Bescheid vom 01. Oktober 2010 ist gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Es liegen nicht etwa lediglich bloße Ergänzungen von Ermessenserwägungen i.S.d. § 102 Satz 2 FGO oder ein Nachholen der erforderlichen Begründung eines Verwaltungsakts i.S.d. § 126 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 AO vor. Denn der Beklagte hat den Bescheid vom 01. Juni 2010 ausdrücklich „nach erneuter Überprüfung“ geändert. Er hat ebenso ausdrücklich auf die Klageschrift Bezug genommen und damit ein Verhalten der Klägerin berücksichtigt, das diese erst nach Bekanntgabe des vorangegangenen Bescheids gezeigt hat.

49

C. Die zulässige Klage ist begründet.

50

Der Bescheid vom 01. Juni 2010, die zu diesem ergangene Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 sowie der Bescheid vom 01. Oktober 2010 sind aufzuheben.

51

Es kann dahinstehen, welche der der Klägerin vom Beklagten gesetzten Fristen die maßgebliche und ob diese angemessen i.S.d. § 146 Abs. 2b AO ist, denn die genannten Entscheidungen des Beklagten sind jedenfalls aus nachfolgenden Gründen unabhängig davon, ob der Tatbestand des Vorschrift erfüllt ist, aufzuheben.

52

I. Der angefochtene Verwaltungsakt vom 01. Oktober 2010 verletzt die Klägerin in ihrem Recht auf eine fehlerfreie Ausübung des Entschließungsermessens bei der Festsetzung eines Verzögerungsgelds, weshalb er aufzuheben ist.

53

1. Die Finanzbehörde hat bei der Festsetzung eines Verzögerungsgelds sowohl ihr Entschließungs- als auch ihr Auswahlermessen zu betätigen und dabei insbesondere den maßgeblichen Sachverhalt vollständig zu ermitteln (BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl II 2013, 266; Loose, Ermessenserwägungen bei der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes nach § 146 Abs. 2b AO, jurisPR-SteuerR 26, 2012, Anm. 3). Der durch die Ermessensentscheidung in Form eines Verwaltungsakts wie die Klägerin beschwerte Inhaltsadressat hat einen Anspruch auf die vollständige Berücksichtigung des maßgeblichen Sachverhalts.

54

2. An dieser fehlt es im Bescheid vom 01. Oktober 2010, in dem nicht berücksichtigt wird, dass die Klägerin die Unterlagen wie vom Beklagten bereits zuvor am 12. August 2010 quittiert zum Teil vorgelegt hatte.

55

3. Dass ein Verzögerungsgeld nicht lediglich wie ein Zwangsgeld präventiven (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum JStG 2009 vom 02. September 2008, BT-Drs. 16/10189, S. 81) Beugecharakter (Luft, Das Verzögerungsgeld als Druckmittel eigener Art in der praktischen Anwendung, SteuK 2010, 364), sondern zugleich auch einen in der Abschöpfung von Vorteilen liegenden repressiven Charakter besitzt (Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht (FG) Urteil vom 01. Februar 2011 3 K 64/10, EFG 2011, 846; Schleswig-Holsteinisches FG Beschluss vom 03. Februar 2010 3 V 243/09, EFG 2010, 497; FG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 29. Juli 2011 1 V 1151/11, EFG 2011, 1942; FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 19. Mai 2011 13 K 13246/10, EFG 2011, 1945; Märtens in Beermann/Gosch, 103. Erg.-Lfg. Juni 2013, § 146, Rz. 66; Rätke in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 146, Rz. 48; Drüen, Aktuelle Fragen und Antworten zu Verzögerungsgeldern beim Steuervollzug, Ubg, 2011, 83, 84; Fritsch, Ermessensausübung beim Verzögerungsgeld, SteuK 2013, 107; Fumi, EFG 2011, 848, 849; Geißler, Verzögerungsgeld bei Verletzung von Mitwirkungspflichten, NWB 2009, 4076, 4077; Gosch, Verzögerungsgeld, Strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Ermessensausübung nach Grund und Höhe, HaufeIndex 3586696; Haubner, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO in der Betriebsprüfung – Anwendbarkeit, Voraussetzungen, Rechtsfolgen und Rechtsschutzmöglichkeiten, AO-StB 2010, 187, 191; Hopp / Bruns, Aktuelle Entwicklungen beim Verzögerungsgeld gemäß § 146 Abs. 2b AO, DStR 2012, 1485, 1489; Rätke Verzögerungsgeld in der Außenprüfung, BBK 2011, 786, 787; Tormöhlen, Zur Ermessensausübung beim Verzögerungsgeld, AO-StB 2013, 72, 74; Neumann, Das Verzögerungsgeld als Pendant zum Verspätungszuschlag in der Außenprüfung, DStR 2013, 1213; Weimann, Verzögerungsgeld (§ 146 Abs. 2b AO) als neues Druckmittel der Finanzverwaltung?, UStB 2010, 256, 257; Werth, Verfassungsrechtliche Schranken für das Handeln der Finanzbehörden, DStZ 2013, 416, 418; vgl. Mack, Strafschätzungen im Steuerverfahren akzeptieren, um Steuerstrafverfahren zu vermeiden?, Stbg 2012, 116; tom Suden, § 146 Abs. 2a und 2b AO: Das trojanische Pferd im Steuerrecht, Stbg 2009, 207, 208, 209; Wulf, Das neue „Verzögerungsgeld“ als Sanktion für Unbotmäßigkeiten des Steuerpflichtigen in der steuerlichen Außenprüfung, AG 2001, 819, 820), führt dazu, dass sein Zweck nicht bereits dann und insoweit erreicht ist, als der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten erfüllt (Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264; Hessisches FG Beschluss vom 19. März 2010 12 V 396/10, nachgewiesen bei juris; vgl. auch Hruschka, Ausgewählte Aspekte der Betriebsprüfung, StbG 2012, 1; kritisch Drüen, Aktuelle Fragen und Antworten zu Verzögerungsgeldern beim Steuervollzug, Ubg 2011, 83, 84, 91). Dennoch ist die ggf. wie im Streitfall verzögerte Erfüllung des Mitwirkungsverlangens bereits im Rahmen der Betätigung ihres Entschließungsermessens von der Finanzbehörde zu berücksichtigen (FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23. Februar 2012 3 V 3006/12, EFG 2012, 1225; Dißars, Anwendung des Verzögerungsgelds in der Praxis – Der Fragen-Antworten-Katalog des BMF, Stbg 2012, 433, 439; vgl. Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264; a.A. Gebbers, Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2 b (n.F.) AO in der Außenprüfung, StBP 2009, 1262, 168; Hopp/Bruns, Aktuelle Rechtsentwicklungen beim Verzögerungsgeld gemäß § 146 Abs. 2b AO, DStR 2012, 1485), selbst wenn das Verlangen wie im Streitfall lediglich teilweise erfüllt worden ist (Märtens in Beermann/Gosch, AO, 103. Erg.-Lfg. Juni 2013, § 146, Rz. 79). Denn vom Eingang der Unterlagen hängt nicht nur die Dauer der Fristüberschreitung, sondern auch der Grad des Verschuldens ab (FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23. Februar 2012 3 V 3006/12, EFG 2012, 1225).

56

4. Dass der (zumindest teilweise) Eingang der angeforderten Unterlagen der Rechtsbehelfsstelle des Beklagten beim Erlass der jüngsten Verwaltungsentscheidung (möglicherweise) nicht bekannt war, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Es ist Sache der Finanzbehörde dafür zu sorgen, dass die in ihren Dienstbereich gelangenden Schriftstücke auch ihrer Rechtsbehelfsstelle zugeleitet werden. Jedenfalls muss sie sich ein etwaiges Organisationsverschulden zurechnen lassen (FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23. Februar 2012 3 V 3006/12, EFG 2012, 1225).

57

5. Anders als vom Beklagten angenommen ist auch im Streitfall der Zeitpunkt der jüngsten Verwaltungsentscheidung für die gerichtliche Beurteilung der Ausübung des Ermessens durch die Verwaltung maßgeblich (Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264; FG Berlin-Brandenburg Urteile vom 18. Januar 2012 12 K 12205/10, EFG 2012, 898; vom 19. Mai 2011 13 K 13246/10, EFG 2011, 1945; vgl. Märtens in Beermann/Gosch, AO, 103. Erg.-Lfg. Juni 2013, § 146, Rz. 79; unklar Luft, Das Verzögerungsgeld als Druckmittel eigener Art in der praktischen Anwendung, SteuK 2010, 364, 367).

58

Auch aus dem Beschluss des BFH vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BStBl II 2011, 855, ergibt sich nichts Anderes (a.A. Hopp/Bruns, Aktuelle Rechtsentwicklungen beim Verzögerungsgeld gemäß § 146 Abs. 2b AO, DStR 2012, 1485, 1487). Der Beschluss besagt lediglich, dass im Falle einer abermaligen Festsetzung eines Verzögerungsgelds jene von der Finanzbehörde nicht bei ihrer abschließenden Ermessensentscheidung über den Einspruch gegen eine frühere Festsetzung des Verzögerungsgelds zu berücksichtigen sei, weil die Festsetzung eines weiteren keinen Einfluss auf die vorangehende erstmalige Festsetzung eines Verzögerungsgelds haben könne, und dass dasselbe auch gelte, wenn die Finanzbehörde die frühere Festsetzung des Verzögerungsgelds nach Festsetzung eines weiteren ersetze. Die Aussage „Denn ungeachtet der zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen müssen sich die Ermessenserwägungen ausschließlich auf den Sachverhalt beziehen, der im Zeitpunkt des Erlasses des ersten Festsetzungsbescheids verwirklicht war.“ muss im Kontext der gesamten Entscheidung gesehen werden. Wollte man den BFH i.S.d. Ausführungen des Beklagten verstehen, so hätte er sich mit der Rechtsprechung, wonach für die Beurteilung einer Ermessensentscheidung der Zeitpunkt der jüngsten Verwaltungsentscheidung maßgeblich ist (BFH-Urteile vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl II 2013, 266; vom 07. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; BFH-Beschluss vom 18. Mai 2004 VI B 51/01, nachgewiesen bei juris; vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 VII R 29/02, BStBl II 2005, 3), auseinandersetzen müssen.

59

II. Auch der Bescheid vom 01. Juni 2010 und die zu diesem ergangene Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 sind aufzuheben.

60

1. Muss wie im Streitfall ein gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gewordener Änderungsbescheid aufgehoben werden, so ist das Gericht nicht gehindert im selben Urteil auch die Aufhebung des ursprünglich mit der Klage angefochtenen Bescheids auszusprechen, soweit dem Klagebegehren mit der Aufhebung des Änderungsbescheids nicht voll Rechnung getragen würde (vgl. BFH-Urteile vom 17. September 1992 V R 17/86, BFH/NV 1993, 279, zum Ersetzungsbescheid; vom 27. Februar 1975 I R 178/73, BStBl II 1975, 514, zum Berichtigungsbescheid). Denn, dass das Gericht über die Anfechtung des ursprünglichen Bescheids entscheiden können muss, entspricht dem allgemeinen das Prozessrecht beherrschenden Gedanken, dass die mit der Einlegung eines zulässigen Rechtsmittels erlangte prozessrechtliche Stellung dem Kläger nicht ohne sein maßgebliches Zutun entzogen werden darf (BFH-Urteil vom 27. Februar 1975 I R 178/73, BStBl II 1975, 514).

61

Im Streitfall ist dem klägerischen Begehren mit der bloßen Aufhebung des Änderungsbescheids vom 01. Oktober 2010 nicht voll Rechnung getragen. Denn der durch diesen Bescheid suspendierte Bescheid vom 01. Juni 2010, d.h. die seinerzeitige Festsetzung des Verzögerungsgelds würde durch die Aufhebung des Bescheids vom 01. Oktober 2010 ebenso wie die Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 wieder aufleben.

62

2. Auch der Bescheid vom 01. Juni 2010 verletzt in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 die Klägerin in ihrem Recht auf eine fehlerfreie Ausübung des Entschließungsermessens bei der Festsetzung eines Verzögerungsgelds, weshalb beide aufzuheben sind.

63

a) Der Ermessenscharakter des § 146 Abs. 2b AO hat zur Folge, dass die Finanzgerichte die Festsetzung des Verzögerungsgelds nur eingeschränkt überprüfen können. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung gegeben und hat das FA den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt sowie seine Entscheidung hinreichend begründet (§ 121 AO, ggf. i.V.m. § 126 AO; vgl. auch § 102 Satz 2 FGO), ist der gerichtlichen Kontrolle die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) zugrunde zu legen. Des Weiteren ist die Prüfung nach § 102 Satz 1 FGO auf die Überschreitung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens (sog. Ermessensüberschreitung), den Gebrauch des Ermessens in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung entsprechenden Weise (sog. Ermessensfehlgebrauch), die Ausübung des der Finanzbehörde zustehendes Ermessens (sog. Ermessensunterschreitung) und die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beschränkt (BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl II 2013, 266.)

64

b) Ein Ermessen ist sowohl hinsichtlich der Frage, ob ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden soll (Entschließungsermessen), als auch hinsichtlich der Höhe eines Verzögerungsgeldes (Auswahlermessen) eröffnet (Gebbers, Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b (n.F.) AO in der Außenprüfung, StBp 2009, 162, 167). Mit Ausnahme einer Spannbreite des Verzögerungsgeldes zwischen EUR 2.500,- und EUR 250.000,- sieht § 146 Abs. 2b AO keine ausdrücklichen Ermessensleitlinien oder -grenzen vor, so dass sich die Ermessensentscheidung nach den allgemeinen Grundsätzen (§ 5 AO) richten muss (FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 19. Mai 2011 13 K 13246/10, nachgewiesen bei juris; Hessisches FG Beschluss vom 08. August 2011 8 V 1281/11, EFG 2011, 1949; Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264).

65

aa) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist bereits im Rahmen der Betätigung des Entschließungsermessens zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl II 2013, 266; a.A. Gebbers, Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b (n.F.). AO in der Außenprüfung, StBp 2009, 162, 167). – Die zweistufige Ermessensprüfung entspricht dem Willen des Gesetzgebers: Während der Gesetzentwurf der Bundesregierung (zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes) einen behördlichen Ermessensspielraum nur im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds eröffnen wollte (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum JStG 2009 vom 02. September 2008, BT-Drs. 16/10189, S. 81), ist der letzte Halbsatz des § 146 Abs. 2b AO auf Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestags (Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drs. 16/11055, S. 82) mit dem ausdrücklichen Ziel geändert worden ("kann ... festgesetzt werden"), ein "Entschließungsermessen einzufügen" (Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 16/11108, S. 47). – Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach dem das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht nur erforderlich und geeignet, sondern hierzu auch in einem angemessenen, d.h. für den Betroffenen zumutbaren Verhältnis stehen muss, genießt Verfassungsrang und ist deshalb stets auch bei der Auslegung und Anwendung von Normen des einfachen Rechts – mithin auch bei der Ermessensausübung durch die Finanzämter – zu beachten (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 09. November 1976 2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101, 106). Hiermit übereinstimmend hat auch der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des § 146 Abs. 2b AO als Ermessensvorschrift eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende Handhabung der Vorschrift durch die Finanzbehörden "gewährleisten" wollen (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum JStG 2009 vom 02. September 2008, BT-Drs. 16/10189, S. 81).

66

bb) Da das Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500,- € festzusetzen ist und es sich hierbei nicht um einen Bagatellbetrag handelt (Senatsbeschluss vom 22. September 2010 3 V 1295/10, nachgewiesen bei juris; Dißars, Neue Entwicklungen beim Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO, NWB 2012, 796, 799; Dißars, Anwendung des Verzögerungsgelds in der Praxis – Der Fragen-Antworten-Katalog des BMF, Stbg 2012, 433, 436; Gebhardt, AdV im Falle fehlerhaften Ermessens bei Verzögerungsgeld, AO-StB 2010, 332, 333; Haubner, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO in der Außenprüfung, StBP 2012, 314, 316; Loose, Ermessenserwägungen bei der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes nach § 146 Abs. 2b AO, jurisPR-SteuerR 26/2102; vgl. tom Suden, § 146 Abs. 2a und Abs. 2b AO: Das trojanische Pferd im Steuerrecht, Stbg 2009, 207, 209; Finanzministerium Schleswig-Holstein VI 328-S 0316-032 vom 26. Oktober 2010, StEK AO 1977 § 146 Nr. 14), müssen dieselben Merkmale wie bei der Ausübung des Auswahlermessens bereits bei derjenigen des Entschließungsermessens, d.h. bei der Entscheidung der Finanzbehörden darüber zum Tragen kommen, ob gegenüber dem Steuerpflichtigen ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird (BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl II 2013, 266; Märtens in Beermann/Gosch, AO, 103. Erg.-Lfg. Juni 2013, § 146, Rz. 81 und 82; Dißars in Schwarz, AO, 153. Lfg. April 2013, § 146, Rz. 49; vgl. Neumann, Das Verzögerungsgeld als Pendant zum Verspätungszuschlag in der Außenprüfung, DStR 2013, 1213, 1215; FG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23. Oktober 2012 5 V 5284/12, EFG 2013, 96; FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 19. Mai 2011 13 K 13246/10, EFG 2011, 1945; FG Hamburg Beschluss vom 16. November 2011 2 V 173/11, EFG 2012, 382; Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss vom 21. November 2011 1 V 896/11, nachgewiesen bei juris; Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264; a.A. Gebbers, Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b (n.F.) AO in der Außenprüfung, StBp 2009, 162, 167).

67

Maßstab der Betätigung des Entschließungsermessens durch das FA sowie nachvollziehbarer Gegenstand ihrer Begründung (§ 121 AO) muss deshalb sein, ob die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe der Sanktionsmindestgrenze (2.500,- €) mit Rücksicht auf die Umstände der zu beurteilenden Pflichtverletzung/en sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Prüfung angemessen ist. Demnach ist es ausgeschlossen, im Rahmen des Entschließungsermessens von einer Vorprägung auszugehen, wonach jede Verletzung der Mitwirkungspflichten (§ 200 Abs.1 AO) – unabhängig davon, ob den Steuerpflichtigen ein Schuldvorwurf trifft – grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds führt (Dißars, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO – ein neues Sanktionsinstrument der Finanzverwaltung, Stbg 2010, 247, 249; Dißars, Neue Entwicklungen beim Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO, NWB 2012, 796, 798; Kuhfus in Kühn / von Wedelstädt, AO, 20. Aufl. 2011, § 146, Rz. 14g; Matthes, EFG 2011, 1950, 1951; vgl. Drüen, Aktuelle Fragen und Antworten zu Verzögerungsgeldern beim Steuervollzug, Ubg 2011, 83, 87; Gosch, Verzögerungsgeld, Strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Ermessensausübung nach Grund und Höhe, HaufeIndex 3586696; Rätke, Erste Tendenzen beim Verzögerungsgeld, BBK 2012, 904, 906; a.A. Gebbers, Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b (n.F.) AO in der Außenprüfung, StBp 2009, 162, 167; Geißler, Verzögerungsgeld bei Verletzung von Mitwirkungspflichten, NWB 2009, 4076, 4080; Haubner, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO in der Betriebsprüfung Anwendbarkeit, Voraussetzungen, Rechtsfolgen, Rechtsschutzmöglichkeiten, AO-StB 2010, 1987, 1990; unklar Luft, Das Verzögerungsgeld als Druckmittel eigener Art in der praktischen Anwendung, SteuK 2010, 364, 367); erforderlich ist vielmehr auch insoweit eine an der Sanktionsuntergrenze auszurichtende Würdigung des Einzelfalls. Nur diese Beurteilung stellt sicher, dass die Festsetzung des Verzögerungsgelds durchgängig den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entspricht (vgl. Rätke in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 146, Rz. 30; Dißars in Schwarz, AO, 103. Erg.-Lfg. Juni 2013, § 146, Rz. 30; Drüen, Die Unternehmensbesteuerung 2011, 83, 87, 88; Hopp/Bruns, Aktuelle Entwicklungen beim Verzögerungsgeld gemäß § 146 Abs. 2b AO, DStR 2012, 1485, 1487; FG Schleswig-Holstein Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264; Beschluss vom 03. Februar 2010 3 V 243/09, EFG 2010, 686; FG Berlin-Brandenburg Beschlüsse vom 23. Februar 2012 3 V 3006/12, EFG 2012, 1225; vom 23. Oktober 2012 5 V 5284/12, EFG 2013, 96; FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 19. Mai 2011 13 K 13246/10, EFG 2011, 1945; FG Hamburg Beschluss vom 16. November 2011 2 V 173/11, EFG 2012, 382; Hessisches FG Beschluss vom 08. August 2011 8 V 1281/11, EFG 2011, 1949; a.A. BMF-Schreiben vom 28. September 2011 Referat IV A 4, Fragen und Antworten zum Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO, Ziffer 6; Gebbers, Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b (n.F.) AO in der Außenprüfung, StBp 2009, 162, 167 und 196; Geißler, Neue Wirtschafts-Briefe 2009, 4076, 4080).

68

cc) Das FA hat die Festsetzung eines Verzögerungsgelds, dessen Zweck nicht nur darin zu sehen ist, den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anzuhalten (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum JStG 2009 vom 02. September 2008, BT-Drs. 16/10189, S. 81), sondern auch die Verletzung der Mitwirkungspflichten zu sanktionieren (Haubner, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO in der Betriebsprüfung Anwendbarkeit, Voraussetzungen, Rechtsfolgen, Rechtschutzmöglichkeiten, AO-StB 2010, 187; vgl. Rätke in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 146, Rz. 25, m.w.N.; a.A. Gebbers, Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b (n.F.) AO in der Außenprüfung, StBp 2009, 162, 167; einschränkend Gebhardt, Verzögerungsgeld bei Außenprüfungen? – Nicht in jedem Fall!, AO-StB 2010, 222; kritisch Drüen in Tipke/Kruse, AO, 132. Lfg. Mai 2013, § 146, Rz. 48), insbesondere an der Dauer der Fristüberschreitung, den Gründen (BMF-Schreiben vom 28. September 2011 Referat IV A 4, Fragen und Antworten zum Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO, Ziffer 16) und dem Ausmaß der Pflichtverletzung/en sowie der Beeinträchtigung der Außenprüfung auszurichten (BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl II 2013, 266).

69

dd) Diesen Erfordernisse genügt die Betätigung des Ermessens durch den Beklagten im Bescheid vom 01. Juni 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 nicht:

70

(1) Wie der Beklagte im Bescheid vom 01. Oktober 2010 selbst in Abweichung vom Bescheid vom 01. Juni 2010 und der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 erstmals ausführt, sind auch bei der Betätigung des Entschließungsermessens Verschuldensaspekte mangels dessen Vorprägung zu berücksichtigen (Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Oktober 2012 5 V 5284/12, EFG 2013, 96; FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 19. Mai 2011 13 K 13246/10, EFG 2011, 1945; Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264, Schleswig-Holsteinisches FG Beschluss vom 03. Februar 2010 3 V 243/09, EFG 2010, 686; Rätke in Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 146, Rz. 30; Haubner, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO in der Außenprüfung, StBP 2012, 314, 316; Luft, Das Verzögerungsgeld als Druckmittel eigener Art in der Betriebsprüfung, SteuK 2010, 364, 365; Plewka, Die Entwicklung des Steuerrechts, NJW 2011, 2562, 2563; vgl. Märtens in Beermann/Gosch, AO, 103. Erg.-Lfg. Juni 2013, § 146, Rz. 81; Neumann, Das Verzögerungsgeld als Pendant zum Verspätungszuschlag in der Außenprüfung, DStR 2013, 1213; Weimann, Verzögerungsgeld (§ 146 Abs. 2b AO) als neues Druckmittel der Finanzverwaltung?, UStB 2010, 256, 257; Rätke, Erste Tendenzen beim Verzögerungsgeld, BBK 2012, 904, 906; vgl. auch Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Februar 2012 3 V 3006/12, EFG 2012, 1225; a.A. Gebbers, Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b (n.F.) AO in der Außenprüfung, StBp 2009, 162 und 196; Geißler, Verzögerungsgeld bei Verletzung von Mitwirkungspflichten, NWB 2009, 4076, 4081), woran es im hier für die Prüfung des Bescheids vom 01. Juni 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt, demjenigen der Einspruchsentscheidung, fehlte.

71

(2) Für die Gewichtung des Verschuldens ist die Dauer der durch die Nichtvorlage der Buchführungsunterlagen eingetretenen Verzögerung der Außenprüfung mitentscheidend (vgl. Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264), wie der Beklagte zutreffend, freilich wiederum erstmals im Bescheid vom 01. Oktober 2010 erkannt hat.

72

(3) Im Rahmen der Betätigung des Entschließungsermessens ist der Mindestbetrag des Verzögerungsgelds jedenfalls ins Verhältnis zur individuellen Dauer der Überschreitung der von der Finanzbehörde gesetzten Frist, den Gründen der Überschreitung und dem Verschulden des Inhaltsadressaten der Festsetzung des Verzögerungsgelds an diesen Gründen zu setzen. Der Beklagte mag dies im Bescheid vom 01. Oktober 2010 getan haben, hat es jedoch bis einschließlich zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung versäumt.

73

(4) Ferner hätte sich der Beklagte mit der Frage befassen müssen, aus welchen Gründen und in welchem Umfang die Vorlage der Buchführungsunterlagen nach der Einreichung der Daten-CD noch vor dem Hintergrund des Umfangs des Vorlageverlangens erforderlich war (vgl. Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 05. Dezember 2012 2 K 9/12, EFG 2013, 264).

74

(5) Es kann somit dahinstehen, ob der Bescheid vom 01. Juni 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 die Klägerin auch unter weiteren Gesichtspunkten in ihren Rechten verletzt.

75

III. Da die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt ist, die Ermessensentscheidung des FA in den aufgezeigten Grenzen zu überprüfen und dem Senat hiernach auch nicht die Befugnis zusteht, sein eigenes Ermessen an die Stelle der Verwaltungsbehörde zu setzen (BFH-Urteil vom 28. August 2012 I R 10/12, BStBl II 2013, 266; vgl. BFH-Urteile vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460; vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, jeweils m.w.N.), sind die Bescheide vom 01. Juni und 01. Oktober 2010 sowie die Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2010 unabhängig davon aufzuheben, ob im Rahmen einer fehlerfreien Ermessensausübung die Festsetzung eines Verzögerungsgelds hätte gerechtfertigt sein können.

76

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

77

E. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1, 711 Satz 1 der Zivilprozessordung (ZPO).

78

F. Die Revision ist zuzulassen.

79

Die Frage, ob im Falle einer Änderung einer Festsetzung eines Verzögerungsgelds lediglich der bei dessen erstmaligen Festsetzung verwirklichte oder aber der im Zeitpunkt der jüngsten Verwaltungsentscheidung verwirklichte Sachverhalt Gegenstand des behördlichen Ermessens sein müsse, ist von grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

80

G. Der Streitwert ist nicht durch das Gericht festzusetzen. Die Ermittlung und die Festsetzung des Streitwerts sind im Regelfall unselbständiger Teil des Kostenansatzverfahrens bzw. -festsetzungsverfahrens und obliegen daher in erster Linie dem Kostenbeamten (vgl. Ratschow in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, vor § 135 Rz. 111). Einem Antrag auf gerichtliche Festsetzung des Streitwerts fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn sich wie im Streitfall die Höhe des Streitwerts eindeutig aus den gestellten Sachanträgen sowie aus den von der Rechtsprechung zur Bemessung des Streitwerts in gleichartigen Fällen entwickelten Grundsätzen ermitteln lässt (BFH-Beschluss vom 07. März 2012 V B 131/11, BFH/NV 2012, 1154).

81

I. Eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren bildet keinen Bestandteil eines Urteils.

82

J. Eine Kostenfestsetzung nebst der Entscheidung über die Verzinsung hat außerhalb des Urteils zu erfolgen.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 11. Sept. 2013 - 3 K 1235/10

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 11. Sept. 2013 - 3 K 1235/10

Referenzen - Gesetze

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 11. Sept. 2013 - 3 K 1235/10 zitiert 29 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 155


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 69


(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 247 Basiszinssatz


#BJNR001950896BJNE024003377 (1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gef

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 90


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Ger

Abgabenordnung - AO 1977 | § 162 Schätzung von Besteuerungsgrundlagen


(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. (2) Zu schätzen ist insbesondere dann, we

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 139


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Aufwendungen der Fin

Zivilprozessordnung - ZPO | § 104 Kostenfestsetzungsverfahren


(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Proz

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 68


Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen. Die Finanzbeh

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 102


Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Er

Abgabenordnung - AO 1977 | § 5 Ermessen


Ist die Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 147 Ordnungsvorschriften für die Aufbewahrung von Unterlagen


(1) Die folgenden Unterlagen sind geordnet aufzubewahren:1.Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlag

Abgabenordnung - AO 1977 | § 126 Heilung von Verfahrens- und Formfehlern


(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 125 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn 1. der für den Verwaltungsakt erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,2. die erforderliche Begründung nac

Abgabenordnung - AO 1977 | § 146 Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen


(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 beste

Abgabenordnung - AO 1977 | § 200 Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen


(1) Der Steuerpflichtige hat bei der Feststellung der Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich sein können, mitzuwirken. Er hat insbesondere Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und P

Abgabenordnung - AO 1977 | § 152 Verspätungszuschlag


(1) Gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, kann ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist abzusehen, wenn der Erklärungsp

Abgabenordnung - AO 1977 | § 121 Begründung des Verwaltungsakts


(1) Ein schriftlicher, elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist. (2) Einer Begründung bedarf es nicht, 1. soweit die

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 149


(1) Die den Beteiligten zu erstattenden Aufwendungen werden auf Antrag von dem Urkundsbeamten des Gerichts des ersten Rechtszugs festgesetzt. (2) Gegen die Festsetzung ist die Erinnerung an das Gericht gegeben. Die Frist für die Einlegung der Eri

Abgabenordnung - AO 1977 | § 328 Zwangsmittel


(1) Ein Verwaltungsakt, der auf Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, kann mit Zwangsmitteln (Zwangsgeld, Ersatzvornahme, unmittelbarer Zwang) durchgesetzt werden. Für die Erzwingung von Sicherheiten gilt § 336. Vo

Abgabenordnung - AO 1977 | § 360 Hinzuziehung zum Verfahren


(1) Die zur Entscheidung über den Einspruch berufene Finanzbehörde kann von Amts wegen oder auf Antrag andere hinzuziehen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den St

Zivilprozessordnung - ZPO | § 105 Vereinfachter Kostenfestsetzungsbeschluss


(1) Der Festsetzungsbeschluss kann auf das Urteil und die Ausfertigungen gesetzt werden, sofern bei Eingang des Antrags eine Ausfertigung des Urteils noch nicht erteilt ist und eine Verzögerung der Ausfertigung nicht eintritt. Erfolgt der Festsetzung

Abgabenordnung - AO 1977 | § 332 Androhung der Zwangsmittel


(1) Die Zwangsmittel müssen schriftlich angedroht werden. Wenn zu besorgen ist, dass dadurch der Vollzug des durchzusetzenden Verwaltungsakts vereitelt wird, genügt es, die Zwangsmittel mündlich oder auf andere nach der Lage gebotene Weise anzudrohen

Abgabenordnung - AO 1977 | § 329 Zwangsgeld


Das einzelne Zwangsgeld darf 25.000 Euro nicht übersteigen.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 335 Beendigung des Zwangsverfahrens


Wird die Verpflichtung nach Festsetzung des Zwangsmittels erfüllt, so ist der Vollzug einzustellen.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 11. Sept. 2013 - 3 K 1235/10 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 11. Sept. 2013 - 3 K 1235/10 zitiert 7 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 04. Juni 2013 - 2 K 9/12

bei uns veröffentlicht am 04.06.2013

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Der Kläger, ein im Jahre 2004 geborenes Kind, begehrt ei

Bundesfinanzhof Urteil, 28. Aug. 2012 - I R 10/12

bei uns veröffentlicht am 28.08.2012

Tatbestand 1 I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b der Abgabenordnung (AO).

Bundesfinanzhof Urteil, 14. März 2012 - XI R 28/09

bei uns veröffentlicht am 14.03.2012

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine im Jahr 1975 von den Gesellschaftern A und B gegründete, inzwischen aufgelöste und ohne Liquidation b

Bundesfinanzhof Beschluss, 07. März 2012 - V B 131/11

bei uns veröffentlicht am 07.03.2012

Gründe 1 Die erhobene Nichtzulassungsbeschwerde und der Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts sind unzulässig.

Finanzgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 29. Juli 2011 - 1 V 1151/11

bei uns veröffentlicht am 29.07.2011

Tenor I. Der Antrag wird abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen. Tatbestand 1 I. Streitig ist die Androhung eines Verzögerungsgeldes. 2 Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter

Bundesfinanzhof Beschluss, 16. Juni 2011 - IV B 120/10

bei uns veröffentlicht am 16.06.2011

Tatbestand 1 I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzungen von Verzögerungsgeldern.

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 01. Feb. 2011 - 3 K 64/10

bei uns veröffentlicht am 01.02.2011

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten über die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes. 2 ..

Referenzen

(1) Der Steuerpflichtige hat bei der Feststellung der Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich sein können, mitzuwirken. Er hat insbesondere Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben und die Finanzbehörde bei Ausübung ihrer Befugnisse nach § 147 Abs. 6 zu unterstützen. Sind der Steuerpflichtige oder die von ihm benannten Personen nicht in der Lage, Auskünfte zu erteilen, oder sind die Auskünfte zur Klärung des Sachverhalts unzureichend oder versprechen Auskünfte des Steuerpflichtigen keinen Erfolg, so kann der Außenprüfer auch andere Betriebsangehörige um Auskunft ersuchen. § 93 Absatz 2 Satz 2 gilt nicht.

(2) Die in Absatz 1 genannten Unterlagen hat der Steuerpflichtige in seinen Geschäftsräumen oder, soweit ein zur Durchführung der Außenprüfung geeigneter Geschäftsraum nicht vorhanden ist, in seinen Wohnräumen oder an Amtsstelle vorzulegen. Sind mobile Endgeräte der Außenprüfer unter Berücksichtigung des Stands der Technik gegen unbefugten Zugriff gesichert, gilt die ortsunabhängige Tätigkeit als an Amtsstelle ausgeübt. Ein zur Durchführung der Außenprüfung geeigneter Raum oder Arbeitsplatz sowie die erforderlichen Hilfsmittel sind unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. § 147 Absatz 6 und 7 bleibt unberührt.

(3) Die Außenprüfung findet während der üblichen Geschäfts- oder Arbeitszeit statt. Die Prüfer sind berechtigt, Grundstücke und Betriebsräume zu betreten und zu besichtigen. Bei der Betriebsbesichtigung soll der Betriebsinhaber oder sein Beauftragter hinzugezogen werden.

(1) Die folgenden Unterlagen sind geordnet aufzubewahren:

1.
Bücher und Aufzeichnungen, Inventare, Jahresabschlüsse, Lageberichte, die Eröffnungsbilanz sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen,
2.
die empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe,
3.
Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe,
4.
Buchungsbelege,
4a.
Unterlagen nach Artikel 15 Absatz 1 und Artikel 163 des Zollkodex der Union,
5.
sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind.

(2) Mit Ausnahme der Jahresabschlüsse, der Eröffnungsbilanz und der Unterlagen nach Absatz 1 Nummer 4a, sofern es sich bei letztgenannten Unterlagen um amtliche Urkunden oder handschriftlich zu unterschreibende nicht förmliche Präferenznachweise handelt, können die in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen auch als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern aufbewahrt werden, wenn dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht und sichergestellt ist, dass die Wiedergabe oder die Daten

1.
mit den empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefen und den Buchungsbelegen bildlich und mit den anderen Unterlagen inhaltlich übereinstimmen, wenn sie lesbar gemacht werden,
2.
während der Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar sind, unverzüglich lesbar gemacht und maschinell ausgewertet werden können.

(3) Die in Absatz 1 Nr. 1, 4 und 4a aufgeführten Unterlagen sind zehn Jahre, die sonstigen in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen sechs Jahre aufzubewahren, sofern nicht in anderen Steuergesetzen kürzere Aufbewahrungsfristen zugelassen sind. Kürzere Aufbewahrungsfristen nach außersteuerlichen Gesetzen lassen die in Satz 1 bestimmte Frist unberührt. Bei empfangenen Lieferscheinen, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Erhalt der Rechnung. Für abgesandte Lieferscheine, die keine Buchungsbelege nach Absatz 1 Nummer 4 sind, endet die Aufbewahrungsfrist mit dem Versand der Rechnung. Die Aufbewahrungsfrist läuft jedoch nicht ab, soweit und solange die Unterlagen für Steuern von Bedeutung sind, für welche die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist; § 169 Abs. 2 Satz 2 gilt nicht.

(4) Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die letzte Eintragung in das Buch gemacht, das Inventar, die Eröffnungsbilanz, der Jahresabschluss oder der Lagebericht aufgestellt, der Handels- oder Geschäftsbrief empfangen oder abgesandt worden oder der Buchungsbeleg entstanden ist, ferner die Aufzeichnung vorgenommen worden ist oder die sonstigen Unterlagen entstanden sind.

(5) Wer aufzubewahrende Unterlagen in der Form einer Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen Datenträgern vorlegt, ist verpflichtet, auf seine Kosten diejenigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um die Unterlagen lesbar zu machen; auf Verlangen der Finanzbehörde hat er auf seine Kosten die Unterlagen unverzüglich ganz oder teilweise auszudrucken oder ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen beizubringen.

(6) Sind die Unterlagen nach Absatz 1 mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden,

1.
hat die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen,
2.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet zur Verfügung gestellt werden, oder
3.
kann die Finanzbehörde verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben in einem maschinell auswertbaren Format an sie übertragen werden.
Teilt der Steuerpflichtige der Finanzbehörde mit, dass sich seine Daten nach Absatz 1 bei einem Dritten befinden, so hat der Dritte
1.
der Finanzbehörde Einsicht in die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten zu gewähren oder
2.
diese Daten nach den Vorgaben der Finanzbehörde maschinell auszuwerten oder
3.
ihr nach ihren Vorgaben die für den Steuerpflichtigen gespeicherten Daten in einem maschinell auswertbaren Format zu übertragen.
Die Kosten trägt der Steuerpflichtige. In Fällen des Satzes 3 hat der mit der Außenprüfung betraute Amtsträger den in § 3 und § 4 Nummer 1 und 2 des Steuerberatungsgesetzes bezeichneten Personen sein Erscheinen in angemessener Frist anzukündigen. Sofern noch nicht mit einer Außenprüfung begonnen wurde, ist es im Fall eines Wechsels des Datenverarbeitungssystems oder im Fall der Auslagerung von aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Daten aus dem Produktivsystem in ein anderes Datenverarbeitungssystem ausreichend, wenn der Steuerpflichtige nach Ablauf des fünften Kalenderjahres, das auf die Umstellung oder Auslagerung folgt, diese Daten ausschließlich auf einem maschinell lesbaren und maschinell auswertbaren Datenträger vorhält.

(7) Die Verarbeitung und Aufbewahrung der nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten Daten ist auch auf mobilen Datenverarbeitungssystemen der Finanzbehörden unabhängig von deren Einsatzort zulässig, sofern diese unter Berücksichtigung des Stands der Technik gegen unbefugten Zugriff gesichert sind. Die Finanzbehörde darf die nach Absatz 6 zur Verfügung gestellten und gespeicherten Daten bis zur Unanfechtbarkeit der die Daten betreffenden Verwaltungsakte auch auf den mobilen Datenverarbeitungssystemen unabhängig von deren Einsatzort aufbewahren.

(1) Der Steuerpflichtige hat bei der Feststellung der Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich sein können, mitzuwirken. Er hat insbesondere Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben und die Finanzbehörde bei Ausübung ihrer Befugnisse nach § 147 Abs. 6 zu unterstützen. Sind der Steuerpflichtige oder die von ihm benannten Personen nicht in der Lage, Auskünfte zu erteilen, oder sind die Auskünfte zur Klärung des Sachverhalts unzureichend oder versprechen Auskünfte des Steuerpflichtigen keinen Erfolg, so kann der Außenprüfer auch andere Betriebsangehörige um Auskunft ersuchen. § 93 Absatz 2 Satz 2 gilt nicht.

(2) Die in Absatz 1 genannten Unterlagen hat der Steuerpflichtige in seinen Geschäftsräumen oder, soweit ein zur Durchführung der Außenprüfung geeigneter Geschäftsraum nicht vorhanden ist, in seinen Wohnräumen oder an Amtsstelle vorzulegen. Sind mobile Endgeräte der Außenprüfer unter Berücksichtigung des Stands der Technik gegen unbefugten Zugriff gesichert, gilt die ortsunabhängige Tätigkeit als an Amtsstelle ausgeübt. Ein zur Durchführung der Außenprüfung geeigneter Raum oder Arbeitsplatz sowie die erforderlichen Hilfsmittel sind unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. § 147 Absatz 6 und 7 bleibt unberührt.

(3) Die Außenprüfung findet während der üblichen Geschäfts- oder Arbeitszeit statt. Die Prüfer sind berechtigt, Grundstücke und Betriebsräume zu betreten und zu besichtigen. Bei der Betriebsbesichtigung soll der Betriebsinhaber oder sein Beauftragter hinzugezogen werden.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Der Steuerpflichtige hat bei der Feststellung der Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich sein können, mitzuwirken. Er hat insbesondere Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben und die Finanzbehörde bei Ausübung ihrer Befugnisse nach § 147 Abs. 6 zu unterstützen. Sind der Steuerpflichtige oder die von ihm benannten Personen nicht in der Lage, Auskünfte zu erteilen, oder sind die Auskünfte zur Klärung des Sachverhalts unzureichend oder versprechen Auskünfte des Steuerpflichtigen keinen Erfolg, so kann der Außenprüfer auch andere Betriebsangehörige um Auskunft ersuchen. § 93 Absatz 2 Satz 2 gilt nicht.

(2) Die in Absatz 1 genannten Unterlagen hat der Steuerpflichtige in seinen Geschäftsräumen oder, soweit ein zur Durchführung der Außenprüfung geeigneter Geschäftsraum nicht vorhanden ist, in seinen Wohnräumen oder an Amtsstelle vorzulegen. Sind mobile Endgeräte der Außenprüfer unter Berücksichtigung des Stands der Technik gegen unbefugten Zugriff gesichert, gilt die ortsunabhängige Tätigkeit als an Amtsstelle ausgeübt. Ein zur Durchführung der Außenprüfung geeigneter Raum oder Arbeitsplatz sowie die erforderlichen Hilfsmittel sind unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. § 147 Absatz 6 und 7 bleibt unberührt.

(3) Die Außenprüfung findet während der üblichen Geschäfts- oder Arbeitszeit statt. Die Prüfer sind berechtigt, Grundstücke und Betriebsräume zu betreten und zu besichtigen. Bei der Betriebsbesichtigung soll der Betriebsinhaber oder sein Beauftragter hinzugezogen werden.

Wird die Verpflichtung nach Festsetzung des Zwangsmittels erfüllt, so ist der Vollzug einzustellen.

(1) Die zur Entscheidung über den Einspruch berufene Finanzbehörde kann von Amts wegen oder auf Antrag andere hinzuziehen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften. Vor der Hinzuziehung ist derjenige zu hören, der den Einspruch eingelegt hat.

(2) Wird eine Abgabe für einen anderen Abgabenberechtigten verwaltet, so kann dieser nicht deshalb hinzugezogen werden, weil seine Interessen als Abgabenberechtigter durch die Entscheidung berührt werden.

(3) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie hinzuzuziehen. Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 352 nicht befugt sind, Einspruch einzulegen.

(4) Wer zum Verfahren hinzugezogen worden ist, kann dieselben Rechte geltend machen, wie derjenige, der den Einspruch eingelegt hat.

(5) Kommt nach Absatz 3 die Hinzuziehung von mehr als 50 Personen in Betracht, kann die Finanzbehörde anordnen, dass nur solche Personen hinzugezogen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Von einer Einzelbekanntgabe der Anordnung kann abgesehen werden, wenn die Anordnung im Bundesanzeiger bekannt gemacht und außerdem in Tageszeitungen veröffentlicht wird, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung voraussichtlich auswirken wird. Die Frist muss mindestens drei Monate seit Veröffentlichung im Bundesanzeiger betragen. In der Veröffentlichung in Tageszeitungen ist mitzuteilen, an welchem Tage die Frist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist gilt § 110 entsprechend. Die Finanzbehörde soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag hinzuziehen.

(1) Der Steuerpflichtige hat bei der Feststellung der Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich sein können, mitzuwirken. Er hat insbesondere Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben und die Finanzbehörde bei Ausübung ihrer Befugnisse nach § 147 Abs. 6 zu unterstützen. Sind der Steuerpflichtige oder die von ihm benannten Personen nicht in der Lage, Auskünfte zu erteilen, oder sind die Auskünfte zur Klärung des Sachverhalts unzureichend oder versprechen Auskünfte des Steuerpflichtigen keinen Erfolg, so kann der Außenprüfer auch andere Betriebsangehörige um Auskunft ersuchen. § 93 Absatz 2 Satz 2 gilt nicht.

(2) Die in Absatz 1 genannten Unterlagen hat der Steuerpflichtige in seinen Geschäftsräumen oder, soweit ein zur Durchführung der Außenprüfung geeigneter Geschäftsraum nicht vorhanden ist, in seinen Wohnräumen oder an Amtsstelle vorzulegen. Sind mobile Endgeräte der Außenprüfer unter Berücksichtigung des Stands der Technik gegen unbefugten Zugriff gesichert, gilt die ortsunabhängige Tätigkeit als an Amtsstelle ausgeübt. Ein zur Durchführung der Außenprüfung geeigneter Raum oder Arbeitsplatz sowie die erforderlichen Hilfsmittel sind unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. § 147 Absatz 6 und 7 bleibt unberührt.

(3) Die Außenprüfung findet während der üblichen Geschäfts- oder Arbeitszeit statt. Die Prüfer sind berechtigt, Grundstücke und Betriebsräume zu betreten und zu besichtigen. Bei der Betriebsbesichtigung soll der Betriebsinhaber oder sein Beauftragter hinzugezogen werden.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

(1) Die Zwangsmittel müssen schriftlich angedroht werden. Wenn zu besorgen ist, dass dadurch der Vollzug des durchzusetzenden Verwaltungsakts vereitelt wird, genügt es, die Zwangsmittel mündlich oder auf andere nach der Lage gebotene Weise anzudrohen. Zur Erfüllung der Verpflichtung ist eine angemessene Frist zu bestimmen.

(2) Die Androhung kann mit dem Verwaltungsakt verbunden werden, durch den die Handlung, Duldung oder Unterlassung aufgegeben wird. Sie muss sich auf ein bestimmtes Zwangsmittel beziehen und für jede einzelne Verpflichtung getrennt ergehen. Zwangsgeld ist in bestimmter Höhe anzudrohen.

(3) Eine neue Androhung wegen derselben Verpflichtung ist erst dann zulässig, wenn das zunächst angedrohte Zwangsmittel erfolglos ist. Wird vom Pflichtigen ein Dulden oder Unterlassen gefordert, so kann das Zwangsmittel für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht werden.

(4) Soll die Handlung durch Ersatzvornahme ausgeführt werden, so ist in der Androhung der Kostenbetrag vorläufig zu veranschlagen.

Das einzelne Zwangsgeld darf 25.000 Euro nicht übersteigen.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

(1) Gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, kann ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist abzusehen, wenn der Erklärungspflichtige glaubhaft macht, dass die Verspätung entschuldbar ist; das Verschulden eines Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Erklärungspflichtigen zuzurechnen.

(2) Abweichend von Absatz 1 ist ein Verspätungszuschlag festzusetzen, wenn eine Steuererklärung, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt bezieht,

1.
nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahrs oder nicht binnen 14 Monaten nach dem Besteuerungszeitpunkt,
2.
in den Fällen des § 149 Absatz 2 Satz 2 nicht binnen 19 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahrs oder nicht binnen 19 Monaten nach dem Besteuerungszeitpunkt oder
3.
in den Fällen des § 149 Absatz 4 nicht bis zu dem in der Anordnung bestimmten Zeitpunkt
abgegeben wurde.

(3) Absatz 2 gilt nicht,

1.
wenn die Finanzbehörde die Frist für die Abgabe der Steuererklärung nach § 109 verlängert hat oder diese Frist rückwirkend verlängert,
2.
wenn die Steuer auf null Euro oder auf einen negativen Betrag festgesetzt wird,
3.
wenn die festgesetzte Steuer die Summe der festgesetzten Vorauszahlungen und der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge nicht übersteigt oder
4.
bei jährlich abzugebenden Lohnsteueranmeldungen, bei Anmeldungen von Umsatzsteuer-Sondervorauszahlungen nach § 48 Absatz 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung sowie bei jährlich abzugebenden Versicherungsteuer- und Feuerschutzsteueranmeldungen.

(4) Sind mehrere Personen zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet, kann die Finanzbehörde nach ihrem Ermessen entscheiden, ob sie den Verspätungszuschlag gegen eine der erklärungspflichtigen Personen, gegen mehrere der erklärungspflichtigen Personen oder gegen alle erklärungspflichtigen Personen festsetzt. Wird der Verspätungszuschlag gegen mehrere oder gegen alle erklärungspflichtigen Personen festgesetzt, sind diese Personen Gesamtschuldner des Verspätungszuschlags. In Fällen des § 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a ist der Verspätungszuschlag vorrangig gegen die nach § 181 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 erklärungspflichtigen Personen festzusetzen.

(5) Der Verspätungszuschlag beträgt vorbehaltlich des Satzes 2, der Absätze 8 und 13 Satz 2 für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 Prozent der festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 10 Euro für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung. Für Steuererklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt beziehen, beträgt der Verspätungszuschlag für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 Prozent der um die festgesetzten Vorauszahlungen und die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge verminderten festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 25 Euro für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung. Wurde ein Erklärungspflichtiger von der Finanzbehörde erstmals nach Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist zur Abgabe einer Steuererklärung innerhalb einer dort bezeichneten Frist aufgefordert und konnte er bis zum Zugang dieser Aufforderung davon ausgehen, keine Steuererklärung abgeben zu müssen, so ist der Verspätungszuschlag nur für die Monate zu berechnen, die nach dem Ablauf der in der Aufforderung bezeichneten Erklärungsfrist begonnen haben.

(6) Für Erklärungen zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, für Erklärungen zur Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags und für Zerlegungserklärungen gelten vorbehaltlich des Absatzes 7 die Absätze 1 bis 3 und Absatz 4 Satz 1 und 2 entsprechend. Der Verspätungszuschlag beträgt für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 25 Euro.

(7) Für Erklärungen zu gesondert festzustellenden einkommensteuerpflichtigen oder körperschaftsteuerpflichtigen Einkünften beträgt der Verspätungszuschlag für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,0625 Prozent der positiven Summe der festgestellten Einkünfte, mindestens jedoch 25 Euro für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung.

(8) Absatz 5 gilt nicht für

1.
vierteljährlich oder monatlich abzugebende Steueranmeldungen,
2.
nach § 41a Absatz 2 Satz 2 zweiter Halbsatz des Einkommensteuergesetzes jährlich abzugebende Lohnsteueranmeldungen,
3.
nach § 8 Absatz 2 Satz 3 des Versicherungsteuergesetzes jährlich abzugebende Versicherungsteueranmeldungen,
4.
nach § 8 Absatz 2 Satz 3 des Feuerschutzsteuergesetzes jährlich abzugebende Feuerschutzsteueranmeldungen und
5.
Anmeldungen der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung nach § 48 Absatz 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung.
In diesen Fällen sind bei der Bemessung des Verspätungszuschlags die Dauer und Häufigkeit der Fristüberschreitung sowie die Höhe der Steuer zu berücksichtigen.

(9) Bei Nichtabgabe der Steuererklärung ist der Verspätungszuschlag für einen Zeitraum bis zum Ablauf desjenigen Tages zu berechnen, an dem die erstmalige Festsetzung der Steuer wirksam wird. Gleiches gilt für die Nichtabgabe der Erklärung zur Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags, der Zerlegungserklärung oder der Erklärung zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.

(10) Der Verspätungszuschlag ist auf volle Euro abzurunden und darf höchstens 25 000 Euro betragen.

(11) Die Festsetzung des Verspätungszuschlags soll mit dem Steuerbescheid, dem Gewerbesteuermessbescheid oder dem Zerlegungsbescheid verbunden werden; in den Fällen des Absatzes 4 kann sie mit dem Feststellungsbescheid verbunden werden. In den Fällen des Absatzes 2 kann die Festsetzung des Verspätungszuschlags ausschließlich automationsgestützt erfolgen.

(12) Wird die Festsetzung der Steuer oder des Gewerbesteuermessbetrags oder der Zerlegungsbescheid oder die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen aufgehoben, so ist auch die Festsetzung eines Verspätungszuschlags aufzuheben. Wird die Festsetzung der Steuer, die Anrechnung von Vorauszahlungen oder Steuerabzugsbeträgen auf die festgesetzte Steuer oder in den Fällen des Absatzes 7 die gesonderte Feststellung einkommensteuerpflichtiger oder körperschaftsteuerpflichtiger Einkünfte geändert, zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt, so ist ein festgesetzter Verspätungszuschlag entsprechend zu ermäßigen oder zu erhöhen, soweit nicht auch nach der Änderung oder Berichtigung die Mindestbeträge anzusetzen sind. Ein Verlustrücktrag nach § 10d Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes oder ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder Absatz 2 sind hierbei nicht zu berücksichtigen.

(13) Die Absätze 2, 4 Satz 2, Absatz 5 Satz 2 sowie Absatz 8 gelten vorbehaltlich des Satzes 2 nicht für Steuererklärungen, die gegenüber den Hauptzollämtern abzugeben sind. Für die Bemessung des Verspätungszuschlags zu Steuererklärungen zur Luftverkehrsteuer gilt Absatz 8 Satz 2 entsprechend.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

(1) Die den Beteiligten zu erstattenden Aufwendungen werden auf Antrag von dem Urkundsbeamten des Gerichts des ersten Rechtszugs festgesetzt.

(2) Gegen die Festsetzung ist die Erinnerung an das Gericht gegeben. Die Frist für die Einlegung der Erinnerung beträgt zwei Wochen. Über die Zulässigkeit der Erinnerung sind die Beteiligten zu belehren.

(3) Der Vorsitzende des Gerichts oder das Gericht können anordnen, dass die Vollstreckung einstweilen auszusetzen ist.

(4) Über die Erinnerung entscheidet das Gericht durch Beschluss.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Aufwendungen der Finanzbehörden sind nicht zu erstatten.

(3) Gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistands, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind stets erstattungsfähig. Aufwendungen für einen Bevollmächtigten oder Beistand, für den Gebühren und Auslagen gesetzlich nicht vorgesehen sind, können bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte erstattet werden. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind die Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Steht der Bevollmächtigte oder Beistand in einem Angestelltenverhältnis zu einem Beteiligten, so werden die durch seine Zuziehung entstandenen Gebühren nicht erstattet.

(4) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

*

(1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.

(2) Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.

(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.

(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.

(1) Der Festsetzungsbeschluss kann auf das Urteil und die Ausfertigungen gesetzt werden, sofern bei Eingang des Antrags eine Ausfertigung des Urteils noch nicht erteilt ist und eine Verzögerung der Ausfertigung nicht eintritt. Erfolgt der Festsetzungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(2) Eine besondere Ausfertigung und Zustellung des Festsetzungsbeschlusses findet in den Fällen des Absatzes 1 nicht statt. Den Parteien ist der festgesetzte Betrag mitzuteilen, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung der Abschrift der Kostenberechnung. Die Verbindung des Festsetzungsbeschlusses mit dem Urteil soll unterbleiben, sofern dem Festsetzungsantrag auch nur teilweise nicht entsprochen wird.

(3) Eines Festsetzungsantrags bedarf es nicht, wenn die Partei vor der Verkündung des Urteils die Berechnung ihrer Kosten eingereicht hat; in diesem Fall ist die dem Gegner mitzuteilende Abschrift der Kostenberechnung von Amts wegen anzufertigen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzungen von Verzögerungsgeldern.

2

Im Rahmen der Durchführung einer Außenprüfung forderte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) mit Schreiben vom 1. März 2010, 8. und 21. April 2010 --Letzteres unter Fristsetzung bis zum 27. April 2010-- gemäß § 200 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) auf, Buchführungsunterlagen und Datenträger vorzulegen. Für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage drohte das FA in dem Schreiben vom 21. April 2010 die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe von jeweils 2.500 € an.

3

Bis zum Fristablauf überreichte die Antragstellerin lediglich einen Datenträger.

4

Mit Bescheid vom 1. Juni 2010 setzte das FA der Antragstellerin gegenüber ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € fest.

5

Den dagegen eingelegten Einspruch und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA ab.

6

Die gegen den Bescheid vom 1. Juni 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung erhobene Klage ist beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen 3 K 1235/10 anhängig.

7

Mit weiterem Schreiben vom 21. Juni 2010 forderte das FA die Antragstellerin erneut auf, die Buchführungsunterlagen bis zum 29. Juni 2010 vorzulegen. In dem Schreiben wies das FA auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b AO hin.

8

Mit Bescheid vom 29. Juni 2010 setzte das FA der Antragstellerin gegenüber ein (weiteres) Verzögerungsgeld in Höhe von 3.000 € fest, da diese der (erneuten) Aufforderung vom 21. Juni 2010 nicht nachgekommen sei.

9

Dagegen hat die Antragstellerin Sprungklage erhoben, der das FA jedoch nicht zugestimmt hat. Eine Einspruchsentscheidung ist bislang nicht ergangen. Den gleichfalls gestellten Antrag auf AdV lehnte das FA ab.

10

Am 7. September 2010 beantragte die Antragstellerin die AdV der Bescheide vom 1. Juni 2010 und vom 29. Juni 2010 beim FG.

11

Während des anhängigen Verfahrens ersetzte das FA mit Bescheiden vom 1. Oktober 2010 die Bescheide vom 1. Juni 2010 und vom 29. Juni 2010, jeweils verbunden mit der ausdrücklichen Feststellung, dass die Festsetzung des Verzögerungsgelds nach erneuter Überprüfung bestehen bleibe. In den Bescheiden vom 1. Oktober 2010 hat das FA umfassend zu seinen Ermessenserwägungen Stellung genommen.

12

Das FG hat die Vollziehung der Bescheide vom 1. Oktober 2010 ausgesetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

13

Die Bescheide vom 1. Oktober 2010 seien in entsprechender Anwendung des § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Der Antrag sei angesichts des Begehrens der Antragstellerin dahingehend auszulegen, dass nunmehr die AdV der Bescheide vom 1. Oktober 2010 begehrt werde.

14

Der Antrag sei begründet, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden.

15

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 1. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 1. Oktober 2010 bestünden deshalb, weil das FA im Rahmen der neuerlichen Ausübung seines Ermessens unberücksichtigt gelassen habe, dass zwischenzeitlich mit der Festsetzung eines höheren Verzögerungsgelds ein relevantes Ereignis eingetreten sei. Es treffe deshalb nicht zu, wenn das FA von einer erstmaligen Sanktionsmaßnahme ausgehe.

16

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 29. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 1. Oktober 2010 bestünden insoweit, als das FA die mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben angeforderten Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO auf § 146 Abs. 2b AO gestützt habe. Eine ausdrückliche diesbezügliche Regelung finde sich in § 146 Abs. 2b AO nicht. Es sei auch kein Verweis auf § 332 Abs. 3 AO enthalten, wonach eine erneute Zwangsgeldandrohung wegen derselben Verpflichtung möglich sei. Eine analoge Anwendung dieser Regelung verbiete sich wegen der unterschiedlichen Zielsetzung von Verzögerungsgeld und Zwangsgeld.

17

Zudem seien ernstliche Zweifel dadurch begründet, dass das FA mit den seiner Auffassung nach aussichtslosen Anträgen auf AdV der Prüfungsanordnung bei der Ermessensentscheidung sachfremde Umstände berücksichtigt habe.

18

Mit der vom FG zugelassenen (§ 128 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO) Beschwerde macht das FA geltend, dass die Änderungsbescheide vom 1. Oktober 2010 rechtmäßig seien.

19

Im Rahmen der Ermessensausübung bei dem Änderungsbescheid vom 1. Oktober 2010, soweit er die erstmalige Festsetzung des Verzögerungsgelds betroffen habe, sei die weitere Festsetzung eines Verzögerungsgelds nicht zu berücksichtigen gewesen. Beide Festsetzungen hätten auf verschiedenen Mitwirkungsverlangen beruht und seien daher unabhängig voneinander zu beurteilen.

20

Auch die Festsetzung eines erneuten Verzögerungsgelds sei rechtmäßig, da die Sanktion nach dem Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO an die jeweilige Aufforderung anknüpfe. Anders als beim Zwangsgeld werde daher nicht dieselbe Pflichtverletzung sanktioniert.

21

Auch habe das FA zu Recht im Rahmen der Ermessensentscheidung berücksichtigt, dass die Antragstellerin durch eine Reihe von Anträgen auf AdV der Prüfungsanordnung, welche wegen der eingetretenen Bestandskraft aussichtslos gewesen seien, die Durchführung der Außenprüfung zu verhindern gesucht habe. Vollstreckungsmaßnahmen hätten grundsätzlich zu unterbleiben, soweit über einen Aussetzungsantrag noch nicht entschieden worden sei. Im Übrigen seien diese Ausführungen erkennbar nur ergänzend und nicht tragend gewesen.

22

Das FA beantragt sinngemäß,

den Beschluss des FG aufzuheben und die Anträge auf AdV der Bescheide vom 1. Oktober 2010 als unbegründet abzulehnen.

23

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

24

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:

Solange der Verwaltungsakt --hier Anforderung von Buchführungsunterlagen-- nicht bestandskräftig und über ein diesbezügliches Aussetzungsverfahren noch nicht entschieden worden sei, könne kein Verzögerungsgeld festgesetzt werden. Es sei auch nicht zulässig, das Verzögerungsgeld zu vervielfachen, indem es auf mehrere Verpflichtungen atomisiert werde - hier Datenträger und Buchführungsunterlagen.

25

Die Ermessenserwägungen hätten spätestens im Rahmen der Einspruchsentscheidung dargelegt werden müssen. Eine Nachholung in einem finanzgerichtlichen Verfahren sei nicht möglich. Das FA habe zudem nicht dargelegt, welche konkrete zeitliche Verzögerung eingetreten sei.

26

Die Verzögerungsgelder seien auch fehlerhaft gegen die Antragstellerin festgesetzt worden. Zutreffend hätten sich die Bescheide gegen die gemäß § 34 AO für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten zuständigen Geschäftsführer (hier die Gesellschafter) der Antragstellerin richten müssen.

27

Die Festsetzung eines erneuten Verzögerungsgelds sei auch deshalb unzulässig, weil über die erste Festsetzung noch nicht bestandskräftig entschieden worden sei. Auch sei die Zeitspanne zwischen den beiden Festsetzungsbescheiden zu kurz bemessen. Zudem sei zweifelhaft, ob die mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben Unterlagen von § 146 Abs. 2b AO gedeckt sei.

28

Im Übrigen könne ein Verzögerungsgeld nur im Zusammenhang mit einer Buchführungsverlagerung nach § 146 Abs. 2a AO festgesetzt werden.

Entscheidungsgründe

29

II. 1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen.

30

a) Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung). Die AdV setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH-Beschluss vom 6. November 2008 IV B 126/07, BFHE 223, 294, BStBl II 2009, 156).

31

b) Die Entscheidung über einen Antrag auf AdV ergeht wegen dessen Eilbedürftigkeit aufgrund des Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Akten der Finanzbehörde und präsenten Beweismitteln ergibt (BFH-Beschluss vom 21. Juli 1994 IX B 78/94, BFH/NV 1995, 116). Aus diesen Unterlagen hat das Gericht seine Feststellungen zum Sachverhalt zu treffen. Im Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung über einen Antrag auf AdV durch das FG hat der BFH als Tatsachengericht grundsätzlich selbst die Befugnis und Pflicht zur Tatsachenfeststellung (BFH-Beschluss in BFHE 223, 294, BStBl II 2009, 156, m.w.N.).

32

c) Die Beschwerde ist statthaft, weil das FG sie zugelassen hat (§ 128 Abs. 3 FGO). Der BFH ist daran --abgesehen von Fällen greifbarer Gesetzeswidrigkeit-- gebunden (BFH-Beschluss vom 6. Februar 2009 IV B 125/08, BFH/NV 2009, 760, m.w.N.).

33

d) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Bescheide vom 1. Oktober 2010 in entsprechender Anwendung des § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden sind.

34

§ 68 Satz 1 FGO greift u.a. dann ein, wenn ein angefochtener Verwaltungsakt aus formellen Gründen aufgehoben und inhaltsgleich wiederholt wird. Dies gilt gleichermaßen auch dann, wenn der ursprüngliche Bescheid keine hinreichenden Ausführungen zur Ermessensausübung enthält und diese in dem "ersetzenden" Bescheid nachgeholt werden (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, m.w.N.). Der Anwendungsbereich des § 68 FGO ist auch eröffnet, wenn die Hauptsache sich noch im Vorverfahren befindet und der Änderungsbescheid gemäß § 365 Abs. 3 AO Gegenstand des Vorverfahrens geworden ist (BFH-Beschluss vom 25. Oktober 1994 VIII B 101/94, BFH/NV 1995, 611).

35

Die Bescheide vom 1. Oktober 2010 sind in ihrem Regelungsausspruch inhaltsgleich mit den Bescheiden vom 1. Juni 2010 und vom 29. Juni 2010. In den Bescheiden vom 1. Oktober 2010 sind lediglich die Ermessenserwägungen nachgeholt worden. Die ersetzenden Bescheide sind daher entsprechend § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden.

36

2. Vorliegend bestehen bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 1. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 1. Oktober 2010.

37

Das FA hat die Festsetzung des Verzögerungsgelds in Höhe von 2.500 € wegen Nichtvorlage der Buchführungsunterlagen zu Recht auf § 146 Abs. 2b AO gestützt.

38

a) Nach der Regelung des § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt oder er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde ins Ausland verlagert hat.

39

Das Verzögerungsgeld wurde durch Art. 10 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2794) --JStG 2009-- mit Wirkung vom 25. Dezember 2008 (Art. 39 Abs. 1, Abs. 8 JStG 2009) als neue steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 AO) eingeführt. Die Einführung des Verzögerungsgelds stand im engen Kontext mit der ebenfalls durch das JStG 2009 eingeführten Regelung in § 146 Abs. 2a AO. Danach kann das Finanzamt dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen bewilligen, seine Buchführung in das Ausland zu verlagern. Für den Fall, dass die Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, kann die Bewilligung widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung verlangt werden (§ 146 Abs. 2a Satz 3 AO). Um den Steuerpflichtigen in diesem Fall zu einer zeitnahen Rückverlagerung der Buchführung anzuhalten, ist die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds normiert worden.

40

Über diesen direkten Normzusammenhang hinaus kann nach dem zuvor dargelegten Wortlaut ein Verzögerungsgeld aber auch dann verhängt werden, wenn ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamts zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. von § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer angemessenen Frist nicht nachkommt (Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 1. Februar 2011  3 K 64/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 846; ebenso Geißler, Neue Wirtschaftsbriefe 2009, 4076; Klein/Rätke, AO, 10. Aufl., § 146 Rz 5b; Gebbers, Die steuerliche Betriebsprüfung 2009, 130). Es erscheint zwar systematisch missglückt, die Regelung des Verzögerungsgelds wegen der Verletzung von Mitwirkungspflichten bei einer Außenprüfung mit einem Verzögerungsgeld im Zusammenhang mit anderen Verpflichtungen zu verbinden. Sie hätte, worauf Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 51 zutreffend hinweist, besser in § 200 AO verortet werden sollen. Angesichts des eindeutigen Wortlauts kann aber allein aus der unzureichenden systematischen Verortung nicht darauf geschlossen werden, dass ein Verzögerungsgeld nur im Zusammenhang mit einer ohne Bewilligung der Finanzbehörde erfolgten Verlagerung der Buchführung ins Ausland oder unterbliebener Rückverlagerung der Buchführung aus dem Ausland festgesetzt werden darf (so aber Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 146 AO Rz 51). Dieses Verständnis der Norm wird durch die Gesetzesbegründung gestützt. Danach soll das Verzögerungsgeld im Falle der Verletzung von Mitwirkungspflichten gleichermaßen gelten, um eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die ihre Bücher und sonstigen Aufzeichnungen im Ausland führen, gegenüber solchen Steuerpflichtigen, die dies im Inland tun, zu vermeiden (vgl. BTDrucks 16/10189, S. 81). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob eine Erstreckung des Verzögerungsgelds auch auf Fälle sonstiger Mitwirkungsverletzungen aus Gründen der Gleichbehandlung überhaupt erforderlich gewesen wäre (ablehnend Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 146 AO Rz 51).

41

b) Der Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO ist vorliegend erfüllt. Gegenüber der Antragstellerin ist mit Bescheid vom 9. Mai 2008 eine Außenprüfung angeordnet worden. Der Bescheid ist nach Abschluss des dagegen gerichteten Klage- und Revisionszulassungsverfahrens bestandskräftig (siehe BFH-Beschluss vom 19. November 2009 IV B 62/09, BFH/NV 2010, 595).

42

aa) Das FA durfte deshalb die Aufforderung an die Antragstellerin vom 1. März 2010, 8. und 21. April 2010 zur Vorlage der Buchführungsunterlagen zuletzt bis zum 27. April 2010 erlassen. Die relativ kurze Frist war angesichts der besonderen Umstände des Streitfalls noch angemessen. Zum einen war die Antragstellerin bereits mehrmals zur Vorlage der Buchführungsunterlagen aufgefordert worden. Zum anderen hat die Antragstellerin durch selbst mit nicht statthaften Anträgen verbundene Rechtsbehelfe gegen sämtliche Mitwirkungsverlangen des Prüfers fortwährend Verzögerungen bewirkt.

43

bb) Der Festsetzung des Verzögerungsgelds steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin die Aufforderung zur Vorlage der Buchführungsunterlagen mit Rechtsmitteln angegriffen hat. Maßgeblich ist allein, dass die Aufforderung vollziehbar war. Nach Aktenlage wurden die Anträge auf AdV der Aufforderungen zur Vorlage der Buchführungsunterlagen abgelehnt.

44

cc) Im Streitfall bedarf es keiner Ausführungen dazu, ob und inwieweit § 146 Abs. 2b AO eine Vervielfachung der Festsetzung des Verzögerungsgelds dadurch ermöglicht, dass sich die vorherige Aufforderung auf eine Vielzahl von Unterlagen erstreckt. Denn das FA hat in dem Bescheid vom 1. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 1. Oktober 2010 nur den Mindestbetrag von 2.500 € festgesetzt, so dass sich das Problem einer Vervielfachung des Verzögerungsgelds nicht stellt.

45

dd) Der Bescheid über die Festsetzung des Verzögerungsgelds ist ebenso wie die Aufforderung zur Vorlage der Buchführungsunterlagen zutreffend an die Antragstellerin als Inhaltsadressatin gerichtet worden. Insoweit kann für diese Bescheide nichts anderes gelten als für die Prüfungsanordnung. Unterhält eine Personengesellschaft einen Gewerbebetrieb (§ 193 Abs. 1 AO), ist sie selbst Prüfungssubjekt und damit Inhaltsadressatin der Prüfungsanordnung nicht nur für die Steuern, die sie persönlich schuldet (z.B. Gewerbesteuer und Umsatzsteuer), sondern gleichermaßen im Hinblick auf die gesondert und einheitlich festzustellenden Einkünfte ihrer Gesellschafter (BFH-Urteil vom 26. Juni 2007 IV R 75/05, Deutsches Steuerrecht/ Entscheidungsdienst 2008, 341). Auch im Streitfall war die Prüfungsanordnung zutreffend an die Antragstellerin als Inhaltsadressatin gerichtet. Entsprechend oblagen ihr auch die Mitwirkungspflichten im Zusammenhang mit der Durchführung der Außenprüfung.

46

ee) Der Senat hat bei summarischer Prüfung schließlich auch keine ernstlichen Zweifel daran, dass das FA sein Entschließungsermessen im Hinblick auf das Ob einer Festsetzung des Verzögerungsgelds und sein Auswahlermessen im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds zutreffend ausgeübt hat.

47

Das FA musste beim Erlass des Bescheids vom 1. Oktober 2010, mit dem der Bescheid vom 1. Juni 2010 geändert bzw. ersetzt worden ist, im Rahmen der Ermessensausübung nicht berücksichtigen, dass zwischenzeitlich ein höheres Verzögerungsgeld festgesetzt worden ist. Anders als das FG meint, ist die Festsetzung eines weiteren Verzögerungsgelds jedenfalls im Streitfall kein relevantes Ereignis, welches in die Ermessenserwägungen des ersten Bescheids miteinzubeziehen gewesen wäre.

48

Zutreffend weist das FA darauf hin, dass beide Bescheide auf voneinander unabhängigen Mitwirkungsverlangen beruhen, nämlich einerseits den Aufforderungen vom 1. März 2010, 8. und 21. April 2010 und andererseits der Aufforderung vom 21. Juni 2010. Zwar liegt es nahe, dass die erstmalige Festsetzung eines Verzögerungsgelds in die Ermessenserwägung (Auswahlermessen) im Rahmen der betragsmäßigen Festsetzung eines weiteren Verzögerungsgelds einzufließen hat, soweit eine weitere Festsetzung dem Grunde nach überhaupt zulässig ist (dazu unter II.3.). Umgekehrt kann die Festsetzung eines weiteren Verzögerungsgelds aber keinerlei Einfluss auf die erstmalige Festsetzung eines Verzögerungsgelds haben. Die Ermessenserwägungen sind vielmehr ausschließlich auf diesen erstmalig verwirklichten Sachverhalt zu beziehen. Später eintretende Umstände sind auch nicht dann im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen, wenn, wie im Streitfall, das FA die zunächst unterlassenen Ermessenserwägungen in einem Änderungs- bzw. Ersetzungsbescheid zu einem Zeitpunkt nachholt, in dem ein weiteres Verzögerungsgeld bereits festgesetzt worden ist. Denn ungeachtet der zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen müssen sich die Ermessenserwägungen ausschließlich auf den Sachverhalt beziehen, der im Zeitpunkt des Erlasses des ersten Festsetzungsbescheids verwirklicht war.

49

3. Bei summarischer Prüfung bestehen indes ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 29. Juni 2010 in der Fassung vom 1. Oktober 2010.

50

a) Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben angeforderten Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO von § 146 Abs. 2b AO gedeckt ist (für zulässig erachtet von tom Suden, § 146 Abs. 2a und 2b AO: Das trojanische Pferd im Steuerrecht, Die Steuerberatung 2009, 207; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 22. April 2010, Deutsches Steuerrecht 2011, 676).

51

Die Zulässigkeit einer mehrfachen Festsetzung wegen derselben Verpflichtung lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 146 Abs. 2b AO entnehmen. Das Verzögerungsgeld soll nach der Gesetzesbegründung den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Mitwirkung anhalten. Es steht damit in einem Konkurrenzverhältnis zu dem Zwangsgeld gemäß § 328 Abs. 1, § 329 AO. Für das Zwangsgeld enthält § 332 Abs. 3 AO die ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, es erneut wegen derselben Verpflichtung anzudrohen, wenn das zunächst angedrohte Zwangsgeld erfolglos geblieben ist. Das Schweigen des Gesetzgebers zu der Möglichkeit einer erneuten Festsetzung eines Verzögerungsgelds deutet daher darauf hin, dass ein Verzögerungsgeld wegen derselben Verpflichtung nur einmal festgesetzt werden kann. Eine analoge Anwendung des § 332 Abs. 3 AO kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht, weil nicht zu erkennen ist, dass das Fehlen einer Regelung zur wiederholten Festsetzung eines Verzögerungsgelds auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht. Es fehlt damit an der für eine analoge Gesetzesanwendung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.

52

b) Da das FA noch nicht über den Einspruch gegen den Bescheid vom 29. Juni 2010 in der Fassung vom 1. Oktober 2010 entschieden hat, beschränkt der Senat in Ausübung seines Ermessens die AdV des Bescheids vom 29. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 1. Oktober 2010 bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen. Die Finanzbehörde hat dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts zu übermitteln. Satz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
ein Verwaltungsakt nach § 129 der Abgabenordnung berichtigt wird oder
2.
ein Verwaltungsakt an die Stelle eines angefochtenen unwirksamen Verwaltungsakts tritt.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b der Abgabenordnung (AO).

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) führte ab November 2009 bei der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, eine Betriebsprüfung (betreffend die Jahre 2005 bis 2007) durch. Am 24./25. November 2009 forderte die Prüferin die Klägerin erstmals auf, Nachweise über die "sonstigen Rückstellungen (management creativ)" sowie die Verträge zwischen der Klägerin und der "V-Ltd. (Darlehensvertrag, Managementvertrag o.ä.)" vorzulegen und die "Kosten für die Management Fee" zu erläutern. Anlässlich einer Betriebsbesichtigung (1. Dezember 2009) wurde der Prüferin erläutert, dass die angeforderten Unterlagen einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen übersandt worden seien. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 setzte die Prüferin eine Frist zur Vorlage der Unterlagen bis zum 22. Januar 2010; die Frist wurde mit weiterem Schreiben vom 3. Februar 2010 bis zum 25. Februar 2010 verlängert. Nachdem die Klägerin im Rahmen der Schlussbesprechung (23. März 2010) erneut auf die angeforderten Nachweise hingewiesen worden war, teilte der von der Klägerin bevollmächtigte Steuerberater am 12. April 2010 der Prüferin telefonisch mit, dass die Unterlagen unterwegs seien; am 23. April 2010 gab er an, dass die Unterlagen noch nicht vollständig seien, er sie aber am selben Tage absenden würde. Mit Schreiben vom 12. Mai 2010 forderte das FA die Klägerin erneut auf, die vorgenannten Nachweise und Unterlagen (betreffend Rückstellung "management creativ; Darlehens- und Managementverträge mit der V-Ltd.; Erläuterung der Kosten der Management Fee") bis 25. Mai 2010 einzureichen; zugleich wies das FA darauf hin, dass ein Verzögerungsgeld von mindestens 2.500 € und maximal 250.000 € festgesetzt werde, wenn die Klägerin die Unterlagen nicht fristgerecht und vollständig einreiche.

3

Da die Klägerin auch dieser Aufforderung nicht nachkam, setzte das FA mit Bescheid vom 31. Mai 2010 ein Verzögerungsgeld in Höhe von 5.000 € fest. Nach dem Begründungsteil des Bescheids ergibt sich dieser Betrag aus der Dauer der Fristüberschreitung sowie daraus, dass die Beendigung der Betriebsprüfung beeinträchtigt worden sei.

4

In dem am 9. Juni 2010 erstellten Prüfungsbericht wurden --jeweils wegen fehlender Nachweise-- die Rückstellungen für "management creativ" zum 31. Dezember 2006 sowie zum 31. Dezember 2007 in Höhe von 20.000 € aufgelöst und die nicht abziehbaren Aufwendungen um die Kosten für die Management Fee (2006: 47.095 €; 2007: 39.038 €) erhöht.

5

Zur Begründung ihres Einspruchs gegen den Bescheid vom 31. Mai 2010 hat die Klägerin mit Schreiben vom 30. Juni 2010 vorgetragen, dass --wie der Prüferin bekannt sei-- bei der Gesellschaft im Hinblick auf den geplanten Verkauf der Unternehmensgruppe eine Due Diligence Prüfung vorgenommen werde und deshalb die Erlangung der Unterlagen aus Großbritannien äußerst schwierig gewesen sei. Die Höhe des Verzögerungsgelds sei --so die Klägerin weiter-- unangemessen, die Unterlagen würden spätestens Anfang nächster Woche eingereicht.

6

Der Einspruch wurde mit Bescheid vom 30. Juli 2010 zurückgewiesen. Der Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO sei --so das FA-- erfüllt. Umstände, die es rechtfertigten, von der Festsetzung eines Verzögerungsgelds abzusehen, lägen nicht vor. Da zwischen der ersten und der letzten Aufforderung ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten gelegen habe, seien auch die geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Unterlagen aus Großbritannien sehr großzügig beachtet worden; zudem habe die Klägerin auf die letzte Fristsetzung (vom 12. Mai 2010) nicht reagiert. Im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds wiederholt die Einspruchsentscheidung zum einen die Erläuterungen des Bescheids vom 31. Mai 2010 (Dauer der Fristüberschreitung; Beeinträchtigung des Prüfungsabschlusses; s.o.); zum anderen führt die Einspruchsentscheidung aus, dass das Verzögerungsgeld für zwei Pflichtverletzungen (kein Nachweis der Rückstellung "management creativ" sowie der Kosten für (die) "Management Fee") jeweils in Höhe des vorgeschriebenen Mindestbetrags (2.500 €) festgesetzt worden sei. Schließlich sei auch der Vollzug des Festsetzungsbescheids nicht entsprechend der Regelung des § 335 AO einzustellen. Die Vorschrift sei auf das Verzögerungsgeld, bei der es sich um eine eigenständige steuerliche Nebenleistung handle, nicht anwendbar. Im Übrigen seien die geforderten Nachweise auch im Verlauf des Einspruchsverfahrens nicht erbracht worden.

7

Mit der Klage wurde u.a. geltend gemacht, dass die Vertragsunterlagen in London bzw. Amerika zusammengetragen worden und die Unterlagen für die Management Fee nicht auffindbar gewesen seien. Zudem sei die beauftragte Buchhalterin aufgrund der Erkrankung ihres Ehemanns aus einem Urlaub "über den Jahreswechsel" nicht zurückgekehrt. Hinzu komme, dass das FA unmittelbar nach der Festsetzung des Verzögerungsgelds den Prüfungsbericht fertiggestellt und die nicht aufgeklärten Sachverhalte zu Lasten der Klägerin gewertet habe. Insbesondere hält die Klägerin die Festsetzung des Verzögerungsgelds für zwei Pflichtverletzungen für unverhältnismäßig. Auch sei die Anforderung über den Nachweis der Kosten für die Management Fee unangemessen gewesen, da sich die Gründe für dieses Entgelt aus der --der Prüferin bekannten-- Gesamtkonstruktion (Gründung einer deutschen Gesellschaft unter Rückgriff auf Erfahrungen und Beratungsleistungen aus Großbritannien) ergeben hätten.

8

Die Vorinstanz hat der Klage stattgeben (vgl. Finanzgericht --FG-- Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Januar 2012  12 K 12205/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 898). Dabei hat das FG offengelassen, ob bereits deshalb von einem Ermessensfehlgebrauch ausgegangen werden müsse, weil das FA auf die Gründe der Säumnis und damit auf Verschuldensaspekte nicht eingegangen sei. Jedenfalls sei ein Ermessensfehler darin zu sehen, dass nicht für sämtliche Pflichtverstöße ein einheitliches Verzögerungsgeld festgesetzt worden sei. Gegen den vom FA beschrittenen Weg --Bemessung des Verzögerungsgelds durch Multiplikation der Pflichtverstöße mit dem Mindestbetrag (2.500 €)-- spreche nicht nur der Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO, sondern auch, dass die Vorgehensweise des FA zu unverhältnismäßigen und willkürlichen Festsetzungen führen könne. Letzteres zeige sich auch im Streitfall, da die Klägerin gegen drei Vorlage- und Auskunftspflichten verstoßen, das FA der Bemessung des Verzögerungsgelds aber nur zwei Pflichtverstöße zugrunde gelegt habe; umgekehrt sei --wenn man zwischen den angeforderten Darlehens- und Managementverträgen unterscheide-- auch die Annahme von vier Verstößen denkbar gewesen.

9

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA, dass die Festsetzung von Verzögerungsgeldern nach der Anzahl der Pflichtverstöße mit dem Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO vereinbar sei und der Ansicht der Finanzverwaltung entspreche. Auch liege hierin --entgegen der Auffassung der Vorinstanz-- kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die Festsetzung eines Verzögerungsgelds auf "wesentliche Fälle" zu beschränken sei und im Hinblick auf die Höhe des festzusetzenden Betrags nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. April 2010 (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 676) unter anderem die Dauer der Fristüberschreitung, die Gründe der Pflichtverletzung, die Häufigkeit der Verzögerung oder Verweigerung sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Betriebsprüfung zu berücksichtigen seien. Im Streitfall habe das FA sein Entschließungsermessen zutreffend ausgeübt; insbesondere habe es --abweichend von den Ausführungen der Vorinstanz-- erläutert, weshalb die geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Beschaffung der angeforderten Unterlagen die Pflichtverletzungen der Klägerin nicht entschuldigt hätten. Zudem habe die Klägerin noch im April 2010 mitgeteilt, dass die Unterlagen nunmehr vorlägen und übersandt würden. Auf den Ausfall der Buchhalterin habe das FA nicht eingehen können, da dieser Umstand erstmals im Klageverfahren vorgetragen worden sei; hiervon abgesehen könne er die Nichtvorlage der Unterlagen über Monate hinweg nicht rechtfertigen. Ebenso sei es nicht zu beanstanden, dass das FA beide Verzögerungsgelder --ausgehend von den Erwägungen im Rahmen des Entschließungsermessens-- nach dem gesetzlichen Mindestbetrag bemessen habe. Es liege somit keine bloße Vervielfältigung dieses Betrags vor.

10

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

11

Die Klägerin hat im Revisionsverfahren keine Stellungnahme abgegeben.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtordnung --FGO--).

13

1. Nach § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt. Die Vorschrift wurde durch Art. 10 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74) --JStG 2009-- mit Wirkung vom 25. Dezember 2008 (Art. 39 Abs. 1 und Abs. 8 JStG 2009) als neue steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 AO) eingeführt. Sie steht zwar im Zusammenhang mit der ebenfalls durch das JStG 2009 geschaffenen Regelung in § 146 Abs. 2a AO, nach welcher das FA dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen bewilligen kann, seine Buchführung in das Ausland zu verlagern, und will für den Fall, dass die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht oder nicht mehr gegeben sind, die zeitnahe Rückführung der Buchführung flankieren (vgl. § 146 Abs. 2a Satz 3 i.V.m. Abs. 2b AO). Gleichwohl ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt, dass ein Verzögerungsgeld im Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift sowie der Intention des Gesetzgebers (BTDrucks 16/10189, S. 81: "Vermeidung von Ungleichbehandlungen") auch dann festgesetzt werden kann, wenn der Steuerpflichtige seine Bücher und Aufzeichnungen im Inland führt und aufbewahrt, er jedoch der ihm im Rahmen einer Außenprüfung obliegenden Mitwirkungspflicht zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage von Unterlagen (§ 200 Abs. 1 AO) innerhalb angemessener Frist nicht nachkommt (BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855; vom 28. Juni 2011 X B 37/11, BFH/NV 2011, 1833, jeweils m.w.N.).

14

2. Der BFH hat es zwar in dem Aussetzungsbeschluss in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855 als i.S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO ernstlich zweifelhaft angesehen, ob im Hinblick auf die fortdauernde Nichtvorlage derselben Unterlagen ein Verzögerungsgeld mehrfach festgesetzt werden kann (vgl. nunmehr auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011, Referat IV A 4, zu Frage 18; abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Weitere_Steuerthemen/Betriebspruefung/001_a1.html, Suchwort: Verzögerungsgeld; a.A. Hopp/Bruns, DStR 2012, 1485). Über die hiervon zu unterscheidende und gleichfalls umstrittene Frage, ob im Falle der Verletzung mehrerer Mitwirkungspflichten für jeden Pflichtverstoß jeweils ein gesondertes Verzögerungsgeld --z.B. in Höhe des Mindestbetrags von 2.500 €-- ausgesprochen werden kann, hat der BFH hingegen noch nicht entschieden. Die Ansichten hierzu sind geteilt. Während nach Auffassung der Finanzverwaltung jede Pflichtverletzung mit einem gesonderten ("getrennten") Verzögerungsgeld belegt werden kann (vgl. BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., zu Frage 17), wird in der Rechtsprechung der FG eine Vervielfältigung des Mindestsatzes (2.500 €) entsprechend der Anzahl der Pflichtverstöße ohne deren eigenständige Gewichtung als ernstlich zweifelhaft angesehen (Beschluss des Hessischen FG vom 8. August 2011  8 V 1281/11, EFG 2011, 1949; Beschluss des FG Hamburg vom 16. November 2011  2 V 173/11, EFG 2012, 382). Dem wird im Schrifttum teilweise zugestimmt (z.B. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 51b); andere vertreten hingegen die Ansicht, dass zwar das Verzögerungsgeld für jede (einzelne) Verletzung der Mitwirkungspflicht ausgesprochen werden könne, jedoch die Aufforderung zur Vorlage mehrerer Urkunden in einem Schriftstück als nur ein Mitwirkungsverlangen zu werten sei und dessen Verletzung nur mit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds sanktioniert werden dürfe (Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 146 Rz 36).

15

3. Das anhängige Verfahren gibt dem Senat keine Gelegenheit, zu diesem Meinungsstreit abschließend Stellung zu nehmen. Insbesondere hat der Senat nicht darauf einzugehen, ob dann, wenn beispielsweise im Rahmen einer Außenprüfung die Mitwirkungsverlangen zu verschiedenen Prüfungsfeldern ergehen und der Steuerpflichtige diesen nicht entspricht, das FA befugt ist, für die die jeweiligen (einzelnen) Prüfungsfelder betreffenden Verstöße ein gesondertes Verzögerungsgeld auszusprechen, oder ob es hierzu weiterer Voraussetzungen --wie z.B. der zeitlichen Staffelung der Mitwirkungsaufforderungen-- bedarf. Im Streitfall kommt es hierauf nicht an, da selbst dann, wenn man im Falle des Verstoßes gegen mehrere Mitwirkungspflichten die gleichzeitige Festsetzung je eines Verzögerungsgelds für grundsätzlich zulässig erachten würde, der angefochtene Bescheid --wie vom FG im Ergebnis zu Recht erkannt-- aufzuheben wäre.

16

a) Die Festsetzung des Verzögerungsgelds erfordert nach § 146 Abs. 2b AO neben den zwingenden tatbestandlichen Voraussetzungen (z.B. Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht gemäß § 200 Abs. 1 AO) eine zweifache Ermessensentscheidung der Behörde, nämlich erstens im Hinblick darauf, ob im jeweiligen Einzelfall ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird (sog. Entschließungsermessen), sowie zweitens --falls das Entschließungsermessen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeübt wird-- eine Entscheidung über die Höhe der Sanktion innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens von mindestens 2.500 € bis höchstens 250.000 € (sog. Auswahlermessen; vgl. insgesamt BFH-Beschlüsse in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855; in BFH/NV 2011, 1833). Diese zweistufige Ermessensprüfung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers: Während der Gesetzentwurf der Bundesregierung --zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. dazu nachfolgend zu II.3.a bb) --einen behördlichen Ermessensspielraum nur im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds eröffnen wollte (vgl. BTDrucks 16/10189, S. 26, 81), ist der letzte Halbsatz des § 146 Abs. 2b AO-- auf Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestags (BTDrucks 16/11055, S. 81) mit dem ausdrücklichen Ziel geändert worden ("kann... festgesetzt werden"), ein "Entschließungsermessen einzufügen" (BTDrucks 16/11108, S. 47).

17

aa) Der Ermessenscharakter des § 146 Abs. 2b AO hat allgemein zur Folge, dass die Finanzgerichte die Festsetzung des Verzögerungsgelds nur eingeschränkt überprüfen können. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung gegeben und hat das FA den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt sowie seine Entscheidung hinreichend begründet (§ 121 AO, ggf. i.V.m. § 126 AO; vgl. auch § 102 Satz 2 FGO), ist der gerichtlichen Kontrolle die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) zugrunde zu legen. Des Weiteren ist die Prüfung nach § 102 Satz 1 FGO darauf beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob das FA von seinem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihm zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung) oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz missachtet hat (vgl. zu allem Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 102 FGO Rz 61 ff., Rz 86 ff., Rz 94 ff., jeweils mit umfangreichen Nachweisen).

18

bb) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach dem das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht nur erforderlich und geeignet, sondern hierzu auch in einem angemessenen, d.h. für den Betroffenen zumutbaren Verhältnis stehen muss (vgl. Wernsmann in HHSp, § 5 AO Rz 169), genießt Verfassungsrang und ist deshalb stets auch bei der Auslegung und Anwendung von Normen des einfachen Rechts --mithin auch bei der Ermessensausübung durch die Finanzämter-- zu beachten (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 1976  2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101, 106). Hiermit übereinstimmend hat auch der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des § 146 Abs. 2b AO als Ermessensvorschrift eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende Handhabung der Vorschrift durch die Finanzbehörden "gewährleisten" wollen (BTDrucks 16/10189, S. 81).

19

aaa) Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass das FA die Höhe des Verzögerungsgelds, dessen Zweck nach herrschender Meinung nicht nur darin zu sehen ist, den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anzuhalten (BTDrucks 16/10189, S. 81), sondern auch die Verletzung der Mitwirkungspflichten zu sanktionieren (vgl. z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 25, m.w.N.; kritisch Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz 48), insbesondere an der Dauer der Fristüberschreitung, den Gründen und dem Ausmaß der Pflichtverletzung/en sowie der Beeinträchtigung der Außenprüfung auszurichten hat (vgl. auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O.).

20

bbb) Da aber das Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € festzusetzen ist und es sich hierbei nicht um einen Bagatellbetrag handelt, müssen die nämlichen Merkmale auch bei der Ausübung des sog. Entschließungsermessens, d.h. bei der Entscheidung der Finanzbehörden darüber zum Tragen kommen, ob gegenüber dem Steuerpflichtigen ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird. Maßstab auch dieser Ermessensentscheidung des FA sowie nachvollziehbarer Gegenstand ihrer Begründung (§ 121 AO) muss deshalb sein, ob die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe der Sanktionsmindestgrenze (2.500 €) mit Rücksicht auf die Umstände der zu beurteilenden Pflichtverletzung/en sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Prüfung angemessen ist. Demnach ist es ausgeschlossen, im Rahmen des Entschließungsermessens von einer Vorprägung auszugehen, wonach jede Verletzung der Mitwirkungspflichten (§ 200 Abs. 1 AO) --unabhängig davon, ob den Steuerpflichtigen ein Schuldvorwurf trifft-- grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds führt; erforderlich ist vielmehr auch insoweit eine an der Sanktionsuntergrenze (2.500 €) auszurichtende Würdigung des Einzelfalls. Nur diese Beurteilung stellt sicher, dass die Festsetzung des Verzögerungsgelds durchgängig den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entspricht (überwiegende Meinung; z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 30; Kuhfus in: Kühn/v.Wedelstädt, 20. Aufl., AO, § 146 AO Rz 14g; Dißars in Schwarz, AO, § 146 Rz 49; Göttker in juris Lexikon Steuerrecht, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO, Rz 16 ff.; Drüen, Die Unternehmensbesteuerung 2011, 83, 87 f.; Hopp/Bruns, DStR 2012, 1485, 1487; FG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 3. Februar 2010  3 V 243/09, EFG 2010, 686; FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2012  3 V 3006/12, EFG 2012, 1225; a.A. insoweit BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., zu Frage 6; Gebbers, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 2009, 162, 167; derselbe, StBp 2009, 196; Geißler, Neue Wirtschafts-Briefe 2009, 4076, 4080).

21

ccc) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert damit zugleich, dass der Gegenstand des Entschließungsermessens mit demjenigen des Auswahlermessens übereinstimmt. Er ist demnach verletzt, wenn die Entscheidung, ob es überhaupt angemessen ist, ein Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € auszusprechen (Entschließungsermessen), aus der Summe (d.h. dem Bündel) der Pflichtverletzungen abgeleitet wird, bei der hieran anschließenden Ermessenentscheidung dazu, ob es --im nämlichen Fall-- angemessen und zumutbar ist, den Mindestsatz zu überschreiten (Auswahlermessen), das FA hingegen auf die einzelne Pflichtverletzung abstellt und diese jeweils --ohne weitere die Gesamtheit der Verstöße betreffende Erwägungen-- in Höhe von 2.500 € (Mindestsatz) sanktioniert. Letzteres kann zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Gebots der Verhältnismäßigkeit nur dann in Betracht kommen, wenn das FA im Rahmen der Ausübung seines Entschließungsermessens zu dem nachvollziehbaren und begründeten Ergebnis gekommen ist, dass jede einzelne der in Frage stehenden Mitwirkungspflichten --für sich genommen-- die Belastung des Steuerpflichtigen mit einem Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € rechtfertigt.

22

b) Demnach kann im Streitfall die Festsetzung des Verzögerungsgelds gegenüber der Klägerin keinen Bestand haben. Dabei kann unentschieden bleiben, ob --was dem Senat naheliegend erscheint-- der Bescheid vom 31. Mai 2010 (in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2010) auf die Festsetzung nur eines Verzögerungsgelds gerichtet ist, dessen Höhe (5.000 €) aus der Verdoppelung des Mindestsatzes abgeleitet wurde (Variante 1), oder ob die Einspruchsentscheidung dahin zu verstehen sein könnte, dass gegenüber der Klägerin in zusammengefasster Form sowohl für die Nichtvorlage der Nachweise zur Rückstellung "management creativ" als auch angesichts der fehlenden Erläuterungen und Nachweise bezüglich der "Management Fee" jeweils ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € ausgesprochen worden ist (Variante 2).

23

Der von der Klägerin angefochtene Bescheid ist ungeachtet dieses Auslegungsspielraums zum einen bereits deshalb ermessensfehlerhaft, weil das FA der Ausübung seines Entschließungsermessens (Entscheidung über die Festsetzung eines Verzögerungsgelds) die Nichtvorlage der angeforderten prüfungsrelevanten Unterlagen und Erläuterungen und damit eine zusammenfassende Würdigung aller Pflichtverletzungen der Klägerin zugrunde gelegt hat, und es hiernach gemäß den vorstehenden Erläuterungen ausgeschlossen ist, diesen Beurteilungsgegenstand im Rahmen des Auswahlermessens aufzulösen, d.h. für jede einzelne Verletzung der Mitwirkungspflichten ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € anzusetzen (Auslegungsvariante 1) oder festzusetzen (Auslegungsvariante 2). Zum anderen kann der Bescheid auch deshalb keinen Bestand haben, weil auch Ermessensentscheidungen zu begründen sind (§ 121 AO; Lange in HHSp, § 102 FGO Rz 89) und sich weder der Einspruchsentscheidung noch dem Bescheid vom 31. Mai 2010 mit der gebotenen Sicherheit entnehmen lässt, dass das FA sein Entschließungsermessen über die Festsetzung des Verzögerungsgelds mit Rücksicht auf die Sanktionsuntergrenze von 2.500 € ausgeübt hat. Vielmehr legt die Einspruchsentscheidung die Vermutung nahe, dass die Behörde --im Einklang mit der Verwaltungspraxis (vgl. BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., dort zu Frage 6)-- von einer verschuldensunabhängigen Vorprägung ihrer Ermessensbefugnis in dem Sinne ausgegangen ist, dass die Verletzung der Mitwirkungsverpflichtungen grundsätzlich die Sanktion des Verzögerungsgelds trage. Ein solches Verständnis ist jedoch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar.

24

4. Da die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt ist, die Ermessensentscheidung des FA in den aufgezeigten Grenzen zu überprüfen und dem Senat hiernach auch nicht die Befugnis zusteht, sein eigenes Ermessen an die Stelle der Verwaltungsbehörde zu setzen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460; vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, jeweils m.w.N.), war der angefochtene Bescheid ungeachtet dessen aufzuheben, ob im Rahmen einer fehlerfreien Ermessensausübung die Festsetzung eines Verzögerungsgelds --sei es in Höhe von 5.000 €, sei es mit einem geringeren Betrag-- hätte gerechtfertigt sein können.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes.

2

Die Klägerin ist eine 2002 gegründete GmbH mit einem im Handelsregister eingetragenen Gesellschaftssitz in X (im Norden Schleswig-Holsteins). Mit Prüfungsanordnung vom 09. Juni 2009 ordnete der Beklagte eine Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2007 unter anderem zur Körperschaftsteuer, zur Umsatzsteuer und zur Gewerbesteuer an und forderte die Beklagte auf, sämtliche prüfungsrelevanten Unterlagen vorzulegen. Die Beklagte legte am 26. Juni 2009 Einspruch gegen die Prüfungsanordnung ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsaktes. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, dass sich der Ort der Geschäftsleitung in Hamburg befinde. Die Zuständigkeit des Beklagten sei somit nicht gegeben.

3

Der Beklagte wandte sich dann an das Finanzamt Hamburg und erhielt von dort mit Schreiben vom 09. Juli 2009 die Mitteilung, diesem Finanzamt sei bislang nicht bekannt gewesen, dass die Antragstellerin den Sitz der Geschäftsleitung in seinen Zuständigkeitsbereich verlegt habe. Eine Gewerbeanmeldung liege nicht vor. Für den Fall, dass die örtliche Zuständigkeit tatsächlich auf das Finanzamt Hamburg übergegangen sein solle, werde gemäß § 26 der Abgabenordnung (AO) aus Gründen der Zweckmäßigkeit zugestimmt, dass der Beklagte die begonnene Prüfung fortsetze und abschließe.

4

Mit Bescheid vom 30. Juni 2009 lehnte der Beklagte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab und teilte zur Begründung im Wesentlichen mit, dass nach § 26 AO der Wechsel der Zuständigkeit erst in dem Zeitpunkt eintrete, in dem eine der beiden Finanzbehörden hiervon tatsächlich erfahre. Dies sei erst mit dem Einspruchschreiben der Fall gewesen. Die Prüfungsanordnung sei deshalb vom zuständigen Finanzamt erlassen worden.

5

Mit Schreiben vom 11. August 2009 teilte der Beklagte mit, dass die Betriebsprüfung mit Zustimmung des Finanzamtes Hamburg von ihm durchgeführt werde. Dies sei zweckmäßig, weil der Fall bereits mit nicht unerheblichem Aufwand bearbeitet worden sei. Die Prüfung solle im Finanzamt durchgeführt werden, so dass die Unterlagen in jedem Fall zu einem Finanzamt transportiert werden müssten. Um die Durchführung zu ermöglichen wurde gebeten, die für die Betriebsprüfung erforderlichen Unterlagen einschließlich der in der Prüfungsanordnung genannten Verträge und Protokolle sowie einen Datenträger mit den Buchführungsdaten bis zum 31. August 2009 an den Beklagten zu übersenden.

6

Mit Schreiben vom 04. September 2009 wandte die Klägerin ein, dass es aus ihrer Sicht zweckmäßig sei, wenn die Betriebsprüfung vom Finanzamt Hamburg durchgeführt werde. Ferner stelle sie erneut einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung.

7

Mit Bescheid vom 11. September 2009 lehnte der Beklagte den zweiten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Es bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der erlassenen Prüfungsanordnung. Ferner forderte der Beklagte die Klägerin mit dem Hinweis auf die Möglichkeit des Erlasses eines Verzögerungsgeldes nach § 146 Abs. 2b AO auf, bis zum 02. Oktober 2009 im Einzelnen bezeichnete Unterlagen vorzulegen.

8

Mit Schreiben vom 01. Oktober 2009 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Beklagten mit, dass er nunmehr die Unterlagen vorliegen habe, diese bestünden aus 17 großen Leitzordnern, diversen Kassenblöcken für drei Jahre sowie aus Aufstellungen und Unterlagen, soweit sie vorhanden seien. Wegen des erheblichen Arbeitsaufwandes, den eine Überführung von Hamburg nach X verursache, werde gebeten, zu gestatten, die Unterlagen dem Finanzamt Hamburg zuzuführen, so dass dieses sie intern weiterleiten könne. Bis zur Klärung dieses Sachverhaltes wurde erneut um Aussetzung der Vollziehung gebeten.

9

Nach einem Aktenvermerk des Beklagten vom 02. Oktober 2009 ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin telefonisch gebeten worden, die Unterlagen bis zum 05. Oktober 2009, 9.00 Uhr, beim Beklagten vorzulegen. Eine gewünschte Fristverlängerung bis zum 09. Oktober 2009 wurde zurückgewiesen. Mit Schriftsatz vom 02. Oktober 2009 wandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unter Bezugnahme auf das am selben Morgen geführte Telefonat ein, dass über seinen Einspruch gegen die Prüfungsanordnung noch nicht entschieden worden sei. Zudem werde Einspruch gegen die erneute Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung erhoben. Zur Begründung wies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hin, dass der Ort der Geschäftsleitung der Klägerin sich in Hamburg befinde. Als Nachweis werde ein Gesellschafterbeschluss vom 25. November 2008 als Kopie vorgelegt. Daher sei die örtliche Zuständigkeit beim Finanzamt Hamburg gegeben. Aus diesem Grunde bestehe keine Notwendigkeit der Vorlage der Unterlagen bis zum 05. Oktober 2009 beim Beklagten.

10

Mit Einspruchsentscheidung vom 08. Januar 2010 wies der Beklagte den Einspruch gegen die Prüfungsanordnung als unbegründet zurück. Die Prüfungsanordnung wurde bestandskräftig.

11

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2009 setzte der Beklagte ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € gegenüber der Klägerin fest. Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, dass die Klägerin der Aufforderung vom 11. September 2009 zur Vorlage der dort genannten Unterlagen nicht nachgekommen sei. Die Vorlage der Unterlagen sei mit Schreiben vom 04. September 2009 und vom 02. Oktober 2009 verweigert worden. Um eine Außenprüfung zeitnah durchführen zu können, sei ein Verzögerungsgeld festzusetzen, weil durch die Verletzung der Mitwirkungspflichten eine nicht hinnehmbare Verzögerung der Fallbearbeitung gegeben sei. Die Höhe des Verzögerungsgeldes sei nach dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbetrag bemessen worden.

12

Die Klägerin legte am 29. Oktober 2009 dem Beklagten die von ihm angeforderten Unterlagen vor.

13

Sie erhob am 23. November 2009 Einspruch gegen die Festsetzung des Verzögerungsgeldes ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Sie habe die Vorlage der Unterlagen zu keinem Zeitpunkt verweigert. Vielmehr sei sie immer bereit gewesen, die Unterlagen dem örtlich zuständigen Finanzamt vorzulegen. Die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes sei deshalb ermessensfehlerhaft und folglich rechtswidrig. Zudem sei über den Einspruch gegen die Prüfungsanordnung noch nicht abschließend entschieden worden. Auch aus diesem Grunde lägen die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes nach § 146 Abs. 2b AO nicht vor.

14

Mit Bescheid vom 23. November 2009 lehnte der Beklagte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Die  Klägerin hat daraufhin bei dem Gericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Ihr Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde durch Beschluss vom 3. Februar 2010 (3 V 243/09) abgelehnt.

15

Die Klägerin ergänzte daraufhin ihren Einspruch mit Schreiben vom 29. April 2010. § 146 Abs. 2b AO sei dahingehend auszulegen, dass ein Verzögerungsgeld nur bei Verletzung der Pflichten aus § 146 Abs. 2a AO festgesetzt werden könne. Dies ergebe sich aus systematischen Überlegungen. Ferner sei eine Interpretation, dass jede Verletzung einer Mitwirkungspflicht im Rahmen einer Außenprüfung mit einem Verzögerungsgeld sanktioniert werden könne, aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht haltbar. Aus dem Normtext sei die Reichweite des Verzögerungsgeldes nicht hinreichend erkennbar. Ferner fehlten gesetzlich festgelegte Ermessensleitlinien, unter anderem eine Klarstellung des Verhältnisses zur Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln.

16

Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2010 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

17

Die Klägerin hat am 21. Mai 2010 Klage erhoben. Zur Begründung bezieht sie sich auf ihre Einspruchsbegründung vom 29. April 2010 und trägt ergänzend vor, dass das Verzögerungsgeld ein Zwangsgeld im Sinne von § 329 AO darstelle, weil es auf die Vornahme einer Handlung oder Duldung des Steuerpflichtigen gerichtet sei. Es bestünden keine Unterschiede zu § 5b des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder § 138 Abs. 2 und 3 AO. Die dort normierten Pflichten könnten mit Zwangsmitteln nach § 328 AO durchgesetzt werden.

18

Die Klägerin beantragt, das mit Verwaltungsakt vom 20. Oktober 2009 festgesetzte Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € in Form der Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2010 zurückzunehmen.

19

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

20

Er verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er im Wesentlichen vor, dass das Verzögerungsgeld eine eigenständige steuerliche Nebenleistung sei. § 5b EStG und § 138 Abs. 2 und 3 AO beträfen anderen Anwendungsbereiche und seien mit Zwangsmitteln durchsetzbar. Daraus könne aber nicht auf die Einordnung des Verzögerungsgeldes geschlossen werden.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den der beigezogenen Gerichtsakte zum Verfahren 3 V 243/09 und den der beigezogenen Steuerakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

23

Der Bescheid vom 20. Oktober 2009 über die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes in Höhe von 2.500 € in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Mai 2010 ist rechtmäßig.

24

Er beruht auf § 146 Abs. 2b AO. Danach kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung der Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt oder er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde ins Ausland verlagert.

25

Das Verzögerungsgeld wurde durch Art. 10 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009) vom 19. Dezember 2008 (BGBl I S. 2794) mit Wirkung vom 25. Dezember 2008 (Art. 39 Abs. 1, 8 JStG 2009) als neue steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 AO) eingeführt. Es kann nach dem Wortlaut von § 146 Abs. 2b AO aufgrund der dort vorgenommenen Aufzählung auch dann verhängt werden, wenn ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamtes zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne von § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer angemessenen Frist nicht nachkommt. Zwar spricht die systematische Verortung dieser neuen Sanktionsmöglichkeit in § 146 AO nach dessen Abs. 2a dafür, das Verzögerungsgeld nur im Zusammenhang einer ohne Bewilligung der Finanzbehörde erfolgten Verlagerung der Buchführung ins Ausland zu sehen (so Drüen, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 146 AO Rn. 51, Stand: Mai 2009). Auch die Überschrift des § 146 AO „Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen“ deutet nicht darauf hin, dass in dieser Norm Sanktionsvorschriften für eine Verletzung von Mitwirkungspflichten im Rahmen einer Außenprüfung enthalten sind. Die Wortlautauslegung lässt solche systematischen Bedenken aber in den Hintergrund treten. Sie wird zudem durch die Gesetzesbegründung gestützt, wonach das Verzögerungsgeld im Falle der Verletzung von (sonstigen) Mitwirkungspflichten gleichermaßen gelte, um eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die ihre Bücher und sonstigen Aufzeichnungen im Ausland führten, gegenüber solchen Steuerpflichtigen, die dies im Inland täten, zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 16/10189, S. 81). Dadurch wird deutlich, dass der Gesetzgeber die Sanktionsmöglichkeit des Verzögerungsgeldes zwar systematisch unglücklich angesiedelt, aber inhaltlich unabhängig von einer Verlagerung der Buchführung ins Ausland für die in der Vorschrift genannten Fälle vorsehen wollte (vgl. Geißler, NWB 52/53, S. 4076; Rätke, in: Klein, Abgabenordnung, 10. Aufl. 2009, § 146 Rn. 5 b; Gebbers, Die steuerliche Betriebsprüfung 2009, S. 130; a. A. Drüen, a.a.O.).

26

Die dagegen von der Klägerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt das Gericht nicht. Der Anwendungsbereich des § 146 Abs. 2b AO kann, wie aufgezeigt, mit den anerkannten Auslegungsmethoden ohne Weiteres erschlossen werden. Auch für betroffene Steuerpflichtige zeigt der Wortlaut der Vorschrift den Anwendungsbereich des Verzögerungsgeldes mit der dort erfolgten Aufzählung hinreichend deutlich auf. Bedenken gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Normenbestimmtheit und -klarheit (vgl. dazu BVerfG-Urteil vom 24. November 2010 1 BvF 2/05, BGBl I 2010, 1862) hat das Gericht deshalb nicht (a.A. Drüen, a.a.O.). Der Gesetzgeber war auch nicht verfassungsrechtlich gehalten, den Finanzbehörden Ermessensgesichtspunkte oder –leitlinien vorzugeben, die sie bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigen haben. § 5 AO gibt vor, dass die Finanzbehörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat. Aus dieser Norm in Verbindung mit der dazu ergangenen Rechtsprechung lassen sich die gesetzlichen Grenzen der Ermessensausübung bei der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes hinreichend klar ableiten, wie sich auch aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt (vgl.  auch FG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. Oktober 2010 3 V 1296/10, Juris).

27

Der Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO ist vorliegend erfüllt. Gegenüber der Klägerin ist mit Bescheid vom 09. Juni 2009 eine Außenprüfung angeordnet worden. Diese Prüfungsanordnung war vollziehbar. Die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung wurden durch Bescheide des Beklagten vom 30. Juni 2009 und vom 11. September 2009 abgelehnt. Der Beklagte ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass er nach Erlass der Prüfungsanordnung weiter für die Durchführung der Außenprüfung zuständig war.

28

Außenprüfungen werden gemäß § 195 Satz 1 AO von den für die Besteuerung zuständigen Finanzämtern durchgeführt. Für die Besteuerung der Klägerin als Körperschaft nach dem Einkommen ist das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung befindet (§ 20 Abs. 1 AO). Vorliegend hat die Klägerin zwar vorgetragen, dass sich der Sitz ihrer Geschäftsleitung aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 25. November 2008 in Hamburg, und damit im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes HAMBURG befinde. Ursprünglich war der Sitz der Geschäftsleitung aber im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners. Ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände tritt gemäß § 26 Satz 1 AO erst in dem Zeitpunkt ein, in dem eine der beiden Finanzbehörden hiervon erfährt. Dies ist vorliegend erst mit der Einspruchseinlegung gegen die Prüfungsanordnung am 26. Juni 2009 erfolgt. Der Beklagte war somit für den Erlass der Prüfungsanordnung örtlich zuständig. Sollte sich der Sitz der Geschäftsleitung der Klägerin nunmehr tatsächlich in Hamburg befinden, was indes von der Klägerin nicht glaubhaft gemacht worden ist und vorliegend offenbleiben kann, so wäre der Beklagte jedenfalls aufgrund der vorsorglich erteilten Zustimmung des dann zuständigen Finanzamtes HAMBURG nach § 26 Satz 2 AO für die weitere Durchführung der Außenprüfung zuständig. Danach kann die bisher zuständige Finanzbehörde ein Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Finanzbehörde zustimmt. Die mit Schreiben vom 11. August 2009 der Klägerin erläuterte Ermessensentscheidung des Beklagten, die Betriebsprüfung mit Zustimmung des Finanzamtes Hamburg durchzuführen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ermessensfehler im Sinne von § 102 FGO sind insoweit nicht erkennbar.

29

Der Beklagte durfte deshalb auch die Aufforderung an die Klägerin vom 11. September 2009 zur Vorlage der dort näher genannten Unterlagen bis zum 02. Oktober 2009 erlassen.

30

Unabhängig von der Frage, ob es sich bei dieser Aufforderung um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 118 AO handelt, wofür der Hinweis auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes spricht, war die Aufforderung von der Klägerin zu befolgen. Im – unterstellten – Falle der Verwaltungsaktqualität der Aufforderung ist eine Aussetzung der Vollziehung nicht angeordnet worden. Die Aufforderung zur Vorlage der näher bezeichneten Unterlagen stellt eine Konkretisierung der Mitwirkungspflichten der Klägerin im Außenprüfungsverfahren nach § 200 Abs. 1 AO dar.

31

Die Fristsetzung, die aufgrund eines Telefongespräches am 02. Oktober 2009 vom Beklagten noch bis zum 05. Oktober 2009 verlängert wurde, war angemessen. Dabei war hier insbesondere zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits mit der Prüfungsanordnung vom 09. Juni 2009 und nochmals mit Schreiben vom 11. August 2009 zur Vorlage der für die Prüfung relevanten Unterlagen aufgefordert worden war. Sie hatte somit mehrere Monate Zeit, die prüfungsrelevanten Unterlagen herauszusuchen. Dies war ihr offenbar auch möglich, wie sich aus ihrem Schreiben vom 01. Oktober 2009 ergibt, wonach ihr Prozessbevollmächtigter die Unterlagen vorliegen gehabt habe. Die Fristverlängerung um drei Tage bis zum 05. Oktober 2009 verschaffte der Klägerin hinreichend Zeit, die Unterlagen von ihrem Prozessbevollmächtigten mit Sitz in Hamburg zum Beklagten nach X zu übermitteln. Die Klägerin hat die Unterlagen indes nicht fristgemäß, sondern erst am 29. Oktober 2009 dem Beklagten vorgelegt.

32

Nach § 146 Abs. 2b AO „kann“ ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden. Es handelt sich somit um eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde, die zunächst entscheiden muss, ob sie ein Verzögerungsgeld festsetzt („Entschließungsermessen“) und auf der nächsten Stufe in welcher Höhe („Auswahlermessen“). Die Ermessensentscheidung der Finanzbehörde ist gemäß § 102 FGO gerichtlich nur eingeschränkt dahingehend überprüfbar, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.

33

Daran gemessen, ist die Ermessensentscheidung des Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden.

34

Das Entschließungsermessen ist entgegen der Auffassung von Geißler (a.a.O.) nicht dergestalt vorgeprägt, dass eine Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen der Außenprüfung zur Festsetzung eines Verzögerungsgeldes regelmäßig ausreicht und insbesondere Verschuldensaspekte beim Entschließungsermessen nicht zu berücksichtigen sind. In das Entschließungsermessens sind vielmehr alle entscheidungserheblichen Umstände einzubeziehen, insbesondere Verschuldensaspekte, auch wenn diese, anders als etwa beim Verspätungszuschlag nach § 152 AO, im Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO nicht genannt werden. Eine Beschränkung der Ermessensgesichtspunkte ist § 146 Abs. 2b AO nicht zu entnehmen. Allerdings sind an die nach § 121 AO erforderliche Begründung des Entschließungsermessens keine zu strengen Anforderungen zu stellen. Insbesondere braucht in der Ermessensentscheidung dann nicht auf den Steuerpflichtigen entlastende Umstände eingegangen zu werden, wenn die dementsprechende Bewertung der Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen bereits vorher bekannt gemacht wurde.

35

Hier war vom Beklagten als ein die Klägerin entlastender Umstand zu prüfen, ob diese ohne Verschulden von einer fehlenden örtlichen Zuständigkeit des Beklagten ausgegangen ist. Der Beklagte hat diesen Umstand aber gewürdigt und seine nach den obigen Darlegungen zutreffende Rechtsauffassung dazu dem Steuerberater und Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorher schriftlich mitgeteilt. Dieser hätte somit als Rechtskundiger erkennen können, dass er sich nach der vorsorglichen Zustimmung des Finanzamtes HAMBURG nicht mehr mit Erfolg auf die fehlende Zuständigkeit des Beklagten berufen konnte. Der Beklagte ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass die Nichtvorlage der Unterlagen unter Berufung auf eine fehlende örtliche Zuständigkeit nicht entschuldbar erschien. Da weitere, das Absehen von der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes rechtfertigende Umstände weder von der Klägerin hervorgebracht wurden noch im Übrigen erkennbar sind, konnte sich die Begründung der Ausübung des Entschließungsermessens im Bescheid vom 20. Oktober 2009 - wie geschehen - auf die durch die Verzögerung eintretenden Nachteile für die Durchführung der Außenprüfung beschränken. Da das Verzögerungsgeld als eigenständige und selbständige Sanktion neben der Möglichkeit besteht, die Erfüllung von Mitwirkungspflichten im Rahmen der Außenprüfung durch das gestufte Vollstreckungsverfahren der § 328 ff. AO durchzusetzen, braucht im Rahmen der Ermessensentscheidung nicht auf das Verhältnis zum Vollstreckungsverfahren eingegangen zu werden, zumal das Verzögerungsgeld im Regelfall schneller festgesetzt werden kann als ein Zwangsmittel und deshalb das effektivere Druckmittel darstellt.

36

Bei der Ausübung des Auswahlermessens hat sich der Beklagte am Mindestbetrag für die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes von 2.500 € orientiert, der von ihm nicht überschritten wurde. Deshalb war keine Begründung der Ausübung des Auswahlermessens erforderlich.

37

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass Verzögerungsgeld sei als Zwangsgeld im Sinn von § 329 AO einzuordnen. Ihre Begründung zielt insoweit auf die Anwendung des § 335 AO, weil sie die Verpflichtung zur Vorlage der Unterlagen nach der Festsetzung des Zwangsmittels am 29. Oktober 2010 erfüllt habe. Nach § 335 AO ist der Vollzug einzustellen, wenn die Verpflichtung nach Festsetzung des Zwangsmittels erfüllt wird. Diese Vorschrift ordnet indes nur die Einstellung des weiteren Vollzuges an und nicht die Aufhebung bereits getroffener Vollstreckungsmaßnahmen (vgl. BFH-Beschluss vom 07. Oktober 2009 VII B 28/09, BFH/NV 2010, 385; Brockmeyer, in: Klein, AO, 10. Aufl. 2009, § 335 Rdn. 1). Zudem ist sie vorliegend weder direkt noch entsprechend anwendbar (vgl. auch Hessisches FG, Beschluss vom 19. März 2010 12 V 396/10, Juris; FG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. Oktober 2010 3 V 1296/10, Juris).

38

§ 335 AO ist sowohl vom Wortlaut als auch seiner systematischen Stellung im Sechsten Teil, Dritter Abschnitt, 1. Unterabschnitt der Abgabenordnung (Vollstreckung wegen Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen) direkt nur auf die Zwangsmittel des § 328 AO anwendbar (Zwangsgeld, Ersatzvornahme, unmittelbarer Zwang). Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO als eigenständige steuerliche Nebenleistung wird dort nicht als Zwangsmittel aufgeführt.

39

Eine entsprechende Anwendung des § 335 AO auf die vorliegende Fallkonstellation kommt auch nicht in Betracht. Sie würde voraussetzen, dass eine unbewusste Regelungslücke im Gesetz besteht und die gesetzlichen Wertungen des § 335 AO auf die Erfüllungen der Mitwirkungspflichten nach Festsetzung des Verzögerungsgeldes übertragbar sind. Jedenfalls an Letzterem fehlt es. § 335 AO berücksichtigt den (alleinigen) Charakter der Zwangsmittel als Beugemittel. Wenn die Verpflichtung nach deren Festsetzung erfüllt wird, soll der Vollzug eingestellt werden. Das Verzögerungsgeld im Sinne von § 146 Abs. 2b AO hat zwar – wie ein Zwangsgeld im Sinne von § 329 AO – auch einen Beugecharakter. Es ist in den meisten Fallgestaltungen auf die Vornahme einer Handlung oder Duldung durch den Steuerpflichtigen gerichtet (vgl. auch Rätke, a.a.O., § 146 AO Rn. 5b). Aus der Gesetzesbegründung erschließt sich diese Zielrichtung ebenfalls, weil dort davon die Rede ist, dass das Verzögerungsgeld den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Mitwirkung anhalten soll (vgl. BT-Drucks. 16/10189, S. 81). Daneben ist es aber Sanktion für die Verlagerung der Buchführung ohne Bewilligung ins Ausland (§ 146 Abs. 2b AO letzter Fall). Hier ist allein die Missachtung des Bewilligungserfordernisses Rechtsgrund der Nebenleistung (vgl. Drüen, a.a.O., § 146 AO Rn. 48). Insoweit hat das Verzögerungsgeld repressiven Charakter. Aber auch im Übrigen hat es eine repressive Wirkung, weil der Nachteil an ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten anknüpft und durch den vom Zwangsgeld abweichenden Rahmen für die Höhe (2.500 € bis 250.000 € beim Verzögerungsgeld - maximal 25.000 € beim Zwangsgeld) zum Ausdruck kommt, dass es auch darum geht, Vorteile abzuschöpfen, die sich möglicherweise aus dem verzögerten Mitwirkungsverhalten ergeben können (vgl. auch Geißler, a.a.O. S. 4077; Gebbers, a.a.O., S. 131). Das Verzögerungsgeld ist damit wie der Verspätungszuschlag nach § 152 AO (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28. März 2007 IX R 22/05, BFH/NV 2007, 1450) ein Druckmittel eigener Art, das auf die Bedürfnisse des Steuerrechts zugeschnitten ist und zugleich einen repressiven und präventiven Charakter hat (vgl. Geißler, a.a.O., S. 4077). Aufgrund seines zugleich repressiven Charakters ist sein Zweck nicht erfüllt, wenn der Steuerpflichtige seiner Verpflichtung nach der Festsetzung nachkommt. Es liegt somit eine über die gesetzliche Wertung des § 335 AO hinausgehende „überschießende Tendenz“ des Verzögerungsgeldes vor, die eine entsprechende Anwendung dieser Norm nicht zulässt.

40

Aus dem Umstand, dass die Pflichten aus § 5b EStG und § 138 Abs. 2 und 3 AO im Vollstreckungsverfahren nach den § 328 ff. AO durchsetzbar sind, folgt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass das Verzögerungsgeld als Zwangsmittel im Sinne von § 328 AO einzuordnen ist. Dies folgt schon daraus, dass das Verzögerungsgeld gemäß § 146 Abs. 2b EStG einen ganz anderen Anwendungsbereich hat, als die von der Klägerin genannten Vorschriften.

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

42

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).




Tenor

I. Der Antrag wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Androhung eines Verzögerungsgeldes.

2

Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Unternehmensgegenstand die Ausführung schweißtechnischer Arbeiten und die Arbeitnehmerüberlassung ist.

3

Mit Prüfungsanordnungen vom 18.05.2010 und 25.07.2010 ordnete der Antragsgegner die Durchführung einer Außen- und einer Lohnsteuer-Außenprüfung an, die am 11.10.2010 beginnen sollten. Nachdem der Antragsgegner im Rahmen dieser Prüfung mit Schreiben vom 19.11.2010 die Vorlage bestimmter Unterlagen zur Prüfung verlangt und dabei auf die bei bisheriger Beleganforderung eingetretene nicht zu rechtfertigende Verlängerung der Prüfungsdauer hingewiesen hatte, teilte der Steuerberater der Antragstellerin mit Schreiben vom 07.12.2010 mit, dass diese Unterlagen noch vorgelegt würden. Er habe die Antragstellerin bereits vor Prüfungsbeginn über die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO informiert. Mit Schreiben vom 17.01.2011 teilte der Steuerberater mit, seine Mandantin habe trotz hinreichend frühzeitiger und wiederholter Aufforderung durch ihn und seine Mitarbeiter die für die ordnungsgemäße Fortsetzung der Betriebsprüfung notwendigen Unterlagen zur Prüfung in seiner Kanzlei nicht zur Verfügung gestellt. Er habe seine Mandantin mehrfach und eindringlich auf ihre Mitwirkungspflichten hingewiesen.

4

Der Antragsgegner forderte sodann mit Schreiben vom 19. Januar 2011 (Bl. 192 Außenprüfungsakten) unter dem Betreff „Laufende Unternehmensprüfung (Lohnsteuer-Außenprüfung Dezember 2005 bis Juni 2010/Außenprüfung 2006 bis 2008) der S GmbH; hier: Anforderung der Belege/Unterlagen zur Fortsetzung der Prüfung“ von der Antragstellerin „zur Fortsetzung der Unternehmensprüfung ... für den Prüfungszeitraum (Lohnsteueraußenprüfung Dezember 2005 bis Juni 2010/Außenprüfung 2006 bis 2008) alle Unterlagen, insbesondere die im Schreiben des Finanzamts vom 19.11.2010 aufgeführten, zur Bereitstellung in den betrieblichen Räumen der Firma, hilfsweise im Steuerbüro H, bis zum 26.01.2011“ an. Ergänzend führte er aus:

5

„Sollten Sie der Aufforderung zur Vorlage vorab aufgeführter Belege/Unterlagen bis zu der gesetzten Frist nicht nachgekommen sein, beabsichtige ich ein Verzögerungsgeld von 2.500,- € festzusetzen.“

6

Dem Schreiben war eine Rechtsbehelfsbelehrung (Hinweis auf Einspruch) beigefügt.

7

Mit Schreiben vom 20.01.2011 erhob die Antragstellerin Einspruch „gegen den Verwaltungsakt vom 19. Januar 2011 (Androhung eines Verzögerungsgeldes - gemeint wohl: Zwangsgeldes)“ und beantragte zugleich Aussetzung der Vollziehung. Der angefochtene Verwaltungsakt sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt (Verstoß gegen § 119 Abs. 1 AO), zudem erscheine die Anforderung der Unterlagen in der vorliegenden Form unverhältnismäßig, namentlich in zeitlicher Hinsicht. Denn es seien u.a. Dokumente angefordert worden, die sich nicht in ihrem Besitz befänden und deswegen noch besorgt werden müssten.

8

Mit Einspruchsentscheidung vom 03.02.2011 wies der Antragsgegner den Einspruch zurück und lehnte gleichzeitig die beantragte Aussetzung der Vollziehung ab.

9

Die Anforderung der Unterlagen sei inhaltlich hinreichend bestimmt gewesen. Es seien alle prüfungsrelevanten Unterlagen/Belege zur Fortsetzung der Außen- bzw. der Lohnsteueraußenprüfung bezogen auf den jeweiligen Prüfungszeitraum angefordert worden. Es handele sich fast ausschließlich um Dokumente, die bei einer turnusmäßigen Außenprüfung standardmäßig bereitzustellen seien. Die wenigen etwas spezifischen Dokumente (betr. Fa. Si.) seien bereits mit dem Schreiben vom 19.11.2010 angefordert gewesen. Hieraus ergebe sich zugleich, dass die Anforderung der Unterlagen am 19.01.2011 in zeitlicher Hinsicht nicht unverhältnismäßig gewesen sei.

10

Komme der Steuerpflichtige seinen sich aus § 200 AO ergebenden Mitwirkungspflichten nicht, unvollständig oder verspätet nach, könne die Finanzverwaltung ein Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO festsetzen. Weil die Antragstellerin die Unterlagen nicht vorgelegt habe, habe die Androhung der Festsetzung eines Verzögerungsgelds ermessensgerecht erfolgen können. Die Höhe entspreche mit 2.500 Euro dem gesetzlichen Mindestbetrag, eine weitere Begründung zum Auswahlermessen bezüglich der Höhe sei daher nicht erforderlich.

11

Mit Aktenvermerk vom 04.02.2011 (Bl. 202 Außenprüfungsakten) wies die Bp-Stelle des Antragsgegners den für die Antragstellerin zuständigen Veranlagungsbezirk „an, die Festsetzung und Sollstellung des angedrohten Verzögerungsgelds zeitnah durchzuführen“ unter Verwendung einer mit übersandten Musterformulierung (Bl. 219 Außenprüfungsakten).

12

Die hiergegen am 08.02.2011 erhobene Klage (Az. des Gerichts 1 K 1150/11) und den gleichzeitig gestellten Antrag auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung begründete die Antragstellerin damit, dass es für den angefochtenen Verwaltungsakt keine Rechtsgrundlage gebe. Bei einem Verzögerungsgeld gemäß § 146 Abs. 2b AO handele es sich um ein Druckmittel eigener Art, auf das die Vorschriften über die Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes nicht anwendbar seien. Die Androhung der Festsetzung eines Verzögerungsgelds sei demzufolge rechtswidrig, weil sie im Gesetz nicht vorgesehen sei und daher eine Ermächtigungsgrundlage fehle. Die Androhung könne auch nicht in eine Anhörung nach § 90 Abs. 1 AO umgedeutet werden. Dies ergebe sich sowohl aus der Begründung des Verwaltungsaktes als auch aus der Einspruchsentscheidung. Der Antragsgegner habe sich bereits bei Erlass des Verwaltungsaktes endgültig festgelegt und der Antragstellerin eine Erklärungsmöglichkeit nach § 91 Abs. 1 AO eindeutig nicht eröffnet und auch nicht eröffnen wollen.

13

Auch der Antragsgegner gehe nach der Einspruchsentscheidung davon aus, dass es ausschließlich um die Androhung eines Verzögerungsgelds gehe. Dies erscheine unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung auch folgerichtig, denn dieser sehe in der Anforderung von Belegen und anderen Unterlagen keinen Verwaltungsakt. Aber auch wenn Maßnahmen iSd § 200 Abs. 1 AO als Verwaltungsakte angesehen würden, würde sich deren Vollstreckung nach den §§ 328 ff AO richten, nicht nach § 146 Abs. 2b AO. Die Finanzbehörde könne demzufolge kein Verzögerungsgeld mehr verhängen. Denn dabei handele es sich um ein Druckmittel eigener Art, für das die §§ 328 ff AO nicht gelten würden. Der Behörde stehe daher nur der Weg einer Vollstreckung einer Maßnahme iSd § 200 Abs. 1 AO nach den §§ 328 ff AO offen oder aber die sofortige Festsetzung eines Verzögerungsgelds.

14

Könne das Ziel der Klage ausschließlich eine Maßnahme iSd § 200 Abs. 1 AO sein, läge ein inhaltlich nicht hinreichend bestimmter Verwaltungsakt vor. Denn das Schreiben vom 19.01.2011 bezeichne die vorzulegenden Belege nicht ausreichend, sondern verweise auf das Schreiben vom 19.11.2010, das ebenfalls dem Bestimmtheitsgebot des § 119 Abs. 1 AO nicht genüge. So seien danach Belege sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach vorzulegen.

15

Zudem habe die bei Einleitung des vorliegenden Verfahrens noch nicht abgeschlossene Außenprüfung inzwischen insofern ein Ende gefunden, als der Antragsgegner gegen die Antragstellerin drei jeweils auf Schätzungen beruhende Haftungsbescheide erlassen habe. Die Festsetzung eines Verzögerungsgelds komme auch deswegen nicht mehr in Betracht.

16

Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung des Verwaltungsaktes des Antragsgegners vom 19. Januar 2011 über die Androhung eines Verzögerungsgeldes bis zur Bestandskraft, längstens bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung eines Urteils im Hauptsacheverfahren, auszusetzen.

17

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzuweisen.

18

Der Antrag gehe angesichts dessen, dass ein Verwaltungsakt „Androhung eines Verzögerungsgelds“ nicht vorliege, ins Leere. Der Hinweis im Zusammenhang mit der Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen mit Fristsetzung, dass im Falle der Nichtbefolgung ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden könne, sei für sich allein kein Verwaltungsakt iSd § 118 AO. Vielmehr handele es sich um einen rechtlichen Hinweis darauf, was der Gesetzgeber im Falle der Nichterfüllung der Vorlageverpflichtung durch die Steuerpflichtige als Folge daraus vorgesehen habe. Dies zeige auch die im Schreiben vom 19.01.2011 verwendete Formulierung „beabsichtige ich ein Verzögerungsgeld festzusetzen“, nicht „es wird“ festgesetzt. Es handele sich lediglich um die Gewährung rechtlichen Gehörs vor Erlass einer Sanktion. Der Antrag sei daher bezüglich der Androhung eines Verzögerungsgelds unzulässig.

19

Der klagefähige Verwaltungsakt „Aufforderung zur Vorlage von Belegen und Unterlagen“ werde von der Antragstellerin inhaltlich nicht angegriffen. Er sei im Übrigen rechtmäßig.

20

Der Senat hat die Verfahrensakten zu 1 K 1150/11 beigezogen.

Entscheidungsgründe

21

II. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung liegen nicht vor.

22

Zwar hat der Antragsgegner mit der Einspruchsentscheidung vom 03.02.2011 eine Aussetzung der Vollziehung ausdrücklich abgelehnt, sodass die Zugangsvoraussetzungen nach § 69 Abs. 4 FGO zunächst vorliegen.

23

Jedoch hat der vorliegende Antrag aus anderen Gründen keinen Erfolg.

24

Gemäß § 69 Abs. 3 iVm Abs. 2 S. 2 FGO soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes auf Antrag ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

25

Ernstliche Zweifel bestehen dann, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken und wenn demgemäß ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben wird. Der Erfolg braucht dabei nicht wahrscheinlicher zu sein als der Misserfolg. Es müssen insbesondere nicht erhebliche Zweifel in dem Sinne bestehen, dass eine Aufhebung oder Änderung des Verwaltungsaktes mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist; es genügt vielmehr, dass der Erfolg des Rechtsbehelfes in dem summarischen Verfahren ebenso wenig auszuschließen ist wie der Misserfolg (st. Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Beschluss vom 12. November 1992, Az.: XI B 69/92, BStBl II 1993, 263 m.w.N.; vgl. auch Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 69 FGO Rz 89 m.w.N.).

26

Die Erfolgsaussichten können sich nicht nur daraus ergeben, dass die Behörde in dem angefochtenen Bescheid das Recht unrichtig angewendet hat, sondern auch daraus, dass sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Voraussetzung einer rechtmäßigen Entscheidung ist die vollständige und zutreffende Erfassung und Aufklärung des Sachverhalts, über den zu entscheiden ist (vgl. Tipke/Kruse, FGO, § 69 Rz. 94). Dabei haben die Beteiligten die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht darzulegen und glaubhaft zu machen. Die Anforderungen an die Darlegungen hängen von der für das Hauptsacheverfahren geltenden objektiven Beweislast ab. Trifft den Antragsteller in der Hauptsache die objektive Beweislast, so hat er die aus seiner Sicht entscheidungserheblichen, ihn begünstigenden Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen. Mittel der Glaubhaftmachung sind neben präsenten Beweismitteln auch die eidesstattliche Versicherung des Beteiligten und Dritter, § 155 FGO iVm § 294 ZPO (BFH-Beschluss vom 17. März 1994, Az.: XI B 82/93, BFH/NV 1994, 833). Das Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung ist ein selbstständiges Verfahren neben dem Verfahren über die Hauptsache; es ist ein abgekürztes, vereinfachtes, kurzes und bündiges Verfahren mit dem Ziel einer vorläufigen Entscheidung (vgl. Tipke/Kruse, FGO, § 69 Rz. 121). Als Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist es ein summarisches Verfahren, in dem wegen der grundsätzlichen Eilbedürftigkeit nur auf Basis der dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere der Akten der Finanzbehörde, und aufgrund präsenter Beweismittel entschieden wird (BFH-Beschluss vom 14. Juli 1998, Az.: VIII B 38/98, BFH/NV 1998, 1582).

27

Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Aussetzungsantrag im Ergebnis deshalb keinen Erfolg, weil es im Streitfall ersichtlich an einem der Aussetzung der Vollziehung fähigen Verwaltungsakt fehlt.

28

Der Senat geht insoweit davon aus, dass sich die Antragstellerin mit dem vorliegenden Antrag ausschließlich gegen die Androhung der Festsetzung eines Verzögerungsgelds wendet. Dies ist mit hinreichender Klarheit sowohl dem ausdrücklich gestellten Antrag der anwaltlich vertretenen Antragstellerin als auch deren inhaltlichem Vorbringen zu entnehmen.

29

Aussetzung der Vollziehung setzt begrifflich das Vorliegen eines vollziehbaren Verwaltungsaktes voraus. Nicht vollziehbar und damit auch nicht aussetzungsfähig sind beispielsweise Wissenserklärungen oder Rechtsauskünfte einer Behörde oder auch Vorbereitungsmaßnahmen (Tipke/Kruse § 69 FGO Tz. 20). Ob ein Verwaltungsakt vorliegt und falls ja, mit welchem Inhalt, ist nach den Auslegungsgrundsätzen auszulegen, die für Willenserklärungen allgemein gelten. Maßgebend für den Inhalt der Erklärung ist nicht der innere Wille des Bearbeiters, sondern der erklärte Wille, wie ihn der Adressat von seinem Standpunkt bei verständiger Würdigung verstehen konnte (Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15. Oktober 1996, VII 552/95, EFG 1997, 447 m.w.N.).

30

Nach dem Empfängerhorizont der Antragstellerin handelte es sich im Streitfall bei dem Schreiben des Antragsgegners vom 19.01.2011 im Hinblick auf das Verzögerungsgeld nicht um einen Verwaltungsakt. Dieser „Androhung“, also dem Hinweis des Antragsgegners, er beabsichtige für den Fall der Nichtvorlage der Unterlagen und Belege innerhalb der gesetzten Frist ein Verzögerungsgeld festzusetzen, kommt nach der vorzunehmenden Auslegung keine Verwaltungsaktsqualität und damit auch kein aussetzungsfähiger Charakter zu. Nach dem klaren Wortlaut hat der Antragsgegner zu diesem Zeitpunkt ein Verzögerungsgeld gerade nicht festgesetzt - und auch nicht festsetzen wollen -, sondern lediglich auf die Folgen der Nichtvorlage der Unterlagen verwiesen und eine Absicht zum Ausdruck gebracht. Er hat damit nicht im Sinne des § 118 AO eine Regelung eines Einzelfalls getroffen, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die lediglich vorbereitende Absichtserklärung entfaltet keinerlei Rechtswirkung, sie hat keine andere Bedeutung als die, die Antragstellerin als deren Empfängerin auf einen künftig erfolgenden Verwaltungsakt hinzuweisen. Sie stellt sich als bloße Ankündigung oder das Inaussichtstellen eines Verwaltungsaktes, nicht aber als ein solcher selbst dar. Zu diesem vom Inhalt des Schreibens vom 19.01.2011 bestimmten Verständnis passt auch der Umstand, dass der Antragsgegner das Schreiben im Hinblick auf das Verzögerungsgeld nicht als Verwaltungsakt oder Bescheid bezeichnet hat und sich auch aus dem „Betreff“ des Schreibens derartiges nicht entnehmen lässt.

31

Unabhängig davon, dass im Rahmen der vorzunehmenden Auslegung dem Fehlen oder dem Vorhandensein einer Rechtsbehelfsbelehrung lediglich indizielle Bedeutung für die Frage des Vorliegens eines Verwaltungsaktes zukommt (BFH-Urteil vom 19. Mai 2004, III R 18/02, BStBl II 2004, 980) und unabhängig davon, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht Bestandteil des Verwaltungsaktes ist (Tipke/Kruse § 118 AO Tz. 52), bezieht sich nach auslegender Einschätzung des Senats die dem Schreiben angefügte (Standard)-Rechtsbehelfsbelehrung ohnehin lediglich auf die Anforderung der bislang nicht vorgelegten Unterlagen und deren Bereitstellung bis zu dem genannten Termin. Die Rechtsbehelfsbelehrung erwähnt zudem ausdrücklich die „bekannt gegebene Entscheidung“. Zur Frage eines Verzögerungsgelds hat der Antragsgegner indes keine Entscheidung getroffen und auch nicht bekanntgegeben.

32

Nichts anderes ergibt sich aus einer vergleichenden Betrachtung der Regelungen zum Verzögerungsgeld in § 146 Abs. 2b AO einerseits und derjenigen zum Zwangsgeld in § 328 ff AO andererseits.

33

Das Verzögerungsgeld soll nach der Gesetzesbegründung den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Mitwirkung anhalten. Es steht damit in einem Konkurrenzverhältnis zu dem Zwangsgeld gemäß § 328 Abs. 1, § 329 AO. Eine Verweisung auf diese Vorschriften findet sich beim Verzögerungsgeld nicht. Beide verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen. Während der Vollzug der Festsetzung eines Zwangsgelds bei Erfüllung der zwangsweise durchgesetzten Verpflichtung gemäß § 335 AO einzustellen ist und das Zwangsgeld somit präventiven Charakter besitzt, soll das Verzögerungsgeld als Druckmittel eigener Art zwar den Steuerpflichtigen auch zur zeitnahen Mitwirkung anhalten, es besitzt jedoch zugleich auch repressiven Charakter, indem es an ein vergangenes Verhalten anknüpft. Insbesondere bildet das Verzögerungsgeld gerade kein Zwangsmittel (vgl. Urteil des Finanzgerichts Schleswig-Holstein vom 01. Februar 2011, 3 K 64/10, EFG 2011, 846 m.w.N.), sondern eine eigenständige steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 AO), was sich bereits aus der Systematik der AO ergibt. Das Verzögerungsgeld ist auch dann zu entrichten, wenn der Mitwirkungspflicht nach seiner Festsetzung genügt worden ist. Der Maximalbetrag des Verzögerungsgelds von 250.000 Euro beträgt das Zehnfache des nach § 329 AO auf 25.000 Euro beschränkten Zwangsgelds und zeigt, dass Vorteile abgeschöpft werden sollen, die sich möglicherweise aus der Verzögerung der Mitwirkung ergeben (vgl. Beschluss des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 15. Oktober 2010, 3 V 1296/10, EFG 2011, 298 mit vielfältigen Nachweisen). Für das Zwangsgeld enthält § 332 AO das ausdrückliche gesetzliche Gebot, ein solches schriftlich anzudrohen. Das Schweigen des Gesetzgebers zu der Erforderlichkeit einer entsprechenden Androhung eines Verzögerungsgelds deutet daher darauf hin, dass eine solche für dieses nicht erforderlich ist. Eine analoge Anwendung des § 332 AO kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht, weil - wie ausgeführt - Verzögerungsgeld und Zwangsgeld nicht vergleichbar sind. Es ist nicht zu erkennen, dass das Fehlen einer solchen Regelung beim Verzögerungsgeld auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht. Es fehlt damit an der für eine analoge Gesetzesanwendung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke (vgl. insoweit auch den die Frage einer erneuten Festsetzung eines Verzögerungsgelds behandelnden BFH-Beschluss vom 16. Juni 2011, IV B 120/10, DB 2011, 1616).

34

Handelt es sich somit bei dem Hinweis des Antragsgegners im Schreiben vom 19.01.2011 nicht um eine „Androhung“, die im Sinne der Regelungen zu den Zwangsmitteln nach § 332 AO zu verstehen ist, kommt ihr auch nicht die rechtliche Wirkung zu, die der Androhung eines Zwangsgelds als selbständigem Verwaltungsakt, gegen den vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung statthaft wäre, zukommt (vgl. Tipke/Kruse § 332 AO Tz. 4, 20).

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein im Jahre 2004 geborenes Kind, begehrt eine Entschädigung im Hinblick auf die Dauer des von ihm beim Verwaltungsgericht Greifswald betriebenen Verfahrens 5 A 2080/08.

2

Dieses Ausgangsverfahren hat der Kläger am 21.12.2008 anhängig gemacht mit dem Ziel, dass ihm für die beiden Monate August und September 2008 eine ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach § 4 Abs. 3 KiföG M-V in der damals geltenden Fassung zu gewähren sei. Im Hinblick auf den Gegenstandswert gab der Kläger an, dass sich für die streitigen Monate zusammen ein Betrag in Höhe von 195,32 Euro errechne. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens erwiderte auf die Klage mit Schriftsatz vom 19.01.2009 und teilte durch Schriftsatz vom 30.01.2009 mit, er sei an einer zügigen Entscheidung der dem Streit zugrunde liegenden Rechtsfrage interessiert. Bis April 2009 wurden unter den Beteiligten weitere Schriftsätze ausgetauscht. Der Streit betraf im Kern die Frage, ob dem Kläger nach der Geburt seiner Schwester am 12.07.2008 ab August 2008 nur noch Förderung für eine Teilzeitbetreuung in einer Kindertagesstätte zustand. Im Schriftsatz vom 24.04.2009 bat der Kläger um eine möglichst baldige Entscheidung und wies darauf hin, dass ihm eine größere Zahl von Fällen bekannt sei, in denen der Beklagte so wie hier verfahre, nachdem dies bis vor einigen Jahren noch anders gewesen sei. Durch Verfügung vom 31.08.2011 machte das Gericht die Beteiligten auf verschiedene rechtliche Aspekte aufmerksam, worauf der Kläger mit Schriftsatz vom 17.09.2011 Stellung nahm. Mit Verfügung vom 29.09.2011 erkundigte sich das Gericht beim Kläger, ob dessen mit Schriftsatz vom 19.01.2009 erklärter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung Bestand habe, was der Kläger mit Schriftsatz vom 05.11.2011 verneinte. In der sodann auf den 08.12.2011 anberaumten mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter erhob der Kläger zunächst Verzögerungsrüge. Sodann wurde der Rechtsstreit durch Vergleich beendet. Dessen wesentlicher Inhalt bestand darin, dass die Beteiligten sich in dem Sinne einigten, dass der Kläger für den Monat August 2008 noch einen Anspruch auf Ganztagsförderung gehabt habe; der Differenzbetrag sei vom Beklagten gegenüber der Kindertageseinrichtung abzurechnen.

3

Die vorliegende Entschädigungsklage hat der Kläger am 04.06.2012 erhoben.

4

Er ist der Auffassung, die Sache hätte spätestens bis Ende Oktober 2009 terminiert sein müssen, sei also um mehr als zwei Jahre verzögert gewesen. Zu dem Vergleich im Ausgangsverfahren sei es gekommen, nachdem kurz vor dem Gerichtstermin in einer Verwaltungsrichtlinie klargestellt worden sei, dass der Ganztagsanspruch für die Dauer des Beschäftigungsverbots nach § 6 MuSchG fortbestehe.

5

Der Kläger beantragt,

6

den Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung an den Kläger zu verurteilen,

7

hilfsweise festzustellen, dass das Verfahren 5 A 2080/08 unangemessen lange gedauert habe.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er ist der Auffassung, das Verfahren habe nach den Umständen des Falles nicht unangemessen lange gedauert. Die Verfahrensrüge in der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2011 habe keine Warnfunktion mehr entfalten können, da das Gericht zu dieser Zeit keine weiteren Möglichkeiten für eine Verfahrensbeschleunigung gehabt habe.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Ausgangsverfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Die nach §§ 173 VwGO, 201 GVG zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf eine Entschädigung noch auf die Feststellung, dass das Verfahren 5 A 2080/08 unangemessen lange gedauert hat.

13

Für die Beurteilung der Rechtslage ist auszugehen von der gemäß § 173 VwGO für verwaltungsgerichtliche Verfahren entsprechend geltenden Regelung des § 198 Abs. 1 GVG. Nach dessen Satz 1 wird angemessen entschädigt, wer als Verfahrensbeteiligter infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Auch die vom Kläger hilfsweise begehrte Feststellung setzt voraus, dass die Verfahrensdauer unangemessen war (vgl. § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG).

14

Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer kommt es insbesondere auf die Natur der Sache und die Schwierigkeit der Materie sowie die Bedeutung der Sache und die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Parteien und das ihnen zuzurechnende Verhalten an. Allgemeingültige Zeitvorgaben in dem Sinne, dass beispielsweise eine Verfahrensdauer von drei oder fünf Jahren stets als unangemessen zu bewerten wäre, ergeben sich aus dem Gesetz bzw. der diesem Gesetz zugrundeliegenden Rechtsprechung nicht (vgl. BVerfG, Beschl. vom 23.05.2012 - 1 BvR 359/09 -, m.w.N.; OVG Magdeburg, Urt. vom 25.07.2012 - 7 KE 1/11 -, m.w.N.). Auch auf durchschnittliche Verfahrenslaufzeiten ist nicht entscheidungserheblich abzustellen, da dabei die gebotene Einzelfallbetrachtung unberücksichtigt bleiben würde (OVG Schleswig, Urt. vom 08.04.2013 - 18 SchH 3/13 -, Rdn. 14, m.w.N., zit. nach juris).

15

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass die Dauer des beanstandeten Verfahrens noch als angemessen zu bewerten ist. Es war von der Erhebung der Klage am 21.12.2008 bis zu seiner Beendigung durch den in der mündlichen Verhandlung am 08.12.2011 geschlossenen Vergleich knapp drei Jahre beim Verwaltungsgericht anhängig. In der Zeit von Ende April 2009 bis Ende August 2011, das heißt also für etwa zwei Jahre und vier Monate, ist eine Förderung/Bearbeitung der Sache seitens des Gerichts nach der Aktenlage nicht erkennbar, sieht man von „Schiebeverfügungen“ ab, durch die jeweils die Wiedervorlage der Akte nach Ablauf bestimmter Fristen (hier meist drei oder vier Monate) veranlasst worden ist. Allerdings haben in dem besagten Zeitraum auch die Verfahrensbeteiligten keine erkennbaren Aktivitäten entwickelt, insbesondere hat keine Seite auf eine Beschleunigung des Verfahrens hingewirkt oder auch nur nach dem Sachstand gefragt. Insofern ähnelt die vorliegende Sache dem Fall, der der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27.03.2012 – OVG 3 A 1.12 – zugrunde gelegen hat. In dem dazu gehörigen Ausgangsverfahren richtete sich die im Juni 2003 erhobene Klage gegen die Rückforderung einer Ausbildungsförderung in Höhe von etwa 17.000,00 Euro. Das Entschädigungsgericht hat die Dauer des Ausgangsverfahrens bis einschließlich September 2006 noch als angemessen erachtet, obwohl sich ab Mitte 2004 „in der Gerichtsakte ausschließlich Wiedervorlagefristen“ befunden hätten.

16

Im vorliegenden Verfahren geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass das Ausgangsverfahren keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufgewiesen hat. Der Rechtsstreit betraf – wie erwähnt – im Kern die Frage, ob dem Kläger nach der Geburt seiner Schwester – wie der Beklagte des Ausgangsverfahrens meinte – nur noch Förderung für eine Teilzeitbetreuung in einer Kindertagesstätte zustand oder ob dem Kläger – wie er meinte – für die beiden Monate August und September 2008 eine ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach § 4 Abs. 3 KiföG M-V in der damals geltenden Fassung zu gewähren gewesen wäre. Die Bewertung der Sache durch den Senat deckt sich jedenfalls im Ergebnis ersichtlich mit der der für das Ausgangsverfahren zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts. Diese hat den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder nach § 6 Abs. 1 VwGO als Einzelrichter übertragen, was im Gesetz nur vorgesehen ist, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine hiervon abweichende Meinung haben weder die Beteiligten des vorliegenden Entschädigungsverfahrens noch die des Ausgangsverfahrens geäußert. Ausdrücklich hat der Kläger in der Klageschrift vom 01.06.2012 ausgeführt, dass die in dem Ausgangsverfahren zu klärenden Rechtsfragen „nicht von ausgesprochen schwieriger Gestalt“ gewesen seien, der Sachverhalt sei „unstreitig und mit der Klageerhebung geklärt“ gewesen. Auf der anderen Seite lässt sich aber nicht feststellen, dass die sich im Ausgangsverfahren stellenden Fragen völlig unproblematisch gewesen wären. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die gerichtlichen Hinweise vom 06.03.2009 und vom 31.08.2011 zu erwähnen, in denen es nicht nur um die von den Verfahrensbeteiligten aufgeworfenen Fragen ging, sondern auch darum, ob Ansprüche nach § 3 KiföG M-V dem Kind oder den Eltern zustehen und ob im Ausgangsverfahren bereits vor Klageerhebung Erledigung der Hauptsache eingetreten war.

17

Ob das Ausgangsverfahren grundsätzliche Bedeutung hatte, lässt sich nicht ohne Weiteres feststellen, kann aber letztlich zugunsten des Klägers angenommen werden.

18

Das Verwaltungsgericht war wohl der Auffassung, die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung gehabt; denn sonst hätte es nicht zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter kommen dürfen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Der Kläger hat sich im Ausgangsverfahren zu dieser Frage uneinheitlich verhalten. Das Verwaltungsgericht hatte ihn mit Verfügung vom 29.12.2008 darauf hingewiesen, dass die Kammer den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen solle „wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.“ Unter Bezugnahme auf diese Anfrage hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19.01.2009 („2008“ dürfte ein Schreibfehler sein) erklärt, der Rechtsstreit könne „durch den Berichterstatter anstelle der Kammer durchgeführt werden.“ Allerdings hat der Kläger im Schriftsatz vom 24.04.2009 ausgeführt, dass „wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache“ eine „Entscheidung der Kammer“ angezeigt sein dürfte; ihm sei „eine größere Zahl von Fällen bekannt, in denen der Beklagte genau wie hier“ verfahre. In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 08.12.2011 hat der Kläger sich allerdings auf einen Vergleich eingelassen. Dessen wesentlicher Inhalt bestand – wie erwähnt – darin, dass die Beteiligten sich in dem Sinne einigten, dass der Kläger für den Monat August 2008 noch einen Anspruch auf Ganztagsförderung gehabt habe. Die gerichtliche Klärung der Rechtslage ist durch den Vergleich unmöglich geworden.

19

Auch der Beklagte des Ausgangsverfahrens hat sich mit der Entscheidung der Sache durch den Berichterstatter einverstanden erklärt (vgl. Schriftsatz vom 30.01.2009) und damit schlüssig zum Ausdruck gebracht, dass er keine grundsätzliche Bedeutung der Sache annehme, hat aber – ohne nähere Begründung – mit Schriftsatz vom 30.01.2009 mitgeteilt, er sei an einer zügigen Entscheidung der zugrunde liegenden Rechtsfrage interessiert.

20

Die finanzielle Bedeutung der Sache für den Kläger war äußerst gering. Es wurde – wie schon erwähnt – um einen Betrag von 195,92 Euro gestritten. Dass der Kläger (bzw. dessen Eltern) nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen auf diesen Betrag angewiesen gewesen wäre, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Mehr als finanzielle Bedeutung hatte das Verfahren von Anfang an für die Klägerseite nicht. Insbesondere ging es nicht darum, ob die Mutter des Klägers in ihrer Mutterschutzzeit den Kläger halbtags zu betreuen hätte; denn dieser Zeitraum war vor Erhebung der Klage bereits verstrichen.

21

Zusammenfassend ist der Hauptgrund dafür, die Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens hier noch als angemessen zu bewerten, dass es lediglich um einen denkbar geringen Betrag gegangen ist. Hinzu kommt, dass die Verfahrensbeteiligten in der Zeit, als das Gericht die Sache nicht gefördert hat, sich ebenfalls vollkommen passiv verhalten haben. Demgegenüber wiegt die – unterstellte – grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht besonders schwer, weil die Beteiligten – wie dargestellt – diesem Umstand selbst offenbar keine besondere Bedeutung beigemessen haben. Auch der beschriebene Schwierigkeitsgrad der Sache führt nicht zu einer für den Kläger günstigeren Beurteilung der Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO, 711 ZPO.

23

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht ersichtlich.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein im Jahre 2004 geborenes Kind, begehrt eine Entschädigung im Hinblick auf die Dauer des von ihm beim Verwaltungsgericht Greifswald betriebenen Verfahrens 5 A 2080/08.

2

Dieses Ausgangsverfahren hat der Kläger am 21.12.2008 anhängig gemacht mit dem Ziel, dass ihm für die beiden Monate August und September 2008 eine ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach § 4 Abs. 3 KiföG M-V in der damals geltenden Fassung zu gewähren sei. Im Hinblick auf den Gegenstandswert gab der Kläger an, dass sich für die streitigen Monate zusammen ein Betrag in Höhe von 195,32 Euro errechne. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens erwiderte auf die Klage mit Schriftsatz vom 19.01.2009 und teilte durch Schriftsatz vom 30.01.2009 mit, er sei an einer zügigen Entscheidung der dem Streit zugrunde liegenden Rechtsfrage interessiert. Bis April 2009 wurden unter den Beteiligten weitere Schriftsätze ausgetauscht. Der Streit betraf im Kern die Frage, ob dem Kläger nach der Geburt seiner Schwester am 12.07.2008 ab August 2008 nur noch Förderung für eine Teilzeitbetreuung in einer Kindertagesstätte zustand. Im Schriftsatz vom 24.04.2009 bat der Kläger um eine möglichst baldige Entscheidung und wies darauf hin, dass ihm eine größere Zahl von Fällen bekannt sei, in denen der Beklagte so wie hier verfahre, nachdem dies bis vor einigen Jahren noch anders gewesen sei. Durch Verfügung vom 31.08.2011 machte das Gericht die Beteiligten auf verschiedene rechtliche Aspekte aufmerksam, worauf der Kläger mit Schriftsatz vom 17.09.2011 Stellung nahm. Mit Verfügung vom 29.09.2011 erkundigte sich das Gericht beim Kläger, ob dessen mit Schriftsatz vom 19.01.2009 erklärter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung Bestand habe, was der Kläger mit Schriftsatz vom 05.11.2011 verneinte. In der sodann auf den 08.12.2011 anberaumten mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter erhob der Kläger zunächst Verzögerungsrüge. Sodann wurde der Rechtsstreit durch Vergleich beendet. Dessen wesentlicher Inhalt bestand darin, dass die Beteiligten sich in dem Sinne einigten, dass der Kläger für den Monat August 2008 noch einen Anspruch auf Ganztagsförderung gehabt habe; der Differenzbetrag sei vom Beklagten gegenüber der Kindertageseinrichtung abzurechnen.

3

Die vorliegende Entschädigungsklage hat der Kläger am 04.06.2012 erhoben.

4

Er ist der Auffassung, die Sache hätte spätestens bis Ende Oktober 2009 terminiert sein müssen, sei also um mehr als zwei Jahre verzögert gewesen. Zu dem Vergleich im Ausgangsverfahren sei es gekommen, nachdem kurz vor dem Gerichtstermin in einer Verwaltungsrichtlinie klargestellt worden sei, dass der Ganztagsanspruch für die Dauer des Beschäftigungsverbots nach § 6 MuSchG fortbestehe.

5

Der Kläger beantragt,

6

den Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung an den Kläger zu verurteilen,

7

hilfsweise festzustellen, dass das Verfahren 5 A 2080/08 unangemessen lange gedauert habe.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er ist der Auffassung, das Verfahren habe nach den Umständen des Falles nicht unangemessen lange gedauert. Die Verfahrensrüge in der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2011 habe keine Warnfunktion mehr entfalten können, da das Gericht zu dieser Zeit keine weiteren Möglichkeiten für eine Verfahrensbeschleunigung gehabt habe.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Ausgangsverfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Die nach §§ 173 VwGO, 201 GVG zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf eine Entschädigung noch auf die Feststellung, dass das Verfahren 5 A 2080/08 unangemessen lange gedauert hat.

13

Für die Beurteilung der Rechtslage ist auszugehen von der gemäß § 173 VwGO für verwaltungsgerichtliche Verfahren entsprechend geltenden Regelung des § 198 Abs. 1 GVG. Nach dessen Satz 1 wird angemessen entschädigt, wer als Verfahrensbeteiligter infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Auch die vom Kläger hilfsweise begehrte Feststellung setzt voraus, dass die Verfahrensdauer unangemessen war (vgl. § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG).

14

Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer kommt es insbesondere auf die Natur der Sache und die Schwierigkeit der Materie sowie die Bedeutung der Sache und die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Parteien und das ihnen zuzurechnende Verhalten an. Allgemeingültige Zeitvorgaben in dem Sinne, dass beispielsweise eine Verfahrensdauer von drei oder fünf Jahren stets als unangemessen zu bewerten wäre, ergeben sich aus dem Gesetz bzw. der diesem Gesetz zugrundeliegenden Rechtsprechung nicht (vgl. BVerfG, Beschl. vom 23.05.2012 - 1 BvR 359/09 -, m.w.N.; OVG Magdeburg, Urt. vom 25.07.2012 - 7 KE 1/11 -, m.w.N.). Auch auf durchschnittliche Verfahrenslaufzeiten ist nicht entscheidungserheblich abzustellen, da dabei die gebotene Einzelfallbetrachtung unberücksichtigt bleiben würde (OVG Schleswig, Urt. vom 08.04.2013 - 18 SchH 3/13 -, Rdn. 14, m.w.N., zit. nach juris).

15

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass die Dauer des beanstandeten Verfahrens noch als angemessen zu bewerten ist. Es war von der Erhebung der Klage am 21.12.2008 bis zu seiner Beendigung durch den in der mündlichen Verhandlung am 08.12.2011 geschlossenen Vergleich knapp drei Jahre beim Verwaltungsgericht anhängig. In der Zeit von Ende April 2009 bis Ende August 2011, das heißt also für etwa zwei Jahre und vier Monate, ist eine Förderung/Bearbeitung der Sache seitens des Gerichts nach der Aktenlage nicht erkennbar, sieht man von „Schiebeverfügungen“ ab, durch die jeweils die Wiedervorlage der Akte nach Ablauf bestimmter Fristen (hier meist drei oder vier Monate) veranlasst worden ist. Allerdings haben in dem besagten Zeitraum auch die Verfahrensbeteiligten keine erkennbaren Aktivitäten entwickelt, insbesondere hat keine Seite auf eine Beschleunigung des Verfahrens hingewirkt oder auch nur nach dem Sachstand gefragt. Insofern ähnelt die vorliegende Sache dem Fall, der der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27.03.2012 – OVG 3 A 1.12 – zugrunde gelegen hat. In dem dazu gehörigen Ausgangsverfahren richtete sich die im Juni 2003 erhobene Klage gegen die Rückforderung einer Ausbildungsförderung in Höhe von etwa 17.000,00 Euro. Das Entschädigungsgericht hat die Dauer des Ausgangsverfahrens bis einschließlich September 2006 noch als angemessen erachtet, obwohl sich ab Mitte 2004 „in der Gerichtsakte ausschließlich Wiedervorlagefristen“ befunden hätten.

16

Im vorliegenden Verfahren geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass das Ausgangsverfahren keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufgewiesen hat. Der Rechtsstreit betraf – wie erwähnt – im Kern die Frage, ob dem Kläger nach der Geburt seiner Schwester – wie der Beklagte des Ausgangsverfahrens meinte – nur noch Förderung für eine Teilzeitbetreuung in einer Kindertagesstätte zustand oder ob dem Kläger – wie er meinte – für die beiden Monate August und September 2008 eine ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach § 4 Abs. 3 KiföG M-V in der damals geltenden Fassung zu gewähren gewesen wäre. Die Bewertung der Sache durch den Senat deckt sich jedenfalls im Ergebnis ersichtlich mit der der für das Ausgangsverfahren zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts. Diese hat den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder nach § 6 Abs. 1 VwGO als Einzelrichter übertragen, was im Gesetz nur vorgesehen ist, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine hiervon abweichende Meinung haben weder die Beteiligten des vorliegenden Entschädigungsverfahrens noch die des Ausgangsverfahrens geäußert. Ausdrücklich hat der Kläger in der Klageschrift vom 01.06.2012 ausgeführt, dass die in dem Ausgangsverfahren zu klärenden Rechtsfragen „nicht von ausgesprochen schwieriger Gestalt“ gewesen seien, der Sachverhalt sei „unstreitig und mit der Klageerhebung geklärt“ gewesen. Auf der anderen Seite lässt sich aber nicht feststellen, dass die sich im Ausgangsverfahren stellenden Fragen völlig unproblematisch gewesen wären. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die gerichtlichen Hinweise vom 06.03.2009 und vom 31.08.2011 zu erwähnen, in denen es nicht nur um die von den Verfahrensbeteiligten aufgeworfenen Fragen ging, sondern auch darum, ob Ansprüche nach § 3 KiföG M-V dem Kind oder den Eltern zustehen und ob im Ausgangsverfahren bereits vor Klageerhebung Erledigung der Hauptsache eingetreten war.

17

Ob das Ausgangsverfahren grundsätzliche Bedeutung hatte, lässt sich nicht ohne Weiteres feststellen, kann aber letztlich zugunsten des Klägers angenommen werden.

18

Das Verwaltungsgericht war wohl der Auffassung, die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung gehabt; denn sonst hätte es nicht zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter kommen dürfen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Der Kläger hat sich im Ausgangsverfahren zu dieser Frage uneinheitlich verhalten. Das Verwaltungsgericht hatte ihn mit Verfügung vom 29.12.2008 darauf hingewiesen, dass die Kammer den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen solle „wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.“ Unter Bezugnahme auf diese Anfrage hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19.01.2009 („2008“ dürfte ein Schreibfehler sein) erklärt, der Rechtsstreit könne „durch den Berichterstatter anstelle der Kammer durchgeführt werden.“ Allerdings hat der Kläger im Schriftsatz vom 24.04.2009 ausgeführt, dass „wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache“ eine „Entscheidung der Kammer“ angezeigt sein dürfte; ihm sei „eine größere Zahl von Fällen bekannt, in denen der Beklagte genau wie hier“ verfahre. In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 08.12.2011 hat der Kläger sich allerdings auf einen Vergleich eingelassen. Dessen wesentlicher Inhalt bestand – wie erwähnt – darin, dass die Beteiligten sich in dem Sinne einigten, dass der Kläger für den Monat August 2008 noch einen Anspruch auf Ganztagsförderung gehabt habe. Die gerichtliche Klärung der Rechtslage ist durch den Vergleich unmöglich geworden.

19

Auch der Beklagte des Ausgangsverfahrens hat sich mit der Entscheidung der Sache durch den Berichterstatter einverstanden erklärt (vgl. Schriftsatz vom 30.01.2009) und damit schlüssig zum Ausdruck gebracht, dass er keine grundsätzliche Bedeutung der Sache annehme, hat aber – ohne nähere Begründung – mit Schriftsatz vom 30.01.2009 mitgeteilt, er sei an einer zügigen Entscheidung der zugrunde liegenden Rechtsfrage interessiert.

20

Die finanzielle Bedeutung der Sache für den Kläger war äußerst gering. Es wurde – wie schon erwähnt – um einen Betrag von 195,92 Euro gestritten. Dass der Kläger (bzw. dessen Eltern) nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen auf diesen Betrag angewiesen gewesen wäre, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Mehr als finanzielle Bedeutung hatte das Verfahren von Anfang an für die Klägerseite nicht. Insbesondere ging es nicht darum, ob die Mutter des Klägers in ihrer Mutterschutzzeit den Kläger halbtags zu betreuen hätte; denn dieser Zeitraum war vor Erhebung der Klage bereits verstrichen.

21

Zusammenfassend ist der Hauptgrund dafür, die Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens hier noch als angemessen zu bewerten, dass es lediglich um einen denkbar geringen Betrag gegangen ist. Hinzu kommt, dass die Verfahrensbeteiligten in der Zeit, als das Gericht die Sache nicht gefördert hat, sich ebenfalls vollkommen passiv verhalten haben. Demgegenüber wiegt die – unterstellte – grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht besonders schwer, weil die Beteiligten – wie dargestellt – diesem Umstand selbst offenbar keine besondere Bedeutung beigemessen haben. Auch der beschriebene Schwierigkeitsgrad der Sache führt nicht zu einer für den Kläger günstigeren Beurteilung der Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO, 711 ZPO.

23

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht ersichtlich.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzungen von Verzögerungsgeldern.

2

Im Rahmen der Durchführung einer Außenprüfung forderte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) mit Schreiben vom 1. März 2010, 8. und 21. April 2010 --Letzteres unter Fristsetzung bis zum 27. April 2010-- gemäß § 200 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) auf, Buchführungsunterlagen und Datenträger vorzulegen. Für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage drohte das FA in dem Schreiben vom 21. April 2010 die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe von jeweils 2.500 € an.

3

Bis zum Fristablauf überreichte die Antragstellerin lediglich einen Datenträger.

4

Mit Bescheid vom 1. Juni 2010 setzte das FA der Antragstellerin gegenüber ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € fest.

5

Den dagegen eingelegten Einspruch und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA ab.

6

Die gegen den Bescheid vom 1. Juni 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung erhobene Klage ist beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen 3 K 1235/10 anhängig.

7

Mit weiterem Schreiben vom 21. Juni 2010 forderte das FA die Antragstellerin erneut auf, die Buchführungsunterlagen bis zum 29. Juni 2010 vorzulegen. In dem Schreiben wies das FA auf die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b AO hin.

8

Mit Bescheid vom 29. Juni 2010 setzte das FA der Antragstellerin gegenüber ein (weiteres) Verzögerungsgeld in Höhe von 3.000 € fest, da diese der (erneuten) Aufforderung vom 21. Juni 2010 nicht nachgekommen sei.

9

Dagegen hat die Antragstellerin Sprungklage erhoben, der das FA jedoch nicht zugestimmt hat. Eine Einspruchsentscheidung ist bislang nicht ergangen. Den gleichfalls gestellten Antrag auf AdV lehnte das FA ab.

10

Am 7. September 2010 beantragte die Antragstellerin die AdV der Bescheide vom 1. Juni 2010 und vom 29. Juni 2010 beim FG.

11

Während des anhängigen Verfahrens ersetzte das FA mit Bescheiden vom 1. Oktober 2010 die Bescheide vom 1. Juni 2010 und vom 29. Juni 2010, jeweils verbunden mit der ausdrücklichen Feststellung, dass die Festsetzung des Verzögerungsgelds nach erneuter Überprüfung bestehen bleibe. In den Bescheiden vom 1. Oktober 2010 hat das FA umfassend zu seinen Ermessenserwägungen Stellung genommen.

12

Das FG hat die Vollziehung der Bescheide vom 1. Oktober 2010 ausgesetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

13

Die Bescheide vom 1. Oktober 2010 seien in entsprechender Anwendung des § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Der Antrag sei angesichts des Begehrens der Antragstellerin dahingehend auszulegen, dass nunmehr die AdV der Bescheide vom 1. Oktober 2010 begehrt werde.

14

Der Antrag sei begründet, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden.

15

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 1. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 1. Oktober 2010 bestünden deshalb, weil das FA im Rahmen der neuerlichen Ausübung seines Ermessens unberücksichtigt gelassen habe, dass zwischenzeitlich mit der Festsetzung eines höheren Verzögerungsgelds ein relevantes Ereignis eingetreten sei. Es treffe deshalb nicht zu, wenn das FA von einer erstmaligen Sanktionsmaßnahme ausgehe.

16

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 29. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 1. Oktober 2010 bestünden insoweit, als das FA die mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben angeforderten Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO auf § 146 Abs. 2b AO gestützt habe. Eine ausdrückliche diesbezügliche Regelung finde sich in § 146 Abs. 2b AO nicht. Es sei auch kein Verweis auf § 332 Abs. 3 AO enthalten, wonach eine erneute Zwangsgeldandrohung wegen derselben Verpflichtung möglich sei. Eine analoge Anwendung dieser Regelung verbiete sich wegen der unterschiedlichen Zielsetzung von Verzögerungsgeld und Zwangsgeld.

17

Zudem seien ernstliche Zweifel dadurch begründet, dass das FA mit den seiner Auffassung nach aussichtslosen Anträgen auf AdV der Prüfungsanordnung bei der Ermessensentscheidung sachfremde Umstände berücksichtigt habe.

18

Mit der vom FG zugelassenen (§ 128 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO) Beschwerde macht das FA geltend, dass die Änderungsbescheide vom 1. Oktober 2010 rechtmäßig seien.

19

Im Rahmen der Ermessensausübung bei dem Änderungsbescheid vom 1. Oktober 2010, soweit er die erstmalige Festsetzung des Verzögerungsgelds betroffen habe, sei die weitere Festsetzung eines Verzögerungsgelds nicht zu berücksichtigen gewesen. Beide Festsetzungen hätten auf verschiedenen Mitwirkungsverlangen beruht und seien daher unabhängig voneinander zu beurteilen.

20

Auch die Festsetzung eines erneuten Verzögerungsgelds sei rechtmäßig, da die Sanktion nach dem Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO an die jeweilige Aufforderung anknüpfe. Anders als beim Zwangsgeld werde daher nicht dieselbe Pflichtverletzung sanktioniert.

21

Auch habe das FA zu Recht im Rahmen der Ermessensentscheidung berücksichtigt, dass die Antragstellerin durch eine Reihe von Anträgen auf AdV der Prüfungsanordnung, welche wegen der eingetretenen Bestandskraft aussichtslos gewesen seien, die Durchführung der Außenprüfung zu verhindern gesucht habe. Vollstreckungsmaßnahmen hätten grundsätzlich zu unterbleiben, soweit über einen Aussetzungsantrag noch nicht entschieden worden sei. Im Übrigen seien diese Ausführungen erkennbar nur ergänzend und nicht tragend gewesen.

22

Das FA beantragt sinngemäß,

den Beschluss des FG aufzuheben und die Anträge auf AdV der Bescheide vom 1. Oktober 2010 als unbegründet abzulehnen.

23

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

24

Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:

Solange der Verwaltungsakt --hier Anforderung von Buchführungsunterlagen-- nicht bestandskräftig und über ein diesbezügliches Aussetzungsverfahren noch nicht entschieden worden sei, könne kein Verzögerungsgeld festgesetzt werden. Es sei auch nicht zulässig, das Verzögerungsgeld zu vervielfachen, indem es auf mehrere Verpflichtungen atomisiert werde - hier Datenträger und Buchführungsunterlagen.

25

Die Ermessenserwägungen hätten spätestens im Rahmen der Einspruchsentscheidung dargelegt werden müssen. Eine Nachholung in einem finanzgerichtlichen Verfahren sei nicht möglich. Das FA habe zudem nicht dargelegt, welche konkrete zeitliche Verzögerung eingetreten sei.

26

Die Verzögerungsgelder seien auch fehlerhaft gegen die Antragstellerin festgesetzt worden. Zutreffend hätten sich die Bescheide gegen die gemäß § 34 AO für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten zuständigen Geschäftsführer (hier die Gesellschafter) der Antragstellerin richten müssen.

27

Die Festsetzung eines erneuten Verzögerungsgelds sei auch deshalb unzulässig, weil über die erste Festsetzung noch nicht bestandskräftig entschieden worden sei. Auch sei die Zeitspanne zwischen den beiden Festsetzungsbescheiden zu kurz bemessen. Zudem sei zweifelhaft, ob die mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben Unterlagen von § 146 Abs. 2b AO gedeckt sei.

28

Im Übrigen könne ein Verzögerungsgeld nur im Zusammenhang mit einer Buchführungsverlagerung nach § 146 Abs. 2a AO festgesetzt werden.

Entscheidungsgründe

29

II. 1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen.

30

a) Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung). Die AdV setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH-Beschluss vom 6. November 2008 IV B 126/07, BFHE 223, 294, BStBl II 2009, 156).

31

b) Die Entscheidung über einen Antrag auf AdV ergeht wegen dessen Eilbedürftigkeit aufgrund des Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Akten der Finanzbehörde und präsenten Beweismitteln ergibt (BFH-Beschluss vom 21. Juli 1994 IX B 78/94, BFH/NV 1995, 116). Aus diesen Unterlagen hat das Gericht seine Feststellungen zum Sachverhalt zu treffen. Im Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung über einen Antrag auf AdV durch das FG hat der BFH als Tatsachengericht grundsätzlich selbst die Befugnis und Pflicht zur Tatsachenfeststellung (BFH-Beschluss in BFHE 223, 294, BStBl II 2009, 156, m.w.N.).

32

c) Die Beschwerde ist statthaft, weil das FG sie zugelassen hat (§ 128 Abs. 3 FGO). Der BFH ist daran --abgesehen von Fällen greifbarer Gesetzeswidrigkeit-- gebunden (BFH-Beschluss vom 6. Februar 2009 IV B 125/08, BFH/NV 2009, 760, m.w.N.).

33

d) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Bescheide vom 1. Oktober 2010 in entsprechender Anwendung des § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden sind.

34

§ 68 Satz 1 FGO greift u.a. dann ein, wenn ein angefochtener Verwaltungsakt aus formellen Gründen aufgehoben und inhaltsgleich wiederholt wird. Dies gilt gleichermaßen auch dann, wenn der ursprüngliche Bescheid keine hinreichenden Ausführungen zur Ermessensausübung enthält und diese in dem "ersetzenden" Bescheid nachgeholt werden (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 I R 29/08, BFHE 224, 195, BStBl II 2009, 539, m.w.N.). Der Anwendungsbereich des § 68 FGO ist auch eröffnet, wenn die Hauptsache sich noch im Vorverfahren befindet und der Änderungsbescheid gemäß § 365 Abs. 3 AO Gegenstand des Vorverfahrens geworden ist (BFH-Beschluss vom 25. Oktober 1994 VIII B 101/94, BFH/NV 1995, 611).

35

Die Bescheide vom 1. Oktober 2010 sind in ihrem Regelungsausspruch inhaltsgleich mit den Bescheiden vom 1. Juni 2010 und vom 29. Juni 2010. In den Bescheiden vom 1. Oktober 2010 sind lediglich die Ermessenserwägungen nachgeholt worden. Die ersetzenden Bescheide sind daher entsprechend § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden.

36

2. Vorliegend bestehen bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 1. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 1. Oktober 2010.

37

Das FA hat die Festsetzung des Verzögerungsgelds in Höhe von 2.500 € wegen Nichtvorlage der Buchführungsunterlagen zu Recht auf § 146 Abs. 2b AO gestützt.

38

a) Nach der Regelung des § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt oder er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde ins Ausland verlagert hat.

39

Das Verzögerungsgeld wurde durch Art. 10 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2794) --JStG 2009-- mit Wirkung vom 25. Dezember 2008 (Art. 39 Abs. 1, Abs. 8 JStG 2009) als neue steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 AO) eingeführt. Die Einführung des Verzögerungsgelds stand im engen Kontext mit der ebenfalls durch das JStG 2009 eingeführten Regelung in § 146 Abs. 2a AO. Danach kann das Finanzamt dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen bewilligen, seine Buchführung in das Ausland zu verlagern. Für den Fall, dass die Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, kann die Bewilligung widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung verlangt werden (§ 146 Abs. 2a Satz 3 AO). Um den Steuerpflichtigen in diesem Fall zu einer zeitnahen Rückverlagerung der Buchführung anzuhalten, ist die Möglichkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds normiert worden.

40

Über diesen direkten Normzusammenhang hinaus kann nach dem zuvor dargelegten Wortlaut ein Verzögerungsgeld aber auch dann verhängt werden, wenn ein Steuerpflichtiger einer Aufforderung des Finanzamts zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. von § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer angemessenen Frist nicht nachkommt (Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 1. Februar 2011  3 K 64/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 846; ebenso Geißler, Neue Wirtschaftsbriefe 2009, 4076; Klein/Rätke, AO, 10. Aufl., § 146 Rz 5b; Gebbers, Die steuerliche Betriebsprüfung 2009, 130). Es erscheint zwar systematisch missglückt, die Regelung des Verzögerungsgelds wegen der Verletzung von Mitwirkungspflichten bei einer Außenprüfung mit einem Verzögerungsgeld im Zusammenhang mit anderen Verpflichtungen zu verbinden. Sie hätte, worauf Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 51 zutreffend hinweist, besser in § 200 AO verortet werden sollen. Angesichts des eindeutigen Wortlauts kann aber allein aus der unzureichenden systematischen Verortung nicht darauf geschlossen werden, dass ein Verzögerungsgeld nur im Zusammenhang mit einer ohne Bewilligung der Finanzbehörde erfolgten Verlagerung der Buchführung ins Ausland oder unterbliebener Rückverlagerung der Buchführung aus dem Ausland festgesetzt werden darf (so aber Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 146 AO Rz 51). Dieses Verständnis der Norm wird durch die Gesetzesbegründung gestützt. Danach soll das Verzögerungsgeld im Falle der Verletzung von Mitwirkungspflichten gleichermaßen gelten, um eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die ihre Bücher und sonstigen Aufzeichnungen im Ausland führen, gegenüber solchen Steuerpflichtigen, die dies im Inland tun, zu vermeiden (vgl. BTDrucks 16/10189, S. 81). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob eine Erstreckung des Verzögerungsgelds auch auf Fälle sonstiger Mitwirkungsverletzungen aus Gründen der Gleichbehandlung überhaupt erforderlich gewesen wäre (ablehnend Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 146 AO Rz 51).

41

b) Der Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO ist vorliegend erfüllt. Gegenüber der Antragstellerin ist mit Bescheid vom 9. Mai 2008 eine Außenprüfung angeordnet worden. Der Bescheid ist nach Abschluss des dagegen gerichteten Klage- und Revisionszulassungsverfahrens bestandskräftig (siehe BFH-Beschluss vom 19. November 2009 IV B 62/09, BFH/NV 2010, 595).

42

aa) Das FA durfte deshalb die Aufforderung an die Antragstellerin vom 1. März 2010, 8. und 21. April 2010 zur Vorlage der Buchführungsunterlagen zuletzt bis zum 27. April 2010 erlassen. Die relativ kurze Frist war angesichts der besonderen Umstände des Streitfalls noch angemessen. Zum einen war die Antragstellerin bereits mehrmals zur Vorlage der Buchführungsunterlagen aufgefordert worden. Zum anderen hat die Antragstellerin durch selbst mit nicht statthaften Anträgen verbundene Rechtsbehelfe gegen sämtliche Mitwirkungsverlangen des Prüfers fortwährend Verzögerungen bewirkt.

43

bb) Der Festsetzung des Verzögerungsgelds steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin die Aufforderung zur Vorlage der Buchführungsunterlagen mit Rechtsmitteln angegriffen hat. Maßgeblich ist allein, dass die Aufforderung vollziehbar war. Nach Aktenlage wurden die Anträge auf AdV der Aufforderungen zur Vorlage der Buchführungsunterlagen abgelehnt.

44

cc) Im Streitfall bedarf es keiner Ausführungen dazu, ob und inwieweit § 146 Abs. 2b AO eine Vervielfachung der Festsetzung des Verzögerungsgelds dadurch ermöglicht, dass sich die vorherige Aufforderung auf eine Vielzahl von Unterlagen erstreckt. Denn das FA hat in dem Bescheid vom 1. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 1. Oktober 2010 nur den Mindestbetrag von 2.500 € festgesetzt, so dass sich das Problem einer Vervielfachung des Verzögerungsgelds nicht stellt.

45

dd) Der Bescheid über die Festsetzung des Verzögerungsgelds ist ebenso wie die Aufforderung zur Vorlage der Buchführungsunterlagen zutreffend an die Antragstellerin als Inhaltsadressatin gerichtet worden. Insoweit kann für diese Bescheide nichts anderes gelten als für die Prüfungsanordnung. Unterhält eine Personengesellschaft einen Gewerbebetrieb (§ 193 Abs. 1 AO), ist sie selbst Prüfungssubjekt und damit Inhaltsadressatin der Prüfungsanordnung nicht nur für die Steuern, die sie persönlich schuldet (z.B. Gewerbesteuer und Umsatzsteuer), sondern gleichermaßen im Hinblick auf die gesondert und einheitlich festzustellenden Einkünfte ihrer Gesellschafter (BFH-Urteil vom 26. Juni 2007 IV R 75/05, Deutsches Steuerrecht/ Entscheidungsdienst 2008, 341). Auch im Streitfall war die Prüfungsanordnung zutreffend an die Antragstellerin als Inhaltsadressatin gerichtet. Entsprechend oblagen ihr auch die Mitwirkungspflichten im Zusammenhang mit der Durchführung der Außenprüfung.

46

ee) Der Senat hat bei summarischer Prüfung schließlich auch keine ernstlichen Zweifel daran, dass das FA sein Entschließungsermessen im Hinblick auf das Ob einer Festsetzung des Verzögerungsgelds und sein Auswahlermessen im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds zutreffend ausgeübt hat.

47

Das FA musste beim Erlass des Bescheids vom 1. Oktober 2010, mit dem der Bescheid vom 1. Juni 2010 geändert bzw. ersetzt worden ist, im Rahmen der Ermessensausübung nicht berücksichtigen, dass zwischenzeitlich ein höheres Verzögerungsgeld festgesetzt worden ist. Anders als das FG meint, ist die Festsetzung eines weiteren Verzögerungsgelds jedenfalls im Streitfall kein relevantes Ereignis, welches in die Ermessenserwägungen des ersten Bescheids miteinzubeziehen gewesen wäre.

48

Zutreffend weist das FA darauf hin, dass beide Bescheide auf voneinander unabhängigen Mitwirkungsverlangen beruhen, nämlich einerseits den Aufforderungen vom 1. März 2010, 8. und 21. April 2010 und andererseits der Aufforderung vom 21. Juni 2010. Zwar liegt es nahe, dass die erstmalige Festsetzung eines Verzögerungsgelds in die Ermessenserwägung (Auswahlermessen) im Rahmen der betragsmäßigen Festsetzung eines weiteren Verzögerungsgelds einzufließen hat, soweit eine weitere Festsetzung dem Grunde nach überhaupt zulässig ist (dazu unter II.3.). Umgekehrt kann die Festsetzung eines weiteren Verzögerungsgelds aber keinerlei Einfluss auf die erstmalige Festsetzung eines Verzögerungsgelds haben. Die Ermessenserwägungen sind vielmehr ausschließlich auf diesen erstmalig verwirklichten Sachverhalt zu beziehen. Später eintretende Umstände sind auch nicht dann im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen, wenn, wie im Streitfall, das FA die zunächst unterlassenen Ermessenserwägungen in einem Änderungs- bzw. Ersetzungsbescheid zu einem Zeitpunkt nachholt, in dem ein weiteres Verzögerungsgeld bereits festgesetzt worden ist. Denn ungeachtet der zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen müssen sich die Ermessenserwägungen ausschließlich auf den Sachverhalt beziehen, der im Zeitpunkt des Erlasses des ersten Festsetzungsbescheids verwirklicht war.

49

3. Bei summarischer Prüfung bestehen indes ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 29. Juni 2010 in der Fassung vom 1. Oktober 2010.

50

a) Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben angeforderten Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO von § 146 Abs. 2b AO gedeckt ist (für zulässig erachtet von tom Suden, § 146 Abs. 2a und 2b AO: Das trojanische Pferd im Steuerrecht, Die Steuerberatung 2009, 207; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 22. April 2010, Deutsches Steuerrecht 2011, 676).

51

Die Zulässigkeit einer mehrfachen Festsetzung wegen derselben Verpflichtung lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 146 Abs. 2b AO entnehmen. Das Verzögerungsgeld soll nach der Gesetzesbegründung den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Mitwirkung anhalten. Es steht damit in einem Konkurrenzverhältnis zu dem Zwangsgeld gemäß § 328 Abs. 1, § 329 AO. Für das Zwangsgeld enthält § 332 Abs. 3 AO die ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, es erneut wegen derselben Verpflichtung anzudrohen, wenn das zunächst angedrohte Zwangsgeld erfolglos geblieben ist. Das Schweigen des Gesetzgebers zu der Möglichkeit einer erneuten Festsetzung eines Verzögerungsgelds deutet daher darauf hin, dass ein Verzögerungsgeld wegen derselben Verpflichtung nur einmal festgesetzt werden kann. Eine analoge Anwendung des § 332 Abs. 3 AO kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht, weil nicht zu erkennen ist, dass das Fehlen einer Regelung zur wiederholten Festsetzung eines Verzögerungsgelds auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht. Es fehlt damit an der für eine analoge Gesetzesanwendung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.

52

b) Da das FA noch nicht über den Einspruch gegen den Bescheid vom 29. Juni 2010 in der Fassung vom 1. Oktober 2010 entschieden hat, beschränkt der Senat in Ausübung seines Ermessens die AdV des Bescheids vom 29. Juni 2010 in der geänderten Fassung vom 1. Oktober 2010 bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen. Die Finanzbehörde hat dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts zu übermitteln. Satz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
ein Verwaltungsakt nach § 129 der Abgabenordnung berichtigt wird oder
2.
ein Verwaltungsakt an die Stelle eines angefochtenen unwirksamen Verwaltungsakts tritt.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

(1) Ein schriftlicher, elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist.

(2) Einer Begründung bedarf es nicht,

1.
soweit die Finanzbehörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift,
2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Finanzbehörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist,
3.
wenn die Finanzbehörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist,
4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt,
5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 125 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Verwaltungsakt erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird,
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsakts erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 5 können bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsakts unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsakts versäumt worden, so gilt die Versäumung der Einspruchsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 110 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b der Abgabenordnung (AO).

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) führte ab November 2009 bei der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, eine Betriebsprüfung (betreffend die Jahre 2005 bis 2007) durch. Am 24./25. November 2009 forderte die Prüferin die Klägerin erstmals auf, Nachweise über die "sonstigen Rückstellungen (management creativ)" sowie die Verträge zwischen der Klägerin und der "V-Ltd. (Darlehensvertrag, Managementvertrag o.ä.)" vorzulegen und die "Kosten für die Management Fee" zu erläutern. Anlässlich einer Betriebsbesichtigung (1. Dezember 2009) wurde der Prüferin erläutert, dass die angeforderten Unterlagen einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen übersandt worden seien. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 setzte die Prüferin eine Frist zur Vorlage der Unterlagen bis zum 22. Januar 2010; die Frist wurde mit weiterem Schreiben vom 3. Februar 2010 bis zum 25. Februar 2010 verlängert. Nachdem die Klägerin im Rahmen der Schlussbesprechung (23. März 2010) erneut auf die angeforderten Nachweise hingewiesen worden war, teilte der von der Klägerin bevollmächtigte Steuerberater am 12. April 2010 der Prüferin telefonisch mit, dass die Unterlagen unterwegs seien; am 23. April 2010 gab er an, dass die Unterlagen noch nicht vollständig seien, er sie aber am selben Tage absenden würde. Mit Schreiben vom 12. Mai 2010 forderte das FA die Klägerin erneut auf, die vorgenannten Nachweise und Unterlagen (betreffend Rückstellung "management creativ; Darlehens- und Managementverträge mit der V-Ltd.; Erläuterung der Kosten der Management Fee") bis 25. Mai 2010 einzureichen; zugleich wies das FA darauf hin, dass ein Verzögerungsgeld von mindestens 2.500 € und maximal 250.000 € festgesetzt werde, wenn die Klägerin die Unterlagen nicht fristgerecht und vollständig einreiche.

3

Da die Klägerin auch dieser Aufforderung nicht nachkam, setzte das FA mit Bescheid vom 31. Mai 2010 ein Verzögerungsgeld in Höhe von 5.000 € fest. Nach dem Begründungsteil des Bescheids ergibt sich dieser Betrag aus der Dauer der Fristüberschreitung sowie daraus, dass die Beendigung der Betriebsprüfung beeinträchtigt worden sei.

4

In dem am 9. Juni 2010 erstellten Prüfungsbericht wurden --jeweils wegen fehlender Nachweise-- die Rückstellungen für "management creativ" zum 31. Dezember 2006 sowie zum 31. Dezember 2007 in Höhe von 20.000 € aufgelöst und die nicht abziehbaren Aufwendungen um die Kosten für die Management Fee (2006: 47.095 €; 2007: 39.038 €) erhöht.

5

Zur Begründung ihres Einspruchs gegen den Bescheid vom 31. Mai 2010 hat die Klägerin mit Schreiben vom 30. Juni 2010 vorgetragen, dass --wie der Prüferin bekannt sei-- bei der Gesellschaft im Hinblick auf den geplanten Verkauf der Unternehmensgruppe eine Due Diligence Prüfung vorgenommen werde und deshalb die Erlangung der Unterlagen aus Großbritannien äußerst schwierig gewesen sei. Die Höhe des Verzögerungsgelds sei --so die Klägerin weiter-- unangemessen, die Unterlagen würden spätestens Anfang nächster Woche eingereicht.

6

Der Einspruch wurde mit Bescheid vom 30. Juli 2010 zurückgewiesen. Der Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO sei --so das FA-- erfüllt. Umstände, die es rechtfertigten, von der Festsetzung eines Verzögerungsgelds abzusehen, lägen nicht vor. Da zwischen der ersten und der letzten Aufforderung ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten gelegen habe, seien auch die geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Unterlagen aus Großbritannien sehr großzügig beachtet worden; zudem habe die Klägerin auf die letzte Fristsetzung (vom 12. Mai 2010) nicht reagiert. Im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds wiederholt die Einspruchsentscheidung zum einen die Erläuterungen des Bescheids vom 31. Mai 2010 (Dauer der Fristüberschreitung; Beeinträchtigung des Prüfungsabschlusses; s.o.); zum anderen führt die Einspruchsentscheidung aus, dass das Verzögerungsgeld für zwei Pflichtverletzungen (kein Nachweis der Rückstellung "management creativ" sowie der Kosten für (die) "Management Fee") jeweils in Höhe des vorgeschriebenen Mindestbetrags (2.500 €) festgesetzt worden sei. Schließlich sei auch der Vollzug des Festsetzungsbescheids nicht entsprechend der Regelung des § 335 AO einzustellen. Die Vorschrift sei auf das Verzögerungsgeld, bei der es sich um eine eigenständige steuerliche Nebenleistung handle, nicht anwendbar. Im Übrigen seien die geforderten Nachweise auch im Verlauf des Einspruchsverfahrens nicht erbracht worden.

7

Mit der Klage wurde u.a. geltend gemacht, dass die Vertragsunterlagen in London bzw. Amerika zusammengetragen worden und die Unterlagen für die Management Fee nicht auffindbar gewesen seien. Zudem sei die beauftragte Buchhalterin aufgrund der Erkrankung ihres Ehemanns aus einem Urlaub "über den Jahreswechsel" nicht zurückgekehrt. Hinzu komme, dass das FA unmittelbar nach der Festsetzung des Verzögerungsgelds den Prüfungsbericht fertiggestellt und die nicht aufgeklärten Sachverhalte zu Lasten der Klägerin gewertet habe. Insbesondere hält die Klägerin die Festsetzung des Verzögerungsgelds für zwei Pflichtverletzungen für unverhältnismäßig. Auch sei die Anforderung über den Nachweis der Kosten für die Management Fee unangemessen gewesen, da sich die Gründe für dieses Entgelt aus der --der Prüferin bekannten-- Gesamtkonstruktion (Gründung einer deutschen Gesellschaft unter Rückgriff auf Erfahrungen und Beratungsleistungen aus Großbritannien) ergeben hätten.

8

Die Vorinstanz hat der Klage stattgeben (vgl. Finanzgericht --FG-- Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Januar 2012  12 K 12205/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 898). Dabei hat das FG offengelassen, ob bereits deshalb von einem Ermessensfehlgebrauch ausgegangen werden müsse, weil das FA auf die Gründe der Säumnis und damit auf Verschuldensaspekte nicht eingegangen sei. Jedenfalls sei ein Ermessensfehler darin zu sehen, dass nicht für sämtliche Pflichtverstöße ein einheitliches Verzögerungsgeld festgesetzt worden sei. Gegen den vom FA beschrittenen Weg --Bemessung des Verzögerungsgelds durch Multiplikation der Pflichtverstöße mit dem Mindestbetrag (2.500 €)-- spreche nicht nur der Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO, sondern auch, dass die Vorgehensweise des FA zu unverhältnismäßigen und willkürlichen Festsetzungen führen könne. Letzteres zeige sich auch im Streitfall, da die Klägerin gegen drei Vorlage- und Auskunftspflichten verstoßen, das FA der Bemessung des Verzögerungsgelds aber nur zwei Pflichtverstöße zugrunde gelegt habe; umgekehrt sei --wenn man zwischen den angeforderten Darlehens- und Managementverträgen unterscheide-- auch die Annahme von vier Verstößen denkbar gewesen.

9

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA, dass die Festsetzung von Verzögerungsgeldern nach der Anzahl der Pflichtverstöße mit dem Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO vereinbar sei und der Ansicht der Finanzverwaltung entspreche. Auch liege hierin --entgegen der Auffassung der Vorinstanz-- kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die Festsetzung eines Verzögerungsgelds auf "wesentliche Fälle" zu beschränken sei und im Hinblick auf die Höhe des festzusetzenden Betrags nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. April 2010 (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 676) unter anderem die Dauer der Fristüberschreitung, die Gründe der Pflichtverletzung, die Häufigkeit der Verzögerung oder Verweigerung sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Betriebsprüfung zu berücksichtigen seien. Im Streitfall habe das FA sein Entschließungsermessen zutreffend ausgeübt; insbesondere habe es --abweichend von den Ausführungen der Vorinstanz-- erläutert, weshalb die geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Beschaffung der angeforderten Unterlagen die Pflichtverletzungen der Klägerin nicht entschuldigt hätten. Zudem habe die Klägerin noch im April 2010 mitgeteilt, dass die Unterlagen nunmehr vorlägen und übersandt würden. Auf den Ausfall der Buchhalterin habe das FA nicht eingehen können, da dieser Umstand erstmals im Klageverfahren vorgetragen worden sei; hiervon abgesehen könne er die Nichtvorlage der Unterlagen über Monate hinweg nicht rechtfertigen. Ebenso sei es nicht zu beanstanden, dass das FA beide Verzögerungsgelder --ausgehend von den Erwägungen im Rahmen des Entschließungsermessens-- nach dem gesetzlichen Mindestbetrag bemessen habe. Es liege somit keine bloße Vervielfältigung dieses Betrags vor.

10

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

11

Die Klägerin hat im Revisionsverfahren keine Stellungnahme abgegeben.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtordnung --FGO--).

13

1. Nach § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt. Die Vorschrift wurde durch Art. 10 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74) --JStG 2009-- mit Wirkung vom 25. Dezember 2008 (Art. 39 Abs. 1 und Abs. 8 JStG 2009) als neue steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 AO) eingeführt. Sie steht zwar im Zusammenhang mit der ebenfalls durch das JStG 2009 geschaffenen Regelung in § 146 Abs. 2a AO, nach welcher das FA dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen bewilligen kann, seine Buchführung in das Ausland zu verlagern, und will für den Fall, dass die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht oder nicht mehr gegeben sind, die zeitnahe Rückführung der Buchführung flankieren (vgl. § 146 Abs. 2a Satz 3 i.V.m. Abs. 2b AO). Gleichwohl ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt, dass ein Verzögerungsgeld im Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift sowie der Intention des Gesetzgebers (BTDrucks 16/10189, S. 81: "Vermeidung von Ungleichbehandlungen") auch dann festgesetzt werden kann, wenn der Steuerpflichtige seine Bücher und Aufzeichnungen im Inland führt und aufbewahrt, er jedoch der ihm im Rahmen einer Außenprüfung obliegenden Mitwirkungspflicht zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage von Unterlagen (§ 200 Abs. 1 AO) innerhalb angemessener Frist nicht nachkommt (BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855; vom 28. Juni 2011 X B 37/11, BFH/NV 2011, 1833, jeweils m.w.N.).

14

2. Der BFH hat es zwar in dem Aussetzungsbeschluss in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855 als i.S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO ernstlich zweifelhaft angesehen, ob im Hinblick auf die fortdauernde Nichtvorlage derselben Unterlagen ein Verzögerungsgeld mehrfach festgesetzt werden kann (vgl. nunmehr auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011, Referat IV A 4, zu Frage 18; abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Weitere_Steuerthemen/Betriebspruefung/001_a1.html, Suchwort: Verzögerungsgeld; a.A. Hopp/Bruns, DStR 2012, 1485). Über die hiervon zu unterscheidende und gleichfalls umstrittene Frage, ob im Falle der Verletzung mehrerer Mitwirkungspflichten für jeden Pflichtverstoß jeweils ein gesondertes Verzögerungsgeld --z.B. in Höhe des Mindestbetrags von 2.500 €-- ausgesprochen werden kann, hat der BFH hingegen noch nicht entschieden. Die Ansichten hierzu sind geteilt. Während nach Auffassung der Finanzverwaltung jede Pflichtverletzung mit einem gesonderten ("getrennten") Verzögerungsgeld belegt werden kann (vgl. BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., zu Frage 17), wird in der Rechtsprechung der FG eine Vervielfältigung des Mindestsatzes (2.500 €) entsprechend der Anzahl der Pflichtverstöße ohne deren eigenständige Gewichtung als ernstlich zweifelhaft angesehen (Beschluss des Hessischen FG vom 8. August 2011  8 V 1281/11, EFG 2011, 1949; Beschluss des FG Hamburg vom 16. November 2011  2 V 173/11, EFG 2012, 382). Dem wird im Schrifttum teilweise zugestimmt (z.B. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 51b); andere vertreten hingegen die Ansicht, dass zwar das Verzögerungsgeld für jede (einzelne) Verletzung der Mitwirkungspflicht ausgesprochen werden könne, jedoch die Aufforderung zur Vorlage mehrerer Urkunden in einem Schriftstück als nur ein Mitwirkungsverlangen zu werten sei und dessen Verletzung nur mit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds sanktioniert werden dürfe (Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 146 Rz 36).

15

3. Das anhängige Verfahren gibt dem Senat keine Gelegenheit, zu diesem Meinungsstreit abschließend Stellung zu nehmen. Insbesondere hat der Senat nicht darauf einzugehen, ob dann, wenn beispielsweise im Rahmen einer Außenprüfung die Mitwirkungsverlangen zu verschiedenen Prüfungsfeldern ergehen und der Steuerpflichtige diesen nicht entspricht, das FA befugt ist, für die die jeweiligen (einzelnen) Prüfungsfelder betreffenden Verstöße ein gesondertes Verzögerungsgeld auszusprechen, oder ob es hierzu weiterer Voraussetzungen --wie z.B. der zeitlichen Staffelung der Mitwirkungsaufforderungen-- bedarf. Im Streitfall kommt es hierauf nicht an, da selbst dann, wenn man im Falle des Verstoßes gegen mehrere Mitwirkungspflichten die gleichzeitige Festsetzung je eines Verzögerungsgelds für grundsätzlich zulässig erachten würde, der angefochtene Bescheid --wie vom FG im Ergebnis zu Recht erkannt-- aufzuheben wäre.

16

a) Die Festsetzung des Verzögerungsgelds erfordert nach § 146 Abs. 2b AO neben den zwingenden tatbestandlichen Voraussetzungen (z.B. Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht gemäß § 200 Abs. 1 AO) eine zweifache Ermessensentscheidung der Behörde, nämlich erstens im Hinblick darauf, ob im jeweiligen Einzelfall ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird (sog. Entschließungsermessen), sowie zweitens --falls das Entschließungsermessen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeübt wird-- eine Entscheidung über die Höhe der Sanktion innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens von mindestens 2.500 € bis höchstens 250.000 € (sog. Auswahlermessen; vgl. insgesamt BFH-Beschlüsse in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855; in BFH/NV 2011, 1833). Diese zweistufige Ermessensprüfung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers: Während der Gesetzentwurf der Bundesregierung --zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. dazu nachfolgend zu II.3.a bb) --einen behördlichen Ermessensspielraum nur im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds eröffnen wollte (vgl. BTDrucks 16/10189, S. 26, 81), ist der letzte Halbsatz des § 146 Abs. 2b AO-- auf Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestags (BTDrucks 16/11055, S. 81) mit dem ausdrücklichen Ziel geändert worden ("kann... festgesetzt werden"), ein "Entschließungsermessen einzufügen" (BTDrucks 16/11108, S. 47).

17

aa) Der Ermessenscharakter des § 146 Abs. 2b AO hat allgemein zur Folge, dass die Finanzgerichte die Festsetzung des Verzögerungsgelds nur eingeschränkt überprüfen können. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung gegeben und hat das FA den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt sowie seine Entscheidung hinreichend begründet (§ 121 AO, ggf. i.V.m. § 126 AO; vgl. auch § 102 Satz 2 FGO), ist der gerichtlichen Kontrolle die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) zugrunde zu legen. Des Weiteren ist die Prüfung nach § 102 Satz 1 FGO darauf beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob das FA von seinem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihm zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung) oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz missachtet hat (vgl. zu allem Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 102 FGO Rz 61 ff., Rz 86 ff., Rz 94 ff., jeweils mit umfangreichen Nachweisen).

18

bb) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach dem das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht nur erforderlich und geeignet, sondern hierzu auch in einem angemessenen, d.h. für den Betroffenen zumutbaren Verhältnis stehen muss (vgl. Wernsmann in HHSp, § 5 AO Rz 169), genießt Verfassungsrang und ist deshalb stets auch bei der Auslegung und Anwendung von Normen des einfachen Rechts --mithin auch bei der Ermessensausübung durch die Finanzämter-- zu beachten (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 1976  2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101, 106). Hiermit übereinstimmend hat auch der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des § 146 Abs. 2b AO als Ermessensvorschrift eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende Handhabung der Vorschrift durch die Finanzbehörden "gewährleisten" wollen (BTDrucks 16/10189, S. 81).

19

aaa) Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass das FA die Höhe des Verzögerungsgelds, dessen Zweck nach herrschender Meinung nicht nur darin zu sehen ist, den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anzuhalten (BTDrucks 16/10189, S. 81), sondern auch die Verletzung der Mitwirkungspflichten zu sanktionieren (vgl. z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 25, m.w.N.; kritisch Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz 48), insbesondere an der Dauer der Fristüberschreitung, den Gründen und dem Ausmaß der Pflichtverletzung/en sowie der Beeinträchtigung der Außenprüfung auszurichten hat (vgl. auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O.).

20

bbb) Da aber das Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € festzusetzen ist und es sich hierbei nicht um einen Bagatellbetrag handelt, müssen die nämlichen Merkmale auch bei der Ausübung des sog. Entschließungsermessens, d.h. bei der Entscheidung der Finanzbehörden darüber zum Tragen kommen, ob gegenüber dem Steuerpflichtigen ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird. Maßstab auch dieser Ermessensentscheidung des FA sowie nachvollziehbarer Gegenstand ihrer Begründung (§ 121 AO) muss deshalb sein, ob die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe der Sanktionsmindestgrenze (2.500 €) mit Rücksicht auf die Umstände der zu beurteilenden Pflichtverletzung/en sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Prüfung angemessen ist. Demnach ist es ausgeschlossen, im Rahmen des Entschließungsermessens von einer Vorprägung auszugehen, wonach jede Verletzung der Mitwirkungspflichten (§ 200 Abs. 1 AO) --unabhängig davon, ob den Steuerpflichtigen ein Schuldvorwurf trifft-- grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds führt; erforderlich ist vielmehr auch insoweit eine an der Sanktionsuntergrenze (2.500 €) auszurichtende Würdigung des Einzelfalls. Nur diese Beurteilung stellt sicher, dass die Festsetzung des Verzögerungsgelds durchgängig den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entspricht (überwiegende Meinung; z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 30; Kuhfus in: Kühn/v.Wedelstädt, 20. Aufl., AO, § 146 AO Rz 14g; Dißars in Schwarz, AO, § 146 Rz 49; Göttker in juris Lexikon Steuerrecht, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO, Rz 16 ff.; Drüen, Die Unternehmensbesteuerung 2011, 83, 87 f.; Hopp/Bruns, DStR 2012, 1485, 1487; FG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 3. Februar 2010  3 V 243/09, EFG 2010, 686; FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2012  3 V 3006/12, EFG 2012, 1225; a.A. insoweit BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., zu Frage 6; Gebbers, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 2009, 162, 167; derselbe, StBp 2009, 196; Geißler, Neue Wirtschafts-Briefe 2009, 4076, 4080).

21

ccc) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert damit zugleich, dass der Gegenstand des Entschließungsermessens mit demjenigen des Auswahlermessens übereinstimmt. Er ist demnach verletzt, wenn die Entscheidung, ob es überhaupt angemessen ist, ein Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € auszusprechen (Entschließungsermessen), aus der Summe (d.h. dem Bündel) der Pflichtverletzungen abgeleitet wird, bei der hieran anschließenden Ermessenentscheidung dazu, ob es --im nämlichen Fall-- angemessen und zumutbar ist, den Mindestsatz zu überschreiten (Auswahlermessen), das FA hingegen auf die einzelne Pflichtverletzung abstellt und diese jeweils --ohne weitere die Gesamtheit der Verstöße betreffende Erwägungen-- in Höhe von 2.500 € (Mindestsatz) sanktioniert. Letzteres kann zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Gebots der Verhältnismäßigkeit nur dann in Betracht kommen, wenn das FA im Rahmen der Ausübung seines Entschließungsermessens zu dem nachvollziehbaren und begründeten Ergebnis gekommen ist, dass jede einzelne der in Frage stehenden Mitwirkungspflichten --für sich genommen-- die Belastung des Steuerpflichtigen mit einem Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € rechtfertigt.

22

b) Demnach kann im Streitfall die Festsetzung des Verzögerungsgelds gegenüber der Klägerin keinen Bestand haben. Dabei kann unentschieden bleiben, ob --was dem Senat naheliegend erscheint-- der Bescheid vom 31. Mai 2010 (in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2010) auf die Festsetzung nur eines Verzögerungsgelds gerichtet ist, dessen Höhe (5.000 €) aus der Verdoppelung des Mindestsatzes abgeleitet wurde (Variante 1), oder ob die Einspruchsentscheidung dahin zu verstehen sein könnte, dass gegenüber der Klägerin in zusammengefasster Form sowohl für die Nichtvorlage der Nachweise zur Rückstellung "management creativ" als auch angesichts der fehlenden Erläuterungen und Nachweise bezüglich der "Management Fee" jeweils ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € ausgesprochen worden ist (Variante 2).

23

Der von der Klägerin angefochtene Bescheid ist ungeachtet dieses Auslegungsspielraums zum einen bereits deshalb ermessensfehlerhaft, weil das FA der Ausübung seines Entschließungsermessens (Entscheidung über die Festsetzung eines Verzögerungsgelds) die Nichtvorlage der angeforderten prüfungsrelevanten Unterlagen und Erläuterungen und damit eine zusammenfassende Würdigung aller Pflichtverletzungen der Klägerin zugrunde gelegt hat, und es hiernach gemäß den vorstehenden Erläuterungen ausgeschlossen ist, diesen Beurteilungsgegenstand im Rahmen des Auswahlermessens aufzulösen, d.h. für jede einzelne Verletzung der Mitwirkungspflichten ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € anzusetzen (Auslegungsvariante 1) oder festzusetzen (Auslegungsvariante 2). Zum anderen kann der Bescheid auch deshalb keinen Bestand haben, weil auch Ermessensentscheidungen zu begründen sind (§ 121 AO; Lange in HHSp, § 102 FGO Rz 89) und sich weder der Einspruchsentscheidung noch dem Bescheid vom 31. Mai 2010 mit der gebotenen Sicherheit entnehmen lässt, dass das FA sein Entschließungsermessen über die Festsetzung des Verzögerungsgelds mit Rücksicht auf die Sanktionsuntergrenze von 2.500 € ausgeübt hat. Vielmehr legt die Einspruchsentscheidung die Vermutung nahe, dass die Behörde --im Einklang mit der Verwaltungspraxis (vgl. BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., dort zu Frage 6)-- von einer verschuldensunabhängigen Vorprägung ihrer Ermessensbefugnis in dem Sinne ausgegangen ist, dass die Verletzung der Mitwirkungsverpflichtungen grundsätzlich die Sanktion des Verzögerungsgelds trage. Ein solches Verständnis ist jedoch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar.

24

4. Da die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt ist, die Ermessensentscheidung des FA in den aufgezeigten Grenzen zu überprüfen und dem Senat hiernach auch nicht die Befugnis zusteht, sein eigenes Ermessen an die Stelle der Verwaltungsbehörde zu setzen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460; vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, jeweils m.w.N.), war der angefochtene Bescheid ungeachtet dessen aufzuheben, ob im Rahmen einer fehlerfreien Ermessensausübung die Festsetzung eines Verzögerungsgelds --sei es in Höhe von 5.000 €, sei es mit einem geringeren Betrag-- hätte gerechtfertigt sein können.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

Ist die Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein im Jahre 2004 geborenes Kind, begehrt eine Entschädigung im Hinblick auf die Dauer des von ihm beim Verwaltungsgericht Greifswald betriebenen Verfahrens 5 A 2080/08.

2

Dieses Ausgangsverfahren hat der Kläger am 21.12.2008 anhängig gemacht mit dem Ziel, dass ihm für die beiden Monate August und September 2008 eine ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach § 4 Abs. 3 KiföG M-V in der damals geltenden Fassung zu gewähren sei. Im Hinblick auf den Gegenstandswert gab der Kläger an, dass sich für die streitigen Monate zusammen ein Betrag in Höhe von 195,32 Euro errechne. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens erwiderte auf die Klage mit Schriftsatz vom 19.01.2009 und teilte durch Schriftsatz vom 30.01.2009 mit, er sei an einer zügigen Entscheidung der dem Streit zugrunde liegenden Rechtsfrage interessiert. Bis April 2009 wurden unter den Beteiligten weitere Schriftsätze ausgetauscht. Der Streit betraf im Kern die Frage, ob dem Kläger nach der Geburt seiner Schwester am 12.07.2008 ab August 2008 nur noch Förderung für eine Teilzeitbetreuung in einer Kindertagesstätte zustand. Im Schriftsatz vom 24.04.2009 bat der Kläger um eine möglichst baldige Entscheidung und wies darauf hin, dass ihm eine größere Zahl von Fällen bekannt sei, in denen der Beklagte so wie hier verfahre, nachdem dies bis vor einigen Jahren noch anders gewesen sei. Durch Verfügung vom 31.08.2011 machte das Gericht die Beteiligten auf verschiedene rechtliche Aspekte aufmerksam, worauf der Kläger mit Schriftsatz vom 17.09.2011 Stellung nahm. Mit Verfügung vom 29.09.2011 erkundigte sich das Gericht beim Kläger, ob dessen mit Schriftsatz vom 19.01.2009 erklärter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung Bestand habe, was der Kläger mit Schriftsatz vom 05.11.2011 verneinte. In der sodann auf den 08.12.2011 anberaumten mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter erhob der Kläger zunächst Verzögerungsrüge. Sodann wurde der Rechtsstreit durch Vergleich beendet. Dessen wesentlicher Inhalt bestand darin, dass die Beteiligten sich in dem Sinne einigten, dass der Kläger für den Monat August 2008 noch einen Anspruch auf Ganztagsförderung gehabt habe; der Differenzbetrag sei vom Beklagten gegenüber der Kindertageseinrichtung abzurechnen.

3

Die vorliegende Entschädigungsklage hat der Kläger am 04.06.2012 erhoben.

4

Er ist der Auffassung, die Sache hätte spätestens bis Ende Oktober 2009 terminiert sein müssen, sei also um mehr als zwei Jahre verzögert gewesen. Zu dem Vergleich im Ausgangsverfahren sei es gekommen, nachdem kurz vor dem Gerichtstermin in einer Verwaltungsrichtlinie klargestellt worden sei, dass der Ganztagsanspruch für die Dauer des Beschäftigungsverbots nach § 6 MuSchG fortbestehe.

5

Der Kläger beantragt,

6

den Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung an den Kläger zu verurteilen,

7

hilfsweise festzustellen, dass das Verfahren 5 A 2080/08 unangemessen lange gedauert habe.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er ist der Auffassung, das Verfahren habe nach den Umständen des Falles nicht unangemessen lange gedauert. Die Verfahrensrüge in der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2011 habe keine Warnfunktion mehr entfalten können, da das Gericht zu dieser Zeit keine weiteren Möglichkeiten für eine Verfahrensbeschleunigung gehabt habe.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Ausgangsverfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Die nach §§ 173 VwGO, 201 GVG zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf eine Entschädigung noch auf die Feststellung, dass das Verfahren 5 A 2080/08 unangemessen lange gedauert hat.

13

Für die Beurteilung der Rechtslage ist auszugehen von der gemäß § 173 VwGO für verwaltungsgerichtliche Verfahren entsprechend geltenden Regelung des § 198 Abs. 1 GVG. Nach dessen Satz 1 wird angemessen entschädigt, wer als Verfahrensbeteiligter infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Auch die vom Kläger hilfsweise begehrte Feststellung setzt voraus, dass die Verfahrensdauer unangemessen war (vgl. § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG).

14

Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer kommt es insbesondere auf die Natur der Sache und die Schwierigkeit der Materie sowie die Bedeutung der Sache und die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Parteien und das ihnen zuzurechnende Verhalten an. Allgemeingültige Zeitvorgaben in dem Sinne, dass beispielsweise eine Verfahrensdauer von drei oder fünf Jahren stets als unangemessen zu bewerten wäre, ergeben sich aus dem Gesetz bzw. der diesem Gesetz zugrundeliegenden Rechtsprechung nicht (vgl. BVerfG, Beschl. vom 23.05.2012 - 1 BvR 359/09 -, m.w.N.; OVG Magdeburg, Urt. vom 25.07.2012 - 7 KE 1/11 -, m.w.N.). Auch auf durchschnittliche Verfahrenslaufzeiten ist nicht entscheidungserheblich abzustellen, da dabei die gebotene Einzelfallbetrachtung unberücksichtigt bleiben würde (OVG Schleswig, Urt. vom 08.04.2013 - 18 SchH 3/13 -, Rdn. 14, m.w.N., zit. nach juris).

15

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass die Dauer des beanstandeten Verfahrens noch als angemessen zu bewerten ist. Es war von der Erhebung der Klage am 21.12.2008 bis zu seiner Beendigung durch den in der mündlichen Verhandlung am 08.12.2011 geschlossenen Vergleich knapp drei Jahre beim Verwaltungsgericht anhängig. In der Zeit von Ende April 2009 bis Ende August 2011, das heißt also für etwa zwei Jahre und vier Monate, ist eine Förderung/Bearbeitung der Sache seitens des Gerichts nach der Aktenlage nicht erkennbar, sieht man von „Schiebeverfügungen“ ab, durch die jeweils die Wiedervorlage der Akte nach Ablauf bestimmter Fristen (hier meist drei oder vier Monate) veranlasst worden ist. Allerdings haben in dem besagten Zeitraum auch die Verfahrensbeteiligten keine erkennbaren Aktivitäten entwickelt, insbesondere hat keine Seite auf eine Beschleunigung des Verfahrens hingewirkt oder auch nur nach dem Sachstand gefragt. Insofern ähnelt die vorliegende Sache dem Fall, der der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27.03.2012 – OVG 3 A 1.12 – zugrunde gelegen hat. In dem dazu gehörigen Ausgangsverfahren richtete sich die im Juni 2003 erhobene Klage gegen die Rückforderung einer Ausbildungsförderung in Höhe von etwa 17.000,00 Euro. Das Entschädigungsgericht hat die Dauer des Ausgangsverfahrens bis einschließlich September 2006 noch als angemessen erachtet, obwohl sich ab Mitte 2004 „in der Gerichtsakte ausschließlich Wiedervorlagefristen“ befunden hätten.

16

Im vorliegenden Verfahren geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass das Ausgangsverfahren keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufgewiesen hat. Der Rechtsstreit betraf – wie erwähnt – im Kern die Frage, ob dem Kläger nach der Geburt seiner Schwester – wie der Beklagte des Ausgangsverfahrens meinte – nur noch Förderung für eine Teilzeitbetreuung in einer Kindertagesstätte zustand oder ob dem Kläger – wie er meinte – für die beiden Monate August und September 2008 eine ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach § 4 Abs. 3 KiföG M-V in der damals geltenden Fassung zu gewähren gewesen wäre. Die Bewertung der Sache durch den Senat deckt sich jedenfalls im Ergebnis ersichtlich mit der der für das Ausgangsverfahren zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts. Diese hat den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder nach § 6 Abs. 1 VwGO als Einzelrichter übertragen, was im Gesetz nur vorgesehen ist, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine hiervon abweichende Meinung haben weder die Beteiligten des vorliegenden Entschädigungsverfahrens noch die des Ausgangsverfahrens geäußert. Ausdrücklich hat der Kläger in der Klageschrift vom 01.06.2012 ausgeführt, dass die in dem Ausgangsverfahren zu klärenden Rechtsfragen „nicht von ausgesprochen schwieriger Gestalt“ gewesen seien, der Sachverhalt sei „unstreitig und mit der Klageerhebung geklärt“ gewesen. Auf der anderen Seite lässt sich aber nicht feststellen, dass die sich im Ausgangsverfahren stellenden Fragen völlig unproblematisch gewesen wären. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die gerichtlichen Hinweise vom 06.03.2009 und vom 31.08.2011 zu erwähnen, in denen es nicht nur um die von den Verfahrensbeteiligten aufgeworfenen Fragen ging, sondern auch darum, ob Ansprüche nach § 3 KiföG M-V dem Kind oder den Eltern zustehen und ob im Ausgangsverfahren bereits vor Klageerhebung Erledigung der Hauptsache eingetreten war.

17

Ob das Ausgangsverfahren grundsätzliche Bedeutung hatte, lässt sich nicht ohne Weiteres feststellen, kann aber letztlich zugunsten des Klägers angenommen werden.

18

Das Verwaltungsgericht war wohl der Auffassung, die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung gehabt; denn sonst hätte es nicht zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter kommen dürfen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Der Kläger hat sich im Ausgangsverfahren zu dieser Frage uneinheitlich verhalten. Das Verwaltungsgericht hatte ihn mit Verfügung vom 29.12.2008 darauf hingewiesen, dass die Kammer den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen solle „wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.“ Unter Bezugnahme auf diese Anfrage hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19.01.2009 („2008“ dürfte ein Schreibfehler sein) erklärt, der Rechtsstreit könne „durch den Berichterstatter anstelle der Kammer durchgeführt werden.“ Allerdings hat der Kläger im Schriftsatz vom 24.04.2009 ausgeführt, dass „wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache“ eine „Entscheidung der Kammer“ angezeigt sein dürfte; ihm sei „eine größere Zahl von Fällen bekannt, in denen der Beklagte genau wie hier“ verfahre. In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 08.12.2011 hat der Kläger sich allerdings auf einen Vergleich eingelassen. Dessen wesentlicher Inhalt bestand – wie erwähnt – darin, dass die Beteiligten sich in dem Sinne einigten, dass der Kläger für den Monat August 2008 noch einen Anspruch auf Ganztagsförderung gehabt habe. Die gerichtliche Klärung der Rechtslage ist durch den Vergleich unmöglich geworden.

19

Auch der Beklagte des Ausgangsverfahrens hat sich mit der Entscheidung der Sache durch den Berichterstatter einverstanden erklärt (vgl. Schriftsatz vom 30.01.2009) und damit schlüssig zum Ausdruck gebracht, dass er keine grundsätzliche Bedeutung der Sache annehme, hat aber – ohne nähere Begründung – mit Schriftsatz vom 30.01.2009 mitgeteilt, er sei an einer zügigen Entscheidung der zugrunde liegenden Rechtsfrage interessiert.

20

Die finanzielle Bedeutung der Sache für den Kläger war äußerst gering. Es wurde – wie schon erwähnt – um einen Betrag von 195,92 Euro gestritten. Dass der Kläger (bzw. dessen Eltern) nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen auf diesen Betrag angewiesen gewesen wäre, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Mehr als finanzielle Bedeutung hatte das Verfahren von Anfang an für die Klägerseite nicht. Insbesondere ging es nicht darum, ob die Mutter des Klägers in ihrer Mutterschutzzeit den Kläger halbtags zu betreuen hätte; denn dieser Zeitraum war vor Erhebung der Klage bereits verstrichen.

21

Zusammenfassend ist der Hauptgrund dafür, die Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens hier noch als angemessen zu bewerten, dass es lediglich um einen denkbar geringen Betrag gegangen ist. Hinzu kommt, dass die Verfahrensbeteiligten in der Zeit, als das Gericht die Sache nicht gefördert hat, sich ebenfalls vollkommen passiv verhalten haben. Demgegenüber wiegt die – unterstellte – grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht besonders schwer, weil die Beteiligten – wie dargestellt – diesem Umstand selbst offenbar keine besondere Bedeutung beigemessen haben. Auch der beschriebene Schwierigkeitsgrad der Sache führt nicht zu einer für den Kläger günstigeren Beurteilung der Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO, 711 ZPO.

23

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht ersichtlich.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b der Abgabenordnung (AO).

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) führte ab November 2009 bei der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, eine Betriebsprüfung (betreffend die Jahre 2005 bis 2007) durch. Am 24./25. November 2009 forderte die Prüferin die Klägerin erstmals auf, Nachweise über die "sonstigen Rückstellungen (management creativ)" sowie die Verträge zwischen der Klägerin und der "V-Ltd. (Darlehensvertrag, Managementvertrag o.ä.)" vorzulegen und die "Kosten für die Management Fee" zu erläutern. Anlässlich einer Betriebsbesichtigung (1. Dezember 2009) wurde der Prüferin erläutert, dass die angeforderten Unterlagen einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen übersandt worden seien. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 setzte die Prüferin eine Frist zur Vorlage der Unterlagen bis zum 22. Januar 2010; die Frist wurde mit weiterem Schreiben vom 3. Februar 2010 bis zum 25. Februar 2010 verlängert. Nachdem die Klägerin im Rahmen der Schlussbesprechung (23. März 2010) erneut auf die angeforderten Nachweise hingewiesen worden war, teilte der von der Klägerin bevollmächtigte Steuerberater am 12. April 2010 der Prüferin telefonisch mit, dass die Unterlagen unterwegs seien; am 23. April 2010 gab er an, dass die Unterlagen noch nicht vollständig seien, er sie aber am selben Tage absenden würde. Mit Schreiben vom 12. Mai 2010 forderte das FA die Klägerin erneut auf, die vorgenannten Nachweise und Unterlagen (betreffend Rückstellung "management creativ; Darlehens- und Managementverträge mit der V-Ltd.; Erläuterung der Kosten der Management Fee") bis 25. Mai 2010 einzureichen; zugleich wies das FA darauf hin, dass ein Verzögerungsgeld von mindestens 2.500 € und maximal 250.000 € festgesetzt werde, wenn die Klägerin die Unterlagen nicht fristgerecht und vollständig einreiche.

3

Da die Klägerin auch dieser Aufforderung nicht nachkam, setzte das FA mit Bescheid vom 31. Mai 2010 ein Verzögerungsgeld in Höhe von 5.000 € fest. Nach dem Begründungsteil des Bescheids ergibt sich dieser Betrag aus der Dauer der Fristüberschreitung sowie daraus, dass die Beendigung der Betriebsprüfung beeinträchtigt worden sei.

4

In dem am 9. Juni 2010 erstellten Prüfungsbericht wurden --jeweils wegen fehlender Nachweise-- die Rückstellungen für "management creativ" zum 31. Dezember 2006 sowie zum 31. Dezember 2007 in Höhe von 20.000 € aufgelöst und die nicht abziehbaren Aufwendungen um die Kosten für die Management Fee (2006: 47.095 €; 2007: 39.038 €) erhöht.

5

Zur Begründung ihres Einspruchs gegen den Bescheid vom 31. Mai 2010 hat die Klägerin mit Schreiben vom 30. Juni 2010 vorgetragen, dass --wie der Prüferin bekannt sei-- bei der Gesellschaft im Hinblick auf den geplanten Verkauf der Unternehmensgruppe eine Due Diligence Prüfung vorgenommen werde und deshalb die Erlangung der Unterlagen aus Großbritannien äußerst schwierig gewesen sei. Die Höhe des Verzögerungsgelds sei --so die Klägerin weiter-- unangemessen, die Unterlagen würden spätestens Anfang nächster Woche eingereicht.

6

Der Einspruch wurde mit Bescheid vom 30. Juli 2010 zurückgewiesen. Der Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO sei --so das FA-- erfüllt. Umstände, die es rechtfertigten, von der Festsetzung eines Verzögerungsgelds abzusehen, lägen nicht vor. Da zwischen der ersten und der letzten Aufforderung ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten gelegen habe, seien auch die geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Unterlagen aus Großbritannien sehr großzügig beachtet worden; zudem habe die Klägerin auf die letzte Fristsetzung (vom 12. Mai 2010) nicht reagiert. Im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds wiederholt die Einspruchsentscheidung zum einen die Erläuterungen des Bescheids vom 31. Mai 2010 (Dauer der Fristüberschreitung; Beeinträchtigung des Prüfungsabschlusses; s.o.); zum anderen führt die Einspruchsentscheidung aus, dass das Verzögerungsgeld für zwei Pflichtverletzungen (kein Nachweis der Rückstellung "management creativ" sowie der Kosten für (die) "Management Fee") jeweils in Höhe des vorgeschriebenen Mindestbetrags (2.500 €) festgesetzt worden sei. Schließlich sei auch der Vollzug des Festsetzungsbescheids nicht entsprechend der Regelung des § 335 AO einzustellen. Die Vorschrift sei auf das Verzögerungsgeld, bei der es sich um eine eigenständige steuerliche Nebenleistung handle, nicht anwendbar. Im Übrigen seien die geforderten Nachweise auch im Verlauf des Einspruchsverfahrens nicht erbracht worden.

7

Mit der Klage wurde u.a. geltend gemacht, dass die Vertragsunterlagen in London bzw. Amerika zusammengetragen worden und die Unterlagen für die Management Fee nicht auffindbar gewesen seien. Zudem sei die beauftragte Buchhalterin aufgrund der Erkrankung ihres Ehemanns aus einem Urlaub "über den Jahreswechsel" nicht zurückgekehrt. Hinzu komme, dass das FA unmittelbar nach der Festsetzung des Verzögerungsgelds den Prüfungsbericht fertiggestellt und die nicht aufgeklärten Sachverhalte zu Lasten der Klägerin gewertet habe. Insbesondere hält die Klägerin die Festsetzung des Verzögerungsgelds für zwei Pflichtverletzungen für unverhältnismäßig. Auch sei die Anforderung über den Nachweis der Kosten für die Management Fee unangemessen gewesen, da sich die Gründe für dieses Entgelt aus der --der Prüferin bekannten-- Gesamtkonstruktion (Gründung einer deutschen Gesellschaft unter Rückgriff auf Erfahrungen und Beratungsleistungen aus Großbritannien) ergeben hätten.

8

Die Vorinstanz hat der Klage stattgeben (vgl. Finanzgericht --FG-- Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Januar 2012  12 K 12205/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 898). Dabei hat das FG offengelassen, ob bereits deshalb von einem Ermessensfehlgebrauch ausgegangen werden müsse, weil das FA auf die Gründe der Säumnis und damit auf Verschuldensaspekte nicht eingegangen sei. Jedenfalls sei ein Ermessensfehler darin zu sehen, dass nicht für sämtliche Pflichtverstöße ein einheitliches Verzögerungsgeld festgesetzt worden sei. Gegen den vom FA beschrittenen Weg --Bemessung des Verzögerungsgelds durch Multiplikation der Pflichtverstöße mit dem Mindestbetrag (2.500 €)-- spreche nicht nur der Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO, sondern auch, dass die Vorgehensweise des FA zu unverhältnismäßigen und willkürlichen Festsetzungen führen könne. Letzteres zeige sich auch im Streitfall, da die Klägerin gegen drei Vorlage- und Auskunftspflichten verstoßen, das FA der Bemessung des Verzögerungsgelds aber nur zwei Pflichtverstöße zugrunde gelegt habe; umgekehrt sei --wenn man zwischen den angeforderten Darlehens- und Managementverträgen unterscheide-- auch die Annahme von vier Verstößen denkbar gewesen.

9

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA, dass die Festsetzung von Verzögerungsgeldern nach der Anzahl der Pflichtverstöße mit dem Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO vereinbar sei und der Ansicht der Finanzverwaltung entspreche. Auch liege hierin --entgegen der Auffassung der Vorinstanz-- kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die Festsetzung eines Verzögerungsgelds auf "wesentliche Fälle" zu beschränken sei und im Hinblick auf die Höhe des festzusetzenden Betrags nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. April 2010 (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 676) unter anderem die Dauer der Fristüberschreitung, die Gründe der Pflichtverletzung, die Häufigkeit der Verzögerung oder Verweigerung sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Betriebsprüfung zu berücksichtigen seien. Im Streitfall habe das FA sein Entschließungsermessen zutreffend ausgeübt; insbesondere habe es --abweichend von den Ausführungen der Vorinstanz-- erläutert, weshalb die geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Beschaffung der angeforderten Unterlagen die Pflichtverletzungen der Klägerin nicht entschuldigt hätten. Zudem habe die Klägerin noch im April 2010 mitgeteilt, dass die Unterlagen nunmehr vorlägen und übersandt würden. Auf den Ausfall der Buchhalterin habe das FA nicht eingehen können, da dieser Umstand erstmals im Klageverfahren vorgetragen worden sei; hiervon abgesehen könne er die Nichtvorlage der Unterlagen über Monate hinweg nicht rechtfertigen. Ebenso sei es nicht zu beanstanden, dass das FA beide Verzögerungsgelder --ausgehend von den Erwägungen im Rahmen des Entschließungsermessens-- nach dem gesetzlichen Mindestbetrag bemessen habe. Es liege somit keine bloße Vervielfältigung dieses Betrags vor.

10

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

11

Die Klägerin hat im Revisionsverfahren keine Stellungnahme abgegeben.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtordnung --FGO--).

13

1. Nach § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt. Die Vorschrift wurde durch Art. 10 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74) --JStG 2009-- mit Wirkung vom 25. Dezember 2008 (Art. 39 Abs. 1 und Abs. 8 JStG 2009) als neue steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 AO) eingeführt. Sie steht zwar im Zusammenhang mit der ebenfalls durch das JStG 2009 geschaffenen Regelung in § 146 Abs. 2a AO, nach welcher das FA dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen bewilligen kann, seine Buchführung in das Ausland zu verlagern, und will für den Fall, dass die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht oder nicht mehr gegeben sind, die zeitnahe Rückführung der Buchführung flankieren (vgl. § 146 Abs. 2a Satz 3 i.V.m. Abs. 2b AO). Gleichwohl ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt, dass ein Verzögerungsgeld im Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift sowie der Intention des Gesetzgebers (BTDrucks 16/10189, S. 81: "Vermeidung von Ungleichbehandlungen") auch dann festgesetzt werden kann, wenn der Steuerpflichtige seine Bücher und Aufzeichnungen im Inland führt und aufbewahrt, er jedoch der ihm im Rahmen einer Außenprüfung obliegenden Mitwirkungspflicht zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage von Unterlagen (§ 200 Abs. 1 AO) innerhalb angemessener Frist nicht nachkommt (BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855; vom 28. Juni 2011 X B 37/11, BFH/NV 2011, 1833, jeweils m.w.N.).

14

2. Der BFH hat es zwar in dem Aussetzungsbeschluss in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855 als i.S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO ernstlich zweifelhaft angesehen, ob im Hinblick auf die fortdauernde Nichtvorlage derselben Unterlagen ein Verzögerungsgeld mehrfach festgesetzt werden kann (vgl. nunmehr auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011, Referat IV A 4, zu Frage 18; abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Weitere_Steuerthemen/Betriebspruefung/001_a1.html, Suchwort: Verzögerungsgeld; a.A. Hopp/Bruns, DStR 2012, 1485). Über die hiervon zu unterscheidende und gleichfalls umstrittene Frage, ob im Falle der Verletzung mehrerer Mitwirkungspflichten für jeden Pflichtverstoß jeweils ein gesondertes Verzögerungsgeld --z.B. in Höhe des Mindestbetrags von 2.500 €-- ausgesprochen werden kann, hat der BFH hingegen noch nicht entschieden. Die Ansichten hierzu sind geteilt. Während nach Auffassung der Finanzverwaltung jede Pflichtverletzung mit einem gesonderten ("getrennten") Verzögerungsgeld belegt werden kann (vgl. BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., zu Frage 17), wird in der Rechtsprechung der FG eine Vervielfältigung des Mindestsatzes (2.500 €) entsprechend der Anzahl der Pflichtverstöße ohne deren eigenständige Gewichtung als ernstlich zweifelhaft angesehen (Beschluss des Hessischen FG vom 8. August 2011  8 V 1281/11, EFG 2011, 1949; Beschluss des FG Hamburg vom 16. November 2011  2 V 173/11, EFG 2012, 382). Dem wird im Schrifttum teilweise zugestimmt (z.B. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 51b); andere vertreten hingegen die Ansicht, dass zwar das Verzögerungsgeld für jede (einzelne) Verletzung der Mitwirkungspflicht ausgesprochen werden könne, jedoch die Aufforderung zur Vorlage mehrerer Urkunden in einem Schriftstück als nur ein Mitwirkungsverlangen zu werten sei und dessen Verletzung nur mit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds sanktioniert werden dürfe (Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 146 Rz 36).

15

3. Das anhängige Verfahren gibt dem Senat keine Gelegenheit, zu diesem Meinungsstreit abschließend Stellung zu nehmen. Insbesondere hat der Senat nicht darauf einzugehen, ob dann, wenn beispielsweise im Rahmen einer Außenprüfung die Mitwirkungsverlangen zu verschiedenen Prüfungsfeldern ergehen und der Steuerpflichtige diesen nicht entspricht, das FA befugt ist, für die die jeweiligen (einzelnen) Prüfungsfelder betreffenden Verstöße ein gesondertes Verzögerungsgeld auszusprechen, oder ob es hierzu weiterer Voraussetzungen --wie z.B. der zeitlichen Staffelung der Mitwirkungsaufforderungen-- bedarf. Im Streitfall kommt es hierauf nicht an, da selbst dann, wenn man im Falle des Verstoßes gegen mehrere Mitwirkungspflichten die gleichzeitige Festsetzung je eines Verzögerungsgelds für grundsätzlich zulässig erachten würde, der angefochtene Bescheid --wie vom FG im Ergebnis zu Recht erkannt-- aufzuheben wäre.

16

a) Die Festsetzung des Verzögerungsgelds erfordert nach § 146 Abs. 2b AO neben den zwingenden tatbestandlichen Voraussetzungen (z.B. Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht gemäß § 200 Abs. 1 AO) eine zweifache Ermessensentscheidung der Behörde, nämlich erstens im Hinblick darauf, ob im jeweiligen Einzelfall ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird (sog. Entschließungsermessen), sowie zweitens --falls das Entschließungsermessen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeübt wird-- eine Entscheidung über die Höhe der Sanktion innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens von mindestens 2.500 € bis höchstens 250.000 € (sog. Auswahlermessen; vgl. insgesamt BFH-Beschlüsse in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855; in BFH/NV 2011, 1833). Diese zweistufige Ermessensprüfung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers: Während der Gesetzentwurf der Bundesregierung --zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. dazu nachfolgend zu II.3.a bb) --einen behördlichen Ermessensspielraum nur im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds eröffnen wollte (vgl. BTDrucks 16/10189, S. 26, 81), ist der letzte Halbsatz des § 146 Abs. 2b AO-- auf Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestags (BTDrucks 16/11055, S. 81) mit dem ausdrücklichen Ziel geändert worden ("kann... festgesetzt werden"), ein "Entschließungsermessen einzufügen" (BTDrucks 16/11108, S. 47).

17

aa) Der Ermessenscharakter des § 146 Abs. 2b AO hat allgemein zur Folge, dass die Finanzgerichte die Festsetzung des Verzögerungsgelds nur eingeschränkt überprüfen können. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung gegeben und hat das FA den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt sowie seine Entscheidung hinreichend begründet (§ 121 AO, ggf. i.V.m. § 126 AO; vgl. auch § 102 Satz 2 FGO), ist der gerichtlichen Kontrolle die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) zugrunde zu legen. Des Weiteren ist die Prüfung nach § 102 Satz 1 FGO darauf beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob das FA von seinem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihm zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung) oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz missachtet hat (vgl. zu allem Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 102 FGO Rz 61 ff., Rz 86 ff., Rz 94 ff., jeweils mit umfangreichen Nachweisen).

18

bb) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach dem das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht nur erforderlich und geeignet, sondern hierzu auch in einem angemessenen, d.h. für den Betroffenen zumutbaren Verhältnis stehen muss (vgl. Wernsmann in HHSp, § 5 AO Rz 169), genießt Verfassungsrang und ist deshalb stets auch bei der Auslegung und Anwendung von Normen des einfachen Rechts --mithin auch bei der Ermessensausübung durch die Finanzämter-- zu beachten (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 1976  2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101, 106). Hiermit übereinstimmend hat auch der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des § 146 Abs. 2b AO als Ermessensvorschrift eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende Handhabung der Vorschrift durch die Finanzbehörden "gewährleisten" wollen (BTDrucks 16/10189, S. 81).

19

aaa) Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass das FA die Höhe des Verzögerungsgelds, dessen Zweck nach herrschender Meinung nicht nur darin zu sehen ist, den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anzuhalten (BTDrucks 16/10189, S. 81), sondern auch die Verletzung der Mitwirkungspflichten zu sanktionieren (vgl. z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 25, m.w.N.; kritisch Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz 48), insbesondere an der Dauer der Fristüberschreitung, den Gründen und dem Ausmaß der Pflichtverletzung/en sowie der Beeinträchtigung der Außenprüfung auszurichten hat (vgl. auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O.).

20

bbb) Da aber das Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € festzusetzen ist und es sich hierbei nicht um einen Bagatellbetrag handelt, müssen die nämlichen Merkmale auch bei der Ausübung des sog. Entschließungsermessens, d.h. bei der Entscheidung der Finanzbehörden darüber zum Tragen kommen, ob gegenüber dem Steuerpflichtigen ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird. Maßstab auch dieser Ermessensentscheidung des FA sowie nachvollziehbarer Gegenstand ihrer Begründung (§ 121 AO) muss deshalb sein, ob die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe der Sanktionsmindestgrenze (2.500 €) mit Rücksicht auf die Umstände der zu beurteilenden Pflichtverletzung/en sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Prüfung angemessen ist. Demnach ist es ausgeschlossen, im Rahmen des Entschließungsermessens von einer Vorprägung auszugehen, wonach jede Verletzung der Mitwirkungspflichten (§ 200 Abs. 1 AO) --unabhängig davon, ob den Steuerpflichtigen ein Schuldvorwurf trifft-- grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds führt; erforderlich ist vielmehr auch insoweit eine an der Sanktionsuntergrenze (2.500 €) auszurichtende Würdigung des Einzelfalls. Nur diese Beurteilung stellt sicher, dass die Festsetzung des Verzögerungsgelds durchgängig den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entspricht (überwiegende Meinung; z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 30; Kuhfus in: Kühn/v.Wedelstädt, 20. Aufl., AO, § 146 AO Rz 14g; Dißars in Schwarz, AO, § 146 Rz 49; Göttker in juris Lexikon Steuerrecht, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO, Rz 16 ff.; Drüen, Die Unternehmensbesteuerung 2011, 83, 87 f.; Hopp/Bruns, DStR 2012, 1485, 1487; FG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 3. Februar 2010  3 V 243/09, EFG 2010, 686; FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2012  3 V 3006/12, EFG 2012, 1225; a.A. insoweit BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., zu Frage 6; Gebbers, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 2009, 162, 167; derselbe, StBp 2009, 196; Geißler, Neue Wirtschafts-Briefe 2009, 4076, 4080).

21

ccc) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert damit zugleich, dass der Gegenstand des Entschließungsermessens mit demjenigen des Auswahlermessens übereinstimmt. Er ist demnach verletzt, wenn die Entscheidung, ob es überhaupt angemessen ist, ein Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € auszusprechen (Entschließungsermessen), aus der Summe (d.h. dem Bündel) der Pflichtverletzungen abgeleitet wird, bei der hieran anschließenden Ermessenentscheidung dazu, ob es --im nämlichen Fall-- angemessen und zumutbar ist, den Mindestsatz zu überschreiten (Auswahlermessen), das FA hingegen auf die einzelne Pflichtverletzung abstellt und diese jeweils --ohne weitere die Gesamtheit der Verstöße betreffende Erwägungen-- in Höhe von 2.500 € (Mindestsatz) sanktioniert. Letzteres kann zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Gebots der Verhältnismäßigkeit nur dann in Betracht kommen, wenn das FA im Rahmen der Ausübung seines Entschließungsermessens zu dem nachvollziehbaren und begründeten Ergebnis gekommen ist, dass jede einzelne der in Frage stehenden Mitwirkungspflichten --für sich genommen-- die Belastung des Steuerpflichtigen mit einem Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € rechtfertigt.

22

b) Demnach kann im Streitfall die Festsetzung des Verzögerungsgelds gegenüber der Klägerin keinen Bestand haben. Dabei kann unentschieden bleiben, ob --was dem Senat naheliegend erscheint-- der Bescheid vom 31. Mai 2010 (in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2010) auf die Festsetzung nur eines Verzögerungsgelds gerichtet ist, dessen Höhe (5.000 €) aus der Verdoppelung des Mindestsatzes abgeleitet wurde (Variante 1), oder ob die Einspruchsentscheidung dahin zu verstehen sein könnte, dass gegenüber der Klägerin in zusammengefasster Form sowohl für die Nichtvorlage der Nachweise zur Rückstellung "management creativ" als auch angesichts der fehlenden Erläuterungen und Nachweise bezüglich der "Management Fee" jeweils ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € ausgesprochen worden ist (Variante 2).

23

Der von der Klägerin angefochtene Bescheid ist ungeachtet dieses Auslegungsspielraums zum einen bereits deshalb ermessensfehlerhaft, weil das FA der Ausübung seines Entschließungsermessens (Entscheidung über die Festsetzung eines Verzögerungsgelds) die Nichtvorlage der angeforderten prüfungsrelevanten Unterlagen und Erläuterungen und damit eine zusammenfassende Würdigung aller Pflichtverletzungen der Klägerin zugrunde gelegt hat, und es hiernach gemäß den vorstehenden Erläuterungen ausgeschlossen ist, diesen Beurteilungsgegenstand im Rahmen des Auswahlermessens aufzulösen, d.h. für jede einzelne Verletzung der Mitwirkungspflichten ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € anzusetzen (Auslegungsvariante 1) oder festzusetzen (Auslegungsvariante 2). Zum anderen kann der Bescheid auch deshalb keinen Bestand haben, weil auch Ermessensentscheidungen zu begründen sind (§ 121 AO; Lange in HHSp, § 102 FGO Rz 89) und sich weder der Einspruchsentscheidung noch dem Bescheid vom 31. Mai 2010 mit der gebotenen Sicherheit entnehmen lässt, dass das FA sein Entschließungsermessen über die Festsetzung des Verzögerungsgelds mit Rücksicht auf die Sanktionsuntergrenze von 2.500 € ausgeübt hat. Vielmehr legt die Einspruchsentscheidung die Vermutung nahe, dass die Behörde --im Einklang mit der Verwaltungspraxis (vgl. BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., dort zu Frage 6)-- von einer verschuldensunabhängigen Vorprägung ihrer Ermessensbefugnis in dem Sinne ausgegangen ist, dass die Verletzung der Mitwirkungsverpflichtungen grundsätzlich die Sanktion des Verzögerungsgelds trage. Ein solches Verständnis ist jedoch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar.

24

4. Da die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt ist, die Ermessensentscheidung des FA in den aufgezeigten Grenzen zu überprüfen und dem Senat hiernach auch nicht die Befugnis zusteht, sein eigenes Ermessen an die Stelle der Verwaltungsbehörde zu setzen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460; vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, jeweils m.w.N.), war der angefochtene Bescheid ungeachtet dessen aufzuheben, ob im Rahmen einer fehlerfreien Ermessensausübung die Festsetzung eines Verzögerungsgelds --sei es in Höhe von 5.000 €, sei es mit einem geringeren Betrag-- hätte gerechtfertigt sein können.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b der Abgabenordnung (AO).

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) führte ab November 2009 bei der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, eine Betriebsprüfung (betreffend die Jahre 2005 bis 2007) durch. Am 24./25. November 2009 forderte die Prüferin die Klägerin erstmals auf, Nachweise über die "sonstigen Rückstellungen (management creativ)" sowie die Verträge zwischen der Klägerin und der "V-Ltd. (Darlehensvertrag, Managementvertrag o.ä.)" vorzulegen und die "Kosten für die Management Fee" zu erläutern. Anlässlich einer Betriebsbesichtigung (1. Dezember 2009) wurde der Prüferin erläutert, dass die angeforderten Unterlagen einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen übersandt worden seien. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 setzte die Prüferin eine Frist zur Vorlage der Unterlagen bis zum 22. Januar 2010; die Frist wurde mit weiterem Schreiben vom 3. Februar 2010 bis zum 25. Februar 2010 verlängert. Nachdem die Klägerin im Rahmen der Schlussbesprechung (23. März 2010) erneut auf die angeforderten Nachweise hingewiesen worden war, teilte der von der Klägerin bevollmächtigte Steuerberater am 12. April 2010 der Prüferin telefonisch mit, dass die Unterlagen unterwegs seien; am 23. April 2010 gab er an, dass die Unterlagen noch nicht vollständig seien, er sie aber am selben Tage absenden würde. Mit Schreiben vom 12. Mai 2010 forderte das FA die Klägerin erneut auf, die vorgenannten Nachweise und Unterlagen (betreffend Rückstellung "management creativ; Darlehens- und Managementverträge mit der V-Ltd.; Erläuterung der Kosten der Management Fee") bis 25. Mai 2010 einzureichen; zugleich wies das FA darauf hin, dass ein Verzögerungsgeld von mindestens 2.500 € und maximal 250.000 € festgesetzt werde, wenn die Klägerin die Unterlagen nicht fristgerecht und vollständig einreiche.

3

Da die Klägerin auch dieser Aufforderung nicht nachkam, setzte das FA mit Bescheid vom 31. Mai 2010 ein Verzögerungsgeld in Höhe von 5.000 € fest. Nach dem Begründungsteil des Bescheids ergibt sich dieser Betrag aus der Dauer der Fristüberschreitung sowie daraus, dass die Beendigung der Betriebsprüfung beeinträchtigt worden sei.

4

In dem am 9. Juni 2010 erstellten Prüfungsbericht wurden --jeweils wegen fehlender Nachweise-- die Rückstellungen für "management creativ" zum 31. Dezember 2006 sowie zum 31. Dezember 2007 in Höhe von 20.000 € aufgelöst und die nicht abziehbaren Aufwendungen um die Kosten für die Management Fee (2006: 47.095 €; 2007: 39.038 €) erhöht.

5

Zur Begründung ihres Einspruchs gegen den Bescheid vom 31. Mai 2010 hat die Klägerin mit Schreiben vom 30. Juni 2010 vorgetragen, dass --wie der Prüferin bekannt sei-- bei der Gesellschaft im Hinblick auf den geplanten Verkauf der Unternehmensgruppe eine Due Diligence Prüfung vorgenommen werde und deshalb die Erlangung der Unterlagen aus Großbritannien äußerst schwierig gewesen sei. Die Höhe des Verzögerungsgelds sei --so die Klägerin weiter-- unangemessen, die Unterlagen würden spätestens Anfang nächster Woche eingereicht.

6

Der Einspruch wurde mit Bescheid vom 30. Juli 2010 zurückgewiesen. Der Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO sei --so das FA-- erfüllt. Umstände, die es rechtfertigten, von der Festsetzung eines Verzögerungsgelds abzusehen, lägen nicht vor. Da zwischen der ersten und der letzten Aufforderung ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten gelegen habe, seien auch die geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Unterlagen aus Großbritannien sehr großzügig beachtet worden; zudem habe die Klägerin auf die letzte Fristsetzung (vom 12. Mai 2010) nicht reagiert. Im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds wiederholt die Einspruchsentscheidung zum einen die Erläuterungen des Bescheids vom 31. Mai 2010 (Dauer der Fristüberschreitung; Beeinträchtigung des Prüfungsabschlusses; s.o.); zum anderen führt die Einspruchsentscheidung aus, dass das Verzögerungsgeld für zwei Pflichtverletzungen (kein Nachweis der Rückstellung "management creativ" sowie der Kosten für (die) "Management Fee") jeweils in Höhe des vorgeschriebenen Mindestbetrags (2.500 €) festgesetzt worden sei. Schließlich sei auch der Vollzug des Festsetzungsbescheids nicht entsprechend der Regelung des § 335 AO einzustellen. Die Vorschrift sei auf das Verzögerungsgeld, bei der es sich um eine eigenständige steuerliche Nebenleistung handle, nicht anwendbar. Im Übrigen seien die geforderten Nachweise auch im Verlauf des Einspruchsverfahrens nicht erbracht worden.

7

Mit der Klage wurde u.a. geltend gemacht, dass die Vertragsunterlagen in London bzw. Amerika zusammengetragen worden und die Unterlagen für die Management Fee nicht auffindbar gewesen seien. Zudem sei die beauftragte Buchhalterin aufgrund der Erkrankung ihres Ehemanns aus einem Urlaub "über den Jahreswechsel" nicht zurückgekehrt. Hinzu komme, dass das FA unmittelbar nach der Festsetzung des Verzögerungsgelds den Prüfungsbericht fertiggestellt und die nicht aufgeklärten Sachverhalte zu Lasten der Klägerin gewertet habe. Insbesondere hält die Klägerin die Festsetzung des Verzögerungsgelds für zwei Pflichtverletzungen für unverhältnismäßig. Auch sei die Anforderung über den Nachweis der Kosten für die Management Fee unangemessen gewesen, da sich die Gründe für dieses Entgelt aus der --der Prüferin bekannten-- Gesamtkonstruktion (Gründung einer deutschen Gesellschaft unter Rückgriff auf Erfahrungen und Beratungsleistungen aus Großbritannien) ergeben hätten.

8

Die Vorinstanz hat der Klage stattgeben (vgl. Finanzgericht --FG-- Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Januar 2012  12 K 12205/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 898). Dabei hat das FG offengelassen, ob bereits deshalb von einem Ermessensfehlgebrauch ausgegangen werden müsse, weil das FA auf die Gründe der Säumnis und damit auf Verschuldensaspekte nicht eingegangen sei. Jedenfalls sei ein Ermessensfehler darin zu sehen, dass nicht für sämtliche Pflichtverstöße ein einheitliches Verzögerungsgeld festgesetzt worden sei. Gegen den vom FA beschrittenen Weg --Bemessung des Verzögerungsgelds durch Multiplikation der Pflichtverstöße mit dem Mindestbetrag (2.500 €)-- spreche nicht nur der Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO, sondern auch, dass die Vorgehensweise des FA zu unverhältnismäßigen und willkürlichen Festsetzungen führen könne. Letzteres zeige sich auch im Streitfall, da die Klägerin gegen drei Vorlage- und Auskunftspflichten verstoßen, das FA der Bemessung des Verzögerungsgelds aber nur zwei Pflichtverstöße zugrunde gelegt habe; umgekehrt sei --wenn man zwischen den angeforderten Darlehens- und Managementverträgen unterscheide-- auch die Annahme von vier Verstößen denkbar gewesen.

9

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA, dass die Festsetzung von Verzögerungsgeldern nach der Anzahl der Pflichtverstöße mit dem Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO vereinbar sei und der Ansicht der Finanzverwaltung entspreche. Auch liege hierin --entgegen der Auffassung der Vorinstanz-- kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die Festsetzung eines Verzögerungsgelds auf "wesentliche Fälle" zu beschränken sei und im Hinblick auf die Höhe des festzusetzenden Betrags nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. April 2010 (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 676) unter anderem die Dauer der Fristüberschreitung, die Gründe der Pflichtverletzung, die Häufigkeit der Verzögerung oder Verweigerung sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Betriebsprüfung zu berücksichtigen seien. Im Streitfall habe das FA sein Entschließungsermessen zutreffend ausgeübt; insbesondere habe es --abweichend von den Ausführungen der Vorinstanz-- erläutert, weshalb die geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Beschaffung der angeforderten Unterlagen die Pflichtverletzungen der Klägerin nicht entschuldigt hätten. Zudem habe die Klägerin noch im April 2010 mitgeteilt, dass die Unterlagen nunmehr vorlägen und übersandt würden. Auf den Ausfall der Buchhalterin habe das FA nicht eingehen können, da dieser Umstand erstmals im Klageverfahren vorgetragen worden sei; hiervon abgesehen könne er die Nichtvorlage der Unterlagen über Monate hinweg nicht rechtfertigen. Ebenso sei es nicht zu beanstanden, dass das FA beide Verzögerungsgelder --ausgehend von den Erwägungen im Rahmen des Entschließungsermessens-- nach dem gesetzlichen Mindestbetrag bemessen habe. Es liege somit keine bloße Vervielfältigung dieses Betrags vor.

10

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

11

Die Klägerin hat im Revisionsverfahren keine Stellungnahme abgegeben.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtordnung --FGO--).

13

1. Nach § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt. Die Vorschrift wurde durch Art. 10 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74) --JStG 2009-- mit Wirkung vom 25. Dezember 2008 (Art. 39 Abs. 1 und Abs. 8 JStG 2009) als neue steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 AO) eingeführt. Sie steht zwar im Zusammenhang mit der ebenfalls durch das JStG 2009 geschaffenen Regelung in § 146 Abs. 2a AO, nach welcher das FA dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen bewilligen kann, seine Buchführung in das Ausland zu verlagern, und will für den Fall, dass die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht oder nicht mehr gegeben sind, die zeitnahe Rückführung der Buchführung flankieren (vgl. § 146 Abs. 2a Satz 3 i.V.m. Abs. 2b AO). Gleichwohl ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt, dass ein Verzögerungsgeld im Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift sowie der Intention des Gesetzgebers (BTDrucks 16/10189, S. 81: "Vermeidung von Ungleichbehandlungen") auch dann festgesetzt werden kann, wenn der Steuerpflichtige seine Bücher und Aufzeichnungen im Inland führt und aufbewahrt, er jedoch der ihm im Rahmen einer Außenprüfung obliegenden Mitwirkungspflicht zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage von Unterlagen (§ 200 Abs. 1 AO) innerhalb angemessener Frist nicht nachkommt (BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855; vom 28. Juni 2011 X B 37/11, BFH/NV 2011, 1833, jeweils m.w.N.).

14

2. Der BFH hat es zwar in dem Aussetzungsbeschluss in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855 als i.S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO ernstlich zweifelhaft angesehen, ob im Hinblick auf die fortdauernde Nichtvorlage derselben Unterlagen ein Verzögerungsgeld mehrfach festgesetzt werden kann (vgl. nunmehr auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011, Referat IV A 4, zu Frage 18; abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Weitere_Steuerthemen/Betriebspruefung/001_a1.html, Suchwort: Verzögerungsgeld; a.A. Hopp/Bruns, DStR 2012, 1485). Über die hiervon zu unterscheidende und gleichfalls umstrittene Frage, ob im Falle der Verletzung mehrerer Mitwirkungspflichten für jeden Pflichtverstoß jeweils ein gesondertes Verzögerungsgeld --z.B. in Höhe des Mindestbetrags von 2.500 €-- ausgesprochen werden kann, hat der BFH hingegen noch nicht entschieden. Die Ansichten hierzu sind geteilt. Während nach Auffassung der Finanzverwaltung jede Pflichtverletzung mit einem gesonderten ("getrennten") Verzögerungsgeld belegt werden kann (vgl. BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., zu Frage 17), wird in der Rechtsprechung der FG eine Vervielfältigung des Mindestsatzes (2.500 €) entsprechend der Anzahl der Pflichtverstöße ohne deren eigenständige Gewichtung als ernstlich zweifelhaft angesehen (Beschluss des Hessischen FG vom 8. August 2011  8 V 1281/11, EFG 2011, 1949; Beschluss des FG Hamburg vom 16. November 2011  2 V 173/11, EFG 2012, 382). Dem wird im Schrifttum teilweise zugestimmt (z.B. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 51b); andere vertreten hingegen die Ansicht, dass zwar das Verzögerungsgeld für jede (einzelne) Verletzung der Mitwirkungspflicht ausgesprochen werden könne, jedoch die Aufforderung zur Vorlage mehrerer Urkunden in einem Schriftstück als nur ein Mitwirkungsverlangen zu werten sei und dessen Verletzung nur mit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds sanktioniert werden dürfe (Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 146 Rz 36).

15

3. Das anhängige Verfahren gibt dem Senat keine Gelegenheit, zu diesem Meinungsstreit abschließend Stellung zu nehmen. Insbesondere hat der Senat nicht darauf einzugehen, ob dann, wenn beispielsweise im Rahmen einer Außenprüfung die Mitwirkungsverlangen zu verschiedenen Prüfungsfeldern ergehen und der Steuerpflichtige diesen nicht entspricht, das FA befugt ist, für die die jeweiligen (einzelnen) Prüfungsfelder betreffenden Verstöße ein gesondertes Verzögerungsgeld auszusprechen, oder ob es hierzu weiterer Voraussetzungen --wie z.B. der zeitlichen Staffelung der Mitwirkungsaufforderungen-- bedarf. Im Streitfall kommt es hierauf nicht an, da selbst dann, wenn man im Falle des Verstoßes gegen mehrere Mitwirkungspflichten die gleichzeitige Festsetzung je eines Verzögerungsgelds für grundsätzlich zulässig erachten würde, der angefochtene Bescheid --wie vom FG im Ergebnis zu Recht erkannt-- aufzuheben wäre.

16

a) Die Festsetzung des Verzögerungsgelds erfordert nach § 146 Abs. 2b AO neben den zwingenden tatbestandlichen Voraussetzungen (z.B. Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht gemäß § 200 Abs. 1 AO) eine zweifache Ermessensentscheidung der Behörde, nämlich erstens im Hinblick darauf, ob im jeweiligen Einzelfall ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird (sog. Entschließungsermessen), sowie zweitens --falls das Entschließungsermessen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeübt wird-- eine Entscheidung über die Höhe der Sanktion innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens von mindestens 2.500 € bis höchstens 250.000 € (sog. Auswahlermessen; vgl. insgesamt BFH-Beschlüsse in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855; in BFH/NV 2011, 1833). Diese zweistufige Ermessensprüfung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers: Während der Gesetzentwurf der Bundesregierung --zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. dazu nachfolgend zu II.3.a bb) --einen behördlichen Ermessensspielraum nur im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds eröffnen wollte (vgl. BTDrucks 16/10189, S. 26, 81), ist der letzte Halbsatz des § 146 Abs. 2b AO-- auf Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestags (BTDrucks 16/11055, S. 81) mit dem ausdrücklichen Ziel geändert worden ("kann... festgesetzt werden"), ein "Entschließungsermessen einzufügen" (BTDrucks 16/11108, S. 47).

17

aa) Der Ermessenscharakter des § 146 Abs. 2b AO hat allgemein zur Folge, dass die Finanzgerichte die Festsetzung des Verzögerungsgelds nur eingeschränkt überprüfen können. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung gegeben und hat das FA den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt sowie seine Entscheidung hinreichend begründet (§ 121 AO, ggf. i.V.m. § 126 AO; vgl. auch § 102 Satz 2 FGO), ist der gerichtlichen Kontrolle die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) zugrunde zu legen. Des Weiteren ist die Prüfung nach § 102 Satz 1 FGO darauf beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob das FA von seinem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihm zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung) oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz missachtet hat (vgl. zu allem Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 102 FGO Rz 61 ff., Rz 86 ff., Rz 94 ff., jeweils mit umfangreichen Nachweisen).

18

bb) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach dem das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht nur erforderlich und geeignet, sondern hierzu auch in einem angemessenen, d.h. für den Betroffenen zumutbaren Verhältnis stehen muss (vgl. Wernsmann in HHSp, § 5 AO Rz 169), genießt Verfassungsrang und ist deshalb stets auch bei der Auslegung und Anwendung von Normen des einfachen Rechts --mithin auch bei der Ermessensausübung durch die Finanzämter-- zu beachten (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 1976  2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101, 106). Hiermit übereinstimmend hat auch der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des § 146 Abs. 2b AO als Ermessensvorschrift eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende Handhabung der Vorschrift durch die Finanzbehörden "gewährleisten" wollen (BTDrucks 16/10189, S. 81).

19

aaa) Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass das FA die Höhe des Verzögerungsgelds, dessen Zweck nach herrschender Meinung nicht nur darin zu sehen ist, den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anzuhalten (BTDrucks 16/10189, S. 81), sondern auch die Verletzung der Mitwirkungspflichten zu sanktionieren (vgl. z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 25, m.w.N.; kritisch Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz 48), insbesondere an der Dauer der Fristüberschreitung, den Gründen und dem Ausmaß der Pflichtverletzung/en sowie der Beeinträchtigung der Außenprüfung auszurichten hat (vgl. auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O.).

20

bbb) Da aber das Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € festzusetzen ist und es sich hierbei nicht um einen Bagatellbetrag handelt, müssen die nämlichen Merkmale auch bei der Ausübung des sog. Entschließungsermessens, d.h. bei der Entscheidung der Finanzbehörden darüber zum Tragen kommen, ob gegenüber dem Steuerpflichtigen ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird. Maßstab auch dieser Ermessensentscheidung des FA sowie nachvollziehbarer Gegenstand ihrer Begründung (§ 121 AO) muss deshalb sein, ob die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe der Sanktionsmindestgrenze (2.500 €) mit Rücksicht auf die Umstände der zu beurteilenden Pflichtverletzung/en sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Prüfung angemessen ist. Demnach ist es ausgeschlossen, im Rahmen des Entschließungsermessens von einer Vorprägung auszugehen, wonach jede Verletzung der Mitwirkungspflichten (§ 200 Abs. 1 AO) --unabhängig davon, ob den Steuerpflichtigen ein Schuldvorwurf trifft-- grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds führt; erforderlich ist vielmehr auch insoweit eine an der Sanktionsuntergrenze (2.500 €) auszurichtende Würdigung des Einzelfalls. Nur diese Beurteilung stellt sicher, dass die Festsetzung des Verzögerungsgelds durchgängig den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entspricht (überwiegende Meinung; z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 30; Kuhfus in: Kühn/v.Wedelstädt, 20. Aufl., AO, § 146 AO Rz 14g; Dißars in Schwarz, AO, § 146 Rz 49; Göttker in juris Lexikon Steuerrecht, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO, Rz 16 ff.; Drüen, Die Unternehmensbesteuerung 2011, 83, 87 f.; Hopp/Bruns, DStR 2012, 1485, 1487; FG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 3. Februar 2010  3 V 243/09, EFG 2010, 686; FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2012  3 V 3006/12, EFG 2012, 1225; a.A. insoweit BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., zu Frage 6; Gebbers, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 2009, 162, 167; derselbe, StBp 2009, 196; Geißler, Neue Wirtschafts-Briefe 2009, 4076, 4080).

21

ccc) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert damit zugleich, dass der Gegenstand des Entschließungsermessens mit demjenigen des Auswahlermessens übereinstimmt. Er ist demnach verletzt, wenn die Entscheidung, ob es überhaupt angemessen ist, ein Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € auszusprechen (Entschließungsermessen), aus der Summe (d.h. dem Bündel) der Pflichtverletzungen abgeleitet wird, bei der hieran anschließenden Ermessenentscheidung dazu, ob es --im nämlichen Fall-- angemessen und zumutbar ist, den Mindestsatz zu überschreiten (Auswahlermessen), das FA hingegen auf die einzelne Pflichtverletzung abstellt und diese jeweils --ohne weitere die Gesamtheit der Verstöße betreffende Erwägungen-- in Höhe von 2.500 € (Mindestsatz) sanktioniert. Letzteres kann zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Gebots der Verhältnismäßigkeit nur dann in Betracht kommen, wenn das FA im Rahmen der Ausübung seines Entschließungsermessens zu dem nachvollziehbaren und begründeten Ergebnis gekommen ist, dass jede einzelne der in Frage stehenden Mitwirkungspflichten --für sich genommen-- die Belastung des Steuerpflichtigen mit einem Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € rechtfertigt.

22

b) Demnach kann im Streitfall die Festsetzung des Verzögerungsgelds gegenüber der Klägerin keinen Bestand haben. Dabei kann unentschieden bleiben, ob --was dem Senat naheliegend erscheint-- der Bescheid vom 31. Mai 2010 (in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2010) auf die Festsetzung nur eines Verzögerungsgelds gerichtet ist, dessen Höhe (5.000 €) aus der Verdoppelung des Mindestsatzes abgeleitet wurde (Variante 1), oder ob die Einspruchsentscheidung dahin zu verstehen sein könnte, dass gegenüber der Klägerin in zusammengefasster Form sowohl für die Nichtvorlage der Nachweise zur Rückstellung "management creativ" als auch angesichts der fehlenden Erläuterungen und Nachweise bezüglich der "Management Fee" jeweils ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € ausgesprochen worden ist (Variante 2).

23

Der von der Klägerin angefochtene Bescheid ist ungeachtet dieses Auslegungsspielraums zum einen bereits deshalb ermessensfehlerhaft, weil das FA der Ausübung seines Entschließungsermessens (Entscheidung über die Festsetzung eines Verzögerungsgelds) die Nichtvorlage der angeforderten prüfungsrelevanten Unterlagen und Erläuterungen und damit eine zusammenfassende Würdigung aller Pflichtverletzungen der Klägerin zugrunde gelegt hat, und es hiernach gemäß den vorstehenden Erläuterungen ausgeschlossen ist, diesen Beurteilungsgegenstand im Rahmen des Auswahlermessens aufzulösen, d.h. für jede einzelne Verletzung der Mitwirkungspflichten ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € anzusetzen (Auslegungsvariante 1) oder festzusetzen (Auslegungsvariante 2). Zum anderen kann der Bescheid auch deshalb keinen Bestand haben, weil auch Ermessensentscheidungen zu begründen sind (§ 121 AO; Lange in HHSp, § 102 FGO Rz 89) und sich weder der Einspruchsentscheidung noch dem Bescheid vom 31. Mai 2010 mit der gebotenen Sicherheit entnehmen lässt, dass das FA sein Entschließungsermessen über die Festsetzung des Verzögerungsgelds mit Rücksicht auf die Sanktionsuntergrenze von 2.500 € ausgeübt hat. Vielmehr legt die Einspruchsentscheidung die Vermutung nahe, dass die Behörde --im Einklang mit der Verwaltungspraxis (vgl. BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., dort zu Frage 6)-- von einer verschuldensunabhängigen Vorprägung ihrer Ermessensbefugnis in dem Sinne ausgegangen ist, dass die Verletzung der Mitwirkungsverpflichtungen grundsätzlich die Sanktion des Verzögerungsgelds trage. Ein solches Verständnis ist jedoch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar.

24

4. Da die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt ist, die Ermessensentscheidung des FA in den aufgezeigten Grenzen zu überprüfen und dem Senat hiernach auch nicht die Befugnis zusteht, sein eigenes Ermessen an die Stelle der Verwaltungsbehörde zu setzen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460; vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, jeweils m.w.N.), war der angefochtene Bescheid ungeachtet dessen aufzuheben, ob im Rahmen einer fehlerfreien Ermessensausübung die Festsetzung eines Verzögerungsgelds --sei es in Höhe von 5.000 €, sei es mit einem geringeren Betrag-- hätte gerechtfertigt sein können.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein im Jahre 2004 geborenes Kind, begehrt eine Entschädigung im Hinblick auf die Dauer des von ihm beim Verwaltungsgericht Greifswald betriebenen Verfahrens 5 A 2080/08.

2

Dieses Ausgangsverfahren hat der Kläger am 21.12.2008 anhängig gemacht mit dem Ziel, dass ihm für die beiden Monate August und September 2008 eine ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach § 4 Abs. 3 KiföG M-V in der damals geltenden Fassung zu gewähren sei. Im Hinblick auf den Gegenstandswert gab der Kläger an, dass sich für die streitigen Monate zusammen ein Betrag in Höhe von 195,32 Euro errechne. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens erwiderte auf die Klage mit Schriftsatz vom 19.01.2009 und teilte durch Schriftsatz vom 30.01.2009 mit, er sei an einer zügigen Entscheidung der dem Streit zugrunde liegenden Rechtsfrage interessiert. Bis April 2009 wurden unter den Beteiligten weitere Schriftsätze ausgetauscht. Der Streit betraf im Kern die Frage, ob dem Kläger nach der Geburt seiner Schwester am 12.07.2008 ab August 2008 nur noch Förderung für eine Teilzeitbetreuung in einer Kindertagesstätte zustand. Im Schriftsatz vom 24.04.2009 bat der Kläger um eine möglichst baldige Entscheidung und wies darauf hin, dass ihm eine größere Zahl von Fällen bekannt sei, in denen der Beklagte so wie hier verfahre, nachdem dies bis vor einigen Jahren noch anders gewesen sei. Durch Verfügung vom 31.08.2011 machte das Gericht die Beteiligten auf verschiedene rechtliche Aspekte aufmerksam, worauf der Kläger mit Schriftsatz vom 17.09.2011 Stellung nahm. Mit Verfügung vom 29.09.2011 erkundigte sich das Gericht beim Kläger, ob dessen mit Schriftsatz vom 19.01.2009 erklärter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung Bestand habe, was der Kläger mit Schriftsatz vom 05.11.2011 verneinte. In der sodann auf den 08.12.2011 anberaumten mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter erhob der Kläger zunächst Verzögerungsrüge. Sodann wurde der Rechtsstreit durch Vergleich beendet. Dessen wesentlicher Inhalt bestand darin, dass die Beteiligten sich in dem Sinne einigten, dass der Kläger für den Monat August 2008 noch einen Anspruch auf Ganztagsförderung gehabt habe; der Differenzbetrag sei vom Beklagten gegenüber der Kindertageseinrichtung abzurechnen.

3

Die vorliegende Entschädigungsklage hat der Kläger am 04.06.2012 erhoben.

4

Er ist der Auffassung, die Sache hätte spätestens bis Ende Oktober 2009 terminiert sein müssen, sei also um mehr als zwei Jahre verzögert gewesen. Zu dem Vergleich im Ausgangsverfahren sei es gekommen, nachdem kurz vor dem Gerichtstermin in einer Verwaltungsrichtlinie klargestellt worden sei, dass der Ganztagsanspruch für die Dauer des Beschäftigungsverbots nach § 6 MuSchG fortbestehe.

5

Der Kläger beantragt,

6

den Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung an den Kläger zu verurteilen,

7

hilfsweise festzustellen, dass das Verfahren 5 A 2080/08 unangemessen lange gedauert habe.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er ist der Auffassung, das Verfahren habe nach den Umständen des Falles nicht unangemessen lange gedauert. Die Verfahrensrüge in der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2011 habe keine Warnfunktion mehr entfalten können, da das Gericht zu dieser Zeit keine weiteren Möglichkeiten für eine Verfahrensbeschleunigung gehabt habe.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Ausgangsverfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Die nach §§ 173 VwGO, 201 GVG zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf eine Entschädigung noch auf die Feststellung, dass das Verfahren 5 A 2080/08 unangemessen lange gedauert hat.

13

Für die Beurteilung der Rechtslage ist auszugehen von der gemäß § 173 VwGO für verwaltungsgerichtliche Verfahren entsprechend geltenden Regelung des § 198 Abs. 1 GVG. Nach dessen Satz 1 wird angemessen entschädigt, wer als Verfahrensbeteiligter infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Auch die vom Kläger hilfsweise begehrte Feststellung setzt voraus, dass die Verfahrensdauer unangemessen war (vgl. § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG).

14

Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer kommt es insbesondere auf die Natur der Sache und die Schwierigkeit der Materie sowie die Bedeutung der Sache und die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Parteien und das ihnen zuzurechnende Verhalten an. Allgemeingültige Zeitvorgaben in dem Sinne, dass beispielsweise eine Verfahrensdauer von drei oder fünf Jahren stets als unangemessen zu bewerten wäre, ergeben sich aus dem Gesetz bzw. der diesem Gesetz zugrundeliegenden Rechtsprechung nicht (vgl. BVerfG, Beschl. vom 23.05.2012 - 1 BvR 359/09 -, m.w.N.; OVG Magdeburg, Urt. vom 25.07.2012 - 7 KE 1/11 -, m.w.N.). Auch auf durchschnittliche Verfahrenslaufzeiten ist nicht entscheidungserheblich abzustellen, da dabei die gebotene Einzelfallbetrachtung unberücksichtigt bleiben würde (OVG Schleswig, Urt. vom 08.04.2013 - 18 SchH 3/13 -, Rdn. 14, m.w.N., zit. nach juris).

15

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass die Dauer des beanstandeten Verfahrens noch als angemessen zu bewerten ist. Es war von der Erhebung der Klage am 21.12.2008 bis zu seiner Beendigung durch den in der mündlichen Verhandlung am 08.12.2011 geschlossenen Vergleich knapp drei Jahre beim Verwaltungsgericht anhängig. In der Zeit von Ende April 2009 bis Ende August 2011, das heißt also für etwa zwei Jahre und vier Monate, ist eine Förderung/Bearbeitung der Sache seitens des Gerichts nach der Aktenlage nicht erkennbar, sieht man von „Schiebeverfügungen“ ab, durch die jeweils die Wiedervorlage der Akte nach Ablauf bestimmter Fristen (hier meist drei oder vier Monate) veranlasst worden ist. Allerdings haben in dem besagten Zeitraum auch die Verfahrensbeteiligten keine erkennbaren Aktivitäten entwickelt, insbesondere hat keine Seite auf eine Beschleunigung des Verfahrens hingewirkt oder auch nur nach dem Sachstand gefragt. Insofern ähnelt die vorliegende Sache dem Fall, der der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27.03.2012 – OVG 3 A 1.12 – zugrunde gelegen hat. In dem dazu gehörigen Ausgangsverfahren richtete sich die im Juni 2003 erhobene Klage gegen die Rückforderung einer Ausbildungsförderung in Höhe von etwa 17.000,00 Euro. Das Entschädigungsgericht hat die Dauer des Ausgangsverfahrens bis einschließlich September 2006 noch als angemessen erachtet, obwohl sich ab Mitte 2004 „in der Gerichtsakte ausschließlich Wiedervorlagefristen“ befunden hätten.

16

Im vorliegenden Verfahren geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass das Ausgangsverfahren keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufgewiesen hat. Der Rechtsstreit betraf – wie erwähnt – im Kern die Frage, ob dem Kläger nach der Geburt seiner Schwester – wie der Beklagte des Ausgangsverfahrens meinte – nur noch Förderung für eine Teilzeitbetreuung in einer Kindertagesstätte zustand oder ob dem Kläger – wie er meinte – für die beiden Monate August und September 2008 eine ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach § 4 Abs. 3 KiföG M-V in der damals geltenden Fassung zu gewähren gewesen wäre. Die Bewertung der Sache durch den Senat deckt sich jedenfalls im Ergebnis ersichtlich mit der der für das Ausgangsverfahren zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts. Diese hat den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder nach § 6 Abs. 1 VwGO als Einzelrichter übertragen, was im Gesetz nur vorgesehen ist, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine hiervon abweichende Meinung haben weder die Beteiligten des vorliegenden Entschädigungsverfahrens noch die des Ausgangsverfahrens geäußert. Ausdrücklich hat der Kläger in der Klageschrift vom 01.06.2012 ausgeführt, dass die in dem Ausgangsverfahren zu klärenden Rechtsfragen „nicht von ausgesprochen schwieriger Gestalt“ gewesen seien, der Sachverhalt sei „unstreitig und mit der Klageerhebung geklärt“ gewesen. Auf der anderen Seite lässt sich aber nicht feststellen, dass die sich im Ausgangsverfahren stellenden Fragen völlig unproblematisch gewesen wären. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die gerichtlichen Hinweise vom 06.03.2009 und vom 31.08.2011 zu erwähnen, in denen es nicht nur um die von den Verfahrensbeteiligten aufgeworfenen Fragen ging, sondern auch darum, ob Ansprüche nach § 3 KiföG M-V dem Kind oder den Eltern zustehen und ob im Ausgangsverfahren bereits vor Klageerhebung Erledigung der Hauptsache eingetreten war.

17

Ob das Ausgangsverfahren grundsätzliche Bedeutung hatte, lässt sich nicht ohne Weiteres feststellen, kann aber letztlich zugunsten des Klägers angenommen werden.

18

Das Verwaltungsgericht war wohl der Auffassung, die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung gehabt; denn sonst hätte es nicht zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter kommen dürfen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Der Kläger hat sich im Ausgangsverfahren zu dieser Frage uneinheitlich verhalten. Das Verwaltungsgericht hatte ihn mit Verfügung vom 29.12.2008 darauf hingewiesen, dass die Kammer den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen solle „wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.“ Unter Bezugnahme auf diese Anfrage hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19.01.2009 („2008“ dürfte ein Schreibfehler sein) erklärt, der Rechtsstreit könne „durch den Berichterstatter anstelle der Kammer durchgeführt werden.“ Allerdings hat der Kläger im Schriftsatz vom 24.04.2009 ausgeführt, dass „wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache“ eine „Entscheidung der Kammer“ angezeigt sein dürfte; ihm sei „eine größere Zahl von Fällen bekannt, in denen der Beklagte genau wie hier“ verfahre. In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 08.12.2011 hat der Kläger sich allerdings auf einen Vergleich eingelassen. Dessen wesentlicher Inhalt bestand – wie erwähnt – darin, dass die Beteiligten sich in dem Sinne einigten, dass der Kläger für den Monat August 2008 noch einen Anspruch auf Ganztagsförderung gehabt habe. Die gerichtliche Klärung der Rechtslage ist durch den Vergleich unmöglich geworden.

19

Auch der Beklagte des Ausgangsverfahrens hat sich mit der Entscheidung der Sache durch den Berichterstatter einverstanden erklärt (vgl. Schriftsatz vom 30.01.2009) und damit schlüssig zum Ausdruck gebracht, dass er keine grundsätzliche Bedeutung der Sache annehme, hat aber – ohne nähere Begründung – mit Schriftsatz vom 30.01.2009 mitgeteilt, er sei an einer zügigen Entscheidung der zugrunde liegenden Rechtsfrage interessiert.

20

Die finanzielle Bedeutung der Sache für den Kläger war äußerst gering. Es wurde – wie schon erwähnt – um einen Betrag von 195,92 Euro gestritten. Dass der Kläger (bzw. dessen Eltern) nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen auf diesen Betrag angewiesen gewesen wäre, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Mehr als finanzielle Bedeutung hatte das Verfahren von Anfang an für die Klägerseite nicht. Insbesondere ging es nicht darum, ob die Mutter des Klägers in ihrer Mutterschutzzeit den Kläger halbtags zu betreuen hätte; denn dieser Zeitraum war vor Erhebung der Klage bereits verstrichen.

21

Zusammenfassend ist der Hauptgrund dafür, die Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens hier noch als angemessen zu bewerten, dass es lediglich um einen denkbar geringen Betrag gegangen ist. Hinzu kommt, dass die Verfahrensbeteiligten in der Zeit, als das Gericht die Sache nicht gefördert hat, sich ebenfalls vollkommen passiv verhalten haben. Demgegenüber wiegt die – unterstellte – grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht besonders schwer, weil die Beteiligten – wie dargestellt – diesem Umstand selbst offenbar keine besondere Bedeutung beigemessen haben. Auch der beschriebene Schwierigkeitsgrad der Sache führt nicht zu einer für den Kläger günstigeren Beurteilung der Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO, 711 ZPO.

23

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht ersichtlich.

(1) Ein schriftlicher, elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist.

(2) Einer Begründung bedarf es nicht,

1.
soweit die Finanzbehörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift,
2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Finanzbehörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist,
3.
wenn die Finanzbehörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist,
4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt,
5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.

(1) Der Steuerpflichtige hat bei der Feststellung der Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich sein können, mitzuwirken. Er hat insbesondere Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben und die Finanzbehörde bei Ausübung ihrer Befugnisse nach § 147 Abs. 6 zu unterstützen. Sind der Steuerpflichtige oder die von ihm benannten Personen nicht in der Lage, Auskünfte zu erteilen, oder sind die Auskünfte zur Klärung des Sachverhalts unzureichend oder versprechen Auskünfte des Steuerpflichtigen keinen Erfolg, so kann der Außenprüfer auch andere Betriebsangehörige um Auskunft ersuchen. § 93 Absatz 2 Satz 2 gilt nicht.

(2) Die in Absatz 1 genannten Unterlagen hat der Steuerpflichtige in seinen Geschäftsräumen oder, soweit ein zur Durchführung der Außenprüfung geeigneter Geschäftsraum nicht vorhanden ist, in seinen Wohnräumen oder an Amtsstelle vorzulegen. Sind mobile Endgeräte der Außenprüfer unter Berücksichtigung des Stands der Technik gegen unbefugten Zugriff gesichert, gilt die ortsunabhängige Tätigkeit als an Amtsstelle ausgeübt. Ein zur Durchführung der Außenprüfung geeigneter Raum oder Arbeitsplatz sowie die erforderlichen Hilfsmittel sind unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. § 147 Absatz 6 und 7 bleibt unberührt.

(3) Die Außenprüfung findet während der üblichen Geschäfts- oder Arbeitszeit statt. Die Prüfer sind berechtigt, Grundstücke und Betriebsräume zu betreten und zu besichtigen. Bei der Betriebsbesichtigung soll der Betriebsinhaber oder sein Beauftragter hinzugezogen werden.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein im Jahre 2004 geborenes Kind, begehrt eine Entschädigung im Hinblick auf die Dauer des von ihm beim Verwaltungsgericht Greifswald betriebenen Verfahrens 5 A 2080/08.

2

Dieses Ausgangsverfahren hat der Kläger am 21.12.2008 anhängig gemacht mit dem Ziel, dass ihm für die beiden Monate August und September 2008 eine ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach § 4 Abs. 3 KiföG M-V in der damals geltenden Fassung zu gewähren sei. Im Hinblick auf den Gegenstandswert gab der Kläger an, dass sich für die streitigen Monate zusammen ein Betrag in Höhe von 195,32 Euro errechne. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens erwiderte auf die Klage mit Schriftsatz vom 19.01.2009 und teilte durch Schriftsatz vom 30.01.2009 mit, er sei an einer zügigen Entscheidung der dem Streit zugrunde liegenden Rechtsfrage interessiert. Bis April 2009 wurden unter den Beteiligten weitere Schriftsätze ausgetauscht. Der Streit betraf im Kern die Frage, ob dem Kläger nach der Geburt seiner Schwester am 12.07.2008 ab August 2008 nur noch Förderung für eine Teilzeitbetreuung in einer Kindertagesstätte zustand. Im Schriftsatz vom 24.04.2009 bat der Kläger um eine möglichst baldige Entscheidung und wies darauf hin, dass ihm eine größere Zahl von Fällen bekannt sei, in denen der Beklagte so wie hier verfahre, nachdem dies bis vor einigen Jahren noch anders gewesen sei. Durch Verfügung vom 31.08.2011 machte das Gericht die Beteiligten auf verschiedene rechtliche Aspekte aufmerksam, worauf der Kläger mit Schriftsatz vom 17.09.2011 Stellung nahm. Mit Verfügung vom 29.09.2011 erkundigte sich das Gericht beim Kläger, ob dessen mit Schriftsatz vom 19.01.2009 erklärter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung Bestand habe, was der Kläger mit Schriftsatz vom 05.11.2011 verneinte. In der sodann auf den 08.12.2011 anberaumten mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter erhob der Kläger zunächst Verzögerungsrüge. Sodann wurde der Rechtsstreit durch Vergleich beendet. Dessen wesentlicher Inhalt bestand darin, dass die Beteiligten sich in dem Sinne einigten, dass der Kläger für den Monat August 2008 noch einen Anspruch auf Ganztagsförderung gehabt habe; der Differenzbetrag sei vom Beklagten gegenüber der Kindertageseinrichtung abzurechnen.

3

Die vorliegende Entschädigungsklage hat der Kläger am 04.06.2012 erhoben.

4

Er ist der Auffassung, die Sache hätte spätestens bis Ende Oktober 2009 terminiert sein müssen, sei also um mehr als zwei Jahre verzögert gewesen. Zu dem Vergleich im Ausgangsverfahren sei es gekommen, nachdem kurz vor dem Gerichtstermin in einer Verwaltungsrichtlinie klargestellt worden sei, dass der Ganztagsanspruch für die Dauer des Beschäftigungsverbots nach § 6 MuSchG fortbestehe.

5

Der Kläger beantragt,

6

den Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung an den Kläger zu verurteilen,

7

hilfsweise festzustellen, dass das Verfahren 5 A 2080/08 unangemessen lange gedauert habe.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er ist der Auffassung, das Verfahren habe nach den Umständen des Falles nicht unangemessen lange gedauert. Die Verfahrensrüge in der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2011 habe keine Warnfunktion mehr entfalten können, da das Gericht zu dieser Zeit keine weiteren Möglichkeiten für eine Verfahrensbeschleunigung gehabt habe.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Ausgangsverfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Die nach §§ 173 VwGO, 201 GVG zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf eine Entschädigung noch auf die Feststellung, dass das Verfahren 5 A 2080/08 unangemessen lange gedauert hat.

13

Für die Beurteilung der Rechtslage ist auszugehen von der gemäß § 173 VwGO für verwaltungsgerichtliche Verfahren entsprechend geltenden Regelung des § 198 Abs. 1 GVG. Nach dessen Satz 1 wird angemessen entschädigt, wer als Verfahrensbeteiligter infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Auch die vom Kläger hilfsweise begehrte Feststellung setzt voraus, dass die Verfahrensdauer unangemessen war (vgl. § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG).

14

Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer kommt es insbesondere auf die Natur der Sache und die Schwierigkeit der Materie sowie die Bedeutung der Sache und die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Parteien und das ihnen zuzurechnende Verhalten an. Allgemeingültige Zeitvorgaben in dem Sinne, dass beispielsweise eine Verfahrensdauer von drei oder fünf Jahren stets als unangemessen zu bewerten wäre, ergeben sich aus dem Gesetz bzw. der diesem Gesetz zugrundeliegenden Rechtsprechung nicht (vgl. BVerfG, Beschl. vom 23.05.2012 - 1 BvR 359/09 -, m.w.N.; OVG Magdeburg, Urt. vom 25.07.2012 - 7 KE 1/11 -, m.w.N.). Auch auf durchschnittliche Verfahrenslaufzeiten ist nicht entscheidungserheblich abzustellen, da dabei die gebotene Einzelfallbetrachtung unberücksichtigt bleiben würde (OVG Schleswig, Urt. vom 08.04.2013 - 18 SchH 3/13 -, Rdn. 14, m.w.N., zit. nach juris).

15

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass die Dauer des beanstandeten Verfahrens noch als angemessen zu bewerten ist. Es war von der Erhebung der Klage am 21.12.2008 bis zu seiner Beendigung durch den in der mündlichen Verhandlung am 08.12.2011 geschlossenen Vergleich knapp drei Jahre beim Verwaltungsgericht anhängig. In der Zeit von Ende April 2009 bis Ende August 2011, das heißt also für etwa zwei Jahre und vier Monate, ist eine Förderung/Bearbeitung der Sache seitens des Gerichts nach der Aktenlage nicht erkennbar, sieht man von „Schiebeverfügungen“ ab, durch die jeweils die Wiedervorlage der Akte nach Ablauf bestimmter Fristen (hier meist drei oder vier Monate) veranlasst worden ist. Allerdings haben in dem besagten Zeitraum auch die Verfahrensbeteiligten keine erkennbaren Aktivitäten entwickelt, insbesondere hat keine Seite auf eine Beschleunigung des Verfahrens hingewirkt oder auch nur nach dem Sachstand gefragt. Insofern ähnelt die vorliegende Sache dem Fall, der der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27.03.2012 – OVG 3 A 1.12 – zugrunde gelegen hat. In dem dazu gehörigen Ausgangsverfahren richtete sich die im Juni 2003 erhobene Klage gegen die Rückforderung einer Ausbildungsförderung in Höhe von etwa 17.000,00 Euro. Das Entschädigungsgericht hat die Dauer des Ausgangsverfahrens bis einschließlich September 2006 noch als angemessen erachtet, obwohl sich ab Mitte 2004 „in der Gerichtsakte ausschließlich Wiedervorlagefristen“ befunden hätten.

16

Im vorliegenden Verfahren geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass das Ausgangsverfahren keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufgewiesen hat. Der Rechtsstreit betraf – wie erwähnt – im Kern die Frage, ob dem Kläger nach der Geburt seiner Schwester – wie der Beklagte des Ausgangsverfahrens meinte – nur noch Förderung für eine Teilzeitbetreuung in einer Kindertagesstätte zustand oder ob dem Kläger – wie er meinte – für die beiden Monate August und September 2008 eine ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach § 4 Abs. 3 KiföG M-V in der damals geltenden Fassung zu gewähren gewesen wäre. Die Bewertung der Sache durch den Senat deckt sich jedenfalls im Ergebnis ersichtlich mit der der für das Ausgangsverfahren zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts. Diese hat den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder nach § 6 Abs. 1 VwGO als Einzelrichter übertragen, was im Gesetz nur vorgesehen ist, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine hiervon abweichende Meinung haben weder die Beteiligten des vorliegenden Entschädigungsverfahrens noch die des Ausgangsverfahrens geäußert. Ausdrücklich hat der Kläger in der Klageschrift vom 01.06.2012 ausgeführt, dass die in dem Ausgangsverfahren zu klärenden Rechtsfragen „nicht von ausgesprochen schwieriger Gestalt“ gewesen seien, der Sachverhalt sei „unstreitig und mit der Klageerhebung geklärt“ gewesen. Auf der anderen Seite lässt sich aber nicht feststellen, dass die sich im Ausgangsverfahren stellenden Fragen völlig unproblematisch gewesen wären. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die gerichtlichen Hinweise vom 06.03.2009 und vom 31.08.2011 zu erwähnen, in denen es nicht nur um die von den Verfahrensbeteiligten aufgeworfenen Fragen ging, sondern auch darum, ob Ansprüche nach § 3 KiföG M-V dem Kind oder den Eltern zustehen und ob im Ausgangsverfahren bereits vor Klageerhebung Erledigung der Hauptsache eingetreten war.

17

Ob das Ausgangsverfahren grundsätzliche Bedeutung hatte, lässt sich nicht ohne Weiteres feststellen, kann aber letztlich zugunsten des Klägers angenommen werden.

18

Das Verwaltungsgericht war wohl der Auffassung, die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung gehabt; denn sonst hätte es nicht zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter kommen dürfen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Der Kläger hat sich im Ausgangsverfahren zu dieser Frage uneinheitlich verhalten. Das Verwaltungsgericht hatte ihn mit Verfügung vom 29.12.2008 darauf hingewiesen, dass die Kammer den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen solle „wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.“ Unter Bezugnahme auf diese Anfrage hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19.01.2009 („2008“ dürfte ein Schreibfehler sein) erklärt, der Rechtsstreit könne „durch den Berichterstatter anstelle der Kammer durchgeführt werden.“ Allerdings hat der Kläger im Schriftsatz vom 24.04.2009 ausgeführt, dass „wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache“ eine „Entscheidung der Kammer“ angezeigt sein dürfte; ihm sei „eine größere Zahl von Fällen bekannt, in denen der Beklagte genau wie hier“ verfahre. In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 08.12.2011 hat der Kläger sich allerdings auf einen Vergleich eingelassen. Dessen wesentlicher Inhalt bestand – wie erwähnt – darin, dass die Beteiligten sich in dem Sinne einigten, dass der Kläger für den Monat August 2008 noch einen Anspruch auf Ganztagsförderung gehabt habe. Die gerichtliche Klärung der Rechtslage ist durch den Vergleich unmöglich geworden.

19

Auch der Beklagte des Ausgangsverfahrens hat sich mit der Entscheidung der Sache durch den Berichterstatter einverstanden erklärt (vgl. Schriftsatz vom 30.01.2009) und damit schlüssig zum Ausdruck gebracht, dass er keine grundsätzliche Bedeutung der Sache annehme, hat aber – ohne nähere Begründung – mit Schriftsatz vom 30.01.2009 mitgeteilt, er sei an einer zügigen Entscheidung der zugrunde liegenden Rechtsfrage interessiert.

20

Die finanzielle Bedeutung der Sache für den Kläger war äußerst gering. Es wurde – wie schon erwähnt – um einen Betrag von 195,92 Euro gestritten. Dass der Kläger (bzw. dessen Eltern) nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen auf diesen Betrag angewiesen gewesen wäre, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Mehr als finanzielle Bedeutung hatte das Verfahren von Anfang an für die Klägerseite nicht. Insbesondere ging es nicht darum, ob die Mutter des Klägers in ihrer Mutterschutzzeit den Kläger halbtags zu betreuen hätte; denn dieser Zeitraum war vor Erhebung der Klage bereits verstrichen.

21

Zusammenfassend ist der Hauptgrund dafür, die Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens hier noch als angemessen zu bewerten, dass es lediglich um einen denkbar geringen Betrag gegangen ist. Hinzu kommt, dass die Verfahrensbeteiligten in der Zeit, als das Gericht die Sache nicht gefördert hat, sich ebenfalls vollkommen passiv verhalten haben. Demgegenüber wiegt die – unterstellte – grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht besonders schwer, weil die Beteiligten – wie dargestellt – diesem Umstand selbst offenbar keine besondere Bedeutung beigemessen haben. Auch der beschriebene Schwierigkeitsgrad der Sache führt nicht zu einer für den Kläger günstigeren Beurteilung der Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO, 711 ZPO.

23

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht ersichtlich.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b der Abgabenordnung (AO).

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) führte ab November 2009 bei der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, eine Betriebsprüfung (betreffend die Jahre 2005 bis 2007) durch. Am 24./25. November 2009 forderte die Prüferin die Klägerin erstmals auf, Nachweise über die "sonstigen Rückstellungen (management creativ)" sowie die Verträge zwischen der Klägerin und der "V-Ltd. (Darlehensvertrag, Managementvertrag o.ä.)" vorzulegen und die "Kosten für die Management Fee" zu erläutern. Anlässlich einer Betriebsbesichtigung (1. Dezember 2009) wurde der Prüferin erläutert, dass die angeforderten Unterlagen einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen übersandt worden seien. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 setzte die Prüferin eine Frist zur Vorlage der Unterlagen bis zum 22. Januar 2010; die Frist wurde mit weiterem Schreiben vom 3. Februar 2010 bis zum 25. Februar 2010 verlängert. Nachdem die Klägerin im Rahmen der Schlussbesprechung (23. März 2010) erneut auf die angeforderten Nachweise hingewiesen worden war, teilte der von der Klägerin bevollmächtigte Steuerberater am 12. April 2010 der Prüferin telefonisch mit, dass die Unterlagen unterwegs seien; am 23. April 2010 gab er an, dass die Unterlagen noch nicht vollständig seien, er sie aber am selben Tage absenden würde. Mit Schreiben vom 12. Mai 2010 forderte das FA die Klägerin erneut auf, die vorgenannten Nachweise und Unterlagen (betreffend Rückstellung "management creativ; Darlehens- und Managementverträge mit der V-Ltd.; Erläuterung der Kosten der Management Fee") bis 25. Mai 2010 einzureichen; zugleich wies das FA darauf hin, dass ein Verzögerungsgeld von mindestens 2.500 € und maximal 250.000 € festgesetzt werde, wenn die Klägerin die Unterlagen nicht fristgerecht und vollständig einreiche.

3

Da die Klägerin auch dieser Aufforderung nicht nachkam, setzte das FA mit Bescheid vom 31. Mai 2010 ein Verzögerungsgeld in Höhe von 5.000 € fest. Nach dem Begründungsteil des Bescheids ergibt sich dieser Betrag aus der Dauer der Fristüberschreitung sowie daraus, dass die Beendigung der Betriebsprüfung beeinträchtigt worden sei.

4

In dem am 9. Juni 2010 erstellten Prüfungsbericht wurden --jeweils wegen fehlender Nachweise-- die Rückstellungen für "management creativ" zum 31. Dezember 2006 sowie zum 31. Dezember 2007 in Höhe von 20.000 € aufgelöst und die nicht abziehbaren Aufwendungen um die Kosten für die Management Fee (2006: 47.095 €; 2007: 39.038 €) erhöht.

5

Zur Begründung ihres Einspruchs gegen den Bescheid vom 31. Mai 2010 hat die Klägerin mit Schreiben vom 30. Juni 2010 vorgetragen, dass --wie der Prüferin bekannt sei-- bei der Gesellschaft im Hinblick auf den geplanten Verkauf der Unternehmensgruppe eine Due Diligence Prüfung vorgenommen werde und deshalb die Erlangung der Unterlagen aus Großbritannien äußerst schwierig gewesen sei. Die Höhe des Verzögerungsgelds sei --so die Klägerin weiter-- unangemessen, die Unterlagen würden spätestens Anfang nächster Woche eingereicht.

6

Der Einspruch wurde mit Bescheid vom 30. Juli 2010 zurückgewiesen. Der Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO sei --so das FA-- erfüllt. Umstände, die es rechtfertigten, von der Festsetzung eines Verzögerungsgelds abzusehen, lägen nicht vor. Da zwischen der ersten und der letzten Aufforderung ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten gelegen habe, seien auch die geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Unterlagen aus Großbritannien sehr großzügig beachtet worden; zudem habe die Klägerin auf die letzte Fristsetzung (vom 12. Mai 2010) nicht reagiert. Im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds wiederholt die Einspruchsentscheidung zum einen die Erläuterungen des Bescheids vom 31. Mai 2010 (Dauer der Fristüberschreitung; Beeinträchtigung des Prüfungsabschlusses; s.o.); zum anderen führt die Einspruchsentscheidung aus, dass das Verzögerungsgeld für zwei Pflichtverletzungen (kein Nachweis der Rückstellung "management creativ" sowie der Kosten für (die) "Management Fee") jeweils in Höhe des vorgeschriebenen Mindestbetrags (2.500 €) festgesetzt worden sei. Schließlich sei auch der Vollzug des Festsetzungsbescheids nicht entsprechend der Regelung des § 335 AO einzustellen. Die Vorschrift sei auf das Verzögerungsgeld, bei der es sich um eine eigenständige steuerliche Nebenleistung handle, nicht anwendbar. Im Übrigen seien die geforderten Nachweise auch im Verlauf des Einspruchsverfahrens nicht erbracht worden.

7

Mit der Klage wurde u.a. geltend gemacht, dass die Vertragsunterlagen in London bzw. Amerika zusammengetragen worden und die Unterlagen für die Management Fee nicht auffindbar gewesen seien. Zudem sei die beauftragte Buchhalterin aufgrund der Erkrankung ihres Ehemanns aus einem Urlaub "über den Jahreswechsel" nicht zurückgekehrt. Hinzu komme, dass das FA unmittelbar nach der Festsetzung des Verzögerungsgelds den Prüfungsbericht fertiggestellt und die nicht aufgeklärten Sachverhalte zu Lasten der Klägerin gewertet habe. Insbesondere hält die Klägerin die Festsetzung des Verzögerungsgelds für zwei Pflichtverletzungen für unverhältnismäßig. Auch sei die Anforderung über den Nachweis der Kosten für die Management Fee unangemessen gewesen, da sich die Gründe für dieses Entgelt aus der --der Prüferin bekannten-- Gesamtkonstruktion (Gründung einer deutschen Gesellschaft unter Rückgriff auf Erfahrungen und Beratungsleistungen aus Großbritannien) ergeben hätten.

8

Die Vorinstanz hat der Klage stattgeben (vgl. Finanzgericht --FG-- Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Januar 2012  12 K 12205/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 898). Dabei hat das FG offengelassen, ob bereits deshalb von einem Ermessensfehlgebrauch ausgegangen werden müsse, weil das FA auf die Gründe der Säumnis und damit auf Verschuldensaspekte nicht eingegangen sei. Jedenfalls sei ein Ermessensfehler darin zu sehen, dass nicht für sämtliche Pflichtverstöße ein einheitliches Verzögerungsgeld festgesetzt worden sei. Gegen den vom FA beschrittenen Weg --Bemessung des Verzögerungsgelds durch Multiplikation der Pflichtverstöße mit dem Mindestbetrag (2.500 €)-- spreche nicht nur der Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO, sondern auch, dass die Vorgehensweise des FA zu unverhältnismäßigen und willkürlichen Festsetzungen führen könne. Letzteres zeige sich auch im Streitfall, da die Klägerin gegen drei Vorlage- und Auskunftspflichten verstoßen, das FA der Bemessung des Verzögerungsgelds aber nur zwei Pflichtverstöße zugrunde gelegt habe; umgekehrt sei --wenn man zwischen den angeforderten Darlehens- und Managementverträgen unterscheide-- auch die Annahme von vier Verstößen denkbar gewesen.

9

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA, dass die Festsetzung von Verzögerungsgeldern nach der Anzahl der Pflichtverstöße mit dem Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO vereinbar sei und der Ansicht der Finanzverwaltung entspreche. Auch liege hierin --entgegen der Auffassung der Vorinstanz-- kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die Festsetzung eines Verzögerungsgelds auf "wesentliche Fälle" zu beschränken sei und im Hinblick auf die Höhe des festzusetzenden Betrags nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. April 2010 (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 676) unter anderem die Dauer der Fristüberschreitung, die Gründe der Pflichtverletzung, die Häufigkeit der Verzögerung oder Verweigerung sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Betriebsprüfung zu berücksichtigen seien. Im Streitfall habe das FA sein Entschließungsermessen zutreffend ausgeübt; insbesondere habe es --abweichend von den Ausführungen der Vorinstanz-- erläutert, weshalb die geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Beschaffung der angeforderten Unterlagen die Pflichtverletzungen der Klägerin nicht entschuldigt hätten. Zudem habe die Klägerin noch im April 2010 mitgeteilt, dass die Unterlagen nunmehr vorlägen und übersandt würden. Auf den Ausfall der Buchhalterin habe das FA nicht eingehen können, da dieser Umstand erstmals im Klageverfahren vorgetragen worden sei; hiervon abgesehen könne er die Nichtvorlage der Unterlagen über Monate hinweg nicht rechtfertigen. Ebenso sei es nicht zu beanstanden, dass das FA beide Verzögerungsgelder --ausgehend von den Erwägungen im Rahmen des Entschließungsermessens-- nach dem gesetzlichen Mindestbetrag bemessen habe. Es liege somit keine bloße Vervielfältigung dieses Betrags vor.

10

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

11

Die Klägerin hat im Revisionsverfahren keine Stellungnahme abgegeben.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtordnung --FGO--).

13

1. Nach § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt. Die Vorschrift wurde durch Art. 10 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74) --JStG 2009-- mit Wirkung vom 25. Dezember 2008 (Art. 39 Abs. 1 und Abs. 8 JStG 2009) als neue steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 AO) eingeführt. Sie steht zwar im Zusammenhang mit der ebenfalls durch das JStG 2009 geschaffenen Regelung in § 146 Abs. 2a AO, nach welcher das FA dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen bewilligen kann, seine Buchführung in das Ausland zu verlagern, und will für den Fall, dass die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht oder nicht mehr gegeben sind, die zeitnahe Rückführung der Buchführung flankieren (vgl. § 146 Abs. 2a Satz 3 i.V.m. Abs. 2b AO). Gleichwohl ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt, dass ein Verzögerungsgeld im Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift sowie der Intention des Gesetzgebers (BTDrucks 16/10189, S. 81: "Vermeidung von Ungleichbehandlungen") auch dann festgesetzt werden kann, wenn der Steuerpflichtige seine Bücher und Aufzeichnungen im Inland führt und aufbewahrt, er jedoch der ihm im Rahmen einer Außenprüfung obliegenden Mitwirkungspflicht zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage von Unterlagen (§ 200 Abs. 1 AO) innerhalb angemessener Frist nicht nachkommt (BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855; vom 28. Juni 2011 X B 37/11, BFH/NV 2011, 1833, jeweils m.w.N.).

14

2. Der BFH hat es zwar in dem Aussetzungsbeschluss in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855 als i.S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO ernstlich zweifelhaft angesehen, ob im Hinblick auf die fortdauernde Nichtvorlage derselben Unterlagen ein Verzögerungsgeld mehrfach festgesetzt werden kann (vgl. nunmehr auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011, Referat IV A 4, zu Frage 18; abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Weitere_Steuerthemen/Betriebspruefung/001_a1.html, Suchwort: Verzögerungsgeld; a.A. Hopp/Bruns, DStR 2012, 1485). Über die hiervon zu unterscheidende und gleichfalls umstrittene Frage, ob im Falle der Verletzung mehrerer Mitwirkungspflichten für jeden Pflichtverstoß jeweils ein gesondertes Verzögerungsgeld --z.B. in Höhe des Mindestbetrags von 2.500 €-- ausgesprochen werden kann, hat der BFH hingegen noch nicht entschieden. Die Ansichten hierzu sind geteilt. Während nach Auffassung der Finanzverwaltung jede Pflichtverletzung mit einem gesonderten ("getrennten") Verzögerungsgeld belegt werden kann (vgl. BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., zu Frage 17), wird in der Rechtsprechung der FG eine Vervielfältigung des Mindestsatzes (2.500 €) entsprechend der Anzahl der Pflichtverstöße ohne deren eigenständige Gewichtung als ernstlich zweifelhaft angesehen (Beschluss des Hessischen FG vom 8. August 2011  8 V 1281/11, EFG 2011, 1949; Beschluss des FG Hamburg vom 16. November 2011  2 V 173/11, EFG 2012, 382). Dem wird im Schrifttum teilweise zugestimmt (z.B. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 51b); andere vertreten hingegen die Ansicht, dass zwar das Verzögerungsgeld für jede (einzelne) Verletzung der Mitwirkungspflicht ausgesprochen werden könne, jedoch die Aufforderung zur Vorlage mehrerer Urkunden in einem Schriftstück als nur ein Mitwirkungsverlangen zu werten sei und dessen Verletzung nur mit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds sanktioniert werden dürfe (Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 146 Rz 36).

15

3. Das anhängige Verfahren gibt dem Senat keine Gelegenheit, zu diesem Meinungsstreit abschließend Stellung zu nehmen. Insbesondere hat der Senat nicht darauf einzugehen, ob dann, wenn beispielsweise im Rahmen einer Außenprüfung die Mitwirkungsverlangen zu verschiedenen Prüfungsfeldern ergehen und der Steuerpflichtige diesen nicht entspricht, das FA befugt ist, für die die jeweiligen (einzelnen) Prüfungsfelder betreffenden Verstöße ein gesondertes Verzögerungsgeld auszusprechen, oder ob es hierzu weiterer Voraussetzungen --wie z.B. der zeitlichen Staffelung der Mitwirkungsaufforderungen-- bedarf. Im Streitfall kommt es hierauf nicht an, da selbst dann, wenn man im Falle des Verstoßes gegen mehrere Mitwirkungspflichten die gleichzeitige Festsetzung je eines Verzögerungsgelds für grundsätzlich zulässig erachten würde, der angefochtene Bescheid --wie vom FG im Ergebnis zu Recht erkannt-- aufzuheben wäre.

16

a) Die Festsetzung des Verzögerungsgelds erfordert nach § 146 Abs. 2b AO neben den zwingenden tatbestandlichen Voraussetzungen (z.B. Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht gemäß § 200 Abs. 1 AO) eine zweifache Ermessensentscheidung der Behörde, nämlich erstens im Hinblick darauf, ob im jeweiligen Einzelfall ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird (sog. Entschließungsermessen), sowie zweitens --falls das Entschließungsermessen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeübt wird-- eine Entscheidung über die Höhe der Sanktion innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens von mindestens 2.500 € bis höchstens 250.000 € (sog. Auswahlermessen; vgl. insgesamt BFH-Beschlüsse in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855; in BFH/NV 2011, 1833). Diese zweistufige Ermessensprüfung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers: Während der Gesetzentwurf der Bundesregierung --zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. dazu nachfolgend zu II.3.a bb) --einen behördlichen Ermessensspielraum nur im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds eröffnen wollte (vgl. BTDrucks 16/10189, S. 26, 81), ist der letzte Halbsatz des § 146 Abs. 2b AO-- auf Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestags (BTDrucks 16/11055, S. 81) mit dem ausdrücklichen Ziel geändert worden ("kann... festgesetzt werden"), ein "Entschließungsermessen einzufügen" (BTDrucks 16/11108, S. 47).

17

aa) Der Ermessenscharakter des § 146 Abs. 2b AO hat allgemein zur Folge, dass die Finanzgerichte die Festsetzung des Verzögerungsgelds nur eingeschränkt überprüfen können. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung gegeben und hat das FA den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt sowie seine Entscheidung hinreichend begründet (§ 121 AO, ggf. i.V.m. § 126 AO; vgl. auch § 102 Satz 2 FGO), ist der gerichtlichen Kontrolle die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) zugrunde zu legen. Des Weiteren ist die Prüfung nach § 102 Satz 1 FGO darauf beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob das FA von seinem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihm zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung) oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz missachtet hat (vgl. zu allem Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 102 FGO Rz 61 ff., Rz 86 ff., Rz 94 ff., jeweils mit umfangreichen Nachweisen).

18

bb) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach dem das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht nur erforderlich und geeignet, sondern hierzu auch in einem angemessenen, d.h. für den Betroffenen zumutbaren Verhältnis stehen muss (vgl. Wernsmann in HHSp, § 5 AO Rz 169), genießt Verfassungsrang und ist deshalb stets auch bei der Auslegung und Anwendung von Normen des einfachen Rechts --mithin auch bei der Ermessensausübung durch die Finanzämter-- zu beachten (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 1976  2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101, 106). Hiermit übereinstimmend hat auch der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des § 146 Abs. 2b AO als Ermessensvorschrift eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende Handhabung der Vorschrift durch die Finanzbehörden "gewährleisten" wollen (BTDrucks 16/10189, S. 81).

19

aaa) Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass das FA die Höhe des Verzögerungsgelds, dessen Zweck nach herrschender Meinung nicht nur darin zu sehen ist, den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anzuhalten (BTDrucks 16/10189, S. 81), sondern auch die Verletzung der Mitwirkungspflichten zu sanktionieren (vgl. z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 25, m.w.N.; kritisch Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz 48), insbesondere an der Dauer der Fristüberschreitung, den Gründen und dem Ausmaß der Pflichtverletzung/en sowie der Beeinträchtigung der Außenprüfung auszurichten hat (vgl. auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O.).

20

bbb) Da aber das Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € festzusetzen ist und es sich hierbei nicht um einen Bagatellbetrag handelt, müssen die nämlichen Merkmale auch bei der Ausübung des sog. Entschließungsermessens, d.h. bei der Entscheidung der Finanzbehörden darüber zum Tragen kommen, ob gegenüber dem Steuerpflichtigen ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird. Maßstab auch dieser Ermessensentscheidung des FA sowie nachvollziehbarer Gegenstand ihrer Begründung (§ 121 AO) muss deshalb sein, ob die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe der Sanktionsmindestgrenze (2.500 €) mit Rücksicht auf die Umstände der zu beurteilenden Pflichtverletzung/en sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Prüfung angemessen ist. Demnach ist es ausgeschlossen, im Rahmen des Entschließungsermessens von einer Vorprägung auszugehen, wonach jede Verletzung der Mitwirkungspflichten (§ 200 Abs. 1 AO) --unabhängig davon, ob den Steuerpflichtigen ein Schuldvorwurf trifft-- grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds führt; erforderlich ist vielmehr auch insoweit eine an der Sanktionsuntergrenze (2.500 €) auszurichtende Würdigung des Einzelfalls. Nur diese Beurteilung stellt sicher, dass die Festsetzung des Verzögerungsgelds durchgängig den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entspricht (überwiegende Meinung; z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 30; Kuhfus in: Kühn/v.Wedelstädt, 20. Aufl., AO, § 146 AO Rz 14g; Dißars in Schwarz, AO, § 146 Rz 49; Göttker in juris Lexikon Steuerrecht, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO, Rz 16 ff.; Drüen, Die Unternehmensbesteuerung 2011, 83, 87 f.; Hopp/Bruns, DStR 2012, 1485, 1487; FG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 3. Februar 2010  3 V 243/09, EFG 2010, 686; FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2012  3 V 3006/12, EFG 2012, 1225; a.A. insoweit BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., zu Frage 6; Gebbers, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 2009, 162, 167; derselbe, StBp 2009, 196; Geißler, Neue Wirtschafts-Briefe 2009, 4076, 4080).

21

ccc) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert damit zugleich, dass der Gegenstand des Entschließungsermessens mit demjenigen des Auswahlermessens übereinstimmt. Er ist demnach verletzt, wenn die Entscheidung, ob es überhaupt angemessen ist, ein Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € auszusprechen (Entschließungsermessen), aus der Summe (d.h. dem Bündel) der Pflichtverletzungen abgeleitet wird, bei der hieran anschließenden Ermessenentscheidung dazu, ob es --im nämlichen Fall-- angemessen und zumutbar ist, den Mindestsatz zu überschreiten (Auswahlermessen), das FA hingegen auf die einzelne Pflichtverletzung abstellt und diese jeweils --ohne weitere die Gesamtheit der Verstöße betreffende Erwägungen-- in Höhe von 2.500 € (Mindestsatz) sanktioniert. Letzteres kann zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Gebots der Verhältnismäßigkeit nur dann in Betracht kommen, wenn das FA im Rahmen der Ausübung seines Entschließungsermessens zu dem nachvollziehbaren und begründeten Ergebnis gekommen ist, dass jede einzelne der in Frage stehenden Mitwirkungspflichten --für sich genommen-- die Belastung des Steuerpflichtigen mit einem Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € rechtfertigt.

22

b) Demnach kann im Streitfall die Festsetzung des Verzögerungsgelds gegenüber der Klägerin keinen Bestand haben. Dabei kann unentschieden bleiben, ob --was dem Senat naheliegend erscheint-- der Bescheid vom 31. Mai 2010 (in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2010) auf die Festsetzung nur eines Verzögerungsgelds gerichtet ist, dessen Höhe (5.000 €) aus der Verdoppelung des Mindestsatzes abgeleitet wurde (Variante 1), oder ob die Einspruchsentscheidung dahin zu verstehen sein könnte, dass gegenüber der Klägerin in zusammengefasster Form sowohl für die Nichtvorlage der Nachweise zur Rückstellung "management creativ" als auch angesichts der fehlenden Erläuterungen und Nachweise bezüglich der "Management Fee" jeweils ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € ausgesprochen worden ist (Variante 2).

23

Der von der Klägerin angefochtene Bescheid ist ungeachtet dieses Auslegungsspielraums zum einen bereits deshalb ermessensfehlerhaft, weil das FA der Ausübung seines Entschließungsermessens (Entscheidung über die Festsetzung eines Verzögerungsgelds) die Nichtvorlage der angeforderten prüfungsrelevanten Unterlagen und Erläuterungen und damit eine zusammenfassende Würdigung aller Pflichtverletzungen der Klägerin zugrunde gelegt hat, und es hiernach gemäß den vorstehenden Erläuterungen ausgeschlossen ist, diesen Beurteilungsgegenstand im Rahmen des Auswahlermessens aufzulösen, d.h. für jede einzelne Verletzung der Mitwirkungspflichten ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € anzusetzen (Auslegungsvariante 1) oder festzusetzen (Auslegungsvariante 2). Zum anderen kann der Bescheid auch deshalb keinen Bestand haben, weil auch Ermessensentscheidungen zu begründen sind (§ 121 AO; Lange in HHSp, § 102 FGO Rz 89) und sich weder der Einspruchsentscheidung noch dem Bescheid vom 31. Mai 2010 mit der gebotenen Sicherheit entnehmen lässt, dass das FA sein Entschließungsermessen über die Festsetzung des Verzögerungsgelds mit Rücksicht auf die Sanktionsuntergrenze von 2.500 € ausgeübt hat. Vielmehr legt die Einspruchsentscheidung die Vermutung nahe, dass die Behörde --im Einklang mit der Verwaltungspraxis (vgl. BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., dort zu Frage 6)-- von einer verschuldensunabhängigen Vorprägung ihrer Ermessensbefugnis in dem Sinne ausgegangen ist, dass die Verletzung der Mitwirkungsverpflichtungen grundsätzlich die Sanktion des Verzögerungsgelds trage. Ein solches Verständnis ist jedoch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar.

24

4. Da die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt ist, die Ermessensentscheidung des FA in den aufgezeigten Grenzen zu überprüfen und dem Senat hiernach auch nicht die Befugnis zusteht, sein eigenes Ermessen an die Stelle der Verwaltungsbehörde zu setzen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460; vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, jeweils m.w.N.), war der angefochtene Bescheid ungeachtet dessen aufzuheben, ob im Rahmen einer fehlerfreien Ermessensausübung die Festsetzung eines Verzögerungsgelds --sei es in Höhe von 5.000 €, sei es mit einem geringeren Betrag-- hätte gerechtfertigt sein können.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein im Jahre 2004 geborenes Kind, begehrt eine Entschädigung im Hinblick auf die Dauer des von ihm beim Verwaltungsgericht Greifswald betriebenen Verfahrens 5 A 2080/08.

2

Dieses Ausgangsverfahren hat der Kläger am 21.12.2008 anhängig gemacht mit dem Ziel, dass ihm für die beiden Monate August und September 2008 eine ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach § 4 Abs. 3 KiföG M-V in der damals geltenden Fassung zu gewähren sei. Im Hinblick auf den Gegenstandswert gab der Kläger an, dass sich für die streitigen Monate zusammen ein Betrag in Höhe von 195,32 Euro errechne. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens erwiderte auf die Klage mit Schriftsatz vom 19.01.2009 und teilte durch Schriftsatz vom 30.01.2009 mit, er sei an einer zügigen Entscheidung der dem Streit zugrunde liegenden Rechtsfrage interessiert. Bis April 2009 wurden unter den Beteiligten weitere Schriftsätze ausgetauscht. Der Streit betraf im Kern die Frage, ob dem Kläger nach der Geburt seiner Schwester am 12.07.2008 ab August 2008 nur noch Förderung für eine Teilzeitbetreuung in einer Kindertagesstätte zustand. Im Schriftsatz vom 24.04.2009 bat der Kläger um eine möglichst baldige Entscheidung und wies darauf hin, dass ihm eine größere Zahl von Fällen bekannt sei, in denen der Beklagte so wie hier verfahre, nachdem dies bis vor einigen Jahren noch anders gewesen sei. Durch Verfügung vom 31.08.2011 machte das Gericht die Beteiligten auf verschiedene rechtliche Aspekte aufmerksam, worauf der Kläger mit Schriftsatz vom 17.09.2011 Stellung nahm. Mit Verfügung vom 29.09.2011 erkundigte sich das Gericht beim Kläger, ob dessen mit Schriftsatz vom 19.01.2009 erklärter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung Bestand habe, was der Kläger mit Schriftsatz vom 05.11.2011 verneinte. In der sodann auf den 08.12.2011 anberaumten mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter erhob der Kläger zunächst Verzögerungsrüge. Sodann wurde der Rechtsstreit durch Vergleich beendet. Dessen wesentlicher Inhalt bestand darin, dass die Beteiligten sich in dem Sinne einigten, dass der Kläger für den Monat August 2008 noch einen Anspruch auf Ganztagsförderung gehabt habe; der Differenzbetrag sei vom Beklagten gegenüber der Kindertageseinrichtung abzurechnen.

3

Die vorliegende Entschädigungsklage hat der Kläger am 04.06.2012 erhoben.

4

Er ist der Auffassung, die Sache hätte spätestens bis Ende Oktober 2009 terminiert sein müssen, sei also um mehr als zwei Jahre verzögert gewesen. Zu dem Vergleich im Ausgangsverfahren sei es gekommen, nachdem kurz vor dem Gerichtstermin in einer Verwaltungsrichtlinie klargestellt worden sei, dass der Ganztagsanspruch für die Dauer des Beschäftigungsverbots nach § 6 MuSchG fortbestehe.

5

Der Kläger beantragt,

6

den Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung an den Kläger zu verurteilen,

7

hilfsweise festzustellen, dass das Verfahren 5 A 2080/08 unangemessen lange gedauert habe.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er ist der Auffassung, das Verfahren habe nach den Umständen des Falles nicht unangemessen lange gedauert. Die Verfahrensrüge in der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2011 habe keine Warnfunktion mehr entfalten können, da das Gericht zu dieser Zeit keine weiteren Möglichkeiten für eine Verfahrensbeschleunigung gehabt habe.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Ausgangsverfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Die nach §§ 173 VwGO, 201 GVG zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf eine Entschädigung noch auf die Feststellung, dass das Verfahren 5 A 2080/08 unangemessen lange gedauert hat.

13

Für die Beurteilung der Rechtslage ist auszugehen von der gemäß § 173 VwGO für verwaltungsgerichtliche Verfahren entsprechend geltenden Regelung des § 198 Abs. 1 GVG. Nach dessen Satz 1 wird angemessen entschädigt, wer als Verfahrensbeteiligter infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Auch die vom Kläger hilfsweise begehrte Feststellung setzt voraus, dass die Verfahrensdauer unangemessen war (vgl. § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG).

14

Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer kommt es insbesondere auf die Natur der Sache und die Schwierigkeit der Materie sowie die Bedeutung der Sache und die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Parteien und das ihnen zuzurechnende Verhalten an. Allgemeingültige Zeitvorgaben in dem Sinne, dass beispielsweise eine Verfahrensdauer von drei oder fünf Jahren stets als unangemessen zu bewerten wäre, ergeben sich aus dem Gesetz bzw. der diesem Gesetz zugrundeliegenden Rechtsprechung nicht (vgl. BVerfG, Beschl. vom 23.05.2012 - 1 BvR 359/09 -, m.w.N.; OVG Magdeburg, Urt. vom 25.07.2012 - 7 KE 1/11 -, m.w.N.). Auch auf durchschnittliche Verfahrenslaufzeiten ist nicht entscheidungserheblich abzustellen, da dabei die gebotene Einzelfallbetrachtung unberücksichtigt bleiben würde (OVG Schleswig, Urt. vom 08.04.2013 - 18 SchH 3/13 -, Rdn. 14, m.w.N., zit. nach juris).

15

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass die Dauer des beanstandeten Verfahrens noch als angemessen zu bewerten ist. Es war von der Erhebung der Klage am 21.12.2008 bis zu seiner Beendigung durch den in der mündlichen Verhandlung am 08.12.2011 geschlossenen Vergleich knapp drei Jahre beim Verwaltungsgericht anhängig. In der Zeit von Ende April 2009 bis Ende August 2011, das heißt also für etwa zwei Jahre und vier Monate, ist eine Förderung/Bearbeitung der Sache seitens des Gerichts nach der Aktenlage nicht erkennbar, sieht man von „Schiebeverfügungen“ ab, durch die jeweils die Wiedervorlage der Akte nach Ablauf bestimmter Fristen (hier meist drei oder vier Monate) veranlasst worden ist. Allerdings haben in dem besagten Zeitraum auch die Verfahrensbeteiligten keine erkennbaren Aktivitäten entwickelt, insbesondere hat keine Seite auf eine Beschleunigung des Verfahrens hingewirkt oder auch nur nach dem Sachstand gefragt. Insofern ähnelt die vorliegende Sache dem Fall, der der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27.03.2012 – OVG 3 A 1.12 – zugrunde gelegen hat. In dem dazu gehörigen Ausgangsverfahren richtete sich die im Juni 2003 erhobene Klage gegen die Rückforderung einer Ausbildungsförderung in Höhe von etwa 17.000,00 Euro. Das Entschädigungsgericht hat die Dauer des Ausgangsverfahrens bis einschließlich September 2006 noch als angemessen erachtet, obwohl sich ab Mitte 2004 „in der Gerichtsakte ausschließlich Wiedervorlagefristen“ befunden hätten.

16

Im vorliegenden Verfahren geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass das Ausgangsverfahren keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufgewiesen hat. Der Rechtsstreit betraf – wie erwähnt – im Kern die Frage, ob dem Kläger nach der Geburt seiner Schwester – wie der Beklagte des Ausgangsverfahrens meinte – nur noch Förderung für eine Teilzeitbetreuung in einer Kindertagesstätte zustand oder ob dem Kläger – wie er meinte – für die beiden Monate August und September 2008 eine ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach § 4 Abs. 3 KiföG M-V in der damals geltenden Fassung zu gewähren gewesen wäre. Die Bewertung der Sache durch den Senat deckt sich jedenfalls im Ergebnis ersichtlich mit der der für das Ausgangsverfahren zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts. Diese hat den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder nach § 6 Abs. 1 VwGO als Einzelrichter übertragen, was im Gesetz nur vorgesehen ist, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine hiervon abweichende Meinung haben weder die Beteiligten des vorliegenden Entschädigungsverfahrens noch die des Ausgangsverfahrens geäußert. Ausdrücklich hat der Kläger in der Klageschrift vom 01.06.2012 ausgeführt, dass die in dem Ausgangsverfahren zu klärenden Rechtsfragen „nicht von ausgesprochen schwieriger Gestalt“ gewesen seien, der Sachverhalt sei „unstreitig und mit der Klageerhebung geklärt“ gewesen. Auf der anderen Seite lässt sich aber nicht feststellen, dass die sich im Ausgangsverfahren stellenden Fragen völlig unproblematisch gewesen wären. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die gerichtlichen Hinweise vom 06.03.2009 und vom 31.08.2011 zu erwähnen, in denen es nicht nur um die von den Verfahrensbeteiligten aufgeworfenen Fragen ging, sondern auch darum, ob Ansprüche nach § 3 KiföG M-V dem Kind oder den Eltern zustehen und ob im Ausgangsverfahren bereits vor Klageerhebung Erledigung der Hauptsache eingetreten war.

17

Ob das Ausgangsverfahren grundsätzliche Bedeutung hatte, lässt sich nicht ohne Weiteres feststellen, kann aber letztlich zugunsten des Klägers angenommen werden.

18

Das Verwaltungsgericht war wohl der Auffassung, die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung gehabt; denn sonst hätte es nicht zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter kommen dürfen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Der Kläger hat sich im Ausgangsverfahren zu dieser Frage uneinheitlich verhalten. Das Verwaltungsgericht hatte ihn mit Verfügung vom 29.12.2008 darauf hingewiesen, dass die Kammer den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen solle „wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.“ Unter Bezugnahme auf diese Anfrage hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19.01.2009 („2008“ dürfte ein Schreibfehler sein) erklärt, der Rechtsstreit könne „durch den Berichterstatter anstelle der Kammer durchgeführt werden.“ Allerdings hat der Kläger im Schriftsatz vom 24.04.2009 ausgeführt, dass „wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache“ eine „Entscheidung der Kammer“ angezeigt sein dürfte; ihm sei „eine größere Zahl von Fällen bekannt, in denen der Beklagte genau wie hier“ verfahre. In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 08.12.2011 hat der Kläger sich allerdings auf einen Vergleich eingelassen. Dessen wesentlicher Inhalt bestand – wie erwähnt – darin, dass die Beteiligten sich in dem Sinne einigten, dass der Kläger für den Monat August 2008 noch einen Anspruch auf Ganztagsförderung gehabt habe. Die gerichtliche Klärung der Rechtslage ist durch den Vergleich unmöglich geworden.

19

Auch der Beklagte des Ausgangsverfahrens hat sich mit der Entscheidung der Sache durch den Berichterstatter einverstanden erklärt (vgl. Schriftsatz vom 30.01.2009) und damit schlüssig zum Ausdruck gebracht, dass er keine grundsätzliche Bedeutung der Sache annehme, hat aber – ohne nähere Begründung – mit Schriftsatz vom 30.01.2009 mitgeteilt, er sei an einer zügigen Entscheidung der zugrunde liegenden Rechtsfrage interessiert.

20

Die finanzielle Bedeutung der Sache für den Kläger war äußerst gering. Es wurde – wie schon erwähnt – um einen Betrag von 195,92 Euro gestritten. Dass der Kläger (bzw. dessen Eltern) nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen auf diesen Betrag angewiesen gewesen wäre, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Mehr als finanzielle Bedeutung hatte das Verfahren von Anfang an für die Klägerseite nicht. Insbesondere ging es nicht darum, ob die Mutter des Klägers in ihrer Mutterschutzzeit den Kläger halbtags zu betreuen hätte; denn dieser Zeitraum war vor Erhebung der Klage bereits verstrichen.

21

Zusammenfassend ist der Hauptgrund dafür, die Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens hier noch als angemessen zu bewerten, dass es lediglich um einen denkbar geringen Betrag gegangen ist. Hinzu kommt, dass die Verfahrensbeteiligten in der Zeit, als das Gericht die Sache nicht gefördert hat, sich ebenfalls vollkommen passiv verhalten haben. Demgegenüber wiegt die – unterstellte – grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht besonders schwer, weil die Beteiligten – wie dargestellt – diesem Umstand selbst offenbar keine besondere Bedeutung beigemessen haben. Auch der beschriebene Schwierigkeitsgrad der Sache führt nicht zu einer für den Kläger günstigeren Beurteilung der Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO, 711 ZPO.

23

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht ersichtlich.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein im Jahre 2004 geborenes Kind, begehrt eine Entschädigung im Hinblick auf die Dauer des von ihm beim Verwaltungsgericht Greifswald betriebenen Verfahrens 5 A 2080/08.

2

Dieses Ausgangsverfahren hat der Kläger am 21.12.2008 anhängig gemacht mit dem Ziel, dass ihm für die beiden Monate August und September 2008 eine ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach § 4 Abs. 3 KiföG M-V in der damals geltenden Fassung zu gewähren sei. Im Hinblick auf den Gegenstandswert gab der Kläger an, dass sich für die streitigen Monate zusammen ein Betrag in Höhe von 195,32 Euro errechne. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens erwiderte auf die Klage mit Schriftsatz vom 19.01.2009 und teilte durch Schriftsatz vom 30.01.2009 mit, er sei an einer zügigen Entscheidung der dem Streit zugrunde liegenden Rechtsfrage interessiert. Bis April 2009 wurden unter den Beteiligten weitere Schriftsätze ausgetauscht. Der Streit betraf im Kern die Frage, ob dem Kläger nach der Geburt seiner Schwester am 12.07.2008 ab August 2008 nur noch Förderung für eine Teilzeitbetreuung in einer Kindertagesstätte zustand. Im Schriftsatz vom 24.04.2009 bat der Kläger um eine möglichst baldige Entscheidung und wies darauf hin, dass ihm eine größere Zahl von Fällen bekannt sei, in denen der Beklagte so wie hier verfahre, nachdem dies bis vor einigen Jahren noch anders gewesen sei. Durch Verfügung vom 31.08.2011 machte das Gericht die Beteiligten auf verschiedene rechtliche Aspekte aufmerksam, worauf der Kläger mit Schriftsatz vom 17.09.2011 Stellung nahm. Mit Verfügung vom 29.09.2011 erkundigte sich das Gericht beim Kläger, ob dessen mit Schriftsatz vom 19.01.2009 erklärter Verzicht auf eine mündliche Verhandlung Bestand habe, was der Kläger mit Schriftsatz vom 05.11.2011 verneinte. In der sodann auf den 08.12.2011 anberaumten mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter erhob der Kläger zunächst Verzögerungsrüge. Sodann wurde der Rechtsstreit durch Vergleich beendet. Dessen wesentlicher Inhalt bestand darin, dass die Beteiligten sich in dem Sinne einigten, dass der Kläger für den Monat August 2008 noch einen Anspruch auf Ganztagsförderung gehabt habe; der Differenzbetrag sei vom Beklagten gegenüber der Kindertageseinrichtung abzurechnen.

3

Die vorliegende Entschädigungsklage hat der Kläger am 04.06.2012 erhoben.

4

Er ist der Auffassung, die Sache hätte spätestens bis Ende Oktober 2009 terminiert sein müssen, sei also um mehr als zwei Jahre verzögert gewesen. Zu dem Vergleich im Ausgangsverfahren sei es gekommen, nachdem kurz vor dem Gerichtstermin in einer Verwaltungsrichtlinie klargestellt worden sei, dass der Ganztagsanspruch für die Dauer des Beschäftigungsverbots nach § 6 MuSchG fortbestehe.

5

Der Kläger beantragt,

6

den Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung an den Kläger zu verurteilen,

7

hilfsweise festzustellen, dass das Verfahren 5 A 2080/08 unangemessen lange gedauert habe.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er ist der Auffassung, das Verfahren habe nach den Umständen des Falles nicht unangemessen lange gedauert. Die Verfahrensrüge in der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2011 habe keine Warnfunktion mehr entfalten können, da das Gericht zu dieser Zeit keine weiteren Möglichkeiten für eine Verfahrensbeschleunigung gehabt habe.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und des Ausgangsverfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Die nach §§ 173 VwGO, 201 GVG zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf eine Entschädigung noch auf die Feststellung, dass das Verfahren 5 A 2080/08 unangemessen lange gedauert hat.

13

Für die Beurteilung der Rechtslage ist auszugehen von der gemäß § 173 VwGO für verwaltungsgerichtliche Verfahren entsprechend geltenden Regelung des § 198 Abs. 1 GVG. Nach dessen Satz 1 wird angemessen entschädigt, wer als Verfahrensbeteiligter infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Auch die vom Kläger hilfsweise begehrte Feststellung setzt voraus, dass die Verfahrensdauer unangemessen war (vgl. § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG).

14

Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer kommt es insbesondere auf die Natur der Sache und die Schwierigkeit der Materie sowie die Bedeutung der Sache und die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Parteien und das ihnen zuzurechnende Verhalten an. Allgemeingültige Zeitvorgaben in dem Sinne, dass beispielsweise eine Verfahrensdauer von drei oder fünf Jahren stets als unangemessen zu bewerten wäre, ergeben sich aus dem Gesetz bzw. der diesem Gesetz zugrundeliegenden Rechtsprechung nicht (vgl. BVerfG, Beschl. vom 23.05.2012 - 1 BvR 359/09 -, m.w.N.; OVG Magdeburg, Urt. vom 25.07.2012 - 7 KE 1/11 -, m.w.N.). Auch auf durchschnittliche Verfahrenslaufzeiten ist nicht entscheidungserheblich abzustellen, da dabei die gebotene Einzelfallbetrachtung unberücksichtigt bleiben würde (OVG Schleswig, Urt. vom 08.04.2013 - 18 SchH 3/13 -, Rdn. 14, m.w.N., zit. nach juris).

15

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass die Dauer des beanstandeten Verfahrens noch als angemessen zu bewerten ist. Es war von der Erhebung der Klage am 21.12.2008 bis zu seiner Beendigung durch den in der mündlichen Verhandlung am 08.12.2011 geschlossenen Vergleich knapp drei Jahre beim Verwaltungsgericht anhängig. In der Zeit von Ende April 2009 bis Ende August 2011, das heißt also für etwa zwei Jahre und vier Monate, ist eine Förderung/Bearbeitung der Sache seitens des Gerichts nach der Aktenlage nicht erkennbar, sieht man von „Schiebeverfügungen“ ab, durch die jeweils die Wiedervorlage der Akte nach Ablauf bestimmter Fristen (hier meist drei oder vier Monate) veranlasst worden ist. Allerdings haben in dem besagten Zeitraum auch die Verfahrensbeteiligten keine erkennbaren Aktivitäten entwickelt, insbesondere hat keine Seite auf eine Beschleunigung des Verfahrens hingewirkt oder auch nur nach dem Sachstand gefragt. Insofern ähnelt die vorliegende Sache dem Fall, der der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 27.03.2012 – OVG 3 A 1.12 – zugrunde gelegen hat. In dem dazu gehörigen Ausgangsverfahren richtete sich die im Juni 2003 erhobene Klage gegen die Rückforderung einer Ausbildungsförderung in Höhe von etwa 17.000,00 Euro. Das Entschädigungsgericht hat die Dauer des Ausgangsverfahrens bis einschließlich September 2006 noch als angemessen erachtet, obwohl sich ab Mitte 2004 „in der Gerichtsakte ausschließlich Wiedervorlagefristen“ befunden hätten.

16

Im vorliegenden Verfahren geht der Senat zugunsten des Klägers davon aus, dass das Ausgangsverfahren keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufgewiesen hat. Der Rechtsstreit betraf – wie erwähnt – im Kern die Frage, ob dem Kläger nach der Geburt seiner Schwester – wie der Beklagte des Ausgangsverfahrens meinte – nur noch Förderung für eine Teilzeitbetreuung in einer Kindertagesstätte zustand oder ob dem Kläger – wie er meinte – für die beiden Monate August und September 2008 eine ganztägige Förderung in einer Kindertageseinrichtung nach § 4 Abs. 3 KiföG M-V in der damals geltenden Fassung zu gewähren gewesen wäre. Die Bewertung der Sache durch den Senat deckt sich jedenfalls im Ergebnis ersichtlich mit der der für das Ausgangsverfahren zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts. Diese hat den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder nach § 6 Abs. 1 VwGO als Einzelrichter übertragen, was im Gesetz nur vorgesehen ist, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine hiervon abweichende Meinung haben weder die Beteiligten des vorliegenden Entschädigungsverfahrens noch die des Ausgangsverfahrens geäußert. Ausdrücklich hat der Kläger in der Klageschrift vom 01.06.2012 ausgeführt, dass die in dem Ausgangsverfahren zu klärenden Rechtsfragen „nicht von ausgesprochen schwieriger Gestalt“ gewesen seien, der Sachverhalt sei „unstreitig und mit der Klageerhebung geklärt“ gewesen. Auf der anderen Seite lässt sich aber nicht feststellen, dass die sich im Ausgangsverfahren stellenden Fragen völlig unproblematisch gewesen wären. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die gerichtlichen Hinweise vom 06.03.2009 und vom 31.08.2011 zu erwähnen, in denen es nicht nur um die von den Verfahrensbeteiligten aufgeworfenen Fragen ging, sondern auch darum, ob Ansprüche nach § 3 KiföG M-V dem Kind oder den Eltern zustehen und ob im Ausgangsverfahren bereits vor Klageerhebung Erledigung der Hauptsache eingetreten war.

17

Ob das Ausgangsverfahren grundsätzliche Bedeutung hatte, lässt sich nicht ohne Weiteres feststellen, kann aber letztlich zugunsten des Klägers angenommen werden.

18

Das Verwaltungsgericht war wohl der Auffassung, die Rechtssache habe keine grundsätzliche Bedeutung gehabt; denn sonst hätte es nicht zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter kommen dürfen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Der Kläger hat sich im Ausgangsverfahren zu dieser Frage uneinheitlich verhalten. Das Verwaltungsgericht hatte ihn mit Verfügung vom 29.12.2008 darauf hingewiesen, dass die Kammer den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen solle „wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.“ Unter Bezugnahme auf diese Anfrage hat der Kläger mit Schriftsatz vom 19.01.2009 („2008“ dürfte ein Schreibfehler sein) erklärt, der Rechtsstreit könne „durch den Berichterstatter anstelle der Kammer durchgeführt werden.“ Allerdings hat der Kläger im Schriftsatz vom 24.04.2009 ausgeführt, dass „wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache“ eine „Entscheidung der Kammer“ angezeigt sein dürfte; ihm sei „eine größere Zahl von Fällen bekannt, in denen der Beklagte genau wie hier“ verfahre. In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 08.12.2011 hat der Kläger sich allerdings auf einen Vergleich eingelassen. Dessen wesentlicher Inhalt bestand – wie erwähnt – darin, dass die Beteiligten sich in dem Sinne einigten, dass der Kläger für den Monat August 2008 noch einen Anspruch auf Ganztagsförderung gehabt habe. Die gerichtliche Klärung der Rechtslage ist durch den Vergleich unmöglich geworden.

19

Auch der Beklagte des Ausgangsverfahrens hat sich mit der Entscheidung der Sache durch den Berichterstatter einverstanden erklärt (vgl. Schriftsatz vom 30.01.2009) und damit schlüssig zum Ausdruck gebracht, dass er keine grundsätzliche Bedeutung der Sache annehme, hat aber – ohne nähere Begründung – mit Schriftsatz vom 30.01.2009 mitgeteilt, er sei an einer zügigen Entscheidung der zugrunde liegenden Rechtsfrage interessiert.

20

Die finanzielle Bedeutung der Sache für den Kläger war äußerst gering. Es wurde – wie schon erwähnt – um einen Betrag von 195,92 Euro gestritten. Dass der Kläger (bzw. dessen Eltern) nach den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen auf diesen Betrag angewiesen gewesen wäre, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Mehr als finanzielle Bedeutung hatte das Verfahren von Anfang an für die Klägerseite nicht. Insbesondere ging es nicht darum, ob die Mutter des Klägers in ihrer Mutterschutzzeit den Kläger halbtags zu betreuen hätte; denn dieser Zeitraum war vor Erhebung der Klage bereits verstrichen.

21

Zusammenfassend ist der Hauptgrund dafür, die Verfahrensdauer des Ausgangsverfahrens hier noch als angemessen zu bewerten, dass es lediglich um einen denkbar geringen Betrag gegangen ist. Hinzu kommt, dass die Verfahrensbeteiligten in der Zeit, als das Gericht die Sache nicht gefördert hat, sich ebenfalls vollkommen passiv verhalten haben. Demgegenüber wiegt die – unterstellte – grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht besonders schwer, weil die Beteiligten – wie dargestellt – diesem Umstand selbst offenbar keine besondere Bedeutung beigemessen haben. Auch der beschriebene Schwierigkeitsgrad der Sache führt nicht zu einer für den Kläger günstigeren Beurteilung der Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO, 711 ZPO.

23

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht ersichtlich.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds gemäß § 146 Abs. 2b der Abgabenordnung (AO).

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) führte ab November 2009 bei der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, eine Betriebsprüfung (betreffend die Jahre 2005 bis 2007) durch. Am 24./25. November 2009 forderte die Prüferin die Klägerin erstmals auf, Nachweise über die "sonstigen Rückstellungen (management creativ)" sowie die Verträge zwischen der Klägerin und der "V-Ltd. (Darlehensvertrag, Managementvertrag o.ä.)" vorzulegen und die "Kosten für die Management Fee" zu erläutern. Anlässlich einer Betriebsbesichtigung (1. Dezember 2009) wurde der Prüferin erläutert, dass die angeforderten Unterlagen einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen übersandt worden seien. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 setzte die Prüferin eine Frist zur Vorlage der Unterlagen bis zum 22. Januar 2010; die Frist wurde mit weiterem Schreiben vom 3. Februar 2010 bis zum 25. Februar 2010 verlängert. Nachdem die Klägerin im Rahmen der Schlussbesprechung (23. März 2010) erneut auf die angeforderten Nachweise hingewiesen worden war, teilte der von der Klägerin bevollmächtigte Steuerberater am 12. April 2010 der Prüferin telefonisch mit, dass die Unterlagen unterwegs seien; am 23. April 2010 gab er an, dass die Unterlagen noch nicht vollständig seien, er sie aber am selben Tage absenden würde. Mit Schreiben vom 12. Mai 2010 forderte das FA die Klägerin erneut auf, die vorgenannten Nachweise und Unterlagen (betreffend Rückstellung "management creativ; Darlehens- und Managementverträge mit der V-Ltd.; Erläuterung der Kosten der Management Fee") bis 25. Mai 2010 einzureichen; zugleich wies das FA darauf hin, dass ein Verzögerungsgeld von mindestens 2.500 € und maximal 250.000 € festgesetzt werde, wenn die Klägerin die Unterlagen nicht fristgerecht und vollständig einreiche.

3

Da die Klägerin auch dieser Aufforderung nicht nachkam, setzte das FA mit Bescheid vom 31. Mai 2010 ein Verzögerungsgeld in Höhe von 5.000 € fest. Nach dem Begründungsteil des Bescheids ergibt sich dieser Betrag aus der Dauer der Fristüberschreitung sowie daraus, dass die Beendigung der Betriebsprüfung beeinträchtigt worden sei.

4

In dem am 9. Juni 2010 erstellten Prüfungsbericht wurden --jeweils wegen fehlender Nachweise-- die Rückstellungen für "management creativ" zum 31. Dezember 2006 sowie zum 31. Dezember 2007 in Höhe von 20.000 € aufgelöst und die nicht abziehbaren Aufwendungen um die Kosten für die Management Fee (2006: 47.095 €; 2007: 39.038 €) erhöht.

5

Zur Begründung ihres Einspruchs gegen den Bescheid vom 31. Mai 2010 hat die Klägerin mit Schreiben vom 30. Juni 2010 vorgetragen, dass --wie der Prüferin bekannt sei-- bei der Gesellschaft im Hinblick auf den geplanten Verkauf der Unternehmensgruppe eine Due Diligence Prüfung vorgenommen werde und deshalb die Erlangung der Unterlagen aus Großbritannien äußerst schwierig gewesen sei. Die Höhe des Verzögerungsgelds sei --so die Klägerin weiter-- unangemessen, die Unterlagen würden spätestens Anfang nächster Woche eingereicht.

6

Der Einspruch wurde mit Bescheid vom 30. Juli 2010 zurückgewiesen. Der Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO sei --so das FA-- erfüllt. Umstände, die es rechtfertigten, von der Festsetzung eines Verzögerungsgelds abzusehen, lägen nicht vor. Da zwischen der ersten und der letzten Aufforderung ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten gelegen habe, seien auch die geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Unterlagen aus Großbritannien sehr großzügig beachtet worden; zudem habe die Klägerin auf die letzte Fristsetzung (vom 12. Mai 2010) nicht reagiert. Im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds wiederholt die Einspruchsentscheidung zum einen die Erläuterungen des Bescheids vom 31. Mai 2010 (Dauer der Fristüberschreitung; Beeinträchtigung des Prüfungsabschlusses; s.o.); zum anderen führt die Einspruchsentscheidung aus, dass das Verzögerungsgeld für zwei Pflichtverletzungen (kein Nachweis der Rückstellung "management creativ" sowie der Kosten für (die) "Management Fee") jeweils in Höhe des vorgeschriebenen Mindestbetrags (2.500 €) festgesetzt worden sei. Schließlich sei auch der Vollzug des Festsetzungsbescheids nicht entsprechend der Regelung des § 335 AO einzustellen. Die Vorschrift sei auf das Verzögerungsgeld, bei der es sich um eine eigenständige steuerliche Nebenleistung handle, nicht anwendbar. Im Übrigen seien die geforderten Nachweise auch im Verlauf des Einspruchsverfahrens nicht erbracht worden.

7

Mit der Klage wurde u.a. geltend gemacht, dass die Vertragsunterlagen in London bzw. Amerika zusammengetragen worden und die Unterlagen für die Management Fee nicht auffindbar gewesen seien. Zudem sei die beauftragte Buchhalterin aufgrund der Erkrankung ihres Ehemanns aus einem Urlaub "über den Jahreswechsel" nicht zurückgekehrt. Hinzu komme, dass das FA unmittelbar nach der Festsetzung des Verzögerungsgelds den Prüfungsbericht fertiggestellt und die nicht aufgeklärten Sachverhalte zu Lasten der Klägerin gewertet habe. Insbesondere hält die Klägerin die Festsetzung des Verzögerungsgelds für zwei Pflichtverletzungen für unverhältnismäßig. Auch sei die Anforderung über den Nachweis der Kosten für die Management Fee unangemessen gewesen, da sich die Gründe für dieses Entgelt aus der --der Prüferin bekannten-- Gesamtkonstruktion (Gründung einer deutschen Gesellschaft unter Rückgriff auf Erfahrungen und Beratungsleistungen aus Großbritannien) ergeben hätten.

8

Die Vorinstanz hat der Klage stattgeben (vgl. Finanzgericht --FG-- Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Januar 2012  12 K 12205/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 898). Dabei hat das FG offengelassen, ob bereits deshalb von einem Ermessensfehlgebrauch ausgegangen werden müsse, weil das FA auf die Gründe der Säumnis und damit auf Verschuldensaspekte nicht eingegangen sei. Jedenfalls sei ein Ermessensfehler darin zu sehen, dass nicht für sämtliche Pflichtverstöße ein einheitliches Verzögerungsgeld festgesetzt worden sei. Gegen den vom FA beschrittenen Weg --Bemessung des Verzögerungsgelds durch Multiplikation der Pflichtverstöße mit dem Mindestbetrag (2.500 €)-- spreche nicht nur der Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO, sondern auch, dass die Vorgehensweise des FA zu unverhältnismäßigen und willkürlichen Festsetzungen führen könne. Letzteres zeige sich auch im Streitfall, da die Klägerin gegen drei Vorlage- und Auskunftspflichten verstoßen, das FA der Bemessung des Verzögerungsgelds aber nur zwei Pflichtverstöße zugrunde gelegt habe; umgekehrt sei --wenn man zwischen den angeforderten Darlehens- und Managementverträgen unterscheide-- auch die Annahme von vier Verstößen denkbar gewesen.

9

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA, dass die Festsetzung von Verzögerungsgeldern nach der Anzahl der Pflichtverstöße mit dem Wortlaut des § 146 Abs. 2b AO vereinbar sei und der Ansicht der Finanzverwaltung entspreche. Auch liege hierin --entgegen der Auffassung der Vorinstanz-- kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die Festsetzung eines Verzögerungsgelds auf "wesentliche Fälle" zu beschränken sei und im Hinblick auf die Höhe des festzusetzenden Betrags nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 22. April 2010 (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 676) unter anderem die Dauer der Fristüberschreitung, die Gründe der Pflichtverletzung, die Häufigkeit der Verzögerung oder Verweigerung sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Betriebsprüfung zu berücksichtigen seien. Im Streitfall habe das FA sein Entschließungsermessen zutreffend ausgeübt; insbesondere habe es --abweichend von den Ausführungen der Vorinstanz-- erläutert, weshalb die geltend gemachten Schwierigkeiten bei der Beschaffung der angeforderten Unterlagen die Pflichtverletzungen der Klägerin nicht entschuldigt hätten. Zudem habe die Klägerin noch im April 2010 mitgeteilt, dass die Unterlagen nunmehr vorlägen und übersandt würden. Auf den Ausfall der Buchhalterin habe das FA nicht eingehen können, da dieser Umstand erstmals im Klageverfahren vorgetragen worden sei; hiervon abgesehen könne er die Nichtvorlage der Unterlagen über Monate hinweg nicht rechtfertigen. Ebenso sei es nicht zu beanstanden, dass das FA beide Verzögerungsgelder --ausgehend von den Erwägungen im Rahmen des Entschließungsermessens-- nach dem gesetzlichen Mindestbetrag bemessen habe. Es liege somit keine bloße Vervielfältigung dieses Betrags vor.

10

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

11

Die Klägerin hat im Revisionsverfahren keine Stellungnahme abgegeben.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtordnung --FGO--).

13

1. Nach § 146 Abs. 2b AO kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden, wenn ein Steuerpflichtiger der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen i.S. des § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nachkommt. Die Vorschrift wurde durch Art. 10 Nr. 8 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74) --JStG 2009-- mit Wirkung vom 25. Dezember 2008 (Art. 39 Abs. 1 und Abs. 8 JStG 2009) als neue steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 AO) eingeführt. Sie steht zwar im Zusammenhang mit der ebenfalls durch das JStG 2009 geschaffenen Regelung in § 146 Abs. 2a AO, nach welcher das FA dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen bewilligen kann, seine Buchführung in das Ausland zu verlagern, und will für den Fall, dass die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht oder nicht mehr gegeben sind, die zeitnahe Rückführung der Buchführung flankieren (vgl. § 146 Abs. 2a Satz 3 i.V.m. Abs. 2b AO). Gleichwohl ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anerkannt, dass ein Verzögerungsgeld im Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift sowie der Intention des Gesetzgebers (BTDrucks 16/10189, S. 81: "Vermeidung von Ungleichbehandlungen") auch dann festgesetzt werden kann, wenn der Steuerpflichtige seine Bücher und Aufzeichnungen im Inland führt und aufbewahrt, er jedoch der ihm im Rahmen einer Außenprüfung obliegenden Mitwirkungspflicht zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage von Unterlagen (§ 200 Abs. 1 AO) innerhalb angemessener Frist nicht nachkommt (BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855; vom 28. Juni 2011 X B 37/11, BFH/NV 2011, 1833, jeweils m.w.N.).

14

2. Der BFH hat es zwar in dem Aussetzungsbeschluss in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855 als i.S. von § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO ernstlich zweifelhaft angesehen, ob im Hinblick auf die fortdauernde Nichtvorlage derselben Unterlagen ein Verzögerungsgeld mehrfach festgesetzt werden kann (vgl. nunmehr auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011, Referat IV A 4, zu Frage 18; abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Weitere_Steuerthemen/Betriebspruefung/001_a1.html, Suchwort: Verzögerungsgeld; a.A. Hopp/Bruns, DStR 2012, 1485). Über die hiervon zu unterscheidende und gleichfalls umstrittene Frage, ob im Falle der Verletzung mehrerer Mitwirkungspflichten für jeden Pflichtverstoß jeweils ein gesondertes Verzögerungsgeld --z.B. in Höhe des Mindestbetrags von 2.500 €-- ausgesprochen werden kann, hat der BFH hingegen noch nicht entschieden. Die Ansichten hierzu sind geteilt. Während nach Auffassung der Finanzverwaltung jede Pflichtverletzung mit einem gesonderten ("getrennten") Verzögerungsgeld belegt werden kann (vgl. BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., zu Frage 17), wird in der Rechtsprechung der FG eine Vervielfältigung des Mindestsatzes (2.500 €) entsprechend der Anzahl der Pflichtverstöße ohne deren eigenständige Gewichtung als ernstlich zweifelhaft angesehen (Beschluss des Hessischen FG vom 8. August 2011  8 V 1281/11, EFG 2011, 1949; Beschluss des FG Hamburg vom 16. November 2011  2 V 173/11, EFG 2012, 382). Dem wird im Schrifttum teilweise zugestimmt (z.B. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 146 AO Rz 51b); andere vertreten hingegen die Ansicht, dass zwar das Verzögerungsgeld für jede (einzelne) Verletzung der Mitwirkungspflicht ausgesprochen werden könne, jedoch die Aufforderung zur Vorlage mehrerer Urkunden in einem Schriftstück als nur ein Mitwirkungsverlangen zu werten sei und dessen Verletzung nur mit der Festsetzung eines Verzögerungsgelds sanktioniert werden dürfe (Klein/Rätke, AO, 11. Aufl., § 146 Rz 36).

15

3. Das anhängige Verfahren gibt dem Senat keine Gelegenheit, zu diesem Meinungsstreit abschließend Stellung zu nehmen. Insbesondere hat der Senat nicht darauf einzugehen, ob dann, wenn beispielsweise im Rahmen einer Außenprüfung die Mitwirkungsverlangen zu verschiedenen Prüfungsfeldern ergehen und der Steuerpflichtige diesen nicht entspricht, das FA befugt ist, für die die jeweiligen (einzelnen) Prüfungsfelder betreffenden Verstöße ein gesondertes Verzögerungsgeld auszusprechen, oder ob es hierzu weiterer Voraussetzungen --wie z.B. der zeitlichen Staffelung der Mitwirkungsaufforderungen-- bedarf. Im Streitfall kommt es hierauf nicht an, da selbst dann, wenn man im Falle des Verstoßes gegen mehrere Mitwirkungspflichten die gleichzeitige Festsetzung je eines Verzögerungsgelds für grundsätzlich zulässig erachten würde, der angefochtene Bescheid --wie vom FG im Ergebnis zu Recht erkannt-- aufzuheben wäre.

16

a) Die Festsetzung des Verzögerungsgelds erfordert nach § 146 Abs. 2b AO neben den zwingenden tatbestandlichen Voraussetzungen (z.B. Nichterfüllung der Mitwirkungspflicht gemäß § 200 Abs. 1 AO) eine zweifache Ermessensentscheidung der Behörde, nämlich erstens im Hinblick darauf, ob im jeweiligen Einzelfall ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird (sog. Entschließungsermessen), sowie zweitens --falls das Entschließungsermessen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeübt wird-- eine Entscheidung über die Höhe der Sanktion innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens von mindestens 2.500 € bis höchstens 250.000 € (sog. Auswahlermessen; vgl. insgesamt BFH-Beschlüsse in BFHE 233, 317, BStBl II 2011, 855; in BFH/NV 2011, 1833). Diese zweistufige Ermessensprüfung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers: Während der Gesetzentwurf der Bundesregierung --zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. dazu nachfolgend zu II.3.a bb) --einen behördlichen Ermessensspielraum nur im Hinblick auf die Höhe des Verzögerungsgelds eröffnen wollte (vgl. BTDrucks 16/10189, S. 26, 81), ist der letzte Halbsatz des § 146 Abs. 2b AO-- auf Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestags (BTDrucks 16/11055, S. 81) mit dem ausdrücklichen Ziel geändert worden ("kann... festgesetzt werden"), ein "Entschließungsermessen einzufügen" (BTDrucks 16/11108, S. 47).

17

aa) Der Ermessenscharakter des § 146 Abs. 2b AO hat allgemein zur Folge, dass die Finanzgerichte die Festsetzung des Verzögerungsgelds nur eingeschränkt überprüfen können. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bestimmung gegeben und hat das FA den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt sowie seine Entscheidung hinreichend begründet (§ 121 AO, ggf. i.V.m. § 126 AO; vgl. auch § 102 Satz 2 FGO), ist der gerichtlichen Kontrolle die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) zugrunde zu legen. Des Weiteren ist die Prüfung nach § 102 Satz 1 FGO darauf beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob das FA von seinem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihm zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung) oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz missachtet hat (vgl. zu allem Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 102 FGO Rz 61 ff., Rz 86 ff., Rz 94 ff., jeweils mit umfangreichen Nachweisen).

18

bb) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach dem das eingesetzte Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht nur erforderlich und geeignet, sondern hierzu auch in einem angemessenen, d.h. für den Betroffenen zumutbaren Verhältnis stehen muss (vgl. Wernsmann in HHSp, § 5 AO Rz 169), genießt Verfassungsrang und ist deshalb stets auch bei der Auslegung und Anwendung von Normen des einfachen Rechts --mithin auch bei der Ermessensausübung durch die Finanzämter-- zu beachten (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 1976  2 BvL 1/76, BVerfGE 43, 101, 106). Hiermit übereinstimmend hat auch der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung des § 146 Abs. 2b AO als Ermessensvorschrift eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechende Handhabung der Vorschrift durch die Finanzbehörden "gewährleisten" wollen (BTDrucks 16/10189, S. 81).

19

aaa) Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass das FA die Höhe des Verzögerungsgelds, dessen Zweck nach herrschender Meinung nicht nur darin zu sehen ist, den Steuerpflichtigen zur zeitnahen Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten anzuhalten (BTDrucks 16/10189, S. 81), sondern auch die Verletzung der Mitwirkungspflichten zu sanktionieren (vgl. z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 25, m.w.N.; kritisch Drüen in Tipke/Kruse, § 146 AO Rz 48), insbesondere an der Dauer der Fristüberschreitung, den Gründen und dem Ausmaß der Pflichtverletzung/en sowie der Beeinträchtigung der Außenprüfung auszurichten hat (vgl. auch BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O.).

20

bbb) Da aber das Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € festzusetzen ist und es sich hierbei nicht um einen Bagatellbetrag handelt, müssen die nämlichen Merkmale auch bei der Ausübung des sog. Entschließungsermessens, d.h. bei der Entscheidung der Finanzbehörden darüber zum Tragen kommen, ob gegenüber dem Steuerpflichtigen ein Verzögerungsgeld festgesetzt wird. Maßstab auch dieser Ermessensentscheidung des FA sowie nachvollziehbarer Gegenstand ihrer Begründung (§ 121 AO) muss deshalb sein, ob die Festsetzung eines Verzögerungsgelds in Höhe der Sanktionsmindestgrenze (2.500 €) mit Rücksicht auf die Umstände der zu beurteilenden Pflichtverletzung/en sowie das Ausmaß der Beeinträchtigung der Prüfung angemessen ist. Demnach ist es ausgeschlossen, im Rahmen des Entschließungsermessens von einer Vorprägung auszugehen, wonach jede Verletzung der Mitwirkungspflichten (§ 200 Abs. 1 AO) --unabhängig davon, ob den Steuerpflichtigen ein Schuldvorwurf trifft-- grundsätzlich zur Festsetzung eines Verzögerungsgelds führt; erforderlich ist vielmehr auch insoweit eine an der Sanktionsuntergrenze (2.500 €) auszurichtende Würdigung des Einzelfalls. Nur diese Beurteilung stellt sicher, dass die Festsetzung des Verzögerungsgelds durchgängig den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entspricht (überwiegende Meinung; z.B. Klein/Rätke, a.a.O., § 146 Rz 30; Kuhfus in: Kühn/v.Wedelstädt, 20. Aufl., AO, § 146 AO Rz 14g; Dißars in Schwarz, AO, § 146 Rz 49; Göttker in juris Lexikon Steuerrecht, Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO, Rz 16 ff.; Drüen, Die Unternehmensbesteuerung 2011, 83, 87 f.; Hopp/Bruns, DStR 2012, 1485, 1487; FG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 3. Februar 2010  3 V 243/09, EFG 2010, 686; FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2012  3 V 3006/12, EFG 2012, 1225; a.A. insoweit BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., zu Frage 6; Gebbers, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 2009, 162, 167; derselbe, StBp 2009, 196; Geißler, Neue Wirtschafts-Briefe 2009, 4076, 4080).

21

ccc) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert damit zugleich, dass der Gegenstand des Entschließungsermessens mit demjenigen des Auswahlermessens übereinstimmt. Er ist demnach verletzt, wenn die Entscheidung, ob es überhaupt angemessen ist, ein Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € auszusprechen (Entschließungsermessen), aus der Summe (d.h. dem Bündel) der Pflichtverletzungen abgeleitet wird, bei der hieran anschließenden Ermessenentscheidung dazu, ob es --im nämlichen Fall-- angemessen und zumutbar ist, den Mindestsatz zu überschreiten (Auswahlermessen), das FA hingegen auf die einzelne Pflichtverletzung abstellt und diese jeweils --ohne weitere die Gesamtheit der Verstöße betreffende Erwägungen-- in Höhe von 2.500 € (Mindestsatz) sanktioniert. Letzteres kann zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Gebots der Verhältnismäßigkeit nur dann in Betracht kommen, wenn das FA im Rahmen der Ausübung seines Entschließungsermessens zu dem nachvollziehbaren und begründeten Ergebnis gekommen ist, dass jede einzelne der in Frage stehenden Mitwirkungspflichten --für sich genommen-- die Belastung des Steuerpflichtigen mit einem Verzögerungsgeld in Höhe von mindestens 2.500 € rechtfertigt.

22

b) Demnach kann im Streitfall die Festsetzung des Verzögerungsgelds gegenüber der Klägerin keinen Bestand haben. Dabei kann unentschieden bleiben, ob --was dem Senat naheliegend erscheint-- der Bescheid vom 31. Mai 2010 (in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Juli 2010) auf die Festsetzung nur eines Verzögerungsgelds gerichtet ist, dessen Höhe (5.000 €) aus der Verdoppelung des Mindestsatzes abgeleitet wurde (Variante 1), oder ob die Einspruchsentscheidung dahin zu verstehen sein könnte, dass gegenüber der Klägerin in zusammengefasster Form sowohl für die Nichtvorlage der Nachweise zur Rückstellung "management creativ" als auch angesichts der fehlenden Erläuterungen und Nachweise bezüglich der "Management Fee" jeweils ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € ausgesprochen worden ist (Variante 2).

23

Der von der Klägerin angefochtene Bescheid ist ungeachtet dieses Auslegungsspielraums zum einen bereits deshalb ermessensfehlerhaft, weil das FA der Ausübung seines Entschließungsermessens (Entscheidung über die Festsetzung eines Verzögerungsgelds) die Nichtvorlage der angeforderten prüfungsrelevanten Unterlagen und Erläuterungen und damit eine zusammenfassende Würdigung aller Pflichtverletzungen der Klägerin zugrunde gelegt hat, und es hiernach gemäß den vorstehenden Erläuterungen ausgeschlossen ist, diesen Beurteilungsgegenstand im Rahmen des Auswahlermessens aufzulösen, d.h. für jede einzelne Verletzung der Mitwirkungspflichten ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € anzusetzen (Auslegungsvariante 1) oder festzusetzen (Auslegungsvariante 2). Zum anderen kann der Bescheid auch deshalb keinen Bestand haben, weil auch Ermessensentscheidungen zu begründen sind (§ 121 AO; Lange in HHSp, § 102 FGO Rz 89) und sich weder der Einspruchsentscheidung noch dem Bescheid vom 31. Mai 2010 mit der gebotenen Sicherheit entnehmen lässt, dass das FA sein Entschließungsermessen über die Festsetzung des Verzögerungsgelds mit Rücksicht auf die Sanktionsuntergrenze von 2.500 € ausgeübt hat. Vielmehr legt die Einspruchsentscheidung die Vermutung nahe, dass die Behörde --im Einklang mit der Verwaltungspraxis (vgl. BMF-Schreiben vom 28. September 2011, a.a.O., dort zu Frage 6)-- von einer verschuldensunabhängigen Vorprägung ihrer Ermessensbefugnis in dem Sinne ausgegangen ist, dass die Verletzung der Mitwirkungsverpflichtungen grundsätzlich die Sanktion des Verzögerungsgelds trage. Ein solches Verständnis ist jedoch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar.

24

4. Da die gerichtliche Kontrolle darauf beschränkt ist, die Ermessensentscheidung des FA in den aufgezeigten Grenzen zu überprüfen und dem Senat hiernach auch nicht die Befugnis zusteht, sein eigenes Ermessen an die Stelle der Verwaltungsbehörde zu setzen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460; vom 14. März 2012 XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, jeweils m.w.N.), war der angefochtene Bescheid ungeachtet dessen aufzuheben, ob im Rahmen einer fehlerfreien Ermessensausübung die Festsetzung eines Verzögerungsgelds --sei es in Höhe von 5.000 €, sei es mit einem geringeren Betrag-- hätte gerechtfertigt sein können.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine im Jahr 1975 von den Gesellschaftern A und B gegründete, inzwischen aufgelöste und ohne Liquidation beendete OHG, als auch der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gingen übereinstimmend davon aus, dass zwischen der Klägerin als Organträgerin und der "A-B GmbH" (GmbH) als Organgesellschaft seit 1991 eine Organschaft i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bestand.

2

Am 4. März 1999 (Streitjahr) beantragte die GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Noch am selben Tag bestellte das zuständige Amtsgericht einen Rechtsanwalt zum vorläufigen --"schwachen"-- Insolvenzverwalter und traf folgende Anordnungen: "Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens sind nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO). Den Schuldnern der Schuldnerin (Drittschuldnern) wird verboten, an die Schuldnerin zu zahlen. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen der Schuldnerin einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen."

3

Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH wurde am 1. Mai 1999 eröffnet. Mit Kauf- und Übernahmevertrag vom 10. Mai 1999 erwarb die Klägerin von der insolventen GmbH deren Geschäftsbetrieb, den sie später verpachtete und 2009 schließlich verkaufte.

4

Nach einer Umsatzsteuer-Außenprüfung folgte das FA den Feststellungen des Prüfers, dass --entgegen der Ansicht der Klägerin-- die Organschaft, von deren Bestand die Beteiligten übereinstimmend ausgegangen waren, nicht schon am 4. März 1999 mit der Antragstellung, sondern erst am 1. Mai 1999 mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geendet habe. Gegen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Februar bis April 1999 legte die Klägerin Einspruch ein. Die Umsatzsteuer für das Streitjahr 1999 wurde abweichend von der in 2001 abgegebenen Umsatzsteuer-Jahreserklärung der Klägerin mit Umsatzsteuer-Jahresbescheid vom 4. März 2002 unter Vorbehalt festgesetzt. Der am 7. März 2002 hiergegen eingelegte Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Die nach der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2004 erhobene Klage wurde am 5. August 2009 zurückgenommen.

5

Die Klägerin hatte bereits am 13. März 2002 den Antrag gestellt, die Umsatzsteuer wegen sachlicher und persönlicher Unbilligkeit nach § 163 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) herabzusetzen, soweit sie auf Lieferungen und sonstigen Leistungen der GmbH beruhe, die in der Zeit vom 1. Januar bis 30. April 1999 ausgeführt worden seien. Die Billigkeitsprüfung verlange eine Gesamtbeurteilung aller Normen, die für die Verwirklichung des konkreten Steueranspruchs maßgeblich seien. Berücksichtigt werden müsse daher die umsatzsteuerrechtliche als auch die insolvenzrechtliche Situation. Dem Organträger sei es aus zwingenden insolvenzrechtlichen Gründen verwehrt, über die Mittel zu verfügen, die er zur Begleichung der Umsatzsteuer benötige. Der Sicherungszweck verbiete es dem vorläufigen Insolvenzverwalter der Organgesellschaft, Zahlungen an den Organträger zum Zwecke der Weiterleitung an die Finanzbehörde zu leisten. Der Organträger müsse somit die Umsatzsteuer aus seinem sonstigen Vermögen entrichten. Dies widerspreche dem grundlegenden umsatzsteuerrechtlichen Prinzip, dass wirtschaftlich der Kunde die Umsatzsteuer zu tragen habe. Eine abwälzbare Steuer wie die Umsatzsteuer könne nicht abgewälzt werden. Der Organträger habe nach Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters weder die Kenntnisse noch die finanziellen Mittel, um die umsatzsteuerrechtlichen Pflichten zu erfüllen. Die Buchführungsunterlagen der GmbH hätten sich bei dem vom vorläufigen Insolvenzverwalter hinzugezogenen Steuerberatungsbüro befunden. Auf das vom zur Forderungseinziehung ermächtigten vorläufigen Insolvenzverwalter eingerichtete Treuhandkonto habe sie, die Klägerin, nicht zugreifen können. Die Umsatzsteuer sei auch aus persönlichen Billigkeitsgründen abweichend niedriger festzusetzen. Die Gesellschafter der Klägerin hätten durch die Insolvenz der GmbH u.a. ihre Altersversorgung zum Großteil verloren.

6

Das FA lehnte diesen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung mit Bescheid vom 10. Dezember 2002 ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch, mit dem die Klägerin vorbrachte, die Steuerfestsetzung laufe den Wertungen des Gesetzgebers zuwider, weil das UStG davon ausgehe, dass dem Unternehmer die Entgelte für umsatzsteuerpflichtige Lieferungen und Leistungen tatsächlich zuflössen und er aus diesen Mitteln die Umsatzsteuer begleichen könne, hatte keinen Erfolg.

7

Das FA führte in der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2004 aus, der Organkreis, der als umsatzsteuerrechtliche Einheit zu sehen sei, habe die Zahlungen der Kunden in voller Höhe erhalten. Forderungsausfälle zwischen den beteiligten Unternehmen seien unbeachtlich. Das Umsatzsteuerrecht kenne auch andere Sachverhaltsgestaltungen, bei denen die Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt werden müsse, obwohl die von den Kunden vereinnahmten Zahlungen, wie z.B. bei Diebstahl oder Unterschlagung, nicht mehr zur Verfügung stünden. Auch die fehlende Kenntnis von den Besteuerungsgrundlagen lasse keine abweichende Steuerfestsetzung zu. Die Klägerin hätte sich die erforderlichen Kenntnisse vom Insolvenzverwalter verschaffen können und müssen. Die die Gesellschafter der Klägerin betreffenden persönlichen Billigkeitsgründe seien bei der Ausübung des Entschließungsermessens über deren Haftungsinanspruchnahme zu prüfen.

8

Das Finanzgericht (FG) bestätigte das FA in dem sich anschließenden Klageverfahren. Ein Überhang des gesetzlichen Tatbestands über die Wertungen des Gesetzgebers sei nicht feststellbar. Organträger könnten grundsätzlich nicht über die laufenden Einnahmen der von ihnen beherrschten Organgesellschaft verfügen. Der Organträger besitze gegenüber seiner Organgesellschaft einen zivilrechtlichen Anspruch auf Ersatz der gegenüber ihm vom Fiskus festgesetzten Umsatzsteuer. Es erscheine ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber erwogen haben könnte, bei einem eintretenden Ausfall dieser Forderung die aus der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft folgenden Rechtswirkungen zu suspendieren. Die Steuerfestsetzung gegenüber der Klägerin sei auch gemessen an der Einzelfallgerechtigkeit nicht unbillig. Die vertretungsberechtigten Gesellschafter hätten die Organschaft bereits vor Stellung des Insolvenzantrags beenden können, z.B. durch fristlose Kündigung des Pachtverhältnisses wegen der rückständigen Pachtzinsen. Die Klägerin habe ihren Anspruch auf Ersatz der auf die Umsätze der GmbH entfallenden Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren nicht geltend gemacht und somit nicht an der Verteilung der Insolvenzmasse teilgenommen, die zu einer Befriedigung der angemeldeten Forderungen in Höhe von … % geführt habe.

9

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 555 veröffentlicht.

10

Die Klägerin stützt ihre Revision auf die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen, die vom FA vorgenommene Umsatzsteuerfestsetzung führe zu dem systemwidrigen Ergebnis, dass sie die von der GmbH verursachten Umsatzsteuern aus ihrem sonstigen Vermögen zu entrichten habe. Dies stünde nicht im Einklang damit, dass die Umsatzsteuer nicht vom Unternehmer, sondern vom Verbraucher getragen werden solle. Auch § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG seien Ausdruck des grundlegenden Prinzips, dass die Umsatzsteuerschuld des Unternehmers im Zusammenhang mit den von ihm vereinnahmten Entgelten zu sehen sei. Komme es zu einer Entgeltminderung oder einem Forderungsausfall, sei die Umsatzsteuer entsprechend zu mindern, da die Umsatzsteuer ansonsten wirtschaftlich vom Unternehmer zu tragen wäre. Dem UStG liege somit das Prinzip zugrunde, dass der Unternehmer Umsatzsteuer nur insoweit zu zahlen habe, als er auch die entsprechenden Umsatzerlöse vereinnahmen konnte.

11

Die vom FG angestellten Erwägungen seien nicht geeignet, diese zur sachlichen Unbilligkeit führende Systemwidrigkeit der Besteuerung im Streitfall zu rechtfertigen. Der Gesetzgeber habe die vorliegende Sachverhaltskonstellation weder gesehen noch ihre umsatzsteuerrechtlichen Folgen bewusst in Kauf genommen.

12

Das FG habe ferner seine nach § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bestehende Pflicht, den Sachverhalt aufzuklären, verletzt. Soweit das FG seine Entscheidung darauf stütze, die Klägerin hätte durch eine fristlose Kündigung des Pachtvertrages die Organschaft beenden können, berücksichtige es nicht die Grundsätze der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung. Die fehlende Sachaufklärung, die im finanzgerichtlichen Verfahren nicht hätte gerügt werden können und die sich dem FG hätte aufdrängen müssen, hätte ergeben, dass die GmbH im maßgeblichen Zeitpunkt weder kredit- noch überlassungswürdig im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs --BGH-- (z.B. Urteil vom 14. Dezember 1992 II ZR 298/91, BGHZ 121, 31) gewesen sei, so dass eine Beendigung des Nutzungsverhältnisses (Pachtverhältnisses) nicht möglich gewesen wäre. Im Übrigen habe sie deshalb keinen Umsatzsteuererstattungsanspruch im Insolvenzverfahren der GmbH angemeldet, weil sie sich nicht als Schuldnerin der von der GmbH verursachten Umsatzsteuer gesehen habe.

13

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung sowie den Ablehnungsbescheid vom 10. Dezember 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 2004 aufzuheben und das FA zu verpflichten, die mit Umsatzsteuerbescheid für 1999 vom 4. März 2002 festgesetzte Umsatzsteuer um … DM auf … DM herabzusetzen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

14

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

15

Es tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und führt u.a. aus, es könne dahinstehen, ob im Gesetzgebungsverfahren die nach Ansicht der Klägerin im Billigkeitswege zu regelnde Frage bedacht worden sei, da im Insolvenzverfahren keine Ungleichbehandlung eines Organkreises gegenüber einem Steuerpflichtigen ohne Organkreis bestehe. Die zivilrechtlichen Folgen einer möglichen Beendigung des Pachtverhältnisses und die Grundsätze der eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung seien vorliegend nicht maßgebend gewesen.

Entscheidungsgründe

16

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie war daher nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

17

Das FG hat die zulässige Klage auf abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen zu Recht abgewiesen.

18

1. Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre.

19

Die nach § 163 AO zu treffende Billigkeitsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§ 102, § 121 FGO). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BStBl II 1972, 603; Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297; vom 10. Oktober 2001 XI R 52/00, BFHE 196, 572, BStBl II 2002, 201; vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; vom 6. September 2011 VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269, jeweils m.w.N.). Stellt das Gericht eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehler fest, ist es grundsätzlich auf die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung beschränkt. Nur in den Fällen der sog. Ermessensreduzierung auf Null ist es befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde zu setzen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 196, 572, BStBl II 2002, 201; in BFH/NV 2012, 269, unter II.1., jeweils m.w.N.).

20

2. Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; vom 18. Dezember 2007 VI R 13/05, BFH/NV 2008, 794; in BFH/NV 2011, 865). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 12. September 2007 X B 18/03, BFH/NV 2008, 102, m.w.N.). Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme (vgl. BFH-Urteile vom 16. August 2001 V R 72/00, BFH/NV 2002, 545; vom 4. Februar 2010 II R 25/08, BFHE 228, 130, BStBl II 2010, 663; in BFH/NV 2011, 865, jeweils m.w.N.).

21

3. Rechtsfehlerfrei hat das FG erkannt, dass das FA die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden sachlichen Unbilligkeit zutreffend verneint hat.

22

a) Es verstößt nicht gegen die materiell-rechtlichen Wertungen des UStG und rechtfertigt --wie das FG zu Recht entschieden hat-- keine abweichende Steuerfestsetzung, soweit --was das FG nicht ausdrücklich festgestellt hat-- die Klägerin von der GmbH keine finanziellen Mittel erhalten hat, um die Umsatzsteuer entrichten zu können, die auf die von der GmbH ausgeführten Umsätze entfällt.

23

aa) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG). Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).

24

Hiernach sind die --aus Organträger und Organgesellschaften bestehenden-- Unternehmensteile als ein Unternehmer zu behandeln. Die Rechtsfolgen der Organschaft sind nach allgemeiner Auffassung nicht auf Innenleistungen beschränkt, sondern führen dazu, dass dem Organträger die Umsätze seiner Organgesellschaften zugerechnet werden (vgl. z.B. Senatsurteil vom 29. Oktober 2008 XI R 74/07, BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256, unter II.2.d, m.w.N.). Auch die Leistungsbezüge der Organgesellschaften für Zwecke des Vorsteuerabzugs sind dem Organträger zuzurechnen; er ist vorsteuerabzugsberechtigt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 3. April 2003 V R 63/01, BFHE 202, 79, BStBl II 2004, 434, unter II.1., m.w.N.; vom 10. November 2010 XI R 25/08, BFH/NV 2011, 839, unter II.1.b aa). Allein der Organträger ist Umsatzsteuersubjekt, das die Umsatzsteuer für den Organkreis schuldet (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juni 2001 V R 68/00, BFHE 195, 446, BStBl II 2002, 255, unter II.5.a; vom 28. Oktober 2010 V R 7/10, BFHE 231, 356, BStBl II 2011, 391, unter II.1.a bb; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 2 Rz 140; Korn in Bunjes/Geist, UStG, 10. Aufl., § 2 Rz 138; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, § 2 UStG Rz 84).

25

bb) Dies steht im Einklang mit dem Unionsrecht.

26

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG beruht auf Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln.

27

Die Ausübung der hiernach für den Mitgliedstaat eröffneten Ermächtigung, Personen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, führt zu einer "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen[, die] es ausschließt, dass die untergeordneten Personen weiterhin getrennt Mehrwertsteuererklärungen abgeben und innerhalb und außerhalb ihres Konzerns weiter als Steuerpflichtige angesehen werden, da nur der einzige Steuerpflichtige befugt ist, diese Erklärungen abzugeben" (vgl. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07 --Ampliscientifica und Amplifin--, Slg. 2008, I-4019, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2008, 534, Rz 19; BFH-Urteil vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 548, UR 2011, 943, unter II.1., m.w.N.).

28

cc) Soweit die Klägerin darauf verweist, dass die Umsatzsteuer nicht vom Unternehmer, sondern letztlich vom Verbraucher getragen werden solle, geschieht diese Entlastung des Unternehmers von der Umsatzsteuer grundsätzlich (bereits) durch den Vorsteuerabzug (§ 15 UStG).

29

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH soll durch die Regelung über den Vorsteuerabzug der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 22. Februar 2001 C-408/98 --Abbey National--, Slg. 2001, I-1361, UR 2001, 164, BFH/NV Beilage 2001, 48, Rz 24; vom 6. Juli 2006 C-439/04, C-440/04 --Kittel und Recolta Recycling--, Slg. 2006, I-6161, UR 2006, 594, BFH/NV Beilage 2006, 454, Rz 48; vom 16. Februar 2012 C-118/11 --Eon Aset Menidjmunt OOD--, UR 2012, 230, Rz 43; BFH-Urteil vom 13. Mai 2009 XI R 84/07, BFHE 225, 282, BStBl II 2009, 868, unter II.3.e; Heidner in Bunjes/Geist, a.a.O., § 15 Rz 5).

30

Dementsprechend hat das FA in dem gegenüber der Klägerin erlassenen Umsatzsteuerbescheid für 1999 vom 4. März 2002 auch die Vorsteuerbeträge zum Abzug zugelassen, die auf Lieferungen und Leistungen an die GmbH beruhten.

31

dd) Entgegen dem Vorbringen der Klägerin widerspricht die im Streitfall erfolgte Steuerfestsetzung nicht dem "grundlegenden Prinzip", dass der Unternehmer die Umsatzsteuer nur entrichten müsse, soweit er sie habe vereinnahmen können. Denn die Umsatzsteuer entsteht in der Regel --nämlich für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG)-- grundsätzlich mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 UStG). Insoweit ist unerheblich, ob und wann der Unternehmer das Entgelt für die von ihm erbrachte Lieferung oder sonstige Leistung vereinnahmt hat. Der Auffassung der Klägerin, das von ihr angenommene "grundlegende Prinzip", dass der Unternehmer Umsatzsteuer nur insoweit zu zahlen habe, als er auch die entsprechenden Umsatzerlöse habe vereinnahmen können, sei hier verletzt, weil sie (die Klägerin) die von den Kunden der GmbH für deren Leistungen entrichteten Zahlungen nicht habe vereinnahmen dürfen, kann deshalb nicht gefolgt werden.

32

Im Übrigen konnte die Klägerin nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStG die Umsatzsteuer entsprechend mindern, wenn das Entgelt für die ihr zuzurechnenden Umsätze der GmbH gemindert oder uneinbringlich geworden wäre. Umsatzsteuer hat sie nur für die ihr zuzurechnenden, von der GmbH ausgeführten Umsätze zu entrichten, soweit entsprechende Umsatzerlöse zu erzielen waren.

33

ee) Es ist mithin weder systemwidrig noch widerspricht es grundlegenden Wertungen des UStG, die von der GmbH bis zur Insolvenzeröffnung am 1. Mai 1999 verursachte Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin, die von den Beteiligten übereinstimmend als Organträgerin der GmbH betrachtet wurde, selbst dann festzusetzen, wenn sie von der GmbH keine Mittel erhalten hat, um diese Steuer zu entrichten.

34

b) Eine Ergebniskorrektur ergibt sich im Streitfall auch nicht aus einer Gesamtbeurteilung umsatzsteuer-, zivil- und insolvenzrechtlicher Regelungen.

35

Die Billigkeitsprüfung verlangt eine umfassende Berücksichtigung aller relevanten Normen und Umstände. Auf diese Weise lassen sich in bestimmten Einzelfällen Wertungswidersprüche aufdecken und im Billigkeitswege beseitigen, die bei isolierter Betrachtungsweise als typischer Nebeneffekt der Anwendung einzelner steuerrechtlicher Normen hinnehmbar erscheinen, insgesamt aber, in ihrem Zusammenwirken in einem atypischen Einzelfall eine Rechtslage herbeiführen, welche als sachlich unbillig erscheint (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297; vom 24. August 2011 I R 87/10, BFH/NV 2012, 161, unter II.2.b bb).

36

aa) Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft lässt die zivilrechtliche Selbständigkeit der eingegliederten juristischen Person unberührt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 30. November 2011 VII B 99/11, BFH/NV 2012, 805; Korn in Bunjes/Geist, a.a.O., § 2 Rz 139), so dass die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten des Organkreises keine Veränderung erfahren.

37

Dem Organträger steht gegen die Organgesellschaft ein zivilrechtlicher Anspruch auf Ausgleich der von der Organgesellschaft verursachten Umsatzsteuer zu (vgl. BFH-Urteil vom 23. September 2009 VII R 43/08, BFHE 226, 391, BStBl II 2010, 215, unter II.3.b aa).

38

Zu der in diesem Zusammenhang vergleichbaren gewerbesteuerrechtlichen Organschaft hat der BGH erkannt, dass es keine Rechtfertigung dafür gebe, die Organgesellschaft auch im Innenverhältnis von jeder gewerbesteuerrechtlichen Belastung freizustellen. Für das Gegenteil spreche vielmehr der Umstand, dass Ertrag und Kapital der Organgesellschaft in gleicher Weise wie beim Organträger der Gewerbesteuerpflicht --hier entsprechend die Umsätze der Organgesellschaft der Umsatzsteuerpflicht-- unterliegen, dass ein Teil der Steuerschuld, für den die Organgesellschaft gemäß § 73 Satz 1, § 44 Abs. 1 Satz 1 AO mithaftet, also allein in ihrem gewerblichen Bereich entstanden sei (vgl. BGH-Urteil vom 22. Oktober 1992 IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50, Neue Juristische Wochenschrift 1993, 585; ferner BGH-Urteil vom 1. Dezember 2003 II ZR 202/01, Deutsches Steuerrecht 2004, 468, m.w.N.; BFH-Urteil in BFHE 226, 391, BStBl II 2010, 215, unter II.3.b aa, m.w.N.).

39

bb) Der Organträger hat mit seinem zivilrechtlichen Anspruch auf Ausgleich der von der insolventen Organgesellschaft vor der Verfahrenseröffnung verursachten Umsatzsteuer einen zu diesem Zeitpunkt begründeten Vermögensanspruch i.S. des § 38 der Insolvenzordnung. Er ist mithin Insolvenzgläubiger der Organgesellschaft.

40

cc) Hiernach stellt sich auch aus dem Zusammenwirken umsatzsteuer-, zivil- und insolvenzrechtlicher Regelungen im Streitfall insgesamt kein atypischer Einzelfall dar, der eine sachlich unbillige Rechtslage herbeiführen würde. Es rechtfertigt jedenfalls keine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen, dass der Organträger hinsichtlich seines zivilrechtlichen Anspruchs auf Ausgleich der Umsatzsteuer das Insolvenzrisiko trägt. Der Gesetzgeber hätte daher die Grundlagen für die Steuerfestsetzung im Organkreis nicht anders als tatsächlich geschehen geregelt, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte.

41

Denn dadurch, dass der Gesetzgeber für den Fall der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit einer Organgesellschaft keine Sonderregelung getroffen hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass er an dem Eintritt der gesetzlichen Rechtsfolge, dass nur der Organträger Unternehmer und damit Schuldner der Umsatzsteuer aus den von der verbundenen Gesellschaft bewirkten Umsätzen ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG), ebenso wenig etwas hat ändern wollen, wie z.B. an der --im Streitfall ebenfalls in Betracht kommenden-- Haftung des Eigentümers von Gegenständen nach § 74 AO (vgl. BFH-Beschluss vom 10. März 2009 XI B 66/08, BFH/NV 2009, 977, unter 5.).

42

4. Auch die Verfahrensrüge der Klägerin hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Verfahrensfehler liegt nicht vor.

43

a) Nach dem Vorbringen der Klägerin habe das FG unterlassen, was sich ihm hätte aufdrängen müssen, aufzuklären, ob die GmbH im maßgeblichen Zeitpunkt kredit- und überlassungswürdig gewesen sei, und hierdurch gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verstoßen.

44

b) Das FG hat indessen insoweit auf eine weitere Aufklärung des Sachverhalts verzichten können. Denn nach dem maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunkt des FG (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 IV R 29/07, BFHE 230, 215, BStBl II 2011, 511, m.w.N.) kam es hierauf nicht an.

45

aa) Das FG hat die Klage abgewiesen, weil ein Überhang des gesetzlichen Tatbestands über die Wertungen des Gesetzgebers hinsichtlich der Festsetzung der Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin als Organträgerin unter Einbeziehung der von der Organgesellschaft bis zum 30. April 1999 getätigten Umsätze nicht feststellbar sei. Es sieht die Steuerfestsetzung auch gemessen an der Einzelfallgerechtigkeit nicht als unbillig an, weil es den vertretungsberechtigten Gesellschaftern der Klägerin nach Auffassung des FG "ein Leichtes gewesen wäre, bereits vor Stellung des Insolvenzantrags die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Beendigung der Organschaft zu schaffen". Das FG führt weiter aus, "nahe gelegen hätte z.B. angesichts der Höhe der rückständigen Pachtzinsen eine fristlose Kündigung des Pachtverhältnisses".

46

bb) Verstößt die Steuerfestsetzung nicht gegen die materiell-rechtlichen Wertungen des UStG und erfordert auch eine Gesamtbeurteilung umsatzsteuer-, zivil- und insolvenzrechtlicher Regelungen keine Ergebniskorrektur, kommt es nicht darauf an, ob die aus Sicht der Beteiligten vorgelegene Organschaft durch Kündigung des Pachtverhältnisses, dem --wie die Klägerin meint-- die fehlende Kredit- und Überlassungswürdigkeit der GmbH entgegengestanden hätte, hätte beendigt werden können.

47

Denn selbst wenn die zivilrechtlichen Voraussetzungen zur Beendigung des Pachtverhältnisses --die das FG nur beispielhaft für die seiner Ansicht nach mögliche (tatsächliche) Beendigung der Organschaft genannt hat-- nicht vorgelegen hätten, wäre die Vorentscheidung nicht anders ergangen.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

Gründe

1

Die erhobene Nichtzulassungsbeschwerde und der Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts sind unzulässig.

2

1. Gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts dient (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder Verfahrensmängel vorliegen, auf denen die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO im Einzelnen dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt:

3

a) Die Voraussetzungen einer Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) liegen bereits deshalb nicht vor, weil die Beschwerdeschrift weder einen Hinweis auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO noch eine klärungsbedürftige und klärungsfähige abstrakte Rechtsfrage enthält.

4

b) Soweit dem Vorbringen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) die Rüge der Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO zu entnehmen sein sollte, führt dies nicht zur Zulassung der Revision, da es an der hinreichenden Darlegung des Zulassungsgrundes fehlt.

5

aa) Eine hinreichende Darlegung der Divergenz erfordert, dass der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des Finanzgerichts (FG) einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits herausarbeitet und einander gegenüberstellt, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Januar 2011 V B 144/09, BFH/NV 2011, 863; vom 24. August 2006 V B 36/05, BFH/NV 2007, 69). Der pauschale und unter Hinweis auf eine Kommentarstelle erfolgte Vortrag der Klägerin, dass der inländische Wohnsitz von Kindern bei Auslandsaufenthalten zwecks Studiums "nach ständiger Rechtsprechung" unter drei bestimmten Voraussetzungen aufrechterhalten werde, genügt diesen Anforderungen nicht. Selbst wenn es sich bei diesen Voraussetzungen um abstrakte Rechtssätze aus einem Urteil des BFH oder eines FG handeln sollte, hat die Klägerin keinen abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil des FG herausgearbeitet, der davon abweicht.

6

bb) Mit den ausdrücklich gerügten Rechtsfehlern des FG bei der Frage eines Wohnsitzes von Kindern während des Auslandsstudiums macht die Klägerin Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend, die eine Zulassung der Revision grundsätzlich nicht rechtfertigen können. Eine Ausnahme hiervon gilt nur dann, wenn es sich bei dem behaupteten Fehler um einen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung handelt, die geeignet wäre, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung zu beschädigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 25. März 2010 X B 176/08, BFH/NV 2010, 1455; vom 1. September 2008 IV B 4/08, BFH/NV 2009, 35). Hierfür bieten jedoch weder der Sachverhalt noch der Vortrag der Klägerin irgendwelche Anhaltspunkte.

7

c) Die Rüge der Klägerin, das FG habe seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) verletzt, führt nicht zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, da sie auch diesen Verfahrensmangel nicht hinreichend dargelegt hat.

8

Bei der Sachaufklärungsrüge handelt es sich um einen Verfahrensfehler, auf dessen Geltendmachung gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung verzichtet werden kann (BFH-Beschluss vom 15. Juni 2011 IV B 143/09, BFH/NV 2011, 1694). Deshalb bedarf es entweder einer rechtzeitigen Rüge in der Vorinstanz oder einer Darlegung, weshalb eine derartige Rüge von der in der Vorinstanz fachkundig vertretenen Klägerin nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 25. März 2010 X B 71/09, BFH/NV 2010, 1457, unter II.1.b aa der Gründe). Die in der Vorinstanz durch einen Rechtsanwalt fachkundig vertretene Klägerin hat ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung am 27. Juni 2011 keinen Verstoß gegen § 76 FGO gerügt. Sie hat in ihrer Beschwerdebegründung auch nicht dargelegt, weshalb ihr eine solche Rüge nicht möglich war.

9

2. Die von der Klägerin begehrte Festsetzung des Gegenstandswerts nach § 33 Abs. 1 und 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) kommt nicht in Betracht, da sich die Anwaltsgebühren im Streitfall nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen und es an einem solchen Wert nicht fehlt.

10

Der Antrag ist daher als Antrag auf Festsetzung des Streitwerts gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes zu verstehen. Dieser Antrag ist jedoch mangels des erforderlichen besonderen Rechtsschutzbedürfnisses für die Festsetzung des Streitwerts durch den beschließenden Senat unzulässig.

11

Die Ermittlung und Festsetzung des Streitwerts sind im Regelfall unselbständiger Teil des Kostenansatzverfahrens bzw. -festsetzungsverfahrens und obliegen daher in erster Linie dem Kostenbeamten (vgl. Ratschow in Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., Vor § 135 Rz 111). Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Streitwertfestsetzung durch das Gericht als Spruchkörper fehlt daher, wenn sich --wie im Streitfall-- die Höhe des Streitwerts eindeutig aus den gestellten Sachanträgen sowie aus den von der Rechtsprechung zur Bemessung des Streitwerts in gleichartigen Fällen entwickelten Grundsätze ermitteln lässt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. Oktober 2008 X B 248/07, BFH/NV 2009, 186, und vom 27. Januar 1994 VII S 36/93, BFH/NV 1994, 818; Ratschow, a.a.O., Vor § 135 Rz 115).