Bundesverfassungsgericht Urteil, 04. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 1152/10

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2011:rs20110504.2bvr236509
04.05.2011

Tenor

I. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. 1. a) § 67d Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 160) - soweit er zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus auch bei Verurteilten ermächtigt, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 160) begangen wurden -, § 66b Absatz 2 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (Bundesgesetzblatt I Seite 513), § 7 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 1212) sowie

b) § 66 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 2300), § 66 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt I Seite 3007), § 66a des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 2300), § 66a Absatz 1 und Absatz 2 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. August 2002 (Bundesgesetzblatt I Seite 3344), § 66b des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 2300), § 66b Absatz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (Bundesgesetzblatt I Seite 513), § 66b Absatz 3 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (Bundesgesetzblatt I Seite 1838), § 67d Absatz 2 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 160) - soweit er zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung bis zu zehn Jahren ermächtigt -, § 67d Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 160), § 67d Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 2300), § 7 Absatz 3 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 2300), § 7 Absatz 3 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 1212), § 106 Absatz 3 Satz 2 und Satz 3, Absatz 5 und Absatz 6 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 2300), § 106 Absatz 3 Satz 2 und Satz 3 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt I Seite 3007), § 106 Absatz 5 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (Bundesgesetzblatt I Seite 513) und § 106 Absatz 6 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (Bundesgesetzblatt I Seite 1838)

sind mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.

2. § 67d Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 160) in Verbindung mit § 2 Absatz 6 des Strafgesetzbuchs - soweit er zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus auch bei Verurteilten ermächtigt, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 160) begangen wurden -, § 66b Absatz 2 des Strafgesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (Bundesgesetzblatt I S. 513) und § 7 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 1212)

sind darüber hinaus mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes unvereinbar.

III. Gemäß § 35 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht wird angeordnet:

1. Die unter Nummer II.1. angeführten Vorschriften bleiben bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013, nach Maßgabe der Gründe weiter anwendbar.

2. Die unter Nummer II.2. angeführten Vorschriften bleiben ebenfalls bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013, weiter anwendbar, jedoch nach folgender Maßgabe:

a) In den von § 67d Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Absatz 6 des Strafgesetzbuchs erfassten Fällen, in denen die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus Sicherungsverwahrte betrifft, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 160) begangen wurden, sowie in den Fällen der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Absatz 2 des Strafgesetzbuchs und des § 7 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes dürfen die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung beziehungsweise ihre Fortdauer nur noch angeordnet werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und dieser an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz - ThUG) - Artikel 5 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 2300) - leidet.

b) Die zuständigen Vollstreckungsgerichte haben unverzüglich nach Verkündung dieses Urteils zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Fortdauer einer Sicherungsverwahrung nach Buchstabe a) gegeben sind. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ordnen die Vollstreckungsgerichte die Freilassung der betroffenen Sicherungsverwahrten spätestens mit Wirkung zum 31. Dezember 2011 an.

c) Die Überprüfungsfrist für die Aussetzung oder Erledigung der Sicherungsverwahrung beträgt in den Fällen des § 7 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes abweichend von § 7 Absatz 4 des Jugendgerichtsgesetzes sechs Monate, in den übrigen Fällen des Buchstaben a) abweichend von § 67e Absatz 2 des Strafgesetzbuchs ein Jahr.

IV. 1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 13. Juli 2009 - 1 Ws 304/09 - und der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit Sitz in Straubing vom 22. Mai 2009 - StVK 17/1998 - verletzen den Beschwerdeführer zu I. in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes und Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen.

2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 1. März 2010 - 2 Ws 120/10 - und der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen vom 23. November 2009 - 33 StVK 269/09 K - verletzen den Beschwerdeführer zu II. in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes und Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Aachen zurückverwiesen.

3. a) Der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 22. Oktober 2008 - 2 Ws 499/08 - und der Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 14. Juli 2008 - KLs 121 Js 17270/1998 jug. - verletzen den Beschwerdeführer zu III. in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes und Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Sache wird zur Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu III. an das Oberlandesgericht Nürnberg zurückverwiesen.

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 18. März 2009 - KLs 121 Js 17270/1998 jug. - richtet, wird sie verworfen.

b) Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. März 2010 - 1 StR 554/09 - und das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 22. Juni 2009 - NSV 121 Js 17270/1998 jug. - verletzen den Beschwerdeführer zu III. in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes und Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Urteile werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen.

4. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. Januar 2010 - 1 StR 595/09 - und das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 18. August 2009 - 1 Ks 401 VRs 400/09 - verletzen den Beschwerdeführer zu IV. in seinen Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes und Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Baden-Baden zurückverwiesen.

V. 1. Die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern haben dem Beschwerdeführer zu I. seine notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.

2. Die Bundesrepublik Deutschland und das Land Nordrhein-Westfalen haben dem Beschwerdeführer zu II. seine notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.

3. Die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Bayern haben dem Beschwerdeführer zu III. seine notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.

4. Die Bundesrepublik Deutschland und das Land Baden-Württemberg haben dem Beschwerdeführer zu IV. seine notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.

Gründe

A.

1

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Fortdauer beziehungsweise die nachträgliche Anordnung ihrer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Mittelbar sind die Verfassungsbeschwerden gegen die Vorschriften gerichtet, die den angefochtenen Entscheidungen jeweils zugrunde liegen, und die die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus (§ 67d Abs. 3 Satz 1 StGB), die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht (§ 66b Abs. 2 StGB, § 7 Abs. 2 JGG) sowie die Erstreckung des zeitlichen Anwendungsbereichs der Vorschriften auf Fälle betreffen, in denen die Anlasstaten bereits vor deren Inkrafttreten begangen wurden (§ 2 Abs. 6 StGB).

I.

2

1. a) Die Sicherungsverwahrung wurde mit dem Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November 1933 (RGBl I S. 995) eingeführt. In § 20a des Reichsstrafgesetzbuchs (RStGB) wurde eine Strafschärfung für "gefährliche Gewohnheitsverbrecher" vorgesehen, die schon zweimal wegen eines Verbrechens oder eines vorsätzlichen Vergehens jeweils zu mindestens sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden waren und durch eine neue vorsätzliche Tat eine Freiheitsstrafe verwirkt oder aber - unabhängig von entsprechenden Vorstrafen - mindestens drei vorsätzliche Taten begangen hatten. Wurde jemand "als ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher verurteilt", musste nach § 42e RStGB neben der Strafe obligatorisch die Sicherungsverwahrung angeordnet werden, wenn die öffentliche Sicherheit es erforderte. Die zeitliche Geltung des neu eingeführten Maßregelrechts wurde in § 2a RStGB dahingehend geregelt, dass über Maßregeln der Sicherung und Besserung nach dem Gesetz zu entscheiden war, das bei der Entscheidung galt. Für bereits rechtskräftig verurteilte und bei Inkrafttreten des Gesetzes in Strafhaft befindliche Täter wurde übergangsweise die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zugelassen (Art. 5 des Gewohnheitsverbrechergesetzes). Bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht konnte zunächst nicht auf Sicherungsverwahrung erkannt werden (Art. 3 des Ausführungsgesetzes zum Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 1933, RGBl I S. 1000).

3

b) Mit der Verordnung zum Schutz gegen jugendliche Schwerverbrecher vom 4. Oktober 1939 (RGBl I S. 2000) und der Verordnung über die Vereinfachung und Vereinheitlichung des Jugendstrafrechts vom 6. November 1943 (RGBl I S. 635) wurde in weitem Umfang die Möglichkeit eröffnet, gegen jugendliche Straftäter das allgemeine Strafrecht anzuwenden und damit auch die Sicherungsverwahrung anzuordnen (§ 20 des Reichsjugendgerichtsgesetzes).

4

2. a) Unter dem Grundgesetz wurde mit dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) vom 4. August 1953 die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Jugendliche (§ 7 JGG) sowie gegen Heranwachsende bei Anwendung von Jugendstrafrecht wieder ausgeschlossen (§ 105 Abs. 1 JGG) und nur noch - fakultativ - bei Verurteilungen von Heranwachsenden nach allgemeinem Strafrecht zugelassen (§ 106 Abs. 2 JGG).

5

b) Im Übrigen blieben die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung im Wesentlichen unverändert, bis sie durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25. Juni 1969 (BGBl I S. 645) grundlegend umgestaltet wurden. Die in § 20a des Strafgesetzbuchs (StGB) enthaltene Strafschärfung für "gefährliche Gewohnheitsverbrecher" entfiel. Stattdessen wurde in § 42e StGB für die Anordnung der Sicherungsverwahrung die Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit "infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten" vorausgesetzt. Zugleich wurden die formellen Anforderungen an Anlassverurteilung und Vorstrafen verschärft, für die obligatorische Anordnung der Sicherungsverwahrung das Erfordernis einer Vorverbüßung eingeführt, die Frist für die Überprüfung der Unterbringung verkürzt und deren Aussetzung zur Bewährung ermöglicht. Ferner wurde die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Heranwachsende auch bei deren Verurteilung nach allgemeinem Strafrecht ausgeschlossen.

6

3. Durch das Zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 4. Juli 1969 (BGBl I S. 717) wurden die Vorschriften zur Sicherungsverwahrung in die §§ 66 ff. StGB verlagert und die Dauer der Sicherungsverwahrung im Falle ihrer erstmaligen Anordnung in § 67d Abs. 1 StGB auf höchstens zehn Jahre begrenzt. Der Grundsatz, wonach über Maßregeln der Besserung und Sicherung nach dem im Entscheidungszeitpunkt geltenden Recht zu entscheiden ist, wurde mit dem Zusatz "wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist" zum heutigen § 2 Abs. 6 StGB. Die seitdem unverändert geltende Vorschrift lautet:

7

"(6) Über Maßregeln der Sicherung und Besserung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt."

8

4. Mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160) wurde in § 66 Abs. 3 StGB die Möglichkeit geschaffen, bei bestimmten Delikten bereits nach einer einschlägigen Wiederholungstat die Sicherungsverwahrung anzuordnen. Ferner wurde die Zehnjahreshöchstfrist für die erstmalig angeordnete Sicherungsverwahrung aufgehoben. Zugleich wurde in § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB eine Pflicht zur Überprüfung nach zehnjähriger Vollzugsdauer eingeführt. Die mit den Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und zu II. mittelbar angegriffene Vorschrift lautete seitdem bis zur Streichung der Worte "infolge seines Hanges", die mit Wirkung vom 1. Januar 2011 erfolgte:

9

"(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden."

10

Gemäß Art. 1a Abs. 2 EGStGB war die Neuregelung des § 66 Abs. 3 StGB nur anzuwenden, wenn eine der dort bezeichneten Straftaten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 31. Januar 1998 begangen wurde, wohingegen die neue Fassung von § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB gemäß Art. 1a Abs. 3 EGStGB in zeitlicher Hinsicht ausdrücklich uneingeschränkt - auch in Altfällen - Anwendung finden sollte.

11

5. Durch das Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. August 2002 (BGBl I S. 3344) wurde § 66 StGB dahingehend geändert, dass die Sicherungsverwahrung nunmehr nicht nur neben einer zeitigen, sondern auch neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe angeordnet werden konnte. Außerdem wurde ein neuer § 66a StGB hinzugefügt, demzufolge in den Fällen des § 66 Abs. 3 StGB die Sicherungsverwahrung im Urteil zunächst vorbehalten bleiben und über ihre Anordnung erst in einem Nachverfahren am Ende der Strafvollstreckung entschieden werden konnte. Dadurch sollte die Gefährlichkeitsprognose zeitlich nach hinten verlagert und durch Einbeziehung von Erkenntnissen aus dem Strafvollzug auf eine breitere Grundlage gestellt werden (vgl. BTDrucks 14/8586, S. 5). Flankiert wurde die Regelung durch eine Verfahrensvorschrift in § 275a StPO, die vorsah, dass das Gericht des ersten Rechtszuges nach Durchführung einer Hauptverhandlung über die im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung entscheidet.

12

6. Das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3007) dehnte mit einer Änderung von § 106 JGG den Anwendungsbereich der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung auf Heranwachsende aus, die nach allgemeinem Strafrecht abgeurteilt werden. Die Anwendbarkeit dieser Neuregelung wurde in Art. 1a EGStGB in zeitlicher Hinsicht dahingehend eingeschränkt, dass eine der Anlasstaten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. April 2004 begangen worden sein musste.

13

7. Mit Urteil vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 - (BVerfGE 109, 133) erklärte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts § 67d Abs. 3 StGB und Art. 1a Abs. 3 EGStGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 für mit dem Grundgesetz vereinbar und wies die Verfassungsbeschwerde eines Untergebrachten - Herrn M. - zurück, gegen den vor Inkrafttreten des genannten Gesetzes erstmalig die Sicherungsverwahrung angeordnet und aufgrund der Neuregelungen über eine Dauer von zehn Jahren hinaus vollzogen worden war. Der Wegfall der zehnjährigen Höchstfrist verletze weder die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) noch das Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), das strafrechtliche Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) oder das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot (Art. 2 Abs. 2 i.V.m. mit Art. 20 Abs. 3 GG).

14

8. Seit 2001 waren in einigen Bundesländern Straftäterunterbringungsgesetze erlassen worden, nach denen gegen rechtskräftig verurteilte Straftäter, deren Gefährlichkeit sich erst während des Strafvollzugs herausstellte, nachträglich die Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt angeordnet werden konnte. Zwei dieser Landesgesetze, das Bayerische Gesetz zur Unterbringung von besonders rückfallgefährdeten hochgefährlichen Straftätern vom 24. Dezember 2001 (GVBl S. 978) und das Gesetz des Landes Sachsen-Anhalt über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Personen zur Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 6. März 2002 (GVBl S. 80), wurden durch Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Februar 2004 - 2 BvR 834/02, 1588/02 - (BVerfGE 109, 190) für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt, weil es sich bei der geregelten Materie um Strafrecht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG handele und der Bund mit der Regelung der Sicherungsverwahrung im Strafgesetzbuch von seiner Gesetzgebungszuständigkeit zulässigerweise abschließend Gebrauch gemacht habe.

15

9. Mit dem Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (BGBl I S. 1838) machte der Bundesgesetzgeber von seiner in der Entscheidung des Zweiten Senats klargestellten Gesetzgebungskompetenz Gebrauch. In dem neu eingefügten § 66b StGB wurden drei Grundkonstellationen der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung geregelt. § 66b Abs. 1 StGB erfasste - wie durch einen Verweis auf die Voraussetzungen des § 66 StGB klargestellt wurde - ausschließlich Mehrfachtäter, während § 66b Abs. 2 StGB auch für Ersttäter galt, allerdings eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verlangte. Voraussetzung für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung waren jeweils neue, vor Ende des Strafvollzugs erkennbar gewordene Tatsachen, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinwiesen. § 66b Abs. 3 StGB regelte schließlich den Fall der Erledigung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, nicht (mehr) bestand. Der Katalog der möglichen Anlasstaten wurde für jede der drei Konstellationen unterschiedlich gefasst. § 66b Abs. 3 StGB verwies auf die in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Taten, zu denen neben den dort aufgeführten Vergehen sämtliche Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB) zählen. In § 66b Abs. 1 StGB wurde der Anlasstatenkatalog auf die in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Vergehen sowie bestimmte Verbrechen beschränkt. Eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB war ausschließlich als Folge bestimmter Verbrechen, nicht aber bei Vergehen möglich. In allen drei Konstellationen war eine hohe Wahrscheinlichkeit erheblicher Straftaten vorausgesetzt, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit diesen gegenüber der primären und der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung erhöhten Anforderungen an die Gefährlichkeitsprognose wollte der Gesetzgeber den Ausnahmecharakter der Vorschrift unterstreichen (vgl. BTDrucks 15/2887, S. 13).

16

§ 106 JGG wurde ebenfalls um die Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung bei Verurteilung von Heranwachsenden nach allgemeinem Strafrecht und bei Erledigung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erweitert.

17

10. Mit dem Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (BGBl I S. 513) reagierte der Gesetzgeber auf eine restriktive Auslegung des § 66b Abs. 1 StGB durch die Rechtsprechung (vgl. BTDrucks 16/4740, S. 22). Der Bundesgerichtshof hatte es nicht als "neue" - das heißt nach der Verurteilung erkennbar gewordene - Tatsache angesehen, wenn die Gefährlichkeit des Täters bereits bei Aburteilung der letzten Anlasstat bekannt war oder hätte erkannt werden können, das Tatgericht aber aus rechtlichen Gründen die Sicherungsverwahrung nicht verhängen konnte, weil es seinerzeit an einer entsprechenden Rechtsgrundlage fehlte (vgl. BGHSt 50, 284 <293 ff.>; BGH, Beschluss vom 25. Juli 2006 - 1 StR 274/06 -, NJW 2006, S. 3154 f.). § 66b Abs. 1 StGB wurde daher ein Satz 2 hinzugefügt, mit dem Fälle, in denen im Zeitpunkt der Verurteilung die Sicherungsverwahrung aufgrund der alten Fassung des Art. 1a EGStGB nicht angeordnet werden konnte oder in denen die Möglichkeit der Anordnung unter den Voraussetzungen des im Jahre 1998 geschaffenen § 66 Abs. 3 StGB noch nicht gegeben war, in den Anwendungsbereich des § 66b StGB einbezogen wurden (vgl. BTDrucks 16/4740, S. 1). § 106 JGG und § 66b Abs. 2 StGB wurden entsprechend angeglichen. Die mittelbar mit der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu IV. angegriffene Vorschrift des § 66b Abs. 2 StGB lautete seitdem bis zu ihrer jüngsten, am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Änderung:

18

"(2) Werden Tatsachen der in Absatz 1 Satz 1 genannten Art nach einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, erkennbar, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden."

19

11. Mit dem am 12. Juli 2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (BGBl I S. 1212) wurde der Anwendungsbereich der nachträglichen Sicherungsverwahrung auf das Jugendstrafrecht ausgedehnt. Die mit der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu III. mittelbar angegriffene Vorschrift des § 7 Abs. 2 JGG lautet:

20

"(2) Sind nach einer Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren wegen oder auch wegen eines Verbrechens

21

1. gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder

22

2. nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,

23

durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, vor Ende des Vollzugs dieser Jugendstrafe Tatsachen erkennbar, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Vollzugs der Jugendstrafe ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der vorbezeichneten Art begehen wird."

24

In § 7 Abs. 4 JGG (in der bis 31. Dezember 2010 gültigen Fassung) wurde darüber hinaus die sinngemäße Geltung verschiedener verfahrensrechtlicher Vorschriften, unter anderem von § 275a Abs. 5 Satz 1 StPO, angeordnet. Danach konnte das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden waren, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden würde.

25

12. a) Mit Urteil vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde-Nr.19359/04, M. ./. Deutschland) gab eine Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte der Individualbeschwerde von Herrn M. - dem Beschwerdeführer des Verfahrens, in welchem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 - (BVerfGE 109, 133) ergangen war - statt und stellte fest, Art. 5 Abs. 1 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit) und Art. 7 Abs. 1 EMRK (Keine Strafe ohne Gesetz) seien verletzt. Gleichzeitig verurteilte sie die Bundesrepublik zur Zahlung von 50.000 Euro an den Individualbeschwerdeführer. Mit der Ablehnung des Antrags der Bundesregierung auf Verweisung an die Große Kammer gemäß Art. 43 EMRK am 10. Mai 2010 wurde das Urteil rechtskräftig. Der Individualbeschwerdeführer M. wurde entlassen.

26

b) In der Folgezeit stellte die Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in ähnlich gelagerten Fällen ebenfalls eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention fest (EGMR, Urteil vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 17792/07, Kallweit ./. Deutschland; Urteil vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 20008/07, Mautes ./. Deutschland; Urteil vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nrn. 27360/04 und 42225/07, Schummer ./. Deutschland).

27

c) Unter Berufung auf die Kammerentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 wurde von einigen Vollstreckungsgerichten in Fällen, in denen die Anlasstaten ebenfalls vor dem Wegfall der früheren Höchstfrist im Jahr 1998 begangen worden waren, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach mehr als zehnjähriger Vollzugsdauer für erledigt oder ihre weitere Vollstreckung für unzulässig erklärt. Andere Vollstreckungsgerichte lehnten eine Freilassung der Betroffenen ab. Die Rechtsprechung der zuständigen Oberlandesgerichte war ebenfalls uneinheitlich (vgl. einerseits OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 24. Juni 2010 - 3 Ws 485/10 -, NStZ 2010, S. 573; OLG Hamm, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 4 Ws 157/10 -, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4. August 2010 - 2 Ws 227/10 -, NStZ-RR 2010, S. 322; andererseits OLG Celle, Beschluss vom 25. Mai 2010 - 2 Ws 169/10, 170/10 -, NStZ-RR 2010, S. 322; OLG Stuttgart, Beschluss vom 1. Juni 2010 - 1 Ws 57/10 -, RuP 2010, S. 157; OLG Koblenz, Beschluss vom 7. Juni 2010 - 1 Ws 108/10 -, RuP 2010, S. 154; OLG Nürnberg, Beschluss vom 24. Juni 2010 - 1 Ws 315/10 -, juris; OLG Köln, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 2 Ws 431/10 -, juris).

28

Deshalb wurde im Rahmen des Vierten Gesetzes zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 24. Juli 2010 (BGBl I S. 976) mit einer Ergänzung von § 121 Abs. 2 GVG eine Divergenzvorlagepflicht der Oberlandesgerichte bei Entscheidung über die Erledigung einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder über die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung eingeführt. Auch die Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs entwickelte sich allerdings uneinheitlich (vgl. einerseits BGH, Beschluss vom 12. Mai 2010 - 4 StR 577/09 -, NStZ 2010, S. 567; Beschluss vom 18. Januar 2011 - 4 ARs 27/10 -, juris, Rn. 4 ff.; Beschluss vom 17. Februar 2011 - 3 ARs 35/10 -, juris, Rn. 4 ff.; andererseits BGH, Beschluss vom 9. November 2010 - 5 StR 394/10, 440/10, 474/10 -, NJW 2011, S. 240; Beschluss vom 15. Dezember 2010 - 1 ARs 22/10 -, juris, Rn. 4 f.; Beschluss vom 22. Dezember 2010 - 2 ARs 456/10 -, juris, Rn. 3 ff.; Beschluss vom 21. Juli 2010 - 5 StR 60/10 -, NStZ 2010, S. 565). Eine Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen, der vom 5. Strafsenat angerufen worden ist, weil er von der Rechtsprechung des 4. Strafsenats abweichen möchte, steht noch aus.

29

13.Durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010(BGBl I S. 2300), das am 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist, wurde die Sicherungsverwahrung weitreichend umgestaltet. Der Anwendungsbereich der primären Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB wurde wesentlich enger gefasst, die vorbehaltene Sicherungsverwahrung in § 66a StGB erweitert und die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach § 66b StGB und § 106 JGG - abgesehen von den Fällen der Erledigung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus - gestrichen. Auch § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB wurde neu gefasst. Die neuen Vorschriften sind allerdings gemäß Art. 316e Abs. 1 EGStGB nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2011 begangen werden; für zuvor begangene Taten gilt das bisherige Recht weiter.

30

Darüber hinaus trat am 1. Januar 2011 - als Art. 5 des Gesetzes vom 22. Dezember 2010 - das Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter in Kraft (Therapieunterbringungsgesetz - ThUG). Gemäß § 1 ThUG kann die Unterbringung einer Person in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung angeordnet werden, wenn diese nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil ein Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen ist. Weitere Voraussetzung der Unterbringung ist, dass die Person an einer psychischen Störung leidet, mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen wird und die Unterbringung aus diesem Grund zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist. Die Unterbringung soll nach § 2 ThUG in einer räumlich und organisatorisch vom Strafvollzug getrennten Einrichtung vollzogen werden, die medizinisch-therapeutisch ausgerichtet sein und eine angemessene Behandlung der psychischen Störung auf der Grundlage eines individuell zu erstellenden Behandlungsplans und mit dem Ziel einer möglichst kurzen Unterbringungsdauer gewährleisten soll.

II.

31

Den Ausgangsverfahren liegen folgende Sachverhalte zugrunde:

32

1. Der 1955 geborene Beschwerdeführer zu I. hat sich seit seinem 20. Lebensjahr nur für jeweils kurze Zeitspannen in Freiheit befunden. Den wiederholten Haftstrafen lagen unter anderem Verurteilungen wegen Diebstählen zugrunde, zu deren Durchführung er in Wohnungen alleinstehender Frauen eingedrungen war.

33

a) Im Jahr 1978 wurde er wegen Diebstahls in Tateinheit mit Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zugleich wurde die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Auch dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er in die Wohnung einer alleinstehenden Frau eingedrungen war; im betreffenden Fall hatte er die Frau zuhause angetroffen und - nachdem er sie mit einem Messer bedroht und verschiedene sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen hatte - vergewaltigt. 1985 entwich er aus dem Maßregelvollzug und verübte erneut einen Wohnungseinbruchsdiebstahl. Nachdem seine Unterbringung im Juni 1986 zur Bewährung ausgesetzt worden war, wurde er deshalb im November 1986 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die bis Januar 1988 vollstreckt wurde. Im April 1988 verübte er drei weitere Wohnungseinbruchsdiebstähle, deretwegen er im Juli 1988 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt wurde, die er bis Juli 1989 verbüßte. Anfang August 1989 beging er erneut einen versuchten Diebstahl und wurde deshalb zu acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, die bis zum Frühsommer 1991 vollstreckt wurde. Im Juni 1991 wurde er zudem wegen sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Diese Strafe wurde bis Ende Dezember 1993 vollstreckt.

34

b) In der Zeit von März bis August 1994 verübte er vier weitere Wohnungseinbruchsdiebstähle, ohne dass es dabei zu Übergriffen auf die Geschädigten kam. Im August 1994 wurde er zunächst wegen einer dieser Taten zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Unter Einbeziehung dieser Strafe verurteilte ihn sodann das Landgericht Augsburg am 9. November 1995 wegen der anderen drei Diebstähle zu einer dreijährigen Gesamtfreiheitsstrafe sowie zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten und ordnete gemäß § 66 StGB seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Zur Begründung führte das Landgericht aus, der Hang des Beschwerdeführers richte sich auf die Begehung erheblicher Straftaten, durch die schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet werde. Dabei sei nicht allein auf die Schadenshöhe abzustellen. Erhebliche Taten seien namentlich solche, die bei der Bevölkerung das Gefühl der Rechtssicherheit zu stören geeignet seien. Dazu gehörten nächtliche Einbrüche in Wohnungen von Frauen, bei denen die Konfrontation mit den Opfern nicht gescheut werde.

35

c) Die Unterbringung des Beschwerdeführers zu I. in der Sicherungsverwahrung wird - mit kürzeren Unterbrechungen zur Vollstreckung von Freiheitsstrafen aus Verurteilungen wegen Betäubungsmitteldelikten - seit Dezember 1998 vollzogen. Im März 2001 wurde er in ein psychiatrisches Krankenhaus überwiesen. Ende Juni 2005 wurde diese Überweisung mit der Begründung aufgehoben, dass die Therapie gescheitert sei. Nach der Rückverlegung des Beschwerdeführers wurde wiederholt die Fortdauer seiner Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Am 23. Mai 2009 war er seit zehn Jahren in der Sicherungsverwahrung untergebracht.

36

d) Mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 22. Mai 2009 ordnete die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit Sitz in Straubing die Fortdauer der Sicherungsverwahrung an.

37

aa) Zur Vorbereitung dieses Beschlusses hatte die Strafvollstreckungskammer ein Gutachten eines externen Sachverständigen eingeholt. Dieser hatte im Wesentlichen ausgeführt, bei dem Beschwerdeführer stelle sich in Bezug auf das Rückfallrisiko "eine zwar in Ansätzen positive, jedoch noch unzureichende Entwicklung" dar. Prognostisch ungünstige Faktoren überwögen gegenüber den protektiven Faktoren.

38

bb) Gestützt auf dieses Gutachten führte die Strafvollstreckungskammer aus, von dem Beschwerdeführer seien auch künftig Straftaten zu besorgen, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt würden. Es sei von einer hohen Wahrscheinlichkeit auszugehen, dass er außerhalb des Maßregelvollzugs erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne des § 67d Abs. 3 StGB, insbesondere Sexual- und Gewaltdelikte, begehen würde. Im Rahmen der vorzunehmenden Prüfung seien auch Sexual- und Gewaltdelikte mit einzubeziehen.

39

e) Der Beschwerdeführer legte sofortige Beschwerde ein, mit der er im Wesentlichen geltend machte, eine weitere Fortdauer seiner Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus sei bereits deshalb unzulässig, weil sich der im Urteil festgestellte Hang nicht auf Gewalt- oder Sexualstraftaten bezogen habe. Im Übrigen sei eine hohe Gefährlichkeit für Gewalt- und Sexualdelikte nicht belegt.

40

f) Das Oberlandesgericht Nürnberg verwarf die sofortige Beschwerde mit - hier ebenfalls angefochtenem - Beschluss vom 13. Juli 2009 als unbegründet und führte zur Begründung aus, es bestehe weiterhin die Gefahr, dass der Beschwerdeführer infolge seines Hanges erhebliche Straftaten mit der Folge schwerer körperlicher oder seelischer Schäden bei den Opfern begehe. Die Sicherungsverwahrung sei nicht schon deswegen erledigt, weil das Landgericht im Urteil als Grund für ihre Anordnung nur einen Hang zu Straftaten mit der Gefahr von schweren wirtschaftlichen Schäden angenommen habe. Die aktuelle Gefährlichkeitsprognose sei das allein maßgebliche Kriterium. Im Rahmen einer Gesamtschau sei auch zu bewerten, dass die Begehungsmuster der Taten, die zur Anlassverurteilung geführt hätten, einigen derjenigen Gewaltdelikte entsprächen, die er früher begangen habe. In allen Fällen sei er in Wohnungen von alleinstehenden Frauen eingebrochen. Diese Vorgehensweise sei die gleiche wie bei den Taten, die in den Jahren 1978 und 1986 zur Verurteilung geführt hätten. Die weitere Fortdauer der Sicherungsverwahrung sei auch verhältnismäßig. Den Maßstab stellten insoweit nicht allein die Anlasstaten dar, die zur Verurteilung geführt hätten. Es müsse vielmehr die aktuell von ihm ausgehende Gefährdung in Relation zu dem Vollzug der Maßregel gesetzt werden.

41

g) Die daraufhin erhobene Anhörungsrüge des Beschwerdeführers zu I. wurde im September 2009 zurückgewiesen.

42

h) Mit Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit Sitz in Straubing - rechtskräftig seit 1. April 2011 - wurde die Unterbringung ab 17. Mai 2011 für erledigt erklärt.

43

2. a) Der 1957 geborene Beschwerdeführer zu II. - der sich seit Oktober 1990 nicht mehr in Freiheit befunden hat - wurde, nachdem er Anfang der 1970er Jahre zunächst wegen Vermögensstraftaten in Erscheinung getreten war, erstmals im Jahr 1984 wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexueller Nötigung und Körperverletzung, in einem Fall zusätzlich in Tateinheit mit Entführung gegen den Willen der Entführten und Freiheitsberaubung, zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Im August 1989 wurde er nach voller Verbüßung der Freiheitsstrafe von sechs Jahren entlassen.

44

b) Ein knappes Jahr nach seiner Entlassung, im Spätsommer 1990, verübte er drei weitere Vergewaltigungen, bei denen er sich gegenüber Prostituierten zum Schein als Freier ausgab, um sie sodann mit seinem Auto an eine entlegene Stelle zu verbringen und dort stundenlang mithilfe von Handschellen zu fesseln, mit einer Pistole zu bedrohen und zum Geschlechtsverkehr zu zwingen. Wegen dieser Taten wurde er am 6. März 1991 durch Urteil des Landgerichts Köln wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem Raub und sexueller Nötigung, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung sowie wegen sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Zugleich wurde gemäß § 66 Abs. 2 StGB seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Zur Begründung führte das Landgericht aus, der Beschwerdeführer habe einen Hang zu schweren Sexualstraftaten und sei deshalb für die Allgemeinheit gefährlich. Er habe bisher insgesamt fünf weitgehend gleichgelagerte Sexualstraftaten begangen. In allen Fällen habe er zu Frauen, die ihm entweder unbekannt gewesen seien oder zu denen er jedenfalls keine nähere Beziehung gehabt habe, unter einem Vorwand Kontakt aufgenommen und sie sodann in seine Gewalt gebracht. Stets habe er eine Waffe als Drohmittel benutzt, zumeist eine Pistole, einmal ein Messer. Auffallend sei besonders, dass er in allen Fällen seine Opfer für kürzere oder längere Zeit gefesselt habe. Begleitend dazu habe er die Geschädigten in sadistisch anmutender und brutaler Weise bedroht. Es sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass er auch in Zukunft Taten der abgeurteilten Art begehen werde. Er habe vermutlich spätestens im frühen Erwachsenenalter eine seelische Abartigkeit entwickelt, die ihn Lust an der Fesselung, der Angst und der Ohnmacht seiner Opfer empfinden lasse. Die Wiederholungsgefahr steigere sich zusätzlich dadurch, dass er abgesehen von seinen Taten ein sozial völlig integriertes Leben führe. Es sei zu erwarten, dass selbst engste Familienangehörige, mit denen er zusammenlebe, an ihm nichts Auffälliges bemerken würden; der Beschwerdeführer lebe sein abnormes Verhalten an einem anderen Ort aus. Falls er an ein Opfer gerate, das seinen Wünschen Widerstand entgegensetze, seien von ihm schwerste Aggressionen zu erwarten.

45

c) Nach Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird die Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung seit 16. Oktober 1999 vollzogen. Seitdem wurde stets deren Fortdauer beschlossen und zur Begründung im Wesentlichen auf die fehlende therapeutische Aufarbeitung der Straftaten abgestellt. Am 15. Oktober 2009 waren zehn Jahre Sicherungsverwahrung vollzogen.

46

d) Mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 23. November 2009 lehnte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen es ab, die weitere Vollstreckung der Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung aus dem Urteil des Landgerichts vom März 1991 zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären.

47

aa) In Vorbereitung dieses Beschlusses hatte die Strafvollstreckungskammer ein psychiatrisches Prognosegutachten eingeholt, in welchem zusammenfassend festgehalten wurde, es handle sich beim Beschwerdeführer um einen sexuell sadistischen Straftäter; eine irgendwie geartete Aufarbeitung der Straftaten mit Zugang zu deren Dynamik und seiner sexuell sadistischen Ausrichtung habe nicht stattgefunden. Das positive Vollzugsverhalten und die nach außen hin "unauffällige" Persönlichkeit relativierten die bei ihm bestehende Gefährlichkeit in keiner Weise.

48

bb) Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Strafvollstreckungskammer aus, auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen werde. Der Sicherungszweck der Maßregel erfordere weiterhin und wohl noch auf längere Zeit deren Fortdauer. Aus derzeitiger Sicht könne eine zukünftige Aussetzung der Maßregel erst nach einer erfolgreichen therapeutischen Aufarbeitung in Betracht kommen.

49

e) Der Beschwerdeführer legte sofortige Beschwerde ein, zu deren Begründung er sich auf das Urteil der Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde-Nr.19359/04, M. ./. Deutschland) berief und ausführte, die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über die Höchstdauer von zehn Jahren - über den 15. Oktober 2009 hinaus - sei rechtswidrig, weil sie nicht mehr nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK gerechtfertigt sei. Die Europäische Menschenrechtskonvention liefere einen gesamteuropäischen Mindeststandard an Garantien. Das nationale Recht dürfe dahinter nicht zurückbleiben. Es sei konventionskonform auszulegen. Die Sicherungsverwahrung werde in der Bundesrepublik nicht als Strafe angesehen, sei aber so ausgestaltet. Dies belege auch die Ausgestaltung seiner Sicherungsverwahrung.

50

f) Das Oberlandesgericht Köln verwarf die sofortige Beschwerde mit - hier ebenfalls angefochtenem - Beschluss vom 1. März 2010: Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133) stehe das Verbot rückwirkender Strafgesetze der Neufassung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB nicht entgegen, da es sich bei der Sicherungsverwahrung nicht um eine Strafe handle. Auch sei das Vertrauensschutzgebot nicht verletzt. Soweit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine abweichende Auffassung vertreten und einen Verstoß gegen Art. 5 und Art. 7 EMRK angenommen habe, sei diese Entscheidung nicht rechtskräftig. Der Senat verkenne nicht, dass der Beschwerdeführer sich inzwischen seit nahezu 20 Jahren in Unfreiheit befinde und sein Freiheitsrecht mit zunehmender Dauer an Gewicht gewinne. Im Hinblick auf die zu schützenden Güter der Allgemeinheit - der Beschwerdeführer habe Vergewaltigungen unter sadistischen, die Opfer in hohem Maße erniedrigenden und gleichzeitig in Todesangst versetzenden Umständen begangen - sei die Fortdauer der Sicherungsverwahrung jedoch nicht unverhältnismäßig.

51

3. a) Der 1978 geborene Beschwerdeführer zu III. wurde am 29. Oktober 1999 durch das Landgericht Regensburg wegen Mordes zu zehn Jahren Jugendstrafe verurteilt. Er hatte im Juni 1997 - als Heranwachsender im Alter von 19 Jahren - in einem Waldgebiet eine Joggerin angegriffen und erwürgt. Sodann hatte er den Genitalbereich der bereits toten oder im Sterben liegenden Frau freigelegt und bis zum Samenerguss onaniert. Das Landgericht sah es als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer anfangs dazu entschlossen gewesen sei, sein Opfer zu vergewaltigen und anschließend zu töten, dann aber den Geschlechtsverkehr mit der reglos daliegenden Frau nicht mehr gewollt habe. Weiterhin ging das Landgericht nach sachverständiger Beratung davon aus, dass der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt weder schuldunfähig noch vermindert schuldfähig im Sinne der §§ 20, 21 StGB gewesen sei, wenngleich gewisse Anhaltspunkte für den Beginn einer sexuellen Deviation bestünden. Am 17. Juli 2008 war die verhängte Jugendstrafe vollständig verbüßt.

52

b) Drei Tage vor Strafende ordnete das Landgericht Regensburg mit - im Rahmen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens angefochtenem - Beschluss vom 14. Juli 2008 gemäß § 275a Abs. 5 StPO die einstweilige Unterbringung des Beschwerdeführers zu III. in der Sicherungsverwahrung an. Die vorläufige Einschätzung, von dem Beschwerdeführer seien mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche Straftaten gegen Leib und Leben und die sexuelle Selbstbestimmung zu befürchten, stützte das Landgericht in erster Linie auf die Prognosegutachten zweier Sachverständiger aus dem Jahr 2006. Die Sachverständigen hatten bei dem Beschwerdeführer eine multiple Störung der Sexualpräferenz mit sadistischen und fetischistischen Elementen sowie eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ diagnostiziert. In prognostischer Hinsicht sei davon auszugehen, dass die sexualdeviante Entwicklung beim Beschwerdeführer noch nicht ihren Höhepunkt gefunden habe. Es bestehe ein erhebliches Risiko für die Begehung weiterer Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Selbstbestimmung. Es sei nicht zu erkennen, dass durch die bisherigen therapeutischen Angebote substantielle Therapieerfolge erzielt worden wären. Auch bei veränderten therapeutischen Bedingungen werde es nicht möglich sein, den Beschwerdeführer bis zum Strafende soweit zu stabilisieren, dass er keine Gefahr für die Allgemeinheit mehr darstelle.

53

Der Beschwerdeführer legte Beschwerde ein, die mit - ebenfalls angefochtenem - Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 22. Oktober 2008 als unbegründet verworfen wurde.

54

c) In der Hauptverhandlung im Verfahren über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung wurde ein Antrag des Beschwerdeführers, das Verfahren zur Einholung weiterer Prognosegutachten auszusetzen und den Unterbringungsbefehl aufzuheben, durch - mit der Verfassungsbeschwerde ebenfalls angefochtenen - Beschluss vom 18. März 2009 zurückgewiesen.

55

d) Mit Urteil vom 22. Juni 2009 - das der Beschwerdeführer zu III. ebenfalls mit seiner Verfassungsbeschwerde angreift - ordnete das Landgericht Regensburg gemäß § 7 Abs. 2 JGG nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Es stellte nach sachverständiger Beratung fest, bei dem Beschwerdeführer bestehe weiterhin eine multiple Störung der Sexualpräferenz (ICD-10 F65.6) und eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD-10 F60.30). Diese psychischen Erkrankungen seien Auslöser für die Begehung der Anlasstat gewesen. Bei ihm seien schon Jahre zuvor sexuelle Gewaltphantasien aufgetreten, die sich darauf gerichtet hätten, Frauen durch Würgen am Hals wehr- beziehungsweise leblos zu machen. Diese Phantasien - die bis heute nicht überwunden seien - hätten sich in den Wochen vor der Anlasstat intensiv gesteigert, bis er sie schließlich umgesetzt habe. Er werde - so das Landgericht, das sich dabei auf ein kriminologisches und ein psychiatrisches Sachverständigengutachten stützte - mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in § 7 Abs. 2 Nr. 1 JGG bezeichneten Art begehen. Seine psychischen Erkrankungen seien noch nicht ausreichend therapiert. Der im Falle einer Entlassung erforderliche gesicherte soziale Empfangsraum sei nicht gegeben. Bei einer Entlassung zum jetzigen Zeitpunkt sei mit hinreichender Gewissheit davon auszugehen, dass es bei der Bewältigung des alltäglichen Lebens in absehbarer Zeit zu einer Kumulation von Stressfaktoren kommen werde. Er habe gerade in Bereichen des sozialen Umfeldes mit negativen, frustrierenden und demütigenden Erlebnissen zu rechnen. Ebenso wie bei der Anlasstat bestehe dann die hohe Wahrscheinlichkeit, dass es erneut zu einer intensiven Steigerung der Gewaltphantasien und zu deren tatsächlichem Abladen in Form der Begehung schwerster Sexualdelikte komme, bis hin zum Sexualmord zur Befriedigung des Geschlechtstriebs.

56

e) Die Revision des Beschwerdeführers wurde durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. März 2010 als unbegründet verworfen. § 7 Abs. 2 JGG, so der Bundesgerichtshof, setze dem Wortlaut nach weder "neue" Tatsachen noch einen Hang zu erheblichen Straftaten voraus; dies entspreche dem Willen des Gesetzgebers. Gleichwohl müsse die spezifische Gefährlichkeit des Verurteilten im Hinblick auf die Begehung von Anlasstaten im Sinne von § 7 Abs. 2 JGG in seiner Persönlichkeit angelegt sein. Hieran gemessen habe das Landgericht die erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten rechtsfehlerfrei festgestellt.

57

§ 7 Abs. 2 JGG stehe im Einklang mit der Verfassung. Die Vorschrift verstoße weder gegen das strafrechtliche Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) noch das Doppelbestrafungsverbot (Art. 103 Abs. 3 GG) oder das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot (Art. 2 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3 GG). Auch ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention liege nicht vor. Abgesehen davon, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 noch nicht endgültig sei, lägen hier eine abweichende Fallgestaltung und Rechtslage vor. Während es bei dem vom Gerichtshof entschiedenen Sachverhalt um den Wegfall der nach § 67d Abs. 1 StGB alter Fassung geltenden zehnjährigen Höchstfrist gehe, betreffe der vorliegende Fall die erstmalige nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung bei nach Jugendstrafrecht Verurteilten. Die jeweiligen Verfahren seien grundsätzlich verschieden. Da der Beschwerdeführer psychisch krank sei, ergebe sich - im Gegensatz zu dem Fall, den der Gerichtshof zu entscheiden gehabt habe - eine Eingriffsermächtigung in das Freiheitsrecht jedenfalls aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK. Im Hinblick auf die vom Gerichtshof festgestellte Verletzung von Art. 7 Abs. 1 EMRK sei zu berücksichtigen, dass das System des Jugendstrafrechts vom allgemeinen Strafrecht abweiche und vom Erziehungsgedanken geprägt sei, an dem sich auch der Vollzug der Jugendstrafe orientiere. Abgesehen davon sei die Konvention nicht nur in Bezug auf die Grundrechte des Verurteilten und die ihn betreffenden rechtsstaatlichen Grundsätze als Auslegungshilfe heranzuziehen, sondern auch bei der Auslegung der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG resultierenden Pflicht des Staates, sich schützend vor das Leben potentieller Opfer zu stellen und dieses vor rechtswidrigen Eingriffen Dritter zu bewahren. Daran gemessen habe das Freiheitsrecht des Beschwerdeführers hinter dem Opferschutz zurückzutreten.

58

4. Der 1947 geborene Beschwerdeführer zu IV. ist vielfach vorbestraft und befindet sich seit Juni 1973 - abgesehen von wenigen Monaten in Freiheit - fortlaufend in Haft oder im Maßregelvollzug.

59

a) Er wurde erstmals im Jahr 1968 wegen Diebstahls zu einer Geldauflage und im Jahr 1970 wegen Beihilfe zur Verkehrsunfallflucht zu einer Geldstrafe sowie wegen mehrerer, teils qualifizierter Diebstähle zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

60

b) In der Zeit von Oktober 1970 bis Juni 1973 brachte er in insgesamt zwölf Fällen Mädchen an einsam gelegenen Orten überfallartig in seine Gewalt, versetzte sie durch Drohung mit einem Messer in Todesangst und nötigte sie zu vaginalem oder oralem Geschlechtsverkehr oder anderen sexuellen Handlungen. Er wurde deshalb am 14. Dezember 1973 durch das Landgericht Berlin wegen Vergewaltigung in fünf Fällen, in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern, sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexueller Nötigung in sieben weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Die Strafaussetzung zur Bewährung aus der vorangegangenen Verurteilung wurde widerrufen. Die verhängten Freiheitsstrafen verbüßte er vollständig bis Dezember 1986.

61

c) Im März 1987 wurde er erneut festgenommen und am 8. März 1988 vom Landgericht Hannover wegen einer - drei Monate nach seiner Haftentlassung an einem achtjährigen Mädchen begangenen - Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung, sexuellen Missbrauchs von Kindern und Entführung gegen den Willen der Entführten zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zugleich wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet.

62

d) Im Juni 1988 entwich er aus dem Maßregelvollzug und überfiel eine junge Frau, bedrohte sie mit einem Messer oder einem anderen gefährlichen Gegenstand, versuchte, sie zu vergewaltigen, und erwürgte sie anschließend. Ende Juni 1988 wurde er wieder festgenommen und am 2. Februar 1990 durch das Landgericht Baden-Baden wegen versuchter Vergewaltigung und Mordes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt, wobei erneut seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet wurde.

63

Das Landgericht ging nach sachverständiger Beratung davon aus, der Beschwerdeführer leide an einer schweren seelischen Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB, nämlich einer sadomasochistischen sexuellen Perversion von tiefgreifendem Ausmaß und mit progredienter Verlaufsform, aufgrund derer seine Steuerungsfähigkeit im Tatzeitpunkt erheblich vermindert gewesen sei. Infolge seines psychischen Zustandes sei er für die Allgemeinheit gefährlich. Sobald er auf freien Fuß gelange, seien weitere schwerwiegende Sexualstraftaten und Tötungsdelikte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorauszusehen. Zwar lägen auch die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB vor; insbesondere habe er einen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten. Gemäß § 72 Abs. 1 StGB sei jedoch lediglich die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, weil dadurch zugleich der Zweck der Sicherungsverwahrung erreicht werden könne und er therapiefähig sei. Seine Persönlichkeitsstörung sei im Rahmen einer langdauernden psychotherapeutischen Behandlung grundsätzlich beeinflussbar und könne in einem Zeitraum von voraussichtlich erheblich mehr als zehn Jahren bei intensiver fachärztlicher Betreuung erfolgreich behandelt werden.

64

e) In der Folgezeit war der Beschwerdeführer im Maßregelvollzug in psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht. Im April 1993 erklärte die zuständige Strafvollstreckungskammer die Unterbringung für erledigt und ordnete die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafen an, weil der Beschwerdeführer therapieunfähig sei. Daraufhin wurden ab Juni 1993 die bestehenden Restfreiheitsstrafen vollstreckt. Der Beschwerdeführer nahm von 2002 bis 2003 und ab November 2005 an dem Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter in der Sozialtherapeutischen Anstalt der Justizvollzugsanstalt teil. Hinreichende Behandlungserfolge konnten dabei nicht erzielt werden. Die Strafvollstreckung war am 5. August 2009 vollständig erledigt. Anschließend wurde der Beschwerdeführer vorläufig in der Sicherungsverwahrung untergebracht.

65

f) Aufgrund der Verurteilung vom 2. Februar 1990 wegen versuchter Vergewaltigung und wegen Mordes ordnete das Landgericht Baden-Baden mit - hier angefochtenem - Urteil vom 18. August 2009 gemäß § 66b Abs. 2 StGB nachträglich die Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung an. Dabei stellte es im Wesentlichen auf die erst nachträglich erkennbar gewordene Behandlungsunfähigkeit ab, die den Abbruch der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Folge gehabt habe. Diese belege die fortdauernde Gefährlichkeit des Beschwerdeführers auf einer von der Anlassverurteilung abweichenden Beurteilungsgrundlage. Darüber hinaus habe er erstmals im August 2001 gegenüber dem Psychologischen Dienst der Justizvollzugsanstalt eingeräumt, bei früheren Begutachtungen und vor Gericht bewusst gelogen und insbesondere falsche Angaben zur Biographie und zur Sexualanamnese gemacht zu haben, um der Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe sowie der Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entgehen und später die Erledigung der Maßregel zu erreichen. Das nachträglich zum Vorschein getretene, manipulative Einlassungsverhalten des Beschwerdeführers sei ebenfalls eine neue Tatsache. Bei der Anlassverurteilung sei weder bekannt noch erkennbar gewesen, dass seine Angaben auf einem strategischen, nicht auf authentischem Verhalten beruht hätten.

66

Der Beschwerdeführer, so das Landgericht weiter, habe einen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten, sei noch immer als hoch gefährlich einzustufen und werde sich im Falle seiner Freilassung in Kürze zu schweren Sexualstraftaten wie sexuellem Missbrauch von Kindern oder Vergewaltigung hinreißen lassen. Dabei stützte sich das Landgericht auf die Gutachten von zwei psychiatrischen Sachverständigen, die bei dem Beschwerdeführer eine "dissoziale Persönlichkeitsstruktur" und "ausgeprägte pädophile Tendenzen" beziehungsweise eine "pädophile Nebenströmung", aber "keine Hinweise auf eine sadistische Ausprägung" und "keine chronische psychische Erkrankung" festgestellt hatten, sowie auf die Aussage der Anstaltspsychologin, die den Beschwerdeführer zuletzt (erfolglos) behandelt hatte. Wesentliche Risikofaktoren sah das Landgericht in der Vielzahl und der hohen Brutalität der über einen Zeitraum von 18 Jahren hinweg begangenen Sexualstraftaten, der hohen Rückfallgeschwindigkeit, der zufälligen Auswahl der Tatopfer und der Wiederholbarkeit der Tatsituationen, dem Auftreten einer Deliktsserie sowie dem Umstand, dass der Beschwerdeführer keinerlei Strategien entwickelt und Kontrollmechanismen erarbeitet habe, um mit seiner "dissozialen Persönlichkeitsstörung" und seiner Rückfallgefährdung umzugehen.

67

g) Die Revision des Beschwerdeführers wurde auf Antrag des Generalbundesanwalts mit - hier ebenfalls angefochtenem - Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. Januar 2010 als unbegründet verworfen: Die Bewertung der im Verlauf des Straf- und Maßregelvollzugs zu Tage getretenen Therapieunfähigkeit des Beschwerdeführers als "neue" Tatsache begegne keinen Bedenken. Das für die Aburteilung der Anlasstat zuständige Gericht sei aufgrund der Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen von einer Therapierbarkeit des Beschwerdeführers ausgegangen. Es habe daraufhin von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen und den Beschwerdeführer in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Auch bei der gebotenen Sorgfalt sei damals nicht erkennbar gewesen, dass das Sachverständigengutachten auf einer unwahren Tatsachengrundlage beruhe, weil der Beschwerdeführer gegenüber dem Sachverständigen gelogen habe, um eine Anwendung von § 21 StGB zu erreichen. Das Landgericht sei auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Freiheit weitere erhebliche Straftaten der in § 66b Abs. 2 StGB genannten Art begehen werde. Ob der Beschwerdeführer von dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland) betroffen sei, brauche nicht entschieden zu werden, weil diese Entscheidung noch nicht endgültig sei.

III.

68

Die Beschwerdeführer machen im Wesentlichen eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG (persönliche Freiheit), Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG (Vertrauensschutz) geltend. Hierzu berufen sie sich unter anderem auf das Kammerurteil der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland). Danach seien die deutschen Gerichte einschließlich des Bundesverfassungsgerichts dazu verpflichtet, bei der Anwendung der deutschen Grundrechte der konventionsgemäßen Auslegung den Vorrang zu geben, soweit Auslegungs- und Abwägungsspielräume eröffnet seien. Die genannten Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte seien daher konventionsgemäß zu interpretieren. Art. 103 Abs. 2 GG sei im Sinne der Vorgaben des Gerichtshofs dahingehend auszulegen, dass die Sicherungsverwahrung eine "Strafe" sei.

69

Ergänzend trägt der Beschwerdeführer zu I. vor, er sei trotz seiner Therapiemotivation aus dem Bezirkskrankenhaus gegen seinen Willen abgelöst worden. Neben der Arbeitsbeschäftigung, der er nachgehe, würden keine weiteren spezifischen Behandlungsangebote gemacht, obgleich er weiterhin gewillt sei, an sich und seiner Zukunft zu arbeiten.

70

Der Beschwerdeführer zu II. führt darüber hinaus aus, in der Justizvollzugsanstalt, in der er untergebracht sei, werde dem vom Bundesverfassungsgericht in seiner am 5. Februar 2004 ergangenen Entscheidung verlangten Abstandsgebot nicht Genüge getan und die Maßregel wie eine Strafe vollzogen. Beantragte Ausführungen würden durch die Leiterin der Justizvollzugsanstalt unter Verweis auf die eingeschränkten personellen Möglichkeiten abgelehnt, was als sachgerechtes Kriterium für die Ermessensausübung durch das zuständige Gericht gebilligt werde. Telefonate seien für Sicherungsverwahrte ebenso wie für Strafgefangene auf höchstens zweimal wöchentlich beschränkt. Für die Verwahrten seien keine besonderen Maßnahmen vorgesehen, um ihnen überhaupt eine Perspektive zu eröffnen, sich auf ein verantwortliches Leben in Freiheit vorzubereiten. Die Justizvollzugsanstalt mit derzeit 850 Insassen (Verwahrte und Untersuchungshäftlinge mitgerechnet) verfüge über fünf Anstaltspsychologen. Es bestehe eine Liste von externen Therapeuten, für die ein Antrag gestellt werden könne, um sich auf eine langjährige Warteliste setzen zu lassen. Andere Maßnahmen fänden nicht statt.

IV.

71

1. Die Bayerische Staatsregierung - die sich insbesondere zu den Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und zu III. geäußert hat - hält das Rückwirkungs- und das Doppelbestrafungsverbot aus Art. 103 Abs. 2 und Abs. 3 GG für nicht einschlägig: Diese Bestimmungen bezögen sich allein auf repressive staatliche Maßnahmen. Ein Grundrechtsverstoß ergebe sich auch nicht etwa aus der Europäischen Menschenrechtskonvention im Hinblick auf deren Auslegung im Kammerurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009. Mit dieser Entscheidung hätten sich die nationalen Gerichte zwar auseinanderzusetzen. Dies führe aber nicht dazu, dass sie von Verfassungs wegen zwangsläufig verpflichtet wären, in sämtlichen "Altfällen" die Sicherungsverwahrung für erledigt zu erklären. Auch könne angesichts der Entscheidung des Gerichtshofs nicht schematisch argumentiert werden, dass in einschlägigen Fällen in der Fortdauer der Unterbringung eine Verletzung der grundgesetzlich verbürgten Grundrechte der Untergebrachten zu sehen sei. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention könne zwar als Verstoß gegen das in seinem Schutzbereich berührte Grundrecht in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gerügt werden. Die materielle Rechtskraft im Individualbeschwerdeverfahren sei jedoch durch die personellen, sachlichen und zeitlichen Grenzen des Streitgegenstandes begrenzt. Ferner hätten in den einschlägigen mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen die Gerichte das Freiheitsrecht eines Untergebrachten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG mit den ebenfalls grundgesetzlich geschützten Rechten potentieller Opfer abzuwägen. Soweit der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 EMRK annehme, sei ferner zu beachten, dass Art. 103 Abs. 2 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Maßregel der Sicherungsverwahrung ungeachtet ihrer Strafähnlichkeit nicht gelte.

72

2. Das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen vertritt die Auffassung, die maßgeblichen Fragestellungen nach dem Grundgesetz habe der Senat in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2004 aufgeworfen und beantwortet. Die Kammerentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte biete keinen Grund für eine Neubeurteilung. Sie unterscheide sich zwar in dem entscheidungserheblichen Punkt der Rubrizierung des Begriffs "Strafe" von der des Bundesverfassungsgerichts. Es bestehe aber kein Anlass, von dessen Auslegung des Grundgesetzes abzuweichen. Die Konsequenzen aus der Entscheidung des Gerichtshofs zu ziehen, sei vor allem Aufgabe der strafgerichtlichen Rechtsprechung und des Gesetzgebers. Für die Rechtsprechung werde sich die Frage stellen, wie sie ihrer Verpflichtung, im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention zu berücksichtigen, nachkommen könne. Insoweit zeichne sich in der Instanzrechtsprechung der Strafgerichte ein breites Spektrum von Lösungsmöglichkeiten ab.

73

3. Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und zu II. wurden ergänzend allen Oberlandesgerichten sowie dem Kammergericht zugeleitet. Die Gerichte haben dem Senat daraufhin größtenteils ihre nach Bekanntwerden des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 im Verfahren des § 67d Abs. 3 StGB ergangenen Entscheidungen übersandt, soweit diese die Fortdauer der Sicherungsverwahrung bei Verurteilten betrafen, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160) begangen wurden.

74

4. Zu den Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu III. und zu IV. hat der Senat Stellungnahmen des Deutschen Richterbundes, des Deutschen Anwaltvereins, des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands, der Deutschen Bewährungshilfe, der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen sowie des Weißen Rings eingeholt.

V.

75

Mit Beschluss vom 22. Dezember 2009 hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts den - zusammen mit der Verfassungsbeschwerde gestellten - Antrag des Beschwerdeführers zu I. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Einen entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers zu IV. hat die 2. Kammer des Zweiten Senats mit Beschluss vom 30. Juni 2010 abgelehnt.

VI.

76

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat den Sachverständigen Prof. Dr. Dittmann, Chefarzt der Forensisch-Psychiatrischen Klinik der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel, zu den Möglichkeiten und Grenzen forensisch-psychiatrischer Kriminalprognosen und der Behandlung von Gewalt- und Sexualstraftätern gehört. Die zahlenmäßige Entwicklung und praktische Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung wurden von den Sachverständigen Prof. Dr. Dessecker, Stellvertretender Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden, und Leitender Regierungsdirektor Rösch, Leiter der Justizvollzugsanstalt Freiburg, dargestellt. Der Sachverständige Prof. Dr. Radtke, Direktor des Kriminalwissenschaftlichen Instituts der Universität Hannover, hat sich zum Schuldprinzip und zum zweispurigen Sanktionensystem des deutschen Strafrechts geäußert, der Sachverständige Prof. Dr. Tak, emeritierter Professor für Recht an der Universität Nimwegen, hat den Umgang mit gefährlichen Straftätern in den Niederlanden erläutert. Die Bevollmächtigten der Beschwerdeführer sowie Vertreter des Bundes und der beteiligten Länder haben zur Verfassungsmäßigkeit der Sicherungsverwahrung, zur Vereinbarkeit dieser Maßregel mit der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie zur jüngsten Gesetzesreform Stellung genommen.

B.

77

Die Verfassungsbeschwerden sind überwiegend zulässig.

I.

78

Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 2 BvR 2333/08 ist unzulässig, soweit der Beschwerdeführer sie durch Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 8. Mai 2009 auf den Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 18. März 2009 erstreckt hat, durch den der Unterbringungsbefehl vom 14. Juli 2008 aufrechterhalten worden ist. Insoweit fehlt es an der Erschöpfung des Rechtsweges (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG), und auch die Einlegungsfrist für die Verfassungsbeschwerde (§ 93 Abs. 1 BVerfGG) ist nicht gewahrt.

II.

79

Im Übrigen sind die Verfassungsbeschwerden zulässig.

80

1. Bei sachgerechter Auslegung der jeweiligen Begehren der Beschwerdeführer sind die Verfassungsbeschwerden nicht nur gegen die unmittelbar angefochtenen fachgerichtlichen Entscheidungen, sondern mittelbar auch gegen die den Entscheidungen zugrundeliegenden Vorschriften gerichtet. Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. und II. sind daher mittelbar gegen § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160) gerichtet, die Verfassungsbeschwerden des Beschwerdeführers zu III. gegen § 7 Abs. 2 JGG in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (BGBl I S. 1212). Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu IV. richtet sich mittelbar gegen § 66b Abs. 2 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (BGBl I S. 513). Anders als § 7 Abs. 2 JGG wurden § 67d Abs. 3 Satz 1 und § 66b Abs. 2 StGB zwar mit dem Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl I S. 2300) geändert beziehungsweise aufgehoben; nach Maßgabe des zugleich in Kraft getretenen Art. 316e Abs. 1 Satz 2 EGStGB sind die betreffenden Vorschriften jedoch weiterhin in ihren bisherigen Fassungen auf die Beschwerdeführer anwendbar. Der Beschwerdeführer zu I. ist dabei jedenfalls noch im Rahmen der Modifikation des Art. 316e Abs. 3 EGStGB durch die Fortdauer seiner Sicherungsverwahrung beschwert.

81

2. Soweit die Verfassungsbeschwerden in den Verfahren 2 BvR 2365/09 und 2 BvR 740/10 mittelbar gegen § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160) in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB gerichtet sind, steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen, dass die Verfassungsmäßigkeit von § 67d Abs. 3 StGB und Art. 1a Abs. 3 EGStGB - dem § 2 Abs. 6 StGB insoweit inhaltlich entspricht - bereits im Tenor des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133) bestätigt wurde.

82

Zwar stellt die Rechtskraft einer Vereinbarkeitserklärung im Tenor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf eine erneute Normenkontrolle grundsätzlich ein Prozesshindernis dar (vgl. speziell für die Unzulässigkeit auch einer erneuten inzidenten Normenkontrollentscheidung BVerfGE 69, 92 <102 f.>; 109, 64 <84>). Das Prozesshindernis entgegenstehender Rechts- und Gesetzeskraft entfällt jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wenn später rechtserhebliche Änderungen der Sach- und Rechtslage eintreten (vgl. BVerfGE 82, 198 <207 f.>; 87, 341 <346>; 109, 64 <84>). Auch wenn Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als feststellende Judikate keine unmittelbare Änderung der Rechtslage, zumal auf der Ebene des Verfassungsrechts, herbeiführen, können sie gleichwohl für die Auslegung des Grundgesetzes rechtserhebliche Bedeutung erlangen. Soweit verfassungsrechtlich entsprechende Auslegungsspielräume eröffnet sind, versucht das Bundesverfassungsgericht wegen des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, Konventionsverstöße zu vermeiden (vgl. BVerfGE 74, 358 <370>; 83, 119 <128>; 111, 307 <317>; 120, 180 <200 f.>; BVerfGK 3, 4 <7 f.>; 9, 174 <190>; 10, 66 <77 f.>; 10, 234 <239>; 11, 153 <159 ff.>). Vor diesem Hintergrund können Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einer rechtserheblichen Änderung gleichstehen.

C.

83

Soweit sie zulässig sind, sind die Verfassungsbeschwerden begründet.

84

Die den angefochtenen Entscheidungen zugrundeliegenden Vorschriften sind mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar (I.). Die Unvereinbarkeit mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 Satz 1 GG wird gemäß § 78 Satz 2 BVerfGG auf sämtliche gesetzlichen Vorschriften über die Anordnung und die Dauer der Sicherungsverwahrung sowie entsprechende Nachfolgeregelungen erstreckt, die unter Nummer II.1. Buchstabe b) des Urteilstenors aufgeführt sind (II.). Die von der Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz betroffenen Vorschriften gelten bis zu einer Neuregelung des Gesetzgebers, längstens bis zum 31. Mai 2013 weiter fort. Bis dahin sind sie jedoch nur nach Maßgabe von Nummer III. des Urteilstenors anzuwenden (III.). Die zulässig angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer zu I. bis IV. in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Sie sind daher aufzuheben und die Rechtssachen zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG); soweit sich der Beschwerdeführer zu III. auch gegen die einstweilige Anordnung seiner Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wendet, die mit Eintritt der Rechtskraft der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung erledigt war, verbleibt es bei der Feststellung der Grundrechtsverletzungen und der Zurückverweisung zur Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers (IV.).

I.

85

Die den angefochtenen Entscheidungen zugrunde liegenden, mittelbar angegriffenen Vorschriften sind mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar.

86

1. Die hier einschlägigen Grundrechte des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sind völkerrechtsfreundlich auszulegen. Die Europäische Menschenrechtskonvention steht zwar innerstaatlich im Rang eines Bundesgesetzes und damit unter dem Grundgesetz (a). Sie ist jedoch als Auslegungshilfe bei der Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes heranzuziehen (b). Dies gilt auch für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (c). Diese verfassungsrechtliche Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention und damit auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beruht auf der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes und seiner inhaltlichen Ausrichtung auf die Menschenrechte (d). Ihre Heranziehung als Auslegungshilfe verlangt allerdings keine schematische Parallelisierung der Aussagen des Grundgesetzes mit denen der Europäischen Menschenrechtskonvention, sondern ein Aufnehmen der Wertungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (e), soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist (f).

87

a) Der innerstaatliche Rang der Europäischen Menschenrechtskonvention entspricht dem eines Bundesgesetzes. Die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle sind völkerrechtliche Verträge. Die Konvention überlässt es den Vertragsparteien, in welcher Weise sie ihrer Pflicht zur Beachtung der Vertragsvorschriften genügen (vgl. BVerfGE 111, 307 <316> m.w.N.). Der Bundesgesetzgeber hat den genannten Übereinkommen jeweils mit förmlichem Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG zugestimmt (Gesetz über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 7. August 1952, BGBl II S. 685; die Konvention ist gemäß der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1953, BGBl II 1954 S. 14 am 3. September 1953 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten; Neubekanntmachung der Konvention in der Fassung des 11. Zusatzprotokolls in BGBl II 2002 S. 1054). Damit hat er einen entsprechenden Rechtsanwendungsbefehl erteilt. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle - soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sind - im Rang eines Bundesgesetzes (vgl. BVerfGE 74, 358 <370>; 82, 106 <120>; 111, 307 <316 f.>). Ein Beschwerdeführer kann daher vor dem Bundesverfassungsgericht nicht unmittelbar die Verletzung eines in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthaltenen Menschenrechts mit einer Verfassungsbeschwerde rügen (vgl. BVerfGE 74, 102 <128> m.w.N.; 111, 307 <317>; BVerfGK 3, 4 <8>).

88

b) Gleichwohl besitzen die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verfassungsrechtliche Bedeutung, indem sie die Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes beeinflussen. Der Konventionstext und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dienen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes, sofern dies nicht zu einer - von der Konvention selbst nicht gewollten (vgl. Art. 53 EMRK) - Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt (vgl. BVerfGE 74, 358 <370>; 83, 119 <128>; 111, 307 <317>; 120, 180 <200 f.>; BVerfGK 3, 4 <7 f.>; 9, 174 <190 f.>; 10, 66 <77 f.>; 10, 234 <239>; 11, 153 <159 ff.>; 12, 37 <40>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2000 - 2 BvR 591/00 -, NJW 2001, S. 2245 ff.; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. November 2002 - 1 BvR 1965/02 -, NJW 2003, S. 344 <345>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juli 2008 - 1 BvR 3006/07 -, NJW 2008, S. 2978 <2981>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. Dezember 2008 - 1 BvR 2604/06 -, NJW 2009, S. 1133 f.; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Februar 2010 - 2 BvR 2307/06 -, EuGRZ 2010, S. 145 <147>).

89

c) Im Rahmen der Heranziehung der Europäischen Menschenrechtskonvention als Auslegungshilfe berücksichtigt das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch dann, wenn sie nicht denselben Streitgegenstand betreffen. Dies beruht auf der jedenfalls faktischen Orientierungs- und Leitfunktion, die der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention auch über den konkret entschiedenen Einzelfall hinaus zukommt (vgl. zur Orientierungswirkung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bereits BVerfGE 111, 307 <320>; BVerfGK 10, 66 <77 f.>; 10, 234 <239>; jeweils m.w.N.). Die innerstaatlichen Wirkungen der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erschöpfen sich insoweit nicht in einer aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 GG abzuleitenden und auf die den konkreten Entscheidungen zugrundeliegenden Lebenssachverhalte begrenzten Berücksichtigungspflicht, denn das Grundgesetz will vor dem Hintergrund der zumindest faktischen Präzedenzwirkung der Entscheidungen internationaler Gerichte Konflikte zwischen den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland und dem nationalen Recht nach Möglichkeit vermeiden (vgl. BVerfGE 109, 13 <23 f.>; 109, 38 <50>; 111, 307 <318; 328>; 112, 1 <25>; 123, 267 <344 ff., 347>; BVerfGK 9, 174 <193>). Die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ist damit Ausdruck eines Souveränitätsverständnisses, das einer Einbindung in inter- und supranationale Zusammenhänge sowie deren Weiterentwicklung nicht nur nicht entgegensteht, sondern diese voraussetzt und erwartet. Vor diesem Hintergrund steht auch das "letzte Wort" der deutschen Verfassung einem internationalen und europäischen Dialog der Gerichte nicht entgegen, sondern ist dessen normative Grundlage.

90

d) Die Heranziehung der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Auslegungshilfe auf der Ebene des Verfassungsrechts über den Einzelfall hinaus dient dazu, den Garantien der Menschenrechtskonvention in der Bundesrepublik Deutschland möglichst umfassend Geltung zu verschaffen, und kann darüber hinaus Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland vermeiden helfen. Die inhaltliche Ausrichtung des Grundgesetzes auf die Menschenrechte kommt insbesondere in dem Bekenntnis des deutschen Volkes zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten in Art. 1 Abs. 2 GG zum Ausdruck. Das Grundgesetz weist mit Art. 1 Abs. 2 GG dem Kernbestand an Menschenrechten einen besonderen Schutz zu. Dieser ist in Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 GG die Grundlage für die verfassungsrechtliche Pflicht, auch bei der Anwendung der deutschen Grundrechte die Europäische Menschenrechtskonvention in ihrer konkreten Ausgestaltung als Auslegungshilfe heranzuziehen. Art. 1 Abs. 2 GG ist daher zwar kein Einfallstor für einen unmittelbaren Verfassungsrang der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Vorschrift ist aber mehr als ein unverbindlicher Programmsatz, indem sie eine Maxime für die Auslegung des Grundgesetzes vorgibt und verdeutlicht, dass die Grundrechte auch als Ausprägung der Menschenrechte zu verstehen sind und diese als Mindeststandard in sich aufgenommen haben (vgl. BVerfGE 74, 358 <370>; 111, 307 <329>; Sommermann, AöR 114 <1989>, S. 391 <406 f.>; Häberle, Europäische Verfassungslehre, 7. Aufl. 2011, S. 259; Dreier, GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 1 Abs. 2, Rn. 20; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 2, Rn. 47 m.w.N. (2004); Giegerich, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, Konkordanzkommentar, 2006, Kap. 2 Rn. 67 ff.; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl. 2009, § 3 Rn. 6).

91

e) Die Heranziehung der Europäischen Menschenrechtskonvention als Auslegungshilfe für die Bestimmungen des Grundgesetzes ist - wie die Europäische Menschenrechtskonvention selbst im Hinblick auf ihre innerstaatliche Durchsetzung - ergebnisorientiert: Sie zielt nicht auf eine schematische Parallelisierung einzelner verfassungsrechtlicher Begriffe, sondern dient der Vermeidung von Völkerrechtsverletzungen. Die Beseitigung oder Vermeidung einer Völkerrechtsverletzung wird zwar vielfach leichter zu erreichen sein, wenn das innerstaatliche Recht mit der Konvention harmonisiert wird. Völkerrechtlich betrachtet ist das jedoch nicht zwingend: Die Konvention überlässt es den Vertragsparteien, in welcher Weise sie ihrer Pflicht zur Beachtung der Vertragsvorschriften genügen (vgl. BVerfGE 111, 307 <316> m.w.N. und <322>; s. auch zum Grundsatz, dass ein verurteilter Mitgliedstaat in der Wahl der Mittel frei bleibt, wie er seine Verpflichtungen nach Art. 46 EMRK erfüllen will: EGMR, Urteil vom 13. Juli 2000, Beschwerde-Nr. 39221/98 u. Nr. 41963/98, Scozzari u. Giunta ./. Italien, Rn. 249; Tomuschat, German Law Journal, Volume 5 (2011), S. 513 <517 f.>).

92

Vor diesem Hintergrund gilt auch für die völkerrechtsfreundliche Auslegung der Begriffe des Grundgesetzes ähnlich wie für eine verfassungsvergleichende Auslegung, dass Ähnlichkeiten im Normtext nicht über Unterschiede, die sich aus dem Kontext der Rechtsordnungen ergeben, hinwegtäuschen dürfen: Die menschenrechtlichen Gehalte des jeweils in Rede stehenden völkerrechtlichen Vertrags müssen im Rahmen eines aktiven (Rezeptions-)Vorgangs in den Kontext der aufnehmenden Verfassungsordnung "umgedacht" werden (vgl. Häberle, Europäische Verfassungslehre, 7. Aufl. 2011, S. 255 f.; vgl. auch Dreier, GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 1 Abs. 2, Rn. 20).

93

f) Grenzen der völkerrechtsfreundlichen Auslegung ergeben sich aus dem Grundgesetz. Sie darf zunächst nicht dazu führen, dass der Grundrechtsschutz nach dem Grundgesetz eingeschränkt wird; das schließt auch die Europäische Menschenrechtskonvention selbst aus (vgl. Art. 53 EMRK, siehe BVerfGE 111, 307<317> m.w.N.). Dieses Rezeptionshemmnis kann vor allem in mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen relevant werden, in denen das "Mehr" an Freiheit für den einen Grundrechtsträger zugleich ein "Weniger" für einen anderen bedeutet (vgl. Wahl/Masing, JZ 1990, S. 553 ff.; Hoffmann-Riem, EuGRZ 2006, S. 492; Calliess, in: Merten/Papier, HGR, Bd. II, 2006, § 44 Rn. 18 ff. m.w.N.). Die Möglichkeiten einer konventionsfreundlichen Auslegung enden dort, wo diese nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation nicht mehr vertretbar erscheint (vgl. BVerfGE 111, 307 <329>; s. auch Bernhardt, in: Festschrift für Helmut Steinberger, 2002, S. 391 <397>; Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. II, 2. Aufl. 2007, S. 148, Rn. 184; zur absoluten Grenze des Kerngehalts der Verfassungsidentität des Grundgesetzes gemäß Art. 79 Abs. 3 GG, vgl. BVerfGE 123, 267 <344>; s. auch A. Peters, ZÖR 65 (2010), S. 3 <59 ff.>).

94

Im Übrigen ist auch im Rahmen der konventionsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes - ebenso wie bei der Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf der Ebene des einfachen Rechts - die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte möglichst schonend in das vorhandene, dogmatisch ausdifferenzierte nationale Rechtssystem einzupassen (vgl. BVerfGE 111, 307 <327>), weshalb sich eine unreflektierte Adaption völkerrechtlicher Begriffe verbietet. In der Perspektive des Grundgesetzes kommt insbesondere - gerade wenn ein autonom gebildeter Begriff des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei textlich ähnlichen Garantien anders ausfällt als der entsprechende Begriff des Grundgesetzes - das Verhältnismäßigkeitsprinzip als verfassungsimmanenter Grundsatz in Betracht, um Wertungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen: "Heranziehung als Auslegungshilfe" kann vor diesem Hintergrund bedeuten, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte auch in die verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehen (vgl. BVerfGE 111, 307 <324>; BVerfGK 3, 4 <8 ff.>).

95

2. § 66b Abs. 2, § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB und § 7 Abs. 2 JGG sind - unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe - mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs.1 Satz 1 GG unvereinbar.

96

Die Vorschriften tasten dieses Grundrecht zwar nicht in seinem Wesensgehalt an (vgl. BVerfGE 109, 133 <156>). Sie genügen jedoch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht. Der in der Sicherungsverwahrung liegende, schwerwiegende Eingriff in das Freiheitsgrundrecht ist nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und unter Wahrung strenger Anforderungen an die zugrundeliegenden Entscheidungen und die Ausgestaltung des Vollzugs zu rechtfertigen (a). Die vorhandenen Regelungen über die Sicherungsverwahrung gewährleisten strukturell die Wahrung der verfassungsrechtlichen (Mindest-)Anforderungen an die Ausgestaltung des Vollzugs nicht (b).

97

a) Der in der Sicherungsverwahrung liegende, schwerwiegende Eingriff in das Freiheitsgrundrecht ist nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung und unter Wahrung strenger Anforderungen an die zugrundeliegenden Entscheidungen und die Ausgestaltung des Vollzugs zu rechtfertigen.

98

aa) Die Freiheit der Person nimmt - als Grundlage und Voraussetzung der Entfaltungsmöglichkeiten des Bürgers - einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG sie als "unverletzlich" bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien statuiert (vgl. BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>). Präventive Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht, die - wie die Sicherungsverwahrung - nicht dem Schuldausgleich dienen, sind nur zulässig, wenn der Schutz hochwertiger Rechtsgüter dies unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordert. Dem Freiheitsanspruch des Untergebrachten ist das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit entgegenzuhalten; beide sind im Einzelfall abzuwägen (vgl. BVerfGE 109, 133 <157>). Dabei müssen die Grenzen der Zumutbarkeit gewahrt bleiben; das Freiheitsgrundrecht der Betroffenen ist sowohl auf der Ebene des Verfahrensrechts als auch materiellrechtlich abzusichern (BVerfGE 70, 297 <311>; 109, 133 <159>). Der Senat hält insoweit an den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Sicherungsverwahrung im Sinne der §§ 66 ff. StGB, wie sie bereits in dem Urteil vom 5. Februar 2004 dargelegt wurden (BVerfGE 109, 133 <157 ff.>), fest.

99

bb) Die prozeduralen und materiellrechtlichen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips (vgl. BVerfGE 109, 133 <157 ff.>) gelten in gleicher Weise für die Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht gemäß § 7 Abs. 2 JGG. Auch in diesem Zusammenhang beseitigen die bestehenden Unsicherheiten der Prognose, die Grundlage der Unterbringung ist, weder die Eignung noch die Erforderlichkeit des Freiheitseingriffs, sie haben aber Auswirkungen auf die Mindestanforderungen an Prognosegutachten und deren Bewertung im Zusammenhang mit dem Übermaßverbot (vgl. BVerfGE 109, 133 <158 ff.; 164 ff.>). Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, lässt sich für die Tauglichkeit von Gefährlichkeitsprognosen für Jugendliche und Heranwachsende keine klare Altersgrenze benennen, unterhalb derer eine Prognoseentscheidung bei dieser Personengruppe von vornherein ausgeschlossen wäre. Die Tauglichkeit einer Prognose - die das Gericht auf der Grundlage eines mit Blick auf das junge Alter des Betreffenden besonders qualifizierten ärztlichen Gutachtens eigenständig zu treffen hat (vgl. BVerfGE 109, 133 <164>) - hängt vielmehr von dem individuellen Entwicklungsverlauf des Betreffenden ab, auf den jeweils besonderes Augenmerk zu legen ist. Trotz der damit verbundenen besonderen Schwierigkeiten können daher grundsätzlich auch für jugendliche und heranwachsende Straftäter unter Berücksichtigung ihres Entwicklungspotentials Gefährlichkeitsprognosen erstellt werden, die eine taugliche Grundlage für die Entscheidung über die (nachträgliche) Anordnung der Sicherungsverwahrung bilden; insbesondere können bestimmte psychische Störungen bereits in relativ jungem Alter diagnostizierbar sein. So hat der in der mündlichen Verhandlung angehörte Sachverständige Prof. Dr. Dittmann dargelegt, dass namentlich schwere sexuelle Devianzen schon in vergleichsweise jungem Alter diagnostizierbar sind.

100

cc) Darüber hinaus veranlassen die Wertungen des Art. 7 Abs. 1 EMRK, die ohnehin geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung eines schuldunabhängigen präventiven Freiheitsentzugs, der sich von einer "Strafe" qualitativ unterscheidet, zu präzisieren (sog. Abstandsgebot).

101

Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 5. Februar 2004 ausgeführt, dass nicht die Schuld, sondern die in der Tat zutage getretene Gefährlichkeit bestimmend ist für Anordnung, zeitliche Dauer und vor allem die Ausgestaltung der Maßregel der Sicherungsverwahrung (BVerfGE 109, 133 <174>). Die Anlasstat ist bloßer Anknüpfungspunkt für das Merkmal der "Gefährlichkeit" im Sinne der Anordnungsvoraussetzungen der Sicherungsverwahrung, nicht deren Grund. Nach der Konzeption, die dem zweispurigen Sanktionensystem des Strafgesetzbuchs zugrunde liegt, dient der Freiheitsentzug des Sicherungsverwahrten nicht der Vergeltung zurückliegender Rechtsgutsverletzungen, sondern der Verhinderung zukünftiger Straftaten, deren Eintritt sich zwar sorgfältig, aber regelmäßig nicht sicher prognostizieren lässt. Der in der Sicherungsverwahrung liegende Eingriff in das Freiheitsgrundrecht ist daher auch deshalb äußerst schwerwiegend, weil er ausschließlich präventiven Zwecken dient und dem Betroffenen - da der Freiheitsentzug stets nur auf einer Gefährlichkeitsprognose, nicht aber auf dem Beweis begangener Straftaten beruht - im Interesse der Allgemeinheit gleichsam ein Sonderopfer auferlegt. Die Sicherungsverwahrung ist daher überhaupt nur dann zu rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber bei ihrer Ausgestaltung dem besonderen Charakter des in ihr liegenden Eingriffs hinreichend Rechnung und dafür Sorge trägt, dass über den unabdingbaren Entzug der "äußeren" Freiheit hinaus weitere Belastungen vermieden werden. Dem muss durch einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug Rechnung getragen werden, der den allein präventiven Charakter der Maßregel sowohl gegenüber dem Untergebrachten als auch gegenüber der Allgemeinheit deutlich macht. Die Freiheitsentziehung ist - in deutlichem Abstand zum Strafvollzug ("Abstandsgebot", vgl. BVerfGE 109, 133 <166>) - so auszugestalten, dass die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die Praxis der Unterbringung bestimmt. Hierzu bedarf es eines freiheitsorientierten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung mit klarer therapeutischer Ausrichtung auf das Ziel, die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr zu minimieren und auf diese Weise die Dauer der Freiheitsentziehung auf das unbedingt erforderliche Maß zu reduzieren.

102

Gemäß Art. 7 Abs. 1 EMRK darf niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war; es darf auch keine "schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe" verhängt werden. Ausweislich des Urteils der Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland) verletzt die nachträgliche Verlängerung der früheren Zehnjahreshöchstfrist des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB Art. 7 Abs. 1 EMRK, weil es sich bei der Sicherungsverwahrung um eine Strafe im Sinne von Art. 7 EMRK handelt (EGMR, a.a.O., Rn. 133), so dass auch die nachträgliche Verlängerung die Auferlegung einer zusätzlichen "Strafe" darstellt, die gegen den Untergebrachten nachträglich nach einem Gesetz verhängt wurde, das erst in Kraft getreten war, nachdem er seine Straftat begangen hatte (EGMR, a.a.O., Rn. 135). Zur Begründung des Strafcharakters der Sicherungsverwahrung verweist die Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unter anderem darauf, dass diese wie eine Freiheitsstrafe eine Freiheitsentziehung zur Folge habe und in regulären Justizvollzugsanstalten vollzogen werde. Auch sei mit Blick auf die tatsächliche Situation der Sicherungsverwahrten nicht nachvollziehbar, dass der Sicherungsverwahrung lediglich eine präventive Funktion zukomme und sie keinem Strafzweck diene. Insbesondere sei festzustellen, dass es anscheinend keine besonderen, auf Sicherungsverwahrte gerichteten Maßnahmen, Instrumente oder Einrichtungen gebe, die zum Ziel hätten, ihre Gefährlichkeit zu verringern und damit ihre Haft auf die Dauer zu beschränken, die unbedingt erforderlich sei, um sie von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Ferner verweist die Kammer auf weitere Kriterien, etwa das Verfahren zur Anordnung der Unterbringung und die Schwere der Maßnahme, die aber nicht allein entscheidend sei (EGMR, a.a.O., Rn. 127 ff.). Diese Wertung hat Einfluss nicht nur auf die Auslegung des Vertrauensschutzgebots (s. dazu unten (3), sondern auch auf die allgemeinen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung durch Sicherungsverwahrung.

103

dd) Das Abstandsgebot beruht auf den unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Legitimationsgrundlagen und Zwecksetzungen von Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung:

104

(1) Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung unterscheiden sich grundlegend in ihrer verfassungsrechtlichen Legitimation. Die Berechtigung des Staates, Freiheitsstrafen zu verhängen und zu vollziehen, beruht wesentlich auf der schuldhaften Begehung der Straftat. Nur weil der Täter in vorwerfbarer Weise Unrecht begangen hat, darf er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und deren Vollzug unterworfen werden. Dem liegt das Menschenbild des Grundgesetzes von einem zu freier Selbstbestimmung befähigten Menschen zugrunde, dem mit dem in der Menschenwürde wurzelnden Schuldprinzip Rechnung zu tragen ist (vgl. BVerfGE 123, 267 <413>). Das Schuldprinzip begrenzt in seiner strafzumessungsleitenden Funktion die Dauer der Freiheitsstrafe auf das der Tatschuld Angemessene. Die Schuld ist einer der legitimierenden Gründe und äußerste Grenze der Anordnung und des Vollzugs der Freiheitsstrafe. Die Berechtigung zur Anordnung und zum Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln wie der Sicherungsverwahrung folgt demgegenüber aus dem Prinzip des überwiegenden Interesses (vgl. Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, Bd. 1, 1. Aufl. 2003, Vor §§ 38 ff. Rn. 68). Anordnung und Vollzug sind nur dann legitim, wenn das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit das Freiheitsrecht des Betroffenen im Einzelfall überwiegt (vgl. BVerfGE 109, 133 <159>).

105

(2) Der Zweck der Freiheitsstrafe besteht dementsprechend vornehmlich in einer repressiven Übelszufügung als Reaktion auf schuldhaftes Verhalten, welche - jenseits anderer denkbarer zusätzlicher Strafzwecke, die die Verfassung nicht ausschließt - dem Schuldausgleich dient (BVerfGE 109, 133 <173>). Dagegen liegt der Zweck der Maßregel allein in der zukünftigen Sicherung der Gesellschaft und ihrer Mitglieder vor einzelnen, aufgrund ihres bisherigen Verhaltens als hochgefährlich eingeschätzten Tätern.

106

(3) Die kategorial unterschiedlichen Legitimationsgrundlagen und Zwecksetzungen des Vollzugs der Freiheitsstrafe und des Vollzugs der Sicherungsverwahrung führen insbesondere zu Differenzierungen auf zwei Ebenen:

107

Da sich der Maßregelvollzug allein aus dem Prinzip des überwiegenden Interesses rechtfertigt, muss er umgehend beendet werden, wenn die Schutzinteressen der Allgemeinheit das Freiheitsrecht des Untergebrachten nicht länger überwiegen. Dabei trifft den Staat die Verpflichtung, im Vollzug von Anfang an geeignete Konzepte bereitzustellen, um die Gefährlichkeit des Verwahrten nach Möglichkeit zu beseitigen.

108

Die Vollzugsmodalitäten sind außerdem an der Leitlinie zu orientieren, dass das Leben im Vollzug allein solchen Beschränkungen unterworfen werden darf, die zur Reduzierung der Gefährlichkeit erforderlich sind. Das Resozialisierungsgebot, dem das Bild des Grundgesetzes von einem zu freier Selbstbestimmung befähigten Menschen zugrunde liegt (BVerfGE 98, 169 <200>), gilt gleichermaßen für den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Sicherungsverwahrung (BVerfGE 109, 133 <151>). Dies mag der Ausfüllung des Abstandsgebots gewisse faktische Grenzen setzen, ändert aber nichts an der Verschiedenartigkeit der Zielsetzungen von Strafhaft und Sicherungsverwahrung. Das gesamte System der Sicherungsverwahrung ist so auszugestalten, dass die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die Praxis der Unterbringung bestimmt.

109

(4) Eine freiheitsorientierte Wahrung des Abstandsgebots trägt auch den Wertungen Rechnung, die der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 7 Abs. 1 EMRK zugrunde liegen. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass angesichts der unbestimmten Dauer der Sicherungsverwahrung besondere Anstrengungen zur Unterstützung der Untergebrachten erforderlich seien, die in der Regel nicht in der Lage seien, durch eigene Bemühungen Fortschritte in Richtung Entlassung zu erzielen. Notwendig seien ein hohes Maß an Betreuung durch ein multidisziplinäres Team sowie intensive und individuelle Arbeit mit den Untergebrachten anhand unverzüglich zu erstellender, individueller Pläne. Dies müsse in einem kohärenten Rahmen stattfinden, der Fortschritte in Richtung Entlassung ermögliche, wobei die Entlassung eine realistische Möglichkeit sein solle (vgl. EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 129).

110

(5) Das verfassungsrechtliche Abstandsgebot ist für alle staatliche Gewalt verbindlich und richtet sich zunächst an den Gesetzgeber, dem aufgegeben ist, ein entsprechendes Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln und normativ festzuschreiben (vgl. zum Erfordernis eines gesetzlichen Resozialisierungskonzepts für den Strafvollzug BVerfGE 98, 169 <201>; 116, 69 <89>). Der Gesetzgeber ist dabei von Verfassungs wegen nicht auf ein bestimmtes Regelungskonzept festgelegt, sondern er verfügt über einen Gestaltungsspielraum, den er unter Verwertung aller ihm zu Gebote stehenden Erkenntnisse auszufüllen hat (vgl. BVerfG, a.a.O.). Die zentrale Bedeutung, die diesem Konzept für die Verwirklichung des Freiheitsrechts des Untergebrachten zukommt, gebietet jedoch eine gesetzliche Regelungsdichte, die keine maßgeblichen Fragen der Entscheidungsmacht von Exekutive oder Judikative überlässt, sondern deren Handeln in allen wesentlichen Bereichen wirksam determiniert (vgl. BVerfGE 83, 130 <142>).

111

ee) Das durch den Gesetzgeber auszugestaltende Regelungskonzept für die Sicherungsverwahrung muss daher umfassend als Gesamtkonzept ausgestaltet sein und zumindest folgende Aspekte umfassen:

112

(1) Die Sicherungsverwahrung darf nur als letztes Mittel angeordnet werden, wenn andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht ausreichen, um dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit Rechnung zu tragen. Diesem ultima-ratio-Prinzip bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung folgt der Gedanke, dass auch der Vollzug diesem Prinzip entsprechen muss. Kommt Sicherungsverwahrung in Betracht, müssen schon während des Strafvollzugs alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Gefährlichkeit des Verurteilten zu reduzieren. Insbesondere muss gewährleistet sein, dass etwa erforderliche psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlungen, die oftmals auch bei günstigem Verlauf mehrere Jahre in Anspruch nehmen, zeitig beginnen, mit der gebotenen hohen Intensität durchgeführt und möglichst vor dem Strafende abgeschlossen werden (ultima-ratio-Prinzip).

113

(2) Spätestens zu Beginn des Vollzugs der Sicherungsverwahrung hat unverzüglich eine umfassende, modernen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechende Behandlungsuntersuchung stattzufinden. Dabei sind die individuellen Faktoren, die für die Gefährlichkeit des Untergebrachten maßgeblich sind, eingehend zu analysieren. Auf dieser Grundlage ist ein Vollzugsplan zu erstellen, aus dem sich detailliert ergibt, ob und gegebenenfalls mit welchen Maßnahmen vorhandene Risikofaktoren minimiert oder durch Stärkung schützender Faktoren kompensiert werden können, um die Gefährlichkeit des Untergebrachten zu mindern, dadurch Fortschritte in Richtung einer Entlassung zu ermöglichen und dem Untergebrachten eine realistische Perspektive auf Wiedererlangung der Freiheit zu eröffnen. In Betracht zu ziehen sind etwa berufliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlungen sowie Maßnahmen zur Ordnung der finanziellen und familiären Verhältnisse und zur Vorbereitung eines geeigneten sozialen Empfangsraums. Der Vollzugsplan ist fortlaufend zu aktualisieren und der Entwicklung des Untergebrachten anzupassen. Die plangemäß gebotenen Maßnahmen sind zügig und konsequent umzusetzen. Hierzu bedarf es einer individuellen und intensiven Betreuung des Untergebrachten durch ein multidisziplinäres Team qualifizierter Fachkräfte (so auch EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 129). Insbesondere im therapeutischen Bereich müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Erweisen sich standardisierte Therapiemethoden als nicht erfolgversprechend, muss ein individuell zugeschnittenes Therapieangebot entwickelt werden. Dabei muss - insbesondere mit zunehmender Vollzugsdauer - sichergestellt sein, dass mögliche Therapien nicht nur deshalb unterbleiben, weil sie im Hinblick auf Aufwand und Kosten über das standardisierte Angebot der Anstalten hinausgehen (Individualisierungs- und Intensivierungsgebot).

114

(3) Die unbestimmte Dauer der Sicherungsverwahrung kann schwerwiegende psychische Auswirkungen haben, den Untergebrachten demotivieren und ihn in Lethargie und Passivität führen. Dem ist zunächst durch ein Behandlungs- und Betreuungsangebot zu begegnen, das nach Möglichkeit eine realistische Entlassungsperspektive eröffnet (so auch EGMR, a.a.O., Rn. 77 und Rn. 129). Darüber hinaus ist die Bereitschaft des Untergebrachten zur Mitwirkung an seiner Behandlung durch gezielte Motivationsarbeit zu wecken und zu fördern. Unterstützend könnte insofern ein Anreizsystem wirken, das aktive Mitarbeit mit besonderen Vergünstigungen oder Freiheiten honoriert oder auch solche entzieht, um Motivation und Mitarbeit zu erreichen (Motivierungsgebot).

115

(4) Die Gestaltung des äußeren Vollzugsrahmens hat dem spezialpräventiven Charakter der Sicherungsverwahrung Rechnung zu tragen und muss einen deutlichen Abstand zum regulären Strafvollzug erkennen lassen. Das Leben im Maßregelvollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen, soweit Sicherheitsbelange dem nicht entgegenstehen. Dies erfordert zwar eine vom Strafvollzug getrennte Unterbringung in besonderen Gebäuden oder Abteilungen, aber keine vollständige räumliche Ablösung vom Strafvollzug (Trennungsgebot). Wie der Sachverständige Rösch in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, kann eine Anbindung an große Einrichtungen sinnvoll sein, um deren Infrastruktur und Sicherheitsmanagement nutzbar machen und ein differenziertes Arbeits- und Freizeitangebot gewährleisten zu können, das den individuellen Fähigkeiten und Neigungen der Untergebrachten hinreichend Rechnung trägt. Die Gegebenheiten innerhalb der Einrichtung müssen den therapeutischen Erfordernissen entsprechen und ausreichende Besuchsmöglichkeiten zur Aufrechterhaltung familiärer und sozialer Außenkontakte bereithalten. Ferner muss sichergestellt sein, dass ausreichende Personalkapazitäten zur Verfügung stehen, um die Anforderungen eines freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung praktisch zu erfüllen.

116

(5) Vollzugslockerungen zum Zwecke der Erprobung sind von besonderer Bedeutung für die Prognose, weil sie deren Basis erweitern und stabilisieren; sie können eine Erledigung der Sicherungsverwahrung vorbereiten. Die Konzeption der Sicherungsverwahrung muss Vollzugslockerungen vorsehen und Vorgaben zur Entlassungsvorbereitung enthalten, wobei der Freiheitsorientierung möglichst weitgehend Rechnung zu tragen ist. So muss sichergestellt werden, dass Vollzugslockerungen nicht ohne zwingenden Grund - etwa auf der Grundlage pauschaler Wertungen oder mit dem Hinweis auf eine nur abstrakte Flucht- oder Missbrauchsgefahr - versagt werden können (vgl. BVerfGE 109, 133 <166>; 117, 71 <108>). Sind unbeaufsichtigte Lockerungen wie Freigang, Ausgang oder Urlaub gleichwohl nicht möglich, müssen begleitete Ausführungen gewährt werden; diese können nur dann unterbleiben, wenn sie trotz der Beaufsichtigung des Untergebrachten zu schlechthin unverantwortbaren Gefahren führen. Um sicherzustellen, dass Lockerungsentscheidungen auf der Grundlage objektiver, realistischer Risikobewertungen getroffen werden, und der Gefahr übervorsichtiger oder voreingenommener Beurteilungen vorzubeugen, kann sich zum Beispiel die Einrichtung unabhängiger Gremien aus vollzugserfahrenen Fachleuten anbieten, die - etwa nach dem Vorbild der Schweizer Fachkommissionen zur Überprüfung der Gemeingefährlichkeit von Straftätern (vgl. Art. 62d Abs. 2, Art. 64b Abs. 2, Art. 75a des Schweizerischen Strafgesetzbuchs) - beratend tätig werden und entsprechende Empfehlungen aussprechen können. Die Entlassungsvorbereitung ist mit planmäßigen Hilfen für die Phase nach der Entlassung zu verzahnen. Insbesondere muss ein ausreichendes Angebot an Einrichtungen (forensische Ambulanzen, Einrichtungen des betreuten Wohnens u.ä.) gewährleistet sein, die entlassene Untergebrachte aufnehmen, die erforderliche Betreuung sicherstellen und damit einen geeigneten sozialen Empfangsraum bieten können (Minimierungsgebot).

117

(6) Dem Untergebrachten muss ein effektiv durchsetzbarer Rechtsanspruch auf Durchführung der Maßnahmen eingeräumt werden, die zur Reduktion seiner Gefährlichkeit geboten sind. Ihm sind ein geeigneter Beistand beizuordnen oder andere Hilfestellungen anzubieten, die ihn in der Wahrnehmung seiner Rechte und Interessen unterstützen (Rechtsschutz- und Unterstützungsgebot).

118

(7) Verfahrensrechtlich muss gewährleistet sein, dass die Fortdauer der Sicherungsverwahrung in mindestens jährlichen Abständen gerichtlich überprüft wird. Die Vollzugsbehörde hat der zuständigen Strafvollstreckungskammer regelmäßig Sachstandsbericht zu erstatten. Ergeben sich Anhaltspunkte für die Aussetzungsreife der Maßregel, ist von Amts wegen unverzüglich eine gesonderte Überprüfung durchzuführen (Kontrollgebot). Die strengere Kontrolle durch die Gerichte trägt dem allein präventiven Charakter der Maßregel Rechnung. Sie ist mit zunehmender Dauer des Vollzugs weiter zu intensivieren. Das gilt sowohl für die Zeitdauer der Intervalle zwischen den gerichtlichen Überprüfungen als auch für die von Amts wegen erforderliche Kontrolle der Vollzugsbehörden und die qualitativen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung in Bezug auf deren inhaltliche Substantiierung (vgl. schon BVerfGE 109, 133 <162>).

119

b) Diesen Anforderungen genügen die vorhandenen Regelungen über die Sicherungsverwahrung nicht.

120

Seit 1998 hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. August 2002 (BGBl I S. 3344), das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3007), das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (BGBl I S. 1838), das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (BGBl I S. 513) und das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (BGBl I S. 1212) die Sicherungsverwahrung immer mehr ausgeweitet, ohne jedoch - entgegen den Vorgaben des Senats in seinem Urteil vom 5. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133 <166 f.>) - ein freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept für die Unterbringung zu entwickeln, das dem Abstandsgebot gerecht geworden wäre. Das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl I S. 2300) revidiert diese Entwicklung ansatzweise in § 2 ThUG. Weiterhin gilt aber die alte Rechtslage, wenn die jeweilige Anlasstat vor dem 1. Januar 2011 begangen worden ist (Art. 316e Abs. 1 EGStGB).

121

aa) Das Strafvollzugsgesetz des Bundes, das nach dem Wegfall der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für den Bereich des Strafvollzugs im Zuge der Föderalismusreform im Jahr 2006 (Art. 1 Nr. 7 Buchstabe a des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl I S. 2034) in den meisten Bundesländern noch gemäß Art. 125a Abs. 1 GG fortgilt, enthält ebenso wie die Strafvollzugsgesetze der Länder Bayern, Hamburg und Hessen, das baden-württembergische Justizvollzugsgesetzbuch und das niedersächsische Justizvollzugsgesetz nur rudimentäre Regelungen zum Vollzug der Sicherungsverwahrung, die Randbereiche wie Ausstattung der Hafträume, Kleidung und Taschengeld betreffen, und erklärt im Übrigen die Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe für entsprechend anwendbar (§§ 129 ff. StVollzG). Diese Vorschriften sind ungeeignet, die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots zu erfüllen. Sie eröffnen in wesentlichen Kernbereichen - hinsichtlich Behandlung, Betreuung und Motivation des Untergebrachten und der Gewährung von Vollzugslockerungen - zu weite Beurteilungs- und Ermessensspielräume, ohne das Handeln der Vollzugsanstalten durch klare normative Vorgaben wirksam auf einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug der Sicherungsverwahrung zu verpflichten. Hinsichtlich des vorangehenden Strafvollzugs fehlt es an Regelungen zur Vermeidung der Sicherungsverwahrung. Vor allem ist die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt nur bei bestimmten Sexualdelikten zwingend vorgeschrieben (§ 9 Abs. 1 StVollzG), im Übrigen steht sie - auch bei angeordneter Sicherungsverwahrung - im Ermessen der Vollzugsanstalt und bedarf zudem der Zustimmung des Leiters der sozialtherapeutischen Anstalt (§ 9 Abs. 2 StVollzG). Eine räumliche Trennung der Unterbringung vom Strafvollzug ist ebenso wenig vorgeschrieben wie die Beiordnung eines Beistands. Hinzu treten weitere normative Defizite. Das normative Gesamtkonzept muss zum Vollzug der Maßregel qualitative Anforderungen an die personelle und sachliche Ausstattung enthalten, die vom Landeshaushaltsgesetzgeber Beachtung verlangen und der Exekutive keine wesentlichen Gestaltungsspielräume überlassen. Ferner ist die gesetzliche Höchstfrist für die Überprüfung der Sicherungsverwahrung - abgesehen von der Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht, für die jährliche Regelüberprüfungen vorgesehen sind (§ 7 Abs. 4 JGG) - in § 67e Abs. 2 StGB mit zwei Jahren zu lang bemessen.

122

bb) Auch wegen des normativen Defizits trägt der tatsächliche Vollzug der Sicherungsverwahrung den aus dem Abstandsgebot folgenden Anforderungen nicht hinreichend Rechnung, wie neuere wissenschaftliche Erkenntnisse belegen und die Anhörung der Sachverständigen Rösch und Prof. Dr. Dessecker in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Dabei bestehen Defizite nicht nur während der Sicherungsverwahrung als solcher. Bereits in dem der Sicherungsverwahrung vorangehenden Strafvollzug zeigen sich erhebliche Mängel, die Auswirkungen auf Vollzug und Dauer der Sicherungsverwahrung und damit auf die Chance zur Wiedererlangung der Freiheit haben. Hinzu kommt, dass es vielerorts an einer ausreichenden Entlassungsvorbereitung und Schaffung eines geeigneten sozialen Empfangsraums fehlt, der den Untergebrachten nach seiner Entlassung aufnehmen kann.

123

Die psychologische oder psychiatrische Betreuung der Sicherungsverwahrten ist in der Praxis unzureichend. Studien zufolge befinden sich durchschnittlich nur etwa 30 % der Sicherungsverwahrten in einer Therapie, obwohl der Anteil der Untergebrachten mit einer behandlungsbedürftigen Auffälligkeit mit 79,3 % deutlich höher liegt (vgl. Bartsch, Sicherungsverwahrung, 2010, S. 228; Habermeyer, Die Maßregel der Sicherungsverwahrung, 2008, S. 54). Die Ursache hierfür kann nur begrenzt der Sphäre der Betroffenen zugerechnet werden. Zurückzuführen ist die geringe Anzahl der in therapeutischer Behandlung befindlichen Sicherungsverwahrten gerade auch auf eine unzureichende personelle und sachliche Ausstattung der Einrichtungen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass eine erfolgreiche freiheitsorientierte therapeutische Behandlung regelmäßig einen erhöhten personellen Aufwand, etwa auch für die Motivation Therapieunwilliger, erfordern wird (Bartsch, a.a.O., S. 228 ff.).

124

Obwohl Vollzugspraktiker in den Therapiemöglichkeiten der sozialtherapeutischen Anstalten ein großes Potential sehen, den Sicherungsverwahrten die Chance auf eine Wiedererlangung der Freiheit zu geben und eine lebenslange Verwahrung zu verhindern, bestehen erhebliche Probleme bei der Unterbringung von Sicherungsverwahrten in sozialtherapeutischen Einrichtungen. Dies ist zum einen dadurch bedingt, dass häufig nicht genügend Plätze für Sicherungsverwahrte in den sozialtherapeutischen Anstalten vorhanden sind. Zum anderen besteht mancherorts eine äußerst geringe Bereitschaft der sozialtherapeutischen Einrichtungen, Sicherungsverwahrte aufzunehmen (Bartsch, a.a.O., S. 232 ff.). Besonders anschaulich wird dies an der geringen Zahl der in einer sozialtherapeutischen Einrichtung befindlichen Betroffenen: Im März 2010 befanden sich von insgesamt 536 Personen, bei denen eine Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, nur 83 Personen in der Sozialtherapie (Niemz, Kriminologische Zentralstelle e.V., Sozialtherapie im Strafvollzug, 2010, S. 13). Hinzu kommt, dass eine gemeinsame sozialtherapeutische Behandlung von Sicherungsverwahrten und Strafgefangenen oftmals nicht auf die besonderen Bedürfnisse der Sicherungsverwahrten zugeschnitten ist und daher nicht selten Fehl-entwicklungen auslöst (Bartsch, a.a.O., S. 232 ff.).

125

Überdies wird während der Strafhaft solcher Strafgefangener, bei denen bereits im Urteil die anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, nicht in ausreichendem Umfang auf eine Aussetzung des Maßregelvollzugs zur Bewährung hingearbeitet. Obwohl § 67c Abs. 1 StGB für den Fall des nach der Verbüßung der Freiheitsstrafe liegenden Beginns einer Maßregel eine erneute Prüfung vorschreibt, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert, verstreicht die Zeit des Strafvollzugs für die Strafgefangenen mit anschließender Sicherungsverwahrung häufig ungenutzt. So werden den Betroffenen zum einen Vollzugslockerungen wie Ausgang und Urlaub oder die Unterbringung im offenen Vollzug regelmäßig nicht gewährt. Zum anderen werden die Strafgefangenen mit anschließender Sicherungsverwahrung von den Anstalten häufig nicht oder nur zweitrangig zu den notwendigen Therapien zugelassen (Bartsch, a.a.O., S. 245 ff.). Gerade der frühzeitige Beginn einer Therapie - bereits in der Strafhaft - ist jedoch entscheidend, um die anschließende Sicherungsverwahrung zu vermeiden oder zumindest so kurz wie möglich zu halten.

126

Darüber hinaus wird von der Möglichkeit der Gewährung von Vollzugslockerungen, die gerade auch der Vorbereitung der Entlassung dienen und zudem von besonderer Bedeutung im Hinblick auf die Prognose hinsichtlich der Gefährlichkeit des Betroffenen sind (vgl. BVerfGE 109, 133 <165 f.>, m.w.N.), nur äußerst restriktiv Gebrauch gemacht. Vor allem unbegleitet durchgeführte Maßnahmen wie Ausgang, Freigang und Urlaub werden nur in den seltensten Fällen gewährt (Bartsch, a.a.O., S. 220 ff.).

127

Eine weitere Hürde, die der Entlassung des Sicherungsverwahrten entgegensteht, ist schließlich, dass es häufig an strukturierten Kooperationen der Anstalten mit Nachsorgeeinrichtungen sowie der Schaffung eines gesicherten sozialen Empfangsraums nach Entlassung aus der Sicherungsverwahrung fehlt. So besteht insbesondere ein deutlicher Mangel an Plätzen in betreuten Wohneinrichtungen, in die der Sicherungsverwahrte nach der Entlassung aufgenommen werden kann (Bartsch, a.a.O., S. 242 ff.). Ferner bestehen Probleme beim Übergang der Behandlung vom Vollzug in spätere ambulante Therapien. Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, ist daher insbesondere der Aufbau von Netzwerken und geeigneten Organisationsstrukturen vonnöten, um eine durchgängige nachsorgende Betreuung des entlassenen Sicherungsverwahrten gewährleisten zu können.

128

cc) Das Fehlen eines dem verfassungsrechtlichen Abstandsgebot entsprechenden gesetzlichen Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung führt zur Verfassungswidrigkeit der mittelbar angegriffenen Vorschriften. Der Gesetzgeber darf Regelungen über die Anordnung und Dauer dieser Maßregel von Verfassungs wegen nur als integrale Bestandteile eines freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts treffen. Insbesondere entspricht es nicht dem hohen Rang des Freiheitsrechts, wenn die Anordnung der Sicherungsverwahrung isoliert gestattet wird, obwohl die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung dieser Maßregel aufgrund eines normativen Regelungsdefizits strukturell nicht gewahrt sind. Die Betroffenen werden gleichsam "sehenden Auges" einer verfassungswidrigen Freiheitsentziehung unterworfen.

129

Aus Sicht des Freiheitsschutzes spielt es insoweit keine Rolle, dass der Bundesgesetzgeber seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 nicht mehr über die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug verfügt. Wenn er sich im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz für das Strafrecht aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG für ein zweispuriges Sanktionensystem und den Einsatz einer so einschneidenden freiheitsentziehenden Maßnahme wie der Sicherungsverwahrung entscheidet, muss er die wesentlichen Leitlinien des freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts, das der Sicherungsverwahrung von Verfassungs wegen zugrundezulegen ist, selbst regeln und sicherstellen, dass diese konzeptionelle Ausrichtung der Sicherungsverwahrung nicht durch landesrechtliche Regelungen unterlaufen werden kann.

130

Bundes- und Landesgesetzgeber stehen gemeinsam in der Pflicht, ein normatives Regelungskonzept zu schaffen, welches den dargelegten Anforderungen genügt. Ihre Aufgabe ist es, unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Kompetenzgefüges ein freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln. Dabei ist der Bundesgesetzgeber angesichts seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit für den Bereich des Strafrechts nach § 74 Abs. 1 Nr. 1 GG darauf beschränkt - aber, wenn er am Institut der Sicherungsverwahrung grundsätzlich festhalten will, auch gehalten - die wesentlichen Leitlinien vorzugeben. Vorgaben in diesem Sinn finden sich etwa in § 2 ThUG. Darüber hinaus ist er zuständig für die Regelungen zur gerichtlichen Überprüfung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung und für Verfahrensvorschriften. Die Landesgesetzgeber wiederum haben im Rahmen ihrer Gesetzgebungszuständigkeit das Abstandsgebot sichernde, effektive Regelungen für den Vollzug der Maßregel zu treffen, die einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug gewährleisten. Dabei ist vor allem sicherzustellen, dass die genannten Anforderungen nicht durch Gewährung zu weiter Spielräume in der Praxis umgangen werden können und damit das Abstandsgebot faktisch leerläuft. Ohne Wahrung des Abstandsgebots ist das Institut der Sicherungsverwahrung mit dem Freiheitsgrundrecht der Untergebrachten nicht vereinbar.

131

3. § 67d Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB - soweit er zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus auch bei Verurteilten ermächtigt, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160) begangen wurden - sowie § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG sind darüber hinaus auch mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar.

132

Der mit den zur Überprüfung gestellten Vorschriften verbundene Eingriff in das Vertrauen des betroffenen Personenkreises auf ein Ende der Sicherungsverwahrung nach Ablauf von zehn Jahren (§ 67d Abs. 3 StGB) beziehungsweise in das Vertrauen auf ein Unterbleiben der Anordnung einer Sicherungsverwahrung (§ 66b StGB; § 7 Abs. 2 JGG) ist angesichts des damit verbundenen Eingriffs in das Freiheitsrecht dieses Personenkreises (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verfassungsrechtlich nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und zum Schutz höchster Verfassungsgüter zulässig (a). Das Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange wird überdies durch die Wertungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verstärkt (b) mit der Folge, dass eine rückwirkend angeordnete oder verlängerte Freiheitsentziehung nur noch als zulässig angesehen werden kann, wenn der gebotene Abstand zur Strafe gewahrt wird, eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EMRK erfüllt sind (c).

133

a) Der in den Vorschriften enthaltene Eingriff in das Vertrauen der Betroffenen ist angesichts des damit verbundenen Eingriffs in das Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verfassungsrechtlich nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und zum Schutz höchstwertiger Rechtsgüter zulässig.

134

Die Vorschriften enthalten jeweils einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, der für einen bestimmten Personenkreis - dem auch die Beschwerdeführer zu I. bis IV. angehören - eine zusätzliche Verschärfung erfährt, indem die Sicherungsverwahrung nachträglich entgegen der früheren, im Zeitpunkt der Anlasstaten geltenden Rechtslage über zehn Jahre hinaus unbefristet verlängert werden kann (so in der Konstellation von § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB i.V.m. § 2 Abs. 6 StGB), oder indem gegen sie nachträglich eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann, obwohl im Urteil des erkennenden Gerichts davon abgesehen und dies auch nicht vorbehalten wurde (so in der Konstellation von § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG). Hierin liegt ein Eingriff in das Vertrauen der in ihrem Freiheitsgrundrecht betroffenen Grundrechtsträger, unabhängig davon, ob man insoweit von einer "echten" oder einer "unechten" Rückwirkung beziehungsweise von einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen oder einer tatbestandlichen Rückanknüpfung ausgeht (vgl. dazu bereits mit Blick auf § 67d Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 1a Abs. 3 EGStGB a.F., BVerfGE 109, 133 <182 f.>).

135

Nach Maßgabe des Vertrauensschutzgebots - das im Zusammenhang mit dem Gewährleistungsgehalt des in seinem Schutzbereich berührten Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG Wirkung entfaltet (vgl. BVerfGE 72, 200 <242>) - ergeben sich die Grenzen gesetzgeberischer Regelungsbefugnis aus einer Abwägung zwischen dem Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl (vgl. BVerfGE 14, 288 <300>; 25, 142 <154>; 43, 242 <286>; 43, 291 <391>; 75, 246 <280>; 109, 133 <182>). Dabei erhöht sich die Bedeutung der berührten Vertrauensschutzbelange in Abhängigkeit von der Schwere des Eingriffs in das sachlich berührte Grundrecht (vgl. bereits BVerfGE 109, 133 <186 f.>).

136

Dies zugrundegelegt ist hier von einem besonders hohen Gewicht der betroffenen Vertrauensschutzbelange auszugehen, denn die in Rede stehenden Vorschriften enthalten, indem sie zur Anordnung beziehungsweise Verlängerung einer unbefristeten Freiheitsentziehung durch Sicherungsverwahrung ermächtigen, einen schweren - wenn nicht gar den schwersten vorstellbaren - Eingriff in das sachlich berührte Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) und damit in ein Recht, dem unter den grundrechtlich verbürgten Rechten bereits für sich genommen besonderes Gewicht zukommt (vgl. BVerfGE 65, 317 <322>). Der mit der Sicherungsverwahrung angeordnete Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ist selbst bei Wahrung des Abstandsgebots im Hinblick auf die mit der Sicherungsverwahrung unvermeidlich verbundene, dauerhafte Entziehung der äußeren Freiheit mit der Freiheitsstrafe vergleichbar. Damit gewinnt die Erwartung des Untergebrachten, die Freiheit zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder zu erlangen, besondere Bedeutung (vgl. bereits BVerfGE 109, 133 <185>).

137

b) Das Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange wird überdies durch die Wertungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verstärkt.

138

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Verletzung des Abstandsgebots (vgl. oben 2.) gemäß der Wertung von Art. 7 Abs. 1 EMRK zur Folge hat, dass sich das Gewicht des Vertrauens der Betroffenen einem absoluten Vertrauensschutz annähert (aa). Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass eine Rechtfertigung der Freiheitsentziehung gemäß Art. 5 EMRK in den hier in Rede stehenden Fällen des § 67d Abs. 3 in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB und des § 66b Abs. 2 StGB sowie des § 7 Abs. 2 JGG ausschließlich unter den Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in Betracht kommt (bb).

139

aa) Nach der Wertung von Art. 7 Abs. 1 EMRK hat der unzureichende Abstand des Vollzugs der Sicherungsverwahrung von dem der Freiheitsstrafe zur Folge, dass sich das Gewicht des Vertrauens der Betroffenen einem absoluten Vertrauensschutz annähert.

140

(1) Ausweislich des Urteils der Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland) verletzt die nachträgliche Verlängerung der früheren Zehnjahreshöchstfrist des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB Art. 7 Abs. 1 EMRK, weil es sich bei der Sicherungsverwahrung um eine Strafe im Sinne von Art. 7 EMRK handelt (EGMR, a.a.O., Rn. 133; vgl. bereits oben 2. a) cc). Die konventionsrechtliche Einordnung der Sicherungsverwahrung stützt sich unter anderem darauf, dass diese wie eine Freiheitsstrafe eine Freiheitsentziehung zur Folge hat und in regulären Strafvollzugsanstalten vollzogen wird. Auch sei, so die Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs, mit Blick auf die tatsächliche Situation der Sicherungsverwahrten nicht nachvollziehbar, dass der Sicherungsverwahrung lediglich eine präventive Funktion zukomme und sie keinem Strafzweck diene. Die Kammer verweist insoweit darauf, dass es keine besonderen, auf Sicherungsverwahrte gerichteten Maßnahmen, Instrumente oder Einrichtungen gebe, die zum Ziel hätten, ihre Gefährlichkeit zu verringern und damit ihre Haft auf die Dauer zu beschränken, die unbedingt erforderlich sei, um sie von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Ferner verweist die Kammer auf weitere Kriterien, etwa das Verfahren zur Anordnung der Unterbringung und die Schwere der Maßnahme, die aber nicht allein entscheidend sei (EGMR, a.a.O., Rn. 127 ff.).

141

(2) Diese Interpretation des Art. 7 Abs. 1 EMRK spricht dafür, das Abstandsgebot noch deutlicher zu konturieren, sie verpflichtet aber nicht dazu, die Auslegung des Art. 103 Abs. 2 GG der des Art. 7 Abs. 1 EMRK vollständig anzugleichen. Das Bundesverfassungsgericht hat schon in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2004 den Aspekt der faktischen Wirkung einer Maßnahme zwar nicht als begrifflich relevant für das Tatbestandsmerkmal der Strafe in Art. 103 Abs. 2 GG angesehen, aber eine Berücksichtigungsmöglichkeit im Rahmen des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG aufgezeigt (vgl. BVerfGE 109, 133 <185>). Das gilt auch für den Aspekt der Schwere der Maßnahme - hier: eine unbefristete Freiheitsentziehung -, die zwar kein geeignetes Definitionsmerkmal für den Begriff der Strafe im Sinne von Art. 103 GG (vgl. BVerfGE 109, 133 <175>), im Rahmen der Prüfung des Freiheitsgrundrechts jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein zu berücksichtigendes Element darstellt (vgl. BVerfGE 109, 133 <160 f.>; 70, 297 <314 f.>). Zwar rechtfertigen diesbezügliche Ähnlichkeiten keine Einbeziehung der Sicherungsverwahrung in den Begriff der Strafe im Sinne des Art. 103 GG (BVerfGE 109, 133<176>). Bereits das Grundgesetz selbst enthält nach der Rechtsprechung des Senats jedoch auch im Rahmen der Prüfung einer Verletzung von Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG bei langjährigen, mit Freiheitsentzug verbundenen Maßregeln das Gebot zu berücksichtigen, ob beziehungsweise dass "der Untergebrachte die Sicherungsverwahrung [...] auch im Hinblick auf ihren tatsächlichen Vollzug als der Strafe vergleichbar empfinden dürfte" (vgl. BVerfGE 109, 133 <185>). Das Vertrauensschutzgebot besitzt insoweit eine enge Verwandtschaft und Strukturähnlichkeit mit dem "nulla-poena-Prinzip" (vgl. BVerfGE 109, 133 <171 f.>).

142

Zur Anpassung des grundgesetzlichen Begriffs der Strafe in Art. 103 Abs. 2 GG - und damit zugleich des Art. 103 Abs. 3 GG - an den Strafbegriff des Art. 7 Abs. 1 EMRK besteht demzufolge kein Anlass. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte selbst führt insoweit aus, der Begriff der "Strafe" im Sinne von Art. 7 EMRK sei "autonom" auszulegen; er - der Gerichtshof - sei an die Einordnung einer Maßnahme nach nationalem Recht nicht gebunden (EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 126). Diese Art der Begriffsbildung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat für die Zwecke der Europäischen Menschenrechtskonvention ihre Berechtigung. Die Unabhängigkeit der Begriffsbildung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und die damit notwendig verbundene Flexibilität und Unschärfe tragen der rechtlichen, sprachlichen und kulturellen Vielfalt der Mitgliedstaaten des Europarates Rechnung (vgl. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl. 2009, § 5 Rn. 9 ff.). Für die gewachsene Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist dagegen an dem Begriff der Strafe in Art. 103 GG, wie er in der Entscheidung vom 5. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133 <167 ff.>) zum Ausdruck gekommen ist, festzuhalten.

143

bb) Des Weiteren sind auf Seiten der betroffenen Sicherungsverwahrten die Wertungen von Art. 5 EMRK zu berücksichtigen. Danach kommt eine Rechtfertigung der Freiheitsentziehung in den von den mittelbar angegriffenen Vorschriften des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160) in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB und des § 66b Abs. 2 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 2007 (BGBl I S. 513) sowie des § 7 Abs. 2 JGG in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 2008 (BGBl I S. 1212) umfassten Fällen praktisch nur unter den Voraussetzungen einer psychischen Störung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in Betracht.

144

Art. 5 EMRK enthält in Abs. 1 eine abschließende Auflistung zulässiger Gründe für eine Freiheitsentziehung (vgl. EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 86). Für die Rechtfertigung der hier in Rede stehenden Konstellationen scheidet Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK als Haftgrund aus (1). Auch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c EMRK kommt regelmäßig nicht in Betracht (2), so dass die Sicherungsverwahrung in den hier in Rede stehenden Konstellationen allenfalls unter den Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in Einklang mit Art. 5 EMRK gebracht werden kann (3).

145

(1) Im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine Rechtfertigung der Freiheitsentziehung nach dieser Bestimmung in den hier in Rede stehenden Konstellationen angesichts der jüngeren Rechtsprechung der Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht mehr in Betracht kommt (vgl. insbesondere das Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland sowie die Urteile vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 17792/07, Kallweit ./. Deutschland und Beschwerde-Nrn. 27360/04, 42225/07, Schummer ./. Deutschland).

146

Im Fall der betroffenen Individualbeschwerdeführer war die nachträglich verlängerte Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus nicht mehr nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK als "rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht" gerechtfertigt, weil - so die Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichthofs für Menschenrechte in ihren Urteilen - kein ausreichender Kausalzusammenhang zwischen der Verurteilung und der fortgesetzten Freiheitsentziehung über zehn Jahre hinaus bestanden habe, da diese ausschließlich aufgrund der Gesetzesänderung 1998 möglich geworden sei (vgl. EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 97 ff., Rn. 100).

147

Darüber hinaus hat die Kammer der 5. Sektion in einem weiteren Urteil vom 13. Januar 2011 (Beschwerde-Nr. 6587/04, Haidn ./. Deutschland) eine Rechtfertigung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK im Fall eines Individualbeschwerdeführers abgelehnt, der nach Verbüßung seiner Freiheitsstrafe auf der Grundlage des Bayerischen Straftäterunterbringungsgesetzes (BayStrUGB) wegen seiner Gefährlichkeit nachträglich in einer Justizvollzugsanstalt untergebracht worden war. Bei dieser Gelegenheit hat die Kammer nochmals darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung eines Strafvollstreckungsgerichts, der betreffenden Person weiter die Freiheit zu entziehen, nicht das Erfordernis der "Verurteilung" im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a erfülle, weil sie "keine Schuldfeststellung" mehr enthalte (EGMR, Urteil vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 6587/04, Haidn ./. Deutschland, Rn. 84).

148

Der Senat geht daher davon aus, dass in sämtlichen sogenannten Altfällen, in denen die Betroffenen wegen ihrer Anlasstaten bereits vor Inkrafttreten der jeweils einschlägigen Neuregelungen verurteilt waren - also in allen von der rückwirkenden Anwendung der Verlängerung der Zehnjahresfrist gemäß § 67d Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB erfassten Fällen ebenso wie in sämtlichen Fällen der rückwirkenden nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG - eine Rechtfertigung der Sicherungsverwahrung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK generell ausgeschlossen sein wird.

149

Dies gilt für die nachträgliche Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG überdies unabhängig von dem rückwirkenden zeitlichen Anwendungsbereich der Vorschriften, also auch in sogenannten Neufällen, denn diese Vorschriften ermöglichen bereits tatbestandlich eine nachträgliche Anordnung einer Freiheitsentziehung. Diese erfolgt zwar - anders als in den bislang vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entschiedenen "Altfällen" - durch ein eigenständiges (zweites) Urteil und nicht lediglich durch einen Beschluss einer Strafvollstreckungskammer. Das (zweite) Urteil enthält jedoch keine neuerliche Schuldfeststellung, sondern setzt eine solche voraus.

150

(2) Auch die Wertung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c EMRK ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift ist eine Freiheitsentziehung zur Vorführung "vor die zuständige Gerichtsbehörde" zu rechtfertigen, "wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, die Person an der Begehung einer Straftat zu hindern". Zwar bietet dieser Haftgrund in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte lediglich ein Mittel zur Verhütung einer konkreten und spezifischen Straftat ("a means of preventing a concrete and specific offence", vgl. EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 89) und steht unter formellen Voraussetzungen ("zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde"), die im Rahmen der Sicherungsverwahrung - jedenfalls unter normalen Umständen - regelmäßig nicht vorliegen werden. Gleichwohl bestätigt die Existenz von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c EMRK auf der Wertungsebene, dass die Europäische Menschenrechtskonvention eine präventive Freiheitsentziehung zulässt, wenn eine Gefahr konkret und spezifisch genug ist. Eine solche Gefahr dürfte in den hier zu betrachtenden Fällen indes nur ganz ausnahmsweise festzustellen sein.

151

(3) Nach alledem kommt eine konventionsrechtliche Rechtfertigung der Freiheitsentziehung in den hier in Rede stehenden Fällen praktisch nur unter den Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in Betracht (vgl. zum Verhältnis von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a zu Buchstabe e EMRK unter anderem EGMR, Urteil vom 5. November 1981, Beschwerde-Nr. 7215/75, X. ./. Vereinigtes Königreich, Rn. 39 und Rn. 46 f.; Urteil vom 22. Oktober 2009, Beschwerde-Nr. 1431/03, Stojanovski ./. Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien, Rn. 30; Urteil vom 17. Dezember 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 103).

152

Das für diese Gewährleistung, soweit hier von Belang, zentrale Tatbestandsmerkmal des "unsound mind" setzt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte voraus, dass es sich um eine zuverlässig nachgewiesene psychische Störung ("true mental disorder") handelt, die eine zwangsweise Unterbringung erfordert ("warranting compulsory confinement"), und die fortdauert ("the validity of continued confinement must depend upon the persistence of such a disorder") (vgl. grundlegend EGMR, Urteil vom 24. Oktober 1979, Beschwerde-Nr. 6301/73, Winterwerp ./. Niederlande, Rn. 39; s. zuletzt EGMR, Urteil vom 21. Juni 2005, Beschwerde-Nr. 517/02, Kolanis ./. Vereinigtes Königreich, Rn. 67). Eine abschließende Definition des Begriffs "true mental disorder" existiert nicht (vgl. EGMR, Urteil vom 24. Oktober 1979, Beschwerde-Nr. 6301/73, Winterwerp ./. Niederlande, Rn. 37). Lediglich sozial abweichendes Verhalten stellt allerdings keine Störung im Sinne dieser Vorschrift dar (vgl. EGMR, a.a.O., Rn. 37). Eine dissoziale Persönlichkeitsstörung oder eine Psychopathie ("anti-social personality" oder "psychopathic disorder") können jedoch darunter fallen (vgl. EGMR, Urteil vom 20. Februar 2003, Beschwerde-Nr. 50272/99, Hutchison Reid ./. Vereinigtes Königreich, Rn. 19; s. auch Prior, Mentally disordered offenders and the European Court of Human Rights, International Journal of Law and Psychiatry 30 (2007), S. 546 <548>; Bartlett/Lewis/Thorold, Mental Disability and the European Convention on Human Rights, 2007, S. 43). Bei der Beurteilung der Frage, ob das Erfordernis der psychischen Störung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK und ihrer Fortdauer erfüllt ist, besitzen die Mitgliedstaaten zudem einen Beurteilungsspielraum ("margin of appreciation") (vgl. zuletzt EGMR, Urteil vom 22. Oktober 2009, Beschwerde-Nr. 1431/03, Stojanovski ./. Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien, Rn. 34 m.w.N.). Die Vorschrift verweist auf das nationale Recht (vgl. Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. 2009, Art. 5 Rn. 76).

153

Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK verlangt darüber hinaus, dass die gesetzlichen Regelungen des betreffenden Anordnungs- oder Überprüfungsverfahrens die Feststellung einer psychischen Störung im Sinne einer ausdrücklichen Tatbestandsvoraussetzung vorsehen (vgl. EGMR, Urteil der 5. Sektion vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 17792/07, Kallweit ./. Deutschland, Rn. 56).

154

Weiterhin ist das in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK enthaltene zusätzliche Erfordernis der sonstigen Rechtmäßigkeit ("lawfulness") der Freiheitsentziehung (vgl. dazu zuletzt ausführlich das Urteil der Großen Kammer des EGMR vom 9. Juli 2009, Beschwerde-Nr. 11364/03, Mooren ./. Deutschland, Rn. 72 m.w.N.) zu berücksichtigen, das der Vermeidung von Willkür dient und daher insbesondere die Vorhersehbarkeit der Freiheitsentziehung verlangt. Die Anforderungen des Willkürverbots hängen von der Art der Freiheitsentziehung beziehungsweise dem einschlägigen Rechtfertigungsgrund innerhalb der Systematik des Art. 5 Abs. 1 EMRK ab (vgl. EGMR, a.a.O., Rn. 76 f.; Urteil der Großen Kammer vom 29. Januar 2008, Beschwerde-Nr. 13229/03, Saadi ./. Vereinigtes Königreich, NVwZ 2009, S. 375 <377>, Rn. 67 ff.). Danach wird als maßgeblicher Zeitpunkt für die Vorhersehbarkeit der Freiheitsentziehung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK insbesondere der Zeitpunkt der Begehung der Straftat als derjenigen Handlung in Betracht zu ziehen sein, an die die Freiheitsentziehung anknüpft. Dagegen geht es im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK im Kern nicht - wie etwa bei Art. 7 und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK - um die Freiheitsentziehung wegen einer in der Vergangenheit liegendenHandlung sowie einer daran anknüpfenden Verurteilung, sondern um die Freiheitsentziehung wegen eines gegenwärtigen  Zustandes (hier: einer psychischen Störung und der darauf beruhenden Gefährlichkeit für die Allgemeinheit) (vgl. auch Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. 2009, Art. 5 Rn. 76).

155

Dem Erfordernis der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entspringt darüber hinaus die Notwendigkeit eines Zusammenhangs zwischen dem Zweck der Freiheitsentziehung und der Einrichtung, in der der Betreffende untergebracht ist (vgl. zuletzt EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 29. Januar 2008, Beschwerde-Nr. 13229/03, Saadi ./. Vereinigtes Königreich, Rn. 69 a.E.; EGMR, Urteil vom 30. Juli 1998, Beschwerde-Nr. 61/1997/845/1051, Aerts ./. Belgien, Rn. 46). Die Rechtfertigung der Freiheitsentziehung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK setzt daher nicht zuletzt voraus, dass der Betroffene an einem Ort und unter Umständen untergebracht ist, die der Tatsache Rechnung tragen, dass er (auch) aufgrund einer psychischen Störung untergebracht ist (vgl. zuletzt EGMR, Urteil vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 17792/07, Kallweit ./. Deutschland, Rn. 46: "einem Krankenhaus, einer Klinik oder einer anderen geeigneten Einrichtung").

156

c) Unter Berücksichtigung dieser Wertungen und in Anbetracht des erheblichen Eingriffs in das Vertrauen der in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG betroffenen Sicherungsverwahrten tritt der legitime gesetzgeberische Zweck der angegriffenen Vorschriften, die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu schützen, weitgehend hinter das grundrechtlich geschützte Vertrauen in ein Ende der Sicherungsverwahrung nach Ablauf von zehn Jahren (so in den "Altfällen" im Anwendungsbereich des § 67d Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 6 StGB) beziehungsweise in das Unterbleiben einer Anordnung der Sicherungsverwahrung (so in den Fällen der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG) zurück. Eine rückwirkend angeordnete oder verlängerte Freiheitsentziehung durch Sicherungsverwahrung kann daher nur noch als verhältnismäßig angesehen werden, wenn der gebotene Abstand zur Strafe gewahrt wird, eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist (vgl. auch bereits BGH, Beschluss vom 9. November 2010 - 5 StR 394/10, 440/10, 474/10 -, NJW 2011, S. 240 <243>) und die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in der hier zugrundegelegten Auslegung erfüllt sind. Lediglich in solchen Ausnahmefällen kann noch von einem Überwiegen der öffentlichen Sicherheitsinteressen ausgegangen werden.

157

d) Hieran gemessen sind § 67d Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB sowie § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgebot unvereinbar (aa). Die Vorschriften können nicht in einer Weise ausgelegt werden, dass ihre Verfassungsmäßigkeit noch gewahrt ist (bb).

158

aa) Die Vorschriften sind mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgebot unvereinbar, weil der Abstand zur Strafe generell nicht gewahrt ist (vgl. zur Verletzung des Abstandsgebots bereits oben unter C. I. 2.) und der Einfluss von Art. 7 EMRK deshalb ein Ausmaß erreicht, das jede rückwirkende Anwendung der Vorschriften verbietet. Hinzu kommt, dass die Vorschriften in ihren gegenwärtigen Fassungen nicht sicherstellen, dass nur hochgefährliche Straftäter, deren Freiheitsentziehung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK gerechtfertigt ist, erfasst sind.

159

bb) Die Vorschriften können nicht in einer Weise ausgelegt werden, dass ihre Verfassungsmäßigkeit noch gewahrt ist.

160

(1) Im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden (vgl. BVerfGE 8, 71 <78 f.>). Die zur Vermeidung eines Nichtigkeitsausspruchs gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein (BVerfGE 69, 1 <55>). Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er fordert mithin eine Auslegung der Norm, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt (BVerfGE 86, 288 <320>). Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (vgl. BVerfGE 8, 28 <34>; 54, 277 <299 f.> m.w.N.; 78, 20 <24> m.w.N.; 119, 247 <274>).

161

(2) Vor diesem Hintergrund lässt keine der zur Überprüfung gestellten Vorschriften eine verfassungskonforme Auslegung zu.

162

Dies gilt nicht nur für § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB, der schon nach seinem Wortlaut keine Ansatzpunkte für eine entsprechende Auslegung erkennen lässt, sondern auch für § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG. Die letztgenannten Vorschriften räumen zwar den Fachgerichten einen Ermessensspielraum auf der Rechtsfolgenseite ein, der in der Formulierung "kann" zum Ausdruck kommt. Dieses Ermessen besteht jedoch nur innerhalb des Zwecks der Ermächtigung. Die Fachgerichte dürfen danach zwar trotz Vorliegens der Voraussetzungen im Einzelfall mit guten Gründen von einer nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung absehen, es ist ihnen jedoch verwehrt, die vom Gesetzgeber vorgesehene Rechtsfolge generell unangewendet zu lassen, die Vorschriften also gänzlich leerlaufen zu lassen und damit an Stelle des Gesetzgebers die grundsätzliche Entscheidung zu treffen, ob die nachträgliche Sicherungsverwahrung vollständig abgeschafft werden soll. Es obliegt allein dem Gesetzgeber festzulegen, ob sämtliche von der Rückwirkungsproblematik betroffenen Sicherungsverwahrten freizulassen sind oder lediglich diejenigen, in deren Fall dies verfassungsrechtlich zwingend ist.

163

Ebenso wenig ist es möglich, im Wege verfassungskonformer Auslegung der Ermessensermächtigung die vorhandenen gesetzlichen Regelungen auf ihren noch verfassungskonformen Teil zu reduzieren. Denn das zur Herstellung verfassungskonformer Verhältnisse im Recht der Sicherungsverwahrung erforderliche normative Instrumentarium steht den Fachgerichten derzeit nicht zur Verfügung. Die Verfassungsmäßigkeit der nachträglichen Sicherungsverwahrung (§ 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG) sowie der nachträglichen Verlängerung der Sicherungsverwahrung über die frühere Zehnjahreshöchstfrist hinaus (§ 67d Abs. 3 Satz 1 StGB) setzt den Erlass zusätzlicher, umfangreicher Vorschriften - insbesondere die Normierung der Anforderungen zur Wahrung des Abstandsgebots sowie der Voraussetzungen zur Feststellung der psychischen Störung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK - voraus, die bislang im Recht der Sicherungsverwahrung nicht vorhanden sind. Allein der Gesetzgeber ist in der Lage, unter Ausschöpfung seiner Gestaltungsmöglichkeiten und mit der notwendigen Detailliertheit die Voraussetzungen dafür zu normieren, unter denen eine weitere Sicherungsverwahrung verfassungsrechtlich zulässig ist. Ihm steht es dabei insbesondere auch frei, die Sicherungsverwahrung ganz oder teilweise durch eine Therapieunterbringung zu ersetzen, jedoch muss er deren Anwendungsbereich mit dem Recht der Sicherungsverwahrung in einer Weise verzahnen, die keinen Zweifel darüber lässt, ob ein Anwendungsbereich der hier in Rede stehenden Vorschriften verbleiben soll oder diese aufgehoben werden.

164

Aus den entsprechenden Gründen scheidet auch eine Auslegung von § 2 Abs. 6 StGB aus, nach der Art. 5 und Art. 7 EMRK eine "andere gesetzliche Bestimmung" im Sinne dieser Vorschrift darstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2010 - 4 StR 577/09 -, NStZ 2010, S. 567; Beschluss vom 18. Januar 2011 - 4 ARs 27/10 -, juris; Beschluss vom 17. Februar 2011 - 3 ARs 35/10 -; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 24. Juni 2010 - 3 Ws 485/10 -, NStZ 2010, S. 573; OLG Hamm, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 4 Ws 157/10 -, juris; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 1 OJs 3/10 u.a. -, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 2 Ws 458/09 -, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 4 Ws 180/10 -, juris; a.A. BGH, Beschluss vom 9. November 2010 - 5 StR 394/10, 440/10, 474/10 -, NJW 2011, S. 240). Es liefe bereits dem gesetzgeberischen Regelungskonzept grundlegend zuwider, bei der Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB den allgemeinen Bestimmungen der Art. 5 und Art. 7 EMRK den Vorrang vor den speziellen und hinsichtlich der Frage der Rückwirkung eindeutigen Vorschriften des Strafgesetzbuches über die Sicherungsverwahrung einzuräumen. Genau diese hatte der Gesetzgeber beim Erlass der Normen im Blick. Aus den Materialien zu § 2 Abs. 6 StGB ergibt sich, dass der Gesetzgeber in § 2 Abs. 6 StGB von vornherein gerade keinen Verstoß gegen Art. 7 EMRK sah (BTDrucks IV/650, S. 108; ebenso OLG Stuttgart, Beschluss vom 1. Juni 2010 - 1 Ws 57/10 -, RuP 2010, S. 157). Die mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160) eingeführten Neuerungen des § 67d StGB beabsichtigte der Gesetzgeber ausweislich des zugleich erlassenen Art. 1a Abs. 3 EGStGB "uneingeschränkt rückwirkend in Kraft zu setzen" (vgl. auch BTDrucks 13/9062, S. 12). Zudem verstößt die Fiktion, eine Einzelfallentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stelle ein innerstaatliches (Parlaments-) Gesetz dar, gegen die grundgesetzlich vorgegebene Art und Weise der innerstaatlichen Wirkung der Europäischen Menschenrechtskonvention ebenso wie gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung. Die Europäische Menschenrechtskonvention ist kein Gesetz, sondern ein völkerrechtlicher Vertrag, der als solcher nicht unmittelbar in die staatliche Rechtsordnung eingreifen kann (vgl. BVerfGE 111, 307 <322>). Auch nach Erlass des Zustimmungsgesetzes handelt es sich weiterhin der Rechtsnatur nach um einen völkerrechtlichen Vertrag, dessen innerstaatliche Geltung lediglich durch den Vollzugsbefehl bewirkt wird (vgl. BVerfGE 90, 286 <364> und BVerfGE 104, 151 <209>; s. auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Juni 2010 - 2 BvR 432/07, 2 BvR 52 BvR 507/08 -, juris, Rn. 27). Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte besitzen ihrerseits ebenfalls keine Gesetzesqualität, vielmehr spricht Art. 46 Abs. 1 EMRK nur eine Bindung der beteiligten Vertragspartei an das endgültige Urteil in Bezug auf einen bestimmten Streitgegenstand aus ("res iudicata", vgl. BVerfGE 111, 307 <320>).

165

Auch aus sonstigen Konventionsbestimmungen kann keine über den Einzelfall hinausgehende, strenge Präjudizienbindung der mitgliedstaatlichen Gerichte hergeleitet werden. In der kontinentalen Rechtstradition steht es - solange nicht eine ausdrückliche Regelung wie § 31 BVerfGG etwas anderes anordnet - innerhalb der Willkürgrenzen jedem Gericht jederzeit frei, eine Vorschrift anders auszulegen, als andere Gerichte dies zuvor getan haben (vgl. nur BVerfGE 78, 123 <126>; 84, 212 <227>; 87, 273 <278>; Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. I, 10. Aufl. 2009, Rn. 539 f.; Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 1991, S. 334; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 565 ff.; s. auch Ress, ZaöRV 2009, S. 289 <293>). Nichts anderes gilt für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention, auch wenn der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte insoweit eine besondere Bedeutung zukommt, weil sich in ihr der aktuelle Entwicklungsstand der Konvention und ihrer Protokolle widerspiegelt (vgl. BVerfGE 111, 307 <319>; vgl. auch Cremer, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, Konkordanzkommentar, 2006, Kap. 32 Rn. 90).

II.

166

Sind nach alledem die angefochtenen Vorschriften wegen der Verletzung des Abstandsgebots mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar, gilt dies auch für sämtliche Regelungen über die Anordnung und die Dauer der Sicherungsverwahrung sowie entsprechende Nachfolgeregelungen, die unter Nummer II.1. Buchstabe b) des Urteilstenors aufgeführt sind. Insoweit liegen die Voraussetzungen vor, unter denen das Bundesverfassungsgericht gemäß § 78 Satz 2 BVerfGG seinen Ausspruch auf weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes ausdehnen kann. Die genannte Vorschrift ist im Verfassungsbeschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden (BVerfGE 18, 288 <300>; 40, 296 <328 f.>; 91, 1 <25>; 92, 53 <73>; 94, 241 <265 f.>; 98, 365 <401>; 104, 126 <150>; 110, 94 <140>).

III.

167

Sämtliche von der Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz betroffenen Vorschriften gelten trotz ihrer Verfassungswidrigkeit bis zu einer Neuregelung des Gesetzgebers, längstens bis zum 31. Mai 2013 weiter fort (1.). Bis dahin sind sie jedoch nur nach Maßgabe von Nummer III. des Urteilstenors anzuwenden (2.).

168

1. Steht eine Norm mit dem Grundgesetz nicht in Einklang, so ist sie grundsätzlich für nichtig zu erklären (§ 95 Abs. 3 Satz 1, § 78 Satz 1 BVerfGG). Etwas anderes gilt jedoch in den Fällen, in denen die Nichtigerklärung einer Norm zu einem Zustand führt, "welcher der verfassungsmäßigen Ordnung noch weniger entsprechen würde" (BVerfGE 116, 69 <93>), weil ein "rechtliches Vakuum" entstünde (BVerfGE 37, 217 <260 f.>) beziehungsweise Regelungslücken zu einem "Chaos" führen würden (BVerfGE 73, 40 <42, 101 f.>). Das Bundesverfassungsgericht belässt es hier in aller Regel bei einer Unvereinbarkeitserklärung und ordnet gleichzeitig die Weitergeltung der entsprechenden Normen für einen bestimmten Zeitraum an.

169

Vorliegend hätte die Nichtigerklärung der einschlägigen Normen zur Folge, dass es für die weitere Sicherungsverwahrung an einer Rechtsgrundlage fehlte und die Funktionsfähigkeit des bestehenden zweispurigen deutschen Maßregel- und Strafrechtssystems nachhaltig gestört wäre. Alle in der Sicherungsverwahrung untergebrachten Personen müssten sofort freigelassen werden, was Gerichte, Verwaltung und Polizei vor kaum lösbare Probleme stellen würde. Mit einzubeziehen in die Folgeerwägungen sind sämtliche potentiellen Sicherungsverwahrten, in deren Fall die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zwar angeordnet wurde, die sich aber noch im Vollzug der Freiheitsstrafe befinden, und deren Antritt in die Sicherungsverwahrung trotz ihrer etwaigen hochgradigen Gefährlichkeit nicht möglich wäre.

170

Im Hinblick auf den Umfang der Maßnahmen, die zur praktischen Umsetzung des Abstandsgebots erforderlich sind (vgl. oben unter C.I.2.), muss sich die Weitergeltungsanordnung auf zwei Jahre erstrecken, damit das erforderliche Gesamtkonzept erarbeitet, die notwendigen zusätzlichen Personalkapazitäten geschaffen und die für eine räumliche Trennung von Maßregel- und Strafvollzug erforderlichen Maßnahmen durchgeführt werden können.

171

2. Angesichts des mit der Sicherungsverwahrung verbundenen - verfassungswidrigen - Grundrechtseingriffs ist es geboten, für die Zeit bis zu einer detaillierten gesetzlichen Neuregelung eine Übergangsregelung zu treffen, die zwar zur Vermeidung eines rechtlichen Vakuums eine weitere Anwendung der bisherigen Vorschriften und eine Fortsetzung der anhängigen Überprüfungsverfahren erlaubt (vgl. BVerfGE 73, 40 <101 f.> m.w.N.), jedoch die Wahrung verfassungsrechtlicher Mindestanforderungen sicherstellt. Die bestehenden Regelungen sind daher während der Weitergeltung mit den aus Nummer III. des Urteilstenors ersichtlichen Maßgaben anzuwenden (§ 35 BVerfGG).

172

a) Was die Vorschriften betrifft, die allein aufgrund einer Verletzung des Abstandsgebots mit dem Grundgesetz unvereinbar sind (vgl. Nummer II.1. und Nummer III.1. des Tenors), muss während der Dauer ihrer Weitergeltung bei der Rechtsanwendung der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung um einen verfassungswidrigen Eingriff in das Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG handelt. Der hohe Wert des Freiheitsgrundrechts beschränkt das übergangsweise zulässige Eingriffsspektrum. Während der Übergangszeit dürfen Eingriffe nur soweit reichen, wie sie unerlässlich sind, um die Ordnung des betroffenen Lebensbereichs aufrechtzuerhalten. Dabei ist gegebenenfalls eine verfassungskonforme Auslegung des Normgehalts zu beachten (vgl. BVerfGE 109, 190 <239> m.w.N.). Die Regelungen dürfen nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden (vgl. BVerfGE 109, 190 <240>). Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die Gefahrprognose und die gefährdeten Rechtsgüter. In der Regel wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur unter der Voraussetzung gewahrt sein, dass eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist.

173

b) Im Hinblick auf die Vorschriften, die mit dem Vertrauensschutzgebot unvereinbar sind (Nr. II.2. des Tenors), ist eine nach Maßgabe von Nummer III.2. des Tenors modifizierte Anwendung der vorübergehend weiter geltenden Vorschriften geboten. Angesichts dessen, dass die Bestimmung der Voraussetzungen einer psychischen Störung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in erster Linie dem Gesetzgeber obliegt (vgl. zuletzt EGMR, Urteil vom 13. Januar 2011, Beschwerde-Nr. 17792/07, Kallweit ./. Deutschland, Rn. 55), ist insoweit auf das am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz - ThUG) zurückzugreifen. Mit diesem hat der Gesetzgeber in Abweichung von der bisherigen Rechtslage, in der lediglich zwischen der Unterbringung gefährlicher Straftäter in einer Justizvollzugsanstalt zu Präventionszwecken auf der einen und der Unterbringung psychisch Kranker, die im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit Straftaten begangen hatten (§§ 20, 21, 63 StGB), auf der anderen Seite unterschieden wurde, erstmals die besonderen Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK konkretisiert und eine weitere Unterbringungsart für psychisch gestörte, für die Allgemeinheit gefährliche Personen geschaffen, bei der im Rahmen des Verfahrens eine psychische Störung festgestellt und die Unterbringung sodann nicht in einer Justizvollzugsanstalt, sondern in einer therapeutischen Anstalt vollzogen wird. Das Therapieunterbringungsgesetz ist im vorliegenden Zusammenhang keiner verfassungsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen. Angesichts der dort entwickelten Konzeption ist jedoch davon auszugehen, dass der deutsche Gesetzgeber mit diesem Gesetz eine weitere Kategorie für die Unterbringung psychisch gestörter Personen mit durch ihre Straftaten indiziertem Gefährdungspotential schaffen wollte, die nicht an die Schuldfähigkeit im vergangenen Zeitpunkt der Begehung der Straftaten geknüpft ist, sondern auf den aktuellen psychischen (Dauer-)Zustand der Betreffenden und ihre daraus resultierende künftige Gefährlichkeit abstellt (vgl. auch die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU/CSU, BTDrucks 17/3403, S. 53 f.). Diesem Anliegen des Gesetzgebers trägt die Übergangsregelung in Nr. III. des Urteilstenors, soweit möglich und geboten, Rechnung.

IV.

174

Die jeweils angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 und Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Sie sind daher aufzuheben und die Rechtssachen zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG); soweit sich der Beschwerdeführer zu III. auch gegen die einstweilige Anordnung seiner Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wendet, die mit Eintritt der Rechtskraft der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung erledigt war, verbleibt es bei der Feststellung der Grundrechtsverletzungen und der Zurückverweisung zur Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers.

175

1. Die angefochtenen Entscheidungen beruhen auf den verfassungswidrigen Vorschriften. Die Gründe der Verfassungswidrigkeit der zugrundeliegenden Gesetze führen daher auch zur Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Entscheidungen. Diese genügen den Anforderungen nicht, die sich für eine verfassungsgemäße Entscheidung auf der Grundlage der weiter geltenden Vorschriften aus den Maßgaben unter Nummer III. des Urteilstenors ergeben. Für die Feststellung einer Grundrechtsverletzung durch das Bundesverfassungsgericht ist insoweit allein die objektive Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Entscheidungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts maßgeblich; es kommt nicht darauf an, ob die Grundrechtsverletzung den Fachgerichten vorwerfbar ist oder nicht. Es ist daher unerheblich, dass die Fachgerichte teilweise im Zeitpunkt ihrer jeweiligen Entscheidung das Kammerurteil der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland) noch nicht berücksichtigen konnten, weil dieses noch gar nicht ergangen war.

176

2. Bei ihrer erneuten Entscheidung werden die zuständigen Gerichte insbesondere den jeweiligen Grad der Gefährlichkeit der Beschwerdeführer zu würdigen und zu entscheiden haben, ob vor diesem Hintergrund die Prüfung einer relevanten psychischen Störung überhaupt notwendig erscheint. Erst im letzten Schritt wird zu fragen sein, ob eine solche vorliegt. Am Vorhandensein einer relevanten psychischen Störung bestehen insbesondere im Fall des Beschwerdeführers zu I. angesichts der im Sachverständigengutachten von Prof. N. angegebenen Rückfallwahrscheinlichkeiten, der Geringfügigkeit der Anlasstaten (Diebstähle) und des seit der Symptomtat der Vergewaltigung im Jahr 1978 vergangenen, langen Zeitraums von vornherein erhebliche Zweifel. Die inzwischen zum 17. Mai 2011 wirksam werdende Erledigungserklärung auf der Grundlage von Art. 316e Abs. 3 EGStGB weist aus anderen Gründen in die gleiche Richtung, erledigt aber das Beschwerdebegehren derzeit nicht. Im Übrigen werden die Fachgerichte auch die Möglichkeiten einer Führungsaufsicht auszuloten und sich damit auseinanderzusetzen haben, ob und inwieweit der Gefährlichkeitsgrad des jeweiligen Beschwerdeführers hierüber reduziert werden kann.

D.

177

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 und Abs. 3 BVerfGG (vgl. BVerfGE 101, 106 <132>; 104, 357 <358>; 105, 135 <136>).

E.

178

Die Entscheidung ist hinsichtlich des Tenors zu II.2. und IV. einstimmig, im Übrigen mit 7:1 Stimmen ergangen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesverfassungsgericht Urteil, 04. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 1152/10

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesverfassungsgericht Urteil, 04. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 1152/10

Referenzen - Gesetze

Bundesverfassungsgericht Urteil, 04. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 1152/10 zitiert 47 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht


Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 34a


(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 90


(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwer

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 74


(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete: 1. das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 95


(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 104


(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden. (2) Über die Zuläss

Strafgesetzbuch - StGB | § 2 Zeitliche Geltung


(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. (2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt. (3) Wird das Gesetz, das

Strafgesetzbuch - StGB | § 67d Dauer der Unterbringung


(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 31


(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. (2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gese

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 7


(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. (2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. (3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausn

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93


(1) Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben und zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 121


(1) Die Oberlandesgerichte sind in Strafsachen ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel: 1. der Revision gegen a) die mit der Berufung nicht anfechtbaren Urteile des Strafrichters;b) die Berufungsurteile der kleinen

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 105 Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende


(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, we

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 125a


(1) Recht, das als Bundesrecht erlassen worden ist, aber wegen der Änderung des Artikels 74 Abs. 1, der Einfügung des Artikels 84 Abs. 1 Satz 7, des Artikels 85 Abs. 1 Satz 2 oder des Artikels 105 Abs. 2a Satz 2 oder wegen der Aufhebung der Artikel 7

Strafgesetzbuch - StGB | § 67e Überprüfung


(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen. (2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung in

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 79


(1) Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt. Bei völkerrechtlichen Verträgen, die eine Friedensregelung, die Vorbereitung einer Friedensregelung oder den Abbau ein

Strafgesetzbuch - StGB | § 12 Verbrechen und Vergehen


(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind. (2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht si

Therapieunterbringungsgesetz - ThUG | § 1 Therapieunterbringung


(1) Steht auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung fest, dass eine wegen einer Straftat der in § 66 Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches genannten Art verurteilte Person deshalb nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann,

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 59


(1) Der Bundespräsident vertritt den Bund völkerrechtlich. Er schließt im Namen des Bundes die Verträge mit auswärtigen Staaten. Er beglaubigt und empfängt die Gesandten. (2) Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich a

Strafgesetzbuch - StGB | § 66b Nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidu

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 78


Kommt das Bundesverfassungsgericht zu der Überzeugung, daß Bundesrecht mit dem Grundgesetz oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder dem sonstigen Bundesrecht unvereinbar ist, so erklärt es das Gesetz für nichtig. Sind weitere Bestimmungen des gleich

Strafgesetzbuch - StGB | § 67c Späterer Beginn der Unterbringung


(1) Wird eine Freiheitsstrafe vor einer wegen derselben Tat oder Taten angeordneten Unterbringung vollzogen und ergibt die vor dem Ende des Vollzugs der Strafe erforderliche Prüfung, dass 1. der Zweck der Maßregel die Unterbringung nicht mehr erforde

Strafgesetzbuch - StGB | § 72 Verbindung von Maßregeln


(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am we

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 35


Das Bundesverfassungsgericht kann in seiner Entscheidung bestimmen, wer sie vollstreckt; es kann auch im Einzelfall die Art und Weise der Vollstreckung regeln.

Strafgesetzbuch - StGB | § 66a Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn 1. jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird,2. die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit diese

Strafprozeßordnung - StPO | § 275a Einleitung des Verfahrens; Hauptverhandlung; Unterbringungsbefehl


(1) Ist im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten (§ 66a des Strafgesetzbuches), übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Diese übergibt die Akten so rechtzeitig

Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch - StGBEG | Art 316e Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen


(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 7 Maßregeln der Besserung und Sicherung


(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werd

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 106 Milderung des allgemeinen Strafrechts für Heranwachsende; Sicherungsverwahrung


(1) Ist wegen der Straftat eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so kann das Gericht an Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe auf eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu fünfzehn Jahren erkennen. (2) Das Gericht kann anordnen

Therapieunterbringungsgesetz - ThUG | § 2 Geeignete geschlossene Einrichtungen


(1) Für die Therapieunterbringung nach § 1 sind nur solche geschlossenen Einrichtungen geeignet, die 1. wegen ihrer medizinisch-therapeutischen Ausrichtung eine angemessene Behandlung der im Einzelfall vorliegenden psychischen Störung auf der Grundla

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 9 Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt


(1) Ein Gefangener ist in eine sozialtherapeutische Anstalt zu verlegen, wenn er wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu zeitiger Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist und die Behandlung

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesverfassungsgericht Urteil, 04. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 1152/10 zitiert oder wird zitiert von 14 Urteil(en).

Bundesverfassungsgericht Urteil, 04. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 1152/10 zitiert 14 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Nov. 2010 - 5 StR 394/10

bei uns veröffentlicht am 09.11.2010

Nachschlagewerk: ja BGHSt : ja Veröffentlichung : ja StGB § 2 Abs. 6, § 67d Abs. 3 Satz 1 GVG § 132 MRK Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 7 Abs. 1 Satz 2 1. Ergibt sich für die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aus der Europäisch

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Jan. 2010 - 1 StR 595/09

bei uns veröffentlicht am 14.01.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 595/09 vom 14. Januar 2010 in der Strafsache gegen wegen Mordes u.a. hier: nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2010 bes

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Jan. 2011 - 4 ARs 27/10

bei uns veröffentlicht am 18.01.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 ARs 27/10 vom 18. Januar 2011 in den Maßregelvollstreckungssachen gegen 1. - 5 StR 394/10 - 2. - 5 StR 440/10 - 3. - 5 StR 474/10 - hier: Anfragebeschluss des 5. Strafsenats vom 9. November 2010 Der 4. Strafsenat de

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2011 - 3 ARs 35/10

bei uns veröffentlicht am 17.02.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 ARs 35/10 vom 17. Februar 2011 in den Maßregelvollstreckungssachen gegen 1. 2. 3. hier: Anfragebeschluss des 5. Strafsenats vom 9. November 2010 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Februar 2011 beschl

Bundesgerichtshof Urteil, 09. März 2010 - 1 StR 554/09

bei uns veröffentlicht am 09.03.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 554/09 vom 9. März 2010 in der Strafsache gegen wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Mär

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juli 2006 - 1 StR 274/06

bei uns veröffentlicht am 25.07.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 274/06 vom 25. Juli 2006 in der Strafsache gegen wegen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juli 2006 beschlossen: Auf die Revision des Verurteilt

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Mai 2010 - 4 StR 577/09

bei uns veröffentlicht am 12.05.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 577/09 vom 12. Mai 2010 in der Strafsache gegen wegen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juli 2010 - 5 StR 60/10

bei uns veröffentlicht am 21.07.2010

Nachschlagewerk: ja BGHSt : ja Veröffentlichung : ja § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB § 66 Abs. 2 StGB Zur Ermessensausübung bei Anwendung der §§ 66b Abs. 1 Satz 2, 66 Abs. 2 StGB nach der Entscheidung EGMR EuGRZ 2010, 25. BGH, Beschluss vom 21. Juli

Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Dez. 2010 - 1 ARs 22/10

bei uns veröffentlicht am 15.12.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 ARs 22/10 vom 15. Dezember 2010 in den Maßregelvollstreckungssachen gegen 1. - 5 StR 394/10 - 2. - 5 StR 440/10 - 3. - 5 StR 474/10 - hier: Anfragebeschluss des 5. Strafsenats vom 9. November 2010 Der 1. Strafsena

BVERFG 2 BvR 2333/08

bei uns veröffentlicht am 21.11.2012

Tenor Der Gegenstandswert der Tätigkeit des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers wird auf 60.000 € (in Worten: sechzigtausend Euro) festgesetzt.

BVERFG 2 BvR 740/10

bei uns veröffentlicht am 20.09.2011

Tenor Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 250.000 € (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) festgesetzt.

BVERFG 2 BvR 2365/09

bei uns veröffentlicht am 19.07.2011

Tenor Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 250.000 € (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) festgesetzt.

Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 15. Juli 2010 - 2 Ws 458/09

bei uns veröffentlicht am 15.07.2010

Tenor Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - F. vom 7. Dezember 2009 aufgehoben. Die Sicherungsverwahrung ist erledigt. Es

Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 01. Juni 2010 - 1 Ws 57/10

bei uns veröffentlicht am 01.06.2010

Tenor Der Antrag des Verurteilten, die Sicherungsverwahrung für erledigt zu erklären und anzuordnen, dass er aus der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu entlassen ist, wird z u r ü c k g e w i e s e n. Gründe   I.

Referenzen

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 verweist, und
3.
nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(2) Einen Vorbehalt im Sinne von Absatz 1 kann das Gericht auch aussprechen, wenn

1.
jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung, nach dem Achtundzwanzigsten Abschnitt oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, verurteilt wird,
2.
die Voraussetzungen des § 66 nicht erfüllt sind und
3.
mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(3) Über die nach Absatz 1 oder 2 vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung kann das Gericht im ersten Rechtszug nur bis zur vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden; dies gilt auch, wenn die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt war und der Strafrest vollstreckt wird. Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Ist wegen der Straftat eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so kann das Gericht an Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe auf eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu fünfzehn Jahren erkennen.

(2) Das Gericht kann anordnen, daß der Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (§ 45 Abs. 1 des Strafgesetzbuches), nicht eintritt.

(3) Sicherungsverwahrung darf neben der Strafe nicht angeordnet werden. Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Heranwachsende zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt wird wegen eines oder mehrerer Verbrechen
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
auf Grund der Gesamtwürdigung des Heranwachsenden und seiner Tat oder seiner Taten mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass bei ihm ein Hang zu Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art vorliegt und er infolgedessen zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.

(4) Unter den übrigen Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 2 kann das Gericht einen solchen Vorbehalt auch aussprechen, wenn

1.
die Verurteilung wegen eines oder mehrerer Vergehen nach den §§ 176a und 176b des Strafgesetzbuches erfolgt,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 des Strafgesetzbuches erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Strafgesetzbuches verweist, und
3.
es sich auch bei den maßgeblichen früheren und künftig zu erwartenden Taten um solche der in Nummer 1 oder Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Art handelt, durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist oder würde.

(5) Wird neben der Strafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Strafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Täters dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig. § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches bleiben unberührt.

(6) Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 oder Absatz 4 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(7) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art begehen wird.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Das Bundesverfassungsgericht kann in seiner Entscheidung bestimmen, wer sie vollstreckt; es kann auch im Einzelfall die Art und Weise der Vollstreckung regeln.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Steht auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung fest, dass eine wegen einer Straftat der in § 66 Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches genannten Art verurteilte Person deshalb nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil ein Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen ist, kann das zuständige Gericht die Unterbringung dieser Person in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung anordnen, wenn

1.
sie an einer psychischen Störung leidet und eine Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit, ihres Vorlebens und ihrer Lebensverhältnisse ergibt, dass sie infolge ihrer psychischen Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen wird, und
2.
die Unterbringung aus den in Nummer 1 genannten Gründen zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist.

(2) Absatz 1 ist unabhängig davon anzuwenden, ob die verurteilte Person sich noch im Vollzug der Sicherungsverwahrung befindet oder bereits entlassen wurde.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen.

(2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt sechs Monate,
in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Jahr,
in der Sicherungsverwahrung ein Jahr, nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung neun Monate.

(3) Das Gericht kann die Fristen kürzen. Es kann im Rahmen der gesetzlichen Prüfungsfristen auch Fristen festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist.

(4) Die Fristen laufen vom Beginn der Unterbringung an. Lehnt das Gericht die Aussetzung oder Erledigungserklärung ab, so beginnen die Fristen mit der Entscheidung von neuem.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 554/09
vom
9. März 2010
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. März 2010,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
Rechtsanwältin
und Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 22. Juni 2009 wird verworfen. Er hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat gegen den inzwischen 32-jährigen Verurteilten nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 JGG angeordnet. Dagegen wendet sich der Verurteilte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Dem Rechtsmittel bleibt der Erfolg versagt.

A.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

I.


3
Der Verurteilte wurde am 29. Oktober 1999 durch das Landgericht Regensburg - Jugendkammer - wegen Mordes, begangen zur Befriedigung des Geschlechtstriebs und um eine andere Straftat zu verdecken, zu einer Jugendstrafe von zehn Jahren verurteilt.
4
1. Dieser Verurteilung lag folgendes Geschehen zu Grunde:
5
Im Alter von 19 Jahren überfiel der Verurteilte am Abend des 9. Juni 1997 auf einem Waldweg eine 31-jährige Joggerin in der Absicht, sie zu vergewaltigen und anschließend zu töten. Dem Angriff war ein kurzes Streitgespräch vorangegangen, in dem die Frau mit einer Strafanzeige gedroht hatte. Sie beanstandete möglicherweise die Fahrweise des Verurteilten (dieser hatte mit seinem Pkw „Reifen-Burnouts“ durchgeführt) oder die Tatsache, dass der Verurteilte überhaupt den Waldweg befuhr. Der Verurteilte würgte danach sein Opfer mehrfach mit einem mitgeführten Bremsseil, zerrte es etwa 30 Meter in den Wald, würgte es dann mit bloßen Händen und drückte ihm schließlich, als es auf dem Rücken am Boden lag, einen Ast mit beiden Händen so lange gegen den Hals, bis es sich nicht mehr bewegte. Der bereits toten oder im Sterben liegenden Frau riss der Verurteilte die Hose auf, legte ihren Genitalbereich frei und onanierte bis zum Samenerguss auf sie. Den Geschlechtsverkehr wollte er in dieser Situation nicht mehr.
6
2. Die damals mit der Sache befasste Jugendkammer ging davon aus, dass der Verurteilte bei der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, so dass gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht anzuwenden war. Nach ihrer Auffassung war der Verurteilte bei Begehung der Tat weder schuldunfähig (§ 20 StGB) noch vermindert schuldfähig (§ 21 StGB). Allerdings stellte sie, sachverständig beraten, „gewisse Anhaltspunkte für den Beginn einer sexuellen Deviation“ bei „noch bestehenden Nachreifungsmöglichkeiten“ fest. Sie gelangte zu der Überzeugung, dass „durch längerfristige und therapeutische Einwirkung auf den (Verurteilten) dessen potentieller Gefährlichkeit für die Zukunft entgegengewirkt werden“ müsse, und verhängte deshalb das Höchstmaß der Jugendstrafe von zehn Jahren.

II.


7
Die nunmehr mit der Sache befasste Kammer hat weiterhin folgende Feststellungen getroffen:
8
1. Der Verurteilte verbüßte die verhängte Jugendstrafe vollständig und ist seit 18. Juli 2008 einstweilig in der Sicherungsverwahrung untergebracht. Während seiner Haftzeit ist er lediglich wegen Arbeitsverweigerung dreimal disziplinarisch auffällig geworden. Im Stationsalltag wurde er als rasch erregbar und zu aggressiven Ausbrüchen neigend erlebt. Gewalttätige oder tätliche Auseinandersetzungen wurden jedoch nicht bekannt. Abgesehen von der Anlassverurteilung ist der Verurteilte nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten.
9
2. Während des Jugendstrafvollzugs erfuhr der Verurteilte eine mehrjährige sozialtherapeutische Behandlung. Dabei stand er im Spannungsfeld zwischen dem behandelnden Therapeuten einerseits und dem Einfluss nehmenden Verteidiger sowie seiner Adoptivmutter andererseits. Letztere verhinderten beim Verurteilten immer wieder eine Unrechtseinsicht und eine Aufarbeitung der begangenen Tat durch Leugnen des Vorliegens einer Sexualstraftat und durch Beschönigungen (insbesondere durch die Darstellung der Tat als „Ausrutscher“

).


10
Nachdem deshalb keine Basis mehr für eine weitere sinnvolle Zusammenarbeit mit dem bisherigen Therapeuten bestand, erfolgte ein Therapeutenwechsel. Dafür wurde der Verurteilte in die JVA verlegt. In Erwartung einer besseren Erreichbarkeit des psychisch erkrankten Verurteilten durch eine Therapeutin wurde ein Behandlungsversuch mit Gruppen- und Einzelpsychotherapie in der sozialtherapeutischen Abteilung für Sexualstraftäter in der JVA unternommen. Dieser Versuch wurde abgebrochen, nachdem der Verurteilte mit den dort zur Verfügung stehenden integrativen sozialtherapeutischen Mitteln nicht zu erreichen war.
11
3. Schon im Alter von etwa 15 Jahren traten beim Verurteilten erstmals Gewaltfantasien auf, die er seit seinem 17. oder 18. Lebensjahr mit Selbstbefriedigung verband. Dabei stellte sich der Verurteilte vor, sein weibliches Opfer durch einen Angriff gegen dessen Hals wehr- bzw. leblos zu machen, um anschließend darauf zu onanieren. Dadurch wollte er das Opfer einerseits seine Macht und Dominanz spüren lassen, andererseits wollte er es demütigen und erniedrigen. Diese Fantasien steigerten sich in den letzten drei bis vier Wochen vor der Tat besonders intensiv, nachdem sich bei ihm infolge beruflicher und sozialer Probleme „maximaler Druck“ aufgebaut hatte. Bei der Tat wollte der Verurteilte seine Fantasien abladen und setzte sie entsprechend um.
12
Die sexuellen Gewaltfantasien bestanden auch nach der Inhaftierung des Verurteilten im August 1998 fort und verstärkten sich in der Untersuchungshaft sowie zu Beginn der Strafhaft. In zeitlichem Zusammenhang mit der ersten Ausführung des Verurteilten im September 2004 wurden sie erneut besonders stark ausgeprägt. Dies wurde erstmals bekannt im November 2005 im Rahmen von Explorationen zur Erstellung von Sachverständigengutachten zur Risikoprognose bei Ausgängen und Urlauben. Die Ausführungen wurden daher im Februar 2006 gestoppt. Die sexuellen Gewaltfantasien sind nach wie vor nicht überwunden.
13
4. Nach den Feststellungen der von zwei Sachverständigen beratenen Kammer besteht bei dem Verurteilten - was bei der Entscheidung über die Anlasstat noch anders beurteilt worden war - eine multiple Störung der Sexualpräferenz (ICD-10 F65.6) mit einer sadistischen Komponente und eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ (ICD-10 F60.30). Der Verurteilte hat Schwierigkeiten, Wut zu kontrollieren. Auf Kränkungen und Zurückweisungen reagiert er mit impulsiven Handlungen, indem er sich beispielsweise durch zielloses Herumfahren oder „Reifen-Burnouts“ abreagiert. Er ist deshalb psychisch krank. Dieser psychische Zustand steht tatauslösend in unmittelbarem Zusammenhang mit der Anlasstat.

III.


14
Das Landgericht hat die Voraussetzungen für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 JGG bejaht. Insbesondere hat es eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit festgestellt und ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Person des Verurteilten , seiner Tat und ergänzend seiner Entwicklung während des Vollzugs der Jugendstrafe zu der Überzeugung gelangt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 1 JGG begehen wird. Indes erachtete die Kammer - im Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift - weder das Vorliegen eines Hanges noch das Vorhandensein neuer Tatsachen („Nova“) für erforderlich. Sie hat den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach § 62 StGB, die Möglichkeit milderer Maßnahmen sowie das verfassungsmäßige Übermaßverbot geprüft, aber auch unter diesen Gesichtspunkten die Anordnung der Sicherungsverwahrung für zwingend geboten erachtet.

B.


15
Der Revision des Verurteilten bleibt der Erfolg versagt. Die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 JGG hält revisionsrechtlicher Prüfung stand. Das Landgericht hat die formellen (Ziffer I.) und materiellen (Ziffer II. und III.) Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 JGG zutreffend bejaht. Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht (Ziffer IV.) ist nicht gegeben. Die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) ist nicht verletzt (Ziffer V.).

I.


16
Die formellen Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 JGG liegen vor. Denn der Verurteilte ist wegen Mordes (§ 211 StGB) und damit wegen eines Verbrechens gegen das Leben, durch welches das Opfer körperlich schwer geschädigt wurde, verurteilt worden. Da für diese Katalogtat gegen den Verurteilten eine Jugendstrafe von zehn Jahren verhängt wurde, liegt auch die weitere formelle Voraussetzung des § 7 Abs. 2 Halbs. 1 JGG vor, wonach es sich um eine Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren handeln muss.

II.


17
Die Annahme des Landgerichts, vor Ende des Vollzugs seien Tatsachen erkennbar gewesen, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass es sich dabei nicht um neue Tatsachen („Nova“ ) handeln muss.
18
1. Der Verzicht auf die Anordnungsvoraussetzung „neue Tatsachen“ ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift „sind nach einer Verurteilung (…) Tatsachen erkennbar“ - im Gegensatz zu § 66b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StGB, der fordert, dass Tatsachen nach der Anlassverurteilung erkennbar „werden“. Darin hat der eindeutige Wille des Gesetzgebers seinen Niederschlag gefunden, wonach für die nachträgliche Anordnung von Sicherungsverwahrung nach Jugendstrafrecht nicht ausnahmslos und stets erhebliche „neue“ Tatsachen erforderlich sein sollen (BTDrucks. 16/6562 S. 9). Vielmehr soll die Neuregelung des § 7 Abs. 2 JGG auch dann anwendbar sein, wenn die wesentlichen die Gefährlichkeit begründenden Tatsachen bereits zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung erkennbar waren und im Vollzug der Jugendstrafe keine erheblichen „neuen“ Tatsachen hervorgetreten sind (BTDrucks. 16/6562 S. 7).
19
2. Dieser Verzicht ist auch im System der Anordnung von Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht angelegt. Hier besteht keine gesetzliche Grundlage, die ursprüngliche oder vorbehaltene Sicherungsverwahrung anzuordnen (vgl. § 2 JGG i.V.m. § 7 JGG). Die noch nicht abgeschlossene Entwicklung jugendlicher Straftäter zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung bietet besondere Chancen und Aussichten für eine positive Einwirkung sowie für entsprechende positive Veränderungen der Betroffenen während des Vollzugs der Jugendstrafe, der vorrangig dem Erziehungsgedanken dient. Deshalb ist in diesen Fällen die Verlagerung des Entscheidungszeitpunkts über die Sicherungsverwahrung an das Ende des Jugendstrafvollzugs zur Erhöhung der Prognosesicherheit geboten (vgl. BTDrucks. 16/6562 S. 7). Dies gilt auch dann, wenn sich bereits zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung erhebliche Hinweise auf eine hohe künftige Gefährlichkeit eines jugendlichen Straftäters zeigen, weil gleichwohl auch bei ihm grundsätzlich besondere Chancen für eine positive Veränderung (auch) durch die Einwirkung des Jugendstrafvollzugs vorhanden sind (vgl. BTDrucks. 16/6562 S. 9).
20
Damit können an sich beachtliche Umstände für eine Anordnung von Sicherungsverwahrung bei der jeweiligen Anlassverurteilung nach Jugendstrafrecht aus rechtlichen Gründen keine Berücksichtigung finden. Der Gesetzgeber hat in § 7 Abs. 2 JGG - ebenso wie in § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB - gezielt eine Möglichkeit zur Neubewertung dieser Umstände geschaffen. Damit hat er dem staatlichen Schutzauftrag Rechnung getragen, potentielle Opfer schwerster Verbrechen auch vor höchstgefährlichen jungen Straftätern zu schützen, denen auf andere Weise nicht mehr mit rechtsstaatlichen Mitteln begegnet werden kann (vgl. BTDrucks. 16/6562 S. 7).
21
3. Das Landgericht durfte deshalb die beim Verurteilten nunmehr festgestellte multiple Störung der Sexualpräferenz mit sadistischer Komponente und die emotional instabile Persönlichkeitsstörung als Tatsachen i.S.d. § 7 Abs. 2 JGG werten, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen. Darauf, ob dieser Zustand bereits bei der Anlassverurteilung vorlag, bei der „gewisse Anhaltspunkte für den Beginn einer sexuellen Deviation“ festgestellt wurden, kommt es mithin nicht an.

III.


22
1. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 7 Abs. 2 JGG die Feststellung eines Hanges nicht für erforderlich hält.
23
a) § 7 Abs. 2 JGG setzt nach seinem Wortlaut das Merkmal „Hang“ nicht voraus.
24
Dies ist vom Gesetzgeber so gewollt (vgl. BTDrucks. 16/9643 S. 6). Er hat die nachträgliche Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht durch Gesetz vom 8. Juli 2008 (BGBl I 1212), in Kraft seit 12. Juli 2008, geregelt. Zu diesem Zeitpunkt war bereits bekannt, dass der Bundesgerichtshof für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Erwachsene nach § 66b Abs. 2 StGB die Feststellung eines Hanges i.S.v. § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt (vgl. dazu BGHSt 50, 373, 381; 51, 191, 199; BGH StV 2008, 636, 637; am Hangerfordernis zweifelnd, aber nicht tragend: BGH NJW 2006, 1446, 1447), obwohl der Wortlaut der Vorschrift dies nicht vorsieht. Dazu sah sich der Bundesgerichtshof durch die Vorschriften über die Erledigung der Maßregel (§ 463 Abs. 3 Satz 4 StPO, § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB) veranlasst , die einheitlich für das System der Sicherungsverwahrung gelten und vom Vorliegen eines Hanges des Verurteilten zum Zeitpunkt der Anordnung der Unterbringung ausgehen. In Kenntnis dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber - offensichtlich in Anlehnung an das Bundesverfassungsgericht - Kammer -, Beschl. vom 23. August 2006 - 2 BvR 226/06 (NJW 2006, 3483, 3484) - bei § 7 Abs. 2 JGG erneut auf das Erfordernis eines Hanges verzichtet wie in § 66b Abs. 2 StGB und in § 106 Abs. 5 JGG bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung für nach allgemeinem Strafrecht verurteilte erwachsene und he- ranwachsende Ersttäter (vgl. BTDrucks. 15/2887 S. 13, 18 f.). Er hat § 7 Abs. 2 JGG ausdrücklich an diese Vorschriften angelehnt (BTDrucks. 16/6562 S. 8).
25
Der Gesetzgeber hat die Gefährlichkeit nicht von einem Hang zu den genannten Anlasstaten abhängig gemacht. Die Neuregelung des § 7 Abs. 2 JGG stellt gezielt auf den davon betroffenen jungen Straftäter ab. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich von der ursprünglichen oder vorbehaltenen Sicherungsverwahrung wegen der bei jungen Straftätern regelmäßig vorhandenen Entwicklungsdefizite sowie der damit einhergehenden Prognoseunsicherheiten, wie oben ausgeführt, Abstand genommen. Auch für die Beurteilung zum Ende des Jugendstrafvollzugs , zu dem der Verurteilte jedenfalls das 21. Lebensjahr vollendet hat, da er nach Eintritt der Strafmündigkeit mit 14 Jahren mindestens eine siebenjährige Jugendstrafe verbüßen muss, wurde bewusst auf das Merkmal „Hang“ verzichtet.
26
Vorliegend ist zudem die zeitliche Nähe des Erlasses dieses Gesetzes zum Ende des Strafvollzugs des Verurteilten in dieser Sache zu berücksichtigen. Der Verurteilte verbüßte die Strafe aus der Anlassverurteilung bis 17. Juli 2008. Das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht (BGBl I 1212) vom 8. Juli 2008 trat unmittelbar vorher am 12. Juli 2008 in Kraft. Diese zeitliche Nähe lässt den Schluss zu, dass der Gesetzgeber Fallgestaltungen der vorliegenden Art bei Erlass des Gesetzes im Blick gehabt hat und auch diese erfassen wollte. Unter den dargelegten Umständen ist für eine Auslegung der Vorschrift durch die Rechtsprechung über den Wortlaut hinaus kein Raum, zumal der Katalog der Anlasstaten hier auf schwerste Verbrechen gegen Personen beschränkt wurde. Die Gefährlichkeit i.S.v. § 7 Abs. 2 JGG kann danach auch durch andere Tatsachen als durch einen Hang zur Begehung der Anlasstaten festgestellt werden.
27
b) Gleichwohl muss die spezifische Gefährlichkeit des Verurteilten im Hinblick auf die Begehung von Anlasstaten in seiner Persönlichkeit angelegt sein. Nur dadurch ist die dem gesetzgeberischen Willen entsprechende Begrenzung der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung bei jungen Straftätern nach § 7 Abs. 2 JGG auf einzelne höchstgefährliche Straftäter (vgl. BTDrucks. 16/6562 S. 1, 7, 9) gewährleistet.
28
Die spezifische Gefährlichkeit zu Anlasstaten i.S.v. § 7 Abs. 2 JGG ist weitergehend als der in § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB beschriebene Hang zu erheblichen Straftaten. Denn der Katalog der Taten wurde in § 7 Abs. 2 JGG auf schwerste Verbrechen gegen Personen beschränkt, während der Hang nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB auch schweren wirtschaftlichen Schaden umfasst. Allerdings kann ein Hang zu erheblichen Straftaten eine Indiztatsache für das Vorliegen der spezifischen Gefährlichkeit zu Anlasstaten i.S.d. § 7 Abs. 2 JGG darstellen (vgl. BVerfG NJW 2006, 3483, 3484; Beschl. vom 5. August 2009 - 2 BvR 2098/08 und 2 BvR 2633/08 [jew. zu § 66b StGB]).
29
c) Soweit die Vollstreckungsregelungen des § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO i.V.m. § 67d Abs. 3 und 2 StGB, die gemäß § 82 Abs. 3 JGG auf die nach Jugendstrafrecht verhängte Sicherungsverwahrung anzuwenden sind, ausdrücklich die Feststellung eines Hanges voraussetzen, sind sie gegebenenfalls dahingehend auszulegen, dass die dann mit der Sache befasste Strafvollstreckungskammer und der Sachverständige nicht das weitere Vorliegen eines Hanges zu prüfen haben, sondern die weiterhin gegebene spezifische Gefährlichkeit des Verurteilten zu Anlasstaten i.S.d. § 7 Abs. 2 JGG.
30
2. Daran gemessen hat das Landgericht rechtsfehlerfrei die erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten i.S.d. § 7 Abs. 2 JGG festgestellt. Seine Progno- seentscheidung, die sich ohnehin einer generell abstrakten Beurteilung entzieht und deshalb für das Revisionsgericht nur in begrenztem Umfang nachprüfbar ist (vgl. BGHR StGB § 66b Abs. 1 Satz 2 Voraussetzungen 2; BGH NStZ-RR 2008, 40, 41; Ullenbruch in MüKo-StGB § 66 Rdn. 137, § 66b Rdn. 89), weist entgegen dem Vorbringen der Revision keinen Rechtsfehler auf.
31
a) Die äußerst belastende Maßregel der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung bei nach Jugendstrafrecht Verurteilten ist - worauf der Gesetzgeber ausdrücklich hinweist (vgl. BTDrucks. 16/6562 S. 9) - nur in außergewöhnlichen , seltenen Ausnahmefällen gegen Straftäter berechtigt, bei denen die konkrete Gefahr besteht, dass sie in absehbarer Zeit nach ihrer Entlassung aus dem Vollzug der Jugendstrafe besonders schwere Straftaten der in § 7 Abs. 2 JGG bezeichneten Art begehen werden. An Inhalt und Qualität der Prognose sind in jedem Fall strengste Anforderungen zu stellen (BTDrucks. 16/6562 S. 9). Eine hohe Wahrscheinlichkeit kann nicht bereits dann angenommen werden, wenn (nur) überwiegende Umstände auf eine künftige Delinquenz des Verurteilten hindeuten. Es bedarf vielmehr unter Ausschöpfung der Prognosemöglichkeiten einer positiven Entscheidung über die Gefährlichkeit des Verurteilten (vgl. BVerfG NJW 2009, 980, 982 [zu § 66b StGB]; BGHR StGB § 66b Abs. 1 Satz 2 Voraussetzungen 2). Den damit einhergehenden hohen Anforderungen an die Gefährlichkeitsprognose werden die Ausführungen der Kammer gerecht.
32
b) Auf der Grundlage der beiden Sachverständigengutachten (einem psychiatrischen und einem kriminologischen) hat das Landgericht nachvollziehbar dargelegt, dass bei dem Verurteilten eine multiple Störung der Sexualpräferenz mit sadistischer Komponente und eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ bestehen. Insbesondere erstere lässt sich kontinu- ierlich über Jahre hinweg nachweisen. Diese in der Persönlichkeit des Verurteilten angelegte psychische Störung äußerte sich zunächst in sexuellen Gewaltfantasien. Diese entwickelte der Verurteilte aus sexueller Frustration (er ist sexuell unerfahren und hatte noch keine engere Beziehung zu einer Frau) und unter dem Einfluss zahlreicher persönlicher, beruflicher und sozialer Stressfaktoren. In seinen Fantasien war ihm besonders wichtig, ein weibliches Opfer durch einen Angriff gegen dessen Hals wehr- bzw. leblos zu machen, um anschließend darauf zu onanieren. Ihm ging es dabei um Macht und Dominanz gegenüber seinem Opfer, aber auch um dessen Demütigung und Erniedrigung. Diese Fantasien verband er schließlich mit Selbstbefriedigung.
33
In der Zeit unmittelbar vor Begehung der Anlasstat hatte sich beim Verurteilten infolge beruflicher Probleme, Einmischungen seitens seiner als dominant empfundenen Mutter und Hänseleien in seiner Clique „maximaler Druck“ aufgebaut. Diese Anhäufung alltäglicher Stressfaktoren ist beim Verurteilten auf seine emotional instabile Persönlichkeit zurückzuführen. Aufgrund dessen erfuhren seine Gewaltfantasien als Ausprägung seines psychischen Zustandes eine intensive Steigerung und bezogen sich nunmehr auch auf ihm bekannte Frauen, von denen er sich gedemütigt fühlte. Seine Fantasien lud er schließlich bei der Anlasstat bei seinem Opfer ab. Seine in der Person angelegten Schwierigkeiten , Wut zu kontrollieren sowie auf Kränkungen und Zurückweisungen adäquat zu reagieren, traten dabei zu Tage.
34
Die in der Persönlichkeit des Verurteilten angelegten Gewaltfantasien sind nach wie vor nicht überwunden. Wie die Vergangenheit zeigt, kommt es auch immer wieder zu Steigerungen. Dies war insbesondere im zeitlichen Zusammenhang mit den begleiteten Haftausführungen des Verurteilten der Fall.
35
Nach Auffassung des Landgerichts geben die Auslöser der Anlasstat dieser Symptomcharakter für künftige Taten. Dabei hat es sich an den individuell bedeutsamen Bedingungsfaktoren für diese Delinquenz, deren Fortbestand, der weiterhin fehlenden Kompensation durch protektive Umstände, der nach wie vor erforderlichen Behandlungsbedürftigkeit des Verurteilten sowie dem Gewicht dieser Gesichtspunkte in zukünftigen Risikosituationen orientiert. Auf dieser Basis hat es die spezifische Gefährlichkeit i.S.v. § 7 Abs. 2 JGG bejaht. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
36
c) Aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung kommt das Landgericht mit tragfähiger Begründung zu dem Ergebnis, dass der Verurteilte mit hoher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit nach seiner Entlassung aus dem Vollzug weitere schwere Straftaten i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 1 JGG begehen wird.
37
aa) Es durfte bei seiner Prognoseentscheidung von der Einordnung der Wahrscheinlichkeit als „deutlich erhöht“ bzw. als „mittelhoch bis hoch“ durch die beiden Sachverständigen abweichen. Bei der von ihnen vorgenommenen Einteilung der Rückfallgeschwindigkeit und der Gefährlichkeit in die Stufen „niedrig - mittelhoch - hoch“ handelt es sich - worauf das Landgericht und auch der psychiatrische Sachverständige Dr. B. zutreffend hinweisen - um „psychiatrisch -forensische Konstrukte“. Demgegenüber ist die rechtliche Bewertung, ob eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Begehung weiterer schwerer Straftaten i.S.d. § 7 Abs. 2 JGG vorliegt, eine Rechtsfrage, die das Tatgericht ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen in eigener Verantwortung zu beantworten hat (vgl. Rissing-van Saan/Peglau in LK 12. Aufl. § 66 Rdn. 202). Dies hat das Landgericht tragfähig getan.
38
bb) Die psychischen, in der Persönlichkeit des Verurteilten angelegten Störungen, die tatauslösend in unmittelbarem symptomatischen Zusammenhang mit der Anlasstat stehen, sind nicht ausreichend therapiert. Der Verurteilte ist nach wie vor nicht in der Lage, seine eigene Gefährlichkeit realistisch einzuschätzen. Er verfügt weder über eine ausreichende Fähigkeit, Frühwarnsymptome zu erkennen, noch über adäquate Bewältigungsstrategien, um einer erneuten Eskalation entgegenzuwirken. Der im Falle einer Entlassung erforderliche gesicherte soziale Empfangsraum - insbesondere die weitere therapeutische Anbindung des Verurteilten - ist nicht gegeben. Bei einer Entlassung zum jetzigen Zeitpunkt ist daher mit hinreichender Gewissheit davon auszugehen, dass es beim Verurteilten, der bis zu seiner Inhaftierung in dem behüteten Elternhaus lebte und sich nunmehr seit August 1998 in dem gesicherten Rahmen des Jugendstrafvollzugs befindet, bei der Bewerkstelligung des alltäglichen Lebens in absehbarer Zeit zu einer Kumulation von Stressfaktoren kommt. Ebenso wie bei der Anlasstat besteht dann die hohe Wahrscheinlichkeit, dass es erneut zu einer intensiven Steigerung der noch nicht überwundenen Gewaltfantasien kommt, bis hin zu deren tatsächlichem Abladen in Form der Begehung schwerster Sexualdelikte, bis hin zum Sexualmord (zur Befriedigung des Geschlechtstriebs ). Unter diesen Umständen war die Anordnung verhältnismäßig i.S.v. § 62 StGB. Mildere Maßnahmen kommen nicht in Betracht.

IV.


39
Die Vorschrift des § 7 Abs. 2 JGG steht im Einklang mit der Verfassung. Daher sind die Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 GG, anders als die Revision meint, nicht gegeben.
40
1. § 7 Abs. 2 JGG verstößt weder gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG noch gegen das Doppelbestrafungsverbot (ne bis in idem) des Art. 103 Abs. 3 GG. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass die Anwendungsbereiche des Art. 103 Abs. 2 und 3 GG auf staatliche Maßnahmen beschränkt sind, die eine repressive , dem Schuldausgleich dienende Strafe darstellen. Demgegenüber fällt die Maßregel der Sicherungsverwahrung als präventive, der Verhinderung zukünftiger Straftaten dienende Maßnahme - ungeachtet ihrer strafähnlichen Ausgestaltung - nicht in den Anwendungsbereich dieser Verbote. Denn ihr Zweck besteht nicht darin, begangenes Unrecht zu sühnen, sondern die Allgemeinheit vor dem Täter zu schützen (vgl. BVerfG NJW 2009, 980, 981; BVerfG, Beschl. vom 5. August 2009 - 2 BvR 2098/08 und 2 BvR 2633/08; ebenso BGHSt 52, 205, 209 f.; 50, 284, 295 jew. m.w.N.; aA - jedoch nicht tragend und ohne weitere Begründung - BGH, Beschl. vom 19. Oktober 2007 - 3 StR 378/07 - Rdn. 13).
41
2. Auch ein Verstoß gegen das rechtsstaatliche und grundrechtliche Gebot des Vertrauensschutzes, Art. 2 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3 GG liegt nicht vor. Der Umstand, dass § 7 Abs. 2 JGG auf das Erfordernis neuer Tatsachen für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht verzichtet, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
42
a) In der Rechtsprechung ist bereits grundsätzlich entschieden, dass die gesetzliche Möglichkeit, gemäß § 66b StGB nachträglich die Unterbringung eines Verurteilten in der Sicherungsverwahrung anzuordnen, als Fall tatbestandlicher Rückanknüpfung oder unechter Rückwirkung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfG NJW 2009, 980, 981; NJW 2006, 3483, 3484; BGHSt 52, 205, 210 f.). Dies gilt auch dann, wenn - wie bei § 66b Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 StGB - auf das Erfordernis neuer Tatsachen für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung in den Fällen verzichtet wird, in denen die ursprüngliche Anordnung der Sicherungsverwahrung aus rechtlichen Gründen nicht möglich war (BVerfG NJW 2009, 980, 981; BGHSt 52, 205, 210 ff.; BGH, Beschl. vom 27. Oktober 2009 - 5 StR 296/09). Auch insofern ist eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen oder eine „echte“ Rückwirkung im Sinne eines nachträglich ändernden Eingriffs in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände nicht gegeben (dazu ausführlich BVerfG NJW 2009, 980, 981 f. m.w.N.).
43
b) Gleiches gilt für die Neuregelung des § 7 Abs. 2 JGG. Auch sie knüpft zwar gegebenenfalls an eine vor ihrer Verkündung begangene Anlasstat und deren Aburteilung an, sie ändert jedoch nicht nachträglich eine an die Anlasstat anknüpfende Rechtsfolge (vgl. BVerfG NJW 2006, 3483, 3484 [zu § 66b Abs. 2 StGB]).
44
In den Fällen des § 7 Abs. 2 JGG reichen sowohl der Prozessgegenstand als auch die rechtlichen Möglichkeiten des Gerichts im Verfahren über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung über diejenigen im Erkenntnisverfahren der Anlassverurteilung hinaus (BVerfG NJW 2009, 980, 981 [zu § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB]). Dem im Erkenntnisverfahren entscheidenden Gericht stand (und steht auch weiterhin) die rechtliche Möglichkeit der Anordnung einer ursprünglichen oder vorbehaltenen Sicherungsverwahrung bei nach Jugendstrafrecht verurteilten Straftätern nicht zur Verfügung. Seine Entscheidung konnte (und kann) sich damit von Rechts wegen nicht auf die Frage der Sicherungsverwahrung beziehen. Dies ist wegen der regelmäßig noch nicht abgeschlossenen Entwicklung der Täter und der Prognoseunsicherheiten auch sachgerecht. Für die Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen ist demnach insbesondere das Verhalten des Verurteilten nach Eintritt der Rechtskraft der Anlassverurteilung von Bedeutung. Damit unterscheidet sich die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 7 Abs. 2 JGG - anders als die Revision meint - maßgeblich von einem Wiederaufnahmeverfahren zum Nachteil des Verurteilten (vgl. BVerfG NJW 2009, 980, 981). Dementsprechend wird durch sie auch keine frühere Entscheidung über die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung nachträglich zu Lasten des Verurteilten korrigiert.
45
c) In einem solchen Fall ist das gesetzgeberische Anliegen, das der Maßregel zugrunde liegt, namentlich der Schutz der Allgemeinheit, gegen die Belange des Vertrauensschutzes abzuwägen (BVerfG NJW 2006, 3483, 3484; BGHSt 52, 205, 211 m.w.N.). Diese Güterabwägung ergibt, dass der vom Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 7 Abs. 2 JGG verfolgte Schutz der Allgemeinheit vor einzelnen extrem gefährlichen jungen Straftätern, von denen weitere schwerwiegende Verbrechen i.S. dieser Vorschrift zu erwarten sind, durch die die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder gefährdet werden (vgl. BTDrucks. 16/6562 S. 1, 7), im Gemeinwohlinteresse überwiegt. Dahinter müssen der Vertrauensschutz und das Freiheitsgrundrecht des Verurteilten zurücktreten (so für § 66b Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 StGB bereits: BGHSt 52, 205, 211; BGH, Urt. vom 27. Oktober 2009 - 5 StR 296/09; BVerfG NJW 2009, 980, 982; für § 66b Abs. 2 StGB: BVerfG NJW 2006, 3483, 3484).
46
aa) Zwar wurde mit Inkrafttreten des Gesetzes vom 8. Juli 2008 (BGBl I 1212) der bis dahin bestehende Vertrauenstatbestand auf den Ausschluss der Sicherungsverwahrung bei nach Jugendstrafrecht Verurteilten beseitigt. Dies führt im Rahmen der gebotenen Abwägung zu einer stärkeren Gewichtung der Vertrauensschutzbelange. Allerdings wird die Schutzwürdigkeit des Vertrauens bereits durch § 2 Abs. 6 StGB eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift ist über Maßregeln der Besserung und Sicherung, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zum Zeitpunkt der Entscheidung gilt. Mithin steht die Anordnung der Sicherungsverwahrung stets unter dem Vorbehalt einer Änderung der Gesetzeslage (vgl. BVerfGE 109, 133, 185 [zu § 67d Abs. 3 StGB]; BGHSt 52, 205, 212 [zu § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB]). Der Stellenwert des gesetzgeberischen Anliegens, Schutz der Allgemeinheit vor hochgefährlichen jungen Straftätern, überwiegt das Vertrauen der von der Neuregelung betroffenen Verurteilten auf die fehlende Möglichkeit der Anordnung ihrer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Das Freiheitsgrundrecht der von der tatbestandlichen Rückanknüpfung betroffenen Verurteilten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG tritt trotz seines hohen Wertes, der ihm vorliegend insbesondere aufgrund des zum Tatzeitpunkt jugendlichen Alters der betroffenen Straftäter zukommt, hinter das überragende öffentliche Interesse zurück. Da die Anwendung des § 7 Abs. 2 JGG - entsprechend dem gesetzgeberischen Willen (vgl. BTDrucks. 16/6562 S. 1, 7) - auf einzelne extrem gefährliche Verurteilte - wie im gegenständlichen Fall - beschränkt ist, bewegt sich der Gesetzgeber demnach in seinem Gestaltungsspielraum für Maßnahmen zur Gewährung der Sicherheit der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 109, 133, 187 [zu § 67d Abs. 3 StGB]).
47
bb) Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Neuregelung des § 7 Abs. 2 JGG nicht das Vorliegen neuer Tatsachen verlangt. Durch den Verzicht auf die Anordnungsvoraussetzung neuer Tatsachen („Nova“) wurde die Möglichkeit einer Neubewertung von Umständen geschaffen, die zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung aus rechtlichen Gründen nicht beachtlich waren (vgl. zu § 66b Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 StGB: BGHSt 52, 205, 212). Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn diese mit solchen gleichgestellt werden, die zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung nicht erkennbar waren (vgl. BVerfG NJW 2009, 980, 982; BVerfGE 109, 190, 236).
48
cc) Die Revision macht in diesem Zusammenhang geltend, jugendliche Straftäter müssten, auch wenn sie sich in der Haft noch so unauffällig verhielten , in der „unerträglichen Ungewissheit“ leben, dass es nach Verbüßung der Jugendstrafe zu einer negativen Beurteilung von Umständen vor der Verurteilung komme. Im Gegensatz dazu hätten nach allgemeinem Strafrecht Verurteilte das Entstehen der erforderlichen neuen Tatsachen selbst in der Hand.
49
Diesem Argument der Schlechterstellung kann der Senat nicht folgen. Wegen der noch nicht abgeschlossenen Entwicklung und der Prognoseunsicherheit bei jugendlichen Straftätern wurde die Beurteilung der Gefährlichkeit auf den Zeitpunkt der Entlassung aus dem Vollzug der Jugendstrafe verlagert (vgl. BTDrucks. 16/6562 S. 7). Bis dahin hat es der nach Jugendstrafrecht verurteilte Straftäter aber gerade selbst in der Hand, unter dem Einfluss des Jugendstrafvollzugs , der vorrangig dem Erziehungsgedanken Rechnung trägt, etwa vorhandene Anhaltspunkte für seine Gefährlichkeit zu beseitigen, indem er das von ihm begangene schwerwiegende Delikt aufarbeitet. Zudem ist in diesen Fällen regelmäßig eine Nachreifung des jungen Verurteilten zu erwarten, die bei der Gefährlichkeitsbeurteilung zu diesem späten Zeitpunkt Berücksichtigung findet. All dies stellt ein „Mehr“ an Möglichkeiten der Abwendung der Sicherungsverwahrung dar, als dies bei nach allgemeinem Strafrecht verurteilten Heranwachsenden und Erwachsenen der Fall ist.
50
3. Die Neuregelung des § 7 Abs. 2 JGG wahrt trotz des mit ihr verbundenen Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

51
a) Das Bundesverfassungsgericht hat für § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB bereits ausgesprochen, dass - trotz des Verzichts auf das Erfordernis neuer Tatsachen („Nova“) - die gesetzliche Möglichkeit der Maßregelanordnung den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit genügt (BVerfG NJW 2009, 980, 982). Da die enge Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 66b Abs. 1 StGB gewährleistet, dass die Maßnahme der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung - entsprechend dem gesetzgeberischen Willen - auch in den Fällen des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommt und auf einige wenige Verurteilte beschränkt bleibt, ist die Vorschrift als verhältnismäßige Regelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG NJW 2009, 980, 982; vgl. auch - jew. zu § 66b Abs. 2 StGB - BVerfG NJW 2006, 3483, 3484; BGH, Beschl. vom 19. Oktober 2007 - 3 StR 378/07 - Rdn. 13; BGHSt 50, 275, 278).
52
b) Gleiches gilt für die Norm des § 7 Abs. 2 JGG. Der Gesetzgeber hat dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch hier dadurch Rechnung getragen, dass er die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung von Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht auf gravierendste Einzelfälle beschränkt hat (vgl. BTDrucks. 16/6562 S. 1, 7 und 9). Dazu hat er die Voraussetzungen einer solchen deutlich strenger gefasst als bei nach allgemeinem Strafrecht Verurteilten (BTDrucks. 16/6562 S. 7):
53
- Zum einen ist der Katalog der Anlasstaten noch enger als bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht auf schwerste Verbrechen gegen andere Personen beschränkt. Dabei müssen (ebenso wie bei § 106 Abs. 3, 5 und 6 JGG) bereits diese und nicht erst die zu erwartenden künftigen Straftaten mit einer schweren seelischen oder körperlichen Schädigung oder Gefährdung des Opfers verbunden gewesen sein (BTDrucks. 16/6562 S. 7, 8). Der schwere Raub nach § 250 StGB, der unter Umständen lediglich zu wirtschaftlichen Schäden führen kann, stellt in § 66b StGB eine Katalogtat dar, wurde aber in § 7 Abs. 2 JGG ausgenommen.
54
- Zum anderen wird - gegenüber einer Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren in den entsprechenden Bestimmungen des § 66b Abs. 2 StGB und § 106 Abs. 5 JGG bei Verurteilungen nach allgemeinem Strafrecht - hier eine Verurteilung wegen einer Katalogtat zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verlangt.
55
- Außerdem kommt hinzu, dass die Frist zur Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 JGG auf ein Jahr verkürzt wurde, während sie bei nach allgemeinem Strafrecht Verurteilten zwei Jahre beträgt (§ 67e Abs. 2 StGB).
56
c) Zwar hat der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 7 Abs. 2 JGG bewusst auf die gesonderte Feststellung eines Hanges des Verurteilten zu den Anlasstaten verzichtet. Diese gesetzgeberische Entscheidung für einen grundsätzlichen Verzicht auf die Feststellung eines Hanges ist vorliegend mit Blick auf die dargestellten zusätzlichen, limitierenden Anordnungsvoraussetzungen (vorgehend lit. b) unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten jedoch nicht zu beanstanden (in diesem Sinne für § 66b Abs. 2 StGB bereits BVerfG NJW 2006, 3483, 3484). Dies gilt umso mehr, als die erforderliche in der Persönlichkeit des Verurteilten angelegte spezifische Gefährlichkeit zu Anlasstaten i.S.d. § 7 Abs. 2 JGG weitergehend ist als der in § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB umschriebene Hang. http://www.juris.de/jportal/portal/t/1xkj/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE013500314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1xkj/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE001800314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 25 -
57
4. Soweit der Revisionsführer einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG wegen fehlender Berechenbarkeit der Freiheitsentziehung rügt, dringt er nicht durch.
58
a) Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Fälle, in denen eine Freiheitsentziehung zulässig sein soll, hinreichend klar zu bestimmen. Freiheitsentziehungen sind dabei in berechenbarer, messbarer und kontrollierbarer Weise zu regeln. Dies gilt auch für präventive Freiheitsentziehungen , da diese ebenso stark in das Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG eingreifen wie Freiheitsstrafen (BVerfGE 109, 133, 188). Im Hinblick auf die Intensität des Grundrechtseingriffs bei der Freiheitsentziehung muss der Gesetzgeber nicht nur bestimmen, unter welchen tatbestandlichen Voraussetzungen überhaupt die freiheitsentziehende Maßregel der Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann, sondern darüber hinaus auch sicherstellen, dass Entscheidungen über die Freiheitsentziehung auf Grund einer Prognose keine von vornherein unbegrenzte Wirkung zukommen darf. Die Unsicherheit, die jeder Prognose innewohnt, erfordert bei einer präventiven Freiheitsbeschränkung eine angemessene Entscheidung des Gesetzgebers darüber, welche zeitliche Wirkung der Prognoseentscheidung zukommt und wann diese zu überprüfen ist (BVerfGE 109, 133, 188).
59
b) Diesen Anforderungen genügt die Neuregelung des § 7 Abs. 2 JGG. Sie sieht sowohl die - strengen - tatbestandlichen Anordnungsvoraussetzungen vor, so dass für nach Jugendstrafrecht verurteilte Straftäter klar erkennbar ist, ob die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung für sie grundsätzlich in Betracht kommt. Zudem hat der Gesetzgeber für die rechtzeitige Feststellung nachlassender Gefährlichkeit Vorsorge getroffen, indem er eine regelmäßige Überprüfung der Prognoseentscheidung in angemessener Zeit sicherstellt. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 JGG hat das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung spätestens nach einem Jahr zu überprüfen. Damit ist gewährleistet, dass die einzelne Prognoseentscheidung die Freiheitsentziehung nur für einen bestimmten Zeitraum trägt. Zugleich ist für den Betroffenen vorhersehbar, wann er mit einer neuen Überprüfung rechnen kann (vgl. BVerfGE 109, 133, 189).

V.


60
Ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention liegt nicht vor. Auch das Kammerurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde Nr. 19359/04) steht der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen. Abgesehen davon, dass dieses Urteil noch nicht endgültig ist (Art. 43 Abs. 1, Art. 44 Abs. 2b EMRK), liegt hier jedenfalls eine - unter den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für maßgeblich erachteten Kriterien - abweichende Fallgestaltung und Rechtslage vor.
61
1. Während es bei dem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu entscheidenden Fall um den Wegfall und damit um die nachträgliche Verlängerung der nach § 67d Abs. 1 StGB aF geltenden zehnjährigen Höchstfrist für die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung geht, betrifft der gegenständliche Sachverhalt die erstmalige nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung bei nach Jugendstrafrecht Verurteilten. In diesen Fällen ist eine ursprüngliche oder vorbehaltene Sicherungsverwahrung nicht möglich.
62
2. Auch die jeweiligen Verfahren sind grundsätzlich verschieden. Während die Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung von der Strafvollstreckungskammer nach Aktenlage ohne mündliche Verhandlung lediglich nach Anhörung des Betroffenen und nach Einholung nur eines Sachverständigengutachtens im schriftlichen Verfahren getroffen wird, ergeht das Urteil über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 7 Abs. 2 JGG im Erkenntnisverfahren auf Grundlage einer neuen Hauptverhandlung und nach Einholung von zwei Sachverständigengutachten (§ 275a Abs. 4 Satz 2 StPO).
63
3. Soweit die Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in dem ihr vorliegenden Fall einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK sieht, verhält es sich hier deshalb anders, weil der betroffene Verurteilte - im Gegensatz zu demjenigen in dem Fall, den die Kammer zu entscheiden hatte - psychisch krank ist. Damit ergibt sich gegenständlich eine Eingriffsermächtigung in das Freiheitsrecht des Betroffenen zum Schutze der Allgemeinheit jedenfalls aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. e EMRK.
64
4. Im Hinblick auf die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2009 festgestellte Verletzung von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EMRK ist zudem das im gegenständlichen Fall maßgebliche , vom allgemeinen Strafrecht abweichende System des Jugendstrafrechts zu berücksichtigen (vgl. beispielsweise § 5 Abs. 3 JGG, § 106 Abs. 4 JGG). Dieses ist geprägt vom Erziehungsgedanken, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 JGG. Daran orientiert sich auch der in den Jugendstrafvollzugsgesetzen der Länder der Bundesrepublik Deutschland geregelte Vollzug der Jugendstrafe, vgl. Art. 121 Satz 2, Art. 124 BayStVollzG. In dessen Umsetzung erfuhr der Verur- teilte vorliegend insbesondere auch eine Vielzahl an sozialtherapeutischen Behandlungsversuchen.
65
5. Der Senat ist unter diesen Umständen nicht davon überzeugt, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte - anders als in seiner Kammerentscheidung vom 17. Dezember 2009 - auch in der gegenständlichen Fallgestaltung einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention sehen würde. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellt bei seinen Entscheidungen jeweils auf den konkreten Einzelfall ab. Daher kann jede neue Entscheidung - je nach der zugrunde liegenden Fallgestaltung - von ihm zu einer neuen, abweichenden Bewertung staatlichen Handelns führen (vgl. Schädler in KK 6. Aufl. Vorb MRK Rdn. 5).
66
6. Abgesehen davon ist Folgendes zu berücksichtigen:
67
Innerhalb der deutschen Rechtsordnung steht die Europäische Menschenrechtskonvention im Rang eines einfachen Bundesgesetzes (vgl. BVerfG, Beschl. vom 4. Februar 2010 - 2 BvR 2307/06 m.w.N.). Demnach beeinflussen die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention die Auslegung der Grundrechte und der rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes. Ihr Text und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte können auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes dienen, sofern dies nicht zu einer - von der Europäischen Menschenrechtskonvention selbst nicht gewollten (vgl. Art. 53 EMRK) - Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt (vgl. BVerfG, Beschl. vom 4. Februar 2010 - 2 BvR 2307/06 m.w.N.).
68
Daraus ergibt sich vorliegend aber, dass die Europäische Menschenrechtskonvention nicht nur in Bezug auf die Grundrechte des Verurteilten und die ihn betreffenden rechtsstaatlichen Grundsätze als Auslegungshilfe heranzuziehen ist, sondern auch bei der Auslegung der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG resultierenden, für den Staat bestehenden Pflicht, sich schützend und fördernd vor das Leben potentieller Opfer zu stellen und deren Leben insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren (BVerfG, Beschl. vom 4. Februar 2010 - 2 BvR 2307/06; vgl. auch Art. 2 EMRK i.V.m. Art. 1 EMRK). Daran gemessen hat vorliegend das Freiheitsrecht des Verurteilten hinter dem Opferschutz zurückzutreten (siehe oben Ziffer B.IV.2.c).

C.


69
Der Senat bemerkt, dass es in Fällen wie dem vorliegenden, in dem sich die besondere Gefährlichkeit des Verurteilten in einem psychischen Zustand im Zusammenspiel mit äußeren Stressfaktoren gründet, geboten ist, rechtzeitig dafür Sorge zu tragen, dass dem Verurteilten im Falle seiner Entlassung ein gesicherter sozialer Empfangsraum zur Verfügung steht, um das Rückfallrisiko des in Freiheit entlassenen Verurteilten zu mindern. Zudem sollte frühzeitig mit einer geeigneten Therapie begonnen werden.
70
In Fällen wie dem gegenständlichen, in dem der Erfolg einer Therapie immer wieder dadurch negativ beeinflusst wird, dass sich der Verurteilte im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen befindet, sollte dem Verurteilten zudem eine neutrale Person beratend zur Seite gestellt werden. Die über § 82 Abs. 3 JGG anzuwendende Vorschrift des § 463 Abs. 3 Satz 5 StPO hilft dann nicht weiter, wenn der Verurteilte bereits einen Wahlverteidiger hat. Dem Senat ist es verwehrt, insofern eine Entscheidung zu treffen. Er könnte sich jedoch vorstellen, dass der Gesetzgeber diesbezüglich eine gesetzliche Grundlage für flankierende Maßnahme schafft.
Nack Rothfuß Hebenstreit Elf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 595/09
vom
14. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
hier: nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Januar 2010 beschlossen
:
Die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts
Baden-Baden vom 18. August 2009 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Verurteilten, mit der er eine Verletzung formellen und sachlichen Rechts geltend macht. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Verurteilte mehrfach wegen schwerer Sexualdelikte vorbestraft.
3
a) Am 14. Dezember 1973 wurde er vom Landgericht Berlin wegen Vergewaltigung in fünf Fällen, in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexueller Nötigung in sieben weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Der Verurteilte hatte in einem Zeitraum von nahezu drei Jahren in insgesamt zwölf Fällen Mädchen im Alter zwischen neun und 18 Jahren , überwiegend Elf- bis Dreizehnjährige, an abgelegenen Orten, zumeist im Wald, in seine Gewalt gebracht. Er versetzte sie durch den Einsatz eines Messers in Todesangst, zwang sie dazu, sich zu entkleiden, und führte anschließend verschiedene massive sexuelle Handlungen an ihnen aus, indem er etwa mit seinen Fingern in ihre Scheide eindrang oder den Geschlechts- bzw. Oralverkehr bis zum Samenerguss ausübte.
4
b) Am 8. März 1988 wurde er vom Landgericht Hannover wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung, sexuellen Missbrauchs von Kindern und Entführung gegen den Willen der Entführten zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt und es wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Der Verurteilte war am 20. März 1987, drei Monate nach seiner Haftentlassung, gemeinsam mit einem früheren Mitgefangenen in Hannover unterwegs und suchte wegen seines "inneren, sexuellen Drucks" nach Kindern. Der Verurteilte und sein Begleiter zerrten auf offener Straße zwei achtjährige Mädchen in ihr Auto. Eines dieser Mädchen wurde von dem Verurteilten auf schwerste Weise sexuell missbraucht, indem er es unter anderem dazu zwang, an ihm den Oralverkehr durchzuführen. Außerdem versuchte er, mit seinem Penis in die Scheide des Mädchens einzudringen, was ihm nur bis zum Scheidenvorhof gelang. Deshalb drang er anschließend mit seinem Finger in die Scheide des Mädchens ein, wobei dieses Schmerzenslaute von sich gab. Schließlich fesselte er das Mädchen mit Handschellen und zeigte ihm ein Pornoheft mit kinderpornographischen Abbildungen.
5
c) Anlassverurteilung für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung ist vorliegend das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 2. Februar 1990, durch das gegen den Verurteilten wegen versuchter Vergewaltigung und wegen Mordes eine Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verhängt wurde. Außerdem ordnete das Landgericht Baden-Baden in der damaligen Verurteilung erneut die Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB an.
6
aa) Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
7
Der Verurteilte war am 18. Juni 1988 aus der Unterbringung in dem psychiatrischen Landeskrankenhaus M. in N. entkommen und in den Raum Ettlingen bei Karlsruhe geflüchtet. Am 22. Juni 1988 hielt sich der Angeklagte zunächst in der Fußgängerzone, dann auf einem Kinderspielplatz und später in einem Freibad auf, um junge Mädchen zu betrachten, denen sein sexuelles Interesse galt. Am 23. Juni 1988 folgte er einem Mädchen von einer Wohnsiedlung aus bis in die Innenstadt von Ettlingen. Am Abend desselben Tages überfiel er in einem Waldgebiet, in dem er sein Lager aufgeschlagen hatte , die 28 Jahre alte, von ihrer Erscheinung her noch mädchenhaft wirkende K. , die mit ihrem Fahrrad auf dem Heimweg war. Er bedrohte sie mit einem Messer oder einem anderen lebensbedrohlichen Gegenstand und zwang sie, mit zu seinem Lagerplatz zu kommen. Dort versuchte er, gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr durchzuführen. Um die junge Frau zu "infantilisieren" , nötigte er sie entweder dazu, sich die Schamhaare bis in den Bereich der Schamlippen zu rasieren, oder er nahm die Rasur des Schambereichs eigenhändig vor. Anschließend verklebte er K. die Augen mit Klebeband und brachte sie tiefer in den Wald. Dort erwürgte er sie, entweder um einen Fluchtversuch zu verhindern oder um ihren Widerstand gegen weitere sexuelle Handlungen des Verurteilten zu brechen.
8
bb) Hinsichtlich der angeordneten Maßregel hat das sachverständig beratene Landgericht in seinem Urteil vom 2. Februar 1990 ausgeführt, dass die Steuerungsfähigkeit des Verurteilten infolge einer durch eine sadomasochistische sexuelle Perversion verursachte Persönlichkeitsstörung bei der Tatbegehung erheblich beeinträchtigt gewesen sei; aufgrund seines pathologischen Zustandes müsse die Gefahr weiterer schwerer sexueller Straftaten und von Tötungsdelikten ohne eine therapeutische Behandlung als sehr hoch eingestuft werden. Das Landgericht hat damals auch die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB für gegeben angesehen. Von einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat es aber dennoch gemäß § 72 Abs. 1 StGB abgesehen. Gestützt auf die Ausführungen des Sachverständigen hat es die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angesichts einer vorhandenen Therapierbarkeit des Verurteilten und eines voraussichtlichen Behandlungszeitraumes von deutlich mehr als zehn Jahren, der die damals geltende Höchstdauer der erstmaligen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 67d Abs. 1 StGB (in der bis zum 30. Januar 1998 geltenden Fassung ) überstiegen hätte, als geeigneter angesehen, um den Maßregelzweck zu erreichen und um die Allgemeinheit vor dem Verurteilten zu schützen.
9
d) Mit Beschluss vom 1. April 1993 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Göttingen die Unterbringung des Verurteilten gemäß § 63 StGB wegen dessen Therapieunfähigkeit für erledigt erklärt und die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafen aus den Urteilen des Landgerichts Hannover vom 8. März 1988 und des Landgerichts Baden-Baden vom 2. Februar 1990 (Anlassverurteilung) angeordnet.
10
2. Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die formellen Voraussetzungen des § 66b Abs. 2 StGB bejaht. Neue Tatsachen, die auf eine fortbestehende Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen, hat es darin gesehen, dass erst während der Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus erkennbar geworden sei, dass dieser entgegen der Prognose des die Maßregel anordnenden Gerichts nicht behandlungsfähig sei. Zudem sei auch das manipulative Verhalten des Verurteilten, der während des Strafvollzugs einige Semester Psychologie an der Fernuniversität in H. studiert hatte, erst nachträglich bekannt geworden. So habe der Verurteilte erstmals im Jahr 2001 zugegeben, dass er in der Vergangenheit mehrfach gegenüber Gutachtern hinsichtlich seiner Biographie und seiner Sexualanamnese bewusst gelogen habe. In Bezug auf die Anlassverurteilung habe er die Unwahrheit gesagt, um einer lebenslangen Freiheitsstrafe sowie der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu entgehen. Im Maßregelvollzug habe er gelogen, um eine Erledigung der Unterbringung herbeizuführen. Auf der Grundlage der Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen Kr. und B. sowie der Anstaltspsychologin L. ist das Landgericht nach einer Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Straftaten und seiner Entwicklung im Straf- und Maßregelvollzug zu der Überzeugung gelangt, dass der Verurteilte auch weiterhin "hochgradig" gefährlich sei und dass er schon kurz nach seiner Entlassung schwerste Sexualstraftaten begehen würde.

II.


11
Die Revision hat keinen Erfolg.
12
1. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen sind aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 16. November 2009 dargelegten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
13
2. Die rechtliche Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Verurteilten aufgezeigt. http://www.juris.de/jportal/portal/t/2ibm/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=27&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE014302307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 7 -
14
a) Das Landgericht hat die Eingangsvoraussetzung für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 2 StGB zutreffend bejaht. Der Verurteilte ist durch das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 2. Februar 1990 wegen zwei der in § 66b Abs. 2 StGB aufgeführten Katalogtaten , nämlich wegen versuchter Vergewaltigung ("Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung") und wegen Mordes ("Verbrechen gegen das Leben"), zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt worden, die die nach dem Gesetz erforderliche Mindesthöhe von fünf Jahren übersteigt.
15
b) Die Annahme des Landgerichts, dass nach der Anlassverurteilung "neue" Tatsachen im Sinne des § 66b Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 StGB erkennbar geworden sind, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
16
aa) Zutreffend ist das Landgericht bei seiner Beurteilung davon ausgegangen , dass es in der vorliegenden Konstellation, bei der in der Anlassverurteilung nicht nur auf eine Freiheitsstrafe erkannt, sondern - beruhend auf der Prognose, dass von dem Verurteilten aufgrund seines Zustandes auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind - auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet worden ist, nicht darauf abgestellt werden darf, ob nach der letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz und vor dem Ende des Vollzugs der verhängten Freiheitsstrafe Tatsachen erkennbar werden, die erstmals auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen. Vielmehr kann es nur darauf ankommen, ob die fortbestehende (qualifizierte) Gefährlichkeit aus anderen Tatsachen herzuleiten ist als denjenigen, die im Anlassurteil zur Begründung des länger andauernden Zustands herangezogen wurden, die zur positiven Feststellung mindestens erheblich verminderter Schuldfähigkeit bei der Tatbegehung und zur Anordnung nach § 63 StGB geführt haben (BGHSt 52, 379, 390). Die neuen Tatsachen dürfen sich dabei nicht darin erschöpfen, dass die der Persönlichkeitsstörung bzw. -akzentuierung des Verurteilten zu Grunde liegenden Tatsachen lediglich neu beschrieben oder umbewertet werden. Sie können sich etwa aus dem - bisher nicht näher erörterten - Vollzugsverhalten des Verurteilten ergeben (BGH, Beschl. vom 10. Februar 2009 - 4 StR 314/07; insoweit nicht abgedruckt in NStZ-RR 2009, 201).
17
bb) Gemessen an diesen Maßstäben begegnet es keinen Bedenken, dass das Landgericht die im Verlauf des Straf- und Maßregelvollzugs zu Tage getretene Therapieunfähigkeit des Verurteilten als "neue" Tatsache im Sinne des § 66b Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 StGB bewertet hat, die auf die fortbestehende Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweist.
18
Nach den Feststellungen des Landgerichts erwiesen sich sämtliche Bemühungen , die Persönlichkeitsstörung des Verurteilten - zunächst während der Unterbringung gemäß § 63 StGB und später in der Strafhaft - zu behandeln, als erfolglos. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus - dem LKH G. - wurde vor dem Erreichen eines Behandlungserfolges für erledigt erklärt, weil bei dem Verurteilten weder ein Leidensdruck, eine Krankheitseinsicht noch eine "echte" Behandlungsmotivation erkennbar waren und eine Fortsetzung der Therapie deshalb als aussichtslos erachtet wurde. Von Juli 2002 bis Dezember 2003 nahm der Verurteilte an einem Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter in der Sozialtherapeutischen Anstalt der Justizvollzugsanstalt T. teil. Auch hier stellte sich ein Behandlungserfolg nicht ein, da eine "wirkliche" Bearbeitung der schweren Sexual- und Persönlichkeitsstörung durch den Verurteilten nicht stattfand. Sein Verhalten wurde vielmehr - zur Erlangung von Vollzugslockerungen - als manipulativ und taktierend beschrieben. Von September 2006 bis März 2009 wurde der Verurteilte erneut in der Sozialtherapeu- tischen Anstalt der Justizvollzugsanstalt T. behandelt. Auch hier gelang es nicht, einen Therapieerfolg herbeizuführen, da der Verurteilte noch immer nicht in der Lage war, seine Straftaten aufzuarbeiten und sich mit seiner Persönlichkeitsstörung differenziert auseinanderzusetzen.
19
Die - nunmehr - festgestellte Therapieunfähigkeit des Verurteilten stellt damit eine "neue" Tatsache dar, auf die das Landgericht seine Überzeugung von der fortbestehenden qualifizierten Gefährlichkeit des Verurteilten stützen konnte. Das für die Aburteilung der Anlasstat zuständige Gericht ist in dem Ausgangsverfahren aufgrund der Ausführungen des damaligen psychiatrischen Sachverständigen noch von einer Therapierbarkeit des Verurteilten ausgegangen. Es hat daraufhin von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen und den Verurteilten gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Für das damalige Tatgericht war dabei nicht erkennbar, dass das von einer Therapierbarkeit des Verurteilten ausgehende Sachverständigengutachten auf einer unwahren Tatsachengrundlage beruhte. Der Verurteilte hatte gegenüber dem damaligen Sachverständigen hinsichtlich seiner Biographie und seiner Sexualanamnese gelogen, um eine Anwendung des § 21 StGB zu erreichen. Durch dieses Verhalten gelang es ihm, einer Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu entgehen. Die Täuschung des Sachverständigen - und des damaligen Tatgerichts - gab der Verurteilte erst im Laufe des Strafvollzuges im Jahr 2001 zu. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass das Gericht die Täuschung bei gebotener Sorgfalt schon damals im Ausgangsverfahren hätte erkennen müssen, sind nicht ersichtlich.
20
c) Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil schließlich auch eine umfassende Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Straftaten und seiner Ent- wicklung im Straf- und Maßregelvollzug vorgenommen. Es ist - gestützt auf die Gutachten von zwei psychiatrischen Sachverständigen und die Angaben einer sachverständigen Zeugin - in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass der Verurteilte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Freiheit weitere erhebliche Straftaten der in § 66b Abs. 2 StGB genannten Art begehen wird. Seine negative Prognose hat es unter anderem mit der Vielzahl der von dem Verurteilten begangenen Sexualdelikte begründet, der hohen Brutalität bei der Tatausführung, der hohen Rückfallgeschwindigkeit, der zufälligen Auswahl seiner Opfer und der Dauer seiner Delinquenz über einen Zeitraum von 18 Jahren hinweg, der nur durch längere Inhaftierungen durchbrochen wurde. Besonderes Gewicht hat das Landgericht hierbei der erst im Verlauf des Straf- und Maßregelvollzugs erkennbar gewordenen Therapieunfähigkeit des Verurteilten beigemessen, da bei diesem ein tiefgreifender, über die Jahre gefestigter Einstellungswandel nicht festgestellt werden konnte und er in der Haft keine Strategien und Kontrollmechanismen entwickelte, um mit seiner schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung und seiner Rückfallgefährdung umzugehen.
21
3. Ob der Verurteilte von dem Kammerurteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde Nummer 19359/04) betroffen sein könnte, braucht der Senat nicht zu entscheiden , da die vorgenannte Entscheidung noch nicht endgültig ist (Art. 43 Abs. 1, Art. 44 Abs. 2b EMRK).
Nack Rothfuß Elf
Graf Sander

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn

1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder
2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.

(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.

(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.

(1) Ist wegen der Straftat eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so kann das Gericht an Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe auf eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu fünfzehn Jahren erkennen.

(2) Das Gericht kann anordnen, daß der Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (§ 45 Abs. 1 des Strafgesetzbuches), nicht eintritt.

(3) Sicherungsverwahrung darf neben der Strafe nicht angeordnet werden. Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Heranwachsende zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt wird wegen eines oder mehrerer Verbrechen
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
auf Grund der Gesamtwürdigung des Heranwachsenden und seiner Tat oder seiner Taten mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass bei ihm ein Hang zu Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art vorliegt und er infolgedessen zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.

(4) Unter den übrigen Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 2 kann das Gericht einen solchen Vorbehalt auch aussprechen, wenn

1.
die Verurteilung wegen eines oder mehrerer Vergehen nach den §§ 176a und 176b des Strafgesetzbuches erfolgt,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 des Strafgesetzbuches erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Strafgesetzbuches verweist, und
3.
es sich auch bei den maßgeblichen früheren und künftig zu erwartenden Taten um solche der in Nummer 1 oder Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Art handelt, durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist oder würde.

(5) Wird neben der Strafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Strafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Täters dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig. § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches bleiben unberührt.

(6) Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 oder Absatz 4 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(7) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art begehen wird.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 verweist, und
3.
nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(2) Einen Vorbehalt im Sinne von Absatz 1 kann das Gericht auch aussprechen, wenn

1.
jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung, nach dem Achtundzwanzigsten Abschnitt oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, verurteilt wird,
2.
die Voraussetzungen des § 66 nicht erfüllt sind und
3.
mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(3) Über die nach Absatz 1 oder 2 vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung kann das Gericht im ersten Rechtszug nur bis zur vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden; dies gilt auch, wenn die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt war und der Strafrest vollstreckt wird. Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Ist im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten (§ 66a des Strafgesetzbuches), übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Diese übergibt die Akten so rechtzeitig dem Vorsitzenden des Gerichts, dass eine Entscheidung bis zu dem in Absatz 5 genannten Zeitpunkt ergehen kann. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67d Absatz 6 Satz 1 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des Gerichts, das für eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66b des Strafgesetzbuches) zuständig ist. Beabsichtigt diese, eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu beantragen, teilt sie dies der betroffenen Person mit. Die Staatsanwaltschaft soll den Antrag auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung unverzüglich stellen und ihn zusammen mit den Akten dem Vorsitzenden des Gerichts übergeben.

(2) Für die Vorbereitung und die Durchführung der Hauptverhandlung gelten die §§ 213 bis 275 entsprechend, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist.

(3) Nachdem die Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Der Vorsitzende verliest das frühere Urteil, soweit es für die Entscheidung über die vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung von Bedeutung ist. Sodann erfolgt die Vernehmung des Verurteilten und die Beweisaufnahme.

(4) Das Gericht holt vor der Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen ein. Ist über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden, müssen die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt werden. Die Gutachter dürfen im Rahmen des Strafvollzugs oder des Vollzugs der Unterbringung nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein.

(5) Das Gericht soll über die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden.

(6) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen. Für den Erlass des Unterbringungsbefehls ist das für die Entscheidung nach § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches zuständige Gericht so lange zuständig, bis der Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei dem für diese Entscheidung zuständigen Gericht eingeht. In den Fällen des § 66a des Strafgesetzbuches kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen, wenn es im ersten Rechtszug bis zu dem in § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bestimmten Zeitpunkt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Die §§ 114 bis 115a, 117 bis 119a und 126a Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Ist wegen der Straftat eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so kann das Gericht an Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe auf eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu fünfzehn Jahren erkennen.

(2) Das Gericht kann anordnen, daß der Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (§ 45 Abs. 1 des Strafgesetzbuches), nicht eintritt.

(3) Sicherungsverwahrung darf neben der Strafe nicht angeordnet werden. Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Heranwachsende zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt wird wegen eines oder mehrerer Verbrechen
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
auf Grund der Gesamtwürdigung des Heranwachsenden und seiner Tat oder seiner Taten mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass bei ihm ein Hang zu Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art vorliegt und er infolgedessen zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.

(4) Unter den übrigen Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 2 kann das Gericht einen solchen Vorbehalt auch aussprechen, wenn

1.
die Verurteilung wegen eines oder mehrerer Vergehen nach den §§ 176a und 176b des Strafgesetzbuches erfolgt,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 des Strafgesetzbuches erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Strafgesetzbuches verweist, und
3.
es sich auch bei den maßgeblichen früheren und künftig zu erwartenden Taten um solche der in Nummer 1 oder Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Art handelt, durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist oder würde.

(5) Wird neben der Strafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Strafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Täters dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig. § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches bleiben unberührt.

(6) Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 oder Absatz 4 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(7) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art begehen wird.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.

(2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind.

(3) Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, bleiben für die Einteilung außer Betracht.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Ist wegen der Straftat eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so kann das Gericht an Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe auf eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu fünfzehn Jahren erkennen.

(2) Das Gericht kann anordnen, daß der Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (§ 45 Abs. 1 des Strafgesetzbuches), nicht eintritt.

(3) Sicherungsverwahrung darf neben der Strafe nicht angeordnet werden. Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Heranwachsende zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt wird wegen eines oder mehrerer Verbrechen
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
auf Grund der Gesamtwürdigung des Heranwachsenden und seiner Tat oder seiner Taten mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass bei ihm ein Hang zu Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art vorliegt und er infolgedessen zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.

(4) Unter den übrigen Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 2 kann das Gericht einen solchen Vorbehalt auch aussprechen, wenn

1.
die Verurteilung wegen eines oder mehrerer Vergehen nach den §§ 176a und 176b des Strafgesetzbuches erfolgt,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 des Strafgesetzbuches erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Strafgesetzbuches verweist, und
3.
es sich auch bei den maßgeblichen früheren und künftig zu erwartenden Taten um solche der in Nummer 1 oder Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Art handelt, durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist oder würde.

(5) Wird neben der Strafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Strafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Täters dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig. § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches bleiben unberührt.

(6) Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 oder Absatz 4 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(7) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art begehen wird.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 274/06
vom
25. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juli 2006 beschlossen:
Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 6. Februar 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat gegen den Verurteilten die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB nachträglich angeordnet. Grundlage war die Verurteilung des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. Juni 1998 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und Bedrohung zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Die Revision des Verurteilten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2
Die Strafkammer hat die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung auf folgende Umstände gestützt, die sie als neue Tatsachen im Sinne von § 66b Absätze 1 und 2 StGB bewertete:
3
1. Der Verurteilte war am 7. April 1993 vor der Anlassverurteilung schon einmal wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Bei der Entscheidung am 8. Juni 1998 konnte diese - bekannte - Vorverurteilung trotz § 2 Abs. 6 StGB nicht Grundlage der Anordnung von Sicherungsverwahrung aufgrund des am 31. Januar 1998 in Kraft getretenen § 66 Abs. 3 StGB sein, da gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 1a Abs. 2 EGStGB in der Fassung vom 26. Januar 1998 § 66 Abs. 3 StGB nur Anwendung fand, wenn der Täter eine einschlägige (§ 66 Abs. 1 Satz 1 StGB) Straftat nach dem 31. Januar 1998 begangen hatte. Mit der Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b StGB mit Gesetz vom 23. Juli 2004 sei die Vorverurteilung jetzt aber relevant geworden. Aufgrund einer Gesetzesänderung nunmehr relevante Tatsachen seien den erst nachträglich erkennbar gewordenen Tatsachen gleichzustellen.
4
2. Die Persönlichkeit des Verurteilten sei erst im Laufe der Inhaftierung aufgrund der Anlassverurteilung umfassend zutreffend bewertet worden. Bei der Verurteilung am 8. Juni 1998 habe die Strafkammer seine dissoziale Persönlichkeitsstruktur verkannt und die Tat überwiegend auf übermäßigen Alkoholkonsum zurückgeführt. Bei der Begutachtung zur Vorbereitung der Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der am 7. April 1993 erkannten Strafe zur Bewährung durch die Strafvollstreckungskammer habe der Sachverständige - fehlerhaft - keine psychopathologischen Auffälligkeiten feststellen können, ihn als psychisch stabil bezeichnet und das Rückfallrisiko als gering eingestuft. Dies habe die Strafkammer bei der Anlassverurteilung am 8. Juni 1998 zwar als unzutreffend erkannt gehabt. Mangels einer rechtlichen Möglichkeit der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sei das damals aber nicht relevant gewesen. Darüber hinaus sei die Diagnose seinerzeit auch noch - nicht erkennbar, so ist das angefochtene Urteil wohl zu verstehen - unvollständig gewesen. Bei einer weiteren Begutachtung des Verurteil- ten im Jahre 2002 im Zusammenhang mit der Prüfung, ob die Vollstreckung des Strafrestes aus der Verurteilung vom 8. Juni 1998 zur Bewährung ausgesetzt werden kann, seien von einem - anderen - Sachverständigen zwar zunehmend dissoziale, aggressive und in Ansätzen sadistische Persönlichkeitszüge festgestellt worden, ohne dass dies aber die Kriterien einer Persönlichkeitsstörung im engeren Sinne erfülle. Daneben bestehe aber eine ausgeprägte Alkoholabhängigkeit. Diese - insgesamt aber immer noch unzutreffende - Diagnose beruhe darauf, dass sich dieser Sachverständige - wie schon die im Jahre 1997 tätigen Sachverständigen, so meint die Strafkammer wohl - durch übertriebene Angaben des Verurteilten über das Ausmaß seines Alkoholkonsums habe täuschen lassen, wie dieser zwischenzeitlich gegenüber den in diesem Verfahren (über die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung) bestellten Sachverständigen eingeräumt habe.
5
3. Der soziale Empfangsraum - die Familie - sei nicht mehr vorhanden. Zwar habe sich seine Ehefrau schon im März 1997 von ihm getrennt. Dies sei damit zum Zeitpunkt der Verurteilung am 8. Juni 1998 zwar „erkennbar, aber aus den genannten Gründen nicht relevant“ gewesen. Hinzu komme, dass während der Haft seine Mutter, zu der er noch Kontakt gehabt habe, verstorben sei.
6
4. Schließlich habe sich während der letzten Haftjahre gezeigt, dass bei dem Verurteilten - einer durchsetzungsstarken, chauvinistischen, dissozialen und narzisstischen Persönlichkeit - kein Therapiewille vorhanden sei. Das Landgericht habe es in seinem Urteil vom 8. Juni 1998 für unbedingt erforderlich gehalten, dass sich der Verurteilte im Rahmen einer Therapie mit seinen Sexualverbrechen ernsthaft auseinandersetzt. Diesen Rat habe der Verurteilte nicht befolgt. Eine Therapie sei von ihm abgebrochen worden. Spätere Bemühungen des Verurteilten gegen Ende der Haftzeit um die Aufnahme in eine sozialtherapeutische Anstalt oder um eine ambulante Therapie bewertet die Straf- kammer als nicht ernsthaft. Der Verurteilte habe gegenüber dem Sachverständigen , wie auch in der Hauptverhandlung, jede sexualtherapeutische Behandlungsbedürftigkeit verneint.

II.

7
Die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
Zwar hat die Strafkammer die Eingangsvoraussetzungen des § 66b Abs. 2 StGB sowie die Gefährlichkeit des Verurteilten, insbesondere die hohe Rückfallwahrscheinlichkeit in Folge seines Hangs zu Sexualstraftaten von Gewicht , rechtsfehlerfrei festgestellt.
9
Das Landgericht hat seine Entscheidung aber nicht auf Umstände gestützt , die als neue Tatsachen im Sinne von § 66b Abs. 2 StGB bewertet werden können oder die zum Zeitpunkt der Verurteilung am 8. Juni 1998 noch nicht bekannt oder erkennbar waren beziehungsweise bei denen die - erst - spätere Erkennbarkeit aus den bisherigen Feststellungen hinreichend deutlich wird.
10
1. Die Änderung der Rechtslage durch In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung, wonach gemäß § 66b Abs. 2 StGB (nachträgliche) Sicherungsverwahrung gegen Täter angeordnet werden kann, bei denen die Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB nicht erfüllt waren, ist keine neue Tatsache im Sinne des Gesetzes. Der Gesetzgeber hat bewusst auch in diesen Fällen an die strengen Voraussetzungen des § 66b Abs. 1 StGB angeknüpft (vgl. BGH NStZ 2006, 156 [158 f., Rdn. 9]; BGH, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 5 StR 125/06 - Rdn. 8; a.A. Veh, Nachträgliche Sicherungsverwahrung und nachträgliche Tatsachenerkennbar- keit, NStZ 2005, 307). Deshalb können auch nicht bei der Anlassverurteilung bereits bekannte oder erkennbare Tatsachen „neuen Tatsachen“ nur deshalb gleichgesetzt werden, weil jene erst jetzt für die (nachträgliche) Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung eine Grundlage bilden, relevant sein könnten. Die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dient nicht dazu, frühere Entscheidungen über die (Nicht )Anordnung der Sicherungsverwahrung zu korrigieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt dies selbst dann, wenn das Gericht im Zusammenhang mit der Anlassverurteilung die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung rechtsfehlerhaft unterlassen hat (vgl. BGH NStZ 2006, 156 [159, Rdn. 10] m.w.N.). Erst Recht darf sich die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht darin erschöpfen, darf sie nicht dazu instrumentalisiert werden, eine zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung der Gesetzeslage entsprechende Entscheidung zu korrigieren.
11
2. Die von früheren Bewertungen abweichende Beurteilung der Persönlichkeit stellt keine „neue Tatsache“ dar.
12
Neue Tatsachen der in § 66b StGB genannten Art sind nur solche, die nach der letzten Verhandlung in der Tatsacheninstanz und vor Ende des Vollzugs der verhängten Freiheitsstrafe bekannt oder erkennbar geworden sind. Ob diese Tatsachen bereits im Ausgangs- oder in einem anderen Verfahren Grundlage - von der jetzigen Sicht abweichender - sachverständiger Bewertung waren , ist ohne Belang. Maßgeblich ist nicht die neue oder sogar erstmalige Bewertung von Tatsachen. Entscheidend ist vielmehr allein, ob die dieser Einschätzung zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen im Zeitpunkt der Aburteilung bereits vorlagen oder erkennbar waren (vgl. BGHSt 50, 180 [187]; BGHSt 50, 275 [278]; BGH NJW 2006, 1442 [1444]; BGH NStZ 2006, 155 [156, Rdn. 3]; BGH NStZ 2006, 276 [278, Rdn. 15]; BGH, Beschluss vom 11. Juli 2006 - 5 StR 125/06 - Rdn. 9).
13
Nach den bisherigen Feststellungen liegt es nahe, dass die nunmehr von der Strafkammer festgestellten Persönlichkeitsdefizite bereits zum Zeitpunkt der Verurteilung am 8. Juni 1998 vorlagen und umfassend erkennbar waren. Darauf deuten schon die dieser Entscheidung sowie der Vorverurteilung vom 7. April 1993 zugrunde liegenden Sachverhalte hin.
14
Die Äußerungen des Verurteilten zu seinem Alkoholkonsum scheinen nach den bisherigen Feststellungen taktisch bestimmt. Und es deutet viel darauf hin, dass dies schon bei der Anlassverurteilung erkennbar war. Bei der Tat am 16. August 1992 (von 03.50 bis 04.50 Uhr) betrug die nach dem von ihm angegebenen Konsum berechnete maximale Blutalkoholkonzentration 0,54 Promille - erheblich verminderte Schuldfähigkeit wurde verneint. Bei der Tat am 23. Oktober 1997 ab 05.00 Uhr (Gegenstand der Anlassverurteilung) wurde eine Blutalkoholkonzentration von 2,58 Promille errechnet - die Steuerungsfähigkeit war nun erheblich vermindert, folgerte hieraus die Strafkammer. Dabei wirken die vom Verurteilten seinerzeit genannten Trinkmengen übertrieben und sein Leistungsverhalten widerstreitet der errechneten Alkoholisierung.
15
Dass die fehlende Relevanz von zum Zeitpunkt der Anlassverurteilung bekannten Tatsachen für eine - damals rechtlich ausgeschlossene - Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unerheblich ist, wurde bereits oben ausgeführt.
16
3. Dass der wesentliche Umstand - Trennung der Ehefrau -, aus der die Strafkammer den Wegfall des „sozialen Empfangsraums“ folgert, vor der Verurteilung bereits erkennbar war, teilt die Strafkammer selbst mit. Die Einführung der Möglichkeit der nachträglichen der Sicherungsverwahrung ändert daran - wie dargelegt - nichts. Im Übrigen mag dieser Aspekt - „sozialer Empfangsraum“ - bei der Gesamtwürdigung zur Rückfallprognose eine Rolle spielen, ist aber wohl kaum als Tatsache zu bewerten, aus der die Gefährlichkeit eines Täters originär erkennbar werden kann.
17
4. Therapieunwilligkeit, die Verweigerung oder der Abbruch einer Therapie kann zwar grundsätzlich zu den in § 66b Abs. 1, 2 StGB genannten „neuen Tatsachen“ gehören (vgl. BGHSt 50, 121 [126]; 275 [280 f.]; BGH, Beschluss vom 9. November 2005 - 4 StR 483/05; Beschluss von 11. Juli 2006 - 5 StR 113/06 -, Rdn. 11). Dies kann allerdings nur dann als berücksichtigungsfähige „neue Tatsache“ angesehen werden, wenn zum Zeitpunkt der Verurteilung anzunehmen war, der Verurteilte werde sich im Vollzug einer Therapie unterziehen. Insoweit mangelt es bislang an tragfähigen Feststellungen. Wie sich der Verurteilte seinerzeit zu dem Rat der Strafkammer, eine Therapie anzutreten, verhielt, wird nicht mitgeteilt. Erst wenn feststeht, dass es sich insoweit um eine „neue Tatsache“ handelt, kann dieser Aspekt - Therapieunwilligkeit, Therapieabbruch - in die Gesamtwürdigung (vgl. BGHSt 50, 121 [126 ff.]) Eingang finden. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Ist wegen der Straftat eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so kann das Gericht an Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe auf eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu fünfzehn Jahren erkennen.

(2) Das Gericht kann anordnen, daß der Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (§ 45 Abs. 1 des Strafgesetzbuches), nicht eintritt.

(3) Sicherungsverwahrung darf neben der Strafe nicht angeordnet werden. Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Heranwachsende zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt wird wegen eines oder mehrerer Verbrechen
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
auf Grund der Gesamtwürdigung des Heranwachsenden und seiner Tat oder seiner Taten mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass bei ihm ein Hang zu Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art vorliegt und er infolgedessen zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.

(4) Unter den übrigen Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 2 kann das Gericht einen solchen Vorbehalt auch aussprechen, wenn

1.
die Verurteilung wegen eines oder mehrerer Vergehen nach den §§ 176a und 176b des Strafgesetzbuches erfolgt,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 des Strafgesetzbuches erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Strafgesetzbuches verweist, und
3.
es sich auch bei den maßgeblichen früheren und künftig zu erwartenden Taten um solche der in Nummer 1 oder Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Art handelt, durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist oder würde.

(5) Wird neben der Strafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Strafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Täters dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig. § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches bleiben unberührt.

(6) Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 oder Absatz 4 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(7) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art begehen wird.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Ist im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten (§ 66a des Strafgesetzbuches), übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Diese übergibt die Akten so rechtzeitig dem Vorsitzenden des Gerichts, dass eine Entscheidung bis zu dem in Absatz 5 genannten Zeitpunkt ergehen kann. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67d Absatz 6 Satz 1 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des Gerichts, das für eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66b des Strafgesetzbuches) zuständig ist. Beabsichtigt diese, eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu beantragen, teilt sie dies der betroffenen Person mit. Die Staatsanwaltschaft soll den Antrag auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung unverzüglich stellen und ihn zusammen mit den Akten dem Vorsitzenden des Gerichts übergeben.

(2) Für die Vorbereitung und die Durchführung der Hauptverhandlung gelten die §§ 213 bis 275 entsprechend, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist.

(3) Nachdem die Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Der Vorsitzende verliest das frühere Urteil, soweit es für die Entscheidung über die vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung von Bedeutung ist. Sodann erfolgt die Vernehmung des Verurteilten und die Beweisaufnahme.

(4) Das Gericht holt vor der Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen ein. Ist über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden, müssen die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt werden. Die Gutachter dürfen im Rahmen des Strafvollzugs oder des Vollzugs der Unterbringung nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein.

(5) Das Gericht soll über die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden.

(6) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen. Für den Erlass des Unterbringungsbefehls ist das für die Entscheidung nach § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches zuständige Gericht so lange zuständig, bis der Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei dem für diese Entscheidung zuständigen Gericht eingeht. In den Fällen des § 66a des Strafgesetzbuches kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen, wenn es im ersten Rechtszug bis zu dem in § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bestimmten Zeitpunkt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Die §§ 114 bis 115a, 117 bis 119a und 126a Abs. 3 gelten entsprechend.

Tenor

Der Antrag des Verurteilten, die Sicherungsverwahrung für erledigt zu erklären und anzuordnen, dass er aus der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu entlassen ist, wird

z u r ü c k g e w i e s e n.

Gründe

 
I.
Der heute 63 Jahre alte Verurteilte ist erstmals mit 21 Jahren strafrechtlich in Erscheinung getreten und vielfach vorbestraft. Seit 1971, also seit seinem 24. Lebensjahr, hat er sich – für den Zeitraum bis 1979 mit einigen Unterbrechungen – in Untersuchungs- oder Strafhaft befunden. Seit 1988 bis heute, also über 21 Jahre lang, ist er in Sicherungsverwahrung untergebracht. Sie beruht auf drei Verurteilungen wegen 1973, 1978 und 1983 begangener schwerer Sexualdelikte.
1. Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 25.04.1975 – 1 Kls 30/74 – wurde der Verurteilte wegen gemeinschaftlicher Vergewaltigung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Entführung gegen den Willen der Entführten, sowie versuchter Vergewaltigung (Tatzeiten: 12.04., 22./23.04. sowie 11.07.1973) zu Einzelstrafen von zwei Jahren, drei Jahren und einem Jahr verurteilt; er verbüßte die Gesamtstrafe von fünf Jahren in der Zeit vom 22.10.1975 bis zum 30.09.1977 und nach Widerruf der Strafrestaussetzung zur Bewährung vom 12.01.1982 bis 03.09.1983. Sodann wurde er durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.09.1979 – III Kls 21/79 – wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung und sexuellem Missbrauch von Kindern (Tatzeit: 23.12.1978) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren sechs Monaten verurteilt; er verbüßte die Strafe vom 12.01.1979 bis zum 11.01.1982 und vom 04.09.1983 bis zum 25.03.1985. Am 09.01.1983 vergewaltigte er während eines Hafturlaubes in Backnang eine siebzehnjährige Frau, nötigte sie sexuell und würgte und verletzte sie dabei erheblich. Mit rechtskräftigem Urteil vom 27.09.1985 – 2 Kls 279/84 – verurteilte das Landgericht Stuttgart ihn deshalb wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und ordnete Sicherungsverwahrung an. Das Landgericht stellte eine psychopathische Persönlichkeitsstruktur und eine sowohl histrionische als auch antisoziale schwere Persönlichkeitsstörung im Sinne einer schweren seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB fest, durch welche die Steuerungsfähigkeit des Verurteilten im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert war. Ein therapeutisches Vorgehen erschien nicht ansatzweise erfolgversprechend, und sämtliche vorherigen Bemühungen waren gescheitert, weshalb eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht in Betracht kam. Zur Anordnung der Sicherungsverwahrung gem. § 66 StGB a. F. führte das Landgericht u. a. aus:
„In den Straftaten zeigt sich der offensichtliche Hang des Angeklagten, erst nach einer Demonstration der Macht und Stärke zu sexueller Befriedigung zu gelangen. Das Maß der von ihm an seinen Opfern vorgenommenen Gewaltanwendung nimmt stetig zu. Der Angeklagte bricht jeden Widerstand seines Opfers dadurch, dass er es aufs heftigste am Hals würgt oder ihm sonst die Luft nimmt. Wie sein neuerliches Vorgehen gegen die Zeugin (…) zeigt, ist dies für ihn geradezu symptomatisch geworden, weshalb er für die Allgemeinheit eine ganz erhebliche Gefahr darstellt. Angesichts der von den Sachverständigen (…) festgestellten schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung des Angeklagten mit fast zwanghaftem Handeln zur Sicherung seiner Ziele ist von ihm die Begehung künftiger schwerwiegender Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Der Angeklagte ist – wie auch in seinem äußerst aggressiven und feindseligen Verhalten vor und während der Hauptverhandlung immer wieder deutlich wurde – in den Lage, bei einem seiner Vorstellung zuwider laufenden Geschehensablauf in kürzester Zeit Feindbilder aufzubauen und diese mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen. Es muss deshalb ernsthaft befürchtet werden, dass ein neues Opfer des Angeklagten, welches sich seinen Wünschen widersetzt, möglicherweise sein Leben lassen müsste“ (S. 125 f.).
Der Verurteilte verbüßte die Strafe aus dem Urteil vom 27.09.1985 vollständig bis zum 24.09.1988. Mit Beschluss vom 03.08.1988 ordnete das Landgericht Karlsruhe den anschließenden Vollzug der Sicherungsverwahrung an, die nach damaligem Recht bei der ersten Unterbringung höchstens zehn Jahre lang vollzogen werden durfte. Diese Höchstfrist fiel mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998 (BGBl. I S. 160) fort. Daher erklärte das Landgericht Freiburg nach Vollzug von zehn Jahren Sicherungsverwahrung mit Beschluss vom 09.03.1999 die Sicherungsverwahrung nicht für erledigt und ordnete deren Fortdauer an. Seitdem befindet sich der Verurteilte ununterbrochen in Sicherungsverwahrung. Insgesamt sind derzeit – im Anschluss an die voll verbüßte Freiheitsstrafe – über 21 Jahre Sicherungsverwahrung vollzogen worden.
2. Der Verurteilte ist vielfach nervenärztlich und kriminalprognostisch begutachtet worden. Allerdings liegt das letzte auf einer eingehenden Exploration des Verurteilten beruhende Gutachten des Dr. H E B, Ärztlicher Direktor des Justizvollzugskrankenhauses Hohenasperg, vom 18.08.1999 mittlerweile über 10 Jahre zurück. Seither hat der Verurteilte jeden Versuch einer eingehenden gutachterlichen Untersuchung durch die gerichtlich beauftragten Sachverständigen entschieden abgelehnt. Das derzeit aktuellste jüngste „nervenärztliche Gutachten nach Aktenlage“ des Dr. T H, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und Chefarzt der Klinik für Suchttherapie des Klinikums am W., W., datiert vom 04.02.2010. Diesem Gutachten lässt sich das Folgende entnehmen:
a) Gutachtengrundlage, fehlende Bereitschaft des Verurteilten, sich begutachten zu lassen
Der Verurteilte sei (auch) 2005 bis 2010 nicht bereit gewesen, sich begutachten zu lassen. Deshalb hätten keine Untersuchungen stattfinden können. Es habe mehrere (teils aber recht kurze) persönliche Kontakte gegeben, teils auch im Rahmen von Anhörungen durch die Strafvollstreckungskammer. Das Gutachten beruhe auf einer Aktenauswertung, wobei bestimmte Akten (Gefangenenpersonalakte, Krankenakte) wegen der Weigerung des Verurteilten nicht zugänglich gewesen seien.
b) Verhalten im Vollzug und außerhalb des Vollzugs
In der Justizvollzugsanstalt Freiburg hätten gegen den Verurteilten über längere Zeit besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden müssen. Er habe 1998 seinen Haftraum in Brand gesteckt; gegen die dadurch veranlasste Verlegung in die Justizvollzugsanstalt Heilbronn habe er u. a. mit einer Eisenstange Widerstand geleistet. In der Justizvollzugsanstalt Heilbronn habe er sich damals verfolgt gefühlt und jeden Kontakt mit Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdiensts abgelehnt. Am 30.05.2002 sei in der Justizvollzugsanstalt Heilbronn ein beleidigendes und bedrohliches Verhalten dokumentiert worden. Nach seiner Zurückverlegung in die Justizvollzugsanstalt Freiburg im Jahr 2003 habe er dort einen Löffel verschluckt, und bei einer Kontrolle sei eine Schlinge gefunden worden, mit der er sich habe erhängen wollen. Als er daraufhin in das Justizvollzugskrankenhaus verlegt werden sollte, habe er die Bediensteten angegriffen und einen von ihnen in den Fuß gebissen; trotz Fesselung habe er das Krankentransportfahrzeug demoliert. Im weiteren Verlauf habe sich das Verhalten des Verurteilten stabilisiert. Nach Wiederverlegung in die Justizvollzugsanstalt Heilbronn habe er sich dort disziplinarisch unauffällig oder weitgehend unauffällig verhalten. Nach Auskunft des ärztlichen Dienstes und der Anstaltsärztin passe sich er derzeit gut an, fühle sich in der Justizvollzugsanstalt sogar „glücklich und zufrieden“. Er lasse dabei keinerlei Tendenzen erkennen, dass er sich ein Leben draußen vorstellen könne oder gar wünsche. Hilfreich sei, dass er mittlerweile Psychopharmaka in kleiner Menge einnehme, was ursächlich für seine Stabilisierung sein dürfte. Insgesamt sei laut einer Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Heilbronn, die allerdings gleichwohl einer Aussetzung der Sicherungsverwahrung mit Nachdruck entgegen getreten sei, seine Verhaltensentwicklung als äußerst positiv zu beurteilen. Allerdings führe er das Leben eines Einzelgängers und habe wenige Kontakte im Vollzug. Mangels Vollzugslockerungen habe eine Erprobung des Verhaltens außerhalb des Vollzugs bislang noch nicht erfolgen können. Ob der Verurteilte überhaupt ein Leben außerhalb des Vollzuges anstrebe, sei nach Eindruck des Gutachters offen.
10 
c) Psychische bzw. psychiatrische Befunde
11 
Eine Alkoholabhängigkeit (ICD 10 F 10.1) sei auch rückblickend nicht ganz eindeutig festzustellen. Eine psychotische Erkrankung im engeren Sinne etwa aus dem schizophrenen Formenkreis könne nicht festgestellt werden, desgleichen keine fixierte sexuelle Devianz bzw. psychosexuelle Störung. Es gebe aber eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (histrionisch-dissozial) (ICD 10 F 61.0) mit dissozialen Persönlichkeitselementen (Mangel an Empathie, deutliche und andauernde Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen, Unvermögen zu längerfristigen Beziehungen, niedrige Schwelle für aggressives und auch gewalttätiges Handeln, verminderte Lernfähigkeit, Neigung, andere zu beschuldigen oder eigenes Fehlverhalten zu rationalisieren) und histrionischen Persönlichkeitselementen (theatralisch anmutendes Verhalten, oberflächliche Affektivität, Egozentrik, manipulatives Verhalten zur Befriedigung eigener Bedürfnisse). Es seien Teilelemente des „Psychopathy-Konzepts“ erfüllt, das freilich keine klinische diagnostische Einordnung sei. Hinzu komme zunehmend eine haftreaktive wahnhafte Störung (ICD 10 F 22) mit lang andauernden Wahninhalten, die medikamentöser Behandlung nur schwierig zugänglich seien. Paranoider Wahninhalt sei, dass der Verurteilte annehme, von der Justiz bewusst und gezielt und wiederholt bzw. anhaltend zu Unrecht verurteilt und inhaftiert worden zu sein. Es trete immer wieder eine sehr abwertende Haltung gegenüber mit ihm in der Justiz befassten Personen zutage, wobei hier auch ausgeprägte aggressive Strebungen (Gereiztheit, laut werden, jedenfalls tendenziell bedrohlich anmutende Gestik) wahrnehmbar seien.
12 
d) Kriminalprognostische Faktoren
13 
Positive kriminalprognostische Faktoren seien, dass Hinweise auf gehäuftes delinquentes Verhalten in der Herkunftsfamilie oder ein „broken home“ nicht vorlägen; dass sich der Verurteilte nicht in Heimen aufgehalten und die Regelschule erfolgreich abgeschlossen habe; und dass im Vollzug der letzten Jahre keine bedeutsamen disziplinarischen Schwierigkeiten aufgetreten seien. Negative kriminalprognostische Faktoren seien, dass der Verurteilte nur eine längere partnerschaftliche Beziehung im Jugendalter, ansonsten nur kurze Beziehungen gehabt habe; dass ab 1967 exzessiver schädlicher Gebrauch von Alkohol aufgetreten sein solle; dass die Delinquenz früh begonnen habe und die Zahl der Vorstrafen hoch gewesen sei, mehrfach gewalttätige Sexualdelikte begangen worden seien, weswegen mehrere Verurteilungen zu Freiheitsstrafe erfolgt seien; dass es ein abwertend negativ geprägtes Frauenbild gebe und der Verurteilte sexuelle Interessen jedenfalls teilweise in brutaler Weise mit nahezu sadistischen Zügen durchgesetzt habe, wobei dem Streben nach Macht und Dominanz wesentliche Bedeutung zukommen dürfte; dass ein paranoider Wahn vorhanden sei, von der Justiz zu Unrecht verurteilt und inhaftiert worden zu sein; dass die Basisraten für Rückfälligkeit im Hinblick auf Vergewaltigung und sexuelle Nötigung zwischen 10 % und 25 % lägen und hier individuell erhöht seien; und dass es augenscheinlich unmöglich sei, den Verurteilten in Vollzugslockerungen zu erproben.
14 
3. Als Dezember 2005 die Überprüfung der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gem. § 67e Abs. 2 StGB anstand, legte die Staatsanwaltschaft Stuttgart dem Landgericht – Strafvollstreckungskammer – Heilbronn die Akten vor, um über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung zu entscheiden, und regte an, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen. Nachdem zahlreiche Versuche gescheitert waren, den Verurteilten zu einer psychiatrischen Exploration zu bewegen, ordnete das Landgericht – Strafvollstreckungskammer – Heilbronn mit Beschluss vom 03.12.2008, den Verfahrensbeteiligten aufgrund Begleitverfügung vom 26.02.2009 am 27.02.2009 zugestellt, die Fortdauer der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung ohne Gutachten an. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten hob der Senat diesen Beschluss mit Beschluss vom 07.08.2009 auf und verwies die Sache an das Landgericht – Strafvollstreckungskammer – Heilbronn zurück. Es sei unvertretbar und rechtswidrig gewesen, die Frist des § 67e Abs. 2 StGB um drei Jahre zu überschreiten. Die ablehnende Haltung des Verurteilten zu einer psychiatrischen Exploration rechtfertige nicht die gesetzwidrige Fristüberschreitung; in solchen Fällen seien sog. Aktengutachten möglich. Nach Einholung eines solchen Gutachtens, nämlich des oben I. 3. geschilderten Gutachtens, beschloss das Landgericht – Strafvollstreckungskammer – Heilbronn am 19.03.2010, dass die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung fortzudauern habe, weil ernstlich zu befürchten sei, dass der Verurteilte außerhalb der Justizvollzugsanstalt erneut straffällig werde; das Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGRM) vom 17.12.2009 ändere nichts an der Rechtslage, weil es noch nicht rechtskräftig sei. Dagegen hat der Verurteilte durch seine Verteidigerin sofortige Beschwerde eingelegt. Auf Anregung der Verteidigerin hat der Senat mit Beschluss vom 30.04.2010 Dr. R-D S, Zentrum für Psychiatrie Wiesloch, mit der Erstattung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens zur Kriminalprognose des Verurteilten beauftragt. Dieser Auftrag ist ausdrücklich an die nunmehr erklärte Bereitschaft des Verurteilten geknüpft, sich einer eingehenden Exploration durch Dr. S zu unterziehen. Im Falle verweigerter Mitwirkung sei ein weiteres Gutachten nach Aktenlage nicht veranlasst. Das Gutachten liegt noch nicht vor.
15 
4. Mit Faxschreiben vom 12.05.2010 an den Senat im Beschwerdeverfahren beantragt die Verteidigerin des Verurteilten unter Hinweis auf das seit dem 10.05.2010 rechtskräftige Urteil des EGMR vom 17.12.2009 festzustellen, dass die Sicherungsverwahrung erledigt ist, und anzuordnen, dass der Verurteilte aus der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu entlassen ist.
16 
Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart tritt dem Antrag entgegen, weil das genannte Urteil keine Bindungswirkung habe.
II.
17 
Zwar spricht Einiges dafür, dass die Unterbringung des Verurteilten in Sicherungsverwahrung seit Ablauf der ersten Zehnjahresfrist im Jahr 1998 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 2002 II S. 1054 – MRK) widerspricht (1.). Daraus folgt jedoch nicht, dass der Verurteilte sofort und unter Übergehung des beim Senat anhängigen Beschwerdeverfahrens aus der Unterbringung zu entlassen wäre (2.).
18 
1. Nach Maßgabe der Entscheidung des EGMR (Kammer der fünften Sektion), Urt. v. 17.12.2009 „M. ./. Deutschland“ – 19359/04 –, NStZ 2010, 263 ff. mit Bespr. Kinzig aaO. S. 233 ff. spricht Einiges dafür, dass die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung seit Ablauf der ursprünglich geltenden Zehnjahresfrist im Jahr 1998 konventionswidrig ist, nämlich Art. 5 Abs. 1 MRK (Recht auf Freiheit) und Art. 7 Abs. 1 MRK (keine Strafe ohne Gesetz) verletzt.
19 
a) In seinem Urteil vom 17.12.2009 hatte der EGMR über die Beschwerde des Herrn M. zu entscheiden, gegen den 1986 die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden war und der nach Ablauf der Zehnjahresfrist für die erstmalige Unterbringung im Jahr 2001 nicht entlassen worden war, weil diese Höchstfrist 1998 fortgefallen ist. Die Kammer stellte einstimmig sowohl eine Verletzung des Art. 5 Abs. 1 MRK (Recht auf Freiheit) als auch des Art. 7 Abs. 1 MRK (keine Strafe ohne Gesetz) fest und sprach dem Beschwerdeführer in Anwendung des Art. 41 MRK eine Entschädigung von 50.000,- EUR für erlittene Nicht-Vermögensschäden zu. Das Urteil ist gemäß Art. 44 Abs. 2 c) MRK am 10.05.2010 rechtskräftig geworden, nachdem der Antrag der Bundesrepublik Deutschland, die Sache gemäß Art. 43 MRK an die Große Kammer zu verweisen, an diesem Tag von dem Ausschuss der Großen Kammer einstimmig zurückgewiesen worden ist.
20 
b) Die Gründe, aus denen der EGMR eine Rechtfertigung der mit Sicherungsverwahrung verbundenen Freiheitsentziehung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a) MRK abgelehnt hat (Ziff. 87 ff.), treffen im Wesentlichen auch hier zu; insbesondere gilt das für die Bedenken, die der EGMR hinsichtlich der Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammern (vgl. Ziff. 96 des Urteils) und hinsichtlich des Kausalzusammenhanges (Ziff. 100) sowie der Vorhersehbarkeit (Ziff. 101 des Urteils) angemeldet hat. Bei Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c) MRK, wonach Freiheitsentziehungen u. a. zulässig sind, wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, eine Person an der Begehung einer Straftat zu hindern, muss diese Straftat konkret individualisiert sein (Ziff. 102); gefährliche Personen in Haft zu nehmen, weil ein allgemeiner Verdacht besteht, sie könnten strafbare Handlungen begehen, ist nicht von der Vorschrift gedeckt (EGMR, Urt. v. 06.11.1980 – 7367/76 – Guzzardi ./. Italien, Ziff. 102). Allerdings lässt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e) MRK rechtmäßige Freiheitsentziehungen u. a. auch bei psychisch Kranken zu, was, wie sich aus Ziff. 103 des genannten Urteils ergibt, auch als Rechtfertigung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Betracht kommen kann, und anders als im Fall des Herrn M. ist der hier Verurteilte nach den derzeit vorliegenden Gutachten psychisch krank, leidet nämlich an einer Persönlichkeitsstörung (ICD 10 F 61.0) und einer wahnhaften Störung (ICD 10 F 22). Jedoch verlangt der EGMR (Urt. v. 20.02.2003 – 50272/99 – Hutchinson Reid ./. Vereinigtes Königreich Ziff. 47 f.) in solchen Fällen grundsätzlich die Unterbringung in einem Krankenhaus oder einer entsprechenden anderen geeigneten Einrichtung und lässt die Unterbringung in einem Gefängnis nur übergangsweise – für wenige Monate – zu (EGMR, Urt. v. 11.05.2004 – 48865/99 – Morsink ./. Niederlande Ziff. 61 ff.; s. weiterhin Urt. v. 11.05.2004 – Brand ./. Niederlande – 49902/99 Ziff. 66).
21 
c) Weiterhin spricht Einiges dafür, dass nach Maßgabe der Gründe des Urteils des EGMR vom 17.12.2009 (Ziff. 106 ff.) eine Verletzung des in Art. 7 Abs. 1 MRK garantierten Verbots rückwirkender Strafschärfung vorliegt. Die gegen den Verurteilten angeordnete Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aufgrund des Fortfalls der zum Tatzeitpunkt geltenden Höchstfrist verstößt gegen Art. 7 Abs. 1 MRK in der durch den EGMR vorgenommenen Auslegung, weil Sicherungsverwahrung als „Strafe“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 MRK zu bewerten sei. Die vom EGMR dazu angestellten Erwägungen treffen weitgehend auch auf den vorliegenden Fall zu. Hier wie dort handelt es sich um einen sog. Zehnjahresfall, in dem die Sicherungsverwahrung erstmalig wegen einer Alttat nach altem Recht beschränkt auf eine Höchstdauer von zehn Jahren angeordnet wurde. Hier wie dort gilt, „dass es keinen wesentlichen Unterschied zwischen dem Vollzug einer Freiheitsstrafe und dem Vollzug einer angeordneten Sicherungsverwahrung“ gab (Ziff. 127). Weder hier noch dort gab es in überzeugendem Ausmaß besondere, auf Sicherungsverwahrte gerichtete Maßnahmen, Instrumente oder Einrichtungen, die zum Ziel hatten, die von ihnen ausgehende Gefahr zu verringern und damit ihre Haft auf die Dauer zu beschränken, die unbedingt erforderlich ist, um sie von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten (Ziff. 127). Hier wie dort war und ist die Sicherungsverwahrung unbefristet (Ziff. 130), und ihre Fortdauer ist von den Gerichten angeordnet worden, die auch für die Strafvollstreckung zuständig sind (Ziff. 131). Hier wie dort haben die Verurteilten durch die Unterbringung in Sicherungsverwahrung „einen schwerwiegenderen Nachteil erlitten als durch die Freiheitsstrafe selbst“ (Ziff. 132). Allerdings betont der Senat, dass es sich vorliegend – anders als in dem vom EGMR entschiedenen Fall – um einen Verurteilten handelt, der sich über viele Jahre hinweg gegenüber jeglichen therapeutischen Bemühungen oder sonstigen Maßnahmen unter dem Aspekt einer Resozialisierung ablehnend verhalten hat (s. hierzu auch OLG Celle, Beschl. v. 25.05.2010 – 2 Ws 169/10 und 170/10 – S. 14 f.).
22 
2. Aus einer Konventionswidrigkeit folgt jedoch nicht, dass der Verurteilte sofort und ohne nähere Prüfung allein aufgrund der Entscheidung des EGMR zu entlassen ist.
23 
a) In seinem Urteil vom 17.12.2009 hat der EGMR eine solche Rechtsfolge nicht aus- oder angesprochen. Auch die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat in ihrem Beschluss vom 19.05.2010 – 2 BvR 769/10 – den Antrag des Beschwerdeführers auf einstweilige Anordnung, sofort aus der Unterbringung in der Sicherungshaft entlassen zu werden, aufgrund einer Folgenabwägung abgelehnt. Dem Verfahren lag der Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz vom 17.05.2010 – 2 Ws 573/09 – zugrunde, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers, ihn im Hinblick auf die Endgültigkeit des Urteils des EGMR vom 17.12.2009 sofort aus der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu entlassen, abgelehnt wurde. Auch das OLG Celle, Beschluss vom 25.05.2010 – 2 Ws 169/10 und 170/10 – hat die Entlassung eines in Sicherungsverwahrung Untergebrachten abgelehnt. Anders entschieden hat allerdings das Landgericht (LG) Marburg in seinem Beschluss vom 17.05.2010 – 7 StVK 220/10 – im Fall des Herrn M., der dem Urteil des EGMR vom 17.12.2009 zugrunde lag; dieser Beschluss ist unbeschadet der dort anders gelagerten Bindungswirkung freilich von der Staatsanwaltschaft angefochten worden. Auch der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat in einem Revisionsverfahren, das die allerdings abweichende Fallkonstellation einer nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung betrifft, den Betroffenen sofort auf freien Fuß gesetzt (Beschl. v. 12.05.2010 – 4 StR 577/09 –; Gründe liegen dem Senat nicht vor).
24 
b) Der Senat bezweifelt, ob völker-, nämlich konventionsrechtlich in Fällen der vorliegenden Art eine Beendigung der Freiheitsentziehung unter Übergehung des beim Senat anhängigen Beschwerdeverfahrens geboten ist.
25 
aa) Allerdings entfaltet das Urteil des EGMR vom 17.12.2009 für den hier vorliegenden Fall völker- und konventionsrechtlich eine Bindungswirkung für die Bundesrepublik Deutschland und deutsche Stellen. Diese Bindungswirkung ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus Art. 46 Abs. 1 MRK, der – in persönlicher Hinsicht – nur eine Bindungswirkung inter partes anordnet. Jedoch handelt es sich vorliegend weitgehend um einen „Parallelfall“, der unter Beachtung der Entscheidungsgründe des EGMR zu beurteilen ist (hierzu eingehend Grabenwarter, Rechtsgutachten vom 15.01.2010 zu den Rechtsfolgen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall M. ./. Deutschland vom 17. Dezember 2009 [19359/04] S. 20-23 mit Nachweisen). In sachlicher Hinsicht beinhaltet die Bindungswirkung, dass die festgestellte Konventionsverletzung, falls sie noch andauert, unverzüglich zu beenden ist (s. nur EGMR [Große Kammer], Urt. v. 08.04.2004 – 71503/01 – Assanidze ./. Georgien Ziff. 198; BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04 – [„Görgülü“], BVerfGE 111, 307 [321]). In der Art und Weise, wie die Konventionsverletzung beendet wird, haben die Vertragsstaaten der MRK allerdings grundsätzlich Wahlfreiheit; es ist ihre Sache, jene Mittel zu wählen, die im Rahmen ihrer Rechtsordnung ergriffen werden können und müssen, um den aus einem Urteil des EGMR folgenden Anforderungen zu entsprechen; dabei kann ein Vertragsstaat verpflichtet sein, Hindernisse in seiner Rechtsordnung zu beseitigen, die einer angemessenen Bereinigung der Situation des Beschwerdeführers im Wege stehen (EGMR [Große Kammer], Urt. v. 08.04.2004 – 71503/01 – Assanidze ./. Georgien Ziff. 203). Nach diesen Maßstäben ist es völker- und konventionsrechtlich unbedenklich, das beim Senat anhängige Beschwerdeverfahrens fortzuführen: Dieses Verfahren ist das in der deutschen Rechtsordnung vorgesehene Verfahren zur Überprüfung der Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unter Beachtung der MRK und des anwendbaren deutschen Rechts.
26 
bb) Der Umstand, dass die Konventionsverletzung in einer Freiheitsentziehung besteht, ändert in Fällen der vorliegenden Art hieran nichts. Allerdings führt Grabenwarter, Rechtsgutachten aaO. S. 18 f. aus:
27 
„Im Falle der Inhaftierung eines Beschwerdeführers entgegen den Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 EMRK hat der EGMR festgestellt, dass aus der Feststellung der Konventionsverletzung eine Pflicht zur sofortigen Freilassung des Betroffen folgt. (…) Bei einem Widerspruch der Inhaftierung eines Betroffenen zu den Bestimmungen der Konvention ist keine Alternative zur Freilassung denkbar, um die Konventionsverletzung abzustellen“ (Unterstreichungen vom Senat).
28 
Das überzeugt den Senat für Fälle der vorliegenden Art nicht. Die beiden angeführten Urteile des EGMR, nämlich EGMR [Große Kammer], Urt. v. 08.04.2004 – 71503/01 – Assanidze ./. Georgien Ziff. 198, 202 f. und Urt. v. 08.07.2004 – 48787/99 – Ilaşcu ./. Moldawien und Russland Ziff. 490, betrafen Fälle, in denen die andauernde Inhaftierung der Beschwerdeführer vor der MRK in keiner Weise (mehr) zu rechtfertigen war und es keines (weiteren) Verfahrens mehr für die Freilassung bedurfte: Herr Ilaşcu war 1992 in Moldawien von Rebellen willkürlich in Haft genommen, gefoltert und von einem verfassungswidrigen Gericht zu Tode verurteilt worden; obwohl das verfassungsgemäße Gericht dieses Urteil 1994 aufgehoben hatte, wurde er erst 2001 auf freien Fuß gesetzt. Herr Assanidze war vom Präsidenten von Georgien begnadigt und von einem Gericht rechtskräftig freigesprochen worden; gleichwohl wurde er weiterhin in Strafhaft gehalten. In solchen Fällen steht außer Frage, dass eine Freilassung „as early as possible“ erfolgen muss; davon unterscheidet sich der Fall, dass in dem verurteilten Vertragsstaat ein Beschwerdeverfahren zur Überprüfung der Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anhängig ist, in dem die Konventionswidrigkeit der Unterbringung ein wesentlicher Verfahrensgegenstand ist.
29 
cc) Im Übrigen ist zu fragen, ob es in Fällen der vorliegenden Art Möglichkeiten gibt, konventionswidrige Zustände auch anders als durch Freilassung der Betroffenen zu beenden. Insoweit gesteht auch Grabenwarter, Rechtsgutachten aaO. S. 18 in Fn. 17 zu, dass es konventionsgemäße Möglichkeiten geben kann, den Betroffenen nach Freilassung erneut in Haft zu nehmen. Werden solche Möglichkeiten (z. B. nach Art. 5 Abs. 1 Buchstabe e) EMRK) unverzüglich genutzt oder geschaffen oder wird die Sicherungsverwahrung unverzüglich in einer Weise umgestaltet, die ihr auch nach den Maßstäben des EGMR-Urteils den „Straf“charakter nimmt, erscheint eine Pflicht, Betroffene zunächst auf freien Fuß zu setzen und ihnen sogleich wieder die Freiheit zu entziehen, nicht als einleuchtend. In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass die Freilassung gegebenenfalls hoch gefährlicher Straftäter ihrerseits eine Konventionsverletzung beinhalten könnte, wenn und soweit es daraufhin zu Straftaten kommt, deren Opfer eine Verletzung der in den Konventionsgarantien mit enthaltenen staatlichen Schutzpflicht geltend machen könnten (vgl. hierzu EGMR [Große Kammer], Urt. v. 24.10.2002 – 37703/97 Mastromatteo ./. Italien Ziff. 67 = NJW 2003, 3259 [3260]; OLG Celle, Beschl. v. 25.05.2010 – 2 Ws 169/10 und 170/10 – S. 12 f.; s. auch BGH, Urt. v. 09.03.2010 – 1 StR 554/10 – Tz. 68).
30 
c) Selbst wenn es völker- und konventionsrechtlich geboten wäre, eine konventionswidrige Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sofort zu beenden, könnte dies nach Auffassung des Senats im derzeitigen innerstaatlichen deutschen Recht weder methodisch vertretbar noch im Einklang mit Grundrechten in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip umgesetzt werden (im Ergebnis und weithin in der Begründung wie hier OLG Celle, Beschl. v. 25.05.2010 – 2 Ws 169/10 und 170/10 – S. 7 ff.).
31 
aa) Durch den „Görgülü-Beschluss“ des Zweiten Senats des BVerfG vom 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04 –, BVerfGE 111, 307 sind Art und Umfang der Bindung deutscher Gerichte an Urteile des EGMR weitgehend geklärt: Deutsche Gerichte haben die Konvention, die formell den Rang einfachen Bundesrechts hat, in der Auslegung durch den EGMR wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfG aaO. S. 317). Insbesondere gehört zur Bindung an Gesetz und Recht, Entscheidungen des EGMR im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu berücksichtigen. Sowohl die fehlende Auseinandersetzung mit einer Entscheidung des EGMR als auch deren gegen vorrangiges deutsches Recht verstoßende schematische „Vollstreckung“ können gegen Grundrechte in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verstoßen (BVerfG aaO. S. 323 f.). Hat der EGMR einen Konventionsverstoß der Bundesrepublik Deutschland festgestellt und dauert dieser Verstoß an, so ist die Entscheidung zu berücksichtigen; die Fachgerichte müssen sich mit ihr auseinandersetzen und gegebenenfalls nachvollziehbar begründen, warum sie der völkerrechtlichen Rechtsauffassung gleichwohl nicht folgen (BVerfG aaO. S. 324). Eine Abweichung kommt insbesondere in Betracht, wenn deutsche Gerichte mehrpolige Grundrechtsverhältnisse auszugestalten haben und sensible Abwägungen zwischen verschiedenen subjektiven Rechtspositionen erforderlich sind; es wäre verfassungsrechtlich problematisch, wenn einer der Grundrechtsträger einen für ihn günstigen Urteilsspruch des EGMR gegen die Bundesrepublik Deutschland erstreitet und deutsche Gerichte diese Entscheidung schematisch anwenden, mit der Folge, dass der insofern „unterlegene“ und möglicherweise nicht im Verfahren vor dem Gerichtshof beteiligte Grundrechtsträger gar nicht mehr als Verfahrenssubjekt wirksam in Erscheinung treten könnte (BVerfG aaO. S. 326 f.).
32 
bb) Der Senat bezweifelt, dass es eine methodisch vertretbare Auslegung des geltenden StGB gibt, die dazu führt, dass in einem sog. Zehnjahresfall, wie er hier verfahrensgegenständlich ist, im Hinblick auf das Urteil des EGMR vom 17.12.2009 ohne Weiteres die Sicherungsverwahrung für erledigt erklärt und der Untergebrachte auf freien Fuß gesetzt werden muss. Allerdings führt Grabenwarter, Rechtsgutachten aaO S. 38-48, aus, es sei eine methodisch vertretbare Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB, durch Art. 5 und 7 MRK in der Auslegung durch das Urteil des EGMR vom 17.12.2009 „gesetzlich“ etwas „anderes bestimmt“ zu sehen. Dann würde für sog. Zehnjahresfälle wie hier das alte Recht gelten, das bei erstmaliger Unterbringung in der Sicherungsverwahrung eine Höchstfrist von zehn Jahren vorgesehen habe, die im Sinne von § 67d Abs. 4 StGB „abgelaufen“ sei, weshalb die Sicherungsverwahrung erledigt und der Verurteilte zu entlassen sei. Diese Auffassung (in der Sache wohl ebenso LG Marburg, Beschl. v. 17.05.2010 – 7 StVK 220/10 – S. 16, hier als „verfassungskonforme Auslegung“; zu deren Grenzen, wenn der Wille des Gesetzgebers bestimmt und eindeutig ist, s. aber OLG Celle, Beschl. v. 25.05.2010 – 2 Ws 169/10 und 170/10 – S. 10 mit Nachw.) verkehrt den Willen des Gesetzgebers in sein Gegenteil (ebenso OLG Celle aaO. BU S. 9 f.). Der Gesetzgeber sah Art. 7 MRK gerade nicht als Schranke des § 2 Abs. 6 StGB an (vgl. BT-Drucks. IV/650 S. 108). Vor allem spricht gegen die von Grabenwarter für möglich gehaltene Auslegung das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998 (BGBl. I S. 160): Mit Art. 2 Nr. 2 und 3 dieses Gesetzes wurden an den damaligen Art. 1a EGStGB, der zum neuen Absatz 1 wurde, als neue Absätze 2 und 3 die folgenden Bestimmungen angefügt:
33 
„(2) § 66 Abs. 3 des Strafgesetzbuches findet nur Anwendung, wenn der Täter eine der Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art nach dem 31. Januar 1998 begangen hat.
34 
(3) § 67d des Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998 (BGBl. I S. 160) findet uneingeschränkt Anwendung.“
35 
Mit dem neuen Art. 1a Abs. 3 EGStGB war ausdrücklich bezweckt, die Änderungen des § 67d StGB „uneingeschränkt rückwirkend in Kraft zu setzen“, was verfassungsrechtlich möglich sei, weil es nur um die Dauer der Sicherungsverwahrung gehe (s. BT-Drucks. 13/9062 S. 12). Damit ist der eindeutige Wille des Gesetzgebers, das neue Fristenrecht des § 67d StGB auf Altfälle anzuwenden, sogar Gesetz geworden. Die spätere Streichung der Art. 1a Abs. 2 und 3 EGStGB durch Art. 8 Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23.07.2004 (BGBl. I S. 1838) berührt diesen Willen nicht (ebenso OLG Celle, Beschl. v. 25.05.2010 – 2 Ws 169/10 und 170/10 – S. 9 f.). Denn der Gesetzgeber ging lediglich davon aus, dass die Regelung im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG, namentlich den Beschluss vom 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01 –, BVerfGE 109, 133 verzichtbar erscheine (vgl. BT-Drucks. 15/2887 S. 20). Eine Auslegung wie bei Grabenwarter, die alles das überspielt, erscheint methodisch nicht mehr vertretbar.
36 
cc) Zudem ist der Senat der Auffassung, dass eine schematische „Vollstreckung“ des Urteils des EGMR vom 17.12.2009 in der Weise, dass sog. Zehnjahresfälle nunmehr ohne Weiteres zu entlassen wären, die Frage aufwerfen würde, ob dies mit Grundrechten in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar wäre. Zwar dürfte es dem deutschen Gesetzgeber nicht von Verfassungs wegen verwehrt sein, zu dem vor 1998 geltenden Rechtszustand zurückzukehren (vgl. hierzu BVerfG, Urt. v. 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01 –, BVerfGE 109, 133 [187]; s. auch LG Marburg, Beschl. v. 17.05.2010 – 7 StVK 220/10 S. 13 f.). Nach dem nunmehr geltenden Recht, das weder von der MRK noch von dem EGMR-Urteil außer Kraft gesetzt wird, ist aber durch § 67d Abs. 3 StGB den Fachgerichten auch und gerade nach Ablauf der Zehnjahresfrist die der Sicherungsverwahrung immanente sensible Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Untergebrachten einerseits und der staatlichen Schutzpflicht für die Allgemeinheit andererseits verfassungsrechtlich aufgegeben:
37 
„Der Staat hat die Aufgabe, die Grundrechte potentieller Opfer vor Verletzungen durch potentielle Straftäter zu schützen. Diese Schutzpflicht des Staates ist umso intensiver, je mehr die Gefährdung sich konkretisiert und individualisiert und je stärker sie die Gefährdung elementarer Lebensbereiche betrifft. (…) Hinter dieses öffentliche Interesse tritt das Freiheitsgrundrecht (…) trotz seines hohen Wertes zurück. (…) Der Gesetzgeber (hat) mit der Regelung des § 67d Abs. 3 StGB nicht gegen das freiheitsschützende Übermaßverbot verstoßen. Die inhaltliche Konzeption als Regel-Ausnahme-Vorschrift sowie die flankierenden verfahrensrechtlichen Garantien für die Betroffenen verschaffen deren Anspruch aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG hinreichende Geltung (…)“ (BVerfG aaO. S. 186 f.).
38 
Eine schematische „Vollstreckung“ des EGMR-Urteils in Gestalt sofortiger Entlassung selbst hoch gefährlicher Untergebrachter brächte diese Abwägung in einer Art und Weise aus dem Gleichgewicht, die verfassungsrechtlich jedenfalls bedenklich wäre und – im Sinne des Monitums des „Görgülü-Beschlusses“ – darauf hinauslaufen würde, dass die schutzwürdige Allgemeinheit und damit nicht am Verfahren vor dem EGMR beteiligte Grundrechtsträger nicht mehr als Verfahrenssubjekte wirksam in Erscheinung treten könnten. Entgegen Kinzig NStZ 2010, 233 (238) beziehen sich dieses Monitum sowie der Vorbehalt betreffend mehrpolige Grundrechtsverhältnisse nicht ausschließlich aufs Privatrecht, sondern auf alle Fälle, in denen staatliche Gerichte „wie im Privatrecht“ mehrpolige Grundrechtsverhältnisse auszugestalten haben (s. BVerfGE 111, 307 [324]; ebenso OLG Celle, Beschl. v. 25.05.2010 – 2 Ws 169/10 und 170/10 – S. 11 f.).
III.
39 
Auch deutsches Verfassungsrecht gebietet nicht, dass der Verurteilte sofort und ohne weitere inhaltliche Überprüfung aus der Unterbringung zu entlassen wäre.
40 
1. Die vom EGMR als konventionswidrig erkannte geltende deutsche Gesetzeslage ist vom Zweiten Senat des BVerfG in seinem Urteil vom 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01 –, BVerfGE 109, 133 für verfassungsgemäß erachtet worden. Für sich gesehen ändert das Urteil des EGMR vom 17.12.2009 hieran nichts. Das Konventionsrecht einerseits und das deutsche Verfassungsrecht andererseits sind nicht deckungsgleich, und der EGMR urteilt nicht nach deutschem Verfassungsrecht.
41 
2. Allerdings beeinflussen die Gewährleistungen der Konvention die Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes, und die Rechtsprechung des EGMR dient auch auf der Ebene des Verfassungsrechts als „Auslegungshilfe“ für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes, sofern das nicht zu einer Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt (BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04 – „Görgülü“, BVerfGE 111, 307 [317]). Der Senat hat daher erwogen, ob im Lichte der Erwägungen, die der EGMR in seinem Urteil vom 17.12.2009 angestellt hat, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des geltenden deutschen Rechts insbesondere im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 2 (hierzu BVerfGE 109, 133 [156 ff.]) und auf Art. 103 Abs. 2 GG (hierzu BVerfGE 109, 133 [167 ff.]) anders als in BVerfGE 109, 133 zu beantworten ist. Für das Freiheitsgrundrecht verneint der Senat die Frage, da das jeweilige Schranken- und Schranken-Schranken-Regime zu unterschiedlich ist. Für die Frage des Rückwirkungsverbots und des verfassungsrechtlichen Strafbegriffs sieht der Senat hingegen Erörterungsbedarf. Ihm erscheint aber zweifelhaft, ob das Urteil des EGMR vom 17.12.2009 zu der Annahme zwingt, entgegen BVerfGE 109, 133 (167 ff.) sei Art. 103 Abs. 2 GG verletzt. Diese Verfassungsbestimmung steht in einer bestimmten verfassungs- und einfachrechtlichen Tradition des deutschen Rechts (s. hierzu BVerfG aaO. S. 168 ff.). Ihre traditionell enge Auslegung begründet sich auch aus der grundsätzlichen Absolutheit des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots und den hohen Anforderungen an eine parlamentsgesetzliche Strafbarkeitsgrundlage, die sich so nicht bei Art. 7 MRK finden. Zudem kennt das deutsche Verfassungsrecht ein allgemeines rechtsstaatliches Vertrauensschutzgebot, das als verfassungsrechtlicher Auffangtatbestand eingreifen kann (s. hierzu BVerfG aaO. S. 180 ff.) und in der MRK nicht in gleicher Weise ausgeprägt ist. Deshalb ist der Senat nicht zu der Überzeugung gelangt, dass er das Gesetzesrecht, aufgrund dessen der Verurteilte sich (noch) in Sicherungsverwahrung befindet, für verfassungswidrig hält, und sieht deshalb von einer Vorlage im Verfahren der konkreten Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 GG, §§ 13 Nr. 11, 80-82 BVerfGG) ab (s. hierzu auch LG Marburg, Beschl. v. 17.05.2010 – 7 StVK 220/10 S. 8 ff.). Im Übrigen dürfte die Frage in dem beim BVerfG anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvR 769/10 baldiger verfassungsgerichtlicher Klärung zugeführt werden. Der in diesem Verfahren ergangene Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19.05.2010 lässt erstens erkennen, dass die Kammer die verfassungsrechtliche Frage für offen hält, andernfalls sie nicht in eine Folgenabwägung hätte eintreten können, und fasst zweitens die Möglichkeit ins Auge, dass sich das geltende Recht zwar als verfassungswidrig erweisen, es jedoch gleichwohl nicht zu Entlassungen kommen könnte, beispielsweise weil für eine Übergangszeit die ggf. bedingte Fortgeltung des bisherigen Rechts angeordnet werden könnte. Drittens zeigt der Beschluss, dass es im Ergebnis verfassungsrechtlich verantwortbar ist, Verurteilte jedenfalls vorläufig in Sicherungsverwahrung zu belassen. Die Folgenabwägung fällt auch im vorliegenden Fall gegen eine sofortige Entlassung aus: Wäre es bei konventions- und verfassungskonformer Handhabung des geltenden Rechts geboten, den Verurteilten sofort zu entlassen, so würde ihn die hier getroffene Entscheidung in seinem Freiheitsgrundrecht verletzen. Wäre es hingegen auch bei konventions- und verfassungskonformer Handhabung des geltenden Rechts geboten, die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen, und würde der Senat ihn jetzt entlassen, so wäre die Allgemeinheit bis zur Wiederergreifung des Verurteilten nach der derzeitigen Gutachtenlage der Gefahr der Begehung erheblicher Straftaten ausgesetzt, seien es Sexualdelikte, seien es Gewaltdelikte gegen Justizangehörige, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt würden. Dann aber muss das Freiheitsgrundrecht jedenfalls bis auf Weiteres zurücktreten.
IV.
42 
Nach alledem ist eine sofortige Entlassung des Verurteilten unter Übergehung des beim Senat anhängigen Beschwerdeverfahrens nicht veranlasst. Das bedeutet freilich nicht, dass die konventionsrechtlichen Vorgaben, wie sie im Urteil des EGMR vom 17.12.2009 enthalten sind, und die verfassungsrechtlichen Vorgaben, wie sie insbesondere im Urteil des Zweiten Senats des BVerfG vom 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133 enthalten sind, nicht zu beachten wären. Im Gegenteil ist es Aufgabe des Senats wie aller nationalen Gerichte, das Urteil des EGMR vom 17.12.2009 im weiteren Verfahren „in den betroffenen Teilbereich der nationalen Rechtsordnung“, nämlich das Recht der Sicherungsverwahrung, „einzupassen“ (BVerfGE 111, 307 [327]) und – selbstverständlich – deutsches Verfassungsrecht zur Anwendung zu bringen. Insbesondere wird es geboten sein, etwaige Konventionsverletzungen ausdrücklich festzustellen (vgl. für die konventionswidrige Verfahrensverzögerung BVerfG, Beschl. v. 19.04.1992 – 2 BvR 1487/90, NJW 1993, 3254 [3255]) und das geltende deutsche Recht, insbesondere §§ 67d Abs. 2 und 3, 67e Abs. 1 Satz 1 StGB, auf einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Tatsachengrundlage (vgl. BVerfGE 109, 133 [162 ff.]) im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung konventions- und verfassungskonform (vgl. BVerfG aaO. S. 159, 161) zu handhaben (s. hierzu OLG Hamm, Beschl. v. 12.05.2010 – III-4 Ws 114/10 S. 3 f.).

(1) Die Oberlandesgerichte sind in Strafsachen ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

1.
der Revision gegen
a)
die mit der Berufung nicht anfechtbaren Urteile des Strafrichters;
b)
die Berufungsurteile der kleinen und großen Strafkammern;
c)
die Urteile des Landgerichts im ersten Rechtszug, wenn die Revision ausschließlich auf die Verletzung einer in den Landesgesetzen enthaltenen Rechtsnorm gestützt wird;
2.
der Beschwerde gegen strafrichterliche Entscheidungen, soweit nicht die Zuständigkeit der Strafkammern oder des Bundesgerichtshofes begründet ist;
3.
der Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern nach den § 50 Abs. 5, §§ 116, 138 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes und der Jugendkammern nach § 92 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes;
4.
des Einwands gegen die Besetzung einer Strafkammer im Fall des § 222b Absatz 3 Satz 1 der Strafprozessordnung.

(2) Will ein Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung

1.
nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder Buchstabe b von einer nach dem 1. April 1950 ergangenen Entscheidung,
2.
nach Absatz 1 Nummer 3 von einer nach dem 1. Januar 1977 ergangenen Entscheidung,
3.
nach Absatz 1 Nummer 2 über die Erledigung einer Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder in einem psychiatrischen Krankenhaus oder über die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung von einer nach dem 1. Januar 2010 ergangenen Entscheidung oder
4.
nach Absatz 1 Nummer 4 von einer Entscheidung
eines anderen Oberlandesgerichtes oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweichen, so hat es die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen.

(3) Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung die Entscheidungen nach Absatz 1 Nr. 3 einem Oberlandesgericht für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 577/09
vom
12. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. Mai 2010 gemäß §§ 349
Abs. 4, 126 Abs. 3 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Betroffenen wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17. Juli 2009 aufgehoben.
2. Der Antrag auf nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird zurückgewiesen.
3. Die Entscheidung über die Entschädigung des Betroffenen wegen der erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen bleibt dem Landgericht vorbehalten.
4. Der Unterbringungsbefehl des Landgerichts Saarbrücken vom 15. Juni 2007 wird aufgehoben. Der Betroffene ist in dieser Sache sofort auf freien Fuß zu setzen.
5. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Rechtsmittelkosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:


1
Das Landgericht Saarbrücken hat mit Urteil vom 17. Juli 2009 gegen den Betroffenen (erneut) die nachträgliche Unterbringung in der Sicherungsverwah- rung gemäß § 66 b Abs. 3 StGB angeordnet. Mit seiner Revision gegen dieses Urteil rügt er die Verletzung formellen und materiellen Rechts; das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg.

I.


2
Der wiederholt, unter anderem wegen Mordes und gefährlicher Körperverletzung vorbestrafte Betroffene war durch Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 28. September 1989 wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Zugleich hatte das Landgericht seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Der Verurteilte hatte nach Ansicht der damals erkennenden Strafkammer in einem Rausch jedenfalls die Tatbestände der Körperverletzung und des versuchten Totschlags durch Unterlassen verwirklicht. Die Anordnung der Maßregel hatte das Landgericht damit begründet, dass der Verurteilte auf Grund einer Persönlichkeitsstörung zur Begehung schwerster , sexuell motivierter Straftaten neige.
3
Durch Urteil des Landgerichts Trier vom 28. Februar 1991 wurde in einem Sicherungsverfahren erneut die Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Gegenstand dieses Verfahrens war eine gefährliche Körperverletzung, die der Verurteilte am 23. Februar 1990 während einer Flucht aus dem Maßregelvollzug begangen hatte.
4
Der Verurteilte befand sich anschließend nahezu ununterbrochen im Maßregelvollzug. Mit Beschluss vom 28. November 2005 erklärte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Saarbrücken gemäß § 67 d Abs. 6 Satz 1 StGB beide Unterbringungsanordnungen für erledigt, da ein Zustand im Sinne des § 20 StGB nicht (mehr) gegeben sei; gleichwohl sei der Verurteilte weiterhin als gefährlich für die Allgemeinheit einzustufen. Seit dem 23. Dezember 2005 befand sich der Verurteilte sodann in Strafhaft. Er verbüßte bis zum 22. Juni 2007 die Restfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 28. September 1989. Seitdem ist er einstweilen untergebracht (§ 275 a Abs. 5 StPO).
5
Mit Urteil vom 4. April 2007 hatte das Landgericht Saarbrücken auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 14. November 2006 im Hinblick auf die Verurteilung durch das Landgericht Saarbrücken vom 28. September 1989 gegen den Betroffenen gemäß § 66 b Abs. 3 StGB nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dieses Urteil hatte der Senat durch Beschluss vom 10. Februar 2009 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer zurückverwiesen. Aufhebungsgrund war, dass der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 7. Oktober 2008 - GSSt 1/08 - (BGHSt 52, 379) entschieden hatte, dass § 66 b Abs. 3 StGB nicht auf Fälle anwendbar ist, in denen der Betroffene nach Erklärung der Erledigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67 d Abs. 6 StGB) noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, auf die zugleich mit der Unterbringung erkannt worden ist.
6
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht erneut die nachträgliche Unterbringung des Betroffenen in der Sicherungsverwahrung angeordnet und nunmehr die Anordnung der Unterbringung auf das Urteil des Landgerichts Trier vom 28. Februar 1991 gestützt, in der gegen den Betroffenen - weil schuldlos handelnd - nur auf die Unterbringung nach § 63 StGB erkannt worden war.

II.


7
Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung hat keinen Bestand. Zwar hat das Landgericht die Voraussetzungen des § 66 b Abs. 3 StGB rechtsfehlerfrei bejaht, jedoch ist diese Bestimmung gemäß § 2 Abs. 6 StGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK nicht auf Taten anwendbar, die vor ihrem Inkrafttreten begangen worden sind.
8
1. a) Nach dem Urteil der Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Fünfte Sektion) in der Rechtsache M. gegen Bundesrepublik Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 19359/04) vom 17. Dezember 2009 (EuGRZ 2010, 25; auszugsweise auch abgedruckt in NStZ 2010, 263; vgl. hierzu auch Kinzig NStZ 2010, 233) ist die Sicherungsverwahrung - ungeachtet ihrer Bezeichnung im deutschen Recht als „Maßregel der Besserung und Sicherung“ - im Sinne der MRK als Strafe zu qualifizieren, für die das Rückwirkungsverbot des Art. 7 Abs. 1 MRK gilt (Rdnrn. 124 - 133). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dies unter anderem damit begründet, dass die Sicherungsverwahrung wie eine Freiheitsstrafe mit Freiheitsentziehung verbunden sei und es in der Bundesrepublik Deutschland keine wesentlichen Unterschiede zwischen dem Vollzug einer Freiheitsstrafe und dem der Sicherungsverwahrung gebe (Rdnrn. 127 bis 130). Er hat daher in jenem Fall die Bundesrepublik Deutschland zur Zahlung von Schadensersatz an den dortigen Beschwerdeführer verurteilt, da die Anwendung des § 67 d StGB in der Fassung vom 26. Januar 1998 (BGBl. I 160), in welchem die Höchstfrist der Sicherungsverwahrung für Erstverwahrte von zehn Jahren in § 67 d Abs. 1 Satz 1 StGB a.F. abgeschafft worden war, auf Altfälle gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK verstoße (Rdnrn. 135 ff.). Diese Entscheidung ist endgültig, nachdem der Antrag der Bundesregierung auf Verweisung der Rechtsache an die Große Kammer am 10. Mai 2010 abgelehnt worden ist (Artt. 43 Abs. 2, 44 Abs. 2 Buchst. c MRK).
9
b) Nach Maßgabe dieses Urteils verstößt im vorliegenden Fall die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK, da das Tatzeitrecht für die Anlasstat nicht die Anordnung von Sicherungsverwahrung androhte.
10
Der Betroffene hat die Tat, die der Verurteilung durch das Landgericht Trier vom 28. Februar 1991 zugrunde liegt, am 23. Februar 1990 begangen. Nach der rechtlichen Würdigung des Landgerichts handelte er bei ihrer Begehung nicht ausschließbar im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB). Danach kam bereits aus diesem Grund eine Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht in Betracht. Denn § 66 Abs. 1 StGB, sowohl in der zum Tatzeitpunkt gültigen Fassung vom 10. März 1987 (BGBl. I 945) als auch in allen späteren Fassungen, setzte und setzt als Anlasstat die Begehung einer vorsätzlichen, d.h. schuldhaft begangenen, Tat voraus, für die zudem auf eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren erkannt worden sein muss.
11
Im Übrigen wären aber auch bei schuldhafter Tatbegehung die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht erfüllt gewesen, weil der Betroffene vor der (neuen) Tat nicht im Sinne dieser Bestimmung bereits zweimal wegen vorsätzlicher Straftaten jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist. Zwar war er - neben der Verurteilung durch das Landgericht Saarbrücken vom 28. September 1989 - weiterhin durch Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 9. Mai 1980 wegen einer am 30. Juli 1979 begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Diese Tat wäre indes nach § 66 Abs. 3 Satz 3 und 4 StGB a.F. (= § 66 Abs. 4 Satz 3 und 4 StGB in der jetzt geltenden Fassung ) nicht berücksichtigungsfähig gewesen, da der Betroffene nach Verbüßung der damals erkannten Freiheitsstrafe für einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren nicht wieder straffällig geworden war.
12
Erstmals § 66 b Abs. 3 StGB, auf den das Landgericht die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung des Betroffenen gestützt hat, ermöglichte hier die Unterbringung des Betroffenen in der Sicherungsverwahrung. Diese Bestimmung ist jedoch erst nach Begehung der Anlasstat durch Gesetz vom 23. Juli 2004 (BGBl. I 1838) eingeführt worden und am 29. Juli 2004 in Kraft getreten. Ihrer Anwendung auf Altfälle steht nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 daher Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK entgegen.
13
c) Dass gegen den Betroffenen - anders als in dem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entschiedenen Fall - bereits mit der Anlassverurteilung auf eine von vorneherein zeitlich nicht befristete Maßregel (vgl. § 67 d Abs. 1 Satz 1 StGB in der auch zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung) erkannt worden war, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung (anders OLG Saarbrücken , Beschluss vom 7. April 2010 - 1 Ws 73/10). Insoweit ist zu berücksichtigen , dass schon vor Einführung des § 67 d Abs. 6 Satz 1 StGB nach der Rechtsprechung der Vollstreckungsgerichte die Erledigung der Maßregel bei Wegfall einer ihrer Voraussetzungen auch dann zu beschließen war, wenn die Gefährlichkeit des Untergebrachten fortbestand (vgl. OLG Hamm NStZ 1982, 300; OLG Karlsruhe MDR 1983, 151; OLG Frankfurt NStZ 1993, 252 sowie hierzu auch BVerfG NStZ 1995, 174, 175). Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 67 d Abs. 6 StGB lediglich festschreiben wollen (vgl. BT-Drucks. 15/2887 S. 13 f.). Nach dem zum Zeitpunkt der Tat maßgeblichen Recht hätte somit die angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt erklärt werden und der Betroffene in Freiheit entlassen werden müssen, ohne dass an ihre Stelle die Sicherungsverwahrung treten konnte.
14
d) Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind - ungeachtet ihrer auf den Einzelfall beschränkten Bindungswirkung (vgl. Art. 46 Abs. 1 MRK sowie hierzu Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. MRK Verfahren Rdnr. 76) - bei der Auslegung innerdeutschen Rechts zu berücksichtigen. Die Vorschrift des § 2 Abs. 6 StGB ist daher mit Blick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 dahin auszulegen, dass § 66 b Abs. 3 StGB nicht rückwirkend auf vor seinem Inkrafttreten begangene Taten angewendet werden darf.
15
Zwar handelt es sich bei der Sicherungsverwahrung nach innerdeutschem Recht um eine Maßregel der Besserung und Sicherung, für die nach § 2 Abs. 6 StGB grundsätzlich das Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung gilt. § 2 Abs. 6 StGB schreibt die Maßgeblichkeit des zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Rechts jedoch nur vor, „wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“. Eine derartige andere Bestimmung stellt hier Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschrechte dar.
16
Bei der MRK handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, der durch den Bundesgesetzgeber in das deutsche Recht transformiert worden ist. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung steht die MRK im Range einfachen Bundesrechts. Deutsche Gerichte haben daher die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfGE 111, 307, 316 ff.; BVerfG EuGRZ 2010, 145, 147; Gollwitzer aaO Einführung Rdnrn. 39, 43 jeweils m.w.N.). Dabei sind auch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen, weil sich in ihnen der aktuelle Entwicklungsstand der Konvention widerspiegelt. Das nationale Recht ist wegen des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes unabhängig vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens nach Möglichkeit im Einklang mit den Bestimmungen der MRK auszulegen (BVerfGE 111, 307, 324; Gollwitzer aaO).
17
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist bei konventionsgemäßer Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB die Regelung des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK als (einfach -) gesetzliche Ausnahmeregelung zu bewerten, die für die Anordnung der Sicherungsverwahrung die Maßgeblichkeit des Tatzeitrechts vorsieht. Nach dem zur Tatzeit geltenden Recht war jedoch - wie bereits ausgeführt - die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Betroffenen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt möglich.
18
2. Der hier vorgenommenen Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB steht nicht die Bindungswirkung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Wegfalls der Höchstdauer der erstmaligen Sicherungsverwahrung entgegen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in jener Entscheidung ausgesprochen, dass die Sicherungsverwahrung keine Strafe darstellt und eine nachträgliche Änderung ihrer Höchstdauer nicht gegen das absolute Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG verstößt (BVerfGE 109, 133, 167 ff.). Bei der Frage, ob entsprechend dem Gesetzesvorbehalt in § 2 Abs. 6 StGB eine Maßregel der Besserung und Sicherung von der Maßgeblichkeit des Rechts des Zeitpunkts der Entscheidung auszunehmen ist, handelt es sich indes um eine solche einfachen Rechts. Dem Gesetzgeber steht es im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens frei, für einzelne Maßregeln der Besserung und Sicherung in Abweichung von dem Grundsatz des § 2 Abs. 6 StGB die Geltung des Tatzeitrechts anzuordnen; er hat hiervon in der Vergangenheit wiederholt Gebrauch gemacht (vgl. die Nachweise bei Fischer StGB 57. Aufl. § 2 Rdnr. 15 und speziell Art. 93 des 1. StrRG). Ebenso kann dies Folge der gebotenen Berücksichtigung einer ebenfalls im Range einfachen Bundesrechts stehenden Bestimmung der MRK sein. Der Rechtssatz des Bundesverfassungsgerichts, dass nach deutschem Verfassungsrecht die Sicherungsverwahrung nicht dem Rückwirkungsverbot unterfällt, wird dadurch nicht in Frage gestellt. Einfaches Recht hat zwar die Vorgaben des Grundgesetzes zu wahren, es kann aber im Einzelfall über die dort festgelegten Mindestanforderungen hinausgehen.
19
3. Rechtsprechung anderer Senate des Bundesgerichtshofs steht der getroffenen Entscheidung nicht entgegen. Die Frage, ob § 2 Abs. 6 StGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK einer Anwendung des § 66 b Abs. 3 StGB auf Altfälle entgegensteht, ist - soweit ersichtlich - vom Bundesgerichtshof noch nicht entschieden worden. Der 1. Strafsenat hat in seinem Beschluss vom 14. Januar 2010 - 1 StR 595/09 [zu § 66 b Abs. 2 StGB] mögliche Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 auf den zu entscheidenden Fall offen gelassen und dies mit der fehlenden Endgültigkeit der Entscheidung begründet. Soweit der 1. Strafsenat in seinem Urteil vom 9. März 2010 - 1 StR 554/09 die Auffassung vertreten hat, dass die Ausführungen in der - damals ebenfalls noch nicht endgültigen - Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 JGG auf einen Altfall nicht entgegenstehen, hat er dies mit hier nicht einschlägigen Besonderheiten des Jugendstrafrechts begründet. Im Übrigen ist, nachdem das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte am 10. Mai 2010 gemäß Art. 43 Abs. 2, Art. 44 Abs. 2 Buchst. c MRK endgültig gewor- den ist, eine neue Rechtslage gegeben, die eine etwaige Bindung an frühere entgegenstehende Rechtsprechung entfallen lassen würde (vgl. hierzu Hannich in KK 6. Aufl. § 132 GVG Rdnr. 8).
20
4. Die Maßregelanordnung war daher aufzuheben; gleichzeitig war in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO der Antrag der Staatsanwaltschaft zurückzuweisen und der Betroffene sofort auf freien Fuß zu setzen.
21
Die Entscheidung über die Entschädigung des Betroffenen wegen der seit Ende der Strafhaft erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen bleibt wegen der größeren Sachnähe dem Landgericht vorbehalten.
RiBGH Athing ist im Ernemann Solin-Stojanović Ruhestand und daher an der Unterschrift gehindert Ernemann Cierniak Franke
4
Der beabsichtigten Entscheidung des 5. Strafsenats steht Rechtsprechung des 4. Strafsenats entgegen (Beschluss vom 12. Mai 2010 – 4 StR 577/09, EuGRZ 2010, 359 = NStZ 2010, 567). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest und bemerkt ergänzend:
4
2. Der Senat stimmt dieser Rechtsauffassung nicht zu.
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
MRK Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 7 Abs. 1 Satz 2
1. Ergibt sich für die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
aus der Europäischen Konvention
zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in
der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte eine die Rückwirkung generell hindernde
andere Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB?
(Anfrage nach § 132 GVG)
2. Im Fall zulässiger rückwirkender Anwendung ist § 67d
Abs. 3 Satz 1 StGB einschränkend dahin auszulegen,
dass die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
nach zehnjährigem Vollzug für erledigt zu erklären ist, sofern
nicht eine hochgradige Gefahr schwerster Gewaltund
Sexualverbrechen aus konkreten Umständen in der
Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten
ist.
BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 5 StR 394/10
–5StR440/10
–5StR474/10
LG Stuttgart, Celle, Koblenz –
5 StR 440/10
5 StR 474/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. November 2010
in den Maßregelvollstreckungssachen
gegen
1.
- 5 StR 394/10 -
2.
- 5 StR 440/10 -
3.
- 5 StR 474/10 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. November 2010

beschlossen:
1. Die Vorlegungsverfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ergibt sich für die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keine die Rückwirkung generell hindernde andere Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB.
Der Senat fragt beim 4. Strafsenat an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird, bei den anderen Strafsenaten, ob dieser Rechtsauffassung zugestimmt wird.
3. Bis zur Erledigung des Verfahrens nach § 132 GVG werden die Akten an die vorlegenden Oberlandesgerichte zur Fortführung der nach § 67e Abs. 1 Satz 1, § 67d Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 StGB gebotenen Überprüfungen zurückgegeben.
G r ü n d e
1
Die verbundenen Vorlegungsverfahren (§ 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG) betreffen die Frage der Fortgeltung der bis 30. Januar 1998 gültigen Höchstdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung von zehn Jahren (§ 67d Abs. 1 Satz 1 StGB a.F.) in „Altfällen“. Der Senat hat darüber zu entscheiden , ob das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (M. gegen Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 19359/04, EuGRZ 2010, 25) die deutschen Gerichte dazu zwingt, in Fällen , in denen die erstmalige Unterbringung eines Verurteilten in der Sicherungsverwahrung wegen Taten angeordnet wurde, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen schweren Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I 160) begangen worden waren, die Maßregel nach zehnjährigem Vollzug für erledigt zu erklären.
2
Die vorlegenden Oberlandesgerichte Stuttgart, Celle und Koblenz möchten – wie bereits in vorangegangenen Entscheidungen (OLG Stuttgart Justiz 2010, 346; OLG Celle NStZ-RR 2010, 322; OLG Koblenz JR 2010, 306; vgl. auch OLG Nürnberg NStZ 2010, 574) – jeweils in Fällen über zehn Jahre hinaus vollstreckter Sicherungsverwahrung sofortige Beschwerden von Untergebrachten gegen Fortdauerbeschlüsse der zuständigen Landgerichte verwerfen. Sie vertreten die Auffassung, dass auch unter Zugrundelegung der Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine Erledigterklärung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Altfällen nach Vollzug von zehn Jahren trotz fortbestehender Gefährlichkeit des Verurteilten nicht geboten sei. Vielmehr richte sich die Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung allein nach der gegenwärtigen Regelung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB. An der beabsichtigten Entscheidung sehen sie sich jedoch durch Beschlüsse anderer Oberlandesgerichte (OLG Frankfurt NStZ 2010, 573; NStZ-RR 2010, 321; OLG Hamm StRR 2010, 352; OLG Karlsruhe Justiz 2010, 350; NStZ-RR 2010, 322; SchlHolstOLG SchlHA 2010, 296) gehindert. Sie haben deshalb die jeweilige Sache zur Entscheidung der Rechtsfrage gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 GVG dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
3
Dem Senat liegen zwölf weitere gleichgelagerte Vorlegungsverfahren vor. Er möchte in den drei zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren – im Ergebnis in Übereinstimmung mit den Anträgen des Generalbundesanwalts – grundsätzlich im Sinne der vorlegenden Oberlandesgerichte entscheiden. Er sieht sich daran jedoch durch bindende Rechtsprechung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs gehindert; darüber hinaus sieht der Senat in der aufgeworfenen Frage eine solche von grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 4 GVG).

I.


4
1. Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19. August 2010 (Vorlegungsverfahren 5 StR 394/10):
5
Durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27. September 1985 (Anlassurteil ) wurde der wiederholt, unter anderem wegen schwerster Sexualdelikte vorbestrafte D. wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, verbunden mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung. Nach vollständiger Verbüßung der Strafe wird die Sicherungsverwahrung – nunmehr bereits über 21 Jahre – vollzogen. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19. März 2010 hat das Landgericht Heilbronn letztmals die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet.
6
Sachverständig beraten ist das Oberlandesgericht zu der Überzeugung gelangt, dass der mittlerweile 63 Jahre alte Verurteilte auch weiterhin wegen eines Hanges zur Begehung erheblicher Straftaten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, gefährlich sei. Er sei eine histrionisch-dissoziale Persönlichkeit, die einen Mangel an Empa- thie, deutliche und andauernde Verantwortungslosigkeit, Missachtung sozialer Normen, eine niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges Handeln sowie oberflächliche Affektivität, Egozentrik und manipulatives Verhalten zur Befriedigung eigener Bedürfnisse aufweise. Seine Persönlichkeitsstruktur sei durch ein jedes normale Maß übersteigendes Geltungs- und Durchsetzungsbedürfnis sowie das Bedürfnis gekennzeichnet, Überlegenheit zu demonstrieren. Das bisherige strafbare Vorleben des Verurteilten beruhe auf dieser Persönlichkeitsstruktur. Im Vordergrund der Taten habe die Demonstration von Macht gestanden, die den eigentlichen sexuellen Antrieb überwogen habe. Dem liegen folgende tatsächliche Befunde zugrunde:
7
Nachdem der Verurteilte bereits 1971 wegen versuchter Notzucht verurteilt worden war, verübte er vor Begehung der Anlasstat in der Zeit von 1973 bis 1978 – zweimal während laufender Strafaussetzungen, einmal nur zwei Monate nach längerer Untersuchungshaft – insgesamt vier schwere Sexualstraftaten. Alle zeichneten sich durch brutales, auf bedingungslose Durchsetzung des eigenen Willens gerichtetes Vorgehen und durch menschenverachtende Behandlung der Opfer aus. Seine zwischen 13 und 17 Jahre alten Opfer vergewaltigte er mehrfach, auf verschiedene Weise und unter entwürdigenden Begleitumständen. In Fällen der Mittäterschaft war er der Wortführer, der Reihenfolge, Zeit und Art des erzwungenen Geschlechtsverkehrs anordnete. In nahezu allen Fällen versetzte er die Opfer durch Würgen oder Zupacken am Hals, verbunden mit entsprechenden Drohungen, in Todesangst.
8
Während des Vollzugs der Sicherungsverwahrung verübte er mehrere zum Teil bewaffnete Angriffe auf Vollzugsbedienstete. Weiterhin sind zahlreiche ernstzunehmende Bedrohungen von Vollzugs- und Justizpersonal aktenkundig , die mit Hinweisen auf Anschriften, auch der Ehepartner, oder mit vorgeblichem Wissen um den Aufenthalt der Kinder der bedrohten Personen verknüpft waren. Letztmalig drohte er am 6. Juni 2010 damit, seine Zelle – wie bereits zuvor geschehen – in Brand zu stecken, und bezeichnete sich selbst als „tickende Atombombe“.
9
Der Verurteilte lehnt nahezu jede therapeutische Behandlung ab. Er unterhält keine Außenkontakte und hat Lockerungsmaßnahmen (begleitete Wanderungen oder Stadtausführungen) ebenso verweigert wie Beratungsgespräche mit der Bewährungshilfe und die Teilnahme an einem sozialen Training. Auf die Bereitschaft der Sozialbetreuung Heilbronn, ihm im Fall der Entlassung eine Unterkunft mit Hilfe bei der Bewältigung des täglichen Lebens zur Verfügung zu stellen, hat er ablehnend reagiert.
10
2. Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 9. September 2010 (Vorlegungsverfahren 5 StR 440/10):
11
Durch Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 12. Juli 1991 (Anlassurteil ) wurde K. wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexueller Nötigung, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt, verbunden mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 28. Mai 2010 hat das Landgericht Lüneburg erstmals die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus angeordnet.
12
Seine Überzeugung, dass der Verurteilte einen Hang zur Begehung einschlägiger schwerer Straftaten aufweise, begründet das Oberlandesgericht mit folgenden Umständen:
13
Anfang 1967 kam es zur ersten Sexualstraftat des Verurteilten, bei der er versucht hatte, zwei 15 Jahre alte Jungen anal zu vergewaltigen, nachdem er sie zuvor bedroht und gefesselt hatte. Im Juli 1968 zwang er zwei 13-jährige Jungen, sein Glied bis zum Samenerguss zu reiben, während er an den Geschlechtsteilen der Opfer manipulierte. Nur etwa einen Monat später ver- senkte er einen 17-jährigen Jugendlichen, den er aufgrund eines zuvor im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung erlittenen Sturzes für tot hielt, in einem Teich. Etwa ein Jahr nach Verbüßung der deswegen verhängten Jugendstrafe zwang er einen 13 Jahre alten Jungen zum Oral- und Analverkehr. Nur wenige Tage nach Entlassung aus der gegen ihn verhängten Strafhaft zwang er einen Arbeitskollegen unter Vorhalt eines Messers zum Oralverkehr. Der Anlassverurteilung liegen zugrunde die Vornahme des Oralverkehrs sowie der Versuch des Analverkehrs an einem elfjährigen Jungen , der mehrfache unter Vorhalt eines Messers und unter Fesselung erzwungene Anal- und Oralverkehr an zwei 13-jährigen Jungen sowie der ebenfalls unter Vorhalt eines Messers und unter Fesselung erzwungene Oral- und Analverkehr an einem weiteren elfjährigen Jungen, der überdies durch eine Schnittverletzung am Hals lebensgefährlich verletzt wurde.
14
Diese Straftaten sind nach Auffassung des Oberlandesgerichts Ausdruck der letztmalig im Mai 2010 sachverständig bestätigten schweren Persönlichkeitsstörung mit sadistisch ausgerichteter Sexualdeviation des mittlerweile 61 Jahre alten Verurteilten. Bisherige therapeutische Interventionsversuche verliefen ergebnislos. Die Teilnahme an gruppentherapeutischen Sitzungen brach der Verurteilte ab, weil er den Kontakt zu den anderen Teilnehmern nicht habe ertragen können. Seither zeigte er keine Bereitschaft zu Therapiemaßnahmen. Auch ein Aufenthalt in der sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt Hannover wurde im Jahr 2008 wegen mangelnder Aufgeschlossenheit in der Therapie abgebrochen.
15
3. Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 30. September 2010 (Vorlegungsverfahren 5 StR 474/10):
16
F. beging in den Jahren 1976, 1977 und 1983 insgesamt sechs schwere, sämtlich gegen Frauen gerichtete Gewaltverbrechen, darunter Sexualverbrechen:
17
1977 wurde er wegen schweren Raubes in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer in zwei Fällen und wegen Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er hatte in einer Nacht in kurzem zeitlichem Abstand zwei Prostituierte in sein Fahrzeug gelockt und auf einem Autobahnparkplatz unter Vorhalt eines Dolches ausgeraubt, eine der Frauen ferner unter Drohung mit einer Schusswaffe zum Geschlechtsverkehr gezwungen.
18
Anfang Dezember 1977 setzte er das Haus einer Arbeitskollegin in Brand, die einen Annäherungsversuch abgewiesen hatte, wobei sich sieben Menschen in dem Haus aufhielten. Wegen schwerer Brandstiftung wurde er zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.
19
Durch das Landgericht Zweibrücken wurde er am 5. Juni 1984 (Anlassurteil ) wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, verbunden mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung. Unter ständiger Bedrohung mit einem Messer hatte er eine junge Mutter in deren Wohnung mehrmals zum Geschlechtsverkehr gezwungen, mit dem Messer an deren Geschlechtsteil manipuliert, sie gezwungen, den Oralverkehr bei ihm auszuüben , vor ihm die Notdurft zu verrichten und ihn manuell zu befriedigen, wobei er ihr das Ejakulat ins Gesicht spritzte. Nachdem er die Frau gefesselt und geknebelt hatte, versuchte er, den Analverkehr durchzuführen. Unter der Drohung, ihren vier Monate alten Säugling umzubringen, falls sich die Geschädigte an die Polizei wende, ließ er schließlich von ihr ab. Einen Tag später verschaffte er sich erneut Zutritt zu ihrer Wohnung und zwang sie abermals unter Vorhalt eines Messers mehrfach zum Geschlechtsverkehr. Er nötigte die völlig verstörte und erschöpfte Frau, zwölf Tabletten eines starken Beruhigungsmittels mit Bier einzunehmen. Die Geschädigte geriet hierdurch in einen Dämmerzustand und wurde nachts darauf in hilfloser Lage in ihrer Wohnung aufgefunden. Am Folgetag verschaffte sich der Verurteilte Zutritt zur Wohnung der 20-jährigen Nachbarin seiner Eltern und stach mit einem Schraubenzieher auf sie ein. Er würgte die junge Frau und stieß ihr zwei Finger in die Augen. Dann zwang er sie zum Oralverkehr und Beischlaf, während er erneut auf sie einstach und ihr drohte, den Schraubenzieher in ihre Scheide zu stoßen. Die Geschädigte erlitt zahlreiche schwere Verletzungen und war massiv traumatisiert.
20
Seit 20 Jahren wird die Sicherungsverwahrung vollzogen. Im Mai 2009 erlitt der Verurteilte einen akuten Vorderwandinfarkt; er leidet an einer Knieund Hüftarthrose, aufgrund derer er Gehstützen benutzt. Zuletzt hat das Landgericht Koblenz mit dem angefochtenen Beschluss vom 18. Februar 2010 den weiteren Vollzug der Maßregel angeordnet.
21
Das Oberlandesgericht nimmt nach eingehender Prüfung einen fortbestehenden Hang des Verurteilten zur Begehung einschlägiger schwerer Straftaten an. Nach näherer Aufklärung des physischen Gesundheitszustands des jetzt 58 Jahre alten Verurteilten gelangt es zu der Überzeugung, dass er trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen zu massivem fremdaggressivem Verhalten, auch zur Begehung von Sexualstraftaten, körperlich in der Lage ist, und zeigt plausible mögliche Verbrechensszenarien auf.
22
Sachverständig beraten kommt es zu dem Ergebnis, dass dem strafbaren Verhalten des Verurteilten eine kombinierte Persönlichkeitsstörung zugrunde liegt, die eine geringe Frustrationstoleranz und eine gesteigerte Impulsivität bedingt und im Vollzug keine Abmilderung erfahren hat. Der Verurteilte hat sich bisher jeglichem therapeutischen Zugang verschlossen. Begonnene Therapien hat er entweder von sich aus eingestellt oder sie mussten abgebrochen werden, da er sich nicht öffnete. Derzeit lehnt er jedes Therapieangebot ab; er sieht keinen Therapiebedarf. Zu den Anlasstaten zeigt er oberflächliche Verleugnungs- und Verdrängungstendenzen. Hinsichtlich seines Sexualverhaltens gibt er an, etwa einmal wöchentlich bis zum Samenerguss zu onanieren; er wolle nach wie vor den Geschlechtsverkehr mit einer erwachsenen Frau ausführen, was er sich in seiner Phantasie auch vorstelle. Falls seine Erektion nicht ausreiche, werde er Viagra nehmen. Die Gefahr erneuter schwerster Sexualstraftaten hält das Oberlandesgericht für außerordentlich hoch. Selbst ein Tötungsdelikt liege – da der Verurteilte bei der letzten Anlasstat Tötungsphantasien ausgelebt habe – im Bereich des Wahrscheinlichen.

II.


23
Die Rechtsansicht der vorlegenden Oberlandesgerichte, dass sich trotz des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus in Altfällen allein nach der gegenwärtigen Regelung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB richte, ist unvereinbar mit der bindenden Rechtsprechung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 12. Mai 2010 – 4 StR 577/09 (NStZ 2010, 567).
24
1. Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen schweren Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I 160) hat der Gesetzgeber die durch das 2. Strafrechtsreformgesetz vom 4. Juli 1969 (BGBl I 717) eingeführte strikte Höchstdauer der ersten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung von zehn Jahren (§ 67d Abs. 1 Satz 1 StGB a.F.) aufgehoben und die unbefristete Vollstreckung der Maßregel ermöglicht, jedoch nur unter den in § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB genannten engeren Voraussetzungen.
25
Zum zeitlichen Geltungsbereich dieser Vorschrift bestimmt die allgemeine Regelung des § 2 Abs. 6 StGB, dass für Maßregeln der Besserung und Sicherung das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht anzuwenden ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB ist daher grundsätzlich auch auf Altfälle anwendbar (BVerfGE 109, 133, 182).
26
2. Für den Anwendungsbereich der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 3 StGB sieht der 4. Strafsenat (aaO) in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine anderweitige gesetzliche Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB (ebenso Grabenwarter JZ 2010, 857; Gaede HRRS 2010, 329, 332 ff.), welche eine Anwendung des § 66b Abs. 3 StGB auf Altfälle ausschließe.
27
a) Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (EuGRZ 2010, 25) ist die Sicherungsverwahrung – ungeachtet ihrer Einordnung im deutschen Recht als Maßregel der Besserung und Sicherung – im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention als Strafe zu qualifizieren, für die das Rückwirkungsverbot des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK gilt (Rdn. 124 bis 133). Der Gerichtshof hat dies unter anderem damit begründet, dass die Sicherungsverwahrung wie eine Freiheitsstrafe mit Freiheitsentziehung verbunden sei und es in Deutschland keine wesentlichen Unterschiede zwischen dem Vollzug einer Freiheitsstrafe und dem der Sicherungsverwahrung gebe (aaO Rdn. 127 bis 130).
28
b) Der 4. Strafsenat legt zugrunde, dass die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – ungeachtet ihrer auf den Einzelfall beschränkten Bindungswirkung (vgl. Art. 46 Abs. 1 MRK sowie hierzu Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. MRK Verfahren Rdn. 76) – bei der Auslegung innerdeutschen Rechts zu berücksichtigen sind. Dies führe zum Ausschluss rückwirkender Anwendung. Zwar handele es sich bei der Sicherungsverwahrung nach innerdeutschem Recht um eine Maßregel der Besserung und Sicherung, für die nach § 2 Abs. 6 StGB grundsätzlich das Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung gelte. § 2 Abs. 6 StGB schreibe die Maßgeblichkeit des geltenden Rechts jedoch nur dann vor, „wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt“ sei. Eine derartige andere Bestimmung stelle Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dar (BGH aaO S. 568).
29
3. Trifft die Auffassung des 4. Strafsenats zu, so ist die Vorlegungsfrage zwingend dahingehend zu beantworten, dass Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK eine Anwendung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB auf die hier zu beurteilenden Altfälle ausschließt. Nach dem zum jeweiligen Tatzeitpunkt geltenden Recht war die Dauer des Vollzugs der Sicherungsverwahrung auf zehn Jahre begrenzt ; alle Verurteilten wären somit – ungeachtet fortdauernder Gefährlichkeit – nach Fristablauf freizulassen. Die Frage des Rückwirkungsverbots kann im Rahmen des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB nicht anders beantwortet werden als im Rahmen des für die Entscheidung des 4. Strafsenats maßgebenden § 66b Abs. 3 StGB (vgl. auch OLG Karlsruhe NStZ-RR 2010, 322).

III.


30
Der Senat ist indessen – in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts – der Meinung, dass einer Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB in diesem Sinne zwingende Rechtsgründe entgegenstehen.
31
1. Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten wurde als völkerrechtlicher Vertrag durch den Bundesgesetzgeber in das deutsche Recht transformiert. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung kommt den Regelungen der Konvention der Rang einfachen Bundesrechts zu. Die Konvention ist bei der Interpretation des nationalen Rechts im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfGE 111, 307, 317). Dabei sind auch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen, weil sie den aktuellen Entwicklungsstand der Konvention widerspiegeln (BVerfGE aaO S. 319).
32
Zeigt eine Entscheidung des Gerichtshofs, wie vorliegend, über den entschiedenen Einzelfall hinaus strukturelle Mängel des nationalen Rechts auf, so gebietet die Verpflichtung innerstaatlicher Beachtung der Konvention – ungeachtet der beschränkten Bindungswirkung nach Art. 46 Abs. 1 MRK – eine konventionskonforme Ausgestaltung des nationalen Rechts (Gollwitzer aaO Rdn. 77b). Auch in Ermangelung einer § 31 Abs. 1 BVerfGG entsprechenden Vorschrift, wonach alle Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gebunden sind, gehört zur Bindung an Gesetz und Recht, dass Gewährleistungen der Konvention in ihrer Ausformung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu berücksichtigen sind (BVerfGE aaO S. 323). Aus dem Stellenwert der Europäischen Menschenrechtskonvention als lediglich einfaches Bundesrecht folgt indes, dass die Verpflichtung deutscher Gerichte zu vorrangiger konventionskonformer Auslegung auf Fälle vorhandener Auslegungs- und Abwägungsspielräume beschränkt ist (BVerfGE aaO S. 329). Die Zulässigkeit konventionskonformer Auslegung endet aus Gründen der Gesetzesbindung der Gerichte dort, wo der gegenteilige Wille des nationalen Gesetzgebers deutlich erkennbar wird (BGH NStZ 2010, 565, 566, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt; Giegerich in Grote/Marauhn [Hrsg.], EMRK/GG Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz 2006 Kap. 2 Rdn. 20; Radtke NStZ 2010, 537, 542 ff.). Die Europäische Menschenrechtskonvention eröffnet den Gerichten keine Verwerfungskompetenz für eindeutig entgegenstehende Gesetze. Anders als bei deren Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz (Art. 100 Abs. 1 GG) besteht hier auch keine Vorlegungsmöglichkeit. In diesen Fällen ist allein der Gesetzgeber aufgerufen, eine Verletzung der Konvention infolge Anwendung eindeutiger gesetzlicher Regelungen durch deren Abänderung zu beseitigen.
33
2. Nach diesen Grundsätzen kann das aus Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK resultierende Rückwirkungsverbot nicht als abweichende gesetzliche Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB angesehen werden. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nicht von völkerrechtlichen Verpflichtungen abweichen oder die Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen will (BVerfGE 74, 358, 370). Der Gesetzgeber hat jedoch unmissverständlich das Gebot zum Ausdruck gebracht, die betroffenen weiter- hin gefährlichen Verurteilten nicht in die Freiheit zu entlassen. Eine Interpretation des § 2 Abs. 6 StGB in dem Sinne, dass für die Sicherungsverwahrung eine rückwirkende Anwendung nicht möglich ist, würde den in den genannten Bestimmungen enthaltenen, vom eindeutigen Willen des Gesetzgebers getragenen Normbefehl teilweise oder ganz aushöhlen (vgl. auch Radtke aaO) und liefe auf ein den Strafgerichten bei der Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zustehendes Normverwerfungsrecht hinaus.
34
a) Dass der Gesetzgeber die aus der Konvention resultierenden völkerrechtlichen Verpflichtungen, namentlich den Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK, nicht als Ausnahmevorschrift im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB verstanden, sondern als Prüfungsmaßstab zur Frage der Übereinstimmung der Norm mit der Konvention herangezogen hat, ist den Gesetzesmaterialien zu entnehmen. Bei den Beratungen zum 2. Strafrechtsreformgesetz hat er sich ausdrücklich mit dem Verhältnis der beiden Regelungen befasst. Bereits seinerzeit erhobene Bedenken, dass die grundsätzliche Ausnahme der Maßregeln vom Rückwirkungsverbot gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK verstoße, hat er als „unbegründet“ zurückgewiesen (BT-Drucks. IV/650, S. 108). Besondere Vorschriften für die zeitliche Geltung von Maßregeln würden namentlich für die Zeit des Inkrafttretens des neuen Strafrechts erforderlich werden; im Einführungsgesetz werde daher im Einzelnen zu regeln sein, ob und in welchem Umfange Neuerungen im Maßregelrecht des Entwurfs zurückwirkten (BT-Drucks. IV/650 aaO). Durch die Wendung „wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“ solle darauf hingewiesen werden, dass bei der Rechtsanwendung auf die Möglichkeit besonderer Regelungen zu achten sei (BTDrucks. IV/650 aaO). Dem entspricht die im strafrechtlichen Schrifttum vertretene Meinung, dass § 2 Abs. 6 StGB für eine Ausnahme von der Regel der Anwendung des zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Rechts ausdrückliche Normierungen des Gesetzgebers verlangt (vgl. Schmitz in MünchKommStGB § 2 Rdn. 51).
35
b) Im Anwendungsbereich des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB hat der Gesetzgeber keine besondere gesetzliche Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB für Altfälle getroffen. Im Gegenteil bestimmte Art. 1a Abs. 3 EGStGB in der Fassung vom 31. Januar 1998 ausdrücklich die rückwirkende Anwendung auf Fälle, in denen die Anlasstat vor Inkrafttreten der Gesetzesnovelle begangen worden war. Aus der Streichung der Vorschrift mit Wirkung zum 29. Juli 2004 (BGBl I 1838) kann keine abweichende gesetzgeberische Wertung abgeleitet werden. Sie erfolgte nur deswegen, weil Art. 1a Abs. 3 EGStGB vor dem Hintergrund der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 – 2 BvR 2029/01 (BVerfGE 109, 133) – und 10. Februar 2004 – 2 BvR 834/02 u.a. (BVerfGE 109, 190) – verzichtbar erschien (BT-Drucks. 15/2887).
36
c) Ebenso zweifelsfrei ist der gesetzgeberische Wille für eine Rückwirkung im Bereich der nachträglichen Sicherungsverwahrung nach § 66b StGB. Die Norm wurde mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 109, 190), das auch spätere entsprechende Anwendungen in all ihren Varianten unbeanstandet gelassen hat (BVerfG – Kammer – NStZ 2007, 87; NJW 2009, 980; NStZ 2010, 265), gerade auch für solche Fälle geschaffen, in denen bei Tatbegehung noch keine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung vorgesehen war, weitgehend auch für Fälle, in denen die nachträgliche Anordnung an formelle Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung anknüpfte, die bei Tatbegehung noch nicht galten. Der Bundesgerichtshof hat – ersichtlich im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers – unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine insoweit rückwirkende Anwendung des § 66b StGB wiederholt gebilligt (vgl. nur BGHSt 52, 205, 209 ff. m.w.N.).
37
d) In diesem Zusammenhang wäre es im Übrigen kein gangbarer Weg, über § 2 Abs. 6 StGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK eine Rückwirkung nur bei den Regelungen zu verhindern, denen, weil auch „Neufälle“ umfassend , bei Ausschluss rückwirkender Anwendung noch ein sinnvoller An- wendungsbereich verbliebe. Diese Interpretation würde zu dem sinnwidrigen Ergebnis führen, dass lediglich die „reine Altfallregelung“ des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB Bestand haben müsste (vgl. BGH NStZ 2010, 565, 566), obgleich sie dem Rückwirkungsverbot des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK insgesamt und damit am deutlichsten widerstreitet.
38
3. Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. a MRK, auf dessen Verletzung der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (aaO) den Konventionsverstoß bei rückwirkender Anwendung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB gleichfalls stützt, da ein ausreichender Kausalzusammenhang zwischen der Verurteilung des Beschwerdeführers und seinem fortdauernden Freiheitsentzug fehle (Rdn. 92 bis 101), folgt nichts anderes. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 MRK überhaupt eine – in § 2 Abs. 6 StGB vorausge -setzte – zeitliche Begrenzung für die Anordnung strafrechtlicher Rechtsfolgen ableiten lässt. Jedenfalls stünde einer Berücksichtigung im Rahmen des § 2 Abs. 6 StGB – ebenso wie bei Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK – die dargelegte eindeutige Gesetzeslage entgegen. Angesichts dessen fehlt auch für eine im Schrifttum vorgeschlagene (vgl. Grabenwarter aaO S. 867 f.) Anwendung von § 67d Abs. 4 StGB jede Grundlage.
39
4. Der Senat beabsichtigt daher tragend zu entscheiden, dass sich aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten für die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keine die Rückwirkung hindernde andere Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB ergibt.

IV.


40
Mit Blick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB im Falle rückwirkender Anwendung allerdings einschränkend auszulegen.
41
1. Bei der Entscheidung nach § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB und ihren Folgeentscheidungen erfordert das Verhältnismäßigkeitsprinzip (§ 62 StGB), die Schutzinteressen der Allgemeinheit und den Freiheitsanspruch des Untergebrachten im Einzelfall abzuwägen. Das Gericht hat in die erforderliche Gesamtwürdigung die vom Täter ausgehenden Gefahren sowie die Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs einzustellen und ins Verhältnis zu setzen (vgl. BVerfGE 109, 133, 159). Nach den dargestellten Grundsätzen sind in diese Gesamtwürdigung auch die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in ihrer Ausformung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einzubeziehen. Die vom Gerichtshof geforderte konventionsgemäße Gewichtung hat einzufließen (Gollwitzer aaO Rdn. 77a), um eine konventionsfreundliche Anwendung der in Frage stehenden Norm zu gewährleisten. Die Ausführungen des Gerichtshofs zur Vereinbarkeit mit Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK und namentlich auch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 MRK streiten daher im Rahmen der Gesamtwürdigung unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes und des Freiheitsrechts in gewichtigem Maße zugunsten des Verurteilten.
42
2. Hieraus folgt, dass bei konventionsfreundlicher Gesamtwürdigung von einem grundsätzlichen Überwiegen dieser Rechtspositionen des Verurteilten auszugehen ist. Im Lichte der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bedarf es einer noch weiter eingeschränkten Auslegung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB, als sie bereits das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 109, 133) verlangt hat. Danach ist in Altfällen die erstmalige Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach zehnjährigem Vollzug für erledigt zu erklären, sofern nicht eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualverbrechen aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist.
43
In den Vorlegungssachen der Oberlandesgerichte Stuttgart und Koblenz ergeben sich aus dem Vollzugsverhalten der Verurteilten konkrete Anhaltspunkte für nach einer Entlassung unmittelbar drohende entsprechende schwerste Straftaten, durch die die Opfer physisch oder psychisch massiv geschädigt werden.
44
Ansonsten kann die weitere Vollstreckung der Sicherungsverwahrung nur dann angeordnet werden, wenn der Verurteilte – etwa mit hoher Rückfallgeschwindigkeit , während gewährter Lockerungen oder bereits im Vollzug geplant – mehrere Vortaten im genannten Sinn begangen hat und sich im Rahmen des Vollzugs der Sicherungsverwahrung keine positiven Anhaltspunkte ergeben haben, die eine Reduzierung der im Vorleben des Verurteilten dokumentierten massiven Gefährlichkeit nahelegen. Zu dieser Fallgruppe kann die Vorlegungssache des Oberlandesgerichts Celle gerechnet werden, hier allerdings vorbehaltlich kontraindizierender Erkenntnisse über das aktuelle physische Gewaltpotential des Verurteilten.
45
Nur unter diesen sehr eng zu handhabenden Voraussetzungen erscheint es vertretbar, dass als Eingriff in das Freiheitsrecht des Verurteilten unter Berücksichtigung seines auf höchster Stufe schutzwürdigen Vertrauens in die Unabänderbarkeit der zur Tatzeit bestimmten Rechtsfolge – auch in ihrer Dauer – einerseits und der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit andererseits eine Entscheidung zu seinen Lasten getroffen werden darf (vgl. BGH NStZ 2010, 565, 567). Während der Senat im Rahmen des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB eine ähnlich, entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart jedoch nicht auf die Gefahr schwerster Kapitalverbrechen beschränkte , restriktive Anordnungspraxis bei Ausübung des dort bestehenden Ermessens verlangt hat, ist bei § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB die aus Verhältnismäßigkeitsgründen unerlässliche äußerst eingeschränkte Interpretation des unbestimmten Rechtsbegriffs der Gefahr mit ähnlichem Ergebnis geboten.
46
3. Durch eine derartige erheblich einschränkende Auslegung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB wird den konventionsrechtlichen Bedenken des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 MRK in weitem Umfang Rechnung getragen. Die rückwirkende Anwendung wird auf Fälle begrenzt, in denen das tangierte Freiheitsrecht des betroffenen Verurteilten mit im Bereich der Europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten wichtigen Rechten Dritter kollidiert. Hinzu kommt, dass die weiter anzuordnende Freiheitsbeschränkung wegen gerichtlich sorgfältig neu zu prüfender konkreter schwerer Gefährdung künftiger Tatopfer erfolgt, die zudem häufig, wie gerade auch aus den dem Senat vorgelegten Fällen deutlich wird, in einer – unabhängig von der Beurteilung der eigentlichen Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB – gravierenden Persönlichkeitsstörung des deshalb zu schwersten Straftaten neigenden verurteilten Hangtäters wurzelt. Damit sprechen auch die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. c und lit. e MRK enthaltenen Grundgedanken für eine Zulässigkeit fortdauernden Freiheitsentzugs in den betroffenen Extremfällen.
47
4. Bei derart erhöhter Gefahrenprognose, ohne deren Vorliegen die Vollstreckung der Maßregel für erledigt zu erklären ist, wird – anders als es der Generalbundesanwalt vertritt (insoweit unklar Radtke NStZ 2010, 537, 544 f.) – eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung nach § 67d Abs. 2 StGB nur selten in Betracht kommen. Sie ist indes – anders als der systematische Zusammenhang von § 67d Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 StGB auf den ersten Blick nahelegt – nicht etwa prinzipiell ausgeschlossen. Vielmehr wird die Aussetzung in § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO sogar vorausgesetzt. Sie wird in Erwägung zu ziehen sein, wenn eine hochgradige Gefahr im dargelegten Sinne zwar prognostiziert wird, diese aber durch den Widerrufsdruck und mit einer Aussetzung zur Bewährung zu verbindende Weisungen so weit reduziert werden kann, dass angenommen werden kann, der Verurteilte könne von der Begehung schwerster Gewalt- oder Sexualverbrechen abgehalten werden (in diesem Sinne Rissing-van Saan/Peglau in LK 12. Aufl. § 67d Rdn. 74). In solchen Konstellationen stellt die Aussetzung zur Bewährung anstelle einer sonst zwingend fortdauernden Vollstreckung die „konventionsfreundlichste“ Maßnahme dar.
48
5. Ob der weitere Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach den dargelegten Kriterien noch gerechtfertigt ist, hat das zuständige Gericht von Amts wegen aufgrund einer aktuellen Gefährlichkeitsprognose zu prüfen, auch wenn zwei Jahre seit der letzten Prüfung noch nicht vergangen sind. Die Entscheidung des Gerichtshofs ist eine Tatsache, die eine erneute Prüfung einer Erledigterklärung der Sicherungsverwahrung nach § 67e Abs. 1 StGB oder einer Aussetzung ihrer Vollstreckung unerlässlich macht (vgl. Grabenwarter JZ 2010, 857, 865; Radtke NStZ 2010, 537, 544).

V.


49
Nach den vom Senat entwickelten Maßstäben erscheint in den aufgezeigten Fällen im Blick auf die getroffenen Feststellungen und Wertungen der Oberlandesgerichte die weitere Vollstreckung der Sicherungsverwahrung naheliegend, weswegen in den vorliegenden Fällen auch das Ergebnis der unter II. 2. dargestellten Entscheidung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs widerstreitet.
50
1. Der Senat fragt daher beim 4. Strafsenat an, ob die entgegenstehende Rechtsprechung aufgegeben wird.
51
a) Die Anfrage wird nicht dadurch gehindert, dass sich die Entscheidung des 4. Strafsenats auf die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 3 StGB bezieht. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betrifft unmittelbar den hier relevanten § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB. Der 4. Strafsenat hat indessen die in der Entscheidung des Gerichtshofs aufgezeigten Grundsätze auf den Fall der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung übertragen. Dies entspricht der Auffassung des anfragenden Senats, wonach eine unterschiedliche Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB in Fällen nachträglicher Sicherungsverwahrung nicht in Betracht kommt (BGH NStZ 2010, 565, 566 m.w.N.; vgl. auch OLG Karlsruhe NStZ-RR 2010,

322).


52
b) Aus der dem Senat gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs in der seit 20. Juli 2010 gültigen Fassung zugewiesenen Spezialzuständigkeit zur Entscheidung von Vorlegungssachen über die Erledigung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ergibt sich kein das Anfrageverfahren ausschließender Umstand. Eine Abweichung von der Rechtsprechung anderer Senate ohne Vorlegung ist nur dann möglich, wenn ein Senat nach der Geschäftsverteilung für ein bestimmtes Rechtsgebiet (nunmehr) allein und ausschließlich zuständig ist und die Rechtsfrage nur diese Spezialmaterie betrifft (Hannich in KK 6. Aufl. § 132 GVG Rdn. 6). Die Frage der Auslegung von § 2 Abs. 6 StGB im Lichte des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erstreckt sich indessen – wie dargelegt – auf die dem Senat nicht in ausschließlicher Zuständigkeit zugewiesenen Fälle der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b StGB. Es ist undenkbar , aus der Entscheidung des Gerichtshofs eine unmittelbar umsetzbare Einschränkung der Rückwirkung in Fällen des § 66b StGB herzuleiten, ohne sie zugleich auf die von der Entscheidung unmittelbar betroffene Regelung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB zu übertragen.
53
2. Der Senat fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob der dargelegten Rechtsauffassung zugestimmt wird.
54
a) Die Frage der Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB ist eine solche von grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist auch über die vorliegenden Fälle hinaus bedeutsam, weil einschlägige Fallgestaltungen in der Praxis der Strafkammern (nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung) und der Strafvollstreckungskammern (Entscheidung nach § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB und Folgeentscheidungen) häufig zu erwarten und von großem Gewicht für die Betroffenen sind. Bei einer die Rückwirkung hindernden Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB wäre zudem in Fällen nachträglich angeordneter wie rückwirkend verlängerter und derzeit vollzogener Unterbringung in der Sicherungsverwahrung – unbeschadet anhängiger Verfassungsbeschwerden – die Maß- regel unverzüglich für erledigt zu erklären (vgl. Veh in MünchKomm-StGB § 67d Rdn. 35). Auch deshalb ist die Frage grundsätzlich klärungsbedürftig.
55
b) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung führt der Senat daher das Anfrageverfahren auch bei den anderen Senaten durch (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Anfrage Hannich aaO § 132 GVG Rdn. 16; Kissel /Mayer, GVG 6. Aufl. § 132 Rdn. 38; vgl. auch BGHSt 16, 351, 353).

VI.


56
Der Senat weist auf Folgendes hin:
57
Seine Auslegung vermag – ungeachtet der dargelegten formellen und materiellen Einschränkungen – bei rückwirkend zeitlich unbegrenzter Fortdauer der Sicherungsverwahrung in den einschlägigen Fällen höchst gefährlicher Gewalttäter auf der Grundlage des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nichts an dem darin angenommenen Verstoß jedenfalls gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK zu ändern.
58
1. Ihn zu beseitigen, ist primär gesetzgeberischen Maßnahmen vorbehalten (vgl. dazu auch den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen, BT-Drucks. 17/3403). Hierfür ist nach Auffassung des Senats eine zwingend grundlegend veränderte Ausgestaltung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung in Betracht zu ziehen, welche dessen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellte strafgleiche Wirkung zu beseitigen geeignet ist, und zwar insbesondere durch verstärkte Therapieorientierung, ferner durch deutliche Vollzugserleichterungen im Vergleich zum Strafvollzug. Dies würde zugleich das bereits vom Bundesverfassungsgericht ansatzweise verlangte „Abstandsgebot“ (vgl. BVerfGE 109, 133, 153 ff., 166 f.) effektiv machen. Ob sich eine Neugestaltung in diesem Sinne auf die – hier allein relevanten – Altfälle mit Rückwirkung, etwa gar nur auf nach der Entscheidung des Ge- richtshofs bereits freigelassene Verurteilte beschränken ließe (so der vorbezeichnete Koalitionsentwurf), hat der Senat nicht zu beurteilen, erscheint freilich im Blick auf den Gleichheitsgrundsatz und das Freiheitsrecht aller in Sicherungsverwahrung Untergebrachter überaus zweifelhaft.
59
2. Der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellte Verstoß insbesondere gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK verstärkt die verfassungsrechtlichen Zweifel, denen die rückwirkende Streichung der zuvor vorgesehenen Begrenzung der Unterbringungsdauer unterliegt. Diese Bedenken erfassen gleichermaßen die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung nach § 66b StGB in Fällen, in denen die Regelung bei Tatbegehung noch nicht gegolten hat, namentlich soweit sie gar noch an Maßregelvoraussetzungen anknüpft, die erst nach Tatbegehung geschaffen worden sind. Der Bundesgerichtshof hat die verfassungsrechtliche Problematik in einschlägigen Fällen des § 66b StGB wiederholt behandelt (vgl. nur BGHSt 50, 373, 377 ff.; 52, 205, 209 ff.; BGH NStZ 2010, 565, 567).
60
Die eingetretene Divergenz der Auslegung des in Art. 103 Abs. 2 GG und in Art. 7 Abs. 1 MRK gleichermaßen verankerten Grundsatzes „nulla poena sine lege“ durch das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist für die Strafjustiz höchst problematisch. Sie betrifft zudem einen besonders empfindlichen Bereich der Strafrechtspflege , in dem ein beträchtliches Gewicht der Freiheitseinschränkung für Verurteilte in Spannung tritt zu einhergehenden gravierenden Gefahren für die Allgemeinheit – konkret für Leib und Leben potentieller Opfer –, die mit Lockerungen und Entlassungen einhergehen. Nach dem Urteil des Gerichtshofs kann sich die Frage einer Verfassungsmäßigkeit rückwirkender Regelungen bei § 67d Abs. 3 Satz 1 wie bei § 66b StGB neu stellen, insbesondere unter dem Blickwinkel des durch Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Vertrauens rechtskräftig Abgeurteilter angesichts der jedenfalls gegebenen Nähe zum Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG. Auch dem Bundesverfassungsgericht obliegt die Berücksichtigung einer verbindlichen Interpretation der Konvention durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (vgl. Grabenwarter JZ 2010, 857, 863).
61
Da das Verfahren nach § 132 GVG in der vom Senat abgelehnten Alternative letztlich zur Unanwendbarkeit der Normen führen kann, deren Rückwirkung in Frage steht – mit Ausnahme des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB, der keinen Anwendungsbereich ohne Rückwirkung hat (vgl. oben III. 2d; dazu BGH NStZ 2010, 565, 566) –, kommt eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG an das Bundesverfassungsgericht in der jetzigen Phase der Entscheidungsfindung nicht in Betracht. Sie mag nach Abschluss des Verfahrens gemäß § 132 GVG, unter Umständen aber auch vom Großen Senat für Strafsachen innerhalb dieses Verfahrens, in Erwägung zu ziehen sein. Näher läge sie freilich erst in Fällen, in denen ein Oberlandesgericht nach Durchführung des Vorlegungsverfahrens abschließend zur Anordnung der Fortdauer der Maßregelvollstreckung gelangen sollte. Im Übrigen lassen bereits anhängige Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in absehbarer Zeit Entscheidungen erwarten. Selbst bei veränderter Beurteilung der Verfassungsrechtslage ist dabei die Verwerfung der zur Prüfung stehenden Normen nicht zwingend ; vielmehr erscheint auch eine Verpflichtung zu gesetzgeberischen Maßnahmen im Sinne der Umgestaltung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung nicht ausgeschlossen.

VII.


62
Bis zur Erledigung des Verfahrens nach § 132 GVG gibt der Senat die Akten den vorlegenden Oberlandesgerichten zurück. Er weist hierzu auf Folgendes hin:
63
1. Das Verfahren wird voraussichtlich mehrere Monate andauern. Während dieser Zeit wird die Unterbringung gegen die Verurteilten weiterhin vollstreckt, der Eingriff in das Freiheitsgrundrecht, dessen Zulässigkeit in den Vorlegungsverfahren in Zweifel steht, mithin stetig weiter vertieft. Dies erfor- dert, dass die Oberlandesgerichte bereits vor Klärung der Vorlegungsfrage aktuell zu überprüfen haben, ob – unabhängig von der Vorlegungsfrage – die Freiheitsentziehung gegen den Verurteilten zu beenden oder die Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen ist. Die Prüfung hat den vorstehend (oben IV.) bezeichneten, für die Oberlandesgerichte wegen der ausschließlichen Zuständigkeit des Senats nach § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG verbindlichen Maßstäben zu folgen.
64
2. Geboten ist zunächst eine neue Sachentscheidung nach § 67e Abs. 1 Satz 1 StGB aus Anlass des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Ihr ist ein aktuelles Sachverständigengutachten zugrunde zu legen (§ 463 Abs. 3 Satz 4 StPO), das sich an den engeren Kriterien zu Verhältnismäßigkeit und Gefahrenbegriff zu orientieren hat.
65
3. Für den Fall, dass die bisherige oder eine erneute Sachprüfung auch unter Zugrundelegung dieser Grundsätze konkreter höchster Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit eine weitere Vollstreckung der Maßregel unerlässlich erscheinen lässt, ist zu beachten:
66
a) Auf etwa während des Vorlegungsverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 132 GVG auftretende neue Entwicklungen, die für die Beurteilung der Gefährlichkeit des Verurteilten bedeutsam sein können, muss unverzüglich mit einer neuen Sachprüfung der Unerlässlichkeit weiterer Freiheitsentziehung reagiert werden.
67
b) Es ist denkbar, dass die Prüfung im Verfahren nach § 132 GVG entgegen dem Votum des erkennenden Senats zum Ergebnis genereller Unzulässigkeit weiterer Maßregelvollstreckung gelangt. Dies zöge die sofortige Entlassung aller betroffenen Untergebrachten nach sich. Im Hinblick darauf ist eine vorsorgliche Vorbereitung sofort umsetzbarer, im Entlassungsfall angezeigter – insbesondere fürsorglicher – Maßnahmen zwingend geboten, die einer sozialen Gefährdung entlassener Verurteilter und einer damit einherge- henden Gefährdung der Allgemeinheit entgegenzuwirken vermögen. Durch eine unvorbereitete Eilentlassung würde diesen Gefahren Vorschub geleistet. Auf geeignete Maßnahmen hinzuwirken, ist auch Aufgabe der im Erledigungsverfahren tätigen Vollstreckungsgerichte einschließlich der vorlegenden Oberlandesgerichte.
Basdorf Brause Schaal Schneider König
4
Die beabsichtigte Entscheidung widerspricht nicht der Rechtsprechung des Senats. Er stimmt der Rechtsauffassung des 5. Strafsenats zu.
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
Zur Ermessensausübung bei Anwendung der §§ 66b Abs. 1
Satz 2, 66 Abs. 2 StGB nach der Entscheidung EGMR
EuGRZ 2010, 25.
BGH, Beschluss vom 21. Juli 2010 – 5 StR 60/10
LG Frankfurt (Oder) –
alt: 5 StR 21/09

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 21. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juli 2010 beschlossen:
1. Auf die Revision des Verurteilten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 12. November 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben. Der Antrag auf nachträgliche Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird zurückgewiesen.
2. Der Unterbringungsbefehl des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. August 2008 wird aufgehoben. Der Verurteilte ist in dieser Sache unverzüglich auf freien Fuß zu setzen.
3. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Rechtsmittelkosten und die notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last.
4. Die Entscheidung über die Entschädigung des Verurteilten wegen der erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen bleibt dem Landgericht vorbehalten.
G r ü n d e
1
Landgericht Das Frankfurt (Oder) hat mit Urteil vom 12. November 2009 gegen den Beschwerdeführer (erneut) die nachträgliche Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 66 Abs. 2 StGB angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Verurteilten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts beanstandet. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
wiederholt, Der unter anderem wegen Sexualdelikten unterschiedlicher Art und Schwere auch gegen Kinder (vgl. Senatsbeschluss vom 25. März 2009 – 5 StR 21/09 – Tz. 6 bis 11, insoweit in BGHR StGB § 66b Abs. 1 Satz 2 Voraussetzungen 2 nicht abgedruckt) vorbestrafte Verurteilte war durch Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 7. April 1997 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in acht Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in 17 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt worden. Die Einzelstrafen für die Vergewaltigungsfälle betrugen jeweils vier Jahre und sechs Monate. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 1992 und 1993 in Brandenburg wiederholt sexuelle Handlungen an seiner acht bzw. neun Jahre alten Stieftochter vorgenommen hatte. In 20 Fällen vollzog er – zumeist unter Mitwirkung seiner Ehefrau, die das Kind festhielt – den vaginalen Geschlechtsverkehr an dem Mädchen. Den in den ersten acht Fällen von der Geschädigten noch geleisteten Widerstand überwand er mit Gewalt.
3
Urteil Das wurde am 6. Januar 1998 hinsichtlich des Schuld- und Strafausspruchs rechtskräftig, hinsichtlich der Frage der Anordnung einer Maßregel – zunächst war der Verurteilte im psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden, nach insoweit erfolgter Aufhebung durch den Bundesgerichtshof wurde eine Maßregel nicht erneut angeordnet – trat Rechtskraft am 8. Juli 1998 ein.
4
Die Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verbüßte der Verurteilte vollständig. Seit dem 15. August 2008 befindet er sich aufgrund Beschlusses des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. August 2008 im Vollzug der einstweiligen Unterbringung gemäß § 275a Abs. 5 StPO.
5
Mit Urteil vom 2. Oktober 2008 hatte das Landgericht Frankfurt (Oder) auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 18. April 2008 gegen den Verurteilten gemäß § 66b Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 66 Abs. 2 StGB nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dieses Urteil hat der Senat durch Beschluss vom 25. März 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Grund für die Aufhebung war, dass – bei rechtsfehlerfreier Bejahung der formellen Voraussetzungen des § 66b Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 66 Abs. 2 StGB – die Darlegungen des Landgerichts den gebotenen Anforderungen an die Gefährlichkeitsprognose nicht gerecht wurden.
6
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht nunmehr erneut die nachträgliche Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

II.


7
Die Revision des Verurteilten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung des Antrags der Staatsanwaltschaft auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung.
8
1. Das Landgericht hat die sachlichen Voraussetzungen des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB – im Ansatz rechtsfehlerfrei – bejaht. Nach dieser am 18. April 2007 in Kraft getretenen Bestimmung kann die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung auch dann nachträglich angeordnet werden, wenn die vom Verurteilten ausgehende Gefahr bereits im Zeitpunkt der Verurteilung erkennbar war, die Sicherungsverwahrung aber aus rechtlichen Gründen nicht verhängt werden konnte. Gegen den Verurteilten konnte aus rechtlichen Gründen bei der Verurteilung am 7. April 1997 nicht auf Sicherungsverwahrung erkannt werden. Die Vorschrift des § 66 StGB war damals auf – wie hier – im Beitrittsgebiet begangene Taten nicht anwendbar (Art. 1a Abs. 1 EGStGB a.F., eingefügt durch Anlage 1 Kapitel III Sachgebiet C Abschnitt II Nr. 1a des Einigungsvertrages, BGBl II 1990 S. 954).
9
2. § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB ist grundsätzlich auf Taten anwendbar, die vor seinem Inkrafttreten – mithin vor dem 18. April 2007 – begangen worden sind, und ausschließlich auf Straftaten, bei deren Aburteilung die Verhängung von Sicherungsverwahrung aus Rechtsgründen ausgeschlossen war. Die Sicherungsverwahrung rechnet zu den Maßregeln der Besserung und Sicherung (§ 61 Nr. 3 StGB), für die nach § 2 Abs. 6 StGB das zum Zeitpunkt der Entscheidung geltende Recht maßgebend ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 6 StGB in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 MRK. Letzterer kann im Geltungsbereich von § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB nicht als abweichende gesetzliche Bestimmung gemäß § 2 Abs. 6 StGB angesehen werden.
10
a) Die Europäische Menschenrechtskonvention wurde als völkerrechtlicher Vertrag durch den Bundesgesetzgeber in das deutsche Recht transformiert. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung kommt den Regelungen der Konvention der Rang einfachen Bundesrechts zu. Die Europäische Menschenrechtskonvention ist bei der Interpretation des nationalen Rechts im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfGE 111, 307, 317). Dabei sind die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte heranzuziehen, weil sie den aktuellen Entwicklungsstand der Konvention widerspiegeln (BVerfG aaO S. 319).
11
b) Nach dem Urteil der Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Fünfte Sektion) in der Rechtsache M. gegen Bundesrepublik Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 19359/04) vom 17. Dezember 2009 (EuGRZ 2010, 25) ist die Sicherungsverwahrung – ungeachtet ihrer Einordnung im deutschen Recht als Maßregel der Besserung und Sicherung – im Sinne der MRK als Strafe zu qualifizieren, für die das Rückwirkungsverbot des Art. 7 Abs. 1 MRK gilt (Rdn. 124 bis 133). Der Europäische Gerichts- hof für Menschenrechte hat dies unter anderem damit begründet, dass die Sicherungsverwahrung wie eine Freiheitsstrafe mit Freiheitsentziehung verbunden sei und es in der Bundesrepublik Deutschland keine wesentlichen Unterschiede zwischen dem Vollzug einer Freiheitsstrafe und dem der Sicherungsverwahrung gebe (Rdn. 127 bis 130). Er hat daher im entschiedenen Fall die Bundesrepublik Deutschland zur Zahlung von Schadensersatz an den Beschwerdeführer verurteilt, da die Anwendung des § 67d StGB in der Fassung vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160), in welchem die Höchstfrist der Sicherungsverwahrung für Erstverwahrte von zehn Jahren in § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB a.F. teilweise aufgehoben worden war, auf Altfälle gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK verstoße (Rdn. 135 ff.). Diese Entscheidung ist endgültig, nachdem der Antrag der Bundesregierung auf Verweisung der Rechtssache an die Große Kammer am 10. Mai 2010 abgelehnt worden ist (Art. 43 Abs. 2, Art. 44 Abs. 2 lit. c MRK).
12
c) Unmittelbar betroffen von der genannten Entscheidung ist nur die rückwirkende Geltung von § 67d StGB. Allerdings stellt die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB in ihren rechtlichen Voraussetzungen allein auf Straftaten ab, die bereits vor dem Inkrafttreten der Norm begangen wurden. Die durch den Gerichtshof gegen die Anordnung der Rückwirkung angeführten Argumente sind auf die § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB zugrundeliegenden Fallkonstellationen übertragbar (vgl. auch Kinzig NStZ 2010, 233, 239; Müller StV 2010, 207, 211 f.; Eisenberg NJW 2010, 1507, 1509; Laue JR 2010, 198, 202 f.; Peglau jurisPR-StrafR 1/2010 Anm. 2). Es muss davon ausgegangen werden, dass der Gerichtshof einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 MRK auch insoweit annehmen würde.
13
d) Beanstandet eine Entscheidung des Gerichtshofs über den entschiedenen Einzelfall hinaus strukturelle Mängel des nationalen Rechts, so gebietet die Verpflichtung der innerstaatlichen Beachtung der MRK – ungeachtet deren nach Art. 46 MRK auf den Einzelfall beschränkten Bindungswir- kung – eine konventionskonforme Ausgestaltung des nationalen Rechts (Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. MRK Verfahren Rdn. 77b). Auch ohne eine dem § 31 Abs. 1 BVerfGG vergleichbare Vorschrift, wonach alle Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gebunden sind, gehört zur Bindung an Gesetz und Recht, dass Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in ihrer Ausformung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG aaO S. 323). Die Rangzuweisung der Europäischen Menschenrechtskonvention als einfaches Bundesrecht führt dazu, dass deutsche Gerichte die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden haben (BVerfG aaO). Solange Auslegungs- und Abwägungsspielräume eröffnet sind, trifft sie die Pflicht, der konventionsgemäßen Auslegung den Vorrang zu geben. Anderes gilt allerdings dann, wenn die Beachtung der Entscheidung des Gerichtshofs eindeutig entgegenstehendes Gesetzesrecht verletzen würde (BVerfG aaO S. 329); die Zulässigkeit konventionskonformer Auslegung endet aus Gründen der Gesetzesbindung der Gerichte dort, wo der gegenteilige Wille des nationalen Gesetzgebers hinreichend deutlich erkennbar wird (Giegerich in Grote/Marauhn [Hrsg.], EMRK/GG Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz 2006 Kap. 2 Rdn. 20).
14
e) Nach diesen Grundsätzen kann in den Fällen des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB das Rückwirkungsverbot gemäß Art. 7 Abs. 1 MRK nicht als abweichende gesetzliche Bestimmung nach § 2 Abs. 6 StGB angesehen werden. Eine Interpretation in diesem Sinne würde zur unmittelbaren Kollision der betroffenen Vorschriften führen und im Ergebnis auf eine vollständige Verwerfung des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB hinauslaufen. Anders als bei den übrigen Regelungen des § 66b StGB würde § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB jeglicher Anwendungsbereich genommen, wenn auf die Geltung der Norm im Zeitpunkt der Begehung der Anlasstat abgestellt werden müsste.
15
Einer Anwendung des Art. 7 Abs. 1 MRK als abweichende Regelung nach § 2 Abs. 6 StGB stehen der Gesetzeswortlaut des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB sowie der eindeutige Wille des Gesetzgebers entgegen. Die Vorschrift wurde als „Altfallregelung“ geschaffen. Ausdrücklich sollte gewährleistet werden , „dass bei der Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung als neu auch solche Tatsachen berücksichtigt werden können, die das Tatgericht aus rechtlichen Gründen bei seiner Entscheidung nicht verwerten durfte“ (BTDrucks. 16/4740 S. 23). In die Prüfung sollen Tatsachen einbezogen werden, „die im Zeitpunkt der Verurteilung bereits erkennbar oder sogar bekannt waren“ (BTDrucks. aaO). Beispielhaft verweisen die Gesetzesmaterialen auf die vorliegende Fallgestaltung, in der aufgrund der damals gültigen Fassung des Art. 1a EGStGB bei Aburteilung im Beitrittsgebiet begangener Anlasstaten Sicherungsverwahrung nicht angeordnet werden konnte (BTDrucks. aaO S. 22). Raum für eine Anwendung des Art. 7 Abs. 1 MRK ist in diesem Rahmen nicht eröffnet, weil § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB ausdrücklich und ausschließlich für Altfälle gilt.
16
f) Entscheidungen anderer Senate des Bundesgerichtshofs stehen der Rechtsauffassung des Senats nicht entgegen. Die Frage, ob § 2 Abs. 6 StGB in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 MRK einer Anwendung des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB widerstreitet, ist – soweit ersichtlich – vom Bundesgerichtshof noch nicht entschieden worden. Der 4. Strafsenat hat in seinem Beschluss vom 12. Mai 2010 – 4 StR 577/09 – zur Frage der Anwendung von § 66b Abs. 3 StGB auf Altfälle Stellung genommen. Soweit er die Auffassung vertreten hat, dass § 2 Abs. 6 StGB in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 MRK der Anwendung des § 66b Abs. 3 StGB in Altfällen zuwiderlaufe, handelt es sich nicht um einen Fall von Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 GVG. Im Gegensatz zur Regelung des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB verbleibt für § 66b Abs. 3 StGB bei der vom 4. Strafsenat vertretenen Auffassung ein Anwendungsbereich in den Fällen, in denen die Anlassverurteilung nach Inkrafttreten der Norm erfolgte ; die Norm erschöpft sich nicht in einer Geltung für Altfälle. Der Senat muss deshalb nicht entscheiden, ob er sich in Bezug auf § 66b Abs. 3 StGB der Rechtsauffassung des 4. Strafsenats anschließen würde.
17
3. Angesichts der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hält indes die Ermessensausübung des Landgerichts revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht Stand. In allen Fällen des § 66b StGB trifft das Tatgericht eine Ermessensentscheidung, im Rahmen derer der Vertrauensschutz des Verurteilten sowie sein Freiheitsrecht gegen das Schutzbedürfnis der Allgemeinheit abzuwägen sind. Bei der Anwendung des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB haben die Strafgerichte darüber hinaus im Blick zu behalten , dass der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit es gebieten kann, über die gesetzlichen Beschränkungen des Anwendungsbereichs der Norm hinaus auf die mit erheblichen Eingriffen in die Freiheitsrechte des Betroffenen verbundene nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu verzichten, wenn eine Gesamtabwägung im Einzelfall ein Überwiegen der Freiheitsrechte gegenüber den Allgemeininteressen ergibt (BVerfG – Kammer – NJW 2009, 980, 982).
18
a) Nach den dargestellten Grundsätzen sind in die Ermessensausübung auch die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in ihrer Ausformung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einzubeziehen. In die Abwägung muss die vom Gerichtshof geforderte konventionsgemäße Gewichtung einfließen (Gollwitzer aaO Rdn. 77a), um eine konforme Anwendung der in Frage stehenden Norm zu gewährleisten. Die Ausführungen des Gerichtshofs zur Vereinbarkeit mit Art. 7 Abs. 1 MRK streiten in diesem Rahmen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gewichtig zugunsten des Verurteilten.
19
b) Gleiches gilt für die Erwägungen des Gerichtshofs zu der ebenfalls angenommenen Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 MRK, mithin des Freiheitsrechts des Verurteilten. Diesbezüglich hält der Gerichtshof in der genannten Entscheidung die Freiheitsentziehung über die ursprünglich für die Sicherungsverwahrung geltende Zehnjahresfrist hinaus für nicht nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. a MRK gerechtfertigt. Ein ausreichender Kausalzusammenhang zwischen der Verurteilung des Beschwerdeführers und seinem fortdauernden Freiheitsentzug liege nicht vor. Eine Rechtfertigung der Freiheitsentziehung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. c MRK komme ebenfalls nicht in Betracht , da die Gefahr weiterer schwerer Straftaten nicht konkret und spezifisch genug sei.
20
Diese vom Gerichtshof für § 67d StGB aufgezeigten Bedenken sind ebenfalls auf die Regelung des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB zu übertragen. Danach beruht die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht auf einer „Verurteilung" im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. a MRK. Denn diese setzt die Schuldfeststellung wegen einer Straftat und die Auferlegung einer Strafe oder einer anderen freiheitsentziehenden Maßnahme voraus (EuGRZ aaO Rdn. 87, 95). Die Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung enthält indes keine Schuldfeststellung. Auf die Anlassverurteilung kann hier nicht abgestellt werden, weil – unter Zugrundelegung der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vertretenen Grundsätze (aaO Rdn. 100) – ein hinreichender kausaler Zusammenhang zwischen ihr und der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht besteht. Die Verurteilung des Beschwerdeführers im Jahr 1997 bedeutete, dass er nach spätestens zwölf Jahren aus der Haft zu entlassen sein würde, und zwar unabhängig von einer bei der Entlassung bestehenden Gefährlichkeit. Ohne die nachträgliche Einführung des § 66b StGB hätte er nicht in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden können; seine Unterbringung wurde nur durch die nachfolgende Gesetzesänderung im Jahre 2007 möglich und geschah aufgrund eines neuen gerichtlichen Erkenntnisses.
21
4. Vor diesem Hintergrund ist bei konventionskonformer Ermessensausübung von einem grundsätzlichen Überwiegen des Freiheitsrechtes und des Vertrauensschutzes des Beschwerdeführers auszugehen.
22
a) Ungeachtet der Frage, ob § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB insgesamt mit dem im Lichte der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention auszulegenden (vgl. dazu BVerfGE 74, 102, 128 m.w.N.; BVerfG – Kammer – EuGRZ 2004, 317, 318) Vertrauensgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 GG) vereinbar ist (vgl. dazu auch BGH NJW 2010, 1539, 1542 f.), kann die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung auf der Grundlage dieser Vorschrift allenfalls bei höchstgefährlichen Verurteilten in Betracht kommen, bei denen sich die Gefahrenprognose aus konkreten Umständen in der Person oder ihrem Verhalten ableiten lässt. Nur dann erscheint denkbar, dass nach der aus der Entscheidung des Gerichtshofs (EuGRZ 2010, 25) folgenden Rechtsauffassung der Eingriff in das Freiheitsrecht des Verurteilten unter Berücksichtigung seines auf höchster Stufe schutzwürdigen Vertrauens in die Unabänderbarkeit der in der Anlassverurteilung verhängten Rechtsfolge einerseits und der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit andererseits im Rahmen einer zu seinen Lasten getroffenen Abwägungsentscheidung gerechtfertigt ist.
23
b) Ein derart schwerwiegendes, sich in konkreten Anhaltspunkten manifestierendes Gefährdungspotential belegen die Feststellungen des Landgerichts nicht.
24
Sachverständig beraten ist das Landgericht zu der Überzeugung gelangt , dass der 67 Jahre alte und aufgrund eines Schlaganfalls im Jahr 2001 in seiner Beweglichkeit eingeschränkte Verurteilte wegen eines Hanges zur Begehung erheblicher Sexualstraftaten gefährlich ist. Beim Verurteilten handele es sich um eine dissoziale Persönlichkeit, deren Lebensweg auch mangels eines inneren Wertesystems von starker Egozentrik in der Wahrnehmung seiner persönlichen, insbesondere sexuellen Bedürfnisse geprägt sei. Die massive Verleugnung sowie die damit einhergehende mangelnde therapeutische Aufarbeitung der von ihm begangenen Straftaten verhinderten eine selbstkritische Auseinandersetzung mit seiner Persönlichkeit sowie den Aufbau eines von Empathie getragenen Wertesystems. Da sich die Persönlich- keitsstruktur auch in der nunmehr seit über 13 Jahren andauernden Haftzeit trotz überwiegend guter Führung nicht geändert habe, bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Verurteilte im Falle seiner Entlassung aus der Haft auch künftig Sexualstraftaten – gegebenenfalls erneut unter der enthemmenden Wirkung von Alkohol – aus dem gesamten Spektrum der seit dem 20. Lebensjahr von ihm begangenen Taten begehen werde.
25
Damit hat das Landgericht die fortbestehende Gefährlichkeit des Verurteilten im Ergebnis aus der dissozialen Prägung seiner Persönlichkeit und seines Lebensweges abgeleitet, die sich in den von ihm begangenen Straftaten niedergeschlagen hat, verbunden mit dem Umstand, dass er nie zu einer therapeutischen Aufarbeitung seiner Straftaten bereit war. Hinreichend konkrete Hinweise auf die Begehung künftiger Straftaten von höchster Schwere hat das Landgericht demgegenüber nicht festgestellt. Diese sind indes auf der Grundlage der – nach dem angefochtenen Urteil ergangenen – Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte jedenfalls erforderlich , um die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB rechtfertigen zu können.
26
c) Nachdem das Landgericht bereits nach der Zurückverweisung der Sache durch den Senat mit Beschluss vom 25. März 2009 ergänzende Feststellungen zum Beleg der Gefahrenprognose getroffen hat, schließt der Senat aus, dass noch weitergehende Feststellungen getroffen werden können, die eine auf hinreichend konkreten Anhaltspunkten basierende Gefahrenprognose in der Person des Verurteilten begründen. Er hat wegen der aus Rechtsgründen eingetretenen Ermessensreduzierung von einer Zurückverweisung der Sache abgesehen.
27
5. Die Maßregelanordnung war demzufolge aufzuheben und der Antrag der Staatsanwaltschaft in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO zurückzuweisen. Der Verurteilte ist unverzüglich auf freien Fuß zu setzen.
28
6. Die Entscheidung über die Entschädigung des Beschwerdeführers wegen der seit Ende der Strafhaft erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen bleibt wegen der größeren Sachnähe dem Landgericht vorbehalten.
Brause Sander Schneider König Bellay

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
jemand wegen einer der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Straftaten verurteilt wird,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 verweist, und
3.
nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar, aber wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(2) Einen Vorbehalt im Sinne von Absatz 1 kann das Gericht auch aussprechen, wenn

1.
jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung, nach dem Achtundzwanzigsten Abschnitt oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, verurteilt wird,
2.
die Voraussetzungen des § 66 nicht erfüllt sind und
3.
mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 vorliegen.

(3) Über die nach Absatz 1 oder 2 vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung kann das Gericht im ersten Rechtszug nur bis zur vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden; dies gilt auch, wenn die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt war und der Strafrest vollstreckt wird. Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Ist wegen der Straftat eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so kann das Gericht an Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe auf eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu fünfzehn Jahren erkennen.

(2) Das Gericht kann anordnen, daß der Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (§ 45 Abs. 1 des Strafgesetzbuches), nicht eintritt.

(3) Sicherungsverwahrung darf neben der Strafe nicht angeordnet werden. Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Heranwachsende zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt wird wegen eines oder mehrerer Verbrechen
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
auf Grund der Gesamtwürdigung des Heranwachsenden und seiner Tat oder seiner Taten mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass bei ihm ein Hang zu Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art vorliegt und er infolgedessen zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.

(4) Unter den übrigen Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 2 kann das Gericht einen solchen Vorbehalt auch aussprechen, wenn

1.
die Verurteilung wegen eines oder mehrerer Vergehen nach den §§ 176a und 176b des Strafgesetzbuches erfolgt,
2.
die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 des Strafgesetzbuches erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Strafgesetzbuches verweist, und
3.
es sich auch bei den maßgeblichen früheren und künftig zu erwartenden Taten um solche der in Nummer 1 oder Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Art handelt, durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist oder würde.

(5) Wird neben der Strafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Strafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Täters dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig. § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches bleiben unberührt.

(6) Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 oder Absatz 4 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

(7) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art begehen wird.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem 31. Dezember 2010 begangen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bisherige Recht anzuwenden, soweit in den Absätzen 2 und 3 sowie in Artikel 316f Absatz 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Sind die Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung nach § 66 des Strafgesetzbuches angeordnet werden soll, vor dem 1. Januar 2011 begangen worden und ist der Täter deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilt worden, so ist § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung anzuwenden, wenn diese gegenüber dem bisherigen Recht das mildere Gesetz ist.

(3) Eine nach § 66 des Strafgesetzbuches vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig angeordnete Sicherungsverwahrung erklärt das Gericht für erledigt, wenn die Anordnung ausschließlich auf Taten beruht, die nach § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung nicht mehr Grundlage für eine solche Anordnung sein können. Das Gericht kann, soweit dies zur Durchführung von Entlassungsvorbereitungen geboten ist, als Zeitpunkt der Erledigung spätestens den 1. Juli 2011 festlegen. Zuständig für die Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 ist das nach den §§ 454, 462a Absatz 1 der Strafprozessordnung zuständige Gericht. Für das Verfahren ist § 454 Absatz 1, 3 und 4 der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden; die Vollstreckungsbehörde übersendet die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichtes, die diese umgehend dem Gericht zur Entscheidung übergibt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein.

(4) § 1 des Therapieunterbringungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) ist unter den dortigen sonstigen Voraussetzungen auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene noch nicht in Sicherungsverwahrung untergebracht, gegen ihn aber bereits Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug angeordnet war und aufgrund einer vor dem 4. Mai 2011 ergangenen Revisionsentscheidung festgestellt wurde, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich deshalb nicht rechtskräftig angeordnet werden konnte, weil ein zu berücksichtigendes Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung dem entgegenstand, ohne dass es dabei auf den Grad der Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit angekommen wäre.

(1) Steht auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung fest, dass eine wegen einer Straftat der in § 66 Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches genannten Art verurteilte Person deshalb nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil ein Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen ist, kann das zuständige Gericht die Unterbringung dieser Person in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung anordnen, wenn

1.
sie an einer psychischen Störung leidet und eine Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit, ihres Vorlebens und ihrer Lebensverhältnisse ergibt, dass sie infolge ihrer psychischen Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen wird, und
2.
die Unterbringung aus den in Nummer 1 genannten Gründen zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist.

(2) Absatz 1 ist unabhängig davon anzuwenden, ob die verurteilte Person sich noch im Vollzug der Sicherungsverwahrung befindet oder bereits entlassen wurde.

(1) Für die Therapieunterbringung nach § 1 sind nur solche geschlossenen Einrichtungen geeignet, die

1.
wegen ihrer medizinisch-therapeutischen Ausrichtung eine angemessene Behandlung der im Einzelfall vorliegenden psychischen Störung auf der Grundlage eines individuell zu erstellenden Behandlungsplans und mit dem Ziel einer möglichst kurzen Unterbringungsdauer gewährleisten können,
2.
unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte und der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit eine die Untergebrachten so wenig wie möglich belastende Unterbringung zulassen und
3.
räumlich und organisatorisch von Einrichtungen des Strafvollzuges getrennt sind.

(2) Einrichtungen im Sinne des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches sind ebenfalls für die Therapieunterbringung geeignet, wenn sie die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 erfüllen.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten (§ 66a des Strafgesetzbuches), übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten rechtzeitig an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichts. Diese übergibt die Akten so rechtzeitig dem Vorsitzenden des Gerichts, dass eine Entscheidung bis zu dem in Absatz 5 genannten Zeitpunkt ergehen kann. Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67d Absatz 6 Satz 1 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, übersendet die Vollstreckungsbehörde die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des Gerichts, das für eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66b des Strafgesetzbuches) zuständig ist. Beabsichtigt diese, eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu beantragen, teilt sie dies der betroffenen Person mit. Die Staatsanwaltschaft soll den Antrag auf nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung unverzüglich stellen und ihn zusammen mit den Akten dem Vorsitzenden des Gerichts übergeben.

(2) Für die Vorbereitung und die Durchführung der Hauptverhandlung gelten die §§ 213 bis 275 entsprechend, soweit nachfolgend nichts anderes geregelt ist.

(3) Nachdem die Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Der Vorsitzende verliest das frühere Urteil, soweit es für die Entscheidung über die vorbehaltene oder die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung von Bedeutung ist. Sodann erfolgt die Vernehmung des Verurteilten und die Beweisaufnahme.

(4) Das Gericht holt vor der Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen ein. Ist über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden, müssen die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt werden. Die Gutachter dürfen im Rahmen des Strafvollzugs oder des Vollzugs der Unterbringung nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein.

(5) Das Gericht soll über die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung spätestens sechs Monate vor der vollständigen Vollstreckung der Freiheitsstrafe entscheiden.

(6) Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet wird, so kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen. Für den Erlass des Unterbringungsbefehls ist das für die Entscheidung nach § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches zuständige Gericht so lange zuständig, bis der Antrag auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei dem für diese Entscheidung zuständigen Gericht eingeht. In den Fällen des § 66a des Strafgesetzbuches kann das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen, wenn es im ersten Rechtszug bis zu dem in § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bestimmten Zeitpunkt die vorbehaltene Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Die §§ 114 bis 115a, 117 bis 119a und 126a Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

Tenor

Der Gegenstandswert der Tätigkeit des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers wird auf 60.000 € (in Worten: sechzigtausend Euro) festgesetzt.

(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.

(2) Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.

(3) Das Recht, eine Verfassungsbeschwerde an das Landesverfassungsgericht nach dem Recht der Landesverfassung zu erheben, bleibt unberührt.

(1) Die Verfassungsbeschwerde ist binnen eines Monats zu erheben und zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung, wenn diese nach den maßgebenden verfahrensrechtlichen Vorschriften von Amts wegen vorzunehmen ist. In anderen Fällen beginnt die Frist mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht zu verkünden ist, mit ihrer sonstigen Bekanntgabe an den Beschwerdeführer; wird dabei dem Beschwerdeführer eine Abschrift der Entscheidung in vollständiger Form nicht erteilt, so wird die Frist des Satzes 1 dadurch unterbrochen, daß der Beschwerdeführer schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle die Erteilung einer in vollständiger Form abgefaßten Entscheidung beantragt. Die Unterbrechung dauert fort, bis die Entscheidung in vollständiger Form dem Beschwerdeführer von dem Gericht erteilt oder von Amts wegen oder von einem an dem Verfahren Beteiligten zugestellt wird.

(2) War ein Beschwerdeführer ohne Verschulden verhindert, diese Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden. Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig. Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden eines Beschwerdeführers gleich.

(3) Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz oder gegen einen sonstigen Hoheitsakt, gegen den ein Rechtsweg nicht offensteht, so kann die Verfassungsbeschwerde nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes oder dem Erlaß des Hoheitsaktes erhoben werden.

(4) Ist ein Gesetz vor dem 1. April 1951 in Kraft getreten, so kann die Verfassungsbeschwerde bis zum 1. April 1952 erhoben werden.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem 31. Dezember 2010 begangen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bisherige Recht anzuwenden, soweit in den Absätzen 2 und 3 sowie in Artikel 316f Absatz 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Sind die Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung nach § 66 des Strafgesetzbuches angeordnet werden soll, vor dem 1. Januar 2011 begangen worden und ist der Täter deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilt worden, so ist § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung anzuwenden, wenn diese gegenüber dem bisherigen Recht das mildere Gesetz ist.

(3) Eine nach § 66 des Strafgesetzbuches vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig angeordnete Sicherungsverwahrung erklärt das Gericht für erledigt, wenn die Anordnung ausschließlich auf Taten beruht, die nach § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung nicht mehr Grundlage für eine solche Anordnung sein können. Das Gericht kann, soweit dies zur Durchführung von Entlassungsvorbereitungen geboten ist, als Zeitpunkt der Erledigung spätestens den 1. Juli 2011 festlegen. Zuständig für die Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 ist das nach den §§ 454, 462a Absatz 1 der Strafprozessordnung zuständige Gericht. Für das Verfahren ist § 454 Absatz 1, 3 und 4 der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden; die Vollstreckungsbehörde übersendet die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichtes, die diese umgehend dem Gericht zur Entscheidung übergibt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein.

(4) § 1 des Therapieunterbringungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) ist unter den dortigen sonstigen Voraussetzungen auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene noch nicht in Sicherungsverwahrung untergebracht, gegen ihn aber bereits Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug angeordnet war und aufgrund einer vor dem 4. Mai 2011 ergangenen Revisionsentscheidung festgestellt wurde, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich deshalb nicht rechtskräftig angeordnet werden konnte, weil ein zu berücksichtigendes Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung dem entgegenstand, ohne dass es dabei auf den Grad der Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit angekommen wäre.

Tenor

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 250.000 € (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) festgesetzt.

Tenor

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 250.000 € (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) festgesetzt.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Kommt das Bundesverfassungsgericht zu der Überzeugung, daß Bundesrecht mit dem Grundgesetz oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder dem sonstigen Bundesrecht unvereinbar ist, so erklärt es das Gesetz für nichtig. Sind weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes aus denselben Gründen mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar, so kann sie das Bundesverfassungsgericht gleichfalls für nichtig erklären.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der Bundespräsident vertritt den Bund völkerrechtlich. Er schließt im Namen des Bundes die Verträge mit auswärtigen Staaten. Er beglaubigt und empfängt die Gesandten.

(2) Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes. Für Verwaltungsabkommen gelten die Vorschriften über die Bundesverwaltung entsprechend.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der Bundespräsident vertritt den Bund völkerrechtlich. Er schließt im Namen des Bundes die Verträge mit auswärtigen Staaten. Er beglaubigt und empfängt die Gesandten.

(2) Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes. Für Verwaltungsabkommen gelten die Vorschriften über die Bundesverwaltung entsprechend.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Der Bundespräsident vertritt den Bund völkerrechtlich. Er schließt im Namen des Bundes die Verträge mit auswärtigen Staaten. Er beglaubigt und empfängt die Gesandten.

(2) Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes. Für Verwaltungsabkommen gelten die Vorschriften über die Bundesverwaltung entsprechend.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt. Bei völkerrechtlichen Verträgen, die eine Friedensregelung, die Vorbereitung einer Friedensregelung oder den Abbau einer besatzungsrechtlichen Ordnung zum Gegenstand haben oder der Verteidigung der Bundesrepublik zu dienen bestimmt sind, genügt zur Klarstellung, daß die Bestimmungen des Grundgesetzes dem Abschluß und dem Inkraftsetzen der Verträge nicht entgegenstehen, eine Ergänzung des Wortlautes des Grundgesetzes, die sich auf diese Klarstellung beschränkt.

(2) Ein solches Gesetz bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates.

(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Für die Therapieunterbringung nach § 1 sind nur solche geschlossenen Einrichtungen geeignet, die

1.
wegen ihrer medizinisch-therapeutischen Ausrichtung eine angemessene Behandlung der im Einzelfall vorliegenden psychischen Störung auf der Grundlage eines individuell zu erstellenden Behandlungsplans und mit dem Ziel einer möglichst kurzen Unterbringungsdauer gewährleisten können,
2.
unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte und der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit eine die Untergebrachten so wenig wie möglich belastende Unterbringung zulassen und
3.
räumlich und organisatorisch von Einrichtungen des Strafvollzuges getrennt sind.

(2) Einrichtungen im Sinne des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches sind ebenfalls für die Therapieunterbringung geeignet, wenn sie die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 erfüllen.

(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem 31. Dezember 2010 begangen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bisherige Recht anzuwenden, soweit in den Absätzen 2 und 3 sowie in Artikel 316f Absatz 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Sind die Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung nach § 66 des Strafgesetzbuches angeordnet werden soll, vor dem 1. Januar 2011 begangen worden und ist der Täter deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilt worden, so ist § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung anzuwenden, wenn diese gegenüber dem bisherigen Recht das mildere Gesetz ist.

(3) Eine nach § 66 des Strafgesetzbuches vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig angeordnete Sicherungsverwahrung erklärt das Gericht für erledigt, wenn die Anordnung ausschließlich auf Taten beruht, die nach § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung nicht mehr Grundlage für eine solche Anordnung sein können. Das Gericht kann, soweit dies zur Durchführung von Entlassungsvorbereitungen geboten ist, als Zeitpunkt der Erledigung spätestens den 1. Juli 2011 festlegen. Zuständig für die Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 ist das nach den §§ 454, 462a Absatz 1 der Strafprozessordnung zuständige Gericht. Für das Verfahren ist § 454 Absatz 1, 3 und 4 der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden; die Vollstreckungsbehörde übersendet die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichtes, die diese umgehend dem Gericht zur Entscheidung übergibt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein.

(4) § 1 des Therapieunterbringungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) ist unter den dortigen sonstigen Voraussetzungen auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene noch nicht in Sicherungsverwahrung untergebracht, gegen ihn aber bereits Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug angeordnet war und aufgrund einer vor dem 4. Mai 2011 ergangenen Revisionsentscheidung festgestellt wurde, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich deshalb nicht rechtskräftig angeordnet werden konnte, weil ein zu berücksichtigendes Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung dem entgegenstand, ohne dass es dabei auf den Grad der Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit angekommen wäre.

(1) Recht, das als Bundesrecht erlassen worden ist, aber wegen der Änderung des Artikels 74 Abs. 1, der Einfügung des Artikels 84 Abs. 1 Satz 7, des Artikels 85 Abs. 1 Satz 2 oder des Artikels 105 Abs. 2a Satz 2 oder wegen der Aufhebung der Artikel 74a, 75 oder 98 Abs. 3 Satz 2 nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, gilt als Bundesrecht fort. Es kann durch Landesrecht ersetzt werden.

(2) Recht, das auf Grund des Artikels 72 Abs. 2 in der bis zum 15. November 1994 geltenden Fassung erlassen worden ist, aber wegen Änderung des Artikels 72 Abs. 2 nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, gilt als Bundesrecht fort. Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, dass es durch Landesrecht ersetzt werden kann.

(3) Recht, das als Landesrecht erlassen worden ist, aber wegen Änderung des Artikels 73 nicht mehr als Landesrecht erlassen werden könnte, gilt als Landesrecht fort. Es kann durch Bundesrecht ersetzt werden.

(1) Ein Gefangener ist in eine sozialtherapeutische Anstalt zu verlegen, wenn er wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu zeitiger Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden ist und die Behandlung in einer sozialtherapeutischen Anstalt nach § 6 Abs. 2 Satz 2 oder § 7 Abs. 4 angezeigt ist. Der Gefangene ist zurückzuverlegen, wenn der Zweck der Behandlung aus Gründen, die in der Person des Gefangenen liegen, nicht erreicht werden kann.

(2) Andere Gefangene können mit ihrer Zustimmung in eine sozialtherapeutische Anstalt verlegt werden, wenn die besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen der Anstalt zu ihrer Resozialisierung angezeigt sind. In diesen Fällen bedarf die Verlegung der Zustimmung des Leiters der sozialtherapeutischen Anstalt.

(3) Die §§ 8 und 85 bleiben unberührt.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen.

(2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt sechs Monate,
in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Jahr,
in der Sicherungsverwahrung ein Jahr, nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung neun Monate.

(3) Das Gericht kann die Fristen kürzen. Es kann im Rahmen der gesetzlichen Prüfungsfristen auch Fristen festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist.

(4) Die Fristen laufen vom Beginn der Unterbringung an. Lehnt das Gericht die Aussetzung oder Erledigungserklärung ab, so beginnen die Fristen mit der Entscheidung von neuem.

(1) Wird eine Freiheitsstrafe vor einer wegen derselben Tat oder Taten angeordneten Unterbringung vollzogen und ergibt die vor dem Ende des Vollzugs der Strafe erforderliche Prüfung, dass

1.
der Zweck der Maßregel die Unterbringung nicht mehr erfordert oder
2.
die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unverhältnismäßig wäre, weil dem Täter bei einer Gesamtbetrachtung des Vollzugsverlaufs ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 2 in Verbindung mit § 66c Absatz 1 Nummer 1 nicht angeboten worden ist,
setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. Der Prüfung nach Satz 1 Nummer 1 bedarf es nicht, wenn die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug weniger als ein Jahr vor dem Ende des Vollzugs der Strafe angeordnet worden ist.

(2) Hat der Vollzug der Unterbringung drei Jahre nach Rechtskraft ihrer Anordnung noch nicht begonnen und liegt ein Fall des Absatzes 1 oder des § 67b nicht vor, so darf die Unterbringung nur noch vollzogen werden, wenn das Gericht es anordnet. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Das Gericht ordnet den Vollzug an, wenn der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Ist der Zweck der Maßregel nicht erreicht, rechtfertigen aber besondere Umstände die Erwartung, daß er auch durch die Aussetzung erreicht werden kann, so setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. Ist der Zweck der Maßregel erreicht, so erklärt das Gericht sie für erledigt.

(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete:

1.
das bürgerliche Recht, das Strafrecht, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren (ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs), die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung;
2.
das Personenstandswesen;
3.
das Vereinsrecht;
4.
das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer;
5.
(weggefallen)
6.
die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen;
7.
die öffentliche Fürsorge (ohne das Heimrecht);
8.
(weggefallen)
9.
die Kriegsschäden und die Wiedergutmachung;
10.
die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und Opfer von Gewaltherrschaft;
11.
das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen) ohne das Recht des Ladenschlusses, der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte;
12.
das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung;
13.
die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;
14.
das Recht der Enteignung, soweit sie auf den Sachgebieten der Artikel 73 und 74 in Betracht kommt;
15.
die Überführung von Grund und Boden, von Naturschätzen und Produktionsmitteln in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft;
16.
die Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung;
17.
die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung (ohne das Recht der Flurbereinigung), die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz;
18.
den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht;
19.
Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte;
19a.
die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze;
20.
das Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere, das Recht der Genussmittel, Bedarfsgegenstände und Futtermittel sowie den Schutz beim Verkehr mit land- und forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut, den Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge sowie den Tierschutz;
21.
die Hochsee- und Küstenschiffahrt sowie die Seezeichen, die Binnenschiffahrt, den Wetterdienst, die Seewasserstraßen und die dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen;
22.
den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr sowie die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen;
23.
die Schienenbahnen, die nicht Eisenbahnen des Bundes sind, mit Ausnahme der Bergbahnen;
24.
die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm);
25.
die Staatshaftung;
26.
die medizinisch unterstützte Erzeugung menschlichen Lebens, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie Regelungen zur Transplantation von Organen, Geweben und Zellen;
27.
die Statusrechte und -pflichten der Beamten der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie der Richter in den Ländern mit Ausnahme der Laufbahnen, Besoldung und Versorgung;
28.
das Jagdwesen;
29.
den Naturschutz und die Landschaftspflege;
30.
die Bodenverteilung;
31.
die Raumordnung;
32.
den Wasserhaushalt;
33.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse.

(2) Gesetze nach Absatz 1 Nr. 25 und 27 bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Für die Therapieunterbringung nach § 1 sind nur solche geschlossenen Einrichtungen geeignet, die

1.
wegen ihrer medizinisch-therapeutischen Ausrichtung eine angemessene Behandlung der im Einzelfall vorliegenden psychischen Störung auf der Grundlage eines individuell zu erstellenden Behandlungsplans und mit dem Ziel einer möglichst kurzen Unterbringungsdauer gewährleisten können,
2.
unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte und der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit eine die Untergebrachten so wenig wie möglich belastende Unterbringung zulassen und
3.
räumlich und organisatorisch von Einrichtungen des Strafvollzuges getrennt sind.

(2) Einrichtungen im Sinne des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches sind ebenfalls für die Therapieunterbringung geeignet, wenn sie die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 erfüllen.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
MRK Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 7 Abs. 1 Satz 2
1. Ergibt sich für die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
aus der Europäischen Konvention
zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in
der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte eine die Rückwirkung generell hindernde
andere Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB?
(Anfrage nach § 132 GVG)
2. Im Fall zulässiger rückwirkender Anwendung ist § 67d
Abs. 3 Satz 1 StGB einschränkend dahin auszulegen,
dass die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
nach zehnjährigem Vollzug für erledigt zu erklären ist, sofern
nicht eine hochgradige Gefahr schwerster Gewaltund
Sexualverbrechen aus konkreten Umständen in der
Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten
ist.
BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 5 StR 394/10
–5StR440/10
–5StR474/10
LG Stuttgart, Celle, Koblenz –
5 StR 440/10
5 StR 474/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. November 2010
in den Maßregelvollstreckungssachen
gegen
1.
- 5 StR 394/10 -
2.
- 5 StR 440/10 -
3.
- 5 StR 474/10 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. November 2010

beschlossen:
1. Die Vorlegungsverfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ergibt sich für die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keine die Rückwirkung generell hindernde andere Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB.
Der Senat fragt beim 4. Strafsenat an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird, bei den anderen Strafsenaten, ob dieser Rechtsauffassung zugestimmt wird.
3. Bis zur Erledigung des Verfahrens nach § 132 GVG werden die Akten an die vorlegenden Oberlandesgerichte zur Fortführung der nach § 67e Abs. 1 Satz 1, § 67d Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 StGB gebotenen Überprüfungen zurückgegeben.
G r ü n d e
1
Die verbundenen Vorlegungsverfahren (§ 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG) betreffen die Frage der Fortgeltung der bis 30. Januar 1998 gültigen Höchstdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung von zehn Jahren (§ 67d Abs. 1 Satz 1 StGB a.F.) in „Altfällen“. Der Senat hat darüber zu entscheiden , ob das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (M. gegen Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 19359/04, EuGRZ 2010, 25) die deutschen Gerichte dazu zwingt, in Fällen , in denen die erstmalige Unterbringung eines Verurteilten in der Sicherungsverwahrung wegen Taten angeordnet wurde, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen schweren Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I 160) begangen worden waren, die Maßregel nach zehnjährigem Vollzug für erledigt zu erklären.
2
Die vorlegenden Oberlandesgerichte Stuttgart, Celle und Koblenz möchten – wie bereits in vorangegangenen Entscheidungen (OLG Stuttgart Justiz 2010, 346; OLG Celle NStZ-RR 2010, 322; OLG Koblenz JR 2010, 306; vgl. auch OLG Nürnberg NStZ 2010, 574) – jeweils in Fällen über zehn Jahre hinaus vollstreckter Sicherungsverwahrung sofortige Beschwerden von Untergebrachten gegen Fortdauerbeschlüsse der zuständigen Landgerichte verwerfen. Sie vertreten die Auffassung, dass auch unter Zugrundelegung der Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine Erledigterklärung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Altfällen nach Vollzug von zehn Jahren trotz fortbestehender Gefährlichkeit des Verurteilten nicht geboten sei. Vielmehr richte sich die Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung allein nach der gegenwärtigen Regelung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB. An der beabsichtigten Entscheidung sehen sie sich jedoch durch Beschlüsse anderer Oberlandesgerichte (OLG Frankfurt NStZ 2010, 573; NStZ-RR 2010, 321; OLG Hamm StRR 2010, 352; OLG Karlsruhe Justiz 2010, 350; NStZ-RR 2010, 322; SchlHolstOLG SchlHA 2010, 296) gehindert. Sie haben deshalb die jeweilige Sache zur Entscheidung der Rechtsfrage gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 GVG dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
3
Dem Senat liegen zwölf weitere gleichgelagerte Vorlegungsverfahren vor. Er möchte in den drei zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren – im Ergebnis in Übereinstimmung mit den Anträgen des Generalbundesanwalts – grundsätzlich im Sinne der vorlegenden Oberlandesgerichte entscheiden. Er sieht sich daran jedoch durch bindende Rechtsprechung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs gehindert; darüber hinaus sieht der Senat in der aufgeworfenen Frage eine solche von grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 4 GVG).

I.


4
1. Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19. August 2010 (Vorlegungsverfahren 5 StR 394/10):
5
Durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27. September 1985 (Anlassurteil ) wurde der wiederholt, unter anderem wegen schwerster Sexualdelikte vorbestrafte D. wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, verbunden mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung. Nach vollständiger Verbüßung der Strafe wird die Sicherungsverwahrung – nunmehr bereits über 21 Jahre – vollzogen. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19. März 2010 hat das Landgericht Heilbronn letztmals die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet.
6
Sachverständig beraten ist das Oberlandesgericht zu der Überzeugung gelangt, dass der mittlerweile 63 Jahre alte Verurteilte auch weiterhin wegen eines Hanges zur Begehung erheblicher Straftaten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, gefährlich sei. Er sei eine histrionisch-dissoziale Persönlichkeit, die einen Mangel an Empa- thie, deutliche und andauernde Verantwortungslosigkeit, Missachtung sozialer Normen, eine niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges Handeln sowie oberflächliche Affektivität, Egozentrik und manipulatives Verhalten zur Befriedigung eigener Bedürfnisse aufweise. Seine Persönlichkeitsstruktur sei durch ein jedes normale Maß übersteigendes Geltungs- und Durchsetzungsbedürfnis sowie das Bedürfnis gekennzeichnet, Überlegenheit zu demonstrieren. Das bisherige strafbare Vorleben des Verurteilten beruhe auf dieser Persönlichkeitsstruktur. Im Vordergrund der Taten habe die Demonstration von Macht gestanden, die den eigentlichen sexuellen Antrieb überwogen habe. Dem liegen folgende tatsächliche Befunde zugrunde:
7
Nachdem der Verurteilte bereits 1971 wegen versuchter Notzucht verurteilt worden war, verübte er vor Begehung der Anlasstat in der Zeit von 1973 bis 1978 – zweimal während laufender Strafaussetzungen, einmal nur zwei Monate nach längerer Untersuchungshaft – insgesamt vier schwere Sexualstraftaten. Alle zeichneten sich durch brutales, auf bedingungslose Durchsetzung des eigenen Willens gerichtetes Vorgehen und durch menschenverachtende Behandlung der Opfer aus. Seine zwischen 13 und 17 Jahre alten Opfer vergewaltigte er mehrfach, auf verschiedene Weise und unter entwürdigenden Begleitumständen. In Fällen der Mittäterschaft war er der Wortführer, der Reihenfolge, Zeit und Art des erzwungenen Geschlechtsverkehrs anordnete. In nahezu allen Fällen versetzte er die Opfer durch Würgen oder Zupacken am Hals, verbunden mit entsprechenden Drohungen, in Todesangst.
8
Während des Vollzugs der Sicherungsverwahrung verübte er mehrere zum Teil bewaffnete Angriffe auf Vollzugsbedienstete. Weiterhin sind zahlreiche ernstzunehmende Bedrohungen von Vollzugs- und Justizpersonal aktenkundig , die mit Hinweisen auf Anschriften, auch der Ehepartner, oder mit vorgeblichem Wissen um den Aufenthalt der Kinder der bedrohten Personen verknüpft waren. Letztmalig drohte er am 6. Juni 2010 damit, seine Zelle – wie bereits zuvor geschehen – in Brand zu stecken, und bezeichnete sich selbst als „tickende Atombombe“.
9
Der Verurteilte lehnt nahezu jede therapeutische Behandlung ab. Er unterhält keine Außenkontakte und hat Lockerungsmaßnahmen (begleitete Wanderungen oder Stadtausführungen) ebenso verweigert wie Beratungsgespräche mit der Bewährungshilfe und die Teilnahme an einem sozialen Training. Auf die Bereitschaft der Sozialbetreuung Heilbronn, ihm im Fall der Entlassung eine Unterkunft mit Hilfe bei der Bewältigung des täglichen Lebens zur Verfügung zu stellen, hat er ablehnend reagiert.
10
2. Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 9. September 2010 (Vorlegungsverfahren 5 StR 440/10):
11
Durch Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 12. Juli 1991 (Anlassurteil ) wurde K. wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexueller Nötigung, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt, verbunden mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 28. Mai 2010 hat das Landgericht Lüneburg erstmals die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus angeordnet.
12
Seine Überzeugung, dass der Verurteilte einen Hang zur Begehung einschlägiger schwerer Straftaten aufweise, begründet das Oberlandesgericht mit folgenden Umständen:
13
Anfang 1967 kam es zur ersten Sexualstraftat des Verurteilten, bei der er versucht hatte, zwei 15 Jahre alte Jungen anal zu vergewaltigen, nachdem er sie zuvor bedroht und gefesselt hatte. Im Juli 1968 zwang er zwei 13-jährige Jungen, sein Glied bis zum Samenerguss zu reiben, während er an den Geschlechtsteilen der Opfer manipulierte. Nur etwa einen Monat später ver- senkte er einen 17-jährigen Jugendlichen, den er aufgrund eines zuvor im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung erlittenen Sturzes für tot hielt, in einem Teich. Etwa ein Jahr nach Verbüßung der deswegen verhängten Jugendstrafe zwang er einen 13 Jahre alten Jungen zum Oral- und Analverkehr. Nur wenige Tage nach Entlassung aus der gegen ihn verhängten Strafhaft zwang er einen Arbeitskollegen unter Vorhalt eines Messers zum Oralverkehr. Der Anlassverurteilung liegen zugrunde die Vornahme des Oralverkehrs sowie der Versuch des Analverkehrs an einem elfjährigen Jungen , der mehrfache unter Vorhalt eines Messers und unter Fesselung erzwungene Anal- und Oralverkehr an zwei 13-jährigen Jungen sowie der ebenfalls unter Vorhalt eines Messers und unter Fesselung erzwungene Oral- und Analverkehr an einem weiteren elfjährigen Jungen, der überdies durch eine Schnittverletzung am Hals lebensgefährlich verletzt wurde.
14
Diese Straftaten sind nach Auffassung des Oberlandesgerichts Ausdruck der letztmalig im Mai 2010 sachverständig bestätigten schweren Persönlichkeitsstörung mit sadistisch ausgerichteter Sexualdeviation des mittlerweile 61 Jahre alten Verurteilten. Bisherige therapeutische Interventionsversuche verliefen ergebnislos. Die Teilnahme an gruppentherapeutischen Sitzungen brach der Verurteilte ab, weil er den Kontakt zu den anderen Teilnehmern nicht habe ertragen können. Seither zeigte er keine Bereitschaft zu Therapiemaßnahmen. Auch ein Aufenthalt in der sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt Hannover wurde im Jahr 2008 wegen mangelnder Aufgeschlossenheit in der Therapie abgebrochen.
15
3. Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 30. September 2010 (Vorlegungsverfahren 5 StR 474/10):
16
F. beging in den Jahren 1976, 1977 und 1983 insgesamt sechs schwere, sämtlich gegen Frauen gerichtete Gewaltverbrechen, darunter Sexualverbrechen:
17
1977 wurde er wegen schweren Raubes in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer in zwei Fällen und wegen Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er hatte in einer Nacht in kurzem zeitlichem Abstand zwei Prostituierte in sein Fahrzeug gelockt und auf einem Autobahnparkplatz unter Vorhalt eines Dolches ausgeraubt, eine der Frauen ferner unter Drohung mit einer Schusswaffe zum Geschlechtsverkehr gezwungen.
18
Anfang Dezember 1977 setzte er das Haus einer Arbeitskollegin in Brand, die einen Annäherungsversuch abgewiesen hatte, wobei sich sieben Menschen in dem Haus aufhielten. Wegen schwerer Brandstiftung wurde er zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.
19
Durch das Landgericht Zweibrücken wurde er am 5. Juni 1984 (Anlassurteil ) wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, verbunden mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung. Unter ständiger Bedrohung mit einem Messer hatte er eine junge Mutter in deren Wohnung mehrmals zum Geschlechtsverkehr gezwungen, mit dem Messer an deren Geschlechtsteil manipuliert, sie gezwungen, den Oralverkehr bei ihm auszuüben , vor ihm die Notdurft zu verrichten und ihn manuell zu befriedigen, wobei er ihr das Ejakulat ins Gesicht spritzte. Nachdem er die Frau gefesselt und geknebelt hatte, versuchte er, den Analverkehr durchzuführen. Unter der Drohung, ihren vier Monate alten Säugling umzubringen, falls sich die Geschädigte an die Polizei wende, ließ er schließlich von ihr ab. Einen Tag später verschaffte er sich erneut Zutritt zu ihrer Wohnung und zwang sie abermals unter Vorhalt eines Messers mehrfach zum Geschlechtsverkehr. Er nötigte die völlig verstörte und erschöpfte Frau, zwölf Tabletten eines starken Beruhigungsmittels mit Bier einzunehmen. Die Geschädigte geriet hierdurch in einen Dämmerzustand und wurde nachts darauf in hilfloser Lage in ihrer Wohnung aufgefunden. Am Folgetag verschaffte sich der Verurteilte Zutritt zur Wohnung der 20-jährigen Nachbarin seiner Eltern und stach mit einem Schraubenzieher auf sie ein. Er würgte die junge Frau und stieß ihr zwei Finger in die Augen. Dann zwang er sie zum Oralverkehr und Beischlaf, während er erneut auf sie einstach und ihr drohte, den Schraubenzieher in ihre Scheide zu stoßen. Die Geschädigte erlitt zahlreiche schwere Verletzungen und war massiv traumatisiert.
20
Seit 20 Jahren wird die Sicherungsverwahrung vollzogen. Im Mai 2009 erlitt der Verurteilte einen akuten Vorderwandinfarkt; er leidet an einer Knieund Hüftarthrose, aufgrund derer er Gehstützen benutzt. Zuletzt hat das Landgericht Koblenz mit dem angefochtenen Beschluss vom 18. Februar 2010 den weiteren Vollzug der Maßregel angeordnet.
21
Das Oberlandesgericht nimmt nach eingehender Prüfung einen fortbestehenden Hang des Verurteilten zur Begehung einschlägiger schwerer Straftaten an. Nach näherer Aufklärung des physischen Gesundheitszustands des jetzt 58 Jahre alten Verurteilten gelangt es zu der Überzeugung, dass er trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen zu massivem fremdaggressivem Verhalten, auch zur Begehung von Sexualstraftaten, körperlich in der Lage ist, und zeigt plausible mögliche Verbrechensszenarien auf.
22
Sachverständig beraten kommt es zu dem Ergebnis, dass dem strafbaren Verhalten des Verurteilten eine kombinierte Persönlichkeitsstörung zugrunde liegt, die eine geringe Frustrationstoleranz und eine gesteigerte Impulsivität bedingt und im Vollzug keine Abmilderung erfahren hat. Der Verurteilte hat sich bisher jeglichem therapeutischen Zugang verschlossen. Begonnene Therapien hat er entweder von sich aus eingestellt oder sie mussten abgebrochen werden, da er sich nicht öffnete. Derzeit lehnt er jedes Therapieangebot ab; er sieht keinen Therapiebedarf. Zu den Anlasstaten zeigt er oberflächliche Verleugnungs- und Verdrängungstendenzen. Hinsichtlich seines Sexualverhaltens gibt er an, etwa einmal wöchentlich bis zum Samenerguss zu onanieren; er wolle nach wie vor den Geschlechtsverkehr mit einer erwachsenen Frau ausführen, was er sich in seiner Phantasie auch vorstelle. Falls seine Erektion nicht ausreiche, werde er Viagra nehmen. Die Gefahr erneuter schwerster Sexualstraftaten hält das Oberlandesgericht für außerordentlich hoch. Selbst ein Tötungsdelikt liege – da der Verurteilte bei der letzten Anlasstat Tötungsphantasien ausgelebt habe – im Bereich des Wahrscheinlichen.

II.


23
Die Rechtsansicht der vorlegenden Oberlandesgerichte, dass sich trotz des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus in Altfällen allein nach der gegenwärtigen Regelung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB richte, ist unvereinbar mit der bindenden Rechtsprechung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 12. Mai 2010 – 4 StR 577/09 (NStZ 2010, 567).
24
1. Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen schweren Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I 160) hat der Gesetzgeber die durch das 2. Strafrechtsreformgesetz vom 4. Juli 1969 (BGBl I 717) eingeführte strikte Höchstdauer der ersten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung von zehn Jahren (§ 67d Abs. 1 Satz 1 StGB a.F.) aufgehoben und die unbefristete Vollstreckung der Maßregel ermöglicht, jedoch nur unter den in § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB genannten engeren Voraussetzungen.
25
Zum zeitlichen Geltungsbereich dieser Vorschrift bestimmt die allgemeine Regelung des § 2 Abs. 6 StGB, dass für Maßregeln der Besserung und Sicherung das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht anzuwenden ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB ist daher grundsätzlich auch auf Altfälle anwendbar (BVerfGE 109, 133, 182).
26
2. Für den Anwendungsbereich der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 3 StGB sieht der 4. Strafsenat (aaO) in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine anderweitige gesetzliche Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB (ebenso Grabenwarter JZ 2010, 857; Gaede HRRS 2010, 329, 332 ff.), welche eine Anwendung des § 66b Abs. 3 StGB auf Altfälle ausschließe.
27
a) Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (EuGRZ 2010, 25) ist die Sicherungsverwahrung – ungeachtet ihrer Einordnung im deutschen Recht als Maßregel der Besserung und Sicherung – im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention als Strafe zu qualifizieren, für die das Rückwirkungsverbot des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK gilt (Rdn. 124 bis 133). Der Gerichtshof hat dies unter anderem damit begründet, dass die Sicherungsverwahrung wie eine Freiheitsstrafe mit Freiheitsentziehung verbunden sei und es in Deutschland keine wesentlichen Unterschiede zwischen dem Vollzug einer Freiheitsstrafe und dem der Sicherungsverwahrung gebe (aaO Rdn. 127 bis 130).
28
b) Der 4. Strafsenat legt zugrunde, dass die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – ungeachtet ihrer auf den Einzelfall beschränkten Bindungswirkung (vgl. Art. 46 Abs. 1 MRK sowie hierzu Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. MRK Verfahren Rdn. 76) – bei der Auslegung innerdeutschen Rechts zu berücksichtigen sind. Dies führe zum Ausschluss rückwirkender Anwendung. Zwar handele es sich bei der Sicherungsverwahrung nach innerdeutschem Recht um eine Maßregel der Besserung und Sicherung, für die nach § 2 Abs. 6 StGB grundsätzlich das Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung gelte. § 2 Abs. 6 StGB schreibe die Maßgeblichkeit des geltenden Rechts jedoch nur dann vor, „wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt“ sei. Eine derartige andere Bestimmung stelle Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dar (BGH aaO S. 568).
29
3. Trifft die Auffassung des 4. Strafsenats zu, so ist die Vorlegungsfrage zwingend dahingehend zu beantworten, dass Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK eine Anwendung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB auf die hier zu beurteilenden Altfälle ausschließt. Nach dem zum jeweiligen Tatzeitpunkt geltenden Recht war die Dauer des Vollzugs der Sicherungsverwahrung auf zehn Jahre begrenzt ; alle Verurteilten wären somit – ungeachtet fortdauernder Gefährlichkeit – nach Fristablauf freizulassen. Die Frage des Rückwirkungsverbots kann im Rahmen des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB nicht anders beantwortet werden als im Rahmen des für die Entscheidung des 4. Strafsenats maßgebenden § 66b Abs. 3 StGB (vgl. auch OLG Karlsruhe NStZ-RR 2010, 322).

III.


30
Der Senat ist indessen – in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts – der Meinung, dass einer Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB in diesem Sinne zwingende Rechtsgründe entgegenstehen.
31
1. Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten wurde als völkerrechtlicher Vertrag durch den Bundesgesetzgeber in das deutsche Recht transformiert. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung kommt den Regelungen der Konvention der Rang einfachen Bundesrechts zu. Die Konvention ist bei der Interpretation des nationalen Rechts im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfGE 111, 307, 317). Dabei sind auch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen, weil sie den aktuellen Entwicklungsstand der Konvention widerspiegeln (BVerfGE aaO S. 319).
32
Zeigt eine Entscheidung des Gerichtshofs, wie vorliegend, über den entschiedenen Einzelfall hinaus strukturelle Mängel des nationalen Rechts auf, so gebietet die Verpflichtung innerstaatlicher Beachtung der Konvention – ungeachtet der beschränkten Bindungswirkung nach Art. 46 Abs. 1 MRK – eine konventionskonforme Ausgestaltung des nationalen Rechts (Gollwitzer aaO Rdn. 77b). Auch in Ermangelung einer § 31 Abs. 1 BVerfGG entsprechenden Vorschrift, wonach alle Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gebunden sind, gehört zur Bindung an Gesetz und Recht, dass Gewährleistungen der Konvention in ihrer Ausformung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu berücksichtigen sind (BVerfGE aaO S. 323). Aus dem Stellenwert der Europäischen Menschenrechtskonvention als lediglich einfaches Bundesrecht folgt indes, dass die Verpflichtung deutscher Gerichte zu vorrangiger konventionskonformer Auslegung auf Fälle vorhandener Auslegungs- und Abwägungsspielräume beschränkt ist (BVerfGE aaO S. 329). Die Zulässigkeit konventionskonformer Auslegung endet aus Gründen der Gesetzesbindung der Gerichte dort, wo der gegenteilige Wille des nationalen Gesetzgebers deutlich erkennbar wird (BGH NStZ 2010, 565, 566, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt; Giegerich in Grote/Marauhn [Hrsg.], EMRK/GG Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz 2006 Kap. 2 Rdn. 20; Radtke NStZ 2010, 537, 542 ff.). Die Europäische Menschenrechtskonvention eröffnet den Gerichten keine Verwerfungskompetenz für eindeutig entgegenstehende Gesetze. Anders als bei deren Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz (Art. 100 Abs. 1 GG) besteht hier auch keine Vorlegungsmöglichkeit. In diesen Fällen ist allein der Gesetzgeber aufgerufen, eine Verletzung der Konvention infolge Anwendung eindeutiger gesetzlicher Regelungen durch deren Abänderung zu beseitigen.
33
2. Nach diesen Grundsätzen kann das aus Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK resultierende Rückwirkungsverbot nicht als abweichende gesetzliche Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB angesehen werden. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nicht von völkerrechtlichen Verpflichtungen abweichen oder die Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen will (BVerfGE 74, 358, 370). Der Gesetzgeber hat jedoch unmissverständlich das Gebot zum Ausdruck gebracht, die betroffenen weiter- hin gefährlichen Verurteilten nicht in die Freiheit zu entlassen. Eine Interpretation des § 2 Abs. 6 StGB in dem Sinne, dass für die Sicherungsverwahrung eine rückwirkende Anwendung nicht möglich ist, würde den in den genannten Bestimmungen enthaltenen, vom eindeutigen Willen des Gesetzgebers getragenen Normbefehl teilweise oder ganz aushöhlen (vgl. auch Radtke aaO) und liefe auf ein den Strafgerichten bei der Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zustehendes Normverwerfungsrecht hinaus.
34
a) Dass der Gesetzgeber die aus der Konvention resultierenden völkerrechtlichen Verpflichtungen, namentlich den Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK, nicht als Ausnahmevorschrift im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB verstanden, sondern als Prüfungsmaßstab zur Frage der Übereinstimmung der Norm mit der Konvention herangezogen hat, ist den Gesetzesmaterialien zu entnehmen. Bei den Beratungen zum 2. Strafrechtsreformgesetz hat er sich ausdrücklich mit dem Verhältnis der beiden Regelungen befasst. Bereits seinerzeit erhobene Bedenken, dass die grundsätzliche Ausnahme der Maßregeln vom Rückwirkungsverbot gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK verstoße, hat er als „unbegründet“ zurückgewiesen (BT-Drucks. IV/650, S. 108). Besondere Vorschriften für die zeitliche Geltung von Maßregeln würden namentlich für die Zeit des Inkrafttretens des neuen Strafrechts erforderlich werden; im Einführungsgesetz werde daher im Einzelnen zu regeln sein, ob und in welchem Umfange Neuerungen im Maßregelrecht des Entwurfs zurückwirkten (BT-Drucks. IV/650 aaO). Durch die Wendung „wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“ solle darauf hingewiesen werden, dass bei der Rechtsanwendung auf die Möglichkeit besonderer Regelungen zu achten sei (BTDrucks. IV/650 aaO). Dem entspricht die im strafrechtlichen Schrifttum vertretene Meinung, dass § 2 Abs. 6 StGB für eine Ausnahme von der Regel der Anwendung des zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Rechts ausdrückliche Normierungen des Gesetzgebers verlangt (vgl. Schmitz in MünchKommStGB § 2 Rdn. 51).
35
b) Im Anwendungsbereich des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB hat der Gesetzgeber keine besondere gesetzliche Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB für Altfälle getroffen. Im Gegenteil bestimmte Art. 1a Abs. 3 EGStGB in der Fassung vom 31. Januar 1998 ausdrücklich die rückwirkende Anwendung auf Fälle, in denen die Anlasstat vor Inkrafttreten der Gesetzesnovelle begangen worden war. Aus der Streichung der Vorschrift mit Wirkung zum 29. Juli 2004 (BGBl I 1838) kann keine abweichende gesetzgeberische Wertung abgeleitet werden. Sie erfolgte nur deswegen, weil Art. 1a Abs. 3 EGStGB vor dem Hintergrund der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 – 2 BvR 2029/01 (BVerfGE 109, 133) – und 10. Februar 2004 – 2 BvR 834/02 u.a. (BVerfGE 109, 190) – verzichtbar erschien (BT-Drucks. 15/2887).
36
c) Ebenso zweifelsfrei ist der gesetzgeberische Wille für eine Rückwirkung im Bereich der nachträglichen Sicherungsverwahrung nach § 66b StGB. Die Norm wurde mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 109, 190), das auch spätere entsprechende Anwendungen in all ihren Varianten unbeanstandet gelassen hat (BVerfG – Kammer – NStZ 2007, 87; NJW 2009, 980; NStZ 2010, 265), gerade auch für solche Fälle geschaffen, in denen bei Tatbegehung noch keine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung vorgesehen war, weitgehend auch für Fälle, in denen die nachträgliche Anordnung an formelle Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung anknüpfte, die bei Tatbegehung noch nicht galten. Der Bundesgerichtshof hat – ersichtlich im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers – unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine insoweit rückwirkende Anwendung des § 66b StGB wiederholt gebilligt (vgl. nur BGHSt 52, 205, 209 ff. m.w.N.).
37
d) In diesem Zusammenhang wäre es im Übrigen kein gangbarer Weg, über § 2 Abs. 6 StGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK eine Rückwirkung nur bei den Regelungen zu verhindern, denen, weil auch „Neufälle“ umfassend , bei Ausschluss rückwirkender Anwendung noch ein sinnvoller An- wendungsbereich verbliebe. Diese Interpretation würde zu dem sinnwidrigen Ergebnis führen, dass lediglich die „reine Altfallregelung“ des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB Bestand haben müsste (vgl. BGH NStZ 2010, 565, 566), obgleich sie dem Rückwirkungsverbot des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK insgesamt und damit am deutlichsten widerstreitet.
38
3. Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. a MRK, auf dessen Verletzung der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (aaO) den Konventionsverstoß bei rückwirkender Anwendung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB gleichfalls stützt, da ein ausreichender Kausalzusammenhang zwischen der Verurteilung des Beschwerdeführers und seinem fortdauernden Freiheitsentzug fehle (Rdn. 92 bis 101), folgt nichts anderes. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 MRK überhaupt eine – in § 2 Abs. 6 StGB vorausge -setzte – zeitliche Begrenzung für die Anordnung strafrechtlicher Rechtsfolgen ableiten lässt. Jedenfalls stünde einer Berücksichtigung im Rahmen des § 2 Abs. 6 StGB – ebenso wie bei Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK – die dargelegte eindeutige Gesetzeslage entgegen. Angesichts dessen fehlt auch für eine im Schrifttum vorgeschlagene (vgl. Grabenwarter aaO S. 867 f.) Anwendung von § 67d Abs. 4 StGB jede Grundlage.
39
4. Der Senat beabsichtigt daher tragend zu entscheiden, dass sich aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten für die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keine die Rückwirkung hindernde andere Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB ergibt.

IV.


40
Mit Blick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB im Falle rückwirkender Anwendung allerdings einschränkend auszulegen.
41
1. Bei der Entscheidung nach § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB und ihren Folgeentscheidungen erfordert das Verhältnismäßigkeitsprinzip (§ 62 StGB), die Schutzinteressen der Allgemeinheit und den Freiheitsanspruch des Untergebrachten im Einzelfall abzuwägen. Das Gericht hat in die erforderliche Gesamtwürdigung die vom Täter ausgehenden Gefahren sowie die Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs einzustellen und ins Verhältnis zu setzen (vgl. BVerfGE 109, 133, 159). Nach den dargestellten Grundsätzen sind in diese Gesamtwürdigung auch die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in ihrer Ausformung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einzubeziehen. Die vom Gerichtshof geforderte konventionsgemäße Gewichtung hat einzufließen (Gollwitzer aaO Rdn. 77a), um eine konventionsfreundliche Anwendung der in Frage stehenden Norm zu gewährleisten. Die Ausführungen des Gerichtshofs zur Vereinbarkeit mit Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK und namentlich auch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 MRK streiten daher im Rahmen der Gesamtwürdigung unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes und des Freiheitsrechts in gewichtigem Maße zugunsten des Verurteilten.
42
2. Hieraus folgt, dass bei konventionsfreundlicher Gesamtwürdigung von einem grundsätzlichen Überwiegen dieser Rechtspositionen des Verurteilten auszugehen ist. Im Lichte der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bedarf es einer noch weiter eingeschränkten Auslegung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB, als sie bereits das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 109, 133) verlangt hat. Danach ist in Altfällen die erstmalige Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach zehnjährigem Vollzug für erledigt zu erklären, sofern nicht eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualverbrechen aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist.
43
In den Vorlegungssachen der Oberlandesgerichte Stuttgart und Koblenz ergeben sich aus dem Vollzugsverhalten der Verurteilten konkrete Anhaltspunkte für nach einer Entlassung unmittelbar drohende entsprechende schwerste Straftaten, durch die die Opfer physisch oder psychisch massiv geschädigt werden.
44
Ansonsten kann die weitere Vollstreckung der Sicherungsverwahrung nur dann angeordnet werden, wenn der Verurteilte – etwa mit hoher Rückfallgeschwindigkeit , während gewährter Lockerungen oder bereits im Vollzug geplant – mehrere Vortaten im genannten Sinn begangen hat und sich im Rahmen des Vollzugs der Sicherungsverwahrung keine positiven Anhaltspunkte ergeben haben, die eine Reduzierung der im Vorleben des Verurteilten dokumentierten massiven Gefährlichkeit nahelegen. Zu dieser Fallgruppe kann die Vorlegungssache des Oberlandesgerichts Celle gerechnet werden, hier allerdings vorbehaltlich kontraindizierender Erkenntnisse über das aktuelle physische Gewaltpotential des Verurteilten.
45
Nur unter diesen sehr eng zu handhabenden Voraussetzungen erscheint es vertretbar, dass als Eingriff in das Freiheitsrecht des Verurteilten unter Berücksichtigung seines auf höchster Stufe schutzwürdigen Vertrauens in die Unabänderbarkeit der zur Tatzeit bestimmten Rechtsfolge – auch in ihrer Dauer – einerseits und der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit andererseits eine Entscheidung zu seinen Lasten getroffen werden darf (vgl. BGH NStZ 2010, 565, 567). Während der Senat im Rahmen des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB eine ähnlich, entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart jedoch nicht auf die Gefahr schwerster Kapitalverbrechen beschränkte , restriktive Anordnungspraxis bei Ausübung des dort bestehenden Ermessens verlangt hat, ist bei § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB die aus Verhältnismäßigkeitsgründen unerlässliche äußerst eingeschränkte Interpretation des unbestimmten Rechtsbegriffs der Gefahr mit ähnlichem Ergebnis geboten.
46
3. Durch eine derartige erheblich einschränkende Auslegung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB wird den konventionsrechtlichen Bedenken des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 MRK in weitem Umfang Rechnung getragen. Die rückwirkende Anwendung wird auf Fälle begrenzt, in denen das tangierte Freiheitsrecht des betroffenen Verurteilten mit im Bereich der Europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten wichtigen Rechten Dritter kollidiert. Hinzu kommt, dass die weiter anzuordnende Freiheitsbeschränkung wegen gerichtlich sorgfältig neu zu prüfender konkreter schwerer Gefährdung künftiger Tatopfer erfolgt, die zudem häufig, wie gerade auch aus den dem Senat vorgelegten Fällen deutlich wird, in einer – unabhängig von der Beurteilung der eigentlichen Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB – gravierenden Persönlichkeitsstörung des deshalb zu schwersten Straftaten neigenden verurteilten Hangtäters wurzelt. Damit sprechen auch die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. c und lit. e MRK enthaltenen Grundgedanken für eine Zulässigkeit fortdauernden Freiheitsentzugs in den betroffenen Extremfällen.
47
4. Bei derart erhöhter Gefahrenprognose, ohne deren Vorliegen die Vollstreckung der Maßregel für erledigt zu erklären ist, wird – anders als es der Generalbundesanwalt vertritt (insoweit unklar Radtke NStZ 2010, 537, 544 f.) – eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung nach § 67d Abs. 2 StGB nur selten in Betracht kommen. Sie ist indes – anders als der systematische Zusammenhang von § 67d Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 StGB auf den ersten Blick nahelegt – nicht etwa prinzipiell ausgeschlossen. Vielmehr wird die Aussetzung in § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO sogar vorausgesetzt. Sie wird in Erwägung zu ziehen sein, wenn eine hochgradige Gefahr im dargelegten Sinne zwar prognostiziert wird, diese aber durch den Widerrufsdruck und mit einer Aussetzung zur Bewährung zu verbindende Weisungen so weit reduziert werden kann, dass angenommen werden kann, der Verurteilte könne von der Begehung schwerster Gewalt- oder Sexualverbrechen abgehalten werden (in diesem Sinne Rissing-van Saan/Peglau in LK 12. Aufl. § 67d Rdn. 74). In solchen Konstellationen stellt die Aussetzung zur Bewährung anstelle einer sonst zwingend fortdauernden Vollstreckung die „konventionsfreundlichste“ Maßnahme dar.
48
5. Ob der weitere Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach den dargelegten Kriterien noch gerechtfertigt ist, hat das zuständige Gericht von Amts wegen aufgrund einer aktuellen Gefährlichkeitsprognose zu prüfen, auch wenn zwei Jahre seit der letzten Prüfung noch nicht vergangen sind. Die Entscheidung des Gerichtshofs ist eine Tatsache, die eine erneute Prüfung einer Erledigterklärung der Sicherungsverwahrung nach § 67e Abs. 1 StGB oder einer Aussetzung ihrer Vollstreckung unerlässlich macht (vgl. Grabenwarter JZ 2010, 857, 865; Radtke NStZ 2010, 537, 544).

V.


49
Nach den vom Senat entwickelten Maßstäben erscheint in den aufgezeigten Fällen im Blick auf die getroffenen Feststellungen und Wertungen der Oberlandesgerichte die weitere Vollstreckung der Sicherungsverwahrung naheliegend, weswegen in den vorliegenden Fällen auch das Ergebnis der unter II. 2. dargestellten Entscheidung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs widerstreitet.
50
1. Der Senat fragt daher beim 4. Strafsenat an, ob die entgegenstehende Rechtsprechung aufgegeben wird.
51
a) Die Anfrage wird nicht dadurch gehindert, dass sich die Entscheidung des 4. Strafsenats auf die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 3 StGB bezieht. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betrifft unmittelbar den hier relevanten § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB. Der 4. Strafsenat hat indessen die in der Entscheidung des Gerichtshofs aufgezeigten Grundsätze auf den Fall der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung übertragen. Dies entspricht der Auffassung des anfragenden Senats, wonach eine unterschiedliche Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB in Fällen nachträglicher Sicherungsverwahrung nicht in Betracht kommt (BGH NStZ 2010, 565, 566 m.w.N.; vgl. auch OLG Karlsruhe NStZ-RR 2010,

322).


52
b) Aus der dem Senat gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs in der seit 20. Juli 2010 gültigen Fassung zugewiesenen Spezialzuständigkeit zur Entscheidung von Vorlegungssachen über die Erledigung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ergibt sich kein das Anfrageverfahren ausschließender Umstand. Eine Abweichung von der Rechtsprechung anderer Senate ohne Vorlegung ist nur dann möglich, wenn ein Senat nach der Geschäftsverteilung für ein bestimmtes Rechtsgebiet (nunmehr) allein und ausschließlich zuständig ist und die Rechtsfrage nur diese Spezialmaterie betrifft (Hannich in KK 6. Aufl. § 132 GVG Rdn. 6). Die Frage der Auslegung von § 2 Abs. 6 StGB im Lichte des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erstreckt sich indessen – wie dargelegt – auf die dem Senat nicht in ausschließlicher Zuständigkeit zugewiesenen Fälle der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b StGB. Es ist undenkbar , aus der Entscheidung des Gerichtshofs eine unmittelbar umsetzbare Einschränkung der Rückwirkung in Fällen des § 66b StGB herzuleiten, ohne sie zugleich auf die von der Entscheidung unmittelbar betroffene Regelung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB zu übertragen.
53
2. Der Senat fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob der dargelegten Rechtsauffassung zugestimmt wird.
54
a) Die Frage der Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB ist eine solche von grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist auch über die vorliegenden Fälle hinaus bedeutsam, weil einschlägige Fallgestaltungen in der Praxis der Strafkammern (nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung) und der Strafvollstreckungskammern (Entscheidung nach § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB und Folgeentscheidungen) häufig zu erwarten und von großem Gewicht für die Betroffenen sind. Bei einer die Rückwirkung hindernden Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB wäre zudem in Fällen nachträglich angeordneter wie rückwirkend verlängerter und derzeit vollzogener Unterbringung in der Sicherungsverwahrung – unbeschadet anhängiger Verfassungsbeschwerden – die Maß- regel unverzüglich für erledigt zu erklären (vgl. Veh in MünchKomm-StGB § 67d Rdn. 35). Auch deshalb ist die Frage grundsätzlich klärungsbedürftig.
55
b) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung führt der Senat daher das Anfrageverfahren auch bei den anderen Senaten durch (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Anfrage Hannich aaO § 132 GVG Rdn. 16; Kissel /Mayer, GVG 6. Aufl. § 132 Rdn. 38; vgl. auch BGHSt 16, 351, 353).

VI.


56
Der Senat weist auf Folgendes hin:
57
Seine Auslegung vermag – ungeachtet der dargelegten formellen und materiellen Einschränkungen – bei rückwirkend zeitlich unbegrenzter Fortdauer der Sicherungsverwahrung in den einschlägigen Fällen höchst gefährlicher Gewalttäter auf der Grundlage des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nichts an dem darin angenommenen Verstoß jedenfalls gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK zu ändern.
58
1. Ihn zu beseitigen, ist primär gesetzgeberischen Maßnahmen vorbehalten (vgl. dazu auch den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen, BT-Drucks. 17/3403). Hierfür ist nach Auffassung des Senats eine zwingend grundlegend veränderte Ausgestaltung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung in Betracht zu ziehen, welche dessen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellte strafgleiche Wirkung zu beseitigen geeignet ist, und zwar insbesondere durch verstärkte Therapieorientierung, ferner durch deutliche Vollzugserleichterungen im Vergleich zum Strafvollzug. Dies würde zugleich das bereits vom Bundesverfassungsgericht ansatzweise verlangte „Abstandsgebot“ (vgl. BVerfGE 109, 133, 153 ff., 166 f.) effektiv machen. Ob sich eine Neugestaltung in diesem Sinne auf die – hier allein relevanten – Altfälle mit Rückwirkung, etwa gar nur auf nach der Entscheidung des Ge- richtshofs bereits freigelassene Verurteilte beschränken ließe (so der vorbezeichnete Koalitionsentwurf), hat der Senat nicht zu beurteilen, erscheint freilich im Blick auf den Gleichheitsgrundsatz und das Freiheitsrecht aller in Sicherungsverwahrung Untergebrachter überaus zweifelhaft.
59
2. Der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellte Verstoß insbesondere gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK verstärkt die verfassungsrechtlichen Zweifel, denen die rückwirkende Streichung der zuvor vorgesehenen Begrenzung der Unterbringungsdauer unterliegt. Diese Bedenken erfassen gleichermaßen die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung nach § 66b StGB in Fällen, in denen die Regelung bei Tatbegehung noch nicht gegolten hat, namentlich soweit sie gar noch an Maßregelvoraussetzungen anknüpft, die erst nach Tatbegehung geschaffen worden sind. Der Bundesgerichtshof hat die verfassungsrechtliche Problematik in einschlägigen Fällen des § 66b StGB wiederholt behandelt (vgl. nur BGHSt 50, 373, 377 ff.; 52, 205, 209 ff.; BGH NStZ 2010, 565, 567).
60
Die eingetretene Divergenz der Auslegung des in Art. 103 Abs. 2 GG und in Art. 7 Abs. 1 MRK gleichermaßen verankerten Grundsatzes „nulla poena sine lege“ durch das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist für die Strafjustiz höchst problematisch. Sie betrifft zudem einen besonders empfindlichen Bereich der Strafrechtspflege , in dem ein beträchtliches Gewicht der Freiheitseinschränkung für Verurteilte in Spannung tritt zu einhergehenden gravierenden Gefahren für die Allgemeinheit – konkret für Leib und Leben potentieller Opfer –, die mit Lockerungen und Entlassungen einhergehen. Nach dem Urteil des Gerichtshofs kann sich die Frage einer Verfassungsmäßigkeit rückwirkender Regelungen bei § 67d Abs. 3 Satz 1 wie bei § 66b StGB neu stellen, insbesondere unter dem Blickwinkel des durch Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Vertrauens rechtskräftig Abgeurteilter angesichts der jedenfalls gegebenen Nähe zum Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG. Auch dem Bundesverfassungsgericht obliegt die Berücksichtigung einer verbindlichen Interpretation der Konvention durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (vgl. Grabenwarter JZ 2010, 857, 863).
61
Da das Verfahren nach § 132 GVG in der vom Senat abgelehnten Alternative letztlich zur Unanwendbarkeit der Normen führen kann, deren Rückwirkung in Frage steht – mit Ausnahme des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB, der keinen Anwendungsbereich ohne Rückwirkung hat (vgl. oben III. 2d; dazu BGH NStZ 2010, 565, 566) –, kommt eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG an das Bundesverfassungsgericht in der jetzigen Phase der Entscheidungsfindung nicht in Betracht. Sie mag nach Abschluss des Verfahrens gemäß § 132 GVG, unter Umständen aber auch vom Großen Senat für Strafsachen innerhalb dieses Verfahrens, in Erwägung zu ziehen sein. Näher läge sie freilich erst in Fällen, in denen ein Oberlandesgericht nach Durchführung des Vorlegungsverfahrens abschließend zur Anordnung der Fortdauer der Maßregelvollstreckung gelangen sollte. Im Übrigen lassen bereits anhängige Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in absehbarer Zeit Entscheidungen erwarten. Selbst bei veränderter Beurteilung der Verfassungsrechtslage ist dabei die Verwerfung der zur Prüfung stehenden Normen nicht zwingend ; vielmehr erscheint auch eine Verpflichtung zu gesetzgeberischen Maßnahmen im Sinne der Umgestaltung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung nicht ausgeschlossen.

VII.


62
Bis zur Erledigung des Verfahrens nach § 132 GVG gibt der Senat die Akten den vorlegenden Oberlandesgerichten zurück. Er weist hierzu auf Folgendes hin:
63
1. Das Verfahren wird voraussichtlich mehrere Monate andauern. Während dieser Zeit wird die Unterbringung gegen die Verurteilten weiterhin vollstreckt, der Eingriff in das Freiheitsgrundrecht, dessen Zulässigkeit in den Vorlegungsverfahren in Zweifel steht, mithin stetig weiter vertieft. Dies erfor- dert, dass die Oberlandesgerichte bereits vor Klärung der Vorlegungsfrage aktuell zu überprüfen haben, ob – unabhängig von der Vorlegungsfrage – die Freiheitsentziehung gegen den Verurteilten zu beenden oder die Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen ist. Die Prüfung hat den vorstehend (oben IV.) bezeichneten, für die Oberlandesgerichte wegen der ausschließlichen Zuständigkeit des Senats nach § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG verbindlichen Maßstäben zu folgen.
64
2. Geboten ist zunächst eine neue Sachentscheidung nach § 67e Abs. 1 Satz 1 StGB aus Anlass des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Ihr ist ein aktuelles Sachverständigengutachten zugrunde zu legen (§ 463 Abs. 3 Satz 4 StPO), das sich an den engeren Kriterien zu Verhältnismäßigkeit und Gefahrenbegriff zu orientieren hat.
65
3. Für den Fall, dass die bisherige oder eine erneute Sachprüfung auch unter Zugrundelegung dieser Grundsätze konkreter höchster Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit eine weitere Vollstreckung der Maßregel unerlässlich erscheinen lässt, ist zu beachten:
66
a) Auf etwa während des Vorlegungsverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 132 GVG auftretende neue Entwicklungen, die für die Beurteilung der Gefährlichkeit des Verurteilten bedeutsam sein können, muss unverzüglich mit einer neuen Sachprüfung der Unerlässlichkeit weiterer Freiheitsentziehung reagiert werden.
67
b) Es ist denkbar, dass die Prüfung im Verfahren nach § 132 GVG entgegen dem Votum des erkennenden Senats zum Ergebnis genereller Unzulässigkeit weiterer Maßregelvollstreckung gelangt. Dies zöge die sofortige Entlassung aller betroffenen Untergebrachten nach sich. Im Hinblick darauf ist eine vorsorgliche Vorbereitung sofort umsetzbarer, im Entlassungsfall angezeigter – insbesondere fürsorglicher – Maßnahmen zwingend geboten, die einer sozialen Gefährdung entlassener Verurteilter und einer damit einherge- henden Gefährdung der Allgemeinheit entgegenzuwirken vermögen. Durch eine unvorbereitete Eilentlassung würde diesen Gefahren Vorschub geleistet. Auf geeignete Maßnahmen hinzuwirken, ist auch Aufgabe der im Erledigungsverfahren tätigen Vollstreckungsgerichte einschließlich der vorlegenden Oberlandesgerichte.
Basdorf Brause Schaal Schneider König

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 wegen mehrerer der in § 66 Abs. 3 Satz 1 genannten Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
Dies gilt auch, wenn im Anschluss an die Unterbringung nach § 63 noch eine daneben angeordnete Freiheitsstrafe ganz oder teilweise zu vollstrecken ist.

(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).

(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn

1.
der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a)
gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b)
nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2.
die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach § 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe § 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.

(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn

1.
die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2.
die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.

(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 577/09
vom
12. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverwahrung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. Mai 2010 gemäß §§ 349
Abs. 4, 126 Abs. 3 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Betroffenen wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17. Juli 2009 aufgehoben.
2. Der Antrag auf nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird zurückgewiesen.
3. Die Entscheidung über die Entschädigung des Betroffenen wegen der erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen bleibt dem Landgericht vorbehalten.
4. Der Unterbringungsbefehl des Landgerichts Saarbrücken vom 15. Juni 2007 wird aufgehoben. Der Betroffene ist in dieser Sache sofort auf freien Fuß zu setzen.
5. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Rechtsmittelkosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:


1
Das Landgericht Saarbrücken hat mit Urteil vom 17. Juli 2009 gegen den Betroffenen (erneut) die nachträgliche Unterbringung in der Sicherungsverwah- rung gemäß § 66 b Abs. 3 StGB angeordnet. Mit seiner Revision gegen dieses Urteil rügt er die Verletzung formellen und materiellen Rechts; das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg.

I.


2
Der wiederholt, unter anderem wegen Mordes und gefährlicher Körperverletzung vorbestrafte Betroffene war durch Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 28. September 1989 wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Zugleich hatte das Landgericht seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Der Verurteilte hatte nach Ansicht der damals erkennenden Strafkammer in einem Rausch jedenfalls die Tatbestände der Körperverletzung und des versuchten Totschlags durch Unterlassen verwirklicht. Die Anordnung der Maßregel hatte das Landgericht damit begründet, dass der Verurteilte auf Grund einer Persönlichkeitsstörung zur Begehung schwerster , sexuell motivierter Straftaten neige.
3
Durch Urteil des Landgerichts Trier vom 28. Februar 1991 wurde in einem Sicherungsverfahren erneut die Unterbringung des Verurteilten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Gegenstand dieses Verfahrens war eine gefährliche Körperverletzung, die der Verurteilte am 23. Februar 1990 während einer Flucht aus dem Maßregelvollzug begangen hatte.
4
Der Verurteilte befand sich anschließend nahezu ununterbrochen im Maßregelvollzug. Mit Beschluss vom 28. November 2005 erklärte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Saarbrücken gemäß § 67 d Abs. 6 Satz 1 StGB beide Unterbringungsanordnungen für erledigt, da ein Zustand im Sinne des § 20 StGB nicht (mehr) gegeben sei; gleichwohl sei der Verurteilte weiterhin als gefährlich für die Allgemeinheit einzustufen. Seit dem 23. Dezember 2005 befand sich der Verurteilte sodann in Strafhaft. Er verbüßte bis zum 22. Juni 2007 die Restfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 28. September 1989. Seitdem ist er einstweilen untergebracht (§ 275 a Abs. 5 StPO).
5
Mit Urteil vom 4. April 2007 hatte das Landgericht Saarbrücken auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom 14. November 2006 im Hinblick auf die Verurteilung durch das Landgericht Saarbrücken vom 28. September 1989 gegen den Betroffenen gemäß § 66 b Abs. 3 StGB nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dieses Urteil hatte der Senat durch Beschluss vom 10. Februar 2009 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer zurückverwiesen. Aufhebungsgrund war, dass der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 7. Oktober 2008 - GSSt 1/08 - (BGHSt 52, 379) entschieden hatte, dass § 66 b Abs. 3 StGB nicht auf Fälle anwendbar ist, in denen der Betroffene nach Erklärung der Erledigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67 d Abs. 6 StGB) noch Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, auf die zugleich mit der Unterbringung erkannt worden ist.
6
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht erneut die nachträgliche Unterbringung des Betroffenen in der Sicherungsverwahrung angeordnet und nunmehr die Anordnung der Unterbringung auf das Urteil des Landgerichts Trier vom 28. Februar 1991 gestützt, in der gegen den Betroffenen - weil schuldlos handelnd - nur auf die Unterbringung nach § 63 StGB erkannt worden war.

II.


7
Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung hat keinen Bestand. Zwar hat das Landgericht die Voraussetzungen des § 66 b Abs. 3 StGB rechtsfehlerfrei bejaht, jedoch ist diese Bestimmung gemäß § 2 Abs. 6 StGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK nicht auf Taten anwendbar, die vor ihrem Inkrafttreten begangen worden sind.
8
1. a) Nach dem Urteil der Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Fünfte Sektion) in der Rechtsache M. gegen Bundesrepublik Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 19359/04) vom 17. Dezember 2009 (EuGRZ 2010, 25; auszugsweise auch abgedruckt in NStZ 2010, 263; vgl. hierzu auch Kinzig NStZ 2010, 233) ist die Sicherungsverwahrung - ungeachtet ihrer Bezeichnung im deutschen Recht als „Maßregel der Besserung und Sicherung“ - im Sinne der MRK als Strafe zu qualifizieren, für die das Rückwirkungsverbot des Art. 7 Abs. 1 MRK gilt (Rdnrn. 124 - 133). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dies unter anderem damit begründet, dass die Sicherungsverwahrung wie eine Freiheitsstrafe mit Freiheitsentziehung verbunden sei und es in der Bundesrepublik Deutschland keine wesentlichen Unterschiede zwischen dem Vollzug einer Freiheitsstrafe und dem der Sicherungsverwahrung gebe (Rdnrn. 127 bis 130). Er hat daher in jenem Fall die Bundesrepublik Deutschland zur Zahlung von Schadensersatz an den dortigen Beschwerdeführer verurteilt, da die Anwendung des § 67 d StGB in der Fassung vom 26. Januar 1998 (BGBl. I 160), in welchem die Höchstfrist der Sicherungsverwahrung für Erstverwahrte von zehn Jahren in § 67 d Abs. 1 Satz 1 StGB a.F. abgeschafft worden war, auf Altfälle gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK verstoße (Rdnrn. 135 ff.). Diese Entscheidung ist endgültig, nachdem der Antrag der Bundesregierung auf Verweisung der Rechtsache an die Große Kammer am 10. Mai 2010 abgelehnt worden ist (Artt. 43 Abs. 2, 44 Abs. 2 Buchst. c MRK).
9
b) Nach Maßgabe dieses Urteils verstößt im vorliegenden Fall die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK, da das Tatzeitrecht für die Anlasstat nicht die Anordnung von Sicherungsverwahrung androhte.
10
Der Betroffene hat die Tat, die der Verurteilung durch das Landgericht Trier vom 28. Februar 1991 zugrunde liegt, am 23. Februar 1990 begangen. Nach der rechtlichen Würdigung des Landgerichts handelte er bei ihrer Begehung nicht ausschließbar im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB). Danach kam bereits aus diesem Grund eine Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht in Betracht. Denn § 66 Abs. 1 StGB, sowohl in der zum Tatzeitpunkt gültigen Fassung vom 10. März 1987 (BGBl. I 945) als auch in allen späteren Fassungen, setzte und setzt als Anlasstat die Begehung einer vorsätzlichen, d.h. schuldhaft begangenen, Tat voraus, für die zudem auf eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren erkannt worden sein muss.
11
Im Übrigen wären aber auch bei schuldhafter Tatbegehung die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht erfüllt gewesen, weil der Betroffene vor der (neuen) Tat nicht im Sinne dieser Bestimmung bereits zweimal wegen vorsätzlicher Straftaten jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist. Zwar war er - neben der Verurteilung durch das Landgericht Saarbrücken vom 28. September 1989 - weiterhin durch Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 9. Mai 1980 wegen einer am 30. Juli 1979 begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Diese Tat wäre indes nach § 66 Abs. 3 Satz 3 und 4 StGB a.F. (= § 66 Abs. 4 Satz 3 und 4 StGB in der jetzt geltenden Fassung ) nicht berücksichtigungsfähig gewesen, da der Betroffene nach Verbüßung der damals erkannten Freiheitsstrafe für einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren nicht wieder straffällig geworden war.
12
Erstmals § 66 b Abs. 3 StGB, auf den das Landgericht die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung des Betroffenen gestützt hat, ermöglichte hier die Unterbringung des Betroffenen in der Sicherungsverwahrung. Diese Bestimmung ist jedoch erst nach Begehung der Anlasstat durch Gesetz vom 23. Juli 2004 (BGBl. I 1838) eingeführt worden und am 29. Juli 2004 in Kraft getreten. Ihrer Anwendung auf Altfälle steht nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 daher Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK entgegen.
13
c) Dass gegen den Betroffenen - anders als in dem vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entschiedenen Fall - bereits mit der Anlassverurteilung auf eine von vorneherein zeitlich nicht befristete Maßregel (vgl. § 67 d Abs. 1 Satz 1 StGB in der auch zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung) erkannt worden war, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung (anders OLG Saarbrücken , Beschluss vom 7. April 2010 - 1 Ws 73/10). Insoweit ist zu berücksichtigen , dass schon vor Einführung des § 67 d Abs. 6 Satz 1 StGB nach der Rechtsprechung der Vollstreckungsgerichte die Erledigung der Maßregel bei Wegfall einer ihrer Voraussetzungen auch dann zu beschließen war, wenn die Gefährlichkeit des Untergebrachten fortbestand (vgl. OLG Hamm NStZ 1982, 300; OLG Karlsruhe MDR 1983, 151; OLG Frankfurt NStZ 1993, 252 sowie hierzu auch BVerfG NStZ 1995, 174, 175). Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 67 d Abs. 6 StGB lediglich festschreiben wollen (vgl. BT-Drucks. 15/2887 S. 13 f.). Nach dem zum Zeitpunkt der Tat maßgeblichen Recht hätte somit die angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erledigt erklärt werden und der Betroffene in Freiheit entlassen werden müssen, ohne dass an ihre Stelle die Sicherungsverwahrung treten konnte.
14
d) Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind - ungeachtet ihrer auf den Einzelfall beschränkten Bindungswirkung (vgl. Art. 46 Abs. 1 MRK sowie hierzu Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. MRK Verfahren Rdnr. 76) - bei der Auslegung innerdeutschen Rechts zu berücksichtigen. Die Vorschrift des § 2 Abs. 6 StGB ist daher mit Blick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 dahin auszulegen, dass § 66 b Abs. 3 StGB nicht rückwirkend auf vor seinem Inkrafttreten begangene Taten angewendet werden darf.
15
Zwar handelt es sich bei der Sicherungsverwahrung nach innerdeutschem Recht um eine Maßregel der Besserung und Sicherung, für die nach § 2 Abs. 6 StGB grundsätzlich das Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung gilt. § 2 Abs. 6 StGB schreibt die Maßgeblichkeit des zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Rechts jedoch nur vor, „wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“. Eine derartige andere Bestimmung stellt hier Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschrechte dar.
16
Bei der MRK handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, der durch den Bundesgesetzgeber in das deutsche Recht transformiert worden ist. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung steht die MRK im Range einfachen Bundesrechts. Deutsche Gerichte haben daher die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfGE 111, 307, 316 ff.; BVerfG EuGRZ 2010, 145, 147; Gollwitzer aaO Einführung Rdnrn. 39, 43 jeweils m.w.N.). Dabei sind auch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen, weil sich in ihnen der aktuelle Entwicklungsstand der Konvention widerspiegelt. Das nationale Recht ist wegen des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes unabhängig vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens nach Möglichkeit im Einklang mit den Bestimmungen der MRK auszulegen (BVerfGE 111, 307, 324; Gollwitzer aaO).
17
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist bei konventionsgemäßer Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB die Regelung des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK als (einfach -) gesetzliche Ausnahmeregelung zu bewerten, die für die Anordnung der Sicherungsverwahrung die Maßgeblichkeit des Tatzeitrechts vorsieht. Nach dem zur Tatzeit geltenden Recht war jedoch - wie bereits ausgeführt - die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Betroffenen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt möglich.
18
2. Der hier vorgenommenen Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB steht nicht die Bindungswirkung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Wegfalls der Höchstdauer der erstmaligen Sicherungsverwahrung entgegen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in jener Entscheidung ausgesprochen, dass die Sicherungsverwahrung keine Strafe darstellt und eine nachträgliche Änderung ihrer Höchstdauer nicht gegen das absolute Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG verstößt (BVerfGE 109, 133, 167 ff.). Bei der Frage, ob entsprechend dem Gesetzesvorbehalt in § 2 Abs. 6 StGB eine Maßregel der Besserung und Sicherung von der Maßgeblichkeit des Rechts des Zeitpunkts der Entscheidung auszunehmen ist, handelt es sich indes um eine solche einfachen Rechts. Dem Gesetzgeber steht es im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens frei, für einzelne Maßregeln der Besserung und Sicherung in Abweichung von dem Grundsatz des § 2 Abs. 6 StGB die Geltung des Tatzeitrechts anzuordnen; er hat hiervon in der Vergangenheit wiederholt Gebrauch gemacht (vgl. die Nachweise bei Fischer StGB 57. Aufl. § 2 Rdnr. 15 und speziell Art. 93 des 1. StrRG). Ebenso kann dies Folge der gebotenen Berücksichtigung einer ebenfalls im Range einfachen Bundesrechts stehenden Bestimmung der MRK sein. Der Rechtssatz des Bundesverfassungsgerichts, dass nach deutschem Verfassungsrecht die Sicherungsverwahrung nicht dem Rückwirkungsverbot unterfällt, wird dadurch nicht in Frage gestellt. Einfaches Recht hat zwar die Vorgaben des Grundgesetzes zu wahren, es kann aber im Einzelfall über die dort festgelegten Mindestanforderungen hinausgehen.
19
3. Rechtsprechung anderer Senate des Bundesgerichtshofs steht der getroffenen Entscheidung nicht entgegen. Die Frage, ob § 2 Abs. 6 StGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK einer Anwendung des § 66 b Abs. 3 StGB auf Altfälle entgegensteht, ist - soweit ersichtlich - vom Bundesgerichtshof noch nicht entschieden worden. Der 1. Strafsenat hat in seinem Beschluss vom 14. Januar 2010 - 1 StR 595/09 [zu § 66 b Abs. 2 StGB] mögliche Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 auf den zu entscheidenden Fall offen gelassen und dies mit der fehlenden Endgültigkeit der Entscheidung begründet. Soweit der 1. Strafsenat in seinem Urteil vom 9. März 2010 - 1 StR 554/09 die Auffassung vertreten hat, dass die Ausführungen in der - damals ebenfalls noch nicht endgültigen - Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 JGG auf einen Altfall nicht entgegenstehen, hat er dies mit hier nicht einschlägigen Besonderheiten des Jugendstrafrechts begründet. Im Übrigen ist, nachdem das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte am 10. Mai 2010 gemäß Art. 43 Abs. 2, Art. 44 Abs. 2 Buchst. c MRK endgültig gewor- den ist, eine neue Rechtslage gegeben, die eine etwaige Bindung an frühere entgegenstehende Rechtsprechung entfallen lassen würde (vgl. hierzu Hannich in KK 6. Aufl. § 132 GVG Rdnr. 8).
20
4. Die Maßregelanordnung war daher aufzuheben; gleichzeitig war in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO der Antrag der Staatsanwaltschaft zurückzuweisen und der Betroffene sofort auf freien Fuß zu setzen.
21
Die Entscheidung über die Entschädigung des Betroffenen wegen der seit Ende der Strafhaft erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen bleibt wegen der größeren Sachnähe dem Landgericht vorbehalten.
RiBGH Athing ist im Ernemann Solin-Stojanović Ruhestand und daher an der Unterschrift gehindert Ernemann Cierniak Franke
4
Der beabsichtigten Entscheidung des 5. Strafsenats steht Rechtsprechung des 4. Strafsenats entgegen (Beschluss vom 12. Mai 2010 – 4 StR 577/09, EuGRZ 2010, 359 = NStZ 2010, 567). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest und bemerkt ergänzend:
4
2. Der Senat stimmt dieser Rechtsauffassung nicht zu.

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - F. vom 7. Dezember 2009 aufgehoben.

Die Sicherungsverwahrung ist erledigt.

Es tritt Führungsaufsicht ein, deren Ausgestaltung der Strafvollstreckungskammer F. übertragen wird.

Der Untergebrachte wird der Bewährungshilfe unterstellt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Untergebrachten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

 
Mit Urteil des Landgerichts H. vom 12.2.1981 wurde der Untergebrachte wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wurde verhängt. Nach Anordnung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung durch Beschluss des Landgerichts K. vom 30.3.1988 wird diese seit dem 3.6.1988 in der Justizvollzugsanstalt F. vollstreckt. Zehn Jahre der Sicherungsverwahrung waren am 2.6.1998 verbüßt. Mit Beschlüssen vom 24.9.1990, 17.11.1992, 24.8.1994, 8.7.1996, 10.11.1998, 15.11.2000, 25.10.2002, 22.4.2005, 5.11.2007 und zuletzt mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht F. die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
Die sofortige Beschwerde des Untergebrachten hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Die der Prüfung einer fortbestehenden Gefahr weiterer erheblicher Straftaten nach § 67 d Abs. 3 StGB vorausgehende Überprüfung auf Vollstreckungshindernisse hat ergeben, dass die Sicherungsverwahrung erledigt ist.
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009 (Az 19359/04, StV 2010, 181) ist die mit Gesetz vom 26.1.1998 zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vorgenommene Änderung des § 67d, mit der die Befristung der ersten angeordneten Sicherungsverwahrung nach § 67d Abs. 1 StGB a.F. auf zehn Jahre entfallen ist und die in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB auch diejenigen Sicherungsverwahrten erfasst, für die die Befristung zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung noch bestand, mit dem Freiheitsrecht des Art. 5 EMRK und dem Rückwirkungsverbot des Art. 7 EMRK nicht vereinbar. Die Anordnung der Fortdauer der zum Tat- und Verurteilungszeitpunkt auf 10 Jahre begrenzten Sicherungsverwahrung über diesen Zeitraum hinaus stelle keine Freiheitsentziehung nach einer Verurteilung durch ein zuständiges Gericht (Art. 5 Abs. 1 S. 2 Buchst. a EMRK) dar, da kein hinreichender Kausalzusammenhang zwischen dem Urteil des erkennenden Gerichts und der Fortdauer der Freiheitsentziehung nach Ablauf von 10 Jahren in der Sicherungsverwahrung mehr bestehe. Darüber hinaus sei die Maßregel der Sicherungsverwahrung in ihrer konkreten Ausgestaltung in der autonomen Auslegung durch den Gerichtshof als Strafe zu werten, so dass das Rückwirkungsverbot des Art. 7 EMRK eingreife. Nachdem eine mit fünf Richtern besetzte Kammer am 10.5.2010 entschieden hat, den Antrag der Bundesregierung auf Entscheidung der Großen Kammer des EGMR nicht anzunehmen, ist die Entscheidung des EGMR vom 17.12.2009 rechtskräftig geworden.
Diese Rechtsprechung gilt auch für die gegen den Untergebrachten verhängte Sicherungsverwahrung, da bei Tatbegehung und Aburteilung die zehnjährige Befristung des § 67d Abs. 1 StGB a.F. galt.
Die Entscheidungen des EGMR binden nach Art. 46 EMRK zwar zunächst nur die Parteien in der konkret entschiedenen Sache. Doch kommt den Urteilen des EGMR bei der Auslegung der EMRK, die im innerstaatlichen Recht zwar keinen Verfassungsrang, in der Folge des Ratifikationsgesetzes des Bundestages aber der Rang eines einfachen Gesetzes besitzt und damit am Vorrang des Gesetzes teilnimmt (Art. 20 Abs. 3 GG), eine sog. Orientierungsfunktion zu (SK-Paeffgen, EMRK, Einleitung Rn 383; vgl. auch LR-Gollwitzer, MRK Verfahren, Rn 77b; Meyer-Ladewig/Petzold NJW 2005, 15, 18f.; Esser StV 2005, 348, 349, 354), da sie den aktuellen Entwicklungsstand der Konvention widerspiegeln (BVerfG NJW 2004, 3407, 3408; BGH, 4 StR 577/09, Beschluss vom 12.5.2010, bei JURIS). Gleichzeitig verpflichtet die Völkerrechtsfreundlichkeit der grundgesetzlichen Ordnung die Gerichte, das nationale Recht möglichst in Einklang mit dem Völkerrecht, zu dem auch die EMRK in ihrer Auslegung durch den EGMR zählt, auszulegen (vgl. BVerfG NJW 2004, 3407, 3410). Die EMRK ist mithin in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof im Range eines förmlichen Bundesgesetzes in den Vorrang des Gesetzes nach Art. 20 Abs. 3 GG einbezogen und muss von der Rechtsprechung sowohl bei der Auslegung der Konventionsvorschriften als auch des innerstaatlichen Rechts beachtet werden (BVerfG NJW 2004, 3407, 3410; im Ergebnis auch OLG Stuttgart, 1 Ws 57/10, Beschluss vom 1.6.2010, bei JURIS; OLG Frankfurt, 3 Ws 539/10, Beschluss vom 1.7.2010, bei JURIS; OLG Hamm, 4 Ws 157/10, Beschluss vom 6.7.2010, S. 5). Allerdings setzt die Gesetzesbindung der Umsetzung der Entscheidungen des Gerichtshofs auch Grenzen, weil die Gerichte sich nicht unter Berufung auf eine Entscheidung des EGMR von der rechtsstaatlichen Kompetenzordnung und der Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) lösen können. Deshalb kann sowohl die fehlende Auseinandersetzung mit einer Entscheidung des EGMR als auch deren gegen vorrangiges Recht verstoßende schematische Umsetzung verfassungsrechtliche Vorgaben verletzen (BVerfG NJW 2004, 3407, 3410). Die Entscheidungen des EGMR können deshalb nur im Rahmen einer methodisch vertretbaren Auslegung Beachtung finden. Wenn eine solche völkerrechtskonforme Auslegung eines Gesetzes nicht möglich ist, muss der Gesetzgeber tätig werden (NJW 2004, 3407, 3410).
Damit scheidet vorliegend eine konventionskonforme Auslegung der eindeutigen Regelung des § 67d Abs. 3 StGB, wonach die Sicherungsverwahrung bis zur ihrer Erledigung dauert, die nach dieser Vorschrift erst ausgesprochen werden darf, wenn die in der Tat zum Ausdruck gekommene Gefährlichkeit nicht mehr besteht, aus. Dagegen ist die Vorschrift des § 2 Abs. 6 StGB, wonach - soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - über Maßregeln der Sicherung und Besserung nach dem Gesetz zu entscheiden ist, das zum Zeitpunkt der Entscheidung gilt, einer Auslegung zugänglich. Denn Art. 7 EMRK ist als andere gesetzliche Regelung im Sinne dieser Vorschrift zu werten, die in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof als Ausnahme vom Grundsatz des § 2 Abs. 6 StGB, bei Entscheidungen über Maßregeln das Gesetz anzuwenden, das zum Zeitpunkt der Entscheidung gilt, für die Sicherungsverwahrung ein Rückwirkungsverbot begründet (BGH, 4 StR 577/09, Beschluss vom 12.5.2010, bei JURIS; OLG Frankfurt, 3 Ws 485/10, Beschluss vom 24.6.2010, bei JURIS; OLG Hamm, 4 Ws 157/10, Beschluss vom 6.7.2010, S. 6 ff.; Rechtsgutachten Prof. Grabenwarter, S. 40 ff.). Diese Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB ist mit dem Wortlaut der Vorschrift ohne weiteres zu vereinbaren. Soweit das Oberlandesgericht Koblenz (1 Ws 108/10; Beschluss vom 7.6.2010, bei JURIS) argumentiert, der EGMR sehe in der Sicherungsverwahrung eine Strafe und keine Maßregel, so dass unter Berücksichtigung dieser Auffassung § 2 Abs. 6 StGB nicht einschlägig und folglich auch nicht auszulegen sei, übersieht es - abgesehen davon, dass dann ohne weiteres das Rückwirkungsverbot des § 2 Abs. 1 StGB eingriffe -, dass der Gerichtshof den Begriff der Strafe in Art. 7 EMRK autonom, d.h. unabhängig von seiner Bedeutung im nationalen Recht, auslegt (vgl. Nr. 120 der Entscheidung), so dass die Definition der Sicherungsverwahrung als Maßregel in § 61 Nr. 3 StGB davon unberührt bleibt. Ebenso steht der Zweck der Vorschrift einer solchen Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB nicht entgegen, der Sonderregelungen für bestimmte Maßregeln ermöglichen will, von denen auch die Sicherungsverwahrung nicht ausgenommen werden kann (vgl. Rechtsgutachten Prof. Grabenwarter, S. 43). Allerdings wollte der historische Gesetzgeber § 67d Abs. 3 StGB dezidiert uneingeschränkt rückwirkend in Kraft zu setzen (BT-Drs 13/9062, S. 12; OLG Celle, 2 Ws 169-170/10, Beschluss vom 25.5.2010 bei JURIS; OLG Stuttgart, 1 Ws 57/10, Beschluss vom 1.6.2010, bei JURIS; vgl. auch OLG Koblenz, 1 Ws 108/10, Beschluss vom 7.6.2010, bei JURIS). Die mit dem Gesetz vom 26.1.1998 zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten eingeführte Vorschrift des Art. 1 a EGStGB sah in Abs. 3 gerade für die Vorschrift des § 67d Abs. 3 StGB eine uneingeschränkte Rückwirkung vor. Doch muss die historische Auslegung vorliegend hinter einer völkerrechtskonformen Auslegung zurückstehen, da die Gerichte in Fällen wie dem vorliegenden verpflichtet sind, das nationale Recht möglichst im Einklang mit dem Völkerrecht auszulegen (BVerfG NJW 2004, 3407, 3410). Dies gilt umso mehr, als der historische Gesetzgeber, der sich im Zusammenhang mit dem nachträglichen Entfallen der 10-Jahresfrist ausdrücklich mit dem Rückwirkungsverbot bzw. - weil er dieses bei Maßregeln nicht für anwendbar hielt - dem Vertrauensgrundsatz befasst hat, sich dem Rückwirkungsschutz im Bereich des § 67d Abs. 3 StGB verfassungsrechtlich nicht allzu hoch verpflichtet glaubte, weil es nicht um die Anordnung, sondern nur um die Dauer der Sicherungsverwahrung gehe. Dass der der EMRK in der Auslegung durch den EGMR ebenfalls verpflichtete Gesetzgeber eine menschenrechtswidrige Rückwirkung auch unter Missachtung völkerrechtlichen Vorgaben anordnen wollte, kann dem gerade nicht entnommen werden (so auch OLG Frankfurt, 3 Ws 485/10, Beschluss vom 24.6.2010, bei JURIS). Auch die eindeutige Vorschrift des Art. 1 a EGStGB steht nach ihrer Streichung einer konventionskonformen Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB nicht mehr entgegen.
Ebenso verbietet die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5.2.2004 (NJW 2004, 739ff.), dass der rückwirkende Wegfall der Befristung der ersten Sicherungsverwahrung verfassungsrechtlich unbedenklich ist, eine solche Auslegung nicht, da diese Entscheidung nach § 31 BVerfGG nur insoweit bindet, als das Bundesverfassungsgericht die Regelung als verfassungsmäßig angesehen hat. Eine über die grundgesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehende einfachgesetzliche Regelung - keine Ausnahme vom Rückwirkungsverbot bei der Maßregel der Sicherungsverwahrung - schließt die verfassungsgerichtliche Entscheidung nicht aus (vgl. auch BGH, 4 StR 577/09, Beschluss vom 12.5.2010, bei JURIS; OLG Frankfurt, 3 Ws 485/10, Beschluss vom 24.6.2010, bei JURIS).
Da das Rückwirkungsverbot des Art. 7 EMRK absolut gilt, bleibt für eine Abwägung mit dem Schutz der Allgemeinheit im vorliegenden Zusammenhang kein Raum (OLG Frankfurt, 3 Ws 485/10, Beschluss vom 24.6.2010, bei JURIS). Ein sog. mehrpoliges Grundrechtsverhältnis, das einer konventionskonformen Auslegung Grenzen setzen könnte, ist vorliegend nicht gegeben (a.A. OLG Celle, Beschluss vom 25.5.2010, 2 Ws 169 - 170/10 bei JURIS). Hiervon wäre nämlich nur dann auszugehen, wenn bei der vorliegenden Entscheidung die subjektiven Rechtspositionen mehrerer Grundrechtsinhaber in Einklang gebracht werden müssten, von denen nur einer einen günstigen Urteilsspruch des EGMR ins Feld führen könnte, so dass der andere, der vom EGMR nicht gehört wurde, möglicherweise als Verfahrenssubjekt nicht mehr in Erscheinung träte (BVerfG NJW 2004, 3407, 3410). Davon kann hier nicht die Rede sein. Der Schutz der Allgemeinheit ist Aufgabe des Staates, der am Verfahren vor dem EGMR beteiligt war und dort seine Position einbringen konnte (OLG Frankfurt, 3 Ws 485/10, Beschluss vom 24.6.2010, bei JURIS). Ebensowenig verbietet die Verpflichtung, bei der Umsetzung der Entscheidungen des EGMR die Auswirkungen auf ausbalancierte Teilsysteme der nationalen Rechtsordnung, die verschiedene Grundrechtspositionen miteinander zum Ausgleich bringen, zu berücksichtigen (BVerfG NJW 2004, 4407, 3410), die Annahme eines Rückwirkungsverbotes. Denn wenn auch der staatliche Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit eine Einschränkung des Freiheitsgrundrechtes erlaubt, so ist doch nicht ersichtlich, dass die Aufhebung der Zehnjahresfrist zum Schutze der Grundrechte potentieller Opfer (vgl. BGH NJW 2010, 1539 f.; OLG Celle, Beschluss vom 25.5.2010, 2 Ws 169 - 170/10 bei JURIS) verfassungsrechtlich geboten war (BVerfG, Entscheidung vom 5.2.2004 - NJW 2004, 739ff. -, Rn 189, zitiert nach JURIS; vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 1.6.2010, 1 Ws 57/10, bei JURIS).
Da die konventionskonforme Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB damit zu dem Ergebnis führt, dass bei der Vollstreckung der Maßregel der Sicherungsverwahrung das Rückwirkungsverbot des Art. 7 EMRK eingreift, gilt insoweit die bei Tatbegehung gültige Fassung des § 67d StGB, wonach nach Abs. 1 die erste Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zehn Jahre nicht übersteigen darf. Damit ist die Maßregel erledigt. Eine Entscheidung nach § 67 d Abs. 3 StGB in der aktuellen Fassung kommt deshalb nicht mehr in Betracht. Das aus der von Gesetzes wegen eingetretenen Erledigung (OLG Frankfurt, 3 Ws 539/10, Entscheidung vom 1.7.2010, bei JURIS) folgende Vollstreckungshindernis (SK-Paeffgen zu § 458 Rn 8) ist von der Vollstreckungsbehörde zu beachten, die deshalb die Freilassung veranlassen muss.
10 
Es tritt nach § 67d Abs. 4 S. 3 StGB Führungsaufsicht ein. Der Wortlaut dieser Vorschrift erlaubt ihre Anwendung auf die durch konventionskonforme Auslegung gewonnene Erledigung der Sicherungsverwahrung. Im übrigen sah auch § 67d StGB a.F. in Absatz 4 Führungsaufsicht bei Entlassung nach dem Ablauf der zehnjährigen Höchstdauer der Sicherungsverwahrung vor, so dass unter dem Aspekt der Meistbegünstigung die Führungsaufsicht ebenfalls nicht entfiele. Die Ausgestaltung der Führungsaufsicht hat der Senat wegen der Sachnähe der Strafvollstreckungskammer übertragen, zumal bisher lediglich unzureichende Informationen über die Entlassungssituation vorliegen. Er weist allerdings darauf hin, dass insoweit nach § 2 Abs. 6 StGB die aktuelle Gesetzeslage gilt, da die Erwägungen, mit denen der EGMR die Sicherungsverwahrung unter den Begriff der Strafe im Sinne des Art. 7 EMRK subsumiert hat, auf die Maßregel der Führungsaufsicht nicht zutreffen. Damit sind auch die Regelungen zur forensischen Ambulanz anwendbar.
11 
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja
Veröffentlichung : ja
MRK Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 7 Abs. 1 Satz 2
1. Ergibt sich für die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
aus der Europäischen Konvention
zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in
der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte eine die Rückwirkung generell hindernde
andere Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB?
(Anfrage nach § 132 GVG)
2. Im Fall zulässiger rückwirkender Anwendung ist § 67d
Abs. 3 Satz 1 StGB einschränkend dahin auszulegen,
dass die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
nach zehnjährigem Vollzug für erledigt zu erklären ist, sofern
nicht eine hochgradige Gefahr schwerster Gewaltund
Sexualverbrechen aus konkreten Umständen in der
Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten
ist.
BGH, Beschluss vom 9. November 2010 – 5 StR 394/10
–5StR440/10
–5StR474/10
LG Stuttgart, Celle, Koblenz –
5 StR 440/10
5 StR 474/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 9. November 2010
in den Maßregelvollstreckungssachen
gegen
1.
- 5 StR 394/10 -
2.
- 5 StR 440/10 -
3.
- 5 StR 474/10 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. November 2010

beschlossen:
1. Die Vorlegungsverfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ergibt sich für die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keine die Rückwirkung generell hindernde andere Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB.
Der Senat fragt beim 4. Strafsenat an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird, bei den anderen Strafsenaten, ob dieser Rechtsauffassung zugestimmt wird.
3. Bis zur Erledigung des Verfahrens nach § 132 GVG werden die Akten an die vorlegenden Oberlandesgerichte zur Fortführung der nach § 67e Abs. 1 Satz 1, § 67d Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 StGB gebotenen Überprüfungen zurückgegeben.
G r ü n d e
1
Die verbundenen Vorlegungsverfahren (§ 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG) betreffen die Frage der Fortgeltung der bis 30. Januar 1998 gültigen Höchstdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung von zehn Jahren (§ 67d Abs. 1 Satz 1 StGB a.F.) in „Altfällen“. Der Senat hat darüber zu entscheiden , ob das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (M. gegen Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 19359/04, EuGRZ 2010, 25) die deutschen Gerichte dazu zwingt, in Fällen , in denen die erstmalige Unterbringung eines Verurteilten in der Sicherungsverwahrung wegen Taten angeordnet wurde, die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen schweren Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I 160) begangen worden waren, die Maßregel nach zehnjährigem Vollzug für erledigt zu erklären.
2
Die vorlegenden Oberlandesgerichte Stuttgart, Celle und Koblenz möchten – wie bereits in vorangegangenen Entscheidungen (OLG Stuttgart Justiz 2010, 346; OLG Celle NStZ-RR 2010, 322; OLG Koblenz JR 2010, 306; vgl. auch OLG Nürnberg NStZ 2010, 574) – jeweils in Fällen über zehn Jahre hinaus vollstreckter Sicherungsverwahrung sofortige Beschwerden von Untergebrachten gegen Fortdauerbeschlüsse der zuständigen Landgerichte verwerfen. Sie vertreten die Auffassung, dass auch unter Zugrundelegung der Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine Erledigterklärung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Altfällen nach Vollzug von zehn Jahren trotz fortbestehender Gefährlichkeit des Verurteilten nicht geboten sei. Vielmehr richte sich die Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung allein nach der gegenwärtigen Regelung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB. An der beabsichtigten Entscheidung sehen sie sich jedoch durch Beschlüsse anderer Oberlandesgerichte (OLG Frankfurt NStZ 2010, 573; NStZ-RR 2010, 321; OLG Hamm StRR 2010, 352; OLG Karlsruhe Justiz 2010, 350; NStZ-RR 2010, 322; SchlHolstOLG SchlHA 2010, 296) gehindert. Sie haben deshalb die jeweilige Sache zur Entscheidung der Rechtsfrage gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 GVG dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
3
Dem Senat liegen zwölf weitere gleichgelagerte Vorlegungsverfahren vor. Er möchte in den drei zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Verfahren – im Ergebnis in Übereinstimmung mit den Anträgen des Generalbundesanwalts – grundsätzlich im Sinne der vorlegenden Oberlandesgerichte entscheiden. Er sieht sich daran jedoch durch bindende Rechtsprechung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs gehindert; darüber hinaus sieht der Senat in der aufgeworfenen Frage eine solche von grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 4 GVG).

I.


4
1. Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19. August 2010 (Vorlegungsverfahren 5 StR 394/10):
5
Durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27. September 1985 (Anlassurteil ) wurde der wiederholt, unter anderem wegen schwerster Sexualdelikte vorbestrafte D. wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, verbunden mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung. Nach vollständiger Verbüßung der Strafe wird die Sicherungsverwahrung – nunmehr bereits über 21 Jahre – vollzogen. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19. März 2010 hat das Landgericht Heilbronn letztmals die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet.
6
Sachverständig beraten ist das Oberlandesgericht zu der Überzeugung gelangt, dass der mittlerweile 63 Jahre alte Verurteilte auch weiterhin wegen eines Hanges zur Begehung erheblicher Straftaten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, gefährlich sei. Er sei eine histrionisch-dissoziale Persönlichkeit, die einen Mangel an Empa- thie, deutliche und andauernde Verantwortungslosigkeit, Missachtung sozialer Normen, eine niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges Handeln sowie oberflächliche Affektivität, Egozentrik und manipulatives Verhalten zur Befriedigung eigener Bedürfnisse aufweise. Seine Persönlichkeitsstruktur sei durch ein jedes normale Maß übersteigendes Geltungs- und Durchsetzungsbedürfnis sowie das Bedürfnis gekennzeichnet, Überlegenheit zu demonstrieren. Das bisherige strafbare Vorleben des Verurteilten beruhe auf dieser Persönlichkeitsstruktur. Im Vordergrund der Taten habe die Demonstration von Macht gestanden, die den eigentlichen sexuellen Antrieb überwogen habe. Dem liegen folgende tatsächliche Befunde zugrunde:
7
Nachdem der Verurteilte bereits 1971 wegen versuchter Notzucht verurteilt worden war, verübte er vor Begehung der Anlasstat in der Zeit von 1973 bis 1978 – zweimal während laufender Strafaussetzungen, einmal nur zwei Monate nach längerer Untersuchungshaft – insgesamt vier schwere Sexualstraftaten. Alle zeichneten sich durch brutales, auf bedingungslose Durchsetzung des eigenen Willens gerichtetes Vorgehen und durch menschenverachtende Behandlung der Opfer aus. Seine zwischen 13 und 17 Jahre alten Opfer vergewaltigte er mehrfach, auf verschiedene Weise und unter entwürdigenden Begleitumständen. In Fällen der Mittäterschaft war er der Wortführer, der Reihenfolge, Zeit und Art des erzwungenen Geschlechtsverkehrs anordnete. In nahezu allen Fällen versetzte er die Opfer durch Würgen oder Zupacken am Hals, verbunden mit entsprechenden Drohungen, in Todesangst.
8
Während des Vollzugs der Sicherungsverwahrung verübte er mehrere zum Teil bewaffnete Angriffe auf Vollzugsbedienstete. Weiterhin sind zahlreiche ernstzunehmende Bedrohungen von Vollzugs- und Justizpersonal aktenkundig , die mit Hinweisen auf Anschriften, auch der Ehepartner, oder mit vorgeblichem Wissen um den Aufenthalt der Kinder der bedrohten Personen verknüpft waren. Letztmalig drohte er am 6. Juni 2010 damit, seine Zelle – wie bereits zuvor geschehen – in Brand zu stecken, und bezeichnete sich selbst als „tickende Atombombe“.
9
Der Verurteilte lehnt nahezu jede therapeutische Behandlung ab. Er unterhält keine Außenkontakte und hat Lockerungsmaßnahmen (begleitete Wanderungen oder Stadtausführungen) ebenso verweigert wie Beratungsgespräche mit der Bewährungshilfe und die Teilnahme an einem sozialen Training. Auf die Bereitschaft der Sozialbetreuung Heilbronn, ihm im Fall der Entlassung eine Unterkunft mit Hilfe bei der Bewältigung des täglichen Lebens zur Verfügung zu stellen, hat er ablehnend reagiert.
10
2. Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 9. September 2010 (Vorlegungsverfahren 5 StR 440/10):
11
Durch Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 12. Juli 1991 (Anlassurteil ) wurde K. wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexueller Nötigung, in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt, verbunden mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 28. Mai 2010 hat das Landgericht Lüneburg erstmals die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus angeordnet.
12
Seine Überzeugung, dass der Verurteilte einen Hang zur Begehung einschlägiger schwerer Straftaten aufweise, begründet das Oberlandesgericht mit folgenden Umständen:
13
Anfang 1967 kam es zur ersten Sexualstraftat des Verurteilten, bei der er versucht hatte, zwei 15 Jahre alte Jungen anal zu vergewaltigen, nachdem er sie zuvor bedroht und gefesselt hatte. Im Juli 1968 zwang er zwei 13-jährige Jungen, sein Glied bis zum Samenerguss zu reiben, während er an den Geschlechtsteilen der Opfer manipulierte. Nur etwa einen Monat später ver- senkte er einen 17-jährigen Jugendlichen, den er aufgrund eines zuvor im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung erlittenen Sturzes für tot hielt, in einem Teich. Etwa ein Jahr nach Verbüßung der deswegen verhängten Jugendstrafe zwang er einen 13 Jahre alten Jungen zum Oral- und Analverkehr. Nur wenige Tage nach Entlassung aus der gegen ihn verhängten Strafhaft zwang er einen Arbeitskollegen unter Vorhalt eines Messers zum Oralverkehr. Der Anlassverurteilung liegen zugrunde die Vornahme des Oralverkehrs sowie der Versuch des Analverkehrs an einem elfjährigen Jungen , der mehrfache unter Vorhalt eines Messers und unter Fesselung erzwungene Anal- und Oralverkehr an zwei 13-jährigen Jungen sowie der ebenfalls unter Vorhalt eines Messers und unter Fesselung erzwungene Oral- und Analverkehr an einem weiteren elfjährigen Jungen, der überdies durch eine Schnittverletzung am Hals lebensgefährlich verletzt wurde.
14
Diese Straftaten sind nach Auffassung des Oberlandesgerichts Ausdruck der letztmalig im Mai 2010 sachverständig bestätigten schweren Persönlichkeitsstörung mit sadistisch ausgerichteter Sexualdeviation des mittlerweile 61 Jahre alten Verurteilten. Bisherige therapeutische Interventionsversuche verliefen ergebnislos. Die Teilnahme an gruppentherapeutischen Sitzungen brach der Verurteilte ab, weil er den Kontakt zu den anderen Teilnehmern nicht habe ertragen können. Seither zeigte er keine Bereitschaft zu Therapiemaßnahmen. Auch ein Aufenthalt in der sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt Hannover wurde im Jahr 2008 wegen mangelnder Aufgeschlossenheit in der Therapie abgebrochen.
15
3. Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 30. September 2010 (Vorlegungsverfahren 5 StR 474/10):
16
F. beging in den Jahren 1976, 1977 und 1983 insgesamt sechs schwere, sämtlich gegen Frauen gerichtete Gewaltverbrechen, darunter Sexualverbrechen:
17
1977 wurde er wegen schweren Raubes in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer in zwei Fällen und wegen Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er hatte in einer Nacht in kurzem zeitlichem Abstand zwei Prostituierte in sein Fahrzeug gelockt und auf einem Autobahnparkplatz unter Vorhalt eines Dolches ausgeraubt, eine der Frauen ferner unter Drohung mit einer Schusswaffe zum Geschlechtsverkehr gezwungen.
18
Anfang Dezember 1977 setzte er das Haus einer Arbeitskollegin in Brand, die einen Annäherungsversuch abgewiesen hatte, wobei sich sieben Menschen in dem Haus aufhielten. Wegen schwerer Brandstiftung wurde er zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.
19
Durch das Landgericht Zweibrücken wurde er am 5. Juni 1984 (Anlassurteil ) wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, verbunden mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung. Unter ständiger Bedrohung mit einem Messer hatte er eine junge Mutter in deren Wohnung mehrmals zum Geschlechtsverkehr gezwungen, mit dem Messer an deren Geschlechtsteil manipuliert, sie gezwungen, den Oralverkehr bei ihm auszuüben , vor ihm die Notdurft zu verrichten und ihn manuell zu befriedigen, wobei er ihr das Ejakulat ins Gesicht spritzte. Nachdem er die Frau gefesselt und geknebelt hatte, versuchte er, den Analverkehr durchzuführen. Unter der Drohung, ihren vier Monate alten Säugling umzubringen, falls sich die Geschädigte an die Polizei wende, ließ er schließlich von ihr ab. Einen Tag später verschaffte er sich erneut Zutritt zu ihrer Wohnung und zwang sie abermals unter Vorhalt eines Messers mehrfach zum Geschlechtsverkehr. Er nötigte die völlig verstörte und erschöpfte Frau, zwölf Tabletten eines starken Beruhigungsmittels mit Bier einzunehmen. Die Geschädigte geriet hierdurch in einen Dämmerzustand und wurde nachts darauf in hilfloser Lage in ihrer Wohnung aufgefunden. Am Folgetag verschaffte sich der Verurteilte Zutritt zur Wohnung der 20-jährigen Nachbarin seiner Eltern und stach mit einem Schraubenzieher auf sie ein. Er würgte die junge Frau und stieß ihr zwei Finger in die Augen. Dann zwang er sie zum Oralverkehr und Beischlaf, während er erneut auf sie einstach und ihr drohte, den Schraubenzieher in ihre Scheide zu stoßen. Die Geschädigte erlitt zahlreiche schwere Verletzungen und war massiv traumatisiert.
20
Seit 20 Jahren wird die Sicherungsverwahrung vollzogen. Im Mai 2009 erlitt der Verurteilte einen akuten Vorderwandinfarkt; er leidet an einer Knieund Hüftarthrose, aufgrund derer er Gehstützen benutzt. Zuletzt hat das Landgericht Koblenz mit dem angefochtenen Beschluss vom 18. Februar 2010 den weiteren Vollzug der Maßregel angeordnet.
21
Das Oberlandesgericht nimmt nach eingehender Prüfung einen fortbestehenden Hang des Verurteilten zur Begehung einschlägiger schwerer Straftaten an. Nach näherer Aufklärung des physischen Gesundheitszustands des jetzt 58 Jahre alten Verurteilten gelangt es zu der Überzeugung, dass er trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen zu massivem fremdaggressivem Verhalten, auch zur Begehung von Sexualstraftaten, körperlich in der Lage ist, und zeigt plausible mögliche Verbrechensszenarien auf.
22
Sachverständig beraten kommt es zu dem Ergebnis, dass dem strafbaren Verhalten des Verurteilten eine kombinierte Persönlichkeitsstörung zugrunde liegt, die eine geringe Frustrationstoleranz und eine gesteigerte Impulsivität bedingt und im Vollzug keine Abmilderung erfahren hat. Der Verurteilte hat sich bisher jeglichem therapeutischen Zugang verschlossen. Begonnene Therapien hat er entweder von sich aus eingestellt oder sie mussten abgebrochen werden, da er sich nicht öffnete. Derzeit lehnt er jedes Therapieangebot ab; er sieht keinen Therapiebedarf. Zu den Anlasstaten zeigt er oberflächliche Verleugnungs- und Verdrängungstendenzen. Hinsichtlich seines Sexualverhaltens gibt er an, etwa einmal wöchentlich bis zum Samenerguss zu onanieren; er wolle nach wie vor den Geschlechtsverkehr mit einer erwachsenen Frau ausführen, was er sich in seiner Phantasie auch vorstelle. Falls seine Erektion nicht ausreiche, werde er Viagra nehmen. Die Gefahr erneuter schwerster Sexualstraftaten hält das Oberlandesgericht für außerordentlich hoch. Selbst ein Tötungsdelikt liege – da der Verurteilte bei der letzten Anlasstat Tötungsphantasien ausgelebt habe – im Bereich des Wahrscheinlichen.

II.


23
Die Rechtsansicht der vorlegenden Oberlandesgerichte, dass sich trotz des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus in Altfällen allein nach der gegenwärtigen Regelung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB richte, ist unvereinbar mit der bindenden Rechtsprechung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 12. Mai 2010 – 4 StR 577/09 (NStZ 2010, 567).
24
1. Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen schweren Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I 160) hat der Gesetzgeber die durch das 2. Strafrechtsreformgesetz vom 4. Juli 1969 (BGBl I 717) eingeführte strikte Höchstdauer der ersten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung von zehn Jahren (§ 67d Abs. 1 Satz 1 StGB a.F.) aufgehoben und die unbefristete Vollstreckung der Maßregel ermöglicht, jedoch nur unter den in § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB genannten engeren Voraussetzungen.
25
Zum zeitlichen Geltungsbereich dieser Vorschrift bestimmt die allgemeine Regelung des § 2 Abs. 6 StGB, dass für Maßregeln der Besserung und Sicherung das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht anzuwenden ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB ist daher grundsätzlich auch auf Altfälle anwendbar (BVerfGE 109, 133, 182).
26
2. Für den Anwendungsbereich der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 3 StGB sieht der 4. Strafsenat (aaO) in Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eine anderweitige gesetzliche Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB (ebenso Grabenwarter JZ 2010, 857; Gaede HRRS 2010, 329, 332 ff.), welche eine Anwendung des § 66b Abs. 3 StGB auf Altfälle ausschließe.
27
a) Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 (EuGRZ 2010, 25) ist die Sicherungsverwahrung – ungeachtet ihrer Einordnung im deutschen Recht als Maßregel der Besserung und Sicherung – im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention als Strafe zu qualifizieren, für die das Rückwirkungsverbot des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK gilt (Rdn. 124 bis 133). Der Gerichtshof hat dies unter anderem damit begründet, dass die Sicherungsverwahrung wie eine Freiheitsstrafe mit Freiheitsentziehung verbunden sei und es in Deutschland keine wesentlichen Unterschiede zwischen dem Vollzug einer Freiheitsstrafe und dem der Sicherungsverwahrung gebe (aaO Rdn. 127 bis 130).
28
b) Der 4. Strafsenat legt zugrunde, dass die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – ungeachtet ihrer auf den Einzelfall beschränkten Bindungswirkung (vgl. Art. 46 Abs. 1 MRK sowie hierzu Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. MRK Verfahren Rdn. 76) – bei der Auslegung innerdeutschen Rechts zu berücksichtigen sind. Dies führe zum Ausschluss rückwirkender Anwendung. Zwar handele es sich bei der Sicherungsverwahrung nach innerdeutschem Recht um eine Maßregel der Besserung und Sicherung, für die nach § 2 Abs. 6 StGB grundsätzlich das Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung gelte. § 2 Abs. 6 StGB schreibe die Maßgeblichkeit des geltenden Rechts jedoch nur dann vor, „wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt“ sei. Eine derartige andere Bestimmung stelle Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dar (BGH aaO S. 568).
29
3. Trifft die Auffassung des 4. Strafsenats zu, so ist die Vorlegungsfrage zwingend dahingehend zu beantworten, dass Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK eine Anwendung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB auf die hier zu beurteilenden Altfälle ausschließt. Nach dem zum jeweiligen Tatzeitpunkt geltenden Recht war die Dauer des Vollzugs der Sicherungsverwahrung auf zehn Jahre begrenzt ; alle Verurteilten wären somit – ungeachtet fortdauernder Gefährlichkeit – nach Fristablauf freizulassen. Die Frage des Rückwirkungsverbots kann im Rahmen des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB nicht anders beantwortet werden als im Rahmen des für die Entscheidung des 4. Strafsenats maßgebenden § 66b Abs. 3 StGB (vgl. auch OLG Karlsruhe NStZ-RR 2010, 322).

III.


30
Der Senat ist indessen – in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts – der Meinung, dass einer Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB in diesem Sinne zwingende Rechtsgründe entgegenstehen.
31
1. Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten wurde als völkerrechtlicher Vertrag durch den Bundesgesetzgeber in das deutsche Recht transformiert. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung kommt den Regelungen der Konvention der Rang einfachen Bundesrechts zu. Die Konvention ist bei der Interpretation des nationalen Rechts im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfGE 111, 307, 317). Dabei sind auch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen, weil sie den aktuellen Entwicklungsstand der Konvention widerspiegeln (BVerfGE aaO S. 319).
32
Zeigt eine Entscheidung des Gerichtshofs, wie vorliegend, über den entschiedenen Einzelfall hinaus strukturelle Mängel des nationalen Rechts auf, so gebietet die Verpflichtung innerstaatlicher Beachtung der Konvention – ungeachtet der beschränkten Bindungswirkung nach Art. 46 Abs. 1 MRK – eine konventionskonforme Ausgestaltung des nationalen Rechts (Gollwitzer aaO Rdn. 77b). Auch in Ermangelung einer § 31 Abs. 1 BVerfGG entsprechenden Vorschrift, wonach alle Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gebunden sind, gehört zur Bindung an Gesetz und Recht, dass Gewährleistungen der Konvention in ihrer Ausformung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu berücksichtigen sind (BVerfGE aaO S. 323). Aus dem Stellenwert der Europäischen Menschenrechtskonvention als lediglich einfaches Bundesrecht folgt indes, dass die Verpflichtung deutscher Gerichte zu vorrangiger konventionskonformer Auslegung auf Fälle vorhandener Auslegungs- und Abwägungsspielräume beschränkt ist (BVerfGE aaO S. 329). Die Zulässigkeit konventionskonformer Auslegung endet aus Gründen der Gesetzesbindung der Gerichte dort, wo der gegenteilige Wille des nationalen Gesetzgebers deutlich erkennbar wird (BGH NStZ 2010, 565, 566, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt; Giegerich in Grote/Marauhn [Hrsg.], EMRK/GG Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz 2006 Kap. 2 Rdn. 20; Radtke NStZ 2010, 537, 542 ff.). Die Europäische Menschenrechtskonvention eröffnet den Gerichten keine Verwerfungskompetenz für eindeutig entgegenstehende Gesetze. Anders als bei deren Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz (Art. 100 Abs. 1 GG) besteht hier auch keine Vorlegungsmöglichkeit. In diesen Fällen ist allein der Gesetzgeber aufgerufen, eine Verletzung der Konvention infolge Anwendung eindeutiger gesetzlicher Regelungen durch deren Abänderung zu beseitigen.
33
2. Nach diesen Grundsätzen kann das aus Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK resultierende Rückwirkungsverbot nicht als abweichende gesetzliche Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB angesehen werden. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nicht von völkerrechtlichen Verpflichtungen abweichen oder die Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen will (BVerfGE 74, 358, 370). Der Gesetzgeber hat jedoch unmissverständlich das Gebot zum Ausdruck gebracht, die betroffenen weiter- hin gefährlichen Verurteilten nicht in die Freiheit zu entlassen. Eine Interpretation des § 2 Abs. 6 StGB in dem Sinne, dass für die Sicherungsverwahrung eine rückwirkende Anwendung nicht möglich ist, würde den in den genannten Bestimmungen enthaltenen, vom eindeutigen Willen des Gesetzgebers getragenen Normbefehl teilweise oder ganz aushöhlen (vgl. auch Radtke aaO) und liefe auf ein den Strafgerichten bei der Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zustehendes Normverwerfungsrecht hinaus.
34
a) Dass der Gesetzgeber die aus der Konvention resultierenden völkerrechtlichen Verpflichtungen, namentlich den Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK, nicht als Ausnahmevorschrift im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB verstanden, sondern als Prüfungsmaßstab zur Frage der Übereinstimmung der Norm mit der Konvention herangezogen hat, ist den Gesetzesmaterialien zu entnehmen. Bei den Beratungen zum 2. Strafrechtsreformgesetz hat er sich ausdrücklich mit dem Verhältnis der beiden Regelungen befasst. Bereits seinerzeit erhobene Bedenken, dass die grundsätzliche Ausnahme der Maßregeln vom Rückwirkungsverbot gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK verstoße, hat er als „unbegründet“ zurückgewiesen (BT-Drucks. IV/650, S. 108). Besondere Vorschriften für die zeitliche Geltung von Maßregeln würden namentlich für die Zeit des Inkrafttretens des neuen Strafrechts erforderlich werden; im Einführungsgesetz werde daher im Einzelnen zu regeln sein, ob und in welchem Umfange Neuerungen im Maßregelrecht des Entwurfs zurückwirkten (BT-Drucks. IV/650 aaO). Durch die Wendung „wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“ solle darauf hingewiesen werden, dass bei der Rechtsanwendung auf die Möglichkeit besonderer Regelungen zu achten sei (BTDrucks. IV/650 aaO). Dem entspricht die im strafrechtlichen Schrifttum vertretene Meinung, dass § 2 Abs. 6 StGB für eine Ausnahme von der Regel der Anwendung des zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Rechts ausdrückliche Normierungen des Gesetzgebers verlangt (vgl. Schmitz in MünchKommStGB § 2 Rdn. 51).
35
b) Im Anwendungsbereich des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB hat der Gesetzgeber keine besondere gesetzliche Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB für Altfälle getroffen. Im Gegenteil bestimmte Art. 1a Abs. 3 EGStGB in der Fassung vom 31. Januar 1998 ausdrücklich die rückwirkende Anwendung auf Fälle, in denen die Anlasstat vor Inkrafttreten der Gesetzesnovelle begangen worden war. Aus der Streichung der Vorschrift mit Wirkung zum 29. Juli 2004 (BGBl I 1838) kann keine abweichende gesetzgeberische Wertung abgeleitet werden. Sie erfolgte nur deswegen, weil Art. 1a Abs. 3 EGStGB vor dem Hintergrund der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 – 2 BvR 2029/01 (BVerfGE 109, 133) – und 10. Februar 2004 – 2 BvR 834/02 u.a. (BVerfGE 109, 190) – verzichtbar erschien (BT-Drucks. 15/2887).
36
c) Ebenso zweifelsfrei ist der gesetzgeberische Wille für eine Rückwirkung im Bereich der nachträglichen Sicherungsverwahrung nach § 66b StGB. Die Norm wurde mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 109, 190), das auch spätere entsprechende Anwendungen in all ihren Varianten unbeanstandet gelassen hat (BVerfG – Kammer – NStZ 2007, 87; NJW 2009, 980; NStZ 2010, 265), gerade auch für solche Fälle geschaffen, in denen bei Tatbegehung noch keine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung vorgesehen war, weitgehend auch für Fälle, in denen die nachträgliche Anordnung an formelle Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung anknüpfte, die bei Tatbegehung noch nicht galten. Der Bundesgerichtshof hat – ersichtlich im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers – unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine insoweit rückwirkende Anwendung des § 66b StGB wiederholt gebilligt (vgl. nur BGHSt 52, 205, 209 ff. m.w.N.).
37
d) In diesem Zusammenhang wäre es im Übrigen kein gangbarer Weg, über § 2 Abs. 6 StGB i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK eine Rückwirkung nur bei den Regelungen zu verhindern, denen, weil auch „Neufälle“ umfassend , bei Ausschluss rückwirkender Anwendung noch ein sinnvoller An- wendungsbereich verbliebe. Diese Interpretation würde zu dem sinnwidrigen Ergebnis führen, dass lediglich die „reine Altfallregelung“ des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB Bestand haben müsste (vgl. BGH NStZ 2010, 565, 566), obgleich sie dem Rückwirkungsverbot des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK insgesamt und damit am deutlichsten widerstreitet.
38
3. Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. a MRK, auf dessen Verletzung der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (aaO) den Konventionsverstoß bei rückwirkender Anwendung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB gleichfalls stützt, da ein ausreichender Kausalzusammenhang zwischen der Verurteilung des Beschwerdeführers und seinem fortdauernden Freiheitsentzug fehle (Rdn. 92 bis 101), folgt nichts anderes. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 MRK überhaupt eine – in § 2 Abs. 6 StGB vorausge -setzte – zeitliche Begrenzung für die Anordnung strafrechtlicher Rechtsfolgen ableiten lässt. Jedenfalls stünde einer Berücksichtigung im Rahmen des § 2 Abs. 6 StGB – ebenso wie bei Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK – die dargelegte eindeutige Gesetzeslage entgegen. Angesichts dessen fehlt auch für eine im Schrifttum vorgeschlagene (vgl. Grabenwarter aaO S. 867 f.) Anwendung von § 67d Abs. 4 StGB jede Grundlage.
39
4. Der Senat beabsichtigt daher tragend zu entscheiden, dass sich aus der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten für die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keine die Rückwirkung hindernde andere Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB ergibt.

IV.


40
Mit Blick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB im Falle rückwirkender Anwendung allerdings einschränkend auszulegen.
41
1. Bei der Entscheidung nach § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB und ihren Folgeentscheidungen erfordert das Verhältnismäßigkeitsprinzip (§ 62 StGB), die Schutzinteressen der Allgemeinheit und den Freiheitsanspruch des Untergebrachten im Einzelfall abzuwägen. Das Gericht hat in die erforderliche Gesamtwürdigung die vom Täter ausgehenden Gefahren sowie die Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs einzustellen und ins Verhältnis zu setzen (vgl. BVerfGE 109, 133, 159). Nach den dargestellten Grundsätzen sind in diese Gesamtwürdigung auch die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in ihrer Ausformung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einzubeziehen. Die vom Gerichtshof geforderte konventionsgemäße Gewichtung hat einzufließen (Gollwitzer aaO Rdn. 77a), um eine konventionsfreundliche Anwendung der in Frage stehenden Norm zu gewährleisten. Die Ausführungen des Gerichtshofs zur Vereinbarkeit mit Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK und namentlich auch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 MRK streiten daher im Rahmen der Gesamtwürdigung unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes und des Freiheitsrechts in gewichtigem Maße zugunsten des Verurteilten.
42
2. Hieraus folgt, dass bei konventionsfreundlicher Gesamtwürdigung von einem grundsätzlichen Überwiegen dieser Rechtspositionen des Verurteilten auszugehen ist. Im Lichte der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bedarf es einer noch weiter eingeschränkten Auslegung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB, als sie bereits das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 109, 133) verlangt hat. Danach ist in Altfällen die erstmalige Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach zehnjährigem Vollzug für erledigt zu erklären, sofern nicht eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualverbrechen aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist.
43
In den Vorlegungssachen der Oberlandesgerichte Stuttgart und Koblenz ergeben sich aus dem Vollzugsverhalten der Verurteilten konkrete Anhaltspunkte für nach einer Entlassung unmittelbar drohende entsprechende schwerste Straftaten, durch die die Opfer physisch oder psychisch massiv geschädigt werden.
44
Ansonsten kann die weitere Vollstreckung der Sicherungsverwahrung nur dann angeordnet werden, wenn der Verurteilte – etwa mit hoher Rückfallgeschwindigkeit , während gewährter Lockerungen oder bereits im Vollzug geplant – mehrere Vortaten im genannten Sinn begangen hat und sich im Rahmen des Vollzugs der Sicherungsverwahrung keine positiven Anhaltspunkte ergeben haben, die eine Reduzierung der im Vorleben des Verurteilten dokumentierten massiven Gefährlichkeit nahelegen. Zu dieser Fallgruppe kann die Vorlegungssache des Oberlandesgerichts Celle gerechnet werden, hier allerdings vorbehaltlich kontraindizierender Erkenntnisse über das aktuelle physische Gewaltpotential des Verurteilten.
45
Nur unter diesen sehr eng zu handhabenden Voraussetzungen erscheint es vertretbar, dass als Eingriff in das Freiheitsrecht des Verurteilten unter Berücksichtigung seines auf höchster Stufe schutzwürdigen Vertrauens in die Unabänderbarkeit der zur Tatzeit bestimmten Rechtsfolge – auch in ihrer Dauer – einerseits und der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit andererseits eine Entscheidung zu seinen Lasten getroffen werden darf (vgl. BGH NStZ 2010, 565, 567). Während der Senat im Rahmen des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB eine ähnlich, entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart jedoch nicht auf die Gefahr schwerster Kapitalverbrechen beschränkte , restriktive Anordnungspraxis bei Ausübung des dort bestehenden Ermessens verlangt hat, ist bei § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB die aus Verhältnismäßigkeitsgründen unerlässliche äußerst eingeschränkte Interpretation des unbestimmten Rechtsbegriffs der Gefahr mit ähnlichem Ergebnis geboten.
46
3. Durch eine derartige erheblich einschränkende Auslegung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB wird den konventionsrechtlichen Bedenken des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 MRK in weitem Umfang Rechnung getragen. Die rückwirkende Anwendung wird auf Fälle begrenzt, in denen das tangierte Freiheitsrecht des betroffenen Verurteilten mit im Bereich der Europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten wichtigen Rechten Dritter kollidiert. Hinzu kommt, dass die weiter anzuordnende Freiheitsbeschränkung wegen gerichtlich sorgfältig neu zu prüfender konkreter schwerer Gefährdung künftiger Tatopfer erfolgt, die zudem häufig, wie gerade auch aus den dem Senat vorgelegten Fällen deutlich wird, in einer – unabhängig von der Beurteilung der eigentlichen Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB – gravierenden Persönlichkeitsstörung des deshalb zu schwersten Straftaten neigenden verurteilten Hangtäters wurzelt. Damit sprechen auch die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. c und lit. e MRK enthaltenen Grundgedanken für eine Zulässigkeit fortdauernden Freiheitsentzugs in den betroffenen Extremfällen.
47
4. Bei derart erhöhter Gefahrenprognose, ohne deren Vorliegen die Vollstreckung der Maßregel für erledigt zu erklären ist, wird – anders als es der Generalbundesanwalt vertritt (insoweit unklar Radtke NStZ 2010, 537, 544 f.) – eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung nach § 67d Abs. 2 StGB nur selten in Betracht kommen. Sie ist indes – anders als der systematische Zusammenhang von § 67d Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 StGB auf den ersten Blick nahelegt – nicht etwa prinzipiell ausgeschlossen. Vielmehr wird die Aussetzung in § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO sogar vorausgesetzt. Sie wird in Erwägung zu ziehen sein, wenn eine hochgradige Gefahr im dargelegten Sinne zwar prognostiziert wird, diese aber durch den Widerrufsdruck und mit einer Aussetzung zur Bewährung zu verbindende Weisungen so weit reduziert werden kann, dass angenommen werden kann, der Verurteilte könne von der Begehung schwerster Gewalt- oder Sexualverbrechen abgehalten werden (in diesem Sinne Rissing-van Saan/Peglau in LK 12. Aufl. § 67d Rdn. 74). In solchen Konstellationen stellt die Aussetzung zur Bewährung anstelle einer sonst zwingend fortdauernden Vollstreckung die „konventionsfreundlichste“ Maßnahme dar.
48
5. Ob der weitere Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach den dargelegten Kriterien noch gerechtfertigt ist, hat das zuständige Gericht von Amts wegen aufgrund einer aktuellen Gefährlichkeitsprognose zu prüfen, auch wenn zwei Jahre seit der letzten Prüfung noch nicht vergangen sind. Die Entscheidung des Gerichtshofs ist eine Tatsache, die eine erneute Prüfung einer Erledigterklärung der Sicherungsverwahrung nach § 67e Abs. 1 StGB oder einer Aussetzung ihrer Vollstreckung unerlässlich macht (vgl. Grabenwarter JZ 2010, 857, 865; Radtke NStZ 2010, 537, 544).

V.


49
Nach den vom Senat entwickelten Maßstäben erscheint in den aufgezeigten Fällen im Blick auf die getroffenen Feststellungen und Wertungen der Oberlandesgerichte die weitere Vollstreckung der Sicherungsverwahrung naheliegend, weswegen in den vorliegenden Fällen auch das Ergebnis der unter II. 2. dargestellten Entscheidung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs widerstreitet.
50
1. Der Senat fragt daher beim 4. Strafsenat an, ob die entgegenstehende Rechtsprechung aufgegeben wird.
51
a) Die Anfrage wird nicht dadurch gehindert, dass sich die Entscheidung des 4. Strafsenats auf die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66b Abs. 3 StGB bezieht. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betrifft unmittelbar den hier relevanten § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB. Der 4. Strafsenat hat indessen die in der Entscheidung des Gerichtshofs aufgezeigten Grundsätze auf den Fall der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung übertragen. Dies entspricht der Auffassung des anfragenden Senats, wonach eine unterschiedliche Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB in Fällen nachträglicher Sicherungsverwahrung nicht in Betracht kommt (BGH NStZ 2010, 565, 566 m.w.N.; vgl. auch OLG Karlsruhe NStZ-RR 2010,

322).


52
b) Aus der dem Senat gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs in der seit 20. Juli 2010 gültigen Fassung zugewiesenen Spezialzuständigkeit zur Entscheidung von Vorlegungssachen über die Erledigung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ergibt sich kein das Anfrageverfahren ausschließender Umstand. Eine Abweichung von der Rechtsprechung anderer Senate ohne Vorlegung ist nur dann möglich, wenn ein Senat nach der Geschäftsverteilung für ein bestimmtes Rechtsgebiet (nunmehr) allein und ausschließlich zuständig ist und die Rechtsfrage nur diese Spezialmaterie betrifft (Hannich in KK 6. Aufl. § 132 GVG Rdn. 6). Die Frage der Auslegung von § 2 Abs. 6 StGB im Lichte des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erstreckt sich indessen – wie dargelegt – auf die dem Senat nicht in ausschließlicher Zuständigkeit zugewiesenen Fälle der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b StGB. Es ist undenkbar , aus der Entscheidung des Gerichtshofs eine unmittelbar umsetzbare Einschränkung der Rückwirkung in Fällen des § 66b StGB herzuleiten, ohne sie zugleich auf die von der Entscheidung unmittelbar betroffene Regelung des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB zu übertragen.
53
2. Der Senat fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob der dargelegten Rechtsauffassung zugestimmt wird.
54
a) Die Frage der Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB ist eine solche von grundsätzlicher Bedeutung. Sie ist auch über die vorliegenden Fälle hinaus bedeutsam, weil einschlägige Fallgestaltungen in der Praxis der Strafkammern (nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung) und der Strafvollstreckungskammern (Entscheidung nach § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB und Folgeentscheidungen) häufig zu erwarten und von großem Gewicht für die Betroffenen sind. Bei einer die Rückwirkung hindernden Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB wäre zudem in Fällen nachträglich angeordneter wie rückwirkend verlängerter und derzeit vollzogener Unterbringung in der Sicherungsverwahrung – unbeschadet anhängiger Verfassungsbeschwerden – die Maß- regel unverzüglich für erledigt zu erklären (vgl. Veh in MünchKomm-StGB § 67d Rdn. 35). Auch deshalb ist die Frage grundsätzlich klärungsbedürftig.
55
b) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung führt der Senat daher das Anfrageverfahren auch bei den anderen Senaten durch (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Anfrage Hannich aaO § 132 GVG Rdn. 16; Kissel /Mayer, GVG 6. Aufl. § 132 Rdn. 38; vgl. auch BGHSt 16, 351, 353).

VI.


56
Der Senat weist auf Folgendes hin:
57
Seine Auslegung vermag – ungeachtet der dargelegten formellen und materiellen Einschränkungen – bei rückwirkend zeitlich unbegrenzter Fortdauer der Sicherungsverwahrung in den einschlägigen Fällen höchst gefährlicher Gewalttäter auf der Grundlage des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nichts an dem darin angenommenen Verstoß jedenfalls gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK zu ändern.
58
1. Ihn zu beseitigen, ist primär gesetzgeberischen Maßnahmen vorbehalten (vgl. dazu auch den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen, BT-Drucks. 17/3403). Hierfür ist nach Auffassung des Senats eine zwingend grundlegend veränderte Ausgestaltung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung in Betracht zu ziehen, welche dessen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellte strafgleiche Wirkung zu beseitigen geeignet ist, und zwar insbesondere durch verstärkte Therapieorientierung, ferner durch deutliche Vollzugserleichterungen im Vergleich zum Strafvollzug. Dies würde zugleich das bereits vom Bundesverfassungsgericht ansatzweise verlangte „Abstandsgebot“ (vgl. BVerfGE 109, 133, 153 ff., 166 f.) effektiv machen. Ob sich eine Neugestaltung in diesem Sinne auf die – hier allein relevanten – Altfälle mit Rückwirkung, etwa gar nur auf nach der Entscheidung des Ge- richtshofs bereits freigelassene Verurteilte beschränken ließe (so der vorbezeichnete Koalitionsentwurf), hat der Senat nicht zu beurteilen, erscheint freilich im Blick auf den Gleichheitsgrundsatz und das Freiheitsrecht aller in Sicherungsverwahrung Untergebrachter überaus zweifelhaft.
59
2. Der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellte Verstoß insbesondere gegen Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK verstärkt die verfassungsrechtlichen Zweifel, denen die rückwirkende Streichung der zuvor vorgesehenen Begrenzung der Unterbringungsdauer unterliegt. Diese Bedenken erfassen gleichermaßen die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung nach § 66b StGB in Fällen, in denen die Regelung bei Tatbegehung noch nicht gegolten hat, namentlich soweit sie gar noch an Maßregelvoraussetzungen anknüpft, die erst nach Tatbegehung geschaffen worden sind. Der Bundesgerichtshof hat die verfassungsrechtliche Problematik in einschlägigen Fällen des § 66b StGB wiederholt behandelt (vgl. nur BGHSt 50, 373, 377 ff.; 52, 205, 209 ff.; BGH NStZ 2010, 565, 567).
60
Die eingetretene Divergenz der Auslegung des in Art. 103 Abs. 2 GG und in Art. 7 Abs. 1 MRK gleichermaßen verankerten Grundsatzes „nulla poena sine lege“ durch das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist für die Strafjustiz höchst problematisch. Sie betrifft zudem einen besonders empfindlichen Bereich der Strafrechtspflege , in dem ein beträchtliches Gewicht der Freiheitseinschränkung für Verurteilte in Spannung tritt zu einhergehenden gravierenden Gefahren für die Allgemeinheit – konkret für Leib und Leben potentieller Opfer –, die mit Lockerungen und Entlassungen einhergehen. Nach dem Urteil des Gerichtshofs kann sich die Frage einer Verfassungsmäßigkeit rückwirkender Regelungen bei § 67d Abs. 3 Satz 1 wie bei § 66b StGB neu stellen, insbesondere unter dem Blickwinkel des durch Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Vertrauens rechtskräftig Abgeurteilter angesichts der jedenfalls gegebenen Nähe zum Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG. Auch dem Bundesverfassungsgericht obliegt die Berücksichtigung einer verbindlichen Interpretation der Konvention durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (vgl. Grabenwarter JZ 2010, 857, 863).
61
Da das Verfahren nach § 132 GVG in der vom Senat abgelehnten Alternative letztlich zur Unanwendbarkeit der Normen führen kann, deren Rückwirkung in Frage steht – mit Ausnahme des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB, der keinen Anwendungsbereich ohne Rückwirkung hat (vgl. oben III. 2d; dazu BGH NStZ 2010, 565, 566) –, kommt eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG an das Bundesverfassungsgericht in der jetzigen Phase der Entscheidungsfindung nicht in Betracht. Sie mag nach Abschluss des Verfahrens gemäß § 132 GVG, unter Umständen aber auch vom Großen Senat für Strafsachen innerhalb dieses Verfahrens, in Erwägung zu ziehen sein. Näher läge sie freilich erst in Fällen, in denen ein Oberlandesgericht nach Durchführung des Vorlegungsverfahrens abschließend zur Anordnung der Fortdauer der Maßregelvollstreckung gelangen sollte. Im Übrigen lassen bereits anhängige Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in absehbarer Zeit Entscheidungen erwarten. Selbst bei veränderter Beurteilung der Verfassungsrechtslage ist dabei die Verwerfung der zur Prüfung stehenden Normen nicht zwingend ; vielmehr erscheint auch eine Verpflichtung zu gesetzgeberischen Maßnahmen im Sinne der Umgestaltung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung nicht ausgeschlossen.

VII.


62
Bis zur Erledigung des Verfahrens nach § 132 GVG gibt der Senat die Akten den vorlegenden Oberlandesgerichten zurück. Er weist hierzu auf Folgendes hin:
63
1. Das Verfahren wird voraussichtlich mehrere Monate andauern. Während dieser Zeit wird die Unterbringung gegen die Verurteilten weiterhin vollstreckt, der Eingriff in das Freiheitsgrundrecht, dessen Zulässigkeit in den Vorlegungsverfahren in Zweifel steht, mithin stetig weiter vertieft. Dies erfor- dert, dass die Oberlandesgerichte bereits vor Klärung der Vorlegungsfrage aktuell zu überprüfen haben, ob – unabhängig von der Vorlegungsfrage – die Freiheitsentziehung gegen den Verurteilten zu beenden oder die Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen ist. Die Prüfung hat den vorstehend (oben IV.) bezeichneten, für die Oberlandesgerichte wegen der ausschließlichen Zuständigkeit des Senats nach § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG verbindlichen Maßstäben zu folgen.
64
2. Geboten ist zunächst eine neue Sachentscheidung nach § 67e Abs. 1 Satz 1 StGB aus Anlass des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Ihr ist ein aktuelles Sachverständigengutachten zugrunde zu legen (§ 463 Abs. 3 Satz 4 StPO), das sich an den engeren Kriterien zu Verhältnismäßigkeit und Gefahrenbegriff zu orientieren hat.
65
3. Für den Fall, dass die bisherige oder eine erneute Sachprüfung auch unter Zugrundelegung dieser Grundsätze konkreter höchster Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit eine weitere Vollstreckung der Maßregel unerlässlich erscheinen lässt, ist zu beachten:
66
a) Auf etwa während des Vorlegungsverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 132 GVG auftretende neue Entwicklungen, die für die Beurteilung der Gefährlichkeit des Verurteilten bedeutsam sein können, muss unverzüglich mit einer neuen Sachprüfung der Unerlässlichkeit weiterer Freiheitsentziehung reagiert werden.
67
b) Es ist denkbar, dass die Prüfung im Verfahren nach § 132 GVG entgegen dem Votum des erkennenden Senats zum Ergebnis genereller Unzulässigkeit weiterer Maßregelvollstreckung gelangt. Dies zöge die sofortige Entlassung aller betroffenen Untergebrachten nach sich. Im Hinblick darauf ist eine vorsorgliche Vorbereitung sofort umsetzbarer, im Entlassungsfall angezeigter – insbesondere fürsorglicher – Maßnahmen zwingend geboten, die einer sozialen Gefährdung entlassener Verurteilter und einer damit einherge- henden Gefährdung der Allgemeinheit entgegenzuwirken vermögen. Durch eine unvorbereitete Eilentlassung würde diesen Gefahren Vorschub geleistet. Auf geeignete Maßnahmen hinzuwirken, ist auch Aufgabe der im Erledigungsverfahren tätigen Vollstreckungsgerichte einschließlich der vorlegenden Oberlandesgerichte.
Basdorf Brause Schaal Schneider König

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

Tenor

Der Antrag des Verurteilten, die Sicherungsverwahrung für erledigt zu erklären und anzuordnen, dass er aus der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu entlassen ist, wird

z u r ü c k g e w i e s e n.

Gründe

 
I.
Der heute 63 Jahre alte Verurteilte ist erstmals mit 21 Jahren strafrechtlich in Erscheinung getreten und vielfach vorbestraft. Seit 1971, also seit seinem 24. Lebensjahr, hat er sich – für den Zeitraum bis 1979 mit einigen Unterbrechungen – in Untersuchungs- oder Strafhaft befunden. Seit 1988 bis heute, also über 21 Jahre lang, ist er in Sicherungsverwahrung untergebracht. Sie beruht auf drei Verurteilungen wegen 1973, 1978 und 1983 begangener schwerer Sexualdelikte.
1. Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 25.04.1975 – 1 Kls 30/74 – wurde der Verurteilte wegen gemeinschaftlicher Vergewaltigung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Entführung gegen den Willen der Entführten, sowie versuchter Vergewaltigung (Tatzeiten: 12.04., 22./23.04. sowie 11.07.1973) zu Einzelstrafen von zwei Jahren, drei Jahren und einem Jahr verurteilt; er verbüßte die Gesamtstrafe von fünf Jahren in der Zeit vom 22.10.1975 bis zum 30.09.1977 und nach Widerruf der Strafrestaussetzung zur Bewährung vom 12.01.1982 bis 03.09.1983. Sodann wurde er durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.09.1979 – III Kls 21/79 – wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung und sexuellem Missbrauch von Kindern (Tatzeit: 23.12.1978) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren sechs Monaten verurteilt; er verbüßte die Strafe vom 12.01.1979 bis zum 11.01.1982 und vom 04.09.1983 bis zum 25.03.1985. Am 09.01.1983 vergewaltigte er während eines Hafturlaubes in Backnang eine siebzehnjährige Frau, nötigte sie sexuell und würgte und verletzte sie dabei erheblich. Mit rechtskräftigem Urteil vom 27.09.1985 – 2 Kls 279/84 – verurteilte das Landgericht Stuttgart ihn deshalb wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und ordnete Sicherungsverwahrung an. Das Landgericht stellte eine psychopathische Persönlichkeitsstruktur und eine sowohl histrionische als auch antisoziale schwere Persönlichkeitsstörung im Sinne einer schweren seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB fest, durch welche die Steuerungsfähigkeit des Verurteilten im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert war. Ein therapeutisches Vorgehen erschien nicht ansatzweise erfolgversprechend, und sämtliche vorherigen Bemühungen waren gescheitert, weshalb eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht in Betracht kam. Zur Anordnung der Sicherungsverwahrung gem. § 66 StGB a. F. führte das Landgericht u. a. aus:
„In den Straftaten zeigt sich der offensichtliche Hang des Angeklagten, erst nach einer Demonstration der Macht und Stärke zu sexueller Befriedigung zu gelangen. Das Maß der von ihm an seinen Opfern vorgenommenen Gewaltanwendung nimmt stetig zu. Der Angeklagte bricht jeden Widerstand seines Opfers dadurch, dass er es aufs heftigste am Hals würgt oder ihm sonst die Luft nimmt. Wie sein neuerliches Vorgehen gegen die Zeugin (…) zeigt, ist dies für ihn geradezu symptomatisch geworden, weshalb er für die Allgemeinheit eine ganz erhebliche Gefahr darstellt. Angesichts der von den Sachverständigen (…) festgestellten schwerwiegenden Persönlichkeitsstörung des Angeklagten mit fast zwanghaftem Handeln zur Sicherung seiner Ziele ist von ihm die Begehung künftiger schwerwiegender Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Der Angeklagte ist – wie auch in seinem äußerst aggressiven und feindseligen Verhalten vor und während der Hauptverhandlung immer wieder deutlich wurde – in den Lage, bei einem seiner Vorstellung zuwider laufenden Geschehensablauf in kürzester Zeit Feindbilder aufzubauen und diese mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen. Es muss deshalb ernsthaft befürchtet werden, dass ein neues Opfer des Angeklagten, welches sich seinen Wünschen widersetzt, möglicherweise sein Leben lassen müsste“ (S. 125 f.).
Der Verurteilte verbüßte die Strafe aus dem Urteil vom 27.09.1985 vollständig bis zum 24.09.1988. Mit Beschluss vom 03.08.1988 ordnete das Landgericht Karlsruhe den anschließenden Vollzug der Sicherungsverwahrung an, die nach damaligem Recht bei der ersten Unterbringung höchstens zehn Jahre lang vollzogen werden durfte. Diese Höchstfrist fiel mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998 (BGBl. I S. 160) fort. Daher erklärte das Landgericht Freiburg nach Vollzug von zehn Jahren Sicherungsverwahrung mit Beschluss vom 09.03.1999 die Sicherungsverwahrung nicht für erledigt und ordnete deren Fortdauer an. Seitdem befindet sich der Verurteilte ununterbrochen in Sicherungsverwahrung. Insgesamt sind derzeit – im Anschluss an die voll verbüßte Freiheitsstrafe – über 21 Jahre Sicherungsverwahrung vollzogen worden.
2. Der Verurteilte ist vielfach nervenärztlich und kriminalprognostisch begutachtet worden. Allerdings liegt das letzte auf einer eingehenden Exploration des Verurteilten beruhende Gutachten des Dr. H E B, Ärztlicher Direktor des Justizvollzugskrankenhauses Hohenasperg, vom 18.08.1999 mittlerweile über 10 Jahre zurück. Seither hat der Verurteilte jeden Versuch einer eingehenden gutachterlichen Untersuchung durch die gerichtlich beauftragten Sachverständigen entschieden abgelehnt. Das derzeit aktuellste jüngste „nervenärztliche Gutachten nach Aktenlage“ des Dr. T H, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und Chefarzt der Klinik für Suchttherapie des Klinikums am W., W., datiert vom 04.02.2010. Diesem Gutachten lässt sich das Folgende entnehmen:
a) Gutachtengrundlage, fehlende Bereitschaft des Verurteilten, sich begutachten zu lassen
Der Verurteilte sei (auch) 2005 bis 2010 nicht bereit gewesen, sich begutachten zu lassen. Deshalb hätten keine Untersuchungen stattfinden können. Es habe mehrere (teils aber recht kurze) persönliche Kontakte gegeben, teils auch im Rahmen von Anhörungen durch die Strafvollstreckungskammer. Das Gutachten beruhe auf einer Aktenauswertung, wobei bestimmte Akten (Gefangenenpersonalakte, Krankenakte) wegen der Weigerung des Verurteilten nicht zugänglich gewesen seien.
b) Verhalten im Vollzug und außerhalb des Vollzugs
In der Justizvollzugsanstalt Freiburg hätten gegen den Verurteilten über längere Zeit besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden müssen. Er habe 1998 seinen Haftraum in Brand gesteckt; gegen die dadurch veranlasste Verlegung in die Justizvollzugsanstalt Heilbronn habe er u. a. mit einer Eisenstange Widerstand geleistet. In der Justizvollzugsanstalt Heilbronn habe er sich damals verfolgt gefühlt und jeden Kontakt mit Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdiensts abgelehnt. Am 30.05.2002 sei in der Justizvollzugsanstalt Heilbronn ein beleidigendes und bedrohliches Verhalten dokumentiert worden. Nach seiner Zurückverlegung in die Justizvollzugsanstalt Freiburg im Jahr 2003 habe er dort einen Löffel verschluckt, und bei einer Kontrolle sei eine Schlinge gefunden worden, mit der er sich habe erhängen wollen. Als er daraufhin in das Justizvollzugskrankenhaus verlegt werden sollte, habe er die Bediensteten angegriffen und einen von ihnen in den Fuß gebissen; trotz Fesselung habe er das Krankentransportfahrzeug demoliert. Im weiteren Verlauf habe sich das Verhalten des Verurteilten stabilisiert. Nach Wiederverlegung in die Justizvollzugsanstalt Heilbronn habe er sich dort disziplinarisch unauffällig oder weitgehend unauffällig verhalten. Nach Auskunft des ärztlichen Dienstes und der Anstaltsärztin passe sich er derzeit gut an, fühle sich in der Justizvollzugsanstalt sogar „glücklich und zufrieden“. Er lasse dabei keinerlei Tendenzen erkennen, dass er sich ein Leben draußen vorstellen könne oder gar wünsche. Hilfreich sei, dass er mittlerweile Psychopharmaka in kleiner Menge einnehme, was ursächlich für seine Stabilisierung sein dürfte. Insgesamt sei laut einer Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Heilbronn, die allerdings gleichwohl einer Aussetzung der Sicherungsverwahrung mit Nachdruck entgegen getreten sei, seine Verhaltensentwicklung als äußerst positiv zu beurteilen. Allerdings führe er das Leben eines Einzelgängers und habe wenige Kontakte im Vollzug. Mangels Vollzugslockerungen habe eine Erprobung des Verhaltens außerhalb des Vollzugs bislang noch nicht erfolgen können. Ob der Verurteilte überhaupt ein Leben außerhalb des Vollzuges anstrebe, sei nach Eindruck des Gutachters offen.
10 
c) Psychische bzw. psychiatrische Befunde
11 
Eine Alkoholabhängigkeit (ICD 10 F 10.1) sei auch rückblickend nicht ganz eindeutig festzustellen. Eine psychotische Erkrankung im engeren Sinne etwa aus dem schizophrenen Formenkreis könne nicht festgestellt werden, desgleichen keine fixierte sexuelle Devianz bzw. psychosexuelle Störung. Es gebe aber eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (histrionisch-dissozial) (ICD 10 F 61.0) mit dissozialen Persönlichkeitselementen (Mangel an Empathie, deutliche und andauernde Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen, Unvermögen zu längerfristigen Beziehungen, niedrige Schwelle für aggressives und auch gewalttätiges Handeln, verminderte Lernfähigkeit, Neigung, andere zu beschuldigen oder eigenes Fehlverhalten zu rationalisieren) und histrionischen Persönlichkeitselementen (theatralisch anmutendes Verhalten, oberflächliche Affektivität, Egozentrik, manipulatives Verhalten zur Befriedigung eigener Bedürfnisse). Es seien Teilelemente des „Psychopathy-Konzepts“ erfüllt, das freilich keine klinische diagnostische Einordnung sei. Hinzu komme zunehmend eine haftreaktive wahnhafte Störung (ICD 10 F 22) mit lang andauernden Wahninhalten, die medikamentöser Behandlung nur schwierig zugänglich seien. Paranoider Wahninhalt sei, dass der Verurteilte annehme, von der Justiz bewusst und gezielt und wiederholt bzw. anhaltend zu Unrecht verurteilt und inhaftiert worden zu sein. Es trete immer wieder eine sehr abwertende Haltung gegenüber mit ihm in der Justiz befassten Personen zutage, wobei hier auch ausgeprägte aggressive Strebungen (Gereiztheit, laut werden, jedenfalls tendenziell bedrohlich anmutende Gestik) wahrnehmbar seien.
12 
d) Kriminalprognostische Faktoren
13 
Positive kriminalprognostische Faktoren seien, dass Hinweise auf gehäuftes delinquentes Verhalten in der Herkunftsfamilie oder ein „broken home“ nicht vorlägen; dass sich der Verurteilte nicht in Heimen aufgehalten und die Regelschule erfolgreich abgeschlossen habe; und dass im Vollzug der letzten Jahre keine bedeutsamen disziplinarischen Schwierigkeiten aufgetreten seien. Negative kriminalprognostische Faktoren seien, dass der Verurteilte nur eine längere partnerschaftliche Beziehung im Jugendalter, ansonsten nur kurze Beziehungen gehabt habe; dass ab 1967 exzessiver schädlicher Gebrauch von Alkohol aufgetreten sein solle; dass die Delinquenz früh begonnen habe und die Zahl der Vorstrafen hoch gewesen sei, mehrfach gewalttätige Sexualdelikte begangen worden seien, weswegen mehrere Verurteilungen zu Freiheitsstrafe erfolgt seien; dass es ein abwertend negativ geprägtes Frauenbild gebe und der Verurteilte sexuelle Interessen jedenfalls teilweise in brutaler Weise mit nahezu sadistischen Zügen durchgesetzt habe, wobei dem Streben nach Macht und Dominanz wesentliche Bedeutung zukommen dürfte; dass ein paranoider Wahn vorhanden sei, von der Justiz zu Unrecht verurteilt und inhaftiert worden zu sein; dass die Basisraten für Rückfälligkeit im Hinblick auf Vergewaltigung und sexuelle Nötigung zwischen 10 % und 25 % lägen und hier individuell erhöht seien; und dass es augenscheinlich unmöglich sei, den Verurteilten in Vollzugslockerungen zu erproben.
14 
3. Als Dezember 2005 die Überprüfung der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung gem. § 67e Abs. 2 StGB anstand, legte die Staatsanwaltschaft Stuttgart dem Landgericht – Strafvollstreckungskammer – Heilbronn die Akten vor, um über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung zu entscheiden, und regte an, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten einzuholen. Nachdem zahlreiche Versuche gescheitert waren, den Verurteilten zu einer psychiatrischen Exploration zu bewegen, ordnete das Landgericht – Strafvollstreckungskammer – Heilbronn mit Beschluss vom 03.12.2008, den Verfahrensbeteiligten aufgrund Begleitverfügung vom 26.02.2009 am 27.02.2009 zugestellt, die Fortdauer der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung ohne Gutachten an. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten hob der Senat diesen Beschluss mit Beschluss vom 07.08.2009 auf und verwies die Sache an das Landgericht – Strafvollstreckungskammer – Heilbronn zurück. Es sei unvertretbar und rechtswidrig gewesen, die Frist des § 67e Abs. 2 StGB um drei Jahre zu überschreiten. Die ablehnende Haltung des Verurteilten zu einer psychiatrischen Exploration rechtfertige nicht die gesetzwidrige Fristüberschreitung; in solchen Fällen seien sog. Aktengutachten möglich. Nach Einholung eines solchen Gutachtens, nämlich des oben I. 3. geschilderten Gutachtens, beschloss das Landgericht – Strafvollstreckungskammer – Heilbronn am 19.03.2010, dass die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung fortzudauern habe, weil ernstlich zu befürchten sei, dass der Verurteilte außerhalb der Justizvollzugsanstalt erneut straffällig werde; das Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGRM) vom 17.12.2009 ändere nichts an der Rechtslage, weil es noch nicht rechtskräftig sei. Dagegen hat der Verurteilte durch seine Verteidigerin sofortige Beschwerde eingelegt. Auf Anregung der Verteidigerin hat der Senat mit Beschluss vom 30.04.2010 Dr. R-D S, Zentrum für Psychiatrie Wiesloch, mit der Erstattung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens zur Kriminalprognose des Verurteilten beauftragt. Dieser Auftrag ist ausdrücklich an die nunmehr erklärte Bereitschaft des Verurteilten geknüpft, sich einer eingehenden Exploration durch Dr. S zu unterziehen. Im Falle verweigerter Mitwirkung sei ein weiteres Gutachten nach Aktenlage nicht veranlasst. Das Gutachten liegt noch nicht vor.
15 
4. Mit Faxschreiben vom 12.05.2010 an den Senat im Beschwerdeverfahren beantragt die Verteidigerin des Verurteilten unter Hinweis auf das seit dem 10.05.2010 rechtskräftige Urteil des EGMR vom 17.12.2009 festzustellen, dass die Sicherungsverwahrung erledigt ist, und anzuordnen, dass der Verurteilte aus der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu entlassen ist.
16 
Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart tritt dem Antrag entgegen, weil das genannte Urteil keine Bindungswirkung habe.
II.
17 
Zwar spricht Einiges dafür, dass die Unterbringung des Verurteilten in Sicherungsverwahrung seit Ablauf der ersten Zehnjahresfrist im Jahr 1998 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 2002 II S. 1054 – MRK) widerspricht (1.). Daraus folgt jedoch nicht, dass der Verurteilte sofort und unter Übergehung des beim Senat anhängigen Beschwerdeverfahrens aus der Unterbringung zu entlassen wäre (2.).
18 
1. Nach Maßgabe der Entscheidung des EGMR (Kammer der fünften Sektion), Urt. v. 17.12.2009 „M. ./. Deutschland“ – 19359/04 –, NStZ 2010, 263 ff. mit Bespr. Kinzig aaO. S. 233 ff. spricht Einiges dafür, dass die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung seit Ablauf der ursprünglich geltenden Zehnjahresfrist im Jahr 1998 konventionswidrig ist, nämlich Art. 5 Abs. 1 MRK (Recht auf Freiheit) und Art. 7 Abs. 1 MRK (keine Strafe ohne Gesetz) verletzt.
19 
a) In seinem Urteil vom 17.12.2009 hatte der EGMR über die Beschwerde des Herrn M. zu entscheiden, gegen den 1986 die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden war und der nach Ablauf der Zehnjahresfrist für die erstmalige Unterbringung im Jahr 2001 nicht entlassen worden war, weil diese Höchstfrist 1998 fortgefallen ist. Die Kammer stellte einstimmig sowohl eine Verletzung des Art. 5 Abs. 1 MRK (Recht auf Freiheit) als auch des Art. 7 Abs. 1 MRK (keine Strafe ohne Gesetz) fest und sprach dem Beschwerdeführer in Anwendung des Art. 41 MRK eine Entschädigung von 50.000,- EUR für erlittene Nicht-Vermögensschäden zu. Das Urteil ist gemäß Art. 44 Abs. 2 c) MRK am 10.05.2010 rechtskräftig geworden, nachdem der Antrag der Bundesrepublik Deutschland, die Sache gemäß Art. 43 MRK an die Große Kammer zu verweisen, an diesem Tag von dem Ausschuss der Großen Kammer einstimmig zurückgewiesen worden ist.
20 
b) Die Gründe, aus denen der EGMR eine Rechtfertigung der mit Sicherungsverwahrung verbundenen Freiheitsentziehung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a) MRK abgelehnt hat (Ziff. 87 ff.), treffen im Wesentlichen auch hier zu; insbesondere gilt das für die Bedenken, die der EGMR hinsichtlich der Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammern (vgl. Ziff. 96 des Urteils) und hinsichtlich des Kausalzusammenhanges (Ziff. 100) sowie der Vorhersehbarkeit (Ziff. 101 des Urteils) angemeldet hat. Bei Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c) MRK, wonach Freiheitsentziehungen u. a. zulässig sind, wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, eine Person an der Begehung einer Straftat zu hindern, muss diese Straftat konkret individualisiert sein (Ziff. 102); gefährliche Personen in Haft zu nehmen, weil ein allgemeiner Verdacht besteht, sie könnten strafbare Handlungen begehen, ist nicht von der Vorschrift gedeckt (EGMR, Urt. v. 06.11.1980 – 7367/76 – Guzzardi ./. Italien, Ziff. 102). Allerdings lässt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e) MRK rechtmäßige Freiheitsentziehungen u. a. auch bei psychisch Kranken zu, was, wie sich aus Ziff. 103 des genannten Urteils ergibt, auch als Rechtfertigung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Betracht kommen kann, und anders als im Fall des Herrn M. ist der hier Verurteilte nach den derzeit vorliegenden Gutachten psychisch krank, leidet nämlich an einer Persönlichkeitsstörung (ICD 10 F 61.0) und einer wahnhaften Störung (ICD 10 F 22). Jedoch verlangt der EGMR (Urt. v. 20.02.2003 – 50272/99 – Hutchinson Reid ./. Vereinigtes Königreich Ziff. 47 f.) in solchen Fällen grundsätzlich die Unterbringung in einem Krankenhaus oder einer entsprechenden anderen geeigneten Einrichtung und lässt die Unterbringung in einem Gefängnis nur übergangsweise – für wenige Monate – zu (EGMR, Urt. v. 11.05.2004 – 48865/99 – Morsink ./. Niederlande Ziff. 61 ff.; s. weiterhin Urt. v. 11.05.2004 – Brand ./. Niederlande – 49902/99 Ziff. 66).
21 
c) Weiterhin spricht Einiges dafür, dass nach Maßgabe der Gründe des Urteils des EGMR vom 17.12.2009 (Ziff. 106 ff.) eine Verletzung des in Art. 7 Abs. 1 MRK garantierten Verbots rückwirkender Strafschärfung vorliegt. Die gegen den Verurteilten angeordnete Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aufgrund des Fortfalls der zum Tatzeitpunkt geltenden Höchstfrist verstößt gegen Art. 7 Abs. 1 MRK in der durch den EGMR vorgenommenen Auslegung, weil Sicherungsverwahrung als „Strafe“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 MRK zu bewerten sei. Die vom EGMR dazu angestellten Erwägungen treffen weitgehend auch auf den vorliegenden Fall zu. Hier wie dort handelt es sich um einen sog. Zehnjahresfall, in dem die Sicherungsverwahrung erstmalig wegen einer Alttat nach altem Recht beschränkt auf eine Höchstdauer von zehn Jahren angeordnet wurde. Hier wie dort gilt, „dass es keinen wesentlichen Unterschied zwischen dem Vollzug einer Freiheitsstrafe und dem Vollzug einer angeordneten Sicherungsverwahrung“ gab (Ziff. 127). Weder hier noch dort gab es in überzeugendem Ausmaß besondere, auf Sicherungsverwahrte gerichtete Maßnahmen, Instrumente oder Einrichtungen, die zum Ziel hatten, die von ihnen ausgehende Gefahr zu verringern und damit ihre Haft auf die Dauer zu beschränken, die unbedingt erforderlich ist, um sie von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten (Ziff. 127). Hier wie dort war und ist die Sicherungsverwahrung unbefristet (Ziff. 130), und ihre Fortdauer ist von den Gerichten angeordnet worden, die auch für die Strafvollstreckung zuständig sind (Ziff. 131). Hier wie dort haben die Verurteilten durch die Unterbringung in Sicherungsverwahrung „einen schwerwiegenderen Nachteil erlitten als durch die Freiheitsstrafe selbst“ (Ziff. 132). Allerdings betont der Senat, dass es sich vorliegend – anders als in dem vom EGMR entschiedenen Fall – um einen Verurteilten handelt, der sich über viele Jahre hinweg gegenüber jeglichen therapeutischen Bemühungen oder sonstigen Maßnahmen unter dem Aspekt einer Resozialisierung ablehnend verhalten hat (s. hierzu auch OLG Celle, Beschl. v. 25.05.2010 – 2 Ws 169/10 und 170/10 – S. 14 f.).
22 
2. Aus einer Konventionswidrigkeit folgt jedoch nicht, dass der Verurteilte sofort und ohne nähere Prüfung allein aufgrund der Entscheidung des EGMR zu entlassen ist.
23 
a) In seinem Urteil vom 17.12.2009 hat der EGMR eine solche Rechtsfolge nicht aus- oder angesprochen. Auch die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat in ihrem Beschluss vom 19.05.2010 – 2 BvR 769/10 – den Antrag des Beschwerdeführers auf einstweilige Anordnung, sofort aus der Unterbringung in der Sicherungshaft entlassen zu werden, aufgrund einer Folgenabwägung abgelehnt. Dem Verfahren lag der Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz vom 17.05.2010 – 2 Ws 573/09 – zugrunde, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers, ihn im Hinblick auf die Endgültigkeit des Urteils des EGMR vom 17.12.2009 sofort aus der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu entlassen, abgelehnt wurde. Auch das OLG Celle, Beschluss vom 25.05.2010 – 2 Ws 169/10 und 170/10 – hat die Entlassung eines in Sicherungsverwahrung Untergebrachten abgelehnt. Anders entschieden hat allerdings das Landgericht (LG) Marburg in seinem Beschluss vom 17.05.2010 – 7 StVK 220/10 – im Fall des Herrn M., der dem Urteil des EGMR vom 17.12.2009 zugrunde lag; dieser Beschluss ist unbeschadet der dort anders gelagerten Bindungswirkung freilich von der Staatsanwaltschaft angefochten worden. Auch der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat in einem Revisionsverfahren, das die allerdings abweichende Fallkonstellation einer nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung betrifft, den Betroffenen sofort auf freien Fuß gesetzt (Beschl. v. 12.05.2010 – 4 StR 577/09 –; Gründe liegen dem Senat nicht vor).
24 
b) Der Senat bezweifelt, ob völker-, nämlich konventionsrechtlich in Fällen der vorliegenden Art eine Beendigung der Freiheitsentziehung unter Übergehung des beim Senat anhängigen Beschwerdeverfahrens geboten ist.
25 
aa) Allerdings entfaltet das Urteil des EGMR vom 17.12.2009 für den hier vorliegenden Fall völker- und konventionsrechtlich eine Bindungswirkung für die Bundesrepublik Deutschland und deutsche Stellen. Diese Bindungswirkung ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus Art. 46 Abs. 1 MRK, der – in persönlicher Hinsicht – nur eine Bindungswirkung inter partes anordnet. Jedoch handelt es sich vorliegend weitgehend um einen „Parallelfall“, der unter Beachtung der Entscheidungsgründe des EGMR zu beurteilen ist (hierzu eingehend Grabenwarter, Rechtsgutachten vom 15.01.2010 zu den Rechtsfolgen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall M. ./. Deutschland vom 17. Dezember 2009 [19359/04] S. 20-23 mit Nachweisen). In sachlicher Hinsicht beinhaltet die Bindungswirkung, dass die festgestellte Konventionsverletzung, falls sie noch andauert, unverzüglich zu beenden ist (s. nur EGMR [Große Kammer], Urt. v. 08.04.2004 – 71503/01 – Assanidze ./. Georgien Ziff. 198; BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04 – [„Görgülü“], BVerfGE 111, 307 [321]). In der Art und Weise, wie die Konventionsverletzung beendet wird, haben die Vertragsstaaten der MRK allerdings grundsätzlich Wahlfreiheit; es ist ihre Sache, jene Mittel zu wählen, die im Rahmen ihrer Rechtsordnung ergriffen werden können und müssen, um den aus einem Urteil des EGMR folgenden Anforderungen zu entsprechen; dabei kann ein Vertragsstaat verpflichtet sein, Hindernisse in seiner Rechtsordnung zu beseitigen, die einer angemessenen Bereinigung der Situation des Beschwerdeführers im Wege stehen (EGMR [Große Kammer], Urt. v. 08.04.2004 – 71503/01 – Assanidze ./. Georgien Ziff. 203). Nach diesen Maßstäben ist es völker- und konventionsrechtlich unbedenklich, das beim Senat anhängige Beschwerdeverfahrens fortzuführen: Dieses Verfahren ist das in der deutschen Rechtsordnung vorgesehene Verfahren zur Überprüfung der Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unter Beachtung der MRK und des anwendbaren deutschen Rechts.
26 
bb) Der Umstand, dass die Konventionsverletzung in einer Freiheitsentziehung besteht, ändert in Fällen der vorliegenden Art hieran nichts. Allerdings führt Grabenwarter, Rechtsgutachten aaO. S. 18 f. aus:
27 
„Im Falle der Inhaftierung eines Beschwerdeführers entgegen den Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 EMRK hat der EGMR festgestellt, dass aus der Feststellung der Konventionsverletzung eine Pflicht zur sofortigen Freilassung des Betroffen folgt. (…) Bei einem Widerspruch der Inhaftierung eines Betroffenen zu den Bestimmungen der Konvention ist keine Alternative zur Freilassung denkbar, um die Konventionsverletzung abzustellen“ (Unterstreichungen vom Senat).
28 
Das überzeugt den Senat für Fälle der vorliegenden Art nicht. Die beiden angeführten Urteile des EGMR, nämlich EGMR [Große Kammer], Urt. v. 08.04.2004 – 71503/01 – Assanidze ./. Georgien Ziff. 198, 202 f. und Urt. v. 08.07.2004 – 48787/99 – Ilaşcu ./. Moldawien und Russland Ziff. 490, betrafen Fälle, in denen die andauernde Inhaftierung der Beschwerdeführer vor der MRK in keiner Weise (mehr) zu rechtfertigen war und es keines (weiteren) Verfahrens mehr für die Freilassung bedurfte: Herr Ilaşcu war 1992 in Moldawien von Rebellen willkürlich in Haft genommen, gefoltert und von einem verfassungswidrigen Gericht zu Tode verurteilt worden; obwohl das verfassungsgemäße Gericht dieses Urteil 1994 aufgehoben hatte, wurde er erst 2001 auf freien Fuß gesetzt. Herr Assanidze war vom Präsidenten von Georgien begnadigt und von einem Gericht rechtskräftig freigesprochen worden; gleichwohl wurde er weiterhin in Strafhaft gehalten. In solchen Fällen steht außer Frage, dass eine Freilassung „as early as possible“ erfolgen muss; davon unterscheidet sich der Fall, dass in dem verurteilten Vertragsstaat ein Beschwerdeverfahren zur Überprüfung der Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anhängig ist, in dem die Konventionswidrigkeit der Unterbringung ein wesentlicher Verfahrensgegenstand ist.
29 
cc) Im Übrigen ist zu fragen, ob es in Fällen der vorliegenden Art Möglichkeiten gibt, konventionswidrige Zustände auch anders als durch Freilassung der Betroffenen zu beenden. Insoweit gesteht auch Grabenwarter, Rechtsgutachten aaO. S. 18 in Fn. 17 zu, dass es konventionsgemäße Möglichkeiten geben kann, den Betroffenen nach Freilassung erneut in Haft zu nehmen. Werden solche Möglichkeiten (z. B. nach Art. 5 Abs. 1 Buchstabe e) EMRK) unverzüglich genutzt oder geschaffen oder wird die Sicherungsverwahrung unverzüglich in einer Weise umgestaltet, die ihr auch nach den Maßstäben des EGMR-Urteils den „Straf“charakter nimmt, erscheint eine Pflicht, Betroffene zunächst auf freien Fuß zu setzen und ihnen sogleich wieder die Freiheit zu entziehen, nicht als einleuchtend. In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass die Freilassung gegebenenfalls hoch gefährlicher Straftäter ihrerseits eine Konventionsverletzung beinhalten könnte, wenn und soweit es daraufhin zu Straftaten kommt, deren Opfer eine Verletzung der in den Konventionsgarantien mit enthaltenen staatlichen Schutzpflicht geltend machen könnten (vgl. hierzu EGMR [Große Kammer], Urt. v. 24.10.2002 – 37703/97 Mastromatteo ./. Italien Ziff. 67 = NJW 2003, 3259 [3260]; OLG Celle, Beschl. v. 25.05.2010 – 2 Ws 169/10 und 170/10 – S. 12 f.; s. auch BGH, Urt. v. 09.03.2010 – 1 StR 554/10 – Tz. 68).
30 
c) Selbst wenn es völker- und konventionsrechtlich geboten wäre, eine konventionswidrige Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sofort zu beenden, könnte dies nach Auffassung des Senats im derzeitigen innerstaatlichen deutschen Recht weder methodisch vertretbar noch im Einklang mit Grundrechten in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip umgesetzt werden (im Ergebnis und weithin in der Begründung wie hier OLG Celle, Beschl. v. 25.05.2010 – 2 Ws 169/10 und 170/10 – S. 7 ff.).
31 
aa) Durch den „Görgülü-Beschluss“ des Zweiten Senats des BVerfG vom 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04 –, BVerfGE 111, 307 sind Art und Umfang der Bindung deutscher Gerichte an Urteile des EGMR weitgehend geklärt: Deutsche Gerichte haben die Konvention, die formell den Rang einfachen Bundesrechts hat, in der Auslegung durch den EGMR wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfG aaO. S. 317). Insbesondere gehört zur Bindung an Gesetz und Recht, Entscheidungen des EGMR im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu berücksichtigen. Sowohl die fehlende Auseinandersetzung mit einer Entscheidung des EGMR als auch deren gegen vorrangiges deutsches Recht verstoßende schematische „Vollstreckung“ können gegen Grundrechte in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verstoßen (BVerfG aaO. S. 323 f.). Hat der EGMR einen Konventionsverstoß der Bundesrepublik Deutschland festgestellt und dauert dieser Verstoß an, so ist die Entscheidung zu berücksichtigen; die Fachgerichte müssen sich mit ihr auseinandersetzen und gegebenenfalls nachvollziehbar begründen, warum sie der völkerrechtlichen Rechtsauffassung gleichwohl nicht folgen (BVerfG aaO. S. 324). Eine Abweichung kommt insbesondere in Betracht, wenn deutsche Gerichte mehrpolige Grundrechtsverhältnisse auszugestalten haben und sensible Abwägungen zwischen verschiedenen subjektiven Rechtspositionen erforderlich sind; es wäre verfassungsrechtlich problematisch, wenn einer der Grundrechtsträger einen für ihn günstigen Urteilsspruch des EGMR gegen die Bundesrepublik Deutschland erstreitet und deutsche Gerichte diese Entscheidung schematisch anwenden, mit der Folge, dass der insofern „unterlegene“ und möglicherweise nicht im Verfahren vor dem Gerichtshof beteiligte Grundrechtsträger gar nicht mehr als Verfahrenssubjekt wirksam in Erscheinung treten könnte (BVerfG aaO. S. 326 f.).
32 
bb) Der Senat bezweifelt, dass es eine methodisch vertretbare Auslegung des geltenden StGB gibt, die dazu führt, dass in einem sog. Zehnjahresfall, wie er hier verfahrensgegenständlich ist, im Hinblick auf das Urteil des EGMR vom 17.12.2009 ohne Weiteres die Sicherungsverwahrung für erledigt erklärt und der Untergebrachte auf freien Fuß gesetzt werden muss. Allerdings führt Grabenwarter, Rechtsgutachten aaO S. 38-48, aus, es sei eine methodisch vertretbare Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB, durch Art. 5 und 7 MRK in der Auslegung durch das Urteil des EGMR vom 17.12.2009 „gesetzlich“ etwas „anderes bestimmt“ zu sehen. Dann würde für sog. Zehnjahresfälle wie hier das alte Recht gelten, das bei erstmaliger Unterbringung in der Sicherungsverwahrung eine Höchstfrist von zehn Jahren vorgesehen habe, die im Sinne von § 67d Abs. 4 StGB „abgelaufen“ sei, weshalb die Sicherungsverwahrung erledigt und der Verurteilte zu entlassen sei. Diese Auffassung (in der Sache wohl ebenso LG Marburg, Beschl. v. 17.05.2010 – 7 StVK 220/10 – S. 16, hier als „verfassungskonforme Auslegung“; zu deren Grenzen, wenn der Wille des Gesetzgebers bestimmt und eindeutig ist, s. aber OLG Celle, Beschl. v. 25.05.2010 – 2 Ws 169/10 und 170/10 – S. 10 mit Nachw.) verkehrt den Willen des Gesetzgebers in sein Gegenteil (ebenso OLG Celle aaO. BU S. 9 f.). Der Gesetzgeber sah Art. 7 MRK gerade nicht als Schranke des § 2 Abs. 6 StGB an (vgl. BT-Drucks. IV/650 S. 108). Vor allem spricht gegen die von Grabenwarter für möglich gehaltene Auslegung das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998 (BGBl. I S. 160): Mit Art. 2 Nr. 2 und 3 dieses Gesetzes wurden an den damaligen Art. 1a EGStGB, der zum neuen Absatz 1 wurde, als neue Absätze 2 und 3 die folgenden Bestimmungen angefügt:
33 
„(2) § 66 Abs. 3 des Strafgesetzbuches findet nur Anwendung, wenn der Täter eine der Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art nach dem 31. Januar 1998 begangen hat.
34 
(3) § 67d des Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998 (BGBl. I S. 160) findet uneingeschränkt Anwendung.“
35 
Mit dem neuen Art. 1a Abs. 3 EGStGB war ausdrücklich bezweckt, die Änderungen des § 67d StGB „uneingeschränkt rückwirkend in Kraft zu setzen“, was verfassungsrechtlich möglich sei, weil es nur um die Dauer der Sicherungsverwahrung gehe (s. BT-Drucks. 13/9062 S. 12). Damit ist der eindeutige Wille des Gesetzgebers, das neue Fristenrecht des § 67d StGB auf Altfälle anzuwenden, sogar Gesetz geworden. Die spätere Streichung der Art. 1a Abs. 2 und 3 EGStGB durch Art. 8 Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23.07.2004 (BGBl. I S. 1838) berührt diesen Willen nicht (ebenso OLG Celle, Beschl. v. 25.05.2010 – 2 Ws 169/10 und 170/10 – S. 9 f.). Denn der Gesetzgeber ging lediglich davon aus, dass die Regelung im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG, namentlich den Beschluss vom 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01 –, BVerfGE 109, 133 verzichtbar erscheine (vgl. BT-Drucks. 15/2887 S. 20). Eine Auslegung wie bei Grabenwarter, die alles das überspielt, erscheint methodisch nicht mehr vertretbar.
36 
cc) Zudem ist der Senat der Auffassung, dass eine schematische „Vollstreckung“ des Urteils des EGMR vom 17.12.2009 in der Weise, dass sog. Zehnjahresfälle nunmehr ohne Weiteres zu entlassen wären, die Frage aufwerfen würde, ob dies mit Grundrechten in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar wäre. Zwar dürfte es dem deutschen Gesetzgeber nicht von Verfassungs wegen verwehrt sein, zu dem vor 1998 geltenden Rechtszustand zurückzukehren (vgl. hierzu BVerfG, Urt. v. 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01 –, BVerfGE 109, 133 [187]; s. auch LG Marburg, Beschl. v. 17.05.2010 – 7 StVK 220/10 S. 13 f.). Nach dem nunmehr geltenden Recht, das weder von der MRK noch von dem EGMR-Urteil außer Kraft gesetzt wird, ist aber durch § 67d Abs. 3 StGB den Fachgerichten auch und gerade nach Ablauf der Zehnjahresfrist die der Sicherungsverwahrung immanente sensible Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Untergebrachten einerseits und der staatlichen Schutzpflicht für die Allgemeinheit andererseits verfassungsrechtlich aufgegeben:
37 
„Der Staat hat die Aufgabe, die Grundrechte potentieller Opfer vor Verletzungen durch potentielle Straftäter zu schützen. Diese Schutzpflicht des Staates ist umso intensiver, je mehr die Gefährdung sich konkretisiert und individualisiert und je stärker sie die Gefährdung elementarer Lebensbereiche betrifft. (…) Hinter dieses öffentliche Interesse tritt das Freiheitsgrundrecht (…) trotz seines hohen Wertes zurück. (…) Der Gesetzgeber (hat) mit der Regelung des § 67d Abs. 3 StGB nicht gegen das freiheitsschützende Übermaßverbot verstoßen. Die inhaltliche Konzeption als Regel-Ausnahme-Vorschrift sowie die flankierenden verfahrensrechtlichen Garantien für die Betroffenen verschaffen deren Anspruch aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG hinreichende Geltung (…)“ (BVerfG aaO. S. 186 f.).
38 
Eine schematische „Vollstreckung“ des EGMR-Urteils in Gestalt sofortiger Entlassung selbst hoch gefährlicher Untergebrachter brächte diese Abwägung in einer Art und Weise aus dem Gleichgewicht, die verfassungsrechtlich jedenfalls bedenklich wäre und – im Sinne des Monitums des „Görgülü-Beschlusses“ – darauf hinauslaufen würde, dass die schutzwürdige Allgemeinheit und damit nicht am Verfahren vor dem EGMR beteiligte Grundrechtsträger nicht mehr als Verfahrenssubjekte wirksam in Erscheinung treten könnten. Entgegen Kinzig NStZ 2010, 233 (238) beziehen sich dieses Monitum sowie der Vorbehalt betreffend mehrpolige Grundrechtsverhältnisse nicht ausschließlich aufs Privatrecht, sondern auf alle Fälle, in denen staatliche Gerichte „wie im Privatrecht“ mehrpolige Grundrechtsverhältnisse auszugestalten haben (s. BVerfGE 111, 307 [324]; ebenso OLG Celle, Beschl. v. 25.05.2010 – 2 Ws 169/10 und 170/10 – S. 11 f.).
III.
39 
Auch deutsches Verfassungsrecht gebietet nicht, dass der Verurteilte sofort und ohne weitere inhaltliche Überprüfung aus der Unterbringung zu entlassen wäre.
40 
1. Die vom EGMR als konventionswidrig erkannte geltende deutsche Gesetzeslage ist vom Zweiten Senat des BVerfG in seinem Urteil vom 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01 –, BVerfGE 109, 133 für verfassungsgemäß erachtet worden. Für sich gesehen ändert das Urteil des EGMR vom 17.12.2009 hieran nichts. Das Konventionsrecht einerseits und das deutsche Verfassungsrecht andererseits sind nicht deckungsgleich, und der EGMR urteilt nicht nach deutschem Verfassungsrecht.
41 
2. Allerdings beeinflussen die Gewährleistungen der Konvention die Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes, und die Rechtsprechung des EGMR dient auch auf der Ebene des Verfassungsrechts als „Auslegungshilfe“ für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes, sofern das nicht zu einer Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt (BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04 – „Görgülü“, BVerfGE 111, 307 [317]). Der Senat hat daher erwogen, ob im Lichte der Erwägungen, die der EGMR in seinem Urteil vom 17.12.2009 angestellt hat, die Frage der Verfassungsmäßigkeit des geltenden deutschen Rechts insbesondere im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 2 (hierzu BVerfGE 109, 133 [156 ff.]) und auf Art. 103 Abs. 2 GG (hierzu BVerfGE 109, 133 [167 ff.]) anders als in BVerfGE 109, 133 zu beantworten ist. Für das Freiheitsgrundrecht verneint der Senat die Frage, da das jeweilige Schranken- und Schranken-Schranken-Regime zu unterschiedlich ist. Für die Frage des Rückwirkungsverbots und des verfassungsrechtlichen Strafbegriffs sieht der Senat hingegen Erörterungsbedarf. Ihm erscheint aber zweifelhaft, ob das Urteil des EGMR vom 17.12.2009 zu der Annahme zwingt, entgegen BVerfGE 109, 133 (167 ff.) sei Art. 103 Abs. 2 GG verletzt. Diese Verfassungsbestimmung steht in einer bestimmten verfassungs- und einfachrechtlichen Tradition des deutschen Rechts (s. hierzu BVerfG aaO. S. 168 ff.). Ihre traditionell enge Auslegung begründet sich auch aus der grundsätzlichen Absolutheit des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots und den hohen Anforderungen an eine parlamentsgesetzliche Strafbarkeitsgrundlage, die sich so nicht bei Art. 7 MRK finden. Zudem kennt das deutsche Verfassungsrecht ein allgemeines rechtsstaatliches Vertrauensschutzgebot, das als verfassungsrechtlicher Auffangtatbestand eingreifen kann (s. hierzu BVerfG aaO. S. 180 ff.) und in der MRK nicht in gleicher Weise ausgeprägt ist. Deshalb ist der Senat nicht zu der Überzeugung gelangt, dass er das Gesetzesrecht, aufgrund dessen der Verurteilte sich (noch) in Sicherungsverwahrung befindet, für verfassungswidrig hält, und sieht deshalb von einer Vorlage im Verfahren der konkreten Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 GG, §§ 13 Nr. 11, 80-82 BVerfGG) ab (s. hierzu auch LG Marburg, Beschl. v. 17.05.2010 – 7 StVK 220/10 S. 8 ff.). Im Übrigen dürfte die Frage in dem beim BVerfG anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahren 2 BvR 769/10 baldiger verfassungsgerichtlicher Klärung zugeführt werden. Der in diesem Verfahren ergangene Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19.05.2010 lässt erstens erkennen, dass die Kammer die verfassungsrechtliche Frage für offen hält, andernfalls sie nicht in eine Folgenabwägung hätte eintreten können, und fasst zweitens die Möglichkeit ins Auge, dass sich das geltende Recht zwar als verfassungswidrig erweisen, es jedoch gleichwohl nicht zu Entlassungen kommen könnte, beispielsweise weil für eine Übergangszeit die ggf. bedingte Fortgeltung des bisherigen Rechts angeordnet werden könnte. Drittens zeigt der Beschluss, dass es im Ergebnis verfassungsrechtlich verantwortbar ist, Verurteilte jedenfalls vorläufig in Sicherungsverwahrung zu belassen. Die Folgenabwägung fällt auch im vorliegenden Fall gegen eine sofortige Entlassung aus: Wäre es bei konventions- und verfassungskonformer Handhabung des geltenden Rechts geboten, den Verurteilten sofort zu entlassen, so würde ihn die hier getroffene Entscheidung in seinem Freiheitsgrundrecht verletzen. Wäre es hingegen auch bei konventions- und verfassungskonformer Handhabung des geltenden Rechts geboten, die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen, und würde der Senat ihn jetzt entlassen, so wäre die Allgemeinheit bis zur Wiederergreifung des Verurteilten nach der derzeitigen Gutachtenlage der Gefahr der Begehung erheblicher Straftaten ausgesetzt, seien es Sexualdelikte, seien es Gewaltdelikte gegen Justizangehörige, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt würden. Dann aber muss das Freiheitsgrundrecht jedenfalls bis auf Weiteres zurücktreten.
IV.
42 
Nach alledem ist eine sofortige Entlassung des Verurteilten unter Übergehung des beim Senat anhängigen Beschwerdeverfahrens nicht veranlasst. Das bedeutet freilich nicht, dass die konventionsrechtlichen Vorgaben, wie sie im Urteil des EGMR vom 17.12.2009 enthalten sind, und die verfassungsrechtlichen Vorgaben, wie sie insbesondere im Urteil des Zweiten Senats des BVerfG vom 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133 enthalten sind, nicht zu beachten wären. Im Gegenteil ist es Aufgabe des Senats wie aller nationalen Gerichte, das Urteil des EGMR vom 17.12.2009 im weiteren Verfahren „in den betroffenen Teilbereich der nationalen Rechtsordnung“, nämlich das Recht der Sicherungsverwahrung, „einzupassen“ (BVerfGE 111, 307 [327]) und – selbstverständlich – deutsches Verfassungsrecht zur Anwendung zu bringen. Insbesondere wird es geboten sein, etwaige Konventionsverletzungen ausdrücklich festzustellen (vgl. für die konventionswidrige Verfahrensverzögerung BVerfG, Beschl. v. 19.04.1992 – 2 BvR 1487/90, NJW 1993, 3254 [3255]) und das geltende deutsche Recht, insbesondere §§ 67d Abs. 2 und 3, 67e Abs. 1 Satz 1 StGB, auf einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Tatsachengrundlage (vgl. BVerfGE 109, 133 [162 ff.]) im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung konventions- und verfassungskonform (vgl. BVerfG aaO. S. 159, 161) zu handhaben (s. hierzu OLG Hamm, Beschl. v. 12.05.2010 – III-4 Ws 114/10 S. 3 f.).

(1) Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an. Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.

(2) Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Gleiches gilt, wenn das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung feststellt, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil dem Untergebrachten nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 angeboten worden ist; eine solche Frist hat das Gericht, wenn keine ausreichende Betreuung angeboten wird, unter Angabe der anzubietenden Maßnahmen bei der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung festzusetzen. Mit der Aussetzung nach Satz 1 oder 2 tritt Führungsaufsicht ein.

(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, daß der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(4) Ist die Höchstfrist abgelaufen, so wird der Untergebrachte entlassen. Die Maßregel ist damit erledigt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(5) Das Gericht erklärt die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 nicht mehr vorliegen. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein.

(6) Stellt das Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus fest, dass die Voraussetzungen der Maßregel nicht mehr vorliegen oder die weitere Vollstreckung der Maßregel unverhältnismäßig wäre, so erklärt es sie für erledigt. Dauert die Unterbringung sechs Jahre, ist ihre Fortdauer in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Sind zehn Jahre der Unterbringung vollzogen, gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein. Das Gericht ordnet den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

Kommt das Bundesverfassungsgericht zu der Überzeugung, daß Bundesrecht mit dem Grundgesetz oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder dem sonstigen Bundesrecht unvereinbar ist, so erklärt es das Gesetz für nichtig. Sind weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes aus denselben Gründen mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar, so kann sie das Bundesverfassungsgericht gleichfalls für nichtig erklären.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

Kommt das Bundesverfassungsgericht zu der Überzeugung, daß Bundesrecht mit dem Grundgesetz oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder dem sonstigen Bundesrecht unvereinbar ist, so erklärt es das Gesetz für nichtig. Sind weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes aus denselben Gründen mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar, so kann sie das Bundesverfassungsgericht gleichfalls für nichtig erklären.

Das Bundesverfassungsgericht kann in seiner Entscheidung bestimmen, wer sie vollstreckt; es kann auch im Einzelfall die Art und Weise der Vollstreckung regeln.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem 31. Dezember 2010 begangen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bisherige Recht anzuwenden, soweit in den Absätzen 2 und 3 sowie in Artikel 316f Absatz 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Sind die Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung nach § 66 des Strafgesetzbuches angeordnet werden soll, vor dem 1. Januar 2011 begangen worden und ist der Täter deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilt worden, so ist § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung anzuwenden, wenn diese gegenüber dem bisherigen Recht das mildere Gesetz ist.

(3) Eine nach § 66 des Strafgesetzbuches vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig angeordnete Sicherungsverwahrung erklärt das Gericht für erledigt, wenn die Anordnung ausschließlich auf Taten beruht, die nach § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung nicht mehr Grundlage für eine solche Anordnung sein können. Das Gericht kann, soweit dies zur Durchführung von Entlassungsvorbereitungen geboten ist, als Zeitpunkt der Erledigung spätestens den 1. Juli 2011 festlegen. Zuständig für die Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 ist das nach den §§ 454, 462a Absatz 1 der Strafprozessordnung zuständige Gericht. Für das Verfahren ist § 454 Absatz 1, 3 und 4 der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden; die Vollstreckungsbehörde übersendet die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichtes, die diese umgehend dem Gericht zur Entscheidung übergibt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein.

(4) § 1 des Therapieunterbringungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) ist unter den dortigen sonstigen Voraussetzungen auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene noch nicht in Sicherungsverwahrung untergebracht, gegen ihn aber bereits Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug angeordnet war und aufgrund einer vor dem 4. Mai 2011 ergangenen Revisionsentscheidung festgestellt wurde, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich deshalb nicht rechtskräftig angeordnet werden konnte, weil ein zu berücksichtigendes Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung dem entgegenstand, ohne dass es dabei auf den Grad der Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit angekommen wäre.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.