Bundessozialgericht Urteil, 01. Dez. 2016 - B 14 AS 28/15 R

bei uns veröffentlicht am01.12.2016

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 4. Dezember 2014 werden zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

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Im Streit ist - nach einem Teilvergleich der Beteiligten im Termin vor dem Senat - die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Kläger im Juli 2011, insbesondere die Berücksichtigung von Mindestelterngeld als Einkommen.

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Die miteinander verheirateten Kläger zu 1 und 2 sind die Eltern der minderjährigen Kläger zu 3 bis 6 und bezogen seit 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Für ihre Mietwohnung wendeten sie insgesamt 503 Euro monatlich auf. Der Kläger zu 1 erzielte Einkommen aus einer nichtselbstständigen Erwerbstätigkeit in monatlich wechselnder Höhe. Die Klägerin zu 2 bezog nach der Geburt der Klägerin zu 6 am 30.12.2010 Elterngeld in Höhe von 150 Euro monatlich (Bescheid der Stadt Halle vom 20.1.2011: Mindestbetrag in Höhe von 300 Euro nach § 2 Abs 5 BEEG und verlängerte Auszahlung nach § 6 Satz 2 BEEG). Für die Kläger zu 3 und 4 wurde Kindergeld in Höhe von 184 Euro monatlich gezahlt, für den Kläger zu 5 in Höhe von 190 Euro und für die Klägerin zu 6 in Höhe von 215 Euro.

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Auf ihren Fortzahlungsantrag bewilligte das beklagte Jobcenter den Klägern zu 1 bis 5 für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2011 vorläufig Leistungen in Höhe von 463,42 Euro monatlich (Bescheid vom 29.12.2010) und änderte nach der Geburt der Klägerin zu 6 diese Bewilligung dahin ab, dass für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2011 vorläufig Leistungen in Höhe von 563,42 Euro monatlich bewilligt wurden (Bescheid vom 17.1.2011). Nach Mitteilung des Elterngeldbezugs änderte der Beklagte die vorläufige Bewilligung erneut ab und bewilligte für den Zeitraum vom 1.3. bis 31.7.2011 Leistungen in Höhe von 443,42 Euro monatlich (563,42 Euro abzüglich 120 Euro [150 Euro Elterngeld abzüglich 30 Euro Versicherungspauschale]), weil das der Bedarfsgemeinschaft zufließende Elterngeld aufgrund einer Rechtsänderung ab 1.1.2011 als Einkommen anzurechnen sei (Bescheid vom 27.1.2011). Die hiergegen mit der Begründung erhobenen Widersprüche, die Anrechnung des Elterngeldes aufgrund der Neuregelung sei verfassungswidrig, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 8.3.2011). Während des Klage- und Berufungsverfahrens änderte der Beklagte die vorläufige Bewilligungsentscheidung für den streitigen Juli 2011 mehrfach ab und entschied abschließend über den Leistungsanspruch für diesen Monat (letzter Bescheid vom 2.7.2014).

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Das SG wies die Klagen der Kläger zu 1 und 2 ab (Urteil vom 22.10.2013): Nicht Gegenstand der Klagen seien die Leistungen ihrer Kinder, weil nur die beiden Kläger Klagen erhoben hätten. Ansprüche auf höhere Leistungen hätten diese nicht, weil insbesondere die gesetzliche Neuregelung zur Anrechnung des Elterngeldes verfassungsmäßig sei. Mit ihren vom SG zugelassenen Berufungen machten die Kläger zum einen geltend, dass die Klagen und Berufungen für sämtliche Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erhoben worden seien, und zum anderen die Verfassungswidrigkeit der Neuregelung. Das LSG hat das Urteil des SG abgeändert, soweit der Beklagte den geltend gemachten Anspruch wegen anderer Punkte als der hier streitigen Anrechnung des Mindestelterngeldes anerkannt hat, und im Übrigen die Berufungen aller Kläger zurückgewiesen (Urteil vom 4.12.2014): Die zulässig von allen Klägern als Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft erhobenen Klagen seien unbegründet, denn die Kläger hätten keinen Anspruch gegen den Beklagten auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Das Elterngeld sei aufgrund der Neuregelung des § 10 Abs 5 Satz 1 BEEG in der ab 1.1.2011 geltenden Fassung als Einkommen zu berücksichtigen gewesen. Gegen diese Regelung bestünden keine durchgreifenden Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit.

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Mit den vom Senat zugelassenen Revisionen rügen die Kläger durch die Berücksichtigung des Elterngeldes in Höhe des Mindestbetrages von hier 150 Euro als Einkommen bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II aufgrund von § 10 Abs 5 Satz 1 BEEG iVm §§ 11 ff SGB II die Verletzung ihrer Rechte aus Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip nach Art 20 Abs 1 GG.

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Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 4. Dezember 2014 und des Sozialgerichts Halle vom 22. Oktober 2013 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 2. Juli 2014 zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Juli 2011 ohne die Anrechnung von Elterngeld zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

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Er verteidigt die Verfassungsmäßigkeit der von ihm angewandten Regelung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässigen Revisionen sind unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Kläger haben keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der gesetzlich vorgegebenen Berücksichtigung des der Klägerin zu 2 gezahlten Elterngeldes als Einkommen steht Verfassungsrecht nicht entgegen.

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1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind das Urteil des LSG, das das Urteil des SG nur insoweit abgeändert hat, als der Beklagte ein Anerkenntnis abgegeben hatte, im Übrigen aber die vom SG zugelassenen Berufungen zurückgewiesen hat, und das klageabweisende Urteil des SG. Mit ihren kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG) begehren die Kläger höhere als die ihnen zuletzt bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, insbesondere die Zahlung von Leistungen ohne Berücksichtigung von Mindestelterngeld als Einkommen. Streitiger Zeitraum ist nach dem Teilvergleich der Beteiligten vor dem Senat nur noch der Juli 2011.

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Gegenstand des Verfahrens ist insoweit allein der im Berufungsverfahren ergangene Bescheid vom 2.7.2014, durch den der Beklagte trotz seiner Bezeichnung als Änderungsbescheid die abschließende Entscheidung durch Bescheid vom 8.8.2011 durch eine vollständig neue abschließende Entscheidung ersetzt und allen Klägern höhere als ihnen durch diesen Bescheid für Juli 2011 bewilligte Leistungen bewilligt hat (zu den Anforderungen an die Auslegung eines Änderungsbescheids als eine "abschließende Entscheidung" iS des § 328 Abs 3 SGB III vgl BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 31/14 R - SozR 4-4200 § 40 Nr 9 RdNr 26). Durch den Bescheid vom 2.7.2014 hat sich deshalb der Bescheid vom 8.8.2011 erledigt (§ 39 Abs 2 SGB X, § 96 Abs 1 SGG; vgl letztens etwa BSG Urteil vom 20.1.2016 - B 14 AS 8/15 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 21 Nr 25, juris RdNr 10) und ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Durch diesen Bescheid vom 8.8.2011 hatte der Beklagte über die Leistungen für alle Kläger für Juli 2011 erstmals abschließend entschieden und diese höher als durch die letzte vorläufige Bewilligungsentscheidung festgesetzt, nachdem das im Juli 2011 dem Kläger zu 1 zugeflossene Erwerbseinkommen für Juni 2011 bekannt geworden und der Vorläufigkeitsgrund damit entfallen war. Dadurch hatten sich die vorläufigen Entscheidungen über die Leistungshöhe für Juli 2011 durch die Bescheide vom 29.12.2010, 17.1.2011, 27.1.2011, 28.3.2011, 19.4.2011 und 21.6.2011 sowie den Widerspruchsbescheid vom 8.3.2011 erledigt (§ 39 Abs 2 SGB X; vgl letztens etwa BSG Urteil vom 26.7.2016 - B 4 AS 54/15 R - vorgesehen für SozR 4-4225 § 1 Nr 3, juris RdNr 14).

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2. Die Revisionen der Kläger zu 3 bis 6 sind nicht bereits deshalb unbegründet, weil sie - wie das SG entschieden hatte - nicht als Kläger am Verfahren beteiligt waren. Vielmehr hat das LSG nach Auslegung der durch die Kläger zu 1 und 2 erhobenen Klagen zutreffend festgestellt, dass die von ihnen gesetzlich vertretenen Kläger zu 3 bis 6 als ihre zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden minderjährigen Kinder am Klageverfahren beteiligt waren, weshalb das LSG auch zu Recht ihre Berufungen gegen das Urteil des SG für zulässig gehalten hat.

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3. Rechtsgrundlage für den von den Klägern geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Juli 2011 sind §§ 19 ff iVm §§ 7, 9, 11 ff SGB II(in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850). Die Grundvoraussetzungen, um Alg II und Sozialgeld zu erhalten (§ 7 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 SGB II), erfüllten die miteinander in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kläger (§ 7 Abs 3 Nr 1, Nr 3 Buchst a und Nr 4 SGB II); ebenso wenig lag ein Ausschlusstatbestand vor, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ergibt.

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Die den Klägern zu 1 bis 6 im Juli 2011 nach Maßgabe von § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II jeweils zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat der Beklagte zuletzt zutreffend - unter Berücksichtigung des Mindestelterngeldes als Einkommen - berechnet. Die Kläger haben folgende Bedarfe: Für die Kläger zu 1 und 2 ist ein Regelbedarf in Höhe von jeweils 328 Euro anzuerkennen (§ 20 Abs 4 SGB II), hinzu kommen die kopfteilig umzulegenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II) in Höhe von insoweit jeweils 83,84 Euro (1/6 von den tatsächlichen, angemessenen Kosten von insgesamt 503 Euro), insgesamt jeweils 411,84 Euro. Der Regelbedarf für die Kläger zu 3 und 4 beträgt jeweils 251 Euro (§ 23 Nr 1 iVm § 77 Abs 4 Nr 3 SGB II) zuzüglich jeweils 83,83 Euro als Bedarfe für Unterkunft und Heizung, insgesamt jeweils 334,83 Euro. Der Regelbedarf für die Kläger zu 5 und 6 beträgt jeweils 215 Euro (§ 23 Nr 1 iVm § 77 Abs 4 Nr 2 SGB II) zuzüglich jeweils 83,83 Euro als Bedarfe für Unterkunft und Heizung, insgesamt jeweils 298,83 Euro.

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Bei den Klägern zu 3 bis 6 ist von diesen Bedarfen nach § 11 Abs 1 Satz 4, 3 SGB II das jeweilige Kindergeld als Einkommen abzuziehen. Danach verbleibt für die Kläger zu 3 und 4 ein ungedeckter Bedarf in Höhe von jeweils 150,83 Euro (334,83 Euro abzüglich 184 Euro Kindergeld), für den Kläger zu 5 ergibt sich ungedeckter Bedarf in Höhe von 108,83 Euro (298,83 Euro abzüglich 190 Euro Kindergeld) und für die Klägerin zu 6 beträgt der ungedeckte Bedarf 83,83 Euro (298,83 Euro abzüglich 215 Euro Kindergeld).

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Dass das jeweilige Kindergeld für ein Kind jeweils diesem Kind als Einkommen zugerechnet wird und nicht der Durchschnitt des der Bedarfsgemeinschaft mit mehreren Kindern zufließenden Kindergeldes auf die Kinder verteilt wird (so - ab dem 3. Kind gleichmäßige Aufteilung des gesamten Kindergeldes - Geiger in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 11 RdNr 31; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 11 RdNr 381, Stand Dezember 2014), ist normativ durch § 11 Abs 1 Satz 4, 3 SGB II vorgegeben. Denn danach ist das Kindergeld dem "jeweiligen Kind", soweit es bei diesem zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird, als Einkommen zuzurechnen. Diese individuelle Bedarfsfeststellung schließt eine von dieser abweichende Durchschnittsbildung aus (ebenso Mues in Estelmann, SGB II, § 11 RdNr 42, Stand April 2016; vgl auch bereits BSG Beschluss vom 2.12.2014 - B 14 AS 241/14 B - juris RdNr 6).

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Dem so nach Abzug des Kindergeldes verbleibenden Gesamtbedarf der Kläger zu 1 bis 6 in Höhe von 1318 Euro ist das nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigende Einkommen der Kläger zu 1 und 2 gegenüberzustellen(§ 9 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB II). Das zu berücksichtigende Erwerbseinkommen des Klägers zu 1 im Juli 2011 beträgt 792,25 Euro. Es ergibt sich aus 1360,64 Euro brutto Erwerbseinkommen abzüglich der Absetzbeträge nach § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB II in Höhe von 272,33 Euro = 1088,31 Euro netto abzüglich des Grundfreibetrags nach § 11b Abs 2 Satz 1 SGB II in Höhe von 100 Euro = 988,31 Euro abzüglich des Erwerbstätigenfreibetrags nach § 30 SGB II aF iVm § 77 Abs 3 SGB II in Höhe von 196,06 Euro. Das der Klägerin zu 2 gezahlte Elterngeld ist zuletzt rechnerisch zutreffend in Höhe von 114,85 Euro im Monat berücksichtigt worden (150 Euro Mindestelterngeld abzüglich 30 Euro Versicherungspauschale nach § 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V und - nach dem Teilvergleich vor dem Senat - 5,15 Euro Beitrag zur Altersvorsorge nach § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II).

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Andere zu berücksichtigende Einnahmen erzielten und über zu berücksichtigendes Vermögen verfügten die Kläger nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG im Juli 2011 nicht.

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4. Die Berücksichtigung des Mindestelterngeldes als Einkommen hat der Beklagte zu Recht auf § 10 Abs 5 Satz 1 BEEG(idF des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 vom 9.12.2010, BGBl I 1885) gestützt. Der durch dieses Gesetz dem § 10 BEEG mit Wirkung vom 1.1.2011 angefügte Abs 5 bestimmt in Satz 1, dass die Abs 1 bis 4 des § 10 BEEG nicht gelten bei Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und § 6a BKGG. Nach der Einkommensprivilegierung des § 10 Abs 1 und 3 BEEG bleibt das Elterngeld bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat und bei verlängerter Auszahlung nach § 6 Satz 2 BEEG in Höhe von 150 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Weil § 10 Abs 5 Satz 1 BEEG zu dieser elterngeldrechtlichen Einkommensprivilegierung für die Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und § 6a BKGG eine Ausnahme regelt, ist bei diesen Leistungen das Mindestelterngeld grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen. An diesem Regelungskonzept hat der Gesetzgeber über die zahlreichen Änderungen des Elterngeldrechts hinweg bis heute festgehalten (§ 2 Abs 4, § 10 Abs 5 Satz 1 BEEG idF der Bekanntmachung vom 27.1.2015, BGBl I 33).

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Vom Grundsatz der Berücksichtigung des Mindestelterngeldes greifen für die Klägerin zu 2 keine Ausnahmen. Nach der Rückausnahme zu § 10 Abs 5 Satz 1 BEEG in Satz 2 bleibt das Elterngeld bei den in Satz 1 bezeichneten Leistungen in Höhe des nach § 2 Abs 1 BEEG berücksichtigten durchschnittlich erzielten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro (bei verlängerter Auszahlung: 150 Euro; § 10 Abs 5 Satz 3 BEEG) im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Die Voraussetzungen dieser Rückausnahme liegen hier nicht vor, denn bei der Bemessung des der Klägerin zu 2 gezahlten Elterngeldes wurde Einkommen aus Erwerbstätigkeit nicht berücksichtigt, weil von ihr im maßgeblichen Zeitraum vor der Geburt der Klägerin zu 6 keines erzielt worden war. Vielmehr erhielt sie das Mindestelterngeld in Höhe von 150 Euro (300 Euro Mindestelterngeld nach § 2 Abs 5 BEEG idF des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, BGBl I 2748; verlängerte Auszahlung mit halben Monatsbeträgen nach § 6 Satz 2 BEEG idF des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, BGBl I 2748; insoweit geändert durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz vom 18.12.2014, BGBl I 2325). Auch die Übergangsregelung des § 1 Abs 5 Alg II-V(idF der Vierten Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 21.12.2010, BGBl I 2321; aufgehoben mit Wirkung vom 1.8.2016 durch die Siebte Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 26.7.2016, BGBl I 1858) hindert vorliegend nicht die Berücksichtigung des Mindestelterngeldes, weil dessen Voraussetzungen nicht vorliegen.

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5. Der Berücksichtigung des der Klägerin zu 2 gezahlten Mindestelterngeldes als Einkommen bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kläger steht keine diese Anrechnung hindernde ausdrückliche Zweckbestimmung des Mindestelterngeldes iS des § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II entgegen. Denn für das Mindestelterngeld ist dem BEEG schon keine eigenständige Bestimmung eines konkreten Verwendungszwecks zu entnehmen. Der Senat schließt sich insoweit den Entscheidungsgründen im Urteil des 4. Senats des BSG vom 26.7.2016 an (BSG Urteil vom 26.7.2016 - B 4 KG 2/14 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-5870 § 6a Nr 7, juris RdNr 19 ff).

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6. Diese gesetzlich geregelte Berücksichtigung des Mindestelterngeldes als Einkommen ist nicht verfassungswidrig. Der Senat schließt sich auch insoweit den Entscheidungsgründen im Urteil des 4. Senats vom 26.7.2016 an, das zur Berücksichtigung des Mindestelterngeldes beim Kinderzuschlag nach § 6a BKGG ergangen ist(BSG Urteil vom 26.7.2016 - B 4 KG 2/14 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-5870 § 6a Nr 7, juris RdNr 23 ff, 30 ff).

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a) Maßgeblicher verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die mit Wirkung vom 1.1.2011 durch Gesetz eingeführte Berücksichtigung des Mindestelterngeldes auch bei Leistungen nach dem SGB II ist der Gleichbehandlungsanspruch nach Art 3 Abs 1 GG, weil für die Berücksichtigung des Mindestelterngeldes als Einkommen gesetzlich zwischen verschiedenen Sozialleistungen differenziert wird.

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aa) Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, verwehrt dem Gesetzgeber aber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind; ein solches Merkmal ist das Lebensalter. Umgekehrt erweitern sich mit abnehmender Prüfungsstrenge die Gestaltungs- und Bewertungsspielräume des Gesetzgebers bei steigender "Typisierungstoleranz". Diese ist im Bereich der leistenden Massenverwaltung besonders groß (vgl zu diesem Prüfungsmaßstab BVerfG Beschluss vom 27.7.2016 - 1 BvR 371/11 - juris RdNr 69).

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bb) Hiernach ist vorliegend keine besonders strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung angezeigt. Zwar werden aufgrund von § 10 Abs 5 Satz 1 BEEG Bezieher von SGB II-Leistungen im Vergleich zu Beziehern anderer bedürftigkeits- und einkommensabhängiger Sozialleistungen mit Blick auf die Berücksichtigung des Mindestelterngeldes anders und schlechter behandelt. Diese Differenzierung knüpft indes nicht an Merkmale an, die wie Alter, Geschlecht oder Rasse für den Einzelnen unverfügbar sind. Vielmehr unterscheidet die gesetzliche Regelung typisierend zwischen den Beziehern unterschiedlicher Sozialleistungen und knüpft hierfür an Unterschiede dieser Sozialleistungen, die sich für die leistende Massenverwaltung leicht feststellen lassen.

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Ein strengerer Maßstab folgt nicht daraus, dass die gesetzliche Regelung allein das Mindestelterngeld und damit nur die Eltern betrifft, die im maßgeblichen Zeitraum vor der Geburt des Kindes kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt haben (vgl hierzu BSG Urteil vom 26.7.2016 - B 4 KG 2/14 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-5870 § 6a Nr 7, juris RdNr 36 ff). Denn die Erwerbstätigkeit vor der Geburt ist kein für den Einzelnen unverfügbares Merkmal in dem Sinne, wie es etwa das Lebensalter ist. Zwar wird Eltern, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beziehen, nach Maßgabe von § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet. Dass ihre Kinder erziehende Eltern in diesem Sinne nicht arbeiten müssen und ggf im maßgeblichen Zeitraum vor der Geburt eines weiteren Kindes kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, bedeutet indes nicht, dass sie nicht erwerbstätig sein können. Die Lebensentscheidung, zwischen der Geburt zweier Kinder nicht erwerbstätig zu sein, wird zwar rechtlich nach Maßgabe von § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II akzeptiert, ist jedoch nicht im Sinne der vom BVerfG formulierten Vorgaben für den Einzelnen unverfügbar.

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Das trifft entgegen dem Vorbringen der Revision auch für den vorliegenden Einzelfall zu: Der Kläger zu 5 wurde am 25.7.2006, die Klägerin zu 6 am 30.12.2010 geboren. Nach § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II ist die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, in der Regel nicht gefährdet, soweit die Betreuung sichergestellt ist; insoweit ist eine Erwerbstätigkeit zumutbar. Ausgehend hiervon war der Klägerin zu 2 ab Ende Juli 2009 und damit im maßgeblichen Zeitraum vor der Geburt der Klägerin zu 6 die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in einer typisierenden Betrachtung bei Inanspruchnahme von Kindertagesbetreuungsleistungen nach dem SGB VIII nicht schlechterdings unmöglich; nur hierauf kommt es rechtlich für die Frage an, wie streng der Maßstab für die Prüfung einer Ungleichbehandlung durch den Gesetzgeber ist.

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cc) Die sowohl mit dem Ziel der Haushaltskonsolidierung als auch mit dem einer stärkeren Konturierung des differenzierten Anreiz- und Unterstützungssystems in der Grundsicherung begründete Berücksichtigung des Mindestelterngeldes als Einkommen bei Leistungen nach dem SGB II - und nach dem SGB XII und § 6a BKGG -(BT-Drucks 17/3030 S 47 f) findet ihre Rechtfertigung im existenzsicherungsrechtlichen Nachranggrundsatz, der insbesondere in §§ 2, 3 Abs 3, § 9 Abs 1 und § 12a SGB II - und in §§ 2 und 19 Abs 1 bis 3 und 5 SGB XII - normative Gestalt gewonnen hat. Als sachgerechter Differenzierungsgrund iS des Art 3 Abs 1 GG trägt der Nachrang von existenzsichernden Leistungen die Ungleichbehandlung von SGB II-Leistungen im Vergleich zu anderen bedürftigkeits- und einkommensabhängigen Leistungen bei der Berücksichtigung des Mindestelterngeldes. In den von § 10 Abs 5 Satz 1 BEEG erfassten existenzsichernden Leistungssystemen nach dem SGB II und dem SGB XII - und ebenso beim Kinderzuschlag nach § 6a BKGG, der der Vermeidung einer Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II dient - ist durch den Gesetzgeber der Nachranggrundsatz schärfer ausgeprägt und strenger betont worden als bei anderen bedürftigkeits- und einkommensabhängigen Sozialleistungen, auch als bei denen, auf die die Kläger zum Vergleich für eine Ungleichbehandlung hingewiesen haben (BAföG, WoGG und BVG).

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Diese Ausprägung und Betonung finden ihre Rechtfertigung wiederum darin, dass die existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II und SGB XII der Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums dienen und insoweit das maßgeblich an die Hilfebedürftigkeit anknüpfende, unterste Auffangnetz der sozialen Leistungen bilden, während die anderen bedürftigkeits- und einkommensabhängigen Sozialleistungen neben einer nur partiellen Lebensunterhaltssicherung noch anderen Zwecken dienen und deshalb an weitere Voraussetzungen anknüpfen (zu den Zwecken der individuellen Ausbildungsförderung vgl §§ 1, 11 Abs 1 BAföG: Förderung, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen; zum Zweck des Wohngeldes als Zuschuss zur Miete oder zur Belastung für den selbst genutzten Wohnraum vgl § 1 Abs 1 WoGG: wirtschaftliche Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens; zum Zweck der Versorgung vgl § 1 Abs 1 BVG: Versorgung wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer gesundheitlichen Schädigung; vgl auch BSG Urteil vom 26.7.2016 - B 4 KG 2/14 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-5870 § 6a Nr 7, juris RdNr 43). Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, den durch Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG gebotenen gesetzlichen Anspruch auf die Absicherung des Existenzminimums so auszugestalten, dass andere Sozialleistungen vorrangig zu berücksichtigen sind, bevor existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II und SGB XII beansprucht werden können.

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Diese Nachrangsicherung durch Verweis auf vorrangige Sozialleistungen ist mit Blick auf das Mindestelterngeld vereinbar auch mit Art 3 Abs 1 GG iVm dem besonderen Gleichheitssatz des Art 6 Abs 1 GG und mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG. Denn weder die grundrechtlichen Anforderungen des Schutzes der Familie noch das Sozialstaatsprinzip geben mit ihren Schutz- und Fördergeboten dem Gesetzgeber präzise vor, ob und ggf in welcher Weise bei der Regelung des Verhältnisses familien- oder kindbezogener Sozialleistungen zu anderen Sozialleistungen zwischen existenzsichernden und nicht existenzsichernden Leistungen differenziert werden darf (zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers angesichts der durch die Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip weitgehend offen gelassenen Kriterien vgl BVerfG Beschluss vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412, juris RdNr 72, 95; vgl auch BSG Urteil vom 26.7.2016 - B 4 KG 2/14 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-5870 § 6a Nr 7, juris RdNr 28).

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dd) Verfassungsrechtliche Bedenken folgen schließlich nicht daraus, dass der Gesetzgeber nicht bereits bei Einführung des Mindestelterngeldes, sondern erst ab 1.1.2011 die Berücksichtigung des zunächst berücksichtigungsfreien Mindestelterngeldes bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vorgesehen hat (zur Änderung der gesetzlichen Regelung vgl BSG Urteil vom 26.7.2016 - B 4 KG 2/14 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-5870 § 6a Nr 7, juris RdNr 17). Denn der Gesetzgeber darf seine Regelungen ändern, sie müssen nur jeweils verfassungsgemäß sein. Auch an Änderungen seiner Regelungen zur Konkretisierung des Nachranggrundsatzes ist der Gesetzgeber nicht gehindert. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob die eine oder andere gesetzgeberische Entscheidung jeweils verfassungsrechtlich geboten war, sondern allein darauf, ob das im streitbefangenen Zeitraum und auch heute noch geltende Recht mit seiner Differenzierung zwischen verschiedenen bedürftigkeits- und einkommensabhängigen Sozialleistungen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar ist.

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Eine Übergangsregelung für die Aufhebung der Anrechnungsfreiheit des Mindestelterngeldes beim Bezug von Leistungen nach dem SGB II war aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht erforderlich (vgl ebenso BSG Urteil vom 26.7.2016 - B 4 KG 2/14 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-5870 § 6a Nr 7, juris RdNr 25 f). Die Regelung des § 10 Abs 5 Satz 1 BEEG in der Fassung des am 14.12.2010 verkündeten Haushaltsbegleitgesetzes 2011 vom 9.12.2010 trat am 1.1.2011 in Kraft und erfasste nur künftige Zeiträume, für die ab 1.1.2011 das Vorliegen der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu prüfen war. Weder liegt hierin eine Rückwirkung noch bedurfte es aus existenzsicherungsrechtlichen Gründen einer Übergangsregelung. Denn wer ab 1.1.2011 tatsächlich Mindestelterngeld bezog, bei dem war es im jeweiligen Monat als Einkommen anzurechnen, weil es als bereites Mittel zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stand (zum für die Leistungsbemessung im SGB II maßgebenden Monatsprinzip vgl nur BSG Urteil vom 9.4.2014 - B 14 AS 23/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 75 RdNr 27 sowie BSG Urteil vom 28.10.2014 - B 14 AS 36/13 R - BSGE 117, 179 = SozR 4-4200 § 37 Nr 7, RdNr 25; zum zur Existenzsicherung bereiten Mittel vgl nur BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 14 AS 43/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 74 RdNr 15 f).

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ee) Ergänzend zum Urteil des 4. Senats vom 26.7.2016 (BSG Urteil vom 26.7.2016 - B 4 KG 2/14 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-5870 § 6a Nr 7) ist noch darauf hinzuweisen, dass nach der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG die gesetzliche Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II verfassungsrechtlich zulässig dadurch geprägt ist, dass sie an eine wirkliche bzw konkrete Bedürftigkeit anknüpfen (vgl BVerfG Beschluss vom 27.7.2016 - 1 BvR 371/11 - juris RdNr 39, 50, 72). Einkommen kann daher bei der Ermittlung der Hilfebedürftigkeit grundsätzlich einbezogen werden. Es kann dies umso eher bei den existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II im Vergleich zu anderen bedürftigkeitsorientierten Sozialleistungen, als die Leistungen nach dem SGB II mit der Sicherung eines menschenwürdigen Daseins auf Bedürftige zielen, die ihren Lebensunterhalt im Hinblick auf ihre Erwerbsfähigkeit grundsätzlich selbst sichern könnten und denen die Leistungen zur Existenzsicherung vorübergehend gewährt werden, welche zudem durch Leistungen zur Vermittlung in Arbeit ergänzt werden (vgl BVerfG, aaO, RdNr 74). Diese Besonderheiten des SGB II haben das BVerfG zuletzt daran zweifeln lassen, ob mit Blick auf das SGB XII überhaupt vergleichbare Sachverhalte vorliegen (vgl BVerfG, aaO, RdNr 74). Umso mehr können diese Zweifel mit Blick auf andere bedürftigkeitsorientierte, aber nicht existenzsichernde Sozialleistungen bestehen.

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b) Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII im Vergleich zu anderen bedürftigkeitsorientierten, aber nicht existenzsichernden Sozialleistungen bei der Berücksichtigung des Mindestelterngeldes als Einkommen wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass von den drei existenzsichernden Leistungssystemen des SGB II, SGB XII und AsylbLG (vgl dazu BSG Urteil vom 25.6.2015 - B 14 AS 17/14 R - BSGE 119, 164 = SozR 4-4200 § 11 Nr 73, RdNr 18 ff) das AsylbLG von der Anrechnung des Mindestelterngeldes nicht erfasst ist, weil es in § 10 Abs 5 Satz 1 BEEG nicht genannt ist. Neben dem Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG kann deshalb das Mindestelterngeld berücksichtigungsfrei bezogen werden (Mutschler in Tillmanns/Mutschler, MuSchG/BEEG, 2015, § 10 BEEG RdNr 22; aA Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 10 BEEG RdNr 31: unbeabsichtigte Regelungslücke, die durch analoge Anwendung des § 10 Abs 5 BEEG geschlossen werden kann).

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Diese Differenzierung zwischen den existenzsichernden Leistungssystemen kommt indes nur zum Tragen, soweit Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG aufgrund von § 1 Abs 7 BEEG(idF der Bekanntmachung vom 27.1.2015, BGBl I 33) Zugang zum Anspruch auf Elterngeld haben. Insoweit dürften nur Inhaber einer in § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst c BEEG genannten Aufenthaltserlaubnis in Betracht kommen, die sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten(§ 1 Abs 7 Nr 3 Buchst a BEEG; § 1 Abs 7 Nr 3 Buchst b BEEG ist verfassungswidrig und nichtig: BVerfG Beschluss vom 10.7.2012 - 1 BvL 2/10 ua - BVerfGE 132, 72), aber dennoch nicht sog Analogleistungen nach dem SGB XII aufgrund von § 2 AsylbLG beziehen. Diese Personengruppe kann es im Einzelfall geben (zu § 1 Abs 7 Nr 3 Buchst a BEEG vgl Hissnauer in Tillmanns/Mutschler, MuSchG/BEEG, 2015, § 1 BEEG RdNr 154; zu den ausdifferenzierten aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen, unter denen nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer, die sich voraussichtlich dauerhaft im Inland aufhalten werden, ausnahmsweise Anspruch auf Elterngeld haben, vgl BSG Urteil vom 10.7.2014 - B 10 EG 1/13 R - juris). Aufgrund der Verkürzung der "Wartezeit" bis zum Anspruch auf Analogleistungen nach dem SGB XII von 48 Monate auf 15 Monate (§ 2 Abs 1 AsylbLG idF des Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes und des Sozialgerichtsgesetzes vom 10.12.2014, BGBl I 2187) dürfte es sich jedoch um wenige Ausnahmefälle handeln; werden Analogleistungen bezogen, ist die durch § 2 Abs 1 AsylbLG angeordnete entsprechende Anwendung des SGB XII auf den Ausschluss von der Anrechnungsfreiheit des Mindestelterngeldes bei SGB XII-Leistungen zu erstrecken(Mutschler in Tillmanns/Mutschler, MuSchG/BEEG, 2015, § 10 BEEG RdNr 22; vgl zur entsprechenden Anwendung von Beschränkungen des SGB XII auf Leistungen nach dem AsylbLG auch BSG Urteil vom 26.6.2013 - B 7 AY 6/12 R - BSGE 114, 20 = SozR 4-3520 § 9 Nr 4, RdNr 10 ff).

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Die Anrechnungsfreiheit für die Fälle des Bezugs von AsylbLG-Leistungen lässt sich rechtfertigen mit den Unterschieden im Bedarfsdeckungsregime zwischen dem SGB II und SGB XII einerseits und dem AsylbLG andererseits, an die der Gesetzgeber auch angeknüpft hat. Denn die Aufhebung der Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes durch § 10 Abs 5 Satz 1 BEEG trug dem Umstand Rechnung, dass der Bedarf des betreuenden Elternteils und der des Kindes im SGB II- und SGB XII-Leistungssystem durch die Regelleistungen bzw Regelsätze und die Zusatzleistungen, ggf einschließlich des Mehrbedarfszuschlags für Alleinerziehende, umfassend gesichert ist und dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet wird, die vorübergehende Übernahme der Betreuung des Kindes also in diesen Leistungssystemen unterstützt wird(BT-Drucks 17/3030 S 48). Dies trifft so auf die Leistungen nach dem AsylbLG nach wie vor nicht zu, was unterschiedliche Anrechnungsregeln sachlich rechtfertigt, ohne sie zu gebieten. Zudem unterscheiden sich die leistungsberechtigten Personen der jeweiligen existenzsichernden Leistungssysteme in einem Maße voneinander, das es bereits fraglich erscheinen lässt, ob insoweit überhaupt vergleichbare Sachverhalte vorliegen (vgl zu Unterschieden zwischen SGB II und SGB XII BVerfG Beschluss vom 27.7.2016 - 1 BvR 371/11 - juris RdNr 74).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 7 Leistungsberechtigte


(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die1.das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,2.erwerbsfähig sind,3.hilfebedürftig sind und4.ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschla

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 22 Bedarfe für Unterkunft und Heizung


(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Le

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 11 Zu berücksichtigendes Einkommen


(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dies

Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung


Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 20 Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts


(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des tägl

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 9 Hilfebedürftigkeit


(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer So

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 170


(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision eb

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 96


(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. (2) Eine Abschrift des neuen Ver

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 19 Bürgergeld und Leistungen für Bildung und Teilhabe


(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Bürgergeld. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Bürgergeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 39 Wirksamkeit des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit


Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG

Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG | § 2 Höhe des Elterngeldes


(1) Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1 800 Euro monatlich für volle Lebensmonate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkomme

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 19 Leistungsberechtigte


(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. (2)

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 11b Absetzbeträge


(1) Vom Einkommen abzusetzen sind1.auf das Einkommen entrichtete Steuern,2.Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung,3.Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, s

Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG | § 1 Berechtigte


(1) Anspruch auf Elterngeld hat, wer 1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,2. mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.Bei

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 2 Nachrang der Sozialhilfe


(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozia

Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG | § 1 Leistungsberechtigte


(1) Leistungsberechtigt nach diesem Gesetz sind Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die 1. eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz besitzen,1a. ein Asylgesuch geäußert haben und nicht die in den Nummern 1, 2 bis 5 und

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 328 Vorläufige Entscheidung


(1) Über die Erbringung von Geldleistungen kann vorläufig entschieden werden, wenn1.die Vereinbarkeit einer Vorschrift dieses Buches, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundes

Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG | § 2 Leistungen in besonderen Fällen


(1) Abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 sind das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechun

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 1


(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädig

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 23 Besonderheiten beim Bürgergeld für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte


Beim Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 2 gelten ergänzend folgende Maßgaben:1.Als Regelbedarf wird bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 6, vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahre

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 2 Grundsatz des Forderns


(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person mu

Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG | § 11 Umfang der Ausbildungsförderung


(1) Ausbildungsförderung wird für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet (Bedarf). (2) Auf den Bedarf sind nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Einkommen und Vermögen des Auszubildenden sowie Einkommen seines Ehegatten oder Lebenspar

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 11a Nicht zu berücksichtigendes Einkommen


(1) Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind1.Leistungen nach diesem Buch,2.die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen,3.die Renten oder Beihilfen,

Bundeskindergeldgesetz - BKGG 1996 | § 6a Kinderzuschlag


(1) Personen erhalten für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn1.sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des E

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 3 Leistungsgrundsätze


(1) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit können erbracht werden, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Eingliederung erforderlich sind. Bei den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 30 Berechtigte Selbsthilfe


Geht die leistungsberechtigte Person durch Zahlung an Anbieter in Vorleistung, ist der kommunale Träger zur Übernahme der berücksichtigungsfähigen Aufwendungen verpflichtet, soweit1.unbeschadet des Satzes 2 die Voraussetzungen einer Leistungsgewährun

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 10 Zumutbarkeit


(1) Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass1.sie zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist,2.die Ausübung der Arbeit die künftige Ausübung der bisherigen übe

Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG | § 1 Grundsatz


Auf individuelle Ausbildungsförderung besteht für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung ein Rechtsanspruch nach Maßgabe dieses Gesetzes, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlic

Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG | § 10 Verhältnis zu anderen Sozialleistungen


(1) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen bleiben bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300

Bürgergeld-Verordnung - AlgIIV 2008 | § 6 Pauschbeträge für vom Einkommen abzusetzende Beträge


(1) Als Pauschbeträge sind abzusetzen 1. von dem Einkommen volljähriger Leistungsberechtigter ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, d

Wohngeldgesetz - WoGG | § 1 Zweck des Wohngeldes


(1) Das Wohngeld dient der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens. (2) Das Wohngeld wird als Zuschuss zur Miete (Mietzuschuss) oder zur Belastung (Lastenzuschuss) für den selbst genutzten Wohnraum geleistet.

Bürgergeld-Verordnung - AlgIIV 2008 | § 1 Nicht als Einkommen zu berücksichtigende Einnahmen


(1) Außer den in § 11a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Einnahmen sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen:1.Einnahmen, wenn sie innerhalb eines Kalendermonats 10 Euro nicht übersteigen,2.(weggefallen)3.Einnahmen aus Kapitalvermögen,

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 12a Vorrangige Leistungen


Leistungsberechtigte sind verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich i

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Bundessozialgericht Urteil, 01. Dez. 2016 - B 14 AS 28/15 R zitiert oder wird zitiert von 23 Urteil(en).

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 16. Mai 2019 - L 11 AS 932/18

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Tenor I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.09.2018 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 06.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2018 abgewiesen. II

Sozialgericht München Urteil, 04. Mai 2018 - S 46 EG 25/17 BG

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 28. März 2018 - L 11 AS 620/16

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Tenor I. Ziffer I. des Tenors des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.08.2016 wird zur Klarstellung dahingehend abgeändert, dass der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2015 in der Gestalt des Widerspr

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 28. März 2018 - L 11 AS 52/16

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Tenor I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.10.2015 wird zurückgewiesen. II. Der Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. I

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(1) Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1 800 Euro monatlich für volle Lebensmonate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus

1.
nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Einkommensteuergesetzes sowie
2.
Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes,
die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b oder in Lebensmonaten der Bezugszeit nach § 2 Absatz 3 hat.

(2) In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1 000 Euro war, erhöht sich der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 000 Euro unterschreitet, auf bis zu 100 Prozent. In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1 200 Euro war, sinkt der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 200 Euro überschreitet, auf bis zu 65 Prozent.

(3) Für Lebensmonate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat, das durchschnittlich geringer ist als das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, wird Elterngeld in Höhe des nach Absatz 1 oder 2 maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt ist dabei höchstens der Betrag von 2 770 Euro anzusetzen. Der Unterschiedsbetrag nach Satz 1 ist für das Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Lebensmonaten, in denen die berechtigte Person Basiselterngeld in Anspruch nimmt, und in Lebensmonaten, in denen sie Elterngeld Plus im Sinne des § 4a Absatz 2 in Anspruch nimmt, getrennt zu berechnen.

(4) Elterngeld wird mindestens in Höhe von 300 Euro gezahlt. Dies gilt auch, wenn die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat.

(1) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen bleiben bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt.

(2) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen dürfen bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(3) Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, bleibt das Elterngeld nur bis zur Hälfte des Anrechnungsfreibetrags, der nach Abzug der anderen nach Absatz 1 nicht zu berücksichtigenden Einnahmen für das Elterngeld verbleibt, als Einkommen unberücksichtigt und darf nur bis zu dieser Höhe nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(4) Die nach den Absätzen 1 bis 3 nicht zu berücksichtigenden oder nicht heranzuziehenden Beträge vervielfachen sich bei Mehrlingsgeburten mit der Zahl der geborenen Kinder.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bei den in Satz 1 bezeichneten Leistungen bleiben das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf das Elterngeld angerechneten Einnahmen in Höhe des nach § 2 Absatz 1 berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, verringern sich die Beträge nach Satz 2 um die Hälfte. Abweichend von Satz 2 bleibt Mutterschaftsgeld gemäß § 19 des Mutterschutzgesetzes in voller Höhe unberücksichtigt.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend, soweit für eine Sozialleistung ein Kostenbeitrag erhoben werden kann, der einkommensabhängig ist.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Über die Erbringung von Geldleistungen kann vorläufig entschieden werden, wenn

1.
die Vereinbarkeit einer Vorschrift dieses Buches, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesverfassungsgericht oder dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist,
2.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Gegenstand eines Verfahrens beim Bundessozialgericht ist oder
3.
zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat.
Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind anzugeben. In den Fällen des Satzes 1 Nr. 3 ist auf Antrag vorläufig zu entscheiden.

(2) Eine vorläufige Entscheidung ist nur auf Antrag der berechtigten Person für endgültig zu erklären, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist.

(3) Auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen sind auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten; auf Grund einer vorläufigen Entscheidung erbrachtes Kurzarbeitergeld und Wintergeld ist vom Arbeitgeber zurückzuzahlen.

(4) Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 und 3, Absatz 2 sowie Absatz 3 Satz 1 und 2 sind für die Erstattung von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung entsprechend anwendbar.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11. Juni 2014 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 13. April 2011 zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen drei Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Aufhebung und Rückforderung vorläufig bewilligter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

2

Die 1980 geborene Klägerin lebt nach kurz vorher erfolgter Trennung von ihrem Ehemann seit dem 1.11.2009 mit ihren 2001 und 2005 geborenen Söhnen (den Klägern zu 2 und 3) in einer gemeinsamen Wohnung. Auf ihren Antrag bewilligte das beklagte Jobcenter den Klägern unter Berücksichtigung eines Erwerbseinkommens der Klägerin in Höhe von monatlich 198 Euro sowie des Kindergeldes für November 2009 bis April 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1093,11 Euro (Bescheid vom 11.11.2009). Die Bewilligung erfolgte ausdrücklich vorläufig, weil im Hinblick sowohl auf das Einkommen der Klägerin wie zur ausstehenden Unterhaltsregelung mit dem Vater der Kläger über den Anspruch nicht abschließend entschieden werden könne.

3

Auf Vorlage von Bescheinigungen über das Einkommen der Klägerin für September 2009 bis März 2010 sowie über den ab November 2009 gezahlten Unterhalt erließ der Beklagte nach Anhörung der Klägerin einen an sie adressierten Bescheid, nach dem der Bewilligungsbescheid vom 11.11.2009 gestützt auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) für die Zeit vom 1.11.2009 bis 30.4.2010 "teilweise in Höhe von 2450,55 Euro aufgehoben" werde und die zu Unrecht erbrachten Leistungen nach § 50 SGB X zu erstatten seien(Bescheid vom 1.7.2010). Den Widerspruch hiergegen wies er zurück: Wegen der nachträglichen Einkommenserzielung könne die Aufhebung verschuldensunabhängig auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X gestützt werden. Einer besonderen Ermächtigungsgrundlage dafür bedürfe es nicht, da sich ein Leistungsempfänger bei Bewilligung vorläufiger Leistungen nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Ergehe eine Aufhebung anstatt einer endgültigen Regelung, so habe dies lediglich klarstellende Wirkung (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2010).

4

Das Sozialgericht (SG) hat den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben, weil der Rückforderungsanspruch gegenüber den einzelnen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft nicht individuell bezeichnet und die Teilaufhebung daher rechtswidrig sei (Gerichtsbescheid vom 13.4.2011). Das Landessozialgericht (LSG) hat den Gerichtsbescheid auf Berufung des Beklagten aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 11.6.2014): Die Bestimmtheitsanforderungen seien gewahrt, da die Kinder hinreichend deutlich als Regelungsadressaten einbezogen seien. Dass der Bescheid auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X anstatt auf § 328 Abs 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gestützt sei, stelle einen bloßen Begründungsmangel dar, der unschädlich sei. Diese Rechtsgrundlagen seien austauschbar, weil die Korrektur vorläufiger Bewilligungen gegenüber § 48 SGB X geringere (nämlich keine) Anforderungen an den Vertrauensschutz stellten, ebenfalls keine Ermessensausübung erforderten und die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt seien. Ergehe auf einen vorläufigen Bescheid nach Vorlage der maßgeblichen Unterlagen ein Bescheid mit neuer Berechnung im Hinblick auf die bisher ungeklärten Punkte und ohne Hinweis auf eine noch erfolgende abschließende Entscheidung, so müsse der Leistungsempfänger dies als endgültige Leistungsfestsetzung ansehen.

5

Mit ihren Revisionen rügen die Kläger die Verletzung von § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II in der damals geltenden Fassung iVm § 328 SGB III. Nach Vorlage der ursprünglich fehlenden Unterlagen hätte der Beklagte die Leistungen endgültig festsetzen müssen. Das lasse der angefochtene Bescheid für die im Streit stehenden Monate nicht erkennen.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11.6.2014 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 13.4.2011 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässigen Revisionen sind begründet. Zu Unrecht hat das LSG entschieden, dass der angefochtene Bescheid vom 1.7.2010 den Anforderungen an die abschließende Entscheidung über einen zunächst nur vorläufig zuerkannten Leistungsanspruch genügt.

9

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 1.7.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2010, mit dem der Beklagte die durch Bescheid vom 11.11.2009 für die Zeit vom 22.10.2009 bis 30.4.2010 erteilte vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wegen des Zuflusses höheren Einkommens für die Monate November 2009 bis April 2010 "teilweise in Höhe von 2450,55 Euro aufgehoben" und eine Erstattungsforderung in entsprechender Höhe festgesetzt hat. Hiergegen wenden sich die Kläger zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 1. Alt Sozialgerichtsgesetz ).

10

2. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Insbesondere fehlt es entgegen der Auffassung des Beklagten an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklagen nicht deshalb, weil die Kläger im Erfolgsfall mit einer ihnen ebenso nachteiligen abschließenden Entscheidung nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II(in der bis zum 31.3.2011 unverändert fortgeltenden Fassung des Gesetzes zur Neufassung der Freibetragsregelungen für erwerbsfähige Hilfebedürftige vom 14.8.2005, BGBl I 2407; im Folgenden: § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF) iVm § 328 Abs 3 Satz 2 Halbs 1 SGB III(idF des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 24.3.1977, BGBl I 594) zu rechnen haben könnten. Auf einen solchen möglichen weiteren Geschehensablauf kommt es nicht an. Entscheidend ist allein, ob die statthaften Klagen gegen den Änderungs- und Erstattungsbescheid ausnahmsweise deshalb unzulässig sind, weil die Klagen selbst im Falle ihres Erfolgs für die Kläger keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen können, die begehrte gerichtliche Entscheidung ihre Stellung also weder gegenwärtig noch zukünftig verbessern würde (vgl etwa BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 8 SO 24/10 R -, NZS 2012, 798 RdNr 10 mwN). So liegt es hier ersichtlich nicht, weil eine Beseitigung des angefochtenen Änderungs- und Erstattungsbescheids die Rechtsstellung der Kläger jedenfalls zunächst verbessert. Ob sie schließlich im Ergebnis auf anderem Wege dennoch zur Erstattung vorläufig erbrachter Leistungen heranzuziehen sind, ist im hier zu entscheidenden Rechtsstreit nur im Rahmen der Umdeutungsvoraussetzungen des § 43 SGB X beachtlich(dazu unter 7 c). Liegen sie - wie hier - nicht vor, kommt es auf ein etwaiges künftiges Alternativverhalten der beklagten Behörde unter Rechtsschutzgesichtspunkten nicht an.

11

3. Auch in der Sache haben die Revisionen Erfolg. Zwar sind die angefochtenen Entscheidungen entgegen der Auffassung des SG formell nicht zu beanstanden (dazu nachfolgend 4. und 5.). Nach Wegfall der Voraussetzungen für die zunächst nur vorläufige Bewilligung der existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II gemäß § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III(in der bis zum 31.3.2012 unveränderten Fassung des AFRG; im Folgenden: § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III aF)hatte der Beklagte jedoch anstelle des auf § 48 SGB X gestützten Änderungsbescheids eine endgültige Bewilligungsentscheidung nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III zu treffen, woran es hier fehlt(dazu 6. bis 7.). Demgemäß hat auch die angefochtene Erstattungsverfügung keine Grundlage (dazu unter 8.).

12

4. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass sich die angegriffenen Verfügungen nicht deshalb als formell rechtswidrig erweisen, weil die Kläger zu ihren Voraussetzungen nicht gemäß § 24 Abs 1 SGB X ordnungsgemäß angehört worden sind. Ohne Bedeutung hierfür ist, ob der Beklagte insoweit von zutreffenden rechtlichen Vorstellungen ausgegangen ist. Denn bezüglich der Frage, ob ein Anhörungsfehler vorliegt, ist von der materiell-rechtlichen Rechtsansicht der handelnden Verwaltungsbehörde auszugehen, mag sie auch falsch sein (vgl BSG Urteil vom 26.9.1991 - 4 RK 4/91 - BSGE 69, 247, 252 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 S 9 f; zuletzt etwa BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 21).

13

Ausreichend war es daher, den Klägern die Gelegenheit zu geben, sich zu den aus Sicht des Beklagten erheblichen Tatsachen für die Änderung der mit Bescheid vom 11.11.2009 vorläufig bewilligten Leistungen zu äußern (zu den Anforderungen insoweit vgl nur BSG Urteil vom 26.9.1991 - aaO S 251 f bzw S 9; zuletzt etwa BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - BSGE 114, 188 = SozR 4-4200 § 11 Nr 62, RdNr 14 sowie BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 30, jeweils mwN). Dem ist der Beklagte mindestens durch die Übersendung von Berechnungsbögen nachgekommen, mit dem er auf die Bitte der Klägerin reagierte, die im Anhörungsschreiben vom 29.4.2010 aufgeführte Überzahlung näher zu erläutern.

14

5. Zu Recht hat das LSG den angefochtenen Bescheid entgegen der Auffassung des SG auch als inhaltlich hinreichend bestimmt angesehen (§ 33 Abs 1 SGB X).

15

Zwar ist das SG im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass das Bestimmtheitserfordernis bei der Korrektur einer Bewilligungsentscheidung gegenüber einer Mehrheit von Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II unter Berücksichtigung der Besonderheiten des hierfür geltenden materiellen Rechts (vgl dazu BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 8 SO 2/09 R - SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 11; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16)nur gewahrt ist, wenn sich ihm hinreichend klar entnehmen lässt, an welche Mitglieder der Korrekturbescheid adressiert und wer Verpflichteter der entsprechenden Erstattungsforderung ist (stRspr; vgl etwa BSG Urteil vom 16.5.2012 ebenda; BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31 ff; zu den Bestimmtheitsanforderungen im Ganzen vgl zuletzt etwa BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 30 mwN). Jedoch hat der erkennende Senat es dafür ausreichen lassen, wenn ein eine Bedarfsgemeinschaft zwischen Elternteil und minderjährigem Kind betreffender Änderungsbescheid zwar nur gegenüber dem Elternteil ergeht, jedoch zum einen mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen ist, dass der zurückzuzahlende Gesamtbetrag das Ergebnis einer Addition von insgesamt mehreren, an die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gerichteten Korrekturentscheidungen ist, und dass zum anderen auch durch den Hinweis auf die gesetzliche Vertretung des Kindes ersichtlich wird, dass der Elternteil nicht (Gesamt-)Schuldner der Rückforderungssumme ist (Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31 ff).

16

Hieran gemessen ist die Adressierung des angefochtenen Bescheids allein an die Klägerin unschädlich, weil sich auch hier einleitend der Hinweis findet, dass die Leistungen in dem geänderten Ausgangsbescheid für die Klägerin und ihre Söhne bewilligt worden sind, die im Einzelnen aufgeführten Korrekturbeträge zwischen den drei Klägern unterscheiden und schließlich ebenfalls die Wendung gebraucht ist "Soweit der Bescheid Ihre Kinder betrifft, ergeht er an Sie als gesetzlichen Vertreter."

17

6. In der Sache beurteilt sich die Rechtmäßigkeit der geänderten Leistungsbewilligung ausschließlich an den für die abschließende Entscheidung nach vorangegangener vorläufiger Bewilligung maßgebenden Vorschriften des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 SGB III. Keine Grundlage findet sie dagegen in den für die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse einschlägigen Bestimmungen von § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II(idF des Freibetragsneuregelungsgesetzes; im Folgenden: § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II aF) iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III(idF des AFRG) sowie § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X; insoweit ist dem LSG nicht zu folgen.

18

a) Nach der Verweisungsnorm des § 40 SGB II sind für das Verfahren nach dem SGB II ua die Vorschriften des § 328 SGB III über die vorläufige Entscheidung entsprechend anwendbar(Abs 1 Satz 2 Nr 1a). Hiernach kann über die Erbringung von Geldleistungen ua dann vorläufig entschieden werden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs eines Arbeitnehmers auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat (§ 328 Abs 1 Nr 3 SGB III aF). Im Hinblick auf die endgültige Leistungsbewilligung gilt sodann zunächst: "Eine vorläufige Entscheidung ist nur auf Antrag des Berechtigten für endgültig zu erklären, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist" (§ 328 Abs 2 SGB III aF). Weiter ist bestimmt: "Auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen sind auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten" (§ 328 Abs 3 Satz 1 und 2 Halbsatz 1 SGB III idF des AFRG bzw des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes vom 16.12.1997, BGBl I 2970 ).

19

b) Zutreffend hat hiernach der Beklagte im Hinblick auf das teilweise noch ungeklärte Einkommen der Kläger mindestens wegen der noch nicht feststehenden Höhe der Unterhaltszahlungen für die Kläger zu 2) und 3) nach erst kurz zuvor erfolgter Trennung der Klägerin von ihrem Ehemann und dem Vater ihrer Söhne über den geltend gemachten Leistungsanspruch durch Bescheid vom 11.11.2009 zunächst (nur) im Wege der vorläufigen Entscheidung nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III aF befunden. Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits mehrfach entschieden hat, ist der Erlass eines endgültigen Bescheides kein taugliches Instrumentarium in Fällen, in denen objektiv nur die Möglichkeit einer prospektiven Schätzung insbesondere der Einkommenssituation besteht. Dies ist Folge der grundsätzlichen Verpflichtung der Verwaltung, vor Erlass eines Bescheides die Sachlage vollständig aufzuklären, um die objektiven Verhältnisse festzustellen (vgl BSG Urteil vom 2.6.2004 - B 7 AL 58/03 R - BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1, RdNr 6 mwN). Erlässt sie einen endgültigen Bescheid auf Grundlage eines nicht endgültig aufgeklärten Sachverhalts und stellt sich später heraus, dass der Bescheid bereits im Zeitpunkt des Erlasses objektiv rechtswidrig war, ist ein Fall des § 45 SGB X gegeben. Dies gilt unabhängig davon, zu welchen Ermittlungen sich die Verwaltung aufgrund der Angaben des Antragstellers vor Erlass des Ausgangsverwaltungsakts gedrängt sehen musste (vgl bereits BSG Urteil vom 25.6.1998 - B 7 AL 2/98 R - BSGE 82, 198, 209 f = SozR 3-4100 § 242v Nr 1 S 14 f; BSG Urteil vom 2.6.2004 aaO; BSG vom 21.6.2011 - B 4 AS 21/10 R - BSGE 108, 258 = SozR 4-4200 § 11 Nr 39, RdNr 16; BSG, Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 17 f).

20

Hiernach hat der Beklagte jedenfalls die Ungewissheit über die Höhe der künftigen Unterhaltszahlungen zu Recht zum Anlass genommen, von einer endgültigen Entscheidung über den von den Klägern geltend gemachten Leistungsanspruch vorerst abzusehen und mit ihr bis zur Vorlage der angeforderten Unterlagen abzuwarten.

21

c) Nach deren Vorlage hatte der Beklagte gemäß § 328 SGB III iVm § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift eine abschließende Entscheidung über das streitbefangene Leistungsbegehren zu treffen und durfte sich nicht lediglich auf eine (fortschreibende) Änderung der vorläufigen Bewilligung beschränken.

22

Bereits die Wendung "kann vorläufig entschieden werden, wenn" (§ 328 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB III) verweist darauf, dass Bewilligungen nach § 328 Abs 1 Satz 1 SGB III aF ausschließlich auf eine Zwischenlösung zielen und demgemäß auf die Ersetzung durch eine endgültige Entscheidung nach Wegfall der Vorläufigkeitsvoraussetzungen nach § 328 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB III angelegt sind. Entsprechend unterscheidet die Norm in der Anrechnungsregelung des Abs 3 Satz 1 zwischen den "auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte(n) Leistungen" und der "zustehende(n) Leistung". Ebenso wird in der Vorgabe für die Überzahlungsfälle explizit Bezug genommen auf den mit der "abschließenden Entscheidung" zuzuerkennenden Leistungsanspruch (Satz 2 Halbsatz 1). Dass deshalb jedenfalls bei Änderungen gegenüber den ursprünglich zugrunde gelegten Annahmen ein von Amts wegen zu beachtender verfahrensrechtlicher Anspruch auf eine die Leistungen endgültig zuerkennende Bewilligung besteht, folgt schließlich mittelbar aus § 328 Abs 2 SGB III aF, wonach eine vorläufige Entscheidung nur auf Antrag des Berechtigten für endgültig zu erklären ist, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist(ebenso Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, § 328 RdNr 83, Stand März 2015).

23

Auch Sinn und Zweck von § 328 SGB III gebieten, jedenfalls in den Fällen des § 328 Abs 3 SGB III die vorläufige Leistungsbewilligung nach Wegfall der Gründe für die nur vorläufige Bescheidung des Leistungsbegehrens durch eine endgültige Entscheidung zu ersetzen. Vorläufigen Entscheidungen nach dem Sozialgesetzbuch (vgl etwa auch § 42 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) kommt nach Zweck und Bindungswirkung allein die Funktion zu, eine (Zwischen-)Regelung bis zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage zu treffen. Vorläufig bewilligte Leistungen sind daher als aliud gegenüber endgültigen Leistungen anzusehen, deren Bewilligung keine Bindungswirkung für die endgültige Leistung entfaltet (stRspr; vgl bereits etwa BSG Urteil vom 31.8.1983 - 2 RU 80/82 - BSGE 55, 287, 290 f = SozR 1200 § 42 Nr 2 S 3 f; BSG Urteil vom 31.5.1989 - 4 RA 19/88 - SozR 1200 § 42 Nr 4 S 14; BSG Urteil vom 12.5.1992 - 2 RU 7/92 - SozR 3-1200 § 42 Nr 2 S 4 f; BSG Urteil vom 9.5.1996 - 7 RAr 36/95 - SozR 3-4100 § 112 Nr 28 S 127; BSG Urteil vom 16.6.1999 - B 9 V 13/98 R - SozR 3-1200 § 42 Nr 8 S 25; zuletzt BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr 21, RdNr 20; ebenso Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, K § 328 RdNr 63, Stand Mai 2012; modifiziert Greiser in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 5 f, 48, Stand Februar 2013: keine Bindungswirkung nur, soweit Vorläufigkeit reicht).

24

Folgerichtig können Leistungsbezieher nach § 328 Abs 2 SGB III aF schon dann nicht darauf verwiesen werden, auf eine endgültige Entscheidung über den erhobenen Anspruch zu verzichten, wenn keine Änderung gegenüber den ursprünglichen Annahmen eingetreten ist. Umso mehr muss dies gelten für Adressaten vorläufiger Bescheide, bei denen abschließend neue Umstände zu berücksichtigen sind. Zur Beseitigung der Unklarheit über die Höhe der ihnen endgültig zustehenden Leistungen ist deshalb von Amts wegen notwendig eine das Verwaltungsverfahren auf den ursprünglichen Leistungsantrag abschließende Entscheidung (vgl § 8 SGB X) nach Maßgabe von § 328 Abs 3 Satz 1 sowie ggfs Satz 2 Halbsatz 1 SGB III zu treffen(ebenso zur einstweiligen Gewährung von Altersruhegeld BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 109 f = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; zu § 42 SGB I BSG Urteil vom 9.5.1996 - 7 RAr 36/95 - SozR 3-4100 § 112 Nr 28 S 127: vorläufiger Bescheid ist von vornherein auf Ersetzung durch endgültigen Bescheid angelegt; ebenso Eicher/Greiser in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 40 RdNr 54; Aubel in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 40 RdNr 72; Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, § 328 RdNr 75, Stand März 2015; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, K § 328 RdNr 133, Stand Mai 2012; Greiser in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 5, Stand Februar 2013).

25

d) Als in diesem Sinne abschließende Entscheidung über das zunächst nur vorläufig beschiedene Leistungsbegehren genügt die Regelungswirkung eines bloßen Änderungsbescheids nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X nicht(zur Auslegung der Entscheidung hier sogleich unter 7.). Dabei kann offenbleiben, ob die §§ 44 ff SGB X im Anwendungsbereich von § 328 SGB III generell verdrängt sind oder ob die Korrektur vorläufiger Bewilligungen partiell auch auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 44 ff SGB X zu stützen und im Hinblick auf Vertrauensschutz an ihnen zu messen sein kann(vgl dazu einerseits etwa Greiser in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 60 mit RdNr 47 ff, Stand Februar 2013; Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, § 328 RdNr 73 f, Stand März 2015; skeptisch Düe in Brand, SGB III, 6. Aufl 2012, § 328 RdNr 8 ff; ablehnend Schaumberg in jurisPK-SGB III, 1. Aufl 2014, § 335 RdNr 67: § 328 SGB III verdrängt die §§ 44 ff SGB X; ebenso wohl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, K § 328 RdNr 37, Stand Mai 2012).

26

Denn ungeachtet dessen genügt den Anforderungen an eine iS von § 328 Abs 3 SGB III "abschließende Entscheidung" nur ein Bescheid, der den ursprünglichen Vorläufigkeitsvorbehalt aufhebt und die begehrte Leistung als die "zustehende Leistung" endgültig zuerkennt, was mit einem Änderungsbescheid nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X regelmäßig nicht zum Ausdruck gebracht wird. Nicht entscheidend für die hier maßgebende Rechtsgrundlage ist deshalb, ob der vorläufigen Entscheidung ein (noch) geringeres Maß an Vertrauensschutz zukommt als er durch § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X vermittelt wird, worauf das LSG abgestellt hat. Maßgebend für die vorliegend zu treffende Entscheidung ist vielmehr, ob auch für jeden Außenstehenden kein Zweifel über die nunmehr endgültige Bindungswirkung der abschließenden Entscheidung bestehen kann; andernfalls wäre dem Schutzzweck der endgültigen Bewilligung im Hinblick auf ihre Funktion für den Vertrauensschutz insbesondere nach den §§ 45 und 48 SGB X nicht genügt.

27

7. Die hieraus sich ergebenden Anforderungen an die endgültige Bewilligung der den Klägern im streitbefangenen Zeitraum zustehenden Leistungen wahrt der angefochtene "Aufhebungs-" bescheid vom 1.7.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids nicht (zur Befugnis seiner Auslegung auch durch das Revisionsgericht vgl etwa BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 12 mwN).

28

a) Ausdrücklich enthält der Bescheid eine abschließende Regelung nicht; dem Wortlaut nach beschränken sich die Verfügungssätze darauf, dass die erteilte Bewilligung teilweise "aufgehoben" und eine entsprechende Erstattungsforderung festgesetzt wird. Das kann entgegen der Auffassung des LSG auch nicht im Wege der Auslegung dahin verstanden werden, dass für den fraglichen Zeitraum nunmehr endgültig Leistungen in bestimmter Höhe bewilligt worden sind. Zwar geht es im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass für die Auslegung nicht allein auf den Wortlaut der Verfügungssätze abzustellen ist, sondern auch auf alle weiteren Umstände, die nach dem Empfängerhorizont für dessen Verständnis maßgebend sind. Ausreichend ist danach, wenn aus dem gesamten Inhalt eines Bescheids einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung hinreichende Klarheit über die Regelung gewonnen werden kann, auch wenn dazu auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (stRspr; vgl etwa BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 26).

29

b) Auch nach diesem Maßstab kann indes dem angefochtenen Bescheid unter Berücksichtigung der aufgezeigten Besonderheiten im Verhältnis zwischen vorläufiger und endgültiger Regelung nach § 328 SGB III keine Regelung des Inhalts entnommen werden, dass den Klägern nunmehr endgültige Leistungen zuerkannt worden sind. Nicht ausreichend hierfür ist, dass der Beklagte mit dem Bescheid eine endgültige Entscheidung über den Bewilligungszeitraum vom 22.10.2009 bis zum 30.4.2010 herbeiführen wollte. Dafür bedürfte es zumindest irgend eines Anhaltspunktes in einem Verfügungssatz oder zumindest in der Begründung der Entscheidung, der eine solche Bindungswirkung zu entnehmen sein könnte, woran es hier fehlt. Den einzig möglichen Hinweis hierauf könnte ein Verweis auf eine im Widerspruchsbescheid bezeichnete Entscheidung des LSG in einem Eilverfahren bieten, wonach es unschädlich sei, wenn anstatt einer endgültigen Regelung eine "Aufhebung" erfolge (Verweis auf L 13 AS 118/09 B ER). Da den Klägern der nähere Inhalt dieser Entscheidung nicht bekannt ist, kann auch daraus indes nicht zweifelsfrei darauf geschlossen werden, dass mit der angefochtenen Entscheidung eine endgültige Leistungsbewilligung iS von § 328 Abs 3 Satz 2 SGB III getroffen sein sollte.

30

c) Aus diesen Gründen kommt auch eine Umdeutung in einen endgültigen Leistungsbescheid nicht in Betracht. Die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt setzt nach § 43 Abs 1 SGB X voraus, dass der Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig erlassen werden konnte und die Voraussetzungen für den Erlass dieses Verwaltungsaktes erfüllt sind. Das könnte hier nur angenommen werden, wenn dem streitbefangenen Bescheid in einer den aufgezeigten Grundsätzen genügenden Weise entnommen werden könnte, dass nunmehr eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch der Kläger im streitbefangenen Zeitraum getroffen werden sollte. Daran fehlt es indes gerade.

31

8. Mangels einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden abschließenden Entscheidung über den Leistungsanspruch der Kläger iS von § 328 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III fehlt es schließlich an einer hinreichenden Grundlage für die festgesetzte Erstattungsforderung. Voraussetzung für sie ist, dass mit der endgültigen Entscheidung "ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt" worden ist. Ohne eine solche Entscheidung kann der streitbefangene Bescheid auch hinsichtlich der Erstattung selbst dann keinen Bestand haben, wenn deren Höhe zutreffend bestimmt sein sollte.

32

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. September 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 30.6.2011 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung.

2

Bei dem 1962 geborenen, nicht erwerbstätigen Kläger ist ein Grad der Behinderung von 80 vH festgestellt. Er bezieht seit 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende von dem beklagten Jobcenter und lebte im streitgegenständlichen Zeitraum mit seiner 1964 geborenen erwerbsfähigen Lebensgefährtin E. in einer Wohnung. Weder der Kläger noch die E. verfügten im streitgegenständlichen Zeitraum über Einkommen oder zu berücksichtigendes Vermögen. Der Kläger litt an einer psychischen Zwangsstörung, aufgrund derer er ein bestimmtes Ernährungsverhalten entwickelt hatte. Er nahm weitgehend einzelne Bioprodukte von bestimmten Herstellern nach einem individuellen Vorkostverfahren zu sich. Seinen wesentlichen Energiebedarf deckte er durch mit "Kaba" angerührte Milch. Körperliche Nahrungsmittelunverträglichkeiten ließen sich nicht feststellen.

3

Nachdem der Beklagte dem Kläger seit 2005 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 25,56 Euro monatlich gezahlt hatte, war ein solcher in der Leistungsbewilligung ab 1.1.2011 bis zum 30.6.2011 nicht mehr enthalten (Bescheid vom 29.11.2010). Schon vorher hatte der Kläger einen Befundbericht des Chefarztes Dr. M. vom 6.7.2010 vorgelegt, mit dem ihm ein "komplexes Krankheitsbild mit ausgeprägter Chronifizierungstendenz" und eine "Multiple Chemical Sensitivity" (MCS) bescheinigt wurden. Der von dem Beklagten um gutachterliche Äußerung ersuchte Ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit erkannte in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 7.9.2010 keinen medizinisch begründeten Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung. Mit Änderungsbescheid vom 26.3.2011 bewilligte der Beklagte für den Leistungszeitraum wegen Erhöhung der Regelbedarfe jeweils um 5 Euro höhere Leistungen für den Kläger und E. Mit Bescheid vom 15.9.2011 berücksichtigte der Beklagte aufgrund einer einstweiligen Anordnung des SG Kiel einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 18,20 Euro.

4

Den Widerspruch des Klägers gegen den ursprünglichen Bescheid vom 29.11.2010 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.6.2011 unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit zurück. Der Kläger hat daraufhin seine bereits am 6.6.2011 beim SG erhobene Untätigkeitsklage in eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage umgestellt und ausgeführt, im streitgegenständlichen Zeitraum habe er einen durchschnittlichen monatlichen Bedarf an Nahrungsmitteln in Höhe von 292 Euro gehabt, der durch entsprechende Einkaufslisten belegt sei.

5

Das SG hat nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M.-L. und einer Auskunft der Verbraucherzentrale S. den Beklagten unter Änderung seiner Bescheide verurteilt, dem Kläger wegen eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs von insgesamt 42,82 Euro monatlich weitere Leistungen für die strittige Zeit zu zahlen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 23.7.2012). Der Kläger könne aufgrund seiner Erkrankung nur bestimmte Lebensmittel zu sich nehmen und es sei nicht möglich, dies kurzfristig zu ändern. Die nur vom Kläger eingelegte Berufung, mit der er einen Mehrbedarf von insgesamt 180 Euro monatlich begehrt, hat das Schleswig-Holsteinische LSG zurückgewiesen (Urteil vom 22.9.2014). Der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der gesundheitlichen Beeinträchtigung und der Notwendigkeit, sich in bestimmter Weise zu ernähren, sei bei einer Zwangserkrankung nicht herstellbar. Ob andere Erkrankungen oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten einen höheren Mehrbedarf rechtfertigen würden, könne nicht entschieden werden. Aufgrund der gutachterlichen Ausführungen lasse sich keine bestimmte Kostform ermitteln, die der Kläger zur Vermeidung negativer organischer Reaktionen einhalten müsse. Eine weitere Sachverhaltsermittlung sei nicht möglich, da der Kläger jegliche Untersuchung verweigere.

6

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 21 Abs 5 SGB II. Das LSG habe in unzulässiger Weise zwischen physischen und psychischen Erkrankungen differenziert. Im Übrigen verhüte die besondere Ernährung auch bei ihm eine Verschlimmerung seiner Krankheit, sodass es sich um medizinisch begründete Kosten handele, die in Höhe des geltend gemachten Mehrbedarfs zu zahlen seien.

7

Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. September 2014 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 23. Juli 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. September 2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm weiteres Arbeitslosengeld II in Höhe von 137,18 Euro pro Monat vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2011 zu zahlen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 SGG). Er hat keinen Anspruch auf weiteres Arbeitslosengeld II (Alg II) wegen eines höheren Mehrbedarfs.

10

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die beiden vorinstanzlichen Urteile sowie der Bescheid des Beklagten vom 15.9.2011, mit dem der Bescheid vom 29.11.2010 und der Änderungsbescheid vom 26.3.2011, der auf die Erhöhung der Regelbedarfe zu Beginn des Jahres 2011 reagierte, sowie der Widerspruchsbescheid vom 28.6.2011 ersetzt und das höchste Alg II für die hier allein streitgegenständliche Zeit vom 1.1.2011 bis zum 30.6.2011 bewilligt wurde (§ 39 Abs 2 SGB X, §§ 86, 96 SGG). In der Sache begehrt der Kläger höheres Alg II unter Berücksichtigung eines über den vom SG ausgeurteilten Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 42,82 Euro hinausgehenden Betrag von insgesamt 180 Euro, also von 137,18 Euro monatlich.

11

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel sind nicht zu erkennen. Der Kläger hat seine zunächst statthaft erhobene Untätigkeitsklage (§ 88 Abs 2 SGG) nach Erteilung des Widerspruchsbescheids vom 28.6.2011 in zulässiger Weise in eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG) umgestellt. Soweit der Kläger sinngemäß einen Verfahrensfehler in Form eines Verstoßes gegen Denkgesetze rügt, ist insoweit ein Verfahrensmangel zu verneinen, denn es fehlt an Tatsachen, aus denen nur eine Folgerung gezogen werden kann, die das LSG als allein denkbare Folgerung nicht gezogen hat (siehe ausführlich Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX. Kap, RdNr 334; vgl auch BSG SozR Nr 47 zu § 164 SGG; BSG SozR 1500 § 164 Nr 31).

12

3. Rechtsgrundlagen für das vom Kläger begehrte höhere Alg II sind §§ 7 und 19 ff SGB II(in der durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 idF der Neubekanntmachung vom 13.5.2011 rückwirkend zum 1.1.2011 erfolgten Anpassung). Ob der Kläger die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II für den Bezug von Alg II alle erfüllt - das LSG hat Zweifel daran geäußert, ob er nach Maßgabe des § 8 Abs 1 SGB II als erwerbsfähig angesehen werden könne -, kann dahingestellt bleiben, weil er zumindest keinen Anspruch auf höhere Leistungen hat.

13

Denn sein Regelbedarf (§ 20 Abs 4 SGB II)wurde zutreffend ermittelt und die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung wurde kopfteilig in voller Höhe übernommen (§ 22 SGB II). Die Voraussetzungen für weitere Ansprüche, insbesondere einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II(dazu 4.) oder einen Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB II(dazu 5.) sind nicht zu erkennen, zumal das SG ihm einen weiteren Betrag von 42,82 Euro wegen eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung monatlich zugesprochen hat, gegen den der Beklagte keine Berufung eingelegt hat.

14

4. Dem Kläger steht kein höheres Alg II unter Berücksichtigung eines höheren Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 21 Abs 5 SGB II zu. Nach dieser Vorschrift wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

15

Ausgehend von der Konkretisierung des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in Relation zum Regelbedarf ist kostenaufwändiger iS des § 21 Abs 5 SGB II eine Ernährung, die von dem im Regelbedarf umfassten typisierten Bedarf abweicht und von diesem nicht gedeckt wird(BSG Urteil vom 20.2.2014 - B 14 AS 65/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 17 RdNr 19 mwN). Voraussetzung für diesen Mehrbedarf ist ein medizinisch begründetes besonderes Ernährungsbedürfnis (BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 12). Ein solches liegt vor, wenn mit der Regelernährung bestimmte Inhaltsstoffe nicht vermieden werden können, sodass aus physiologischen Gründen ein objektiver Bedarf an einer besonderen Ernährung bedingt ist, die auf einer spezifischen Ernährungsempfehlung beruht (BSG Urteil vom 14.2.2013, aaO, RdNr 15; BSG Urteil vom 20.2.2014, aaO, RdNr 19, 29). Das objektive Erfordernis einer besonderen Kostform aus physiologischen Gründen ist zu unterscheiden von einem bestimmten Ernährungsverhalten oder einem Umgang mit Lebensmitteln, dem keine spezifische, physiologisch bestimmte Kostform zugrunde liegt.

16

Ausgehend von den genannten Grundsätzen besteht vorliegend kein objektiver Bedarf an einer bestimmten Ernährung. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen, für den Senat bindenden Feststellungen des LSG, lassen sich bei dem Kläger Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die dazu führen, dass es bei dem Konsum bestimmter Lebensmittel zu negativen organischen Folgewirkungen kommt, nicht feststellen. Das LSG hat vielmehr ein besonderes Ernährungsverhalten des Klägers festgestellt, bei dem er zum Teil hochpreisige Nahrungsmittel kauft, diese nach einem bestimmten Vorkostsystem aussortiert, um sie sodann in größerem Umfang ungenutzt wegzuwerfen. Die Mehrausgaben des Klägers für Lebensmittel ergeben sich somit nicht aus einem objektiven Erfordernis an einer bestimmten Ernährung, sondern aus seinem Kaufverhalten und seinem Umgang mit Lebensmitteln.

17

Mit dem vom LSG teilweise wiedergegebenen und in Bezug genommenen Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. M.-L. wird die dargelegte Beurteilung bestätigt, weil der Sachverständige einerseits ein genau definiertes organisches Krankheitsbild, das eine konkrete Kostform zwingend nach sich zieht, verneint hat, während er andererseits aufgrund der Angst- und Zwangssymptomatik beim Kläger eine von der Vollkost abweichende Ernährungsform empfohlen hat. Dies spricht gegen einen objektiv notwendigen, physischen Bedarf an einer besonderen Ernährung seitens des Klägers und für ein spezifisches Verhalten im Umgang mit Lebensmitteln. Aus dem vom LSG ebenfalls in Bezug genommenen Befundbericht des Psychiaters Dr. M. folgt nichts anderes, weil dieser schon keine Fachkompetenz in Fragen von Nahrungsmittelunverträglichkeiten hat und solche auch nicht mit entsprechenden eigenen Befunderhebungen begründet.

18

Nach den vorstehenden Ausführungen kommt es auf die vom LSG erörterten Fragen des Ursachenzusammenhangs zwischen medizinischen Gründen und besonderem Ernährungsbedarf nicht an, weil letzterer schon nicht gegeben ist.

19

5. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf höheres Alg II aufgrund eines Härtefallmehrbedarfs nach § 21 Abs 6 SGB II. Nach dieser Vorschrift wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht; der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

20

Wie der Senat zuletzt zusammenfassend aufgeführt hat (BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 8/14 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4200 § 21 Nr 22, RdNr 22), ist mit der Einführung des Härtefallmehrbedarfs der Gesetzgeber nach Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der im Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) getroffenen Vorgabe nachgekommen, im SGB II selbst sicherzustellen, dass auch in atypischen Bedarfslagen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erbracht werden (vgl BT-Drucks 17/1465 S 8). Damit soll gewährleistet werden, dass über die typisierten Mehrbedarfe nach § 21 Abs 2 bis 5 SGB II hinaus und jenseits der Möglichkeit, vorübergehende Spitzen besonderen Bedarfs durch ein Darlehen aufzufangen, solche Bedarfe im System des SGB II gedeckt werden, die entweder der Art oder der Höhe nach bei der Bemessung des Regelbedarfs nicht berücksichtigt sind(BVerfG, aaO, SozR RdNr 207 f).

21

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs 6 SGB II sind nicht erfüllt. Es fehlt jedenfalls an dem Merkmal der Unabweisbarkeit. Unabweisbar im Sinne des Grundsicherungsrechts kann wegen der Subsidiarität dieses Leistungssystems ein medizinischer Bedarf grundsätzlich nur dann sein, wenn nicht die gesetzliche Krankenversicherung oder Dritte zur Leistungserbringung, also zur Bedarfsdeckung, verpflichtet sind (BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - BSGE 115, 77 = SozR 4-4200 § 21 Nr 16, RdNr 22). Angesichts der psychischen Erkrankung des Klägers ist eine Krankenbehandlung nach § 11 Abs 1 Nr 4, § 27 Abs 1 Nr 1 SGB V eine vorrangige und zumutbare Alternative, sodass es an der Unabweisbarkeit fehlt. Das gilt selbst dann, falls für die Erkrankung des Klägers organische Ursachen vorliegen sollten, denn solange er sich nicht untersuchen oder behandeln lässt, unterbindet er eine mögliche Hilfe durch Dritte.

22

Selbst wenn von der vor dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. M.-L. bejahten Angst- und Zwangssymptomatik des Klägers und von einer Übergangszeit während einer Behandlung ausgegangen wird (vgl zu Beratungspflichten des Beklagten nur BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 8/14 R - vorgesehen für BSGE, SozR 4-4200 § 21 Nr 22, RdNr 27), scheidet ein feststellbarer, unabweisbarer Bedarf des Klägers hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen für seine Lebensmitteleinkäufe in der strittigen Zeit aus. Denn der Bedarf des Klägers müsste nämlich nicht nur hinsichtlich seines Grundes, sondern auch seiner Höhe nach objektiviert werden, was entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Erkrankung des Klägers und deren Auswirkungen voraussetzt. Zudem müssten Erkenntnisse über mögliche Behandlungen solcher Erkrankungen in die Beurteilung einfließen, ehe eine Unabweisbarkeit der entstehenden Kosten zu bejahen ist.

23

Gegen die Unabweisbarkeit des geltend gemachten Betrags im vorliegenden Einzelfall spricht im Übrigen der Umstand, dass der Kläger von 2005 bis 2010 einen monatlichen Mehrbedarf für Ernährung in Höhe von 25,56 Euro erhielt, der anscheinend jahrelang ausreichte, sodass es nicht nachvollziehbar ist, warum der vom SG zugesprochene höhere Betrag von 42,82 Euro nun nicht genügen und ein Betrag von insgesamt 180 Euro benötigt werden soll. Mangels entsprechender Rügen und Substantiierungen im Revisionsverfahren scheidet eine Zurückverweisung zur Aufklärung dieser Frage aus, da dem LSG nur eine Ermittlung "ins Blaue hinein" angesonnen würde (vgl nur BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R - RdNr 26; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 1 KR 8/13 R - SozR 4-2500 § 60 Nr 7 RdNr 23).

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Thüringer Landessozialgerichts vom 23. September 2015 und des Sozialgerichts Gotha vom 26. November 2014 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 450 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Höhe von Leistungen nach dem SGB II für die Zeiten vom 1.11. bis 31.12.2012 sowie vom 1.2. bis 30.4.2013, insbesondere um die Höhe der Anrechnung des Taschengelds nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG) als Einkommen.

2

Der alleinstehende Kläger bewohnt ein 26,73 qm großes Zimmer in einer Wohngemeinschaft in Erfurt. Hierfür entstanden ihm im Zeitraum vom 1.11. bis 31.12.2012 Kosten in Höhe von monatlich 220,22 Euro sowie vom 1.2. bis 30.4.2013 in Höhe von 246,61 Euro. Der Kläger übte eine selbstständige Tätigkeit geringen Umfangs aus, aus der er vom 1.11.2012 bis 30.4.2013 Einnahmen in Höhe von 420 Euro erzielte, denen Ausgaben von 101,52 Euro gegenüberstanden. Er leistete daneben vom 1.1.2012 bis 30.6.2013 Freiwilligendienst nach dem BFDG (BFD) und erhielt hierfür ein monatliches Taschengeld von 225 Euro. Am 24.10.2012 floss ihm eine Steuerrückerstattung von 669,40 Euro zu.

3

Mit Bescheid vom 5.11.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig vom 1.11. bis 31.12.2012 jeweils 257,65 Euro monatlich sowie ab 1.1.2013 vorläufig jeweils 509,04 Euro monatlich als Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II. Mit Änderungsbescheid vom 24.11.2012 gewährte der Beklagte dem Kläger vom 1.1. bis 28.2.2013 vorläufig monatlich 517,04 Euro und ab 1.3.2013 vorläufig 517,05 Euro monatlich. Wegen der Berücksichtigung des Taschengelds aus dem BFD und ohne Vorläufigkeitsvorbehalt senkte der Beklagte die Bewilligung für Februar 2013 auf 292,04 Euro sowie für März und April 2013 auf 292,05 Euro monatlich ab (Änderungsbescheid vom 10.1.2013). Durch Bescheid vom 8.8.2013 erklärte er nach Überprüfung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit die Festsetzung der Leistungen in den Bescheiden vom 5.11.2012 und 10.1.2013 für endgültig.

4

Der Kläger hatte bereits gegen den Bescheid vom 5.11.2012 Widerspruch eingelegt, weil der Freibetrag für das Taschengeld aus dem BFD nicht in Ansatz gebracht worden sei. Der Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 10.1.2013). Der Freibetrag von 175 bzw 200 Euro von dem Taschengeld des Freiwilligendienstes komme nicht in Betracht.

5

Der Kläger hat dagegen beim SG Gotha Klage erhoben. Er hat diese aber für den Monat Januar 2013, für den keine Berücksichtigung von Taschengeld als Einkommen erfolgt ist, zurückgenommen. Das SG hat den Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1.11. bis 31.12.2012 und vom 1.2. bis 30.4.2013 weitere 600 Euro zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil des SG vom 26.11.2014). Vom Einkommen des Klägers seien nach § 1 Abs 7 S 1 Alg II-V im November und Dezember 2012 je 175 Euro und ab Februar 2013 von je 200 Euro monatlich in Abzug zu bringen. Dem stehe § 1 Abs 7 S 4 Alg II-V nicht entgegen.

6

Der Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung zum Thüringer LSG eingelegt. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass ein Freibetrag nur entweder vom Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder von dem Taschengeld zu berücksichtigen sei. Über diese Folge des Zusammentreffens von Erwerbseinkommen und Taschengeld des BFD würden die Betroffenen belehrt. Das LSG hat den Tenor des SG dahingehend konkretisiert, dass für November/Dezember 2012 jeweils weitere 105 Euro sowie vom 1.2. bis 30.4.2013 monatlich jeweils weitere 130 Euro zu zahlen seien. Zwar seien die Freibeträge von 100 Euro nach § 11b Abs 2 S 1 SGB II und von 175 Euro bzw 200 Euro nach § 11b Abs 2 S 1 SGB II iVm § 1 Abs 7 S 1 Alg II-V nicht zu kumulieren. Allerdings sei der erhöhte Freibetrag nach § 1 Abs 7 S 1 Alg II-V als Freibetragsobergrenze zu begreifen und deshalb vom Taschengeld aus dem BFD ein Betrag von monatlich insgesamt 175 Euro bzw 200 Euro abzusetzen. Das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit (53,08 Euro) sei um den Grundbetrag zu bereinigen und bleibe anrechnungsfrei. Deshalb sei von dem Taschengeld noch der Differenzbetrag zwischen dem freigestellten Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit und der Freibetragsobergrenze von 175 Euro bzw 200 Euro in Abzug zu bringen.

7

Der Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Bei der Leistungsberechnung sei von dem Einkommen des Klägers aus selbstständiger Tätigkeit eine Absetzung vorgenommen worden. Anrechenbares Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit gebe es nicht. Das aus dem Freiwilligendienst erzielte Taschengeld sei nach § 1 Abs 7 S 4 Alg II-V nicht weiter zu bereinigen. Dies entspreche dem Wortlaut der Regelung, die der Verordnungsgeber in seinen Folgen im Hinblick auf § 11b SGB II sehr wohl bedacht habe. Eine einschränkende Auslegung der Vorschrift sei nicht angezeigt.

8

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 23. September 2015 und das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 26. November 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Die Revision des Beklagten sei unzulässig, da die Begründung nicht den "engen Vorgaben" an eine Revisionsbegründung genüge. Im Übrigen sei sie auch unbegründet, weil die Anwendung des § 1 Abs 7 S 4 Alg II-V zu einer verfassungsrechtlichen Ungleichbehandlung führe.

Entscheidungsgründe

11

1. Die Revision des Beklagten ist zulässig. Gemäß § 164 Abs 2 S 1 SGG ist die Revision fristgerecht zu begründen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten und die verletzte Rechtsnorm bezeichnen (§ 164 Abs 2 S 3 SGG). Diese Anforderungen sind dahingehend präzisiert worden, dass das Revisionsvorbringen eine Prüfung und Durcharbeitung des Prozessstoffs durch den Prozessbevollmächtigten erkennen lassen muss. Die Begründung darf nicht nur die eigene Meinung des Revisionsführers wiedergeben, sondern muss sich zumindest kurz mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils des LSG auseinandersetzen (vgl nur BSG vom 18.6.2002 - B 2 U 34/01 R - SozR 3-1500 § 164 Nr 12 S 22; BSG vom 16.10.2007 - B 8/9b SO 16/06 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 3 RdNr 9 f; vgl auch BVerfG vom 7.7.1980 - 2 BvR 310/80 - SozR 1500 § 164 Nr 17 S 29).

12

Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung des Beklagten - entgegen der Auffassung des Klägers - gerecht. Der Beklagte hat sich mit der Rechtsauffassung des LSG auseinandergesetzt. Er gibt insbesondere den Maßstab wieder, von dem ausgehend das LSG die Berechnung der Leistung - auch hinsichtlich von Freibeträgen - vorgenommen hat. Obwohl er auch ausführlich seine eigene Auffassung darlegt, widerspricht er der Auslegung und Anwendung des § 11b SGB II sowie des § 1 Abs 7 S 1 und 4 Alg II-V durch das LSG.

13

2. Die Revision des Beklagten ist teilweise begründet. Die Urteile des LSG und des SG sind abzuändern, denn der Kläger hat für die Zeiten vom 1.11. bis 31.12.2012 und vom 1.2. bis 30.4.2013 nur Anspruch auf Zahlung weiterer 450 Euro als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II anstatt der vom LSG zugesprochenen 600 Euro.

14

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 8.8.2013, mit dem der Beklagte die früheren Leistungsbewilligungen in Bezug genommen und die Leistungshöhe für den streitigen Zeitraum endgültig festgesetzt hat. Damit haben sich die Bescheide vom 5.11.2012, 24.11.2012 und 10.1.2013 erledigt (§ 39 Abs 2 SGB X; vgl auch BSG vom 10.5.2011 - B 4 AS 139/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 38 RdNr 13). Die vorläufigen Festsetzungen der Leistungshöhe in den Bescheiden vom 5.11.2012 und 24.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.1.2013 sind deshalb nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. Dabei kann der Senat offenlassen, ob der Bescheid vom 8.8.2013 den Änderungsbescheid vom 10.1.2013 noch abändern konnte. Daran bestehen Zweifel, weil dieser Bescheid keinen Hinweis auf die Vorläufigkeit der getroffenen Regelungen enthielt. Jedenfalls ist aber die mit Bescheid vom 8.8.2013 nach neuer Sachprüfung getroffene Zweitentscheidung wie eine Ersetzung iS des § 96 Abs 1 SGG zu behandeln(vgl BSG vom 16.6.2015 - B 4 AS 37/14 R - SozR 4-4200 § 27 Nr 2 RdNr 13 mwN). Mit der Regelung ist der Beklagte auch nicht zu Lasten des Klägers von früheren endgültigen Bewilligungen abgewichen.

15

Der Kläger wird durch die Festsetzung der Leistungsbeträge in dem Bescheid vom 8.8.2013 insoweit in seinen Rechten verletzt, als er Anspruch auf Berücksichtigung eines (weiteren) Freibetrags von 75 Euro bzw 100 Euro pro Monat als Absetzbetrag von dem Taschengeld aus dem BFD hat. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.

16

Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II. Er ist leistungsberechtigt, denn er ist 1979 geboren, erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Mangels ausreichenden Einkommens und Vermögens ist er im streitigen Zeitraum auch hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II gewesen. Ein Ausschlusstatbestand iS des § 7 Abs 1 S 2, Abs 4, 4a oder 5 SGB II liegt nicht vor. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind ihm in Höhe seiner Bedarfe nach § 19 Abs 1 und 2 SGB II zu erbringen, soweit sie nicht durch sein zu berücksichtigendes Einkommen gedeckt sind(§ 19 Abs 3 S 1 SGB II).

17

Der Gesamtbedarf des Klägers hat in den Monaten November und Dezember 2012 bei jeweils 594,22 Euro sowie in den Monaten Februar bis April 2013 bei jeweils 628,61 Euro gelegen. Er setzt sich zusammen aus dem Regelbedarf (§ 20 Abs 2 S 1 SGB II) in Höhe von 374 Euro monatlich für 2012 sowie von 382 Euro monatlich ab Januar 2013. Daneben besteht ein Bedarf an Kosten für Unterkunft und Heizung, der bis 31.12.2012 monatlich 220,22 Euro und ab 1.1.2013 monatlich 246,61 Euro betragen hat (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II).

18

Der Gesamtbedarf des Klägers ist teilweise durch dessen Einnahmen gedeckt. Zunächst ist ihm im Oktober 2012 eine Steuerrückerstattung von 669,40 Euro zugeflossen, die als einmalige Einnahme ab dem Folgemonat des Zuflusses, also ab November 2012, für sechs Monate in Höhe von jeweils 111,57 Euro monatlich anzurechnen ist (§ 11 Abs 3 S 2 und 3 SGB II).

19

Daneben sind weitere Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen(§ 11 Abs 1 S 1 SGB II).

20

a) Das vom Kläger erzielte Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit ist nicht anzurechnen, da es unter dem Grundfreibetrag von 100 Euro monatlich liegt.

21

Bei der Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit ist von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle aus selbstständiger Arbeit erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum (§ 41 Abs 1 S 4 SGB II)tatsächlich zufließen (§ 3 Abs 1 S 1 und 2 Alg II-V). Zur Berechnung des Einkommens sind von den Betriebseinnahmen die im deckungsgleichen Zeitraum tatsächlich aufgewendeten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge abzuziehen(§ 3 Abs 2 Alg II-V). Von den Einnahmen aus (selbstständiger) Erwerbstätigkeit ist mindestens der Grundfreibetrag von 100 Euro monatlich abzusetzen (§ 11b Abs 2 S 1 SGB II).

22

Auf den Fall des Klägers angewendet bedeutet dies, dass er im Bewilligungszeitraum von sechs Monaten Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 420 Euro erzielte, denen Ausgaben von 101,52 Euro gegenüberstanden (53,08 Euro monatlich). Dieses Einkommen ist aber nicht zur Bedarfsdeckung einzusetzen, weil es den Grundfreibetrag von 100 Euro monatlich nicht erreicht.

23

b) Das Taschengeld des Klägers aus dem BFD ist als Einkommen zu berücksichtigen, denn es handelt es sich um eine Einnahme in Geld oder Geldeswert. Das Taschengeld bleibt nicht nach Maßgabe von § 11a Abs 1, 2, 4 oder 5 SGB II unberücksichtigt. Ebenso wenig ist es eine nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu erbringende Leistung, die einem bestimmten Verwendungszweck dient (§ 11a Abs 3 SGB II). Schon die Bezeichnung als "Taschengeld" des Dienstleistenden spricht für eine offene Zweckverwendung. Ein besonderer Verwendungszweck für diese Einkommensart lässt sich weder dem BFDG noch einer anderen gesetzlichen Regelung entnehmen (Söhngen in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 11a RdNr 33 f, RdNr 41; so auch die Vorinstanz; vgl auch SG Osnabrück vom 1.6.2016 - S 22 AS 284/13).

24

Auch der Verordnungsgeber geht in § 1 Abs 7 Alg II-V davon aus, dass es sich bei dem Taschengeld nach dem BFDG um anrechenbares Einkommen handelt(vgl jetzt auch Art 1 Nr 8 Buchst a) Doppelbuchst bb) des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - BT-Drucks 18/8041, S 32 "weiterhin anzurechnen"; zur Verletztenrente: BVerfG 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - NZS 2011, 895).

25

c) Von den Einnahmen in Höhe von 225 Euro monatlich ist im Jahr 2012 ein (weiterer) Freibetrag von 75 Euro monatlich sowie im Jahr 2013 ein solcher von 100 Euro monatlich abzusetzen.

26

Absetzungen von Freibeträgen für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit sind allerdings ausgeschlossen, denn es handelt sich bei dem BFD nicht um eine Erwerbstätigkeit. Nach seiner Zweckrichtung ist der BFD einem Ehrenamt jedenfalls ähnlich. Es handelt sich um eine freiwillige Betätigung von Personen für das Allgemeinwohl, insbesondere im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich, sowie in den Bereichen des Sports, der Integration und des Zivil- und Katastrophenschutzes (§ 1 BFDG). Dagegen handelt es sich nicht um eine Beschäftigung (§ 7 Abs 1 SGB IV), insbesondere auch nicht in einem Arbeitsverhältnis (so zutreffend auch die Vorinstanz).

27

Gemäß § 1 Abs 7 S 1 Alg II-V(für 2012 anzuwenden in der ab 1.1.2012 geltenden Fassung der Sechsten Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 19.12.2011, BGBl I 2833; ab 1.1.2013 anzuwenden in der Fassung des Art 10 des Ehrenamtsstärkungsgesetzes vom 21.3.2013, BGBl I 556) sind deshalb bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die an einem BFD teilnehmen, anstelle der für beschäftigte Leistungsberechtigte geltenden Beträge (§ 11b Abs 1 S 1 Nr 3 bis 5 SGB II)vom Taschengeld des BFD (§ 2 Nr 4 BFDG) ein spezifischer Freibetrag in Höhe von 175 Euro monatlich für 2012 und von 200 Euro monatlich für 2013 abzusetzen. Übersteigt die Summe der Beträge, die der Dienstleistende gemäß § 11b Abs 1 S 1 Nr 3 bis 5 SGB II von anderen Einnahmen in Abzug bringen kann, den Betrag von 115 Euro monatlich (für November, Dezember 2012) oder von 140 Euro monatlich (ab Januar 2013), gilt S 1 der Vorschrift nicht. In diesen Fällen bleiben vom Taschengeld (nur) zusätzlich 60 Euro monatlich unberücksichtigt (§ 1 Abs 7 S 2 bis 3 Alg II-V). Die S 1 bis 3 gelten allerdings nicht für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die erwerbstätig sind oder aus einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen erhalten, die nach § 3 Nr 12, 26, 26a oder 26b EStG steuerfrei sind(§ 1 Abs 7 S 4 Alg II-V in der ab 1.1.2012 geltenden Fassung der Sechsten Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 19.12.2011; BGBl I 2833).

28

Die Voraussetzungen des § 1 Abs 7 S 4 Alt 2 Alg II-V liegen nicht vor, denn der Kläger hatte im streitigen Zeitraum keine nach Maßgabe des § 3 Nr 12, 26, 26a oder 26b EStG steuerfreien Einnahmen. Zwar ist das Taschengeld aus dem BFD ebenfalls steuerfrei, die Steuerfreiheit beruht aber nicht auf einer der ausdrücklich genannten Bestimmungen, sondern auf § 3 Nr 5 Buchst f EStG.

29

Demgegenüber liegt ein Fall des § 1 Abs 7 S 4 Alt 1 Alg II-V vor, denn der erwerbsfähige und leistungsberechtigte Kläger hat eine (selbstständige) Erwerbstätigkeit ausgeübt. Nach der Rechtsfolgenanordnung des § 1 Abs 7 S 4 Alg II-V würden für ihn als erwerbstätigen Leistungsberechtigten deshalb die Regelungen der S 1 bis 3 nicht gelten. Anders ausgedrückt würde die Regelung für erwerbstätige Leistungsberechtigte bedeuten, dass die in den S 1 bis 3 genannten spezifischen Absetzungen vom Taschengeld gerade nicht vorzunehmen sind. Dies hätte zur Folge, dass das Taschengeld voll als Einkommen zu berücksichtigen wäre.

30

Obwohl eine solche Auslegung nach dem Wortlaut der Vorschrift denkbar erscheint, ist bei Auslegung der Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck sowie aufgrund systematischer Erwägungen eine teleologische Reduktion des § 1 Abs 7 S 4 Alg II-V geboten.

31

§ 1 Abs 7 S 4 Alg II-V ist eine Harmonisierungsregelung, mit der bezweckt wird, sicherzustellen, dass beim Zusammentreffen von BFD und Erwerbstätigkeit "jeweils nur die Freibeträge nach § 11b Abs 2 und 3 SGB II" zur Anwendung kommen(vgl mit Hinweis auf die Begründung des Referentenentwurfs Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 13 RdNr 158 mwN, Stand Juni 2015). § 1 Abs 7 S 1 Alg II-V geht typisierend davon aus, dass dem Dienstleistenden während des Freiwilligendienstes im Wesentlichen das Taschengeld als Einkommen zur Verfügung steht. Die S 2 und 3 der Vorschrift betreffen demgegenüber die Fälle, in denen Leistungsberechtigte im BFD weiteres Einkommen haben und von diesen bereits Absetzungen (§ 11b Abs 2 und 3 SGB II) von mehr als 140 Euro vornehmen konnten. Liegen diese Voraussetzungen vor, sind auch Absetzungen vom Taschengeld vorzunehmen, die aber geringer ausfallen (60 Euro monatlich). S 4 schließlich regelt die Fallgruppe, dass der Freiwilligendienst mit einer (selbstständigen) Erwerbstätigkeit zusammentrifft. In diesen Fällen sollen die S 1 bis 3 nicht gelten, sondern es soll bei der Anwendung der §§ 11a und 11b SGB II iVm § 3 Alg II-V bleiben.

32

Die Regelung des S 4 verfolgt den Zweck, dass erwerbstätige Leistungsberechtigte nicht die Freibeträge nach §§ 11a und 11b SGB II mit den spezifischen Absetzungen von Taschengeld aus dem BFD nach § 1 Abs 7 S 1 bis 3 Alg II-V kumulieren können. Der Verordnungsgeber hat dabei typisierend angenommen, es sei für erwerbstätige Leistungsberechtigte vorteilhaft, die Freibeträge nach § 11b Abs 2 und 3 SGB II zu nutzen. Mit dieser Typisierung hat er allerdings solche Fallgestaltungen nicht bedacht, in denen erwerbstätige Leistungsberechtigte ein so geringes Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, dass sie nicht einmal den Grundfreibetrag ausschöpfen können. Liegen diese Voraussetzungen - wie hier - vor, hätte die Regelung zur Folge, dass erwerbstätige Leistungsberechtigte mit geringen Einkünften weniger vom Einkommen absetzen können als diejenigen Leistungsberechtigte, die (nur) Freiwilligendienst leisten und daneben nicht erwerbstätig sind.

33

Um die erwerbstätigen Leistungsberechtigten nicht gleichheitswidrig zu benachteiligen, ist es deshalb geboten, die Regelungen der S 1 und 4 des § 1 Abs 7 Alg II-V so in Konkordanz zu bringen, dass diese beim Zusammentreffen eines geringen Einkommens aus Erwerbstätigkeit (bis zu 100 Euro) ergänzend zu dem Grundfreibetrag von 100 Euro, einen (weiteren) Freibetrag auf das Taschengeld des BFD erhalten, sodass sie insgesamt Freibeträge von bis zu 175 Euro bzw 200 Euro nutzen können(§ 1 Abs 7 S 1 Alg II-V).

34

Die gefundene Auslegung berücksichtigt durch den Verbrauch des Grundfreibetrags in Fällen mit geringem Einkommen aus Erwerbstätigkeit weiter, dass die Freibeträge nach den S 1 bis 3 des § 1 Abs 7 Alg II-V nicht mit denen nach § 11b Abs 2 und 3 SGB II kumuliert werden dürfen. Deshalb ist es sachgerecht, in Fällen, in denen ein geringes Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit erzielt wird, von den Freibeträgen des S 1 (175 Euro bzw 200 Euro) den schon bei der Ermittlung des zu berücksichtigenden Erwerbseinkommens in Abzug gebrachten Grundfreibetrag abzuziehen, sodass (nur) weitere 75 Euro bzw 100 Euro monatlich als Freibetrag vom Taschengeld verbleiben (vgl jetzt auch Art 1 Nr 10 Buchst b) Doppelbuchst dd) des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - BT-Drucks 18/8041, S 8, 36).

35

Dies entspricht auch der Wertung in der Entscheidung des 14. Senats des BSG (vom 28.10.2014 - B 14 AS 61/13 R - SozR 4-4200 § 11b Nr 6 RdNr 15 f), der entschieden hat, dass § 11b Abs 2 S 3 SGB II idF bis 31.12.2012 einen Mindestfreibetrag im Sinne einer Obergrenze für den Fall bestimmt, dass Einkommen aus Erwerbstätigkeit und aus privilegierter ehrenamtlicher Tätigkeit zusammentrifft. Eine Kumulation beider Freibeträge ist dort ebenfalls abgelehnt worden.

36

Die Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 1 Abs 7 S 4 Alg II-V führt zu einer Angleichung der Freibetragsgrenzen der Personen, die nur Freiwilligendienst leisten, mit denjenigen, die neben dem Freiwilligendienst noch geringe Einkünfte aus Erwerbstätigkeit haben. Sie entspricht damit der Intention des § 2 Abs 3, § 11b Abs 2 und 3 SGB II, denn danach sollen die Leistungsberechtigten sich bietende Arbeitsgelegenheiten nutzen. Wenn sie diese nutzen, sollen sie leistungsrechtlich nicht schlechter stehen als ohne die entsprechende Betätigung. Auf diese Weise wird ein Anreiz zur Teilnahme am BFD durch Leistungsempfänger gesetzt, die gesellschaftlich gewünscht ist. Zugleich sollen damit einhergehende, mögliche Verbesserungen der Eingliederungschancen auf dem Arbeitsmarkt anerkannt werden.

37

Allerdings kann aufgrund der Vorgaben des Gesetz- und Verordnungsgebers eine vollständige Angleichung nicht erreicht werden. Denn in Konstellationen wie der vorliegenden kann der Anteil des Grundfreibetrags, der durch Einnahmen aus Erwerbstätigkeit nicht verbraucht wird (hier zB die Differenz zwischen 53,08 Euro und 100 Euro), nicht auf andere Einkommensarten übertragen werden. Entsprechendes hat der Senat bereits für das Zusammentreffen von Erwerbseinkommen und Kindergeld entschieden (BSG vom 5.6.2014 - B 4 AS 49/13 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 66 = NZS 2014, 791). Ist der Grundfreibetrag bei der Berechnung des Erwerbseinkommens in Abzug gebracht, aber nicht voll ausgeschöpft worden, ist eine Verteilung des verbleibenden Rests der Pauschale auf eine andere Einkommensart (dort: Kindergeld) nicht zulässig (BSG, aaO, RdNr 22 f). Dieser Grundsatz steht auch einer Übertragung eines restlichen Grundfreibetrags auf das Taschengeld nach dem BFDG, das kein Erwerbseinkommen ist, entgegen.

38

d) Der Kläger hat in dem streitbefangenen Zeitraum Anspruch auf Zahlung weiterer 450 Euro als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

39

Von dem zu berücksichtigenden Taschengeld in Höhe von 225 Euro pro Monat sind bei einer Freibetragsgrenze von 175 Euro im Jahr 2012 weitere 75 Euro für zwei Monate von der Anrechnung als Einkommen freizustellen; der weitergehende Freibetrag des § 1 Abs 7 S 1 Alg II-V ist durch die Berücksichtigung des Grundfreibetrags verbraucht. Für die streitigen drei Monate des Jahrs 2013 sind von den 225 Euro Taschengeld monatlich weitere 100 Euro von der Anrechnung freizustellen. Auch hier ist der Absetzbetrag von 200 Euro monatlich ist in Höhe von 100 Euro monatlich durch den Grundfreibetrag verbraucht, sodass ergänzend nur noch weitere 100 Euro abzusetzen sind. Im Ergebnis hat der Kläger Anspruch auf Zahlung von weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 450 Euro.

40

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 SGG.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Vom Einkommen abzusetzen sind

1.
auf das Einkommen entrichtete Steuern,
2.
Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung,
3.
Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind; hierzu gehören Beiträge
a)
zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind,
b)
zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind,
soweit die Beiträge nicht nach § 26 bezuschusst werden,
4.
geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten,
5.
die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben,
6.
für Erwerbstätige ferner ein Betrag nach Absatz 3,
7.
Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag,
8.
bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, deren Einkommen nach dem Vierten Abschnitt des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder nach § 67 oder § 126 des Dritten Buches bei der Berechnung der Leistungen der Ausbildungsförderung für mindestens ein Kind berücksichtigt wird, der nach den Vorschriften der Ausbildungsförderung berücksichtigte Betrag.
Bei der Verteilung einer einmaligen Einnahme nach § 11 Absatz 3 Satz 4 sind die auf die einmalige Einnahme im Zuflussmonat entfallenden Beträge nach den Nummern 1, 2, 5 und 6 vorweg abzusetzen.

(2) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, ist anstelle der Beträge nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich von dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit abzusetzen. Beträgt das monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit mehr als 400 Euro, gilt Satz 1 nicht, wenn die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte nachweist, dass die Summe der Beträge nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 den Betrag von 100 Euro übersteigt.

(2a) § 82a des Zwölften Buches gilt entsprechend.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist anstelle der Beträge nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 der Betrag nach § 8 Absatz 1a des Vierten Buches von dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit abzusetzen bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die

1.
eine nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung durchführen,
2.
eine nach § 57 Absatz 1 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung, eine nach § 51 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähige berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme oder eine nach § 54a des Dritten Buches geförderte Einstiegsqualifizierung durchführen,
3.
einem Freiwilligendienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder dem Jugendfreiwilligendienstegesetz nachgehen oder
4.
als Schülerinnen und Schüler allgemein- oder berufsbildender Schulen außerhalb der in § 11a Absatz 7 genannten Zeiten erwerbstätig sind; dies gilt nach dem Besuch allgemeinbildender Schulen auch bis zum Ablauf des dritten auf das Ende der Schulausbildung folgenden Monats.
Bei der Anwendung des Satzes 1 Nummer 3 gilt das Taschengeld nach § 2 Nummer 4 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes und nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes als Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Bei Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, tritt in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 an die Stelle des Betrages nach § 8 Absatz 1a des Vierten Buches der Betrag von 250 Euro monatlich. Sofern die unter Satz 1 Nummer 1 bis 4 genannten Personen die in § 11a Absatz 3 Satz 2 Nummer 3 bis 5 genannten Leistungen, Ausbildungsgeld nach dem Dritten Buch oder einen Unterhaltsbeitrag nach § 10 Absatz 2 des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes erhalten, ist von diesen Leistungen für die Absetzbeträge nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 ein Betrag in Höhe von mindestens 100 Euro abzusetzen, wenn die Absetzung nicht bereits nach Satz 1 oder nach Absatz 2 Satz 1 erfolgt ist. Satz 4 gilt auch für Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben.

(3) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, ist von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen. Dieser beläuft sich

1.
für den Teil des monatlichen Erwerbseinkommens, der 100 Euro übersteigt und nicht mehr als 520 Euro beträgt, auf 20 Prozent,
2.
für den Teil des monatlichen Erwerbseinkommens, der 520 Euro übersteigt und nicht mehr als 1 000 Euro beträgt, auf 30 Prozent und
3.
für den Teil des monatlichen Erwerbseinkommens, der 1 000 Euro übersteigt und nicht mehr als 1 200 Euro beträgt, auf 10 Prozent.
Anstelle des Betrages von 1 200 Euro tritt für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die entweder mit mindestens einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft leben oder die mindestens ein minderjähriges Kind haben, ein Betrag von 1 500 Euro. In den Fällen des Absatzes 2b ist Satz 2 Nummer 1 nicht anzuwenden.

Geht die leistungsberechtigte Person durch Zahlung an Anbieter in Vorleistung, ist der kommunale Träger zur Übernahme der berücksichtigungsfähigen Aufwendungen verpflichtet, soweit

1.
unbeschadet des Satzes 2 die Voraussetzungen einer Leistungsgewährung zur Deckung der Bedarfe im Zeitpunkt der Selbsthilfe nach § 28 Absatz 2 und 5 bis 7 vorlagen und
2.
zum Zeitpunkt der Selbsthilfe der Zweck der Leistung durch Erbringung als Sach- oder Dienstleistung ohne eigenes Verschulden nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen war.
War es dem Leistungsberechtigten nicht möglich, rechtzeitig einen Antrag zu stellen, gilt dieser als zum Zeitpunkt der Selbstvornahme gestellt.

(1) Als Pauschbeträge sind abzusetzen

1.
von dem Einkommen volljähriger Leistungsberechtigter ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, die nach Grund und Höhe angemessen sind,
2.
von dem Einkommen Minderjähriger ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, die nach Grund und Höhe angemessen sind, wenn der oder die Minderjährige eine entsprechende Versicherung abgeschlossen hat,
3.
von dem Einkommen Leistungsberechtigter monatlich ein Betrag in Höhe eines Zwölftels der zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Leistungsanspruch nachgewiesenen Jahresbeiträge zu den gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch,
4.
von dem Einkommen Leistungsberechtigter ein Betrag in Höhe von 3 Prozent des Einkommens, mindestens 5 Euro, für die zu einem geförderten Altersvorsorgevertrag entrichteten Beiträge nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch; der Prozentwert mindert sich um 1,5 Prozentpunkte je zulageberechtigtes Kind im Haushalt der oder des Leistungsberechtigten,
5.
von dem Einkommen Erwerbstätiger für die Beträge nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch bei Benutzung eines Kraftfahrzeuges für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für Wegstrecken zur Ausübung der Erwerbstätigkeit 0,20 Euro für jeden Entfernungskilometer der kürzesten Straßenverbindung, soweit der oder die erwerbsfähige Leistungsberechtigte nicht höhere notwendige Ausgaben nachweist.

(2) Sofern die Berücksichtigung des Pauschbetrags nach Absatz 1 Nummer 5 im Vergleich zu den bei Benutzung eines zumutbaren öffentlichen Verkehrsmittels anfallenden Fahrtkosten unangemessen hoch ist, sind nur diese als Pauschbetrag abzusetzen.

(3) Für Mehraufwendungen für Verpflegung ist, wenn die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten Erwerbstätigkeit entfernt erwerbstätig ist, für jeden Kalendertag, an dem die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und dem Tätigkeitsmittelpunkt mindestens zwölf Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag in Höhe von 6 Euro abzusetzen.

(1) Vom Einkommen abzusetzen sind

1.
auf das Einkommen entrichtete Steuern,
2.
Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung,
3.
Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind; hierzu gehören Beiträge
a)
zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind,
b)
zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind,
soweit die Beiträge nicht nach § 26 bezuschusst werden,
4.
geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten,
5.
die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben,
6.
für Erwerbstätige ferner ein Betrag nach Absatz 3,
7.
Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag,
8.
bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, deren Einkommen nach dem Vierten Abschnitt des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder nach § 67 oder § 126 des Dritten Buches bei der Berechnung der Leistungen der Ausbildungsförderung für mindestens ein Kind berücksichtigt wird, der nach den Vorschriften der Ausbildungsförderung berücksichtigte Betrag.
Bei der Verteilung einer einmaligen Einnahme nach § 11 Absatz 3 Satz 4 sind die auf die einmalige Einnahme im Zuflussmonat entfallenden Beträge nach den Nummern 1, 2, 5 und 6 vorweg abzusetzen.

(2) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, ist anstelle der Beträge nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich von dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit abzusetzen. Beträgt das monatliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit mehr als 400 Euro, gilt Satz 1 nicht, wenn die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte nachweist, dass die Summe der Beträge nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 den Betrag von 100 Euro übersteigt.

(2a) § 82a des Zwölften Buches gilt entsprechend.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist anstelle der Beträge nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 der Betrag nach § 8 Absatz 1a des Vierten Buches von dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit abzusetzen bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die

1.
eine nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung durchführen,
2.
eine nach § 57 Absatz 1 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung, eine nach § 51 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähige berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme oder eine nach § 54a des Dritten Buches geförderte Einstiegsqualifizierung durchführen,
3.
einem Freiwilligendienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz oder dem Jugendfreiwilligendienstegesetz nachgehen oder
4.
als Schülerinnen und Schüler allgemein- oder berufsbildender Schulen außerhalb der in § 11a Absatz 7 genannten Zeiten erwerbstätig sind; dies gilt nach dem Besuch allgemeinbildender Schulen auch bis zum Ablauf des dritten auf das Ende der Schulausbildung folgenden Monats.
Bei der Anwendung des Satzes 1 Nummer 3 gilt das Taschengeld nach § 2 Nummer 4 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes und nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Jugendfreiwilligendienstegesetzes als Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Bei Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr vollendet haben, tritt in den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 an die Stelle des Betrages nach § 8 Absatz 1a des Vierten Buches der Betrag von 250 Euro monatlich. Sofern die unter Satz 1 Nummer 1 bis 4 genannten Personen die in § 11a Absatz 3 Satz 2 Nummer 3 bis 5 genannten Leistungen, Ausbildungsgeld nach dem Dritten Buch oder einen Unterhaltsbeitrag nach § 10 Absatz 2 des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes erhalten, ist von diesen Leistungen für die Absetzbeträge nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 5 ein Betrag in Höhe von mindestens 100 Euro abzusetzen, wenn die Absetzung nicht bereits nach Satz 1 oder nach Absatz 2 Satz 1 erfolgt ist. Satz 4 gilt auch für Leistungsberechtigte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben.

(3) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, ist von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen. Dieser beläuft sich

1.
für den Teil des monatlichen Erwerbseinkommens, der 100 Euro übersteigt und nicht mehr als 520 Euro beträgt, auf 20 Prozent,
2.
für den Teil des monatlichen Erwerbseinkommens, der 520 Euro übersteigt und nicht mehr als 1 000 Euro beträgt, auf 30 Prozent und
3.
für den Teil des monatlichen Erwerbseinkommens, der 1 000 Euro übersteigt und nicht mehr als 1 200 Euro beträgt, auf 10 Prozent.
Anstelle des Betrages von 1 200 Euro tritt für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die entweder mit mindestens einem minderjährigen Kind in Bedarfsgemeinschaft leben oder die mindestens ein minderjähriges Kind haben, ein Betrag von 1 500 Euro. In den Fällen des Absatzes 2b ist Satz 2 Nummer 1 nicht anzuwenden.

(1) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen bleiben bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt.

(2) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen dürfen bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(3) Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, bleibt das Elterngeld nur bis zur Hälfte des Anrechnungsfreibetrags, der nach Abzug der anderen nach Absatz 1 nicht zu berücksichtigenden Einnahmen für das Elterngeld verbleibt, als Einkommen unberücksichtigt und darf nur bis zu dieser Höhe nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(4) Die nach den Absätzen 1 bis 3 nicht zu berücksichtigenden oder nicht heranzuziehenden Beträge vervielfachen sich bei Mehrlingsgeburten mit der Zahl der geborenen Kinder.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bei den in Satz 1 bezeichneten Leistungen bleiben das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf das Elterngeld angerechneten Einnahmen in Höhe des nach § 2 Absatz 1 berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, verringern sich die Beträge nach Satz 2 um die Hälfte. Abweichend von Satz 2 bleibt Mutterschaftsgeld gemäß § 19 des Mutterschutzgesetzes in voller Höhe unberücksichtigt.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend, soweit für eine Sozialleistung ein Kostenbeitrag erhoben werden kann, der einkommensabhängig ist.

(1) Personen erhalten für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn

1.
sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 haben,
2.
sie mit Ausnahme des Wohngeldes, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags über Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in Höhe von mindestens 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von mindestens 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nicht abzusetzen sind, und
3.
bei Bezug des Kinderzuschlags keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch besteht, wobei die Bedarfe nach § 28 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch außer Betracht bleiben. Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit ist das für den Antragsmonat bewilligte Wohngeld zu berücksichtigen. Wird kein Wohngeld bezogen und könnte mit Wohngeld und Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit vermieden werden, ist bei der Prüfung Wohngeld in der Höhe anzusetzen, in der es voraussichtlich für den Antragsmonat zu bewilligen wäre.

(1a) Ein Anspruch auf Kinderzuschlag besteht abweichend von Absatz 1 Nummer 3, wenn

1.
bei Bezug von Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit besteht, der Bedarfsgemeinschaft zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit aber mit ihrem Einkommen, dem Kinderzuschlag und dem Wohngeld höchstens 100 Euro fehlen,
2.
sich bei der Ermittlung des Einkommens der Eltern nach § 11b Absatz 2 bis 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch wegen Einkommen aus Erwerbstätigkeit Absetzbeträge in Höhe von mindestens 100 Euro ergeben und
3.
kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem Zweiten oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erhält oder beantragt hat.

(2) Der monatliche Höchstbetrag des Kinderzuschlags deckt zusammen mit dem für ein erstes Kind nach § 66 des Einkommensteuergesetzes zu zahlenden Kindergeld ein Zwölftel des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums eines Kindes für das jeweilige Kalenderjahr mit Ausnahme des Anteils für Bildung und Teilhabe. Steht dieses Existenzminimum eines Kindes zu Beginn eines Jahres nicht fest, ist insoweit der für das Jahr geltende Betrag für den Mindestunterhalt eines Kindes in der zweiten Altersstufe nach der Mindestunterhaltsverordnung maßgeblich. Als Höchstbetrag des Kinderzuschlags in dem jeweiligen Kalenderjahr gilt der Betrag, der sich zu Beginn des Jahres nach den Sätzen 1 und 2 ergibt, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe des Vorjahres. Der Betrag nach Satz 3 erhöht sich ab 1. Juli 2022 um einen Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro.

(3) Ausgehend vom Höchstbetrag mindert sich der jeweilige Kinderzuschlag, wenn das Kind nach den §§ 11 bis 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen hat. Bei der Berücksichtigung des Einkommens bleiben das Wohngeld, das Kindergeld und der Kinderzuschlag außer Betracht. Der Kinderzuschlag wird um 45 Prozent des zu berücksichtigenden Einkommens des Kindes monatlich gemindert. Ein Anspruch auf Zahlung des Kinderzuschlags für ein Kind besteht nicht, wenn zumutbare Anstrengungen unterlassen wurden, Ansprüche auf Einkommen des Kindes geltend zu machen. § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Vermögen nur berücksichtigt wird, wenn es erheblich ist. Ist das zu berücksichtigende Vermögen höher als der nach den Sätzen 1 bis 5 verbleibende monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, so dass es den Kinderzuschlag für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums vollständig mindert, entfällt der Anspruch auf Kinderzuschlag. Ist das zu berücksichtigende Vermögen niedriger als der monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, ist der Kinderzuschlag im ersten Monat des Bewilligungszeitraums um einen Betrag in Höhe des zu berücksichtigenden Vermögens zu mindern und ab dem folgenden Monat Kinderzuschlag ohne Minderung wegen des Vermögens zu zahlen.

(4) Die Summe der einzelnen Kinderzuschläge nach den Absätzen 2 und 3 bildet den Gesamtkinderzuschlag.

(5) Der Gesamtkinderzuschlag wird in voller Höhe gewährt, wenn das nach den §§ 11 bis 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kinderzuschlags zu berücksichtigende Einkommen der Eltern einen Betrag in Höhe der bei der Berechnung des Bürgergeldes zu berücksichtigenden Bedarfe der Eltern (Gesamtbedarf der Eltern) nicht übersteigt und kein zu berücksichtigendes Vermögen der Eltern nach § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vorhanden ist. Als Einkommen oder Vermögen der Eltern gilt dabei dasjenige der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft mit Ausnahme des Einkommens oder Vermögens der in dem Haushalt lebenden Kinder. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Zur Feststellung des Gesamtbedarfs der Eltern sind die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in dem Verhältnis aufzuteilen, das sich aus den im 12. Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern festgestellten entsprechenden Bedarfen für Alleinstehende, Ehepaare, Lebenspartnerschaften und Kinder ergibt.

(6) Der Gesamtkinderzuschlag wird um das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern gemindert, soweit es deren Bedarf übersteigt. Wenn das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern nicht nur aus Erwerbseinkünften besteht, ist davon auszugehen, dass die Überschreitung des Gesamtbedarfs der Eltern durch die Erwerbseinkünfte verursacht wird, wenn nicht die Summe der anderen Einkommensteile für sich genommen diesen maßgebenden Betrag übersteigt. Der Gesamtkinderzuschlag wird um 45 Prozent des Betrags, um den die monatlichen Erwerbseinkünfte den maßgebenden Betrag übersteigen, monatlich gemindert. Anderes Einkommen oder Vermögen der Eltern mindern den Gesamtkinderzuschlag in voller Höhe. Bei der Berücksichtigung des Vermögens gilt Absatz 3 Satz 6 und 7 entsprechend.

(7) Über den Gesamtkinderzuschlag ist jeweils für sechs Monate zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum beginnt mit dem Monat, in dem der Antrag gestellt wird, jedoch frühestens nach Ende eines laufenden Bewilligungszeitraums. Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen während des laufenden Bewilligungszeitraums sind abweichend von § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch nicht zu berücksichtigen, es sei denn, die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft oder der Höchstbetrag des Kinderzuschlags ändert sich. Wird ein neuer Antrag gestellt, unverzüglich nachdem der Verwaltungsakt nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch wegen einer Änderung der Bedarfsgemeinschaft aufgehoben worden ist, so beginnt ein neuer Bewilligungszeitraum unmittelbar nach dem Monat, in dem sich die Bedarfsgemeinschaft geändert hat.

(8) Für die Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens ist der Durchschnitt des Einkommens aus den sechs Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich. Bei Personen, die den selbst genutzten Wohnraum mieten, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die laufenden Bedarfe für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Bei Personen, die an dem selbst genutzten Wohnraum Eigentum haben, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die Bedarfe aus den durchschnittlichen Monatswerten des Kalenderjahres vor Beginn des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Liegen die entsprechenden Monatswerte für den Wohnraum nicht vor, soll abweichend von Satz 3 ein Durchschnitt aus den letzten vorliegenden Monatswerten für den Wohnraum zugrunde gelegt werden, nicht jedoch aus mehr als zwölf Monatswerten. Im Übrigen sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich.

(1) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen bleiben bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt.

(2) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen dürfen bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(3) Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, bleibt das Elterngeld nur bis zur Hälfte des Anrechnungsfreibetrags, der nach Abzug der anderen nach Absatz 1 nicht zu berücksichtigenden Einnahmen für das Elterngeld verbleibt, als Einkommen unberücksichtigt und darf nur bis zu dieser Höhe nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(4) Die nach den Absätzen 1 bis 3 nicht zu berücksichtigenden oder nicht heranzuziehenden Beträge vervielfachen sich bei Mehrlingsgeburten mit der Zahl der geborenen Kinder.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bei den in Satz 1 bezeichneten Leistungen bleiben das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf das Elterngeld angerechneten Einnahmen in Höhe des nach § 2 Absatz 1 berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, verringern sich die Beträge nach Satz 2 um die Hälfte. Abweichend von Satz 2 bleibt Mutterschaftsgeld gemäß § 19 des Mutterschutzgesetzes in voller Höhe unberücksichtigt.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend, soweit für eine Sozialleistung ein Kostenbeitrag erhoben werden kann, der einkommensabhängig ist.

(1) Personen erhalten für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn

1.
sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 haben,
2.
sie mit Ausnahme des Wohngeldes, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags über Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in Höhe von mindestens 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von mindestens 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nicht abzusetzen sind, und
3.
bei Bezug des Kinderzuschlags keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch besteht, wobei die Bedarfe nach § 28 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch außer Betracht bleiben. Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit ist das für den Antragsmonat bewilligte Wohngeld zu berücksichtigen. Wird kein Wohngeld bezogen und könnte mit Wohngeld und Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit vermieden werden, ist bei der Prüfung Wohngeld in der Höhe anzusetzen, in der es voraussichtlich für den Antragsmonat zu bewilligen wäre.

(1a) Ein Anspruch auf Kinderzuschlag besteht abweichend von Absatz 1 Nummer 3, wenn

1.
bei Bezug von Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit besteht, der Bedarfsgemeinschaft zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit aber mit ihrem Einkommen, dem Kinderzuschlag und dem Wohngeld höchstens 100 Euro fehlen,
2.
sich bei der Ermittlung des Einkommens der Eltern nach § 11b Absatz 2 bis 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch wegen Einkommen aus Erwerbstätigkeit Absetzbeträge in Höhe von mindestens 100 Euro ergeben und
3.
kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem Zweiten oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erhält oder beantragt hat.

(2) Der monatliche Höchstbetrag des Kinderzuschlags deckt zusammen mit dem für ein erstes Kind nach § 66 des Einkommensteuergesetzes zu zahlenden Kindergeld ein Zwölftel des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums eines Kindes für das jeweilige Kalenderjahr mit Ausnahme des Anteils für Bildung und Teilhabe. Steht dieses Existenzminimum eines Kindes zu Beginn eines Jahres nicht fest, ist insoweit der für das Jahr geltende Betrag für den Mindestunterhalt eines Kindes in der zweiten Altersstufe nach der Mindestunterhaltsverordnung maßgeblich. Als Höchstbetrag des Kinderzuschlags in dem jeweiligen Kalenderjahr gilt der Betrag, der sich zu Beginn des Jahres nach den Sätzen 1 und 2 ergibt, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe des Vorjahres. Der Betrag nach Satz 3 erhöht sich ab 1. Juli 2022 um einen Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro.

(3) Ausgehend vom Höchstbetrag mindert sich der jeweilige Kinderzuschlag, wenn das Kind nach den §§ 11 bis 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen hat. Bei der Berücksichtigung des Einkommens bleiben das Wohngeld, das Kindergeld und der Kinderzuschlag außer Betracht. Der Kinderzuschlag wird um 45 Prozent des zu berücksichtigenden Einkommens des Kindes monatlich gemindert. Ein Anspruch auf Zahlung des Kinderzuschlags für ein Kind besteht nicht, wenn zumutbare Anstrengungen unterlassen wurden, Ansprüche auf Einkommen des Kindes geltend zu machen. § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Vermögen nur berücksichtigt wird, wenn es erheblich ist. Ist das zu berücksichtigende Vermögen höher als der nach den Sätzen 1 bis 5 verbleibende monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, so dass es den Kinderzuschlag für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums vollständig mindert, entfällt der Anspruch auf Kinderzuschlag. Ist das zu berücksichtigende Vermögen niedriger als der monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, ist der Kinderzuschlag im ersten Monat des Bewilligungszeitraums um einen Betrag in Höhe des zu berücksichtigenden Vermögens zu mindern und ab dem folgenden Monat Kinderzuschlag ohne Minderung wegen des Vermögens zu zahlen.

(4) Die Summe der einzelnen Kinderzuschläge nach den Absätzen 2 und 3 bildet den Gesamtkinderzuschlag.

(5) Der Gesamtkinderzuschlag wird in voller Höhe gewährt, wenn das nach den §§ 11 bis 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kinderzuschlags zu berücksichtigende Einkommen der Eltern einen Betrag in Höhe der bei der Berechnung des Bürgergeldes zu berücksichtigenden Bedarfe der Eltern (Gesamtbedarf der Eltern) nicht übersteigt und kein zu berücksichtigendes Vermögen der Eltern nach § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vorhanden ist. Als Einkommen oder Vermögen der Eltern gilt dabei dasjenige der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft mit Ausnahme des Einkommens oder Vermögens der in dem Haushalt lebenden Kinder. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Zur Feststellung des Gesamtbedarfs der Eltern sind die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in dem Verhältnis aufzuteilen, das sich aus den im 12. Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern festgestellten entsprechenden Bedarfen für Alleinstehende, Ehepaare, Lebenspartnerschaften und Kinder ergibt.

(6) Der Gesamtkinderzuschlag wird um das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern gemindert, soweit es deren Bedarf übersteigt. Wenn das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern nicht nur aus Erwerbseinkünften besteht, ist davon auszugehen, dass die Überschreitung des Gesamtbedarfs der Eltern durch die Erwerbseinkünfte verursacht wird, wenn nicht die Summe der anderen Einkommensteile für sich genommen diesen maßgebenden Betrag übersteigt. Der Gesamtkinderzuschlag wird um 45 Prozent des Betrags, um den die monatlichen Erwerbseinkünfte den maßgebenden Betrag übersteigen, monatlich gemindert. Anderes Einkommen oder Vermögen der Eltern mindern den Gesamtkinderzuschlag in voller Höhe. Bei der Berücksichtigung des Vermögens gilt Absatz 3 Satz 6 und 7 entsprechend.

(7) Über den Gesamtkinderzuschlag ist jeweils für sechs Monate zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum beginnt mit dem Monat, in dem der Antrag gestellt wird, jedoch frühestens nach Ende eines laufenden Bewilligungszeitraums. Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen während des laufenden Bewilligungszeitraums sind abweichend von § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch nicht zu berücksichtigen, es sei denn, die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft oder der Höchstbetrag des Kinderzuschlags ändert sich. Wird ein neuer Antrag gestellt, unverzüglich nachdem der Verwaltungsakt nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch wegen einer Änderung der Bedarfsgemeinschaft aufgehoben worden ist, so beginnt ein neuer Bewilligungszeitraum unmittelbar nach dem Monat, in dem sich die Bedarfsgemeinschaft geändert hat.

(8) Für die Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens ist der Durchschnitt des Einkommens aus den sechs Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich. Bei Personen, die den selbst genutzten Wohnraum mieten, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die laufenden Bedarfe für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Bei Personen, die an dem selbst genutzten Wohnraum Eigentum haben, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die Bedarfe aus den durchschnittlichen Monatswerten des Kalenderjahres vor Beginn des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Liegen die entsprechenden Monatswerte für den Wohnraum nicht vor, soll abweichend von Satz 3 ein Durchschnitt aus den letzten vorliegenden Monatswerten für den Wohnraum zugrunde gelegt werden, nicht jedoch aus mehr als zwölf Monatswerten. Im Übrigen sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich.

(1) Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1 800 Euro monatlich für volle Lebensmonate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus

1.
nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Einkommensteuergesetzes sowie
2.
Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes,
die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b oder in Lebensmonaten der Bezugszeit nach § 2 Absatz 3 hat.

(2) In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1 000 Euro war, erhöht sich der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 000 Euro unterschreitet, auf bis zu 100 Prozent. In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1 200 Euro war, sinkt der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 200 Euro überschreitet, auf bis zu 65 Prozent.

(3) Für Lebensmonate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat, das durchschnittlich geringer ist als das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, wird Elterngeld in Höhe des nach Absatz 1 oder 2 maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt ist dabei höchstens der Betrag von 2 770 Euro anzusetzen. Der Unterschiedsbetrag nach Satz 1 ist für das Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Lebensmonaten, in denen die berechtigte Person Basiselterngeld in Anspruch nimmt, und in Lebensmonaten, in denen sie Elterngeld Plus im Sinne des § 4a Absatz 2 in Anspruch nimmt, getrennt zu berechnen.

(4) Elterngeld wird mindestens in Höhe von 300 Euro gezahlt. Dies gilt auch, wenn die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat.

(1) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen bleiben bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt.

(2) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen dürfen bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(3) Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, bleibt das Elterngeld nur bis zur Hälfte des Anrechnungsfreibetrags, der nach Abzug der anderen nach Absatz 1 nicht zu berücksichtigenden Einnahmen für das Elterngeld verbleibt, als Einkommen unberücksichtigt und darf nur bis zu dieser Höhe nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(4) Die nach den Absätzen 1 bis 3 nicht zu berücksichtigenden oder nicht heranzuziehenden Beträge vervielfachen sich bei Mehrlingsgeburten mit der Zahl der geborenen Kinder.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bei den in Satz 1 bezeichneten Leistungen bleiben das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf das Elterngeld angerechneten Einnahmen in Höhe des nach § 2 Absatz 1 berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, verringern sich die Beträge nach Satz 2 um die Hälfte. Abweichend von Satz 2 bleibt Mutterschaftsgeld gemäß § 19 des Mutterschutzgesetzes in voller Höhe unberücksichtigt.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend, soweit für eine Sozialleistung ein Kostenbeitrag erhoben werden kann, der einkommensabhängig ist.

(1) Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1 800 Euro monatlich für volle Lebensmonate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus

1.
nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Einkommensteuergesetzes sowie
2.
Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes,
die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b oder in Lebensmonaten der Bezugszeit nach § 2 Absatz 3 hat.

(2) In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1 000 Euro war, erhöht sich der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 000 Euro unterschreitet, auf bis zu 100 Prozent. In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1 200 Euro war, sinkt der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 200 Euro überschreitet, auf bis zu 65 Prozent.

(3) Für Lebensmonate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat, das durchschnittlich geringer ist als das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, wird Elterngeld in Höhe des nach Absatz 1 oder 2 maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt ist dabei höchstens der Betrag von 2 770 Euro anzusetzen. Der Unterschiedsbetrag nach Satz 1 ist für das Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Lebensmonaten, in denen die berechtigte Person Basiselterngeld in Anspruch nimmt, und in Lebensmonaten, in denen sie Elterngeld Plus im Sinne des § 4a Absatz 2 in Anspruch nimmt, getrennt zu berechnen.

(4) Elterngeld wird mindestens in Höhe von 300 Euro gezahlt. Dies gilt auch, wenn die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat.

(1) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen bleiben bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt.

(2) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen dürfen bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(3) Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, bleibt das Elterngeld nur bis zur Hälfte des Anrechnungsfreibetrags, der nach Abzug der anderen nach Absatz 1 nicht zu berücksichtigenden Einnahmen für das Elterngeld verbleibt, als Einkommen unberücksichtigt und darf nur bis zu dieser Höhe nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(4) Die nach den Absätzen 1 bis 3 nicht zu berücksichtigenden oder nicht heranzuziehenden Beträge vervielfachen sich bei Mehrlingsgeburten mit der Zahl der geborenen Kinder.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bei den in Satz 1 bezeichneten Leistungen bleiben das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf das Elterngeld angerechneten Einnahmen in Höhe des nach § 2 Absatz 1 berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, verringern sich die Beträge nach Satz 2 um die Hälfte. Abweichend von Satz 2 bleibt Mutterschaftsgeld gemäß § 19 des Mutterschutzgesetzes in voller Höhe unberücksichtigt.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend, soweit für eine Sozialleistung ein Kostenbeitrag erhoben werden kann, der einkommensabhängig ist.

(1) Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1 800 Euro monatlich für volle Lebensmonate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus

1.
nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Einkommensteuergesetzes sowie
2.
Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes,
die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b oder in Lebensmonaten der Bezugszeit nach § 2 Absatz 3 hat.

(2) In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt geringer als 1 000 Euro war, erhöht sich der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 000 Euro unterschreitet, auf bis zu 100 Prozent. In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1 200 Euro war, sinkt der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 200 Euro überschreitet, auf bis zu 65 Prozent.

(3) Für Lebensmonate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat, das durchschnittlich geringer ist als das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, wird Elterngeld in Höhe des nach Absatz 1 oder 2 maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt. Als Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt ist dabei höchstens der Betrag von 2 770 Euro anzusetzen. Der Unterschiedsbetrag nach Satz 1 ist für das Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Lebensmonaten, in denen die berechtigte Person Basiselterngeld in Anspruch nimmt, und in Lebensmonaten, in denen sie Elterngeld Plus im Sinne des § 4a Absatz 2 in Anspruch nimmt, getrennt zu berechnen.

(4) Elterngeld wird mindestens in Höhe von 300 Euro gezahlt. Dies gilt auch, wenn die berechtigte Person vor der Geburt des Kindes kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat.

(1) Außer den in § 11a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Einnahmen sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen:

1.
Einnahmen, wenn sie innerhalb eines Kalendermonats 10 Euro nicht übersteigen,
2.
(weggefallen)
3.
Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit sie 100 Euro kalenderjährlich nicht übersteigen,
4.
nicht steuerpflichtige Einnahmen einer Pflegeperson für Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung,
5.
bei Soldaten der Auslandsverwendungszuschlag,
6.
die aus Mitteln des Bundes gezahlte Überbrückungsbeihilfe nach Artikel IX Abs. 4 des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) vom 19. Juni 1951 (BGBl. 1961 II S. 1190) an ehemalige Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften und nach Artikel 5 des Gesetzes zu den Notenwechseln vom 25. September 1990 und 23. September 1991 über die Rechtsstellung der in Deutschland stationierten verbündeten Streitkräfte und zu den Übereinkommen vom 25. September 1990 zur Regelung bestimmter Fragen in Bezug auf Berlin vom 3. Januar 1994 (BGBl. 1994 II S. 26) an ehemalige Arbeitnehmer bei den alliierten Streitkräften in Berlin,
7.
nach § 3 Nummer 11c des Einkommensteuergesetzes steuerfrei gewährte Leistungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbrauchspreise,
8.
Kindergeld für Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird,
9.
bei Beziehenden von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Einnahmen aus Erwerbstätigkeit, soweit sie einen Betrag von 100 Euro monatlich nicht übersteigen,
10.
nach § 3 Nummer 11a oder 11b des Einkommensteuergesetzes steuerfrei gewährte Leistungen aufgrund der COVID-19-Pandemie sowie den Leistungen nach § 3 Nummer 11a des Einkommensteuergesetzes entsprechende Zahlungen aus den Haushalten des Bundes und der Länder,
11.
Verpflegung, die außerhalb der in den §§ 2, 3 und 4 Nummer 4 genannten Einkommensarten bereitgestellt wird,
12.
Geldgeschenke an Minderjährige anlässlich der Firmung, Kommunion, Konfirmation oder vergleichbarer religiöser Feste sowie anlässlich der Jugendweihe, soweit sie den Betrag von 3 100 Euro nicht überschreiten,
13.
die auf Grund eines Bundesprogramms gezahlten Außerordentlichen Wirtschaftshilfen zur Abfederung von Einnahmeausfällen, die ab dem 2. November 2020 infolge der vorübergehenden Schließung von Betrieben und Einrichtungen entstanden sind (Novemberhilfe und Dezemberhilfe),
14.
die pauschalierten Betriebskostenzuschüsse, die auf Grund des Förderelements „Neustarthilfe“ des Bundesprogramms Überbrückungshilfe III gezahlt werden,
15.
Hilfen zur Beschaffung von Hygiene- oder Gesundheitsartikeln, die auf Grund einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, die vom Deutschen Bundestag gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes festgestellt worden ist, aus Mitteln des Bundes oder der Länder gezahlt werden,
16.
in der Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 30. Juni 2023 erzielte Einnahmen von Schülerinnen und Schülern allgemein- oder berufsbildender Schulen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, aus Erwerbstätigkeiten, die in den Schulferien ausgeübt werden, soweit diese einen Betrag in Höhe von 2 400 Euro kalenderjährlich nicht überschreiten; dies gilt nicht für Schülerinnen und Schüler, die einen Anspruch auf Ausbildungsvergütung haben.

(2) Bei der § 9 Abs. 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zugrunde liegenden Vermutung, dass Verwandte und Verschwägerte an mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebende Hilfebedürftige Leistungen erbringen, sind die um die Absetzbeträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch bereinigten Einnahmen in der Regel nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie einen Freibetrag in Höhe des doppelten Betrags des nach § 20 Absatz 2 Satz 1 maßgebenden Regelbedarfs zuzüglich der anteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowie darüber hinausgehend 50 Prozent der diesen Freibetrag übersteigenden bereinigten Einnahmen nicht überschreiten. § 11a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(3) Die Verletztenrente nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch ist teilweise nicht als Einkommen zu berücksichtigen, wenn sie auf Grund eines in Ausübung der Wehrpflicht bei der Nationalen Volksarmee der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik erlittenen Gesundheitsschadens erbracht wird. Dabei bestimmt sich die Höhe des nicht zu berücksichtigenden Betrages nach der Höhe der Grundrente nach § 31 des Bundesversorgungsgesetzes, die für den Grad der Schädigungsfolgen zu zahlen ist, der der jeweiligen Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 Prozent beträgt der nicht zu berücksichtigende Betrag zwei Drittel, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 Prozent ein Drittel der Mindestgrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.

(1) Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind

1.
Leistungen nach diesem Buch,
2.
die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen,
3.
die Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz,
4.
Aufwandspauschalen nach § 1878 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kalenderjährlich bis zu dem in § 3 Nummer 26 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes genannten Betrag,
5.
Aufwandsentschädigungen oder Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten, die nach § 3 Nummer 12, Nummer 26 oder Nummer 26a des Einkommensteuergesetzes steuerfrei sind, soweit diese Einnahmen einen Betrag in Höhe von 3 000 Euro im Kalenderjahr nicht überschreiten,
6.
Mutterschaftsgeld nach § 19 des Mutterschutzgesetzes
7.
Erbschaften.

(2) Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der kein Vermögensschaden ist, nach § 253 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geleistet werden, sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

(3) Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen. Abweichend von Satz 1 sind als Einkommen zu berücksichtigen

1.
die Leistungen nach § 39 des Achten Buches, die für den erzieherischen Einsatz erbracht werden,
a)
für das dritte Pflegekind zu 75 Prozent,
b)
für das vierte und jedes weitere Pflegekind vollständig,
2.
die Leistungen nach § 23 des Achten Buches,
3.
die Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz sowie vergleichbare Leistungen der Begabtenförderungswerke; § 14b Absatz 2 Satz 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bleibt unberührt,
4.
die Berufsausbildungsbeihilfe nach dem Dritten Buch mit Ausnahme der Bedarfe nach § 64 Absatz 3 Satz 1 des Dritten Buches sowie
5.
Reisekosten zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 127 Absatz 1 Satz 1 des Dritten Buches in Verbindung mit § 73 des Neunten Buches.

(4) Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie die Lage der Empfängerinnen und Empfänger nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.

(5) Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit

1.
ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre oder
2.
sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären.

(6) Überbrückungsgeld nach § 51 des Strafvollzugsgesetzes oder vergleichbare Leistungen nach landesrechtlichen Regelungen sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

(7) Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen von Schülerinnen und Schülern allgemein- oder berufsbildender Schulen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, aus Erwerbstätigkeiten, die in den Schulferien ausgeübt werden. Satz 1 gilt nicht für eine Ausbildungsvergütung, auf die eine Schülerin oder ein Schüler einen Anspruch hat.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch auf Kinderzuschlag für die Monate Januar bis März 2011.

2

Die Beklagte bewilligte dem Kläger, der ein Erwerbseinkommen erzielte, unter Berücksichtigung seiner Kinder T (geb 2000), M (geb 2007) und N (geb 2010) in den Monaten April 2010 bis Dezember 2010 jeweils einen Kinderzuschlag in einer Gesamthöhe von 330 Euro monatlich. Seinen Weiterbewilligungsantrag vom 17.12.2010 lehnte sie ab: Unter Berücksichtigung des an die Ehefrau des Klägers geleisteten Elterngeldes, welches nach der Novelle des Elterngeldgesetzes ab Januar 2011 anzurechnen sei, könne keine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II eintreten (Bescheid vom 22.12.2010; Widerspruchsbescheid vom 28.2.2011). Nach Beendigung des Elterngeldbezugs wurde der Kinderzuschlag erneut ab 1.4.2011 geleistet.

3

Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid vom 21.1.2013 zurückgewiesen (Urteil vom 22.10.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Kinderzuschlag scheitere daran, dass das anrechenbare Einkommen des Klägers und der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen den maßgeblichen Bedarf übersteige. Die Bewilligung eines Kinderzuschlags könne unabhängig von seiner konkreten Höhe und Berechnung nicht dazu führen, dass eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II vermieden werde. Es seien die laufenden Einkünfte des Klägers aus seiner Beschäftigung bei der Firma Möbel B (1706 Euro jeweils im Januar/Februar 2011; 1806 Euro im März 2011) und das an die Ehefrau bis einschließlich März 2011 erbrachte Elterngeld in Höhe von 300 Euro, von dem die Versicherungspauschale abzusetzen sei, zu berücksichtigen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anrechnung des Elterngeldes durch die zum 1.1.2011 in Kraft getretene Neuregelung des § 10 Abs 5 S 1 BEEG bestünden nicht. Dies folge aus den Entscheidungen des BVerfG vom 11.3.2011 zur Anrechnung des Kindergeldes (1 BvR 3163/09) und vom 20.4.2011 zur Stichtagsregelung beim Elterngeld (1 BvR 1811/08). Von dem Erwerbseinkommen des Klägers seien neben den bereits vom Arbeitgeber abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen der Erwerbstätigen- und der Grundfreibetrag in Abzug zu bringen. Es ergebe sich ein anrechenbarer Betrag von 1033,83 Euro (Januar/Februar 2011) bzw 1100,70 Euro (März 2011). Hinzuzurechnen sei monatlich der zwölfte Teil des anteiligen Weihnachtsgeldes. Hiervon entfalle auf die Monate Januar bis März 2011 jeweils ein Betrag in Höhe von 102,74 Euro, sodass für Januar/Februar 2011 je 1136,57 Euro und im März 2011 1203,44 Euro als Gesamteinkünfte der Bedarfsgemeinschaft zugrunde zu legen seien. Hinzu komme - je Monat - das Kindergeld und das Wohngeld. Es ergebe sich ein anrechenbares Einkommen im Januar/Februar 2011 von jeweils 2119,57 Euro und im März 2011 von 2186,44 Euro. Der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft errechne sich aus den Regelleistungen für die Eheleute von jeweils 328 Euro, dem Sozialgeld für T in Höhe von 251 Euro sowie für M und N in Höhe von jeweils 215 Euro. Zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 569,12 Euro monatlich bestehe ein unterhalb des anrechenbaren Einkommens liegender Gesamtbedarf in den Monaten von Januar bis März 2011 von jeweils 1906,12 Euro.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger einen Verstoß des § 10 Abs 5 Bundeselterngeld und -Elternzeitgesetz (BEEG) gegen Art 2 Abs 1 GG, den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG und das Sozialstaatsprinzip. Bei der Familienleistung des Elterngeldes differenziere der Gesetzgeber zwischen den Eltern und schließe die ärmsten Eltern und deren Kinder von einer Förderung aus, ohne dass ein rechtfertigender Grund ersichtlich sei. Unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der Erziehungspersonen werde das Elterngeld stets mindestens in Höhe von 300 Euro gezahlt; es entfalle erst bei einem Jahreseinkommen von mehr als 250 000/500 000 Euro. Der Sockelbetrag des Elterngeldes sei daher keine Entgeltersatzleistung und keine solche zum Lebensunterhalt; er solle die Anerkennung für die Erziehungs- und Betreuungsleistung von Eltern zum Ausdruck bringen und einen Schonraum in der Frühphase der Elternschaft ohne größere finanzielle Nöte schaffen. Zwischen den Erziehungspersonen mit und ohne Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II/SGB XII bzw auf den Kinderzuschlag bestünden keine, die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Unterschiede im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG. Soweit der Gesetzgeber haushaltspolitische Gründe anführe, sei nicht ersichtlich, warum das Elterngeld gerade bei denjenigen faktisch entfalle, die es am meisten bräuchten. Der Gesetzgeber müsse begründen, warum er armen Eltern den Schonraum für eine Erziehung in der Anfangszeit verwehre. Auch der Vergleich mit anderen, zuvor gleichfalls nicht erwerbstätigen Beziehern anderer Sozialleistungen mache die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung deutlich. Über die wirtschaftliche Belastung der Eltern wirke sich die Differenzierung auch auf die betreuten Kinder aus.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22.10.2013 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 21.1.2013 aufzuheben sowie den Bescheid vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.2.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Monate Januar bis März 2011 Kinderzuschlag in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zur Recht zurückgewiesen, weil er in dem streitigen Zeitraum von Januar bis März 2011 keinen Kinderzuschlag beanspruchen kann.

9

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.2.2011, mit dem die Beklagte für den hier streitigen Zeitraum von Januar 2011 bis März 2011 (Zeitraum des Elterngeldbezugs in Höhe von 300 Euro durch die Ehefrau des Klägers) die Leistung eines Kinderzuschlags abgelehnt hat. Gegen diese Bescheide wendet sich der Kläger zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG, § 56 SGG).

10

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in der hier mit Wirkung zum 1.1.2011 in Kraft getretenen Normfassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII vom 24.3.2011 (BGBl I 453; im Folgenden: § 6a BKGG aF).

11

Nach § 6a Abs 1 BKGG aF erhalten Personen nach dem BKGG für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn 1. sie für diese Kinder nach dem BKGG oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen iS von § 4 BKGG haben, 2. sie mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kindergeldes über Einkommen iS von § 11 Abs 1 S 1 SGB II in Höhe von 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b SGB II nicht abzusetzen sind (sog "Mindesteinkommensgrenze"), 3. sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen iS der §§ 11 bis 12 SGB II verfügen, das höchstens dem nach § 6a Abs 4 S 1 BKGG für sie maßgebenden Betrag zuzüglich dem Gesamtkinderzuschlag nach § 6a Abs 2 BKGG entspricht ("Höchsteinkommensgrenze") und 4. durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird.

12

Das LSG ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass - unbesehen der konkreten Höhe des Kinderzuschlags, dessen Berechnung es nicht bedarf - schon die Anspruchsvoraussetzung des § 6a Abs 1 Nr 4 S 1 BKGG aF nicht erfüllt ist, dass durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird. Diese Anspruchsvoraussetzung beinhaltet die Prüfung, ob ohne die Zahlung des Kinderzuschlags Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II gegeben wäre (Kühl in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 6a BKGG RdNr 45). Ob durch die Bewilligung eines Kinderzuschlags im Sinne eines kausalen Zusammenhangs eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II vermieden werden kann, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung des anrechenbaren Einkommens und Vermögens und der Bedarfe sämtlicher Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 6a BKGG RdNr 120, Stand 4/2014). Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das an die Ehefrau des Klägers in den Monaten Januar bis März 2011 gezahlte Elterngeld in Höhe von 300 Euro (Mindestelterngeld) als bedarfsminderndes Einkommen bei der Prüfung einer Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu berücksichtigen ist (s hierzu 3.). Dies führt im Ergebnis dazu, dass das anrechenbare Einkommen der Bedarfsgemeinschaft deren Gesamtbedarf übersteigt (s zur Berechnung im Einzelnen unter 6.). Die notwendige Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs 5 S 1 BEEG kann sich der Senat nicht bilden(s hierzu 4.), insbesondere auch nicht bezogen auf einen möglichen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG (s hierzu 5.).

13

3. a) Nach Maßgabe der einfachgesetzlichen Vorschriften mindert das Elterngeld als Einkommen der Ehefrau des Klägers die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft iS des § 6a Abs 1 Nr 4 BKGG aF iVm § 11 SGB II.

14

Zu der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit nach § 6a Abs 1 Nr 4 BKGG aF haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits entschieden, dass auf den Begriff des Einkommens und des Vermögens nach den §§ 11 bis 13 SGB II abzustellen ist. Insbesondere die gesetzliche Zielsetzung, das Aufeinander-Bezogen-Sein und der wechselseitige Ausschluss der Leistungssysteme nach dem SGB II und nach § 6a BKGG sprechen für eine Parallelität der Rechtsanwendung(vgl BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 13 ff; BSG Urteil vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 69 RdNr 14).

15

Nach § 11 Abs 1 S 1 SGB II in der hier maßgeblichen bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung (des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 zuletzt geändert durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 9.12.2010 im Folgenden: § 11 SGB II aF)sind als Einkommen die Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an Körper und Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG zu berücksichtigen.

16

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass das an die Ehefrau des Klägers in den Monaten Januar bis März 2011 erbrachte Elterngeld in Höhe von 300 Euro als Einkommen anzurechnen ist.

17

b) Zwar sah § 10 Abs 1 BEEG in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006 (BGBl I 2748) vor, dass das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 BEEG auf das Elterngeld angerechneten Leistungen bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt blieben. Dies galt auch bei Bezug von Leistungen der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitsuchende (BT-Drucks 16/1889, S 26). Entsprechend bestimmte § 11 Abs 3a SGB II idF des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006 (BGBl I 2748) als Ausnahmeregelung zur Einkommensanrechnung klarstellend, dass abweichend von § 11 Abs 1 bis 3 SGB II derjenige Teil des Elterngeldes, der die nach § 10 BEEG anrechnungsfreien Beträge überstieg, in voller Höhe zu berücksichtigen war. Mit Wirkung zum 1.1.2011 ist jedoch durch Art 14 Nr 4 HBeglG 2011 vom 9.12.2010 die Vorschrift des § 10 Abs 5 BEEG(BGBl I 1885) eingefügt worden. § 10 Abs 5 S 1 BEEG bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass die Regelung des § 10 Abs 1 BEEG, nach der das Elterngeld bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt bleibt, nicht bei Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und für den Kinderzuschlag nach § 6a BKGG gilt. Als Folgeregelung wurde § 11 Abs 3a SGB II aufgehoben(Art 15 Nr 2 HBeglG 2011).

18

Die Voraussetzungen der Rückausnahme des § 10 Abs 5 S 2 BEEG liegen hier nicht vor. Nach § 10 Abs 5 S 2 BEEG bleibt bei den Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und nach § 6a BKGG das Elterngeld in Höhe des nach § 2 Abs 1 BEEG berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Eine solche Fallgestaltung ist nicht gegeben, weil die Ehefrau des Klägers vor der Geburt kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielte.

19

c) Es kann dahinstehen, ob § 10 Abs 5 BEEG mit Wirkung zum 1.1.2011 eine abschließende (negative) Zweckbestimmung zur Verwendung des Elterngeldes zur Sicherung des Existenzminimums anordnet bzw eine anderweitige Zweckbestimmung hindert (vgl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11a RdNr 316, Stand 1/2015; Söhngen in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 11a RdNr 37). Jedenfalls ergeben sich aus den sonstigen Regelungen des BEEG und des SGB II keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Elterngeld um eine zweckgebundene Leistung im Sinne des SGB II handelte.

20

Nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II in der hier maßgeblichen Normfassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3.8.2010 ( im Folgenden: § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II aF)sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Entsprechend dem allgemeinen Grundsatz der Nachrangigkeit von SGB II-Leistungen soll die Vorschrift verhindern, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden (BSG Urteil vom 5.9.2007 - B 11b AS 15/06 R - BSGE 99, 47 = SozR 4-4200 § 11 Nr 5, RdNr 28; BSG Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 16/06 R - BSGE 99, 240 = SozR 4-4200 § 11 Nr 8, RdNr 16). Die Außerachtlassung von Einnahmen erfolgt nur unter engen Voraussetzungen, die ausdrücklich durch die besondere Zweckbestimmung der weiteren Einnahmen gerechtfertigt sein müssen.

21

Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate haben insofern gefordert, dass die Leistungen zu einem ausdrücklich genannten Verwendungszweck gewährt werden, der über den durch die Zahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II verfolgten Zweck der Sicherung des Lebensunterhalts hinausgeht. Eine solche Zweckbestimmung ist nach der hier maßgebenden Rechtslage bis zum 31.3.2011 in erster Linie dem Wortlaut der Regelungen, aber auch deren Systematik und Entstehungsgeschichte zu entnehmen (vgl ab 1.4.2011 die ausdrücklich formulierte Anforderung des § 11a Abs 3 SGB II: "Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen"). Einen abweichenden Verwendungszweck hat der Senat zB für die Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungs-förderungsgesetz (BAföG) angenommen, weil in den §§ 1, 11 Abs 1 BAföG als zwei neben-einander ausdrücklich genannten Zweckbestimmungen sowohl die Deckung des Lebensunterhalts während der Ausbildung als auch die Deckung der Kosten der Ausbildung genannt werden(BSG Urteil vom 17.3.2009 - B 14 AS 63/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 21 RdNr 24). Verneint wurde dies andererseits für das Ausbildungsgeld, weil sich weder in dem Wortlaut der Regelungen noch entstehungsgeschichtlich Anhaltspunkte dafür fanden, dass der Gesetzgeber mit dem Ausbildungsgeld eine besondere, über die Lebensunterhaltssicherung hinausgehende Zwecksetzung verfolgt hätte (BSG Urteil vom 16.6.2015 - B 4 AS 37/14 R -SozR 4-4200 § 27 Nr 2 RdNr 29 mwN).

22

Für das Elterngeld ist ein solcher konkreter Verwendungszweck nicht vorhanden (so auch Schmidt in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 11a RdNr 20). Der Ausgestaltung des BEEG und den in den Gesetzesmaterialien formulierten Vorstellungen des Gesetzgebers von der Funktion des Elterngeldes, insbesondere des Mindestelterngeldes, sind lediglich verschiedene Ziele des Elterngeldes zu entnehmen, die sich jedoch nicht zu einer eigenständigen Bestimmung eines konkreten Verwendungszwecks im Sinne des SGB II verdichtet haben. Eine gesetzgeberische Zweckbestimmung zur Verwendung des Mindestelterngeldes von 300 Euro im Sinne eines konkreten Verwendungszwecks, die als Differenzierungsverbot iS des Art 3 Abs 1 GG (vgl hierzu näher unter 5.) die generelle Herausnahme dieses Betrags aus dem Nachranggrundsatz erfordern könnte, hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen (so auch Frerichs in Sozialrecht aktuell 2011, 167, 170).

23

4. Die notwendige Überzeugung von einer Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs 5 S 1 BEEG(vgl zu den Voraussetzungen einer Vorlage nach Art 100 Abs 1 GG nur BVerfG Beschluss vom 4.6.2012 - 2 BvL 9/08 ua - BVerfGE 131, 88, 117 f; s auch BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 36 zu § 10 Abs 5 BEEG)kann sich der Senat - in der hier allein zu prüfenden Sachverhaltskonstellation einer Berücksichtigung (auch) des Mindestelterngeldes als anrechenbares Einkommen im Sinne des SGB II bzw des Kinderzuschlags bei vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätigen Eltern - nicht bilden (vgl zur verfassungsrechtlichen Prüfung des Gesetzes in seinen Auswirkungen auf den individuellen Sachverhalt nur BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 12 AL 3/11 R - SozR 4-4300 § 28a Nr 6; eine Verfassungswidrigkeit verneinend Frerichs, Sozialrecht aktuell 2011, 167; Mutschler in Tilmanns/Mutschler , MuSchG/BEEG, 1. Aufl 2015, § 10 BEEG RdNr 29 f; Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 10 RdNr 34 ff; aA Lenze, info also 2011, 3; verfassungsrechtliche Bedenken bei Dau, jurisPR-SozR 7/2013, Anm 5; Dau, jurisPR-SozR 2/2012 Anm 2; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11a RdNr 316, Stand 1/2015; Söhngen in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 11a RdNr 37).

24

a) Die Regelungen des BEEG, für das die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung zu bejahen ist, sind im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art 74 Abs 1 Nr 7 GG iVm Art 72 Abs 2 GG wirksam erlassen worden (BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 36 ff). Wie der 10. Senat des BSG bereits ausgeführt hat, ist der in Art 74 Abs 1 Nr 7 GG verwendete Begriff der öffentlichen Fürsorge in einem weiten Sinne zu verstehen (vgl BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 38 f). Die Orientierung an Bedarfslagen zeigt sich weiterhin an der Begünstigung von Geringverdienern und bei Mehrlingsgeburten (§ 2 Abs 6 BEEG), dem "Geschwisterbonus" sowie der Festlegung eines Höchstbetrags für das Elterngeld von 1800 Euro.

25

b) Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen (Art 20 Abs 3 iVm Art 2 Abs 1 GG). Jedenfalls in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation verstößt die Anwendung des § 10 Abs 5 S 1 BEEG nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsgebot des Art 20 Abs 3 GG abgeleitete Verbot einer unechten Rückwirkung. Zwar ist die Anfügung des § 10 Abs 5 S 1 BEEG durch das HBeglG 2011 nicht mit einer Übergangsregelung für laufende SGB II-Leistungen bzw den Kinderzuschlag verbunden gewesen. Dies betrifft jedoch nicht den zu entscheidenden Sachverhalt. Eine Rechtsposition, die durch den Vertrauensschutzgrundsatz gegen ihre im Hinblick auf die umfassende bedarfsmindernde Berücksichtigung des Elterngeldes nachträgliche Entwertung hätte geschützt werden können, ist erst mit der auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 17.12.2010 folgenden Feststellung eines Rechts auf Kinderzuschlag für die Zeit von Januar bis März 2011, also mit und nicht vor Inkrafttreten des HBeglG 2011, entstanden (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 39 f).

26

Zur unechten Rückwirkung im Fürsorgerecht hat das BVerfG - bezogen auf die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 1.1.2005 - bereits betont, dass eine unabhängig vom Bewilligungsakt bestehende Erwartung der Betroffenen, sie würden, den Fortbestand der jeweiligen Rechtslage vorausgesetzt, in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, mangels hinreichender Konkretisierung kein geschütztes Recht ist. Die Verfassung gewährt keinen Schutz vor einer nachteiligen Veränderung der geltenden Rechtslage. Ein schützenswertes Vertrauen auf die voraussichtliche Ausgestaltung bestimmter Vorschriften in der Zukunft existiert nicht (BVerfG Beschluss vom 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - BVerfGE 128, 90, 106; vgl auch BSG Urteil vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 10/06 R - BSGE 101, 217 = SozR 4-3500 § 133a Nr 1, RdNr 22; s auch Hessisches LSG Beschluss vom 1.8.2013 - L 6 AS 378/13 - FEVS 65, 323).

27

c) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG wird durch die vollständige Berücksichtigung des Elterngeldes bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II als Anspruchsvoraussetzung für den Kinderzuschlag nicht verletzt. Der Kläger und die Bedarfsgemeinschaft verfügen mit ihren Einkünften unter Einbeziehung des Elterngeldes im Ergebnis über ausreichende, den gesetzlichen Anforderungen nach dem SGB II zur Sicherung des Existenzminimums genügende Mittel (s hierzu näher unter 5.). Insofern gilt hinsichtlich der Höhe der auch beim Kinderzuschlag zu berücksichtigenden Existenzmittel nach dem SGB II, dass der Bedarf der betreuenden Elternteile und der Kinder durch die Regelbedarfe, ggf einschließlich des Bedarfs für Alleinerziehende, gesichert und dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet wird. Die vorübergehende Übernahme der Betreuung eines Kindes wird durch die der Existenzsicherung dienenden Systeme unterstützt, indem steuerfinanzierte Leistungen erbracht werden und gleichzeitig keine Erwerbstätigkeit zugemutet wird (BT-Drucks 17/3030, S 48; BR-Drucks 532/10, S 61). Zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums - im konkreten Fall ggf durch einen ergänzenden Kinderzuschlag - ist es daher nicht zwingend geboten, dass zumindest ein Teilbetrag des Elterngeldes in Höhe von 300 Euro anrechnungsfrei bleibt (LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 4.12.2014 - L 2 AS 1009/13 - juris RdNr 33 f - anhängig BSG - B 14 AS 28/15 R; Hessisches LSG Beschluss vom 1.8.2013 - L 6 AS 378/13 - juris RdNr 29; vgl auch BVerfG Beschluss vom 11.3.2010 - 1 BvR 3163/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 32 RdNr 7 zur Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen auf Leistungen nach dem SGB II; BVerfG Beschluss vom 24.10.1991 - 1 BvR 1159/91 - juris RdNr 11 zur Anrechnung des Zuschlags zum Kindergeld nach § 11a BKGG auf Sozialhilfeleistungen).

28

Soweit der Gesetzgeber mit der Einführung des Elterngeldes ab 1.1.2007 - begrenzt auf die Zeit bis zum 31.12.2010 - zunächst den Sockelbetrag in Höhe von 300 Euro als Einkommen auch bei den existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und bei dem Kinderzuschlag unberücksichtigt ließ, handelte es sich nicht um eine ergänzende kindbezogene Förderung im Sinne einer verfassungsrechtlich geforderten existenzsichernden Leistung für einkommensschwache Familien (vgl aber zu diesem Aspekt: Lenze in info also 2011, 3, 8). Dem Mindestelterngeld liegt - anders als den existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII - keine realitätsgerechte und schlüssige sachlich differenzierte Berechnung der ggf besonderen Bedarfe der Gruppe der Eltern zur Festlegung des Existenzminimums zugrunde. Es handelt sich um eine über die bloße Existenzsicherung hinausgehende Leistung, mit der verschiedene Zielsetzungen verfolgt werden. Eine sozialpolitisch ggf wünschenswerte Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes bzw des Mindestbetrages bei allen bedürftigkeits-abhängigen Leistungen lässt sich aus dem Sozialstaatsgebot aber nicht ableiten (Frerichs in Sozialrecht aktuell 2011, 167, 169).

29

Auch ergibt sich aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht, dass eine den steuerrechtlichen Begünstigungsvorschriften entsprechende Freistellung des Elterngeldes von der Anrechenbarkeit bei existenzsichernden Leistungen erfolgen muss. Zwar gehen die steuerrechtlichen Regelungen von einer einheitlichen Behandlung des Mindestelterngeldes und der darüber hinaus gewährten Beträge mit Bezug zum bisherigen Einkommen aus (BFH Beschluss vom 21.9.2009 - VI B 31/09 - BFHE 226, 329) und ist das Elterngeld nach § 3 Nr 67 EStG steuerfreies Einkommen. Steuerlich zu berücksichtigende Aufwendungen und bedürftigkeitsabhängige Sozialleistungen - gestaltet durch Anrechnungs- und Berücksichtigungsregelungen - können jedoch eine unterschiedliche Höhe erreichen, zumal Normen des Einkommensteuerrechts auch fördernden Charakter haben und familienpolitische Ziele beinhalten können (vgl BVerfG Beschluss vom 11.3.2010 - 1 BvR 3163/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 32 RdNr 7 mit Hinweis auf § 31 S 1 EStG zum Kindergeld).

30

5. Die Berücksichtigung des an die Ehefrau gezahlten Elterngeldes als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 GG.

31

a) Der allgemeine Gleichheitssatz ist hier als Prüfungsmaßstab heranzuziehen, weil Regelungsgegenstände betroffen sind, die nicht (allein) mit der Bemessung der existenzsichernden Leistungen an sich zusammenhängen. Zwar vermag Art 3 Abs 1 GG für die Bemessung des Existenzminimums keine weiteren Maßstäbe zu setzen, weil entscheidend allein ist, dass für jede individuell hilfebedürftige Person das Existenzminimum nach Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG ausreichend erfasst ist. Art 3 Abs 1 GG kann aber Prüfgegenstand bei Fallgestaltungen sein, in denen der Gesetzgeber im Ergebnis mehr Leistungen erbringt, als aus seiner Sicht zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums notwendig sind, zB indem er nur bei bestimmten Personengruppen Einnahmen als leistungsminderndes Einkommen nicht berücksichtigt oder anrechnungsfrei stellt (BVerfG Beschluss vom 7.7.2010 - 1 BvR 2556/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 33, RdNr 13; s auch BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 219; BVerfG Beschluss vom 11.7.2006 - 1 BvR 293/05 - BVerfGE 116, 229, 238 zur Anrechnung von Schmerzensgeld auf AsylbLG-Leistungen).

32

b) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen, aber auch gleichheitswidrige Begünstigungsausschlüsse (BVerfG Beschluss vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240, 252 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 40; BVerfG Beschluss vom 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49, 68), bei denen eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen aber vorenthalten wird (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - NZS 2011, 895).

33

Der hier vorliegende Begünstigungsausschluss bei der Einkommensanrechnung erfolgt in der Weise, dass die grundsätzliche Freistellung des Mindestelterngeldes von der Einkommensberücksichtigung bei Beziehern von Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkünften abhängig ist (§ 10 Abs 1 BEEG) für Elterngeld beziehende SGB II- und SGB XII-Leistungsberechtigte bzw einen Kinderzuschlag beanspruchende Eltern seit der Einfügung der Anrechnungsvorschrift des § 10 Abs 5 S 1 BEEG im Grundsatz nicht (mehr) gilt. Der Begünstigungsausschluss betrifft allerdings nicht sämtliche Eltern, sondern diejenigen - bis zu einer Höhe des am vorgeburtlichen Erwerbseinkommen orientierten Elterngeldes von insgesamt 300 Euro - nicht, bei denen Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes zu berücksichtigen ist (Rückausnahme des § 10 Abs 5 S 2 BEEG). Derartige Differenzierungen sind hinsichtlich ihrer Rechtfertigung am Gleichheitssatz zu messen.

34

Der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe ungleich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG Beschluss vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240, 253 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 40). Insofern ergeben sich hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den eine Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl BVerfG Beschluss vom 7.11.2006 - 1 BvL 10/02 - BVerfGE 117, 1, 30; BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400, 416 mwN; BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214; BVerfG Beschluss vom 26.3.2014 - 1 BvR 1133/12 - NZS 2014, 414). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl BVerfG Beschluss vom 26.1.1993 - 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92 - BVerfGE 88, 87, 96; BVerfG vom 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49, 69; vgl zum Prüfungsmaßstab bei einem möglichen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz auch Britz, NJW 2014, 346).

35

Insofern betrifft die Anrechenbarkeit des Elterngeldes auf die SGB II-Leistungen und damit auch auf den Kinderzuschlag bei vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätigen Berechtigten zugleich Art 6 Abs 1 und 2 GG in seiner Schutz- und Förderdimension, weil die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen unterstützt und gefördert werden soll. Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen in einzelnen Rechtsgebieten oder Teilsystemen, in denen der Familienlastenausgleich umzusetzen ist, können zwar nicht allein aus dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG hergeleitet werden. Dem Gesetzgeber steht eine Gestaltungsfreiheit bei der Entscheidung darüber zu, in welchem Umfang und in welcher Weise er die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich umsetzt (BVerfG Urteil vom 12.2.2003 - 1 BvR 624/01 - BVerfGE 107, 205, 215 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 36; BVerfG Beschluss vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412, 434; BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012 , 214; BVerfG Beschluss vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240, 254 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 38). Es ist aber im Kontext des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angesichts des verfassungsrechtlichen Auftrags zur Familienförderung rechtfertigungsbedürftig im Sinne einer strengeren Bindung des Gesetzgebers an den Maßstab der Verhältnismäßigkeit, warum eine bestimmte Gruppe von Elterngeldberechtigten von der begünstigenden Nichtanrechenbarkeit des Elterngeldes ausgenommen ist (Lenze info also 2011, 3, 5; BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - juris RdNr 6, 13).

36

c) Soweit die Ehefrau des Klägers hinsichtlich der Anrechnungsfreiheit des Mindestelterngeldes bei existenzsichernden Leistungen ungleich gegenüber der Vergleichsgruppe der SGB II- bzw Kinderzuschlags-Berechtigten behandelt wird, die vor der Geburt ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt haben, weil diese Leistungen ohne Anrechnung des Mindestbetrags in Höhe von bis zu 300 Euro erhalten würden, ist rechtfertigender Grund für eine unterschiedliche Behandlung die Erwerbstätigkeit der Elterngeldberechtigten vor der Geburt des Kindes unter gleichzeitiger Beachtung des Nachranggrundsatzes bei existenzsichernden Leistungen.

37

Für beide Gruppen von Elterngeldberechtigten gilt der zunächst für eine gleiche Behandlung sprechende Nachranggrundsatz des SGB II. Insofern konkretisiert § 2 Abs 2 S 1 SGB II den Grundsatz in der Weise, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen haben, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Mit den gesetzlichen Neuregelungen zum 1.1.2011 hat der Gesetzgeber zur Erfüllung des mit dem HBeglG 2011 verfolgten Gesetzeszwecks einer Konsolidierung der öffentlichen Haushalte (BT-Drucks 17/3030 S 1, 47) dem Nachranggrundsatz durch die grundsätzliche Anrechenbarkeit des Elterngeldes als Einkommen im SGB II, im SGB XII und beim Kinderzuschlag eine stärkere Geltung verschafft. Hieran war er nicht gehindert (s oben 4c). Nicht zu prüfen ist, ob der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung seines weiten Gestaltungsspielraums im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit (BVerfG Beschluss vom 10.11.1998 - 1 BvL 50/92 - BVerfGE 99, 165, 178; BVerfG Beschluss vom 29.10.2002 - 1 BvL 16/95, 1 BvL 17/95, 1 BvL 16/97 - BVerfGE 106, 166, 175 f) die gerechteste und zweckmäßigste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214; BVerfG Beschluss vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 51 BvR 593/08 - juris RdNr 31 , SGb 2011, 702; BVerfG Beschluss vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412, 436).

38

Trotz des grundsätzlich geltenden Nachranggrundsatzes bei existenzsichernden Leistungen war der Gesetzgeber im Ergebnis auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert, im Wege einer Begünstigung bei der Einkommensanrechnung des Elterngeldes differenzierend darauf abzustellen, ob der Berechtigte vor der Geburt ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt hat. Mit der Anknüpfung an ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes für eine unterschiedliche Behandlung innerhalb der Gruppe der SGB II-Berechtigten im Sinne einer Privilegierung trotz Nachranggrundsatzes verfolgt der Gesetzgeber ein legitimes Differenzierungsziel. Vor dem Hintergrund negativer Erfahrungen zur Erwerbsintegration wegen der Ausgestaltung des vormaligen Elterngeldes (vgl hierzu BT-Drucks 16/1889, S 15) ist das Elterngeld im Grundsatz als leistungsorientierte, das Erwerbseinkommen ersetzende Familienleistung konzipiert, das einen "Wechsel von einer bedürftigkeitsabhängigen Unterstützungsleistung nach dem BErzGG hin zu einer einkommensorientierten Förderung nach dem BEEG" beinhaltete (vgl auch BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 2). Es sollen "finanzielle Einschränkungen in den ersten zwölf oder 14 Lebensmonaten des Kindes" ausgeglichen werden (BT-Drucks 16/1889, S 26). Diese "Einkommensersatz-funktion" des Elterngeldes (vgl BSG Urteil vom 20.5.2014 - B 10 EG 11/13 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 26 RdNr 18 mwN)findet sich in der Höhe des Elterngeldes, die sich in erster Linie an dem individuellen Einkommensausfall des betreuenden Elternteils - im Ausgang von 67 % des vorgeburtlichen Einkommens (§ 2 Abs 1 BEEG) - orientiert, wenn eine vorherige Erwerbs-tätigkeit wegen Kinderbetreuung unterbrochen, reduziert oder ganz aufgegeben wird (BT-Drucks 16/1889, S 2, 15; BSG Urteil vom 20.5.2014 - B 10 EG 11/13 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 26 RdNr 18; BSG Urteil vom 10.7.2014 - B 10 EG 1/13 R - RdNr 19).

39

Das BVerfG ist davon ausgegangen, dass diese Ausgestaltung des Elterngeldes als steuerfinanzierte Einkommensersatzleistung nicht gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt. Zwar führt die Bemessung zu einer unterschiedlichen Behandlung der Leistungsempfänger je nach der Höhe ihres vor der Geburt erwirtschafteten Erwerbseinkommens, ohne dass dem Sozialversicherungsleistungen der Empfänger vorausgegangen sind. Es enthält aber verfassungsrechtlich für sich genommen noch keinen Gleichheitsverstoß, dass die einkommensabhängige Ausgestaltung des Elterngeldes im Vergleich zur nicht als Einkommensersatzleistung gefassten Vorgängerregelung im Bundeserziehungsgeldgesetz einen Systemwechsel bedeutet und möglicherweise in der einfachgesetzlichen Struktur sozialer Leistungen systematisch eine gewisse Sonderstellung einnimmt. Dass bei einer Ausgestaltung des Elterngeldes als Kompensationsleistung für geburtsbedingten Einkommensverlust Unterschiede der Förderung zwischen Familien je nach dem vorgeburtlichen Einkommen der Eltern entstehen, ist verfassungsrechtlich angesichts der gesetzlichen Zielsetzungen der vorrangigen Förderung bei Erziehenden mit kleinen und mittleren Einkünften und des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Art und Weise der Familienförderung hinnehmbar (BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214; vgl auch BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 2; BVerfG Beschluss vom 20.4.2011 - 1 BvR 1811/08 - juris RdNr 9; BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 40).

40

Diese sachlichen Gründe, die der Gesetzgeber mit der Anknüpfung des Elterngeldes an die Höhe des bisherigen Erwerbseinkommens verbunden hat, rechtfertigen auch die unterschiedliche Behandlung beim Bezug existenzsichernder Leistungen. Diejenigen Elterngeldberechtigten, die zuvor eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, erleiden durch die Geburt eine echte Einkommenseinbuße. Bei ihnen greift "der Zweck des Elterngeldes, die Entscheidung für eine vorübergehende Unterbrechung einer Erwerbstätigkeit ohne allzu große Einkommensnachteile zu ermöglichen" (BT-Drucks 17/3452, S 8). Auf Elterngeldberechtigte im Bezug von existenzsichernden Leistungen, die - wie die Ehefrau des Klägers - vor der Geburt keine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, trifft dies nicht zu, weil sie zugunsten der Betreuung keine Erwerbstätigkeit aufgegeben haben und daher kein unmittelbar durch die Geburt bedingter Nachteil monetär auszugleichen ist (Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 10 RdNr 37). Zudem hat der Gesetzgeber des HBeglG inhaltlich zutreffend und im Sinne einer weiteren sachlichen Rechtfertigung darauf hingewiesen, dass das Mindestelterngeld auch bei geringen Einkünften aus Erwerbstätigkeit vor und nach der Geburt erbracht wird. Im Vergleich der Berechtigten untereinander werde die mit dem Erwerbstätigenfreibetrag bezweckte Anreizwirkung in Frage gestellt, wenn das Mindestelterngeld in gleicher Weise auch bei nicht erwerbstätigen Elterngeldberechtigten anrechnungsfrei gestellt werde (BT-Drucks 17/3030, S 47 f).

41

d) Auch soweit das Mindestelterngeld bei der Vergleichsgruppe der Bezieher anderer bedürftigkeitsabhängiger Sozialleistungen im Unterschied zur Situation bei den SGB II-, SGB XII- und Kinderzuschlagsberechtigten nicht angerechnet wird, obgleich beide Gruppen von Elterngeldberechtigten vor der Geburt nicht erwerbstätig waren, sind rechtfertigende Sachgründe für eine Differenzierung gegeben.

42

Eine von dem Kläger der Sache nach gerügte Systemwidrigkeit wegen Verletzung einer "vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit", die als Indiz für einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG gesehen werden könnte (vgl nur BVerfG Beschluss vom 7.11.1972 - 1 BvR 338/68 - BVerfGE 34, 103, 115 mwN, stRspr), kann der Senat nicht erkennen. Die ungleiche Behandlung der beiden Vergleichsgruppen ist vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Zielsetzungen für die jeweiligen Sozialleistungen, deren konkreter Ausgestaltung sowie der jeweils konkreten Ausformung des Subsidiaritätsgrundsatzes bei bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistungen zu sehen. Hinsichtlich dieser Anforderungen existieren Systemunterschiede zwischen den vom Kläger benannten anderen bedürftigkeits- und einkommensabhängigen Sozialleistungen, zB BAföG, Wohngeld, Unterhaltsvorschussleistungen und Leistungen der Kriegsopferfürsorge, einerseits und den Leistungen des SGB II, des SGB XII und dem Kinderzuschlag andererseits. Insbesondere gelten die Vorgaben des SGB II zur Eingliederung in Arbeit und zur Minderung/Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch Einkommensberücksichtigung (§ 2 Abs 2, § 7 Abs 1 Nr 3, § 9 Abs 1 SGB II).

43

In den Sozialleistungssystemen der Ausbildungsförderung ist der Nachranggrundsatz anders ausgeprägt. Dies folgt schon daraus, dass der faktische Zwang, eine Ausbildung wegen fehlender Existenzsicherungsmittel abbrechen zu müssen, die teilhaberechtliche Dimension des Grundrechts aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 und dem Sozialstaatsgebot aus Art 20 Abs 1 GG berührt (BVerfG Beschluss vom 3.9.2014 - 1 BvR 1768/11 - juris RdNr 24). Unabhängig hiervon bezwecken andere Sozialleistungssysteme, wie zB das Wohngeldgesetz (WoGG) mit seiner Beschränkung auf einen Zuschuss zur Miete zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens (§ 1 Abs 1 WoGG), eine soziale Absicherung nur in Teilbereichen. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UhVorschG) sind - ebenfalls der Höhe nach begrenzt - in erster Linie als Anspruch des minderjährigen Kindes auf Ausgleich eines fehlenden Unterhalts gerichtet (§ 1 Abs 1 Nr 1 UhVorschG), ohne dass der Anspruch des alleinerziehenden Elternteils auf Elterngeld diesen berührt (Grube, UnterhaltsvorschussG, 2009, Einleitung RdNr 16; vgl zum Zweck des UhVorschG: BT-Drucks 8/1952). Dagegen sind die in § 10 Abs 5 S 1 BEEG aufgeführten existenzsichernden Leistungen des SGB II, des SGB XII sowie der Kinderzuschlag auf eine Vollabsicherung gerichtet. Schon wegen des unterschiedlichen Umfangs der gewährenden Staatstätigkeit können - ohne dass dies zwingend wäre - unterschiedliche Maßstäbe hinsichtlich der Umsetzung des Nachranggrundsatzes im Rahmen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers Anwendung finden, wenn er sich - wie hier - zu einer aus seiner Sicht aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise und der Einhaltung der Defizitgrenze des Europäischen Stabilitäts- und Wirtschaftspakts notwendigen Haushaltskonsolidierung durch Kürzungsmaßnahmen auch im Sozialbereich entscheidet (vgl BT-Drucks 17/3030, S 1, 47). Trotz der mit dem Mindestelterngeld ursprünglich beabsichtigten einheitlichen und bedürftigkeitsunabhängigen Honorierung der Erziehungs- und Betreuungsleistungen (vgl nur BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - juris RdNr 30; Dau, jurisPR-SozR 7/2013, Anm 5 mwN) ist der Gesetzgeber daher nicht gehindert, nur für bestimmte Gruppen weiterhin eine Begünstigung im Sinne einer Nichtanrechnung des Elterngeldes anzuerkennen.

44

e) Soweit der Kläger eine Benachteiligung gegenüber anderen vor der Geburt nicht erwerbstätigen, aber auch nicht von existenzsichernden Leistungen abhängigen Elterngeldberechtigten darin sieht, dass diesen der Betrag in Höhe des Mindestelterngeldes von 300 Euro faktisch ungeschmälert "als Familienleistung" erbracht wird, während es bei ihm anrechenbares Einkommen bei der Prüfung des Anspruchs auf Kinderzuschlag nach § 6a BKGG aF ist, ist schon fraglich, ob überhaupt vergleichbare Lebenssachverhalte iS des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 GG zugrunde liegen. Beide Elterngruppen werden hinsichtlich der faktischen Zahlung des Mindestelterngeldes gleich behandelt, indem sie diesen Betrag tatsächlich erhalten.

45

Betrachtet man die Belastung des Elterngeldes mit einer Anrechnungsregelung bei Inanspruchnahme einer bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistung (vgl BVerfG Beschluss vom 24.10.1991 - 1 BvR 1159/91 - juris RdNr 7 f zur vergleichbaren Regelung beim Kindergeld) als "faktische Ungleichbehandlung" (vgl Dau, jurisPR-SozR 7/2013, Anm 5; Lenze, info also 2011, 3, 5) liegt ein rechtfertigender Grund für eine Ungleichbehandlung beider Gruppen auch hier in dem Umstand, dass bei dem steuerfinanzierten Kinderzuschlag wegen der Verknüpfung mit den SGB II-Leistungen der Nachranggrundsatz zu beachten ist. Die als Ausnahme hiervon konzipierte Begünstigung durch ein anrechnungsfreies Mindestelterngeld soll nicht eingreifen, wenn - wie im Falle der Ehefrau des Klägers - kein Erwerbseinkommen vor der Geburt vorhanden ist. Von der ursprünglich neben weiteren zentralen Zielsetzungen (vgl dazu unter 5c) genannten bedürftigkeitsunabhängigen Anerkennung der elterlichen Erziehungs- und Betreuungsleistung durch weitergehende Ausnahmen vom Nachranggrundsatz hat sich der Gesetzgeber des HBeglG 2011 in Teilbereichen verabschiedet (so auch Frerichs in Sozialrecht aktuell 2011, 167, 170).

46

6. Das LSG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft im streitigen Zeitraum vom 1.1.2011 bis 31.3.2011 in vom LSG zutreffend berechneter Höhe von 1906,12 Euro mit dem zu berücksichtigenden Einkommen aus der Beschäftigung des Klägers, dem Kindergeld und dem an seine Ehefrau geleisteten Elterngeld gedeckt werden kann und schon dies einem Anspruch auf Kinderzuschlag entgegensteht.

47

Als Einkommen aus der Beschäftigung des Klägers ist entsprechend den tatsächlichen Feststellungen und zutreffenden rechtlichen Würdigungen des LSG für die Monate Januar und Februar 2011 ein Gesamtbetrag in Höhe von 1136,57 Euro und für März 2011 ein Einkommen in Höhe von 1203,44 Euro zu berücksichtigen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG sind von den Einkünften des Klägers aus Erwerbstätigkeit neben den bereits vom Arbeitgeber abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von zusammen 362,17 Euro (Januar/Februar 2011) sowie 395,30 Euro (März 2011) der Erwerbstätigenfreibetrag von 210 Euro monatlich und der Grundfreibetrag in Höhe von 100 Euro monatlich, der als höherer Monatsbetrag die konkreten Abgaben für Versicherungen und für die Fahrten zur Arbeitsstätte ersetzt, in Abzug zu bringen. Es ergibt sich ein anrechenbarer Betrag von 1033,83 Euro (Januar/Februar 2011) bzw 1100,70 Euro (März 2011). Hinzuzurechnen ist monatlich der zwölfte Teil des anteiligen Weihnachtsgeldes in Höhe von 1706 Euro (brutto), das der Kläger im November 2010 erhalten hat. Hiervon sind insgesamt 473,15 Euro als Steuern und Sozialabgaben abzusetzen. Von dem zu verteilenden Betrag von 1232,85 Euro entfällt auf die Monate Januar bis März 2011 jeweils ein solcher in Höhe von 102,74 Euro. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Betrag des Weihnachtsgeldes nach § 2 Abs 4 S 3 Alg II-V(idF vom 17.12.2007 ) als einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von zwölf Monaten mit einem monatlich zu berücksichtigenden Betrag von 102,74 Euro verteilt hat. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber mit dem am 1.4.2011 in Kraft getretenen § 11 Abs 3 S 3 SGB II nF(BGBl I 453) den "Verteilzeitraum" auf einen Zeitraum von sechs Monaten mit einer nachfolgend nur möglichen Berücksichtigung noch vorhandener Beträge als Vermögen eingegrenzt hat (vgl BT-Drucks 17/3404, S 94), können keine Rückschlüsse für die Bewertung der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt gezogen werden (vgl zum so genannten Verteilzeitraum nur Urteil des Senats vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32). Ergänzend zu den Einkünften des Klägers aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 1136,57 Euro (Januar/Februar 2011) und 1203,44 Euro (März 2011) ist durchgängig das Kindergeld für drei Kinder in Höhe von monatlich 558 Euro und das Elterngeld in Höhe von 300 Euro einzubeziehen. Das Wohngeld bleibt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts unberücksichtigt, weil es nicht gleichzeitig mit dem Alg II bezogen werden kann (§ 7 Abs 1 Nr 1 WoGG; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 6a BKGG RdNr 120, Stand 4/2014). Es ergeben sich Einkünfte der gesamten Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1994,57 Euro (Januar/Februar 2011) bzw 2061,44 Euro (März 2011), die über dem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1906,12 Euro liegen.

48

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Personen erhalten für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn

1.
sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 haben,
2.
sie mit Ausnahme des Wohngeldes, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags über Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in Höhe von mindestens 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von mindestens 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nicht abzusetzen sind, und
3.
bei Bezug des Kinderzuschlags keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch besteht, wobei die Bedarfe nach § 28 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch außer Betracht bleiben. Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit ist das für den Antragsmonat bewilligte Wohngeld zu berücksichtigen. Wird kein Wohngeld bezogen und könnte mit Wohngeld und Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit vermieden werden, ist bei der Prüfung Wohngeld in der Höhe anzusetzen, in der es voraussichtlich für den Antragsmonat zu bewilligen wäre.

(1a) Ein Anspruch auf Kinderzuschlag besteht abweichend von Absatz 1 Nummer 3, wenn

1.
bei Bezug von Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit besteht, der Bedarfsgemeinschaft zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit aber mit ihrem Einkommen, dem Kinderzuschlag und dem Wohngeld höchstens 100 Euro fehlen,
2.
sich bei der Ermittlung des Einkommens der Eltern nach § 11b Absatz 2 bis 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch wegen Einkommen aus Erwerbstätigkeit Absetzbeträge in Höhe von mindestens 100 Euro ergeben und
3.
kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem Zweiten oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erhält oder beantragt hat.

(2) Der monatliche Höchstbetrag des Kinderzuschlags deckt zusammen mit dem für ein erstes Kind nach § 66 des Einkommensteuergesetzes zu zahlenden Kindergeld ein Zwölftel des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums eines Kindes für das jeweilige Kalenderjahr mit Ausnahme des Anteils für Bildung und Teilhabe. Steht dieses Existenzminimum eines Kindes zu Beginn eines Jahres nicht fest, ist insoweit der für das Jahr geltende Betrag für den Mindestunterhalt eines Kindes in der zweiten Altersstufe nach der Mindestunterhaltsverordnung maßgeblich. Als Höchstbetrag des Kinderzuschlags in dem jeweiligen Kalenderjahr gilt der Betrag, der sich zu Beginn des Jahres nach den Sätzen 1 und 2 ergibt, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe des Vorjahres. Der Betrag nach Satz 3 erhöht sich ab 1. Juli 2022 um einen Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro.

(3) Ausgehend vom Höchstbetrag mindert sich der jeweilige Kinderzuschlag, wenn das Kind nach den §§ 11 bis 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen hat. Bei der Berücksichtigung des Einkommens bleiben das Wohngeld, das Kindergeld und der Kinderzuschlag außer Betracht. Der Kinderzuschlag wird um 45 Prozent des zu berücksichtigenden Einkommens des Kindes monatlich gemindert. Ein Anspruch auf Zahlung des Kinderzuschlags für ein Kind besteht nicht, wenn zumutbare Anstrengungen unterlassen wurden, Ansprüche auf Einkommen des Kindes geltend zu machen. § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Vermögen nur berücksichtigt wird, wenn es erheblich ist. Ist das zu berücksichtigende Vermögen höher als der nach den Sätzen 1 bis 5 verbleibende monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, so dass es den Kinderzuschlag für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums vollständig mindert, entfällt der Anspruch auf Kinderzuschlag. Ist das zu berücksichtigende Vermögen niedriger als der monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, ist der Kinderzuschlag im ersten Monat des Bewilligungszeitraums um einen Betrag in Höhe des zu berücksichtigenden Vermögens zu mindern und ab dem folgenden Monat Kinderzuschlag ohne Minderung wegen des Vermögens zu zahlen.

(4) Die Summe der einzelnen Kinderzuschläge nach den Absätzen 2 und 3 bildet den Gesamtkinderzuschlag.

(5) Der Gesamtkinderzuschlag wird in voller Höhe gewährt, wenn das nach den §§ 11 bis 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kinderzuschlags zu berücksichtigende Einkommen der Eltern einen Betrag in Höhe der bei der Berechnung des Bürgergeldes zu berücksichtigenden Bedarfe der Eltern (Gesamtbedarf der Eltern) nicht übersteigt und kein zu berücksichtigendes Vermögen der Eltern nach § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vorhanden ist. Als Einkommen oder Vermögen der Eltern gilt dabei dasjenige der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft mit Ausnahme des Einkommens oder Vermögens der in dem Haushalt lebenden Kinder. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Zur Feststellung des Gesamtbedarfs der Eltern sind die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in dem Verhältnis aufzuteilen, das sich aus den im 12. Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern festgestellten entsprechenden Bedarfen für Alleinstehende, Ehepaare, Lebenspartnerschaften und Kinder ergibt.

(6) Der Gesamtkinderzuschlag wird um das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern gemindert, soweit es deren Bedarf übersteigt. Wenn das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern nicht nur aus Erwerbseinkünften besteht, ist davon auszugehen, dass die Überschreitung des Gesamtbedarfs der Eltern durch die Erwerbseinkünfte verursacht wird, wenn nicht die Summe der anderen Einkommensteile für sich genommen diesen maßgebenden Betrag übersteigt. Der Gesamtkinderzuschlag wird um 45 Prozent des Betrags, um den die monatlichen Erwerbseinkünfte den maßgebenden Betrag übersteigen, monatlich gemindert. Anderes Einkommen oder Vermögen der Eltern mindern den Gesamtkinderzuschlag in voller Höhe. Bei der Berücksichtigung des Vermögens gilt Absatz 3 Satz 6 und 7 entsprechend.

(7) Über den Gesamtkinderzuschlag ist jeweils für sechs Monate zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum beginnt mit dem Monat, in dem der Antrag gestellt wird, jedoch frühestens nach Ende eines laufenden Bewilligungszeitraums. Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen während des laufenden Bewilligungszeitraums sind abweichend von § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch nicht zu berücksichtigen, es sei denn, die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft oder der Höchstbetrag des Kinderzuschlags ändert sich. Wird ein neuer Antrag gestellt, unverzüglich nachdem der Verwaltungsakt nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch wegen einer Änderung der Bedarfsgemeinschaft aufgehoben worden ist, so beginnt ein neuer Bewilligungszeitraum unmittelbar nach dem Monat, in dem sich die Bedarfsgemeinschaft geändert hat.

(8) Für die Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens ist der Durchschnitt des Einkommens aus den sechs Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich. Bei Personen, die den selbst genutzten Wohnraum mieten, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die laufenden Bedarfe für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Bei Personen, die an dem selbst genutzten Wohnraum Eigentum haben, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die Bedarfe aus den durchschnittlichen Monatswerten des Kalenderjahres vor Beginn des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Liegen die entsprechenden Monatswerte für den Wohnraum nicht vor, soll abweichend von Satz 3 ein Durchschnitt aus den letzten vorliegenden Monatswerten für den Wohnraum zugrunde gelegt werden, nicht jedoch aus mehr als zwölf Monatswerten. Im Übrigen sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch auf Kinderzuschlag für die Monate Januar bis März 2011.

2

Die Beklagte bewilligte dem Kläger, der ein Erwerbseinkommen erzielte, unter Berücksichtigung seiner Kinder T (geb 2000), M (geb 2007) und N (geb 2010) in den Monaten April 2010 bis Dezember 2010 jeweils einen Kinderzuschlag in einer Gesamthöhe von 330 Euro monatlich. Seinen Weiterbewilligungsantrag vom 17.12.2010 lehnte sie ab: Unter Berücksichtigung des an die Ehefrau des Klägers geleisteten Elterngeldes, welches nach der Novelle des Elterngeldgesetzes ab Januar 2011 anzurechnen sei, könne keine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II eintreten (Bescheid vom 22.12.2010; Widerspruchsbescheid vom 28.2.2011). Nach Beendigung des Elterngeldbezugs wurde der Kinderzuschlag erneut ab 1.4.2011 geleistet.

3

Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid vom 21.1.2013 zurückgewiesen (Urteil vom 22.10.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Kinderzuschlag scheitere daran, dass das anrechenbare Einkommen des Klägers und der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen den maßgeblichen Bedarf übersteige. Die Bewilligung eines Kinderzuschlags könne unabhängig von seiner konkreten Höhe und Berechnung nicht dazu führen, dass eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II vermieden werde. Es seien die laufenden Einkünfte des Klägers aus seiner Beschäftigung bei der Firma Möbel B (1706 Euro jeweils im Januar/Februar 2011; 1806 Euro im März 2011) und das an die Ehefrau bis einschließlich März 2011 erbrachte Elterngeld in Höhe von 300 Euro, von dem die Versicherungspauschale abzusetzen sei, zu berücksichtigen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anrechnung des Elterngeldes durch die zum 1.1.2011 in Kraft getretene Neuregelung des § 10 Abs 5 S 1 BEEG bestünden nicht. Dies folge aus den Entscheidungen des BVerfG vom 11.3.2011 zur Anrechnung des Kindergeldes (1 BvR 3163/09) und vom 20.4.2011 zur Stichtagsregelung beim Elterngeld (1 BvR 1811/08). Von dem Erwerbseinkommen des Klägers seien neben den bereits vom Arbeitgeber abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen der Erwerbstätigen- und der Grundfreibetrag in Abzug zu bringen. Es ergebe sich ein anrechenbarer Betrag von 1033,83 Euro (Januar/Februar 2011) bzw 1100,70 Euro (März 2011). Hinzuzurechnen sei monatlich der zwölfte Teil des anteiligen Weihnachtsgeldes. Hiervon entfalle auf die Monate Januar bis März 2011 jeweils ein Betrag in Höhe von 102,74 Euro, sodass für Januar/Februar 2011 je 1136,57 Euro und im März 2011 1203,44 Euro als Gesamteinkünfte der Bedarfsgemeinschaft zugrunde zu legen seien. Hinzu komme - je Monat - das Kindergeld und das Wohngeld. Es ergebe sich ein anrechenbares Einkommen im Januar/Februar 2011 von jeweils 2119,57 Euro und im März 2011 von 2186,44 Euro. Der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft errechne sich aus den Regelleistungen für die Eheleute von jeweils 328 Euro, dem Sozialgeld für T in Höhe von 251 Euro sowie für M und N in Höhe von jeweils 215 Euro. Zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 569,12 Euro monatlich bestehe ein unterhalb des anrechenbaren Einkommens liegender Gesamtbedarf in den Monaten von Januar bis März 2011 von jeweils 1906,12 Euro.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger einen Verstoß des § 10 Abs 5 Bundeselterngeld und -Elternzeitgesetz (BEEG) gegen Art 2 Abs 1 GG, den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG und das Sozialstaatsprinzip. Bei der Familienleistung des Elterngeldes differenziere der Gesetzgeber zwischen den Eltern und schließe die ärmsten Eltern und deren Kinder von einer Förderung aus, ohne dass ein rechtfertigender Grund ersichtlich sei. Unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der Erziehungspersonen werde das Elterngeld stets mindestens in Höhe von 300 Euro gezahlt; es entfalle erst bei einem Jahreseinkommen von mehr als 250 000/500 000 Euro. Der Sockelbetrag des Elterngeldes sei daher keine Entgeltersatzleistung und keine solche zum Lebensunterhalt; er solle die Anerkennung für die Erziehungs- und Betreuungsleistung von Eltern zum Ausdruck bringen und einen Schonraum in der Frühphase der Elternschaft ohne größere finanzielle Nöte schaffen. Zwischen den Erziehungspersonen mit und ohne Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II/SGB XII bzw auf den Kinderzuschlag bestünden keine, die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Unterschiede im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG. Soweit der Gesetzgeber haushaltspolitische Gründe anführe, sei nicht ersichtlich, warum das Elterngeld gerade bei denjenigen faktisch entfalle, die es am meisten bräuchten. Der Gesetzgeber müsse begründen, warum er armen Eltern den Schonraum für eine Erziehung in der Anfangszeit verwehre. Auch der Vergleich mit anderen, zuvor gleichfalls nicht erwerbstätigen Beziehern anderer Sozialleistungen mache die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung deutlich. Über die wirtschaftliche Belastung der Eltern wirke sich die Differenzierung auch auf die betreuten Kinder aus.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22.10.2013 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 21.1.2013 aufzuheben sowie den Bescheid vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.2.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Monate Januar bis März 2011 Kinderzuschlag in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zur Recht zurückgewiesen, weil er in dem streitigen Zeitraum von Januar bis März 2011 keinen Kinderzuschlag beanspruchen kann.

9

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.2.2011, mit dem die Beklagte für den hier streitigen Zeitraum von Januar 2011 bis März 2011 (Zeitraum des Elterngeldbezugs in Höhe von 300 Euro durch die Ehefrau des Klägers) die Leistung eines Kinderzuschlags abgelehnt hat. Gegen diese Bescheide wendet sich der Kläger zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG, § 56 SGG).

10

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in der hier mit Wirkung zum 1.1.2011 in Kraft getretenen Normfassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII vom 24.3.2011 (BGBl I 453; im Folgenden: § 6a BKGG aF).

11

Nach § 6a Abs 1 BKGG aF erhalten Personen nach dem BKGG für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn 1. sie für diese Kinder nach dem BKGG oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen iS von § 4 BKGG haben, 2. sie mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kindergeldes über Einkommen iS von § 11 Abs 1 S 1 SGB II in Höhe von 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b SGB II nicht abzusetzen sind (sog "Mindesteinkommensgrenze"), 3. sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen iS der §§ 11 bis 12 SGB II verfügen, das höchstens dem nach § 6a Abs 4 S 1 BKGG für sie maßgebenden Betrag zuzüglich dem Gesamtkinderzuschlag nach § 6a Abs 2 BKGG entspricht ("Höchsteinkommensgrenze") und 4. durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird.

12

Das LSG ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass - unbesehen der konkreten Höhe des Kinderzuschlags, dessen Berechnung es nicht bedarf - schon die Anspruchsvoraussetzung des § 6a Abs 1 Nr 4 S 1 BKGG aF nicht erfüllt ist, dass durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird. Diese Anspruchsvoraussetzung beinhaltet die Prüfung, ob ohne die Zahlung des Kinderzuschlags Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II gegeben wäre (Kühl in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 6a BKGG RdNr 45). Ob durch die Bewilligung eines Kinderzuschlags im Sinne eines kausalen Zusammenhangs eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II vermieden werden kann, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung des anrechenbaren Einkommens und Vermögens und der Bedarfe sämtlicher Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 6a BKGG RdNr 120, Stand 4/2014). Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das an die Ehefrau des Klägers in den Monaten Januar bis März 2011 gezahlte Elterngeld in Höhe von 300 Euro (Mindestelterngeld) als bedarfsminderndes Einkommen bei der Prüfung einer Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu berücksichtigen ist (s hierzu 3.). Dies führt im Ergebnis dazu, dass das anrechenbare Einkommen der Bedarfsgemeinschaft deren Gesamtbedarf übersteigt (s zur Berechnung im Einzelnen unter 6.). Die notwendige Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs 5 S 1 BEEG kann sich der Senat nicht bilden(s hierzu 4.), insbesondere auch nicht bezogen auf einen möglichen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG (s hierzu 5.).

13

3. a) Nach Maßgabe der einfachgesetzlichen Vorschriften mindert das Elterngeld als Einkommen der Ehefrau des Klägers die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft iS des § 6a Abs 1 Nr 4 BKGG aF iVm § 11 SGB II.

14

Zu der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit nach § 6a Abs 1 Nr 4 BKGG aF haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits entschieden, dass auf den Begriff des Einkommens und des Vermögens nach den §§ 11 bis 13 SGB II abzustellen ist. Insbesondere die gesetzliche Zielsetzung, das Aufeinander-Bezogen-Sein und der wechselseitige Ausschluss der Leistungssysteme nach dem SGB II und nach § 6a BKGG sprechen für eine Parallelität der Rechtsanwendung(vgl BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 13 ff; BSG Urteil vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 69 RdNr 14).

15

Nach § 11 Abs 1 S 1 SGB II in der hier maßgeblichen bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung (des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 zuletzt geändert durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 9.12.2010 im Folgenden: § 11 SGB II aF)sind als Einkommen die Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an Körper und Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG zu berücksichtigen.

16

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass das an die Ehefrau des Klägers in den Monaten Januar bis März 2011 erbrachte Elterngeld in Höhe von 300 Euro als Einkommen anzurechnen ist.

17

b) Zwar sah § 10 Abs 1 BEEG in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006 (BGBl I 2748) vor, dass das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 BEEG auf das Elterngeld angerechneten Leistungen bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt blieben. Dies galt auch bei Bezug von Leistungen der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitsuchende (BT-Drucks 16/1889, S 26). Entsprechend bestimmte § 11 Abs 3a SGB II idF des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006 (BGBl I 2748) als Ausnahmeregelung zur Einkommensanrechnung klarstellend, dass abweichend von § 11 Abs 1 bis 3 SGB II derjenige Teil des Elterngeldes, der die nach § 10 BEEG anrechnungsfreien Beträge überstieg, in voller Höhe zu berücksichtigen war. Mit Wirkung zum 1.1.2011 ist jedoch durch Art 14 Nr 4 HBeglG 2011 vom 9.12.2010 die Vorschrift des § 10 Abs 5 BEEG(BGBl I 1885) eingefügt worden. § 10 Abs 5 S 1 BEEG bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass die Regelung des § 10 Abs 1 BEEG, nach der das Elterngeld bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt bleibt, nicht bei Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und für den Kinderzuschlag nach § 6a BKGG gilt. Als Folgeregelung wurde § 11 Abs 3a SGB II aufgehoben(Art 15 Nr 2 HBeglG 2011).

18

Die Voraussetzungen der Rückausnahme des § 10 Abs 5 S 2 BEEG liegen hier nicht vor. Nach § 10 Abs 5 S 2 BEEG bleibt bei den Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und nach § 6a BKGG das Elterngeld in Höhe des nach § 2 Abs 1 BEEG berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Eine solche Fallgestaltung ist nicht gegeben, weil die Ehefrau des Klägers vor der Geburt kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielte.

19

c) Es kann dahinstehen, ob § 10 Abs 5 BEEG mit Wirkung zum 1.1.2011 eine abschließende (negative) Zweckbestimmung zur Verwendung des Elterngeldes zur Sicherung des Existenzminimums anordnet bzw eine anderweitige Zweckbestimmung hindert (vgl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11a RdNr 316, Stand 1/2015; Söhngen in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 11a RdNr 37). Jedenfalls ergeben sich aus den sonstigen Regelungen des BEEG und des SGB II keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Elterngeld um eine zweckgebundene Leistung im Sinne des SGB II handelte.

20

Nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II in der hier maßgeblichen Normfassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3.8.2010 ( im Folgenden: § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II aF)sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Entsprechend dem allgemeinen Grundsatz der Nachrangigkeit von SGB II-Leistungen soll die Vorschrift verhindern, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden (BSG Urteil vom 5.9.2007 - B 11b AS 15/06 R - BSGE 99, 47 = SozR 4-4200 § 11 Nr 5, RdNr 28; BSG Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 16/06 R - BSGE 99, 240 = SozR 4-4200 § 11 Nr 8, RdNr 16). Die Außerachtlassung von Einnahmen erfolgt nur unter engen Voraussetzungen, die ausdrücklich durch die besondere Zweckbestimmung der weiteren Einnahmen gerechtfertigt sein müssen.

21

Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate haben insofern gefordert, dass die Leistungen zu einem ausdrücklich genannten Verwendungszweck gewährt werden, der über den durch die Zahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II verfolgten Zweck der Sicherung des Lebensunterhalts hinausgeht. Eine solche Zweckbestimmung ist nach der hier maßgebenden Rechtslage bis zum 31.3.2011 in erster Linie dem Wortlaut der Regelungen, aber auch deren Systematik und Entstehungsgeschichte zu entnehmen (vgl ab 1.4.2011 die ausdrücklich formulierte Anforderung des § 11a Abs 3 SGB II: "Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen"). Einen abweichenden Verwendungszweck hat der Senat zB für die Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungs-förderungsgesetz (BAföG) angenommen, weil in den §§ 1, 11 Abs 1 BAföG als zwei neben-einander ausdrücklich genannten Zweckbestimmungen sowohl die Deckung des Lebensunterhalts während der Ausbildung als auch die Deckung der Kosten der Ausbildung genannt werden(BSG Urteil vom 17.3.2009 - B 14 AS 63/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 21 RdNr 24). Verneint wurde dies andererseits für das Ausbildungsgeld, weil sich weder in dem Wortlaut der Regelungen noch entstehungsgeschichtlich Anhaltspunkte dafür fanden, dass der Gesetzgeber mit dem Ausbildungsgeld eine besondere, über die Lebensunterhaltssicherung hinausgehende Zwecksetzung verfolgt hätte (BSG Urteil vom 16.6.2015 - B 4 AS 37/14 R -SozR 4-4200 § 27 Nr 2 RdNr 29 mwN).

22

Für das Elterngeld ist ein solcher konkreter Verwendungszweck nicht vorhanden (so auch Schmidt in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 11a RdNr 20). Der Ausgestaltung des BEEG und den in den Gesetzesmaterialien formulierten Vorstellungen des Gesetzgebers von der Funktion des Elterngeldes, insbesondere des Mindestelterngeldes, sind lediglich verschiedene Ziele des Elterngeldes zu entnehmen, die sich jedoch nicht zu einer eigenständigen Bestimmung eines konkreten Verwendungszwecks im Sinne des SGB II verdichtet haben. Eine gesetzgeberische Zweckbestimmung zur Verwendung des Mindestelterngeldes von 300 Euro im Sinne eines konkreten Verwendungszwecks, die als Differenzierungsverbot iS des Art 3 Abs 1 GG (vgl hierzu näher unter 5.) die generelle Herausnahme dieses Betrags aus dem Nachranggrundsatz erfordern könnte, hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen (so auch Frerichs in Sozialrecht aktuell 2011, 167, 170).

23

4. Die notwendige Überzeugung von einer Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs 5 S 1 BEEG(vgl zu den Voraussetzungen einer Vorlage nach Art 100 Abs 1 GG nur BVerfG Beschluss vom 4.6.2012 - 2 BvL 9/08 ua - BVerfGE 131, 88, 117 f; s auch BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 36 zu § 10 Abs 5 BEEG)kann sich der Senat - in der hier allein zu prüfenden Sachverhaltskonstellation einer Berücksichtigung (auch) des Mindestelterngeldes als anrechenbares Einkommen im Sinne des SGB II bzw des Kinderzuschlags bei vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätigen Eltern - nicht bilden (vgl zur verfassungsrechtlichen Prüfung des Gesetzes in seinen Auswirkungen auf den individuellen Sachverhalt nur BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 12 AL 3/11 R - SozR 4-4300 § 28a Nr 6; eine Verfassungswidrigkeit verneinend Frerichs, Sozialrecht aktuell 2011, 167; Mutschler in Tilmanns/Mutschler , MuSchG/BEEG, 1. Aufl 2015, § 10 BEEG RdNr 29 f; Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 10 RdNr 34 ff; aA Lenze, info also 2011, 3; verfassungsrechtliche Bedenken bei Dau, jurisPR-SozR 7/2013, Anm 5; Dau, jurisPR-SozR 2/2012 Anm 2; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11a RdNr 316, Stand 1/2015; Söhngen in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 11a RdNr 37).

24

a) Die Regelungen des BEEG, für das die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung zu bejahen ist, sind im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art 74 Abs 1 Nr 7 GG iVm Art 72 Abs 2 GG wirksam erlassen worden (BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 36 ff). Wie der 10. Senat des BSG bereits ausgeführt hat, ist der in Art 74 Abs 1 Nr 7 GG verwendete Begriff der öffentlichen Fürsorge in einem weiten Sinne zu verstehen (vgl BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 38 f). Die Orientierung an Bedarfslagen zeigt sich weiterhin an der Begünstigung von Geringverdienern und bei Mehrlingsgeburten (§ 2 Abs 6 BEEG), dem "Geschwisterbonus" sowie der Festlegung eines Höchstbetrags für das Elterngeld von 1800 Euro.

25

b) Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen (Art 20 Abs 3 iVm Art 2 Abs 1 GG). Jedenfalls in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation verstößt die Anwendung des § 10 Abs 5 S 1 BEEG nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsgebot des Art 20 Abs 3 GG abgeleitete Verbot einer unechten Rückwirkung. Zwar ist die Anfügung des § 10 Abs 5 S 1 BEEG durch das HBeglG 2011 nicht mit einer Übergangsregelung für laufende SGB II-Leistungen bzw den Kinderzuschlag verbunden gewesen. Dies betrifft jedoch nicht den zu entscheidenden Sachverhalt. Eine Rechtsposition, die durch den Vertrauensschutzgrundsatz gegen ihre im Hinblick auf die umfassende bedarfsmindernde Berücksichtigung des Elterngeldes nachträgliche Entwertung hätte geschützt werden können, ist erst mit der auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 17.12.2010 folgenden Feststellung eines Rechts auf Kinderzuschlag für die Zeit von Januar bis März 2011, also mit und nicht vor Inkrafttreten des HBeglG 2011, entstanden (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 39 f).

26

Zur unechten Rückwirkung im Fürsorgerecht hat das BVerfG - bezogen auf die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 1.1.2005 - bereits betont, dass eine unabhängig vom Bewilligungsakt bestehende Erwartung der Betroffenen, sie würden, den Fortbestand der jeweiligen Rechtslage vorausgesetzt, in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, mangels hinreichender Konkretisierung kein geschütztes Recht ist. Die Verfassung gewährt keinen Schutz vor einer nachteiligen Veränderung der geltenden Rechtslage. Ein schützenswertes Vertrauen auf die voraussichtliche Ausgestaltung bestimmter Vorschriften in der Zukunft existiert nicht (BVerfG Beschluss vom 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - BVerfGE 128, 90, 106; vgl auch BSG Urteil vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 10/06 R - BSGE 101, 217 = SozR 4-3500 § 133a Nr 1, RdNr 22; s auch Hessisches LSG Beschluss vom 1.8.2013 - L 6 AS 378/13 - FEVS 65, 323).

27

c) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG wird durch die vollständige Berücksichtigung des Elterngeldes bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II als Anspruchsvoraussetzung für den Kinderzuschlag nicht verletzt. Der Kläger und die Bedarfsgemeinschaft verfügen mit ihren Einkünften unter Einbeziehung des Elterngeldes im Ergebnis über ausreichende, den gesetzlichen Anforderungen nach dem SGB II zur Sicherung des Existenzminimums genügende Mittel (s hierzu näher unter 5.). Insofern gilt hinsichtlich der Höhe der auch beim Kinderzuschlag zu berücksichtigenden Existenzmittel nach dem SGB II, dass der Bedarf der betreuenden Elternteile und der Kinder durch die Regelbedarfe, ggf einschließlich des Bedarfs für Alleinerziehende, gesichert und dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet wird. Die vorübergehende Übernahme der Betreuung eines Kindes wird durch die der Existenzsicherung dienenden Systeme unterstützt, indem steuerfinanzierte Leistungen erbracht werden und gleichzeitig keine Erwerbstätigkeit zugemutet wird (BT-Drucks 17/3030, S 48; BR-Drucks 532/10, S 61). Zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums - im konkreten Fall ggf durch einen ergänzenden Kinderzuschlag - ist es daher nicht zwingend geboten, dass zumindest ein Teilbetrag des Elterngeldes in Höhe von 300 Euro anrechnungsfrei bleibt (LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 4.12.2014 - L 2 AS 1009/13 - juris RdNr 33 f - anhängig BSG - B 14 AS 28/15 R; Hessisches LSG Beschluss vom 1.8.2013 - L 6 AS 378/13 - juris RdNr 29; vgl auch BVerfG Beschluss vom 11.3.2010 - 1 BvR 3163/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 32 RdNr 7 zur Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen auf Leistungen nach dem SGB II; BVerfG Beschluss vom 24.10.1991 - 1 BvR 1159/91 - juris RdNr 11 zur Anrechnung des Zuschlags zum Kindergeld nach § 11a BKGG auf Sozialhilfeleistungen).

28

Soweit der Gesetzgeber mit der Einführung des Elterngeldes ab 1.1.2007 - begrenzt auf die Zeit bis zum 31.12.2010 - zunächst den Sockelbetrag in Höhe von 300 Euro als Einkommen auch bei den existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und bei dem Kinderzuschlag unberücksichtigt ließ, handelte es sich nicht um eine ergänzende kindbezogene Förderung im Sinne einer verfassungsrechtlich geforderten existenzsichernden Leistung für einkommensschwache Familien (vgl aber zu diesem Aspekt: Lenze in info also 2011, 3, 8). Dem Mindestelterngeld liegt - anders als den existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII - keine realitätsgerechte und schlüssige sachlich differenzierte Berechnung der ggf besonderen Bedarfe der Gruppe der Eltern zur Festlegung des Existenzminimums zugrunde. Es handelt sich um eine über die bloße Existenzsicherung hinausgehende Leistung, mit der verschiedene Zielsetzungen verfolgt werden. Eine sozialpolitisch ggf wünschenswerte Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes bzw des Mindestbetrages bei allen bedürftigkeits-abhängigen Leistungen lässt sich aus dem Sozialstaatsgebot aber nicht ableiten (Frerichs in Sozialrecht aktuell 2011, 167, 169).

29

Auch ergibt sich aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht, dass eine den steuerrechtlichen Begünstigungsvorschriften entsprechende Freistellung des Elterngeldes von der Anrechenbarkeit bei existenzsichernden Leistungen erfolgen muss. Zwar gehen die steuerrechtlichen Regelungen von einer einheitlichen Behandlung des Mindestelterngeldes und der darüber hinaus gewährten Beträge mit Bezug zum bisherigen Einkommen aus (BFH Beschluss vom 21.9.2009 - VI B 31/09 - BFHE 226, 329) und ist das Elterngeld nach § 3 Nr 67 EStG steuerfreies Einkommen. Steuerlich zu berücksichtigende Aufwendungen und bedürftigkeitsabhängige Sozialleistungen - gestaltet durch Anrechnungs- und Berücksichtigungsregelungen - können jedoch eine unterschiedliche Höhe erreichen, zumal Normen des Einkommensteuerrechts auch fördernden Charakter haben und familienpolitische Ziele beinhalten können (vgl BVerfG Beschluss vom 11.3.2010 - 1 BvR 3163/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 32 RdNr 7 mit Hinweis auf § 31 S 1 EStG zum Kindergeld).

30

5. Die Berücksichtigung des an die Ehefrau gezahlten Elterngeldes als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 GG.

31

a) Der allgemeine Gleichheitssatz ist hier als Prüfungsmaßstab heranzuziehen, weil Regelungsgegenstände betroffen sind, die nicht (allein) mit der Bemessung der existenzsichernden Leistungen an sich zusammenhängen. Zwar vermag Art 3 Abs 1 GG für die Bemessung des Existenzminimums keine weiteren Maßstäbe zu setzen, weil entscheidend allein ist, dass für jede individuell hilfebedürftige Person das Existenzminimum nach Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG ausreichend erfasst ist. Art 3 Abs 1 GG kann aber Prüfgegenstand bei Fallgestaltungen sein, in denen der Gesetzgeber im Ergebnis mehr Leistungen erbringt, als aus seiner Sicht zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums notwendig sind, zB indem er nur bei bestimmten Personengruppen Einnahmen als leistungsminderndes Einkommen nicht berücksichtigt oder anrechnungsfrei stellt (BVerfG Beschluss vom 7.7.2010 - 1 BvR 2556/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 33, RdNr 13; s auch BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 219; BVerfG Beschluss vom 11.7.2006 - 1 BvR 293/05 - BVerfGE 116, 229, 238 zur Anrechnung von Schmerzensgeld auf AsylbLG-Leistungen).

32

b) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen, aber auch gleichheitswidrige Begünstigungsausschlüsse (BVerfG Beschluss vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240, 252 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 40; BVerfG Beschluss vom 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49, 68), bei denen eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen aber vorenthalten wird (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - NZS 2011, 895).

33

Der hier vorliegende Begünstigungsausschluss bei der Einkommensanrechnung erfolgt in der Weise, dass die grundsätzliche Freistellung des Mindestelterngeldes von der Einkommensberücksichtigung bei Beziehern von Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkünften abhängig ist (§ 10 Abs 1 BEEG) für Elterngeld beziehende SGB II- und SGB XII-Leistungsberechtigte bzw einen Kinderzuschlag beanspruchende Eltern seit der Einfügung der Anrechnungsvorschrift des § 10 Abs 5 S 1 BEEG im Grundsatz nicht (mehr) gilt. Der Begünstigungsausschluss betrifft allerdings nicht sämtliche Eltern, sondern diejenigen - bis zu einer Höhe des am vorgeburtlichen Erwerbseinkommen orientierten Elterngeldes von insgesamt 300 Euro - nicht, bei denen Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes zu berücksichtigen ist (Rückausnahme des § 10 Abs 5 S 2 BEEG). Derartige Differenzierungen sind hinsichtlich ihrer Rechtfertigung am Gleichheitssatz zu messen.

34

Der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe ungleich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG Beschluss vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240, 253 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 40). Insofern ergeben sich hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den eine Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl BVerfG Beschluss vom 7.11.2006 - 1 BvL 10/02 - BVerfGE 117, 1, 30; BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400, 416 mwN; BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214; BVerfG Beschluss vom 26.3.2014 - 1 BvR 1133/12 - NZS 2014, 414). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl BVerfG Beschluss vom 26.1.1993 - 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92 - BVerfGE 88, 87, 96; BVerfG vom 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49, 69; vgl zum Prüfungsmaßstab bei einem möglichen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz auch Britz, NJW 2014, 346).

35

Insofern betrifft die Anrechenbarkeit des Elterngeldes auf die SGB II-Leistungen und damit auch auf den Kinderzuschlag bei vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätigen Berechtigten zugleich Art 6 Abs 1 und 2 GG in seiner Schutz- und Förderdimension, weil die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen unterstützt und gefördert werden soll. Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen in einzelnen Rechtsgebieten oder Teilsystemen, in denen der Familienlastenausgleich umzusetzen ist, können zwar nicht allein aus dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG hergeleitet werden. Dem Gesetzgeber steht eine Gestaltungsfreiheit bei der Entscheidung darüber zu, in welchem Umfang und in welcher Weise er die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich umsetzt (BVerfG Urteil vom 12.2.2003 - 1 BvR 624/01 - BVerfGE 107, 205, 215 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 36; BVerfG Beschluss vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412, 434; BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012 , 214; BVerfG Beschluss vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240, 254 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 38). Es ist aber im Kontext des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angesichts des verfassungsrechtlichen Auftrags zur Familienförderung rechtfertigungsbedürftig im Sinne einer strengeren Bindung des Gesetzgebers an den Maßstab der Verhältnismäßigkeit, warum eine bestimmte Gruppe von Elterngeldberechtigten von der begünstigenden Nichtanrechenbarkeit des Elterngeldes ausgenommen ist (Lenze info also 2011, 3, 5; BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - juris RdNr 6, 13).

36

c) Soweit die Ehefrau des Klägers hinsichtlich der Anrechnungsfreiheit des Mindestelterngeldes bei existenzsichernden Leistungen ungleich gegenüber der Vergleichsgruppe der SGB II- bzw Kinderzuschlags-Berechtigten behandelt wird, die vor der Geburt ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt haben, weil diese Leistungen ohne Anrechnung des Mindestbetrags in Höhe von bis zu 300 Euro erhalten würden, ist rechtfertigender Grund für eine unterschiedliche Behandlung die Erwerbstätigkeit der Elterngeldberechtigten vor der Geburt des Kindes unter gleichzeitiger Beachtung des Nachranggrundsatzes bei existenzsichernden Leistungen.

37

Für beide Gruppen von Elterngeldberechtigten gilt der zunächst für eine gleiche Behandlung sprechende Nachranggrundsatz des SGB II. Insofern konkretisiert § 2 Abs 2 S 1 SGB II den Grundsatz in der Weise, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen haben, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Mit den gesetzlichen Neuregelungen zum 1.1.2011 hat der Gesetzgeber zur Erfüllung des mit dem HBeglG 2011 verfolgten Gesetzeszwecks einer Konsolidierung der öffentlichen Haushalte (BT-Drucks 17/3030 S 1, 47) dem Nachranggrundsatz durch die grundsätzliche Anrechenbarkeit des Elterngeldes als Einkommen im SGB II, im SGB XII und beim Kinderzuschlag eine stärkere Geltung verschafft. Hieran war er nicht gehindert (s oben 4c). Nicht zu prüfen ist, ob der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung seines weiten Gestaltungsspielraums im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit (BVerfG Beschluss vom 10.11.1998 - 1 BvL 50/92 - BVerfGE 99, 165, 178; BVerfG Beschluss vom 29.10.2002 - 1 BvL 16/95, 1 BvL 17/95, 1 BvL 16/97 - BVerfGE 106, 166, 175 f) die gerechteste und zweckmäßigste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214; BVerfG Beschluss vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 51 BvR 593/08 - juris RdNr 31 , SGb 2011, 702; BVerfG Beschluss vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412, 436).

38

Trotz des grundsätzlich geltenden Nachranggrundsatzes bei existenzsichernden Leistungen war der Gesetzgeber im Ergebnis auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert, im Wege einer Begünstigung bei der Einkommensanrechnung des Elterngeldes differenzierend darauf abzustellen, ob der Berechtigte vor der Geburt ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt hat. Mit der Anknüpfung an ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes für eine unterschiedliche Behandlung innerhalb der Gruppe der SGB II-Berechtigten im Sinne einer Privilegierung trotz Nachranggrundsatzes verfolgt der Gesetzgeber ein legitimes Differenzierungsziel. Vor dem Hintergrund negativer Erfahrungen zur Erwerbsintegration wegen der Ausgestaltung des vormaligen Elterngeldes (vgl hierzu BT-Drucks 16/1889, S 15) ist das Elterngeld im Grundsatz als leistungsorientierte, das Erwerbseinkommen ersetzende Familienleistung konzipiert, das einen "Wechsel von einer bedürftigkeitsabhängigen Unterstützungsleistung nach dem BErzGG hin zu einer einkommensorientierten Förderung nach dem BEEG" beinhaltete (vgl auch BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 2). Es sollen "finanzielle Einschränkungen in den ersten zwölf oder 14 Lebensmonaten des Kindes" ausgeglichen werden (BT-Drucks 16/1889, S 26). Diese "Einkommensersatz-funktion" des Elterngeldes (vgl BSG Urteil vom 20.5.2014 - B 10 EG 11/13 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 26 RdNr 18 mwN)findet sich in der Höhe des Elterngeldes, die sich in erster Linie an dem individuellen Einkommensausfall des betreuenden Elternteils - im Ausgang von 67 % des vorgeburtlichen Einkommens (§ 2 Abs 1 BEEG) - orientiert, wenn eine vorherige Erwerbs-tätigkeit wegen Kinderbetreuung unterbrochen, reduziert oder ganz aufgegeben wird (BT-Drucks 16/1889, S 2, 15; BSG Urteil vom 20.5.2014 - B 10 EG 11/13 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 26 RdNr 18; BSG Urteil vom 10.7.2014 - B 10 EG 1/13 R - RdNr 19).

39

Das BVerfG ist davon ausgegangen, dass diese Ausgestaltung des Elterngeldes als steuerfinanzierte Einkommensersatzleistung nicht gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt. Zwar führt die Bemessung zu einer unterschiedlichen Behandlung der Leistungsempfänger je nach der Höhe ihres vor der Geburt erwirtschafteten Erwerbseinkommens, ohne dass dem Sozialversicherungsleistungen der Empfänger vorausgegangen sind. Es enthält aber verfassungsrechtlich für sich genommen noch keinen Gleichheitsverstoß, dass die einkommensabhängige Ausgestaltung des Elterngeldes im Vergleich zur nicht als Einkommensersatzleistung gefassten Vorgängerregelung im Bundeserziehungsgeldgesetz einen Systemwechsel bedeutet und möglicherweise in der einfachgesetzlichen Struktur sozialer Leistungen systematisch eine gewisse Sonderstellung einnimmt. Dass bei einer Ausgestaltung des Elterngeldes als Kompensationsleistung für geburtsbedingten Einkommensverlust Unterschiede der Förderung zwischen Familien je nach dem vorgeburtlichen Einkommen der Eltern entstehen, ist verfassungsrechtlich angesichts der gesetzlichen Zielsetzungen der vorrangigen Förderung bei Erziehenden mit kleinen und mittleren Einkünften und des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Art und Weise der Familienförderung hinnehmbar (BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214; vgl auch BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 2; BVerfG Beschluss vom 20.4.2011 - 1 BvR 1811/08 - juris RdNr 9; BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 40).

40

Diese sachlichen Gründe, die der Gesetzgeber mit der Anknüpfung des Elterngeldes an die Höhe des bisherigen Erwerbseinkommens verbunden hat, rechtfertigen auch die unterschiedliche Behandlung beim Bezug existenzsichernder Leistungen. Diejenigen Elterngeldberechtigten, die zuvor eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, erleiden durch die Geburt eine echte Einkommenseinbuße. Bei ihnen greift "der Zweck des Elterngeldes, die Entscheidung für eine vorübergehende Unterbrechung einer Erwerbstätigkeit ohne allzu große Einkommensnachteile zu ermöglichen" (BT-Drucks 17/3452, S 8). Auf Elterngeldberechtigte im Bezug von existenzsichernden Leistungen, die - wie die Ehefrau des Klägers - vor der Geburt keine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, trifft dies nicht zu, weil sie zugunsten der Betreuung keine Erwerbstätigkeit aufgegeben haben und daher kein unmittelbar durch die Geburt bedingter Nachteil monetär auszugleichen ist (Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 10 RdNr 37). Zudem hat der Gesetzgeber des HBeglG inhaltlich zutreffend und im Sinne einer weiteren sachlichen Rechtfertigung darauf hingewiesen, dass das Mindestelterngeld auch bei geringen Einkünften aus Erwerbstätigkeit vor und nach der Geburt erbracht wird. Im Vergleich der Berechtigten untereinander werde die mit dem Erwerbstätigenfreibetrag bezweckte Anreizwirkung in Frage gestellt, wenn das Mindestelterngeld in gleicher Weise auch bei nicht erwerbstätigen Elterngeldberechtigten anrechnungsfrei gestellt werde (BT-Drucks 17/3030, S 47 f).

41

d) Auch soweit das Mindestelterngeld bei der Vergleichsgruppe der Bezieher anderer bedürftigkeitsabhängiger Sozialleistungen im Unterschied zur Situation bei den SGB II-, SGB XII- und Kinderzuschlagsberechtigten nicht angerechnet wird, obgleich beide Gruppen von Elterngeldberechtigten vor der Geburt nicht erwerbstätig waren, sind rechtfertigende Sachgründe für eine Differenzierung gegeben.

42

Eine von dem Kläger der Sache nach gerügte Systemwidrigkeit wegen Verletzung einer "vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit", die als Indiz für einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG gesehen werden könnte (vgl nur BVerfG Beschluss vom 7.11.1972 - 1 BvR 338/68 - BVerfGE 34, 103, 115 mwN, stRspr), kann der Senat nicht erkennen. Die ungleiche Behandlung der beiden Vergleichsgruppen ist vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Zielsetzungen für die jeweiligen Sozialleistungen, deren konkreter Ausgestaltung sowie der jeweils konkreten Ausformung des Subsidiaritätsgrundsatzes bei bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistungen zu sehen. Hinsichtlich dieser Anforderungen existieren Systemunterschiede zwischen den vom Kläger benannten anderen bedürftigkeits- und einkommensabhängigen Sozialleistungen, zB BAföG, Wohngeld, Unterhaltsvorschussleistungen und Leistungen der Kriegsopferfürsorge, einerseits und den Leistungen des SGB II, des SGB XII und dem Kinderzuschlag andererseits. Insbesondere gelten die Vorgaben des SGB II zur Eingliederung in Arbeit und zur Minderung/Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch Einkommensberücksichtigung (§ 2 Abs 2, § 7 Abs 1 Nr 3, § 9 Abs 1 SGB II).

43

In den Sozialleistungssystemen der Ausbildungsförderung ist der Nachranggrundsatz anders ausgeprägt. Dies folgt schon daraus, dass der faktische Zwang, eine Ausbildung wegen fehlender Existenzsicherungsmittel abbrechen zu müssen, die teilhaberechtliche Dimension des Grundrechts aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 und dem Sozialstaatsgebot aus Art 20 Abs 1 GG berührt (BVerfG Beschluss vom 3.9.2014 - 1 BvR 1768/11 - juris RdNr 24). Unabhängig hiervon bezwecken andere Sozialleistungssysteme, wie zB das Wohngeldgesetz (WoGG) mit seiner Beschränkung auf einen Zuschuss zur Miete zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens (§ 1 Abs 1 WoGG), eine soziale Absicherung nur in Teilbereichen. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UhVorschG) sind - ebenfalls der Höhe nach begrenzt - in erster Linie als Anspruch des minderjährigen Kindes auf Ausgleich eines fehlenden Unterhalts gerichtet (§ 1 Abs 1 Nr 1 UhVorschG), ohne dass der Anspruch des alleinerziehenden Elternteils auf Elterngeld diesen berührt (Grube, UnterhaltsvorschussG, 2009, Einleitung RdNr 16; vgl zum Zweck des UhVorschG: BT-Drucks 8/1952). Dagegen sind die in § 10 Abs 5 S 1 BEEG aufgeführten existenzsichernden Leistungen des SGB II, des SGB XII sowie der Kinderzuschlag auf eine Vollabsicherung gerichtet. Schon wegen des unterschiedlichen Umfangs der gewährenden Staatstätigkeit können - ohne dass dies zwingend wäre - unterschiedliche Maßstäbe hinsichtlich der Umsetzung des Nachranggrundsatzes im Rahmen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers Anwendung finden, wenn er sich - wie hier - zu einer aus seiner Sicht aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise und der Einhaltung der Defizitgrenze des Europäischen Stabilitäts- und Wirtschaftspakts notwendigen Haushaltskonsolidierung durch Kürzungsmaßnahmen auch im Sozialbereich entscheidet (vgl BT-Drucks 17/3030, S 1, 47). Trotz der mit dem Mindestelterngeld ursprünglich beabsichtigten einheitlichen und bedürftigkeitsunabhängigen Honorierung der Erziehungs- und Betreuungsleistungen (vgl nur BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - juris RdNr 30; Dau, jurisPR-SozR 7/2013, Anm 5 mwN) ist der Gesetzgeber daher nicht gehindert, nur für bestimmte Gruppen weiterhin eine Begünstigung im Sinne einer Nichtanrechnung des Elterngeldes anzuerkennen.

44

e) Soweit der Kläger eine Benachteiligung gegenüber anderen vor der Geburt nicht erwerbstätigen, aber auch nicht von existenzsichernden Leistungen abhängigen Elterngeldberechtigten darin sieht, dass diesen der Betrag in Höhe des Mindestelterngeldes von 300 Euro faktisch ungeschmälert "als Familienleistung" erbracht wird, während es bei ihm anrechenbares Einkommen bei der Prüfung des Anspruchs auf Kinderzuschlag nach § 6a BKGG aF ist, ist schon fraglich, ob überhaupt vergleichbare Lebenssachverhalte iS des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 GG zugrunde liegen. Beide Elterngruppen werden hinsichtlich der faktischen Zahlung des Mindestelterngeldes gleich behandelt, indem sie diesen Betrag tatsächlich erhalten.

45

Betrachtet man die Belastung des Elterngeldes mit einer Anrechnungsregelung bei Inanspruchnahme einer bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistung (vgl BVerfG Beschluss vom 24.10.1991 - 1 BvR 1159/91 - juris RdNr 7 f zur vergleichbaren Regelung beim Kindergeld) als "faktische Ungleichbehandlung" (vgl Dau, jurisPR-SozR 7/2013, Anm 5; Lenze, info also 2011, 3, 5) liegt ein rechtfertigender Grund für eine Ungleichbehandlung beider Gruppen auch hier in dem Umstand, dass bei dem steuerfinanzierten Kinderzuschlag wegen der Verknüpfung mit den SGB II-Leistungen der Nachranggrundsatz zu beachten ist. Die als Ausnahme hiervon konzipierte Begünstigung durch ein anrechnungsfreies Mindestelterngeld soll nicht eingreifen, wenn - wie im Falle der Ehefrau des Klägers - kein Erwerbseinkommen vor der Geburt vorhanden ist. Von der ursprünglich neben weiteren zentralen Zielsetzungen (vgl dazu unter 5c) genannten bedürftigkeitsunabhängigen Anerkennung der elterlichen Erziehungs- und Betreuungsleistung durch weitergehende Ausnahmen vom Nachranggrundsatz hat sich der Gesetzgeber des HBeglG 2011 in Teilbereichen verabschiedet (so auch Frerichs in Sozialrecht aktuell 2011, 167, 170).

46

6. Das LSG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft im streitigen Zeitraum vom 1.1.2011 bis 31.3.2011 in vom LSG zutreffend berechneter Höhe von 1906,12 Euro mit dem zu berücksichtigenden Einkommen aus der Beschäftigung des Klägers, dem Kindergeld und dem an seine Ehefrau geleisteten Elterngeld gedeckt werden kann und schon dies einem Anspruch auf Kinderzuschlag entgegensteht.

47

Als Einkommen aus der Beschäftigung des Klägers ist entsprechend den tatsächlichen Feststellungen und zutreffenden rechtlichen Würdigungen des LSG für die Monate Januar und Februar 2011 ein Gesamtbetrag in Höhe von 1136,57 Euro und für März 2011 ein Einkommen in Höhe von 1203,44 Euro zu berücksichtigen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG sind von den Einkünften des Klägers aus Erwerbstätigkeit neben den bereits vom Arbeitgeber abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von zusammen 362,17 Euro (Januar/Februar 2011) sowie 395,30 Euro (März 2011) der Erwerbstätigenfreibetrag von 210 Euro monatlich und der Grundfreibetrag in Höhe von 100 Euro monatlich, der als höherer Monatsbetrag die konkreten Abgaben für Versicherungen und für die Fahrten zur Arbeitsstätte ersetzt, in Abzug zu bringen. Es ergibt sich ein anrechenbarer Betrag von 1033,83 Euro (Januar/Februar 2011) bzw 1100,70 Euro (März 2011). Hinzuzurechnen ist monatlich der zwölfte Teil des anteiligen Weihnachtsgeldes in Höhe von 1706 Euro (brutto), das der Kläger im November 2010 erhalten hat. Hiervon sind insgesamt 473,15 Euro als Steuern und Sozialabgaben abzusetzen. Von dem zu verteilenden Betrag von 1232,85 Euro entfällt auf die Monate Januar bis März 2011 jeweils ein solcher in Höhe von 102,74 Euro. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Betrag des Weihnachtsgeldes nach § 2 Abs 4 S 3 Alg II-V(idF vom 17.12.2007 ) als einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von zwölf Monaten mit einem monatlich zu berücksichtigenden Betrag von 102,74 Euro verteilt hat. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber mit dem am 1.4.2011 in Kraft getretenen § 11 Abs 3 S 3 SGB II nF(BGBl I 453) den "Verteilzeitraum" auf einen Zeitraum von sechs Monaten mit einer nachfolgend nur möglichen Berücksichtigung noch vorhandener Beträge als Vermögen eingegrenzt hat (vgl BT-Drucks 17/3404, S 94), können keine Rückschlüsse für die Bewertung der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt gezogen werden (vgl zum so genannten Verteilzeitraum nur Urteil des Senats vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32). Ergänzend zu den Einkünften des Klägers aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 1136,57 Euro (Januar/Februar 2011) und 1203,44 Euro (März 2011) ist durchgängig das Kindergeld für drei Kinder in Höhe von monatlich 558 Euro und das Elterngeld in Höhe von 300 Euro einzubeziehen. Das Wohngeld bleibt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts unberücksichtigt, weil es nicht gleichzeitig mit dem Alg II bezogen werden kann (§ 7 Abs 1 Nr 1 WoGG; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 6a BKGG RdNr 120, Stand 4/2014). Es ergeben sich Einkünfte der gesamten Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1994,57 Euro (Januar/Februar 2011) bzw 2061,44 Euro (März 2011), die über dem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1906,12 Euro liegen.

48

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum von November 2006 bis März 2007. Sie richtet sich mittelbar gegen die im Jahr 2006 getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, die sogenannte Bedarfsgemeinschaft im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres zu erweitern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil zusammenleben. Danach erhalten diese Kinder, auch wenn sie gegen die Eltern keinen durchsetzbaren Unterhaltsanspruch haben, 80 % der Regelleistung von Alleinstehenden, dabei wird das Einkommen und Vermögen ihrer Eltern bei ihrem Leistungsanspruch berücksichtigt.

I.

2

Das Zweite Buch Sozialgesetzbuch regelt mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts die Grundsicherung für Arbeitsuchende. Mit diesen Leistungen sollen vom Gesetzgeber anerkannte, eine menschenwürdige Existenz sichernde Bedarfe abgedeckt werden. Dabei wird leistungsmindernd berücksichtigt, wenn Bedürftige mit Angehörigen in häuslicher Gemeinschaft leben. Dies ist im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (dazu 1) anders ausgestaltet als in der im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) geregelten Sozialhilfe (dazu 2).

3

1. Leistungsberechtigt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sind erwerbsfähige Hilfebedürftige. Dazu gehören nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II und hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

4

Darüber hinaus sind nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch diejenigen Personen leistungsberechtigt, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Nach der abschließenden Regelung des § 7 Abs. 3 SGB II können eine Bedarfsgemeinschaft nur Eltern und Kinder - nach der hier angegriffenen Erweiterung auch volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres - sowie Menschen in Ehe und Lebenspartnerschaft oder in ehe- und lebenspartnerschaftsähnlicher Beziehung bilden. Zur Bedarfsgemeinschaft können diese Personen auch gehören, wenn sie nicht erwerbsfähig sind und keine Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhalten, weil sie beispielsweise nicht nur vorübergehend in einer stationären Einrichtung untergebracht sind, Altersrente oder ähnliche Leistungen beziehen (§ 7 Abs. 4 SGB II) oder sie einen Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch haben (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der damals maßgeblichen Fassung; heute § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II); dann handelt es sich - wie im Ausgangsverfahren angenommen - um eine "gemischte Bedarfsgemeinschaft" (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R -, juris, Rn. 31, 48). Eine Bedarfsgemeinschaft setzt jedoch stets voraus, dass die Beteiligten zusammenleben.

5

a) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende dient dazu, zur Sicherung des Lebensunterhalts unterschiedliche Bedarfe durch staatliche Leistungen zu decken. Zentral ist die Regelleistung nach § 20 SGB II. Sie wird pauschal gewährt, dient der Sicherung des Lebensunterhalts und umfasst nach dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen § 20 Abs. 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Zudem besteht Anspruch auf Leistungen für etwaige Mehrbedarfe nach § 21 SGB II und auf Leistungen für die tatsächlichen, angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten nach § 22 SGB II. Dazu kommen weitere Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen sowie Vorschüsse, Zuschüsse und Darlehen für besondere Bedarfe. Unter 25-Jährige, die allerdings auch besonderen Sanktionsregeln unterliegen, sind zudem nach § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB II vordringlich in Ausbildung oder Arbeit zu vermitteln. In dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Bewilligungsabschnitt bis zum 31. Dezember 2010 bestand nach § 24 SGB II binnen zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld auch ein Anspruch auf Zuschläge, um den Übergang in die Grundsicherung abzufedern (aufgehoben durch Art. 15 Nr. 4 Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 9. Dezember 2010, BGBl I S. 1885).

6

Bei der Regelleistung wird nach dem Lebensalter und der Lebenssituation der Bedürftigen unterschieden. So erfolgen Festsetzungen für alleinstehende erwachsene Hilfebedürftige, für Erwachsene, die mit anderen zusammen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, für Familienhaushalte, in denen Erwachsene Kinder versorgen (nach der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung des § 20 Abs. 2 und 3 - heute Abs. 4 - SGB II) und eigenständig für Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre (nach der damaligen Fassung des § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II; heute § 23 Nr. 1 SGB II). Die volle Regelleistung erhalten grundsätzlich Alleinstehende und Alleinerziehende; sie wird auch denen zuerkannt, die mit einer oder einem Minderjährigen in ehelicher, lebenspartnerschaftlicher oder ähnlicher Beziehung leben (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Ihre Höhe lag in dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II bei monatlich 345 €.

7

b) Auf Grundsicherungsleistungen bestehen auch im Falle einer Bedarfsgemeinschaft immer individuelle Ansprüche der einzelnen Mitglieder (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R -, juris, Rn. 12). Das Gesetz berücksichtigt allerdings, ob Leistungsberechtigte mit weiteren Personen zusammenleben. Es geht davon aus, dass mit dem Zusammenleben von Angehörigen in häuslicher Gemeinschaft Einsparungen einhergehen und die Beteiligten gemeinsam wirtschaften. Daher wird grundsätzlich das anrechenbare Einkommen und verwertbare Vermögen aller Angehörigen dieser Bedarfsgemeinschaft zugerechnet (§ 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II) und alle individuellen Ansprüche werden mit Blick auf den Gesamtbedarf dieser Bedarfsgemeinschaft berechnet (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Dies wird als "horizontale Berechnungsmethode" bezeichnet (vgl. BSG, Urteile vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 55/07 R -, juris, Rn. 14 ff., und vom 28. Oktober 2009 - B 14 AS 55/08 R -, juris, Rn. 23). Das Einkommen und Vermögen von Kindern wirkt sich allerdings lediglich auf ihre eigene Bedürftigkeit aus, was sich im Umkehrschluss aus § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II ergibt. Leben Kinder außerhalb des elterlichen Haushalts und damit nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern, wird elterliches Einkommen, unabhängig vom Alter des Kindes, nur berücksichtigt (und dann als eigenes Einkommen des Kindes angerechnet), wenn Zahlungen tatsächlich geleistet werden.

8

c) Für als Partnerin oder Partner in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Erwachsene (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II) werden je 90 % der vollen Regelleistung anerkannt (damals nach § 20 Abs. 3 SGB II; heute in § 20 Abs. 4 SGB II). Dies waren in dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum monatlich 311 €. Sonstige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft erhalten 80 % der vollen Regelleistung (§ 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II; heute in § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II als Leistungsbetrag ausgewiesen). Dies waren im maßgeblichen Zeitraum 276 €. Auch wenn ein Elternteil mit einem volljährigen, aber unter 25-jährigen Kind zusammen lebt, wird davon ausgegangen, dass der Elternteil die volle Regelleistung und das Kind als sonstiger erwerbsfähiger Angehöriger 80 % hiervon erhält (vgl. Saitzek, in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 20 Rn. 26).

9

Erwachsene Kinder, die trotz Bedürftigkeit ohne Zusicherung des Trägers der Grundsicherungsleistung nach dem damals geltenden § 22 Abs. 2a SGB II (heute § 22 Abs. 5 SGB II) aus dem elterlichen Haushalt auszogen, erhielten nach dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum geltenden § 20 Abs. 2a SGB II (heute § 20 Abs. 3 SGB II) weiter nur die auf 80 % abgesenkte Regelleistung. Zudem erhielten sie bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nach § 22 Abs. 2a SGB II keine Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung, wenn dies nicht zugesichert war, und gemäß dem damaligen § 23 Abs. 6 SGB II (heute § 24 Abs. 6 SGB II) keine Leistungen zur Erstausstattung für die Wohnung.

10

2. In der Sozialhilfe - nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - sind die Einstandspflichten zusammenlebender Personen anders geregelt als im Grundsicherungsrecht. Das betrifft insbesondere die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei der Bestimmung des Leistungsanspruchs. Grundsätzlich ist zwar auch in der Sozialhilfe eigenes Einkommen und Vermögen zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen. Das gilt für die Hilfe zum Lebensunterhalt (insbesondere bei vorübergehender voller Erwerbsminderung) nach § 19 Abs. 1 SGB XII und im Alter oder bei dauerhafter voller Erwerbsminderung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XII (jeweils in der Fassung von Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003, BGBl I S. 3022). Jedoch hat der Gesetzgeber hier die sogenannte Einsatz- oder Einstandsgemeinschaft normiert. Auch sie dient dazu, das gemeinsame Wirtschaften im häuslichen Näheverhältnis zu berücksichtigen. Doch muss hier anders als in der Bedarfsgemeinschaft das eigene Einkommen und Vermögen nur insoweit für andere eingesetzt werden, wie dies den eigenen notwendigen Lebensunterhalt übersteigt. Dies wird als "vertikale Berechnungsmethode" bezeichnet.

11

Elterliches Einkommen wird bei - dem elterlichen Haushalt angehörenden - minderjährigen unverheirateten Kindern nur in der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch berücksichtigt und auch nur dann, wenn sie den notwendigen Lebensunterhalt aus ihrem Einkommen und Vermögen nicht selbst beschaffen können (zum Zeitpunkt des Ausgangsverfahrens nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB XII). Darüber hinaus ist elterliches Einkommen nur im Rahmen der Vermutungsregelung zur Bedarfsdeckung in der Haushaltsgemeinschaft nach dem damaligen § 36 Satz 1 SGB XII (heute § 39 Satz 1 SGB XII) zu berücksichtigen. Im Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch) findet eine Anrechnung elterlichen Einkommens nicht statt.

II.

12

Der Gesetzgeber hat die im vorliegenden Verfahren zentralen Regelungen im Jahr 2006 mit dem Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl I S. 558) in Kraft gesetzt. Seitdem sind nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 und 4 SGB II auch erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, die mit ihren Eltern zusammenleben, im System der Grundsicherung für Arbeitsuchende als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu betrachten. Dies führt nach der damals geltenden Fassung des § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II zur Absenkung ihrer Grundsicherungsleistungen auf 80 % der Regelleistung. Zudem hat der Gesetzgeber mit der Änderung von § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II die Anrechnung des elterlichen Einkommens und Vermögens auf ihren Bedarf vorgegeben.

13

Die der angegriffenen Entscheidung zugrundeliegenden und mittelbar angegriffenen Regelungen lauten in der damals geltenden Fassung des Art. 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2954), Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl I S. 558) und Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I S. 1706):

§ 7 SGB II

Berechtigte

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,

2. erwerbsfähig sind,

3. hilfebedürftig sind und

4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben

(erwerbsfähige Hilfebedürftige). […]

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. […]

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1. die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,

2. die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,

3. als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen

a) der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,

b) der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,

c) eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen,

4. die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

[…]

§ 9 SGB II

Hilfebedürftigkeit

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht

1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,

2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

(2) 1Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. 2Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen. 3Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

[…]

§ 20 SGB II

Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts

[…]

(2) 1Die monatliche Regelleistung beträgt für Personen, die allein stehend oder allein erziehend sind oder deren Partner minderjährig ist, 345 €. 2Die Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft beträgt 80 vom Hundert der Regelleistung nach Satz 1.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 erhalten Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Abs. 2a umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres 80 vom Hundert der Regelleistung.

(3) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, beträgt die Regelleistung jeweils 90 vom Hundert der Regelleistung nach Absatz 2.

[…]

§ 22 SGB II

Leistungen für Unterkunft und Heizung

[…]

(2a) 1Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden ihnen Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur erbracht, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. 2Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1. der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,

2. der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder

3. ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.

3Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen.

[…]

14

Diese Regelungen gehen auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zurück, der im Gesetzgebungsverfahren durch den Ausschuss des Deutschen Bundestages für Arbeit und Soziales vollständig neu gefasst wurde. Der Ausschuss hat zur Begründung ausgeführt, Kinder trügen keine zur allgemeinen Haushaltsführung gehörenden Aufwendungen wie für Versicherungen, Strom oder haushaltstechnische Geräte (Ausschuss für Arbeit und Soziales, Beschlussempfehlung und Bericht vom 15. Februar 2006, BTDrucks 16/688, S. 13 f. zu Nr. 2, Buchstabe b). Zudem sollten auch erwachsene Kinder nicht frühzeitig und ohne sozial hinreichende Sicherung ausziehen (ebd., S. 14 zu Nr. 6, Buchstabe a).

15

Die Regelungen wurden durch nachfolgende Gesetzgebung geschlechtergerecht gefasst und einzelne Absätze innerhalb der Vorschriften neu eingeordnet, bestehen jedoch inhaltlich im Wesentlichen fort. Den nach § 20 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB II geltenden Regelsatz, von dem die hier maßgeblichen Leistungen nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II abgeleitet sind, hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil des Ersten Senats vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1, 3, 4/09 - (BVerfGE 125, 175) für mit dem Grundgesetz unvereinbar, jedoch bis zu einer Neuregelung für weiter anwendbar erklärt. Die Regelsätze wurden wiederholt erhöht und erwiesen sich nach dem Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10, 12/12, 1 BvR 1691/13 - (BVerfGE 137, 34) in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl I S. 453) sowie der bis zu dieser Entscheidung ergangenen weiteren Fassungen und Nachfolgeregelungen als noch mit dem Grundgesetz vereinbar.

III.

16

1. Der im September 1985 geborene, ledige Beschwerdeführer, der über eine abgeschlossene Ausbildung verfügt, war in der Zeit von Juni bis September 2006 als Maler berufstätig und seitdem (erneut) arbeitslos. Im fachgerichtlich zunächst streitigen Zeitraum von Oktober 2006 bis März 2007 lebte er mit seiner ein Jahr jüngeren Schwester und seinem 1961 geborenen Vater zusammen. Der Vater bezog eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer in Höhe von monatlich 615,84 €.

17

a) Auf Antrag des Beschwerdeführers bewilligte der Träger der Grundsicherungsleistung ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für Oktober 2006 bis März 2007. Die Höhe der Leistungen berechnete er ab November 2006 mit monatlich 175,64 €. Dem Beschwerdeführer stünden im Ausgangspunkt 276 € als Regelleistung, 80 € als befristeter Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld gemäß dem damaligen § 24 SGB II und anteilige 10,92 € als Kosten der Unterkunft und Heizung zu. Er lebe jedoch mit dem Vater in einer Bedarfsgemeinschaft. Dieser gehöre die Schwester nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht an, da sie ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen bestreite. Der Vater sei zudem zwar aufgrund seiner Erwerbsunfähigkeit von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ausgeschlossen. Doch müsse der Anteil seiner Rente, der seinen dann fiktiv zu berechnenden Grundsicherungsbedarf nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R -, juris, Rn. 40) übersteige, bei der Berechnung des Anspruchs des Beschwerdeführers bedarfsmindernd berücksichtigt werden. Der (fiktive) Bedarf des Vaters liege bei 355,92 €, was sich aus 345 € Regelleistung und 10,92 € anteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung ergebe. Damit verbleibe dem Vater nach Bereinigung des monatlichen Rentenzahlbetrags ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 547,20 €. Dies übersteige seinen Bedarf um 191,28 €. Damit stünden dem Beschwerdeführer Leistungen in entsprechend verringerter Höhe zu.

18

b) Das Sozialgericht wies die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage des Beschwerdeführers und seines Vaters ab. Das Landessozialgericht wies die Berufung unter Nichtzulassung der Revision durch Beschluss zurück.

19

c) Das Bundessozialgericht wies die von ihm zugelassene Revision als unbegründet zurück. Der Vater des Beschwerdeführers sei nicht klagebefugt; dem Beschwerdeführer stehe im streitgegenständlichen, in der Revisionsinstanz auf November 2006 bis März 2007 begrenzten Zeitraum kein Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen zu. Es bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass ihm lediglich 80 % der Regelleistung eines Alleinstehenden zuerkannt worden seien. Die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II in der ab dem 1. Juli 2006 geltenden Fassung sei nicht verfassungswidrig. Der Beschwerdeführer weise zwar zu Recht darauf hin, dass angesichts der geringen Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente und dem Schutz des Selbstbehalts seines Vaters nach § 1603 Abs. 1 BGB wohl kein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch gegen diesen bestehe. Der fürsorgerechtliche Gesetzgeber dürfe jedoch bei der Frage, ob der Einsatz staatlicher Mittel gerechtfertigt sei, von den Regelungen des Unterhaltsrechts abweichen und typisierend unterstellen, dass in einem Haushalt zusammenlebende Familienangehörige sich unterstützten. Dies gelte zumal, wenn diese in gerader Linie verwandt seien. In der Wahl der Altersgrenze von 25 Jahren könne kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erkannt werden; dem Gesetzgeber komme hier ein weiter Ermessensspielraum zu. Die mit einem starren Stichtag verbundenen Härten seien grundsätzlich hinzunehmen. Überdies habe der Gesetzgeber mit der Einführung dieser Altersgrenze verfassungsrechtlich legitime Zwecke verfolgt. Er habe insbesondere verhindern wollen, dass Kinder, die im Haushalt der Eltern lebten, mit Erreichen der Volljährigkeit automatisch eine eigene Bedarfsgemeinschaft bildeten. Eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung sei auch nicht darin zu sehen, dass nur das Einkommen des Elternteils berücksichtigt werde, der mit dem erwachsenen Kind in einem Haushalt lebe, nicht hingegen das Einkommen eines dort nicht lebenden Elternteils.

20

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und von Art. 3 Abs. 1 GG.

21

Er wendet sich gegen zu niedrige Sozialleistungen aufgrund der Einbeziehung in die Bedarfsgemeinschaft mit seinem Vater und greift insbesondere die Revisionsentscheidung des Bundessozialgerichts an. Mittelbar richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen die im Ausgangsverfahren maßgeblichen Regelungen der § 7 Abs. 3 Nr. 2 und 4, § 9 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II; sie seien verfassungswidrig, soweit sie zu der Konstruktion einer Bedarfsgemeinschaft zwischen ihm und seinem Vater mit der Folge der Regelleistungskürzung aufgrund der Einkommensanrechnung führten. Sein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sei verletzt. Die ihm gewährten Leistungen seien evident unzureichend. Der Auszahlbetrag von 175,64 € bleibe noch hinter den Leistungen von 184,07 € zurück, die einer alleinstehenden hilfebedürftigen Person nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustünden. Er müsse einen Teil seines Bedarfs mit Mitteln seines Vaters decken, auf die er dem Grunde oder zumindest der Höhe nach keinen Anspruch habe, insbesondere nicht nach bürgerlich-rechtlichem Unterhaltsrecht. Der Rückgriff auf fremde Mittel für die Bedarfsdeckung könne nur dann zugelassen werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass diese Mittel ihm auch tatsächlich zur Verfügung stünden. Zudem sei die Höhe der Regelleistung für junge Erwachsene mit 80 % der Regelleistung von Alleinstehenden "gegriffen" und nicht mittels eines sachgerechten und transparenten Verfahrens ermittelt worden. Der Gesetzgeber habe den Bedarf junger Erwachsener und seine Deckung im Haushalt der Familie in keiner Form erfasst.

22

Es verstoße gegen den Gleichheitssatz, unter 25-jährige schlechter zu behandeln als ältere Personen. Die tatsächlichen Lebensverhältnisse änderten sich mit Erreichen dieser Altersgrenze nicht. Nicht einzusehen sei auch, weshalb der Bedarf nach Eintritt der Volljährigkeit bei Erwerbsfähigen geringer sein solle als bei Erwerbsunfähigen. Eine weitere, nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zeige sich im Vergleich zum Bereich der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Dort gebe es keine vergleichbare Anrechnungsregelung. Ein erwerbsgeminderter junger Erwachsener sei dort nicht Teil einer Bedarfsgemeinschaft mit seinen Eltern, obwohl eine allgemeine Fürsorgepflicht der Eltern sogar eher angenommen werden könne.

23

3. Der Vater des Beschwerdeführers hatte zeitgleich Verfassungsbeschwerde eingelegt, mit der er eine Verletzung von Art. 14 GG rügte. Durch die Anrechnung eines Teils seiner Rente auf den Bedarf seines Sohnes werde ihm die Rente insoweit entzogen. Die 3. Kammer des Ersten Senats hat diese Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 6. Dezember 2011 - 1 BvR 371/11 - nicht zur Entscheidung angenommen. Der Vater selbst beantragte im Ausgangsverfahren keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Sein Rentenzahlbetrag wurde ungemindert an ihn ausgezahlt.

IV.

24

Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für teilweise unzulässig, da der Beschwerdeführer nicht von allen mittelbar angegriffenen Regelungen betroffen und eine Grundrechtsverletzung nicht hinreichend substantiiert dargelegt sei. Jedenfalls sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet, denn die Höhe der Regelleistung in der Bedarfsgemeinschaft sei transparent und sachgerecht festgestellt worden; bessere Methoden gebe es nicht. Das Existenzminimum sei jedenfalls nicht evident unterschritten. Der Gesetzgeber dürfe im Fürsorgerecht vom Unterhaltsrecht abweichen, sich an der Lebenswirklichkeit orientieren und daher bei der Familiengemeinschaft von einem wechselseitigen Einstandswillen ausgehen. Fehle dieser, habe der Gesetzgeber mit § 22 Abs. 2a SGB II in der damals geltenden Fassung die Möglichkeit eingeräumt, eine eigene Bedarfsgemeinschaft außerhalb des Elternhauses zu begründen.

25

Die für Verfahren aus dem Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts haben mitgeteilt, dass die mittelbar angegriffenen Regelungen bisher von ihnen angewandt und nicht für verfassungswidrig gehalten worden seien.

26

Die Niedersächsische Landesregierung, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, der Deutsche Caritasverband, der Deutsche Familiengerichtstag, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Diakonie Deutschland - Evangelischer Bundesverband - und der Sozialverband Deutschland gehen davon aus, dass die Verfassungsbeschwerde zulässig und begründet ist. Durch die Erweiterung der Bedarfsgemeinschaft mit der Folge der reduzierten Regelleistung sowie der Anrechnung des elterlichen Einkommens seien das aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sowie der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

B.

27

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

I.

28

Das Vorbringen des Beschwerdeführers bedarf allerdings der Auslegung.

29

Das Bundesverfassungsgericht ist bei der Bestimmung des prozessualen Begehrens nicht an die wörtliche Fassung des Antrages gebunden. Bei dessen Auslegung ist insbesondere die Antragsbegründung zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 1, 14 <39>; 54, 53 <64 f.>; 68, 1 <68 f.>; 103, 242 <257>; 139, 194 <220 Rn. 97>).

30

Die Verfassungsbeschwerde zielt im Wesentlichen auf die Regelungen in § 7 Abs. 3 Nr. 2, § 9 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II zu den Grundsicherungsleistungen, wenn Eltern in die Bedarfsgemeinschaft mit ihren volljährigen Kindern einbezogen werden. Demgegenüber ist § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II zur Einbeziehung von Kindern in die Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern nicht Gegenstand des Verfahrens. Diese Regelung findet auf den Beschwerdeführer keine Anwendung und auf ihr beruht auch die unmittelbar angegriffene Entscheidung nicht.

II.

31

Die Verfassungsbeschwerde ist hinreichend substantiiert (zu den Substantiierungsanforderungen vgl. BVerfGE 130, 1 <21> m.w.N.). Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers erscheint es möglich, dass er in seinem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletzt ist. Dies kann sich daraus ergeben, dass die für ihn maßgebliche Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht gesondert berechnet wird, aber unter dem sonst für ihn anzusetzenden Regelleistungsbetrag für Alleinstehende liegt. Die Grundrechtsverletzung kann sich zudem daraus ergeben, dass die Grundsicherungsleistung zu Lasten des Beschwerdeführers in der Bedarfsgemeinschaft ungleich verteilt wird und dass ein Teil des Einkommens seines Vaters nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II auf seine Leistungen angerechnet wird, ohne dass ihm ein korrespondierender Unterhaltsanspruch zustünde.

C.

32

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Bedarfsgemeinschaft im Grundsicherungsrecht nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II auf volljährige Kinder zu erweitern, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist sowohl mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikels 20 Abs. 1 GG als auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Dies gilt - unabhängig von der Festlegung der Regelleistung selbst (zu § 20 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB II vgl. BVerfGE 125, 175 <221 ff.>) - jedenfalls bei einer aus zwei Personen bestehenden Bedarfsgemeinschaft für die Bestimmung der existenzsichernden Leistungen gemäß dem damals geltenden § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II, auch wenn bei dem erwachsenen Kind eine Regelleistung von 80 % der Regelleistung für Alleinstehende angesetzt und elterliches Einkommen und Vermögen nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II berücksichtigt wird, obwohl diesem kein Unterhaltsanspruch korrespondiert.

I.

33

Die mittelbar angegriffenen Regelungen und die auf ihnen beruhende Entscheidung des Bundessozialgerichts verletzen den Beschwerdeführer durch die Einbeziehung in eine Bedarfsgemeinschaft mit einem Elternteil nicht in seinem grundrechtlich gesicherten Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG.

34

1. Die im Ausgangsverfahren maßgebliche Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II genügt dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums allerdings insoweit nicht, als sie von der vollen Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung abgeleitet ist. Diese hat das Bundesverfassungsgericht für mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt (vgl. zur Ableitung der Regelleistung für in Bedarfsgemeinschaft zusammenlebende Partnerinnen und Partner BVerfGE 125, 175 <244 f.> sowie zum Sozialgeld a.a.O. <245>). Doch wurde die Vorgabe zur Bestimmung der Regelleistung in § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 9. Februar 2010 nicht für nichtig, sondern für übergangsweise weiter anwendbar erklärt, um die Anspruchsgrundlage für existenzsichernde Leistungen zu erhalten (vgl. BVerfGE 125, 175 <255 f.>). Sie war folglich im entscheidungserheblichen Zeitraum auch der Bestimmung der Höhe der existenzsichernden Leistungen für den Beschwerdeführer zugrunde zu legen. Davon geht auch der Beschwerdeführer selbst aus, der sich mit seiner Verfassungsbeschwerde ausdrücklich nicht gegen die Ableitung der Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Hilfebedürftige nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II von der bis zum 31. Dezember 2010 fortgeltenden vollen Regelleistung wendet.

35

2. Der Beschwerdeführer ist durch die Einbeziehung in die Bedarfsgemeinschaft mit einem Elternteil nicht in seinen Grundrechten verletzt.

36

a) Das Grundgesetz garantiert mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch; das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, ein menschenwürdiges Existenzminimum tatsächlich zu sichern. Das Grundrecht ist dem Grunde nach unverfügbar und muss durch einen Leistungsanspruch eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen im Hinblick auf die konkreten Bedarfe der Betroffenen auszurichten hat. Dem Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>; 132, 134 <159 Rn. 62>). Bei dessen Ausfüllung hat er auch völkerrechtliche Verpflichtungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 132, 134 <161 f. Rn. 68>; 137, 34 <72 Rn. 74>).

37

aa) Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf die unbedingt erforderlichen Mittel zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (vgl. BVerfGE 125, 175 <223>; 132, 134 <160 Rn. 64>; 137, 34 <72 Rn. 75>).

38

bb) Der Gesetzgeber muss bei der Ausgestaltung der Leistungen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums die entsprechenden Bedarfe der Hilfebedürftigen zeit- und realitätsgerecht erfassen. Ihm kommt ein Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung von Art und Höhe der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Er hat einen Entscheidungsspielraum bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie bei der wertenden Einschätzung des notwendigen Bedarfs, muss seine Entscheidung jedoch an den konkreten Bedarfen der Hilfebedürftigen ausrichten (vgl. BVerfGE 125, 175 <224 f.>; 132, 134 <160 f. Rn. 67>; 137, 34 <72 f. Rn. 76>) und die Leistungen zur Konkretisierung des grundrechtlich fundierten Anspruchs müssen tragfähig, also durch realitätsgerechte, schlüssige Berechnungen sachlich differenziert begründet werden können (vgl. BVerfGE 137, 34 <72 ff. Rn. 76 f.>). Die Anforderungen des Grundgesetzes, tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen, dürfen im Ergebnis nicht verfehlt werden (BVerfGE 137, 34 <73 f. Rn. 77>).

39

cc) Der Staat hat im Rahmen seines Auftrags zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrags dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins erfüllt werden, wenn einem Menschen die hierfür erforderlichen notwendigen materiellen Mittel weder aus seiner Erwerbstätigkeit noch aus seinem Vermögen oder durch Zuwendungen Dritter zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>). Auch der soziale Rechtsstaat ist darauf angewiesen, dass Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, nur in Fällen in Anspruch genommen werden, in denen wirkliche Bedürftigkeit vorliegt. Bei der Ermittlung der Bedürftigkeit kann daher grundsätzlich auch das Einkommen und Vermögen von Personen einbezogen werden, von denen in einer Gemeinschaft ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann (vgl. BVerfGE 87, 234 <264 f.>, auch BVerfGE 75, 382 <394 f.>). Das gilt jedenfalls im Rahmen einer Ehe oder einer Lebenspartnerschaft und im Verhältnis einander unterhaltspflichtiger Verwandter, soweit wechselseitige Unterhaltsansprüche bestehen (vgl. BVerfGE 75, 382 <394 f.>). Allerdings ist eine Anrechnung auch dann nicht ausgeschlossen, wenn zivilrechtlich kein (vgl. BVerfGE 9, 20 <30 ff.>) oder nur ein geringerer Unterhaltsanspruch (vgl. BVerfGE 71, 146 <155 f.>) besteht. Die Anrechnung darf nur nicht zu einer Benachteiligung von Ehe und Familie führen (Art. 6 Abs. 1 GG; vgl. BVerfGE 87, 234 <256 ff.>). Maßgebend sind aber insoweit nicht möglicherweise bestehende Rechtsansprüche, sondern die faktischen wirtschaftlichen Verhältnisse der Hilfebedürftigen, also das tatsächliche Wirtschaften "aus einem Topf" (vgl. BVerfGE 9, 20 <30 ff.>). Nicht angerechnet werden darf, was zu leisten die Verpflichteten außerstande sind (vgl. zum Unterhaltsrecht BVerfGE 28, 324 <352>) oder was sie ohne rechtliche Verpflichtungen erkennbar nicht zu leisten bereit sind (vgl. BVerfGE 71, 146 <156>; 87, 234 <256; 265>). Eine Grenze kann die Anrechnung auch in der Selbstbestimmung der Beteiligten (Art. 2 Abs. 1 GG) und der Freiheit in der Gestaltung des familiären Zusammenlebens (Art. 6 Abs. 1 GG) finden.

40

b) Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht.

41

aa) Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen vorgibt, beschränkt sich die materielle Kontrolle der Höhe von Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind (vgl. BVerfGE 125, 175 <225 f.>; 132, 134 <165 Rn. 78>; 137, 34 <75 Rn. 81>). Diese Kontrolle bezieht sich im Wege einer Gesamtschau (vgl. BVerfGE 130, 263 <295>) auf die Höhe der Leistungen insgesamt und nicht auf einzelne Berechnungselemente, die dazu dienen, diese Höhe zu bestimmen. Evident unzureichend sind Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich ist, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist (BVerfGE 137, 34 <75 Rn. 81>).

42

bb) Jenseits dieser Evidenzkontrolle überprüft das Bundesverfassungsgericht, ob Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen sind. Lassen sich die Leistungen nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen, stehen sie mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (vgl. BVerfGE 125, 175 <225 f.>; 132, 134 <165 f. Rn. 79>; 137, 34 <75 Rn. 82>).

43

c) Andere Grundrechte vermögen für die Bemessung des Existenzminimums im Sozialrecht grundsätzlich keine weiteren Maßstäbe zu setzen. Entscheidend ist zur Sicherung des nach Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gewährleisteten Existenzminimums von Verfassungs wegen allein, dass dieses für jede individuelle hilfebedürftige Person ausreichend bemessen ist (vgl. BVerfGE 125, 175 <227>).

44

3. Die angegriffene Entscheidung des Bundessozialgerichts und die mittelbar angegriffenen Regelungen zu den Grundsicherungsleistungen in einer Bedarfsgemeinschaft erwachsener Kinder mit einem Elternteil genügen diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen.

45

Mit den der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Regelungen nimmt der Gesetzgeber eine pauschale Bestimmung existenzsichernder Leistungen in Bedarfsgemeinschaften vor, indem er den Bedarf für einen Elternteil mit einem volljährigen, unter 25-jährigen Kind mit insgesamt 180 % des entsprechenden Bedarfs zweier Alleinstehender berechnet, hiervon 100 % auf den Elternteil und 80 % auf das Kind verteilt, zudem elterliches Vermögen berücksichtigt und elterliches Einkommen auf den Bedarf des Kindes anrechnet, auch wenn diesem kein Unterhaltsanspruch gegen den Elternteil zusteht. Damit ist die anerkannte Leistung zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz nicht evident unterschritten (a). Die Leistungen lassen sich auch nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen (b). Mit dem Grundgesetz ist es vereinbar, Sozialleistungen an der Bedürftigkeit der Betroffenen zu orientieren und insoweit Einsparungen zu berücksichtigen, die im familiären Zusammenleben typischerweise auftreten (aa). Desgleichen bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Entscheidung des Gesetzgebers, in eine solche Bedarfsgemeinschaft auch erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres einzubeziehen (bb). Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn elterliches Einkommen berücksichtigt wird, obwohl keine korrespondierende Unterhaltsverpflichtung besteht. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Elternteil tatsächlich zum Unterhalt beiträgt und das Kind deshalb in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen ist. Dasselbe gilt, wenn dem Kind anderenfalls ein Auszug aus der Wohnung ohne nachteilige Folgen ermöglicht wird (cc).

46

a) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die ihm monatlich ausgezahlten Leistungen in Höhe von 175,64 € seien evident unzureichend, überzeugt dies nicht.

47

aa) Evident unzureichend sind Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich ist, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist (BVerfGE 137, 34 <75 Rn. 81>; zu einer solchen Situation BVerfGE 132, 134 <166 ff. Rn. 80 ff.>).

48

bb) Anhaltspunkte für eine derartige oder eine vergleichbare Situation sind hier nicht erkennbar.

49

(1) Der Gesamtbetrag der Leistungen, die für die Existenzsicherung des Beschwerdeführers anerkannt wurden, unterschreitet das zu gewährleistende menschenwürdige Existenzminimum nicht evident. Im Ausgangspunkt wurde ein Bedarf in Höhe von 80 % der Regelleistung für Alleinstehende konkret in Höhe von 276 € anerkannt. Dazu kam der nach der damaligen Rechtslage nach § 24 SGB II anerkannte Zuschlag in Höhe von 80 €. Die Gesamtsumme ist damit höher als die damalige Regelleistung für Alleinstehende. Dass diese im entscheidungserheblichen Zeitraum nicht evident unzureichend war, hat der Senat bereits entschieden (vgl. BVerfGE 125, 175 <227>).

50

(2) Auch im Hinblick auf die Höhe der tatsächlich gewährten Leistungen ist eine evidente Unterdeckung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht ersichtlich. Zwar sind dem Beschwerdeführer nicht Leistungen in Höhe des im Ausgangspunkt anerkannten Bedarfs, sondern nur ein geringerer Betrag bewilligt worden. Diese Höhe der Leistungen folgt jedoch aus der teilweisen Anrechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente des Vaters auf den anerkannten Bedarf des Beschwerdeführers, weil der Gesetzgeber mit den angegriffenen Regelungen unterstellt, dass sein Bedarf durch entsprechende Zuwendungen des Vaters gedeckt ist. Die Berücksichtigung des Einkommens des Vaters betrifft insofern nicht die Anerkennung notwendiger Bedarfe zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz, sondern die Ausgestaltung der Leistungen mit Blick auf die Bedürftigkeit. Eine evidente Unterdeckung ist mit Blick auf derartige Anrechnungen nur denkbar, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass auch mit dem angerechneten Einkommen eine menschenwürdige Existenz überhaupt nicht zu sichern wäre. Dafür ist hier jedoch nichts ersichtlich. Der Vater verfügte jedenfalls tatsächlich über hinreichende Mittel, um zur Existenzsicherung seines Sohnes beizutragen. Die Tatsache, dass sein Einkommen die unterhaltsrechtlichen Freibeträge nicht übersteigt, ändert daran nichts, denn diese sind nicht auf das zur menschenwürdigen Existenz Notwendige beschränkt.

51

b) Auch jenseits evidenter Verfassungswidrigkeit kann ein Verfassungsverstoß nicht festgestellt werden, weil sich die Leistungen in ihrer Gesamthöhe nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen lassen.

52

aa) Die mittelbar angegriffene Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II, die der Entscheidung des Bundessozialgerichts zugrunde liegt, ist - unbeschadet ihrer Ableitung von einer mit der Verfassung nicht vereinbaren Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II (dazu unter A II, Rn. 15, und C I 1, Rn. 34; vgl. BVerfGE 125, 175) - mit den Anforderungen des Grundgesetzes vereinbar. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, zur Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz anerkannte Sozialleistungen in Orientierung an der Bedürftigkeit der Betroffenen pauschal um Einsparungen zu kürzen, die im familiären häuslichen Zusammenleben typisch sind.

53

(1) Die Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II führt im Ergebnis dazu, dass bei einer Bedarfsgemeinschaft aus einem Elternteil und einem erwachsenen Kind Sozialleistungen, die den existenznotwendigen Bedarf sichern, nur in Höhe von insgesamt 180 % der Regelleistung für Alleinstehende berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dies sei durch geringere Kosten und daraus resultierende Einsparungen aufgrund des gemeinsamen Wirtschaftens zu rechtfertigen. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist hinreichend plausibel, dass jedenfalls in einem Haushalt zusammenlebende Familienangehörige umfassend "aus einem Topf" wirtschaften. Das hat zur Folge, dass zwei in einem solchen Näheverhältnis zusammenlebende Personen einen finanziellen Mindestbedarf haben, der unter dem Doppelten des Bedarfs einer alleinwirtschaftenden Person liegt (vgl. BVerfGE 75, 382 <394>; 87, 234 <256>). Daher kann die familiäre Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft durchaus Anknüpfungspunkt für wirtschaftliche Rechtsfolgen sein, sofern damit keine Benachteiligung von Ehe oder Familie einhergeht, die mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht vereinbar wäre (vgl. BVerfGE 17, 210 <217>; 28, 324 <347>; 69, 188 <205 f.>; 75, 382 <393>). Eine solche Absenkung der Regelleistung aufgrund des gemeinsamen Wirtschaftens in häuslicher Gemeinschaft ist als Orientierung von Sozialleistungen an der Bedürftigkeit auch im Sinne des sozialen Rechtsstaats gerechtfertigt (vgl. BVerfGE 9, 20 <35>; 22, 100 <105>).

54

(2) Der Einwand des Beschwerdeführers, die Höhe der Regelleistung für junge Erwachsene sei mit 80 % der Regelleistung von Alleinstehenden schlicht gegriffen und nicht mittels eines sachgerechten und transparenten Verfahrens ermittelt worden, verkennt, dass die Verfassung keine besonderen Vorgaben für das Gesetzgebungsverfahren macht; verlangt ist vielmehr die sachlich differenzierende, im Ergebnis tragfähige Begründbarkeit der festgesetzten Beträge in ihrer Gesamthöhe (zuletzt BVerfGE 137, 34 <74 ff. Rn. 78 ff.>). Davon ist hier unter Berücksichtigung des Entscheidungsspielraumes des Gesetzgebers in der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse (vgl. BVerfGE 137, 34 <72 f. Rn. 76>) auszugehen.

55

Die Annahme, das Hinzutreten eines weiteren Erwachsenen zu einer Bedarfsgemeinschaft führe zu einer regelbedarfsrelevanten Einsparung von 20 %, kann sich zumindest für die Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft in der Gesamtbetrachtung auf eine ausreichende empirische Grundlage stützen. Das Bundesverfassungsgericht hat für Partnerinnen und Partner bereits ausdrücklich gebilligt, dass der Bedarf einer weiteren erwachsenen Person in einer Bedarfsgemeinschaft in einer Höhe von insgesamt 180 % für zwei Personen von dem statistisch ermittelten Bedarf der Alleinstehenden abgeleitet werden darf (vgl. BVerfGE 125, 175 <245>), da die Erhebung nach Haushalten geeignet sei, den tatsächlichen Bedarf auch für solche Lebenssituationen zu ermitteln. Insofern ist die Bestimmung des Regelbedarfs zweier zusammenlebender und gemeinsam wirtschaftender Erwachsener in Höhe von 90 % des im SGB II für eine alleinstehende Person geltenden Regelbedarfs nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 137, 34 <83 Rn. 100>). Nach wie vor fehlen zwar Daten zu den relevanten Haushalten, zum Verwandtschaftsverhältnis oder zum Konsumverhalten in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die der Gesetzgeber zur Bestimmung des existenzsichernden Bedarfs nutzt (vgl. BVerfGE 125, 175 <232 ff.>). Doch sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, warum ein erwachsenes Kind, das - wie der Beschwerdeführer - nur mit einem Elternteil zusammen lebt, einen höheren Bedarf haben soll als der hinzutretende Erwachsene in einem Paarhaushalt (vgl. Dudel/Garbuszus/Ott/Werdig, Überprüfung der bestehenden und Entwicklung neuer Verteilungsschlüssel zur Ermittlung von Regelbedarfen auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008, 2013, S. 286). Nicht zu entscheiden ist im vorliegenden Verfahren allerdings, ob und gegebenenfalls ab welcher Anzahl hinzutretender Personen eine Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht mehr gewährleistet ist, wenn für jede dieser weiteren Personen eine um 20 % geringere Regelleistung berechnet wird. Die Annahme, dass der familiäre Zweipersonenhaushalt Einsparungen ermöglicht, aufgrund derer eine menschenwürdige Existenz auch mit auf 180 % der Regelleistung verminderten Leistungen gesichert ist, bewegt sich jedenfalls in dem Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers.

56

(3) Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, die Leistungen in der Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft - abweichend von in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partnerinnen und Partnern (vgl. damals § 20 Abs. 3 SGB II) - ungleich zu verteilen. Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II werden in der Bedarfsgemeinschaft aus einem Elternteil und einem erwachsenen Kind diesem nur 80 % der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II gewährt, dem Elternteil hingegen die volle Regelleistung. Auch hier ist der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse und sein Gestaltungsspielraum bei der Art und Höhe der jeweiligen Leistungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 137, 34 <72 f. Rn. 76>). Es erscheint hinreichend plausibel, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Eltern in häuslicher Gemeinschaft auch mit einem erwachsenen Kind regelmäßig den überwiegenden Teil der Kosten von Wohnungsausstattung, Hausrat oder etwa einer Tageszeitung oder anderen Mediendienstleistungen tragen und auf genaue Abrechnungen wie unter Fremden verzichten (BTDrucks 16/688, S. 13 f. zu Nr. 2, Buchstabe b). Daher ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber in der Bedarfsgemeinschaft in § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II für ein Kind einen geringeren Existenzsicherungsbedarf ansetzt als für den Elternteil.

57

bb) Es ist mit den Anforderungen des Grundgesetzes auch vereinbar, dass der Gesetzgeber die Bedarfsgemeinschaft in § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II auf erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ausgeweitet und deren Leistungshöhe nach dem Lebensalter bestimmt hat. Entgegen dem zentralen Einwand des Beschwerdeführers bestehen gegen die Einbeziehung erwachsener Kinder in die Bedarfsgemeinschaft mit einem Elternteil keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

58

(1) Der Anspruch auf existenzsichernde Leistungen ist nach Maßgabe von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG so auszugestalten, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>; 91, 93 <111>; 99, 246 <261>; 120, 125 <155 und 166>; 125, 175 <224>; 137, 34 <73 f. Rn. 77>). Der Bedarf muss damit auch für Menschen unterschiedlichen Alters realitätsgerecht bestimmt werden. So dürfen etwa Kinder nicht pauschal als "kleine Erwachsene" behandelt werden, sondern ihr Bedarf ist orientiert an tragfähigen Erkenntnissen sachgerecht zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 125, 175 <245 f., 249 f.>; 137, 34 <93 Rn. 123 f.>). Ein schlichter Verweis auf die Lebenserfahrung genügt für Differenzierungen in der Leistungshöhe nicht. Vielmehr muss der Gesetzgeber, wenn er Sozialleistungen nach dem Lebensalter staffelt, auf die alterstypische Entwicklung (vgl. BVerfGE 40, 121 <135 f.>) Rücksicht nehmen. Dabei hat er auch zu berücksichtigen, dass mit zunehmendem Alter eines Kindes sein Recht auf Selbstbestimmung und Teilhabe an Gewicht zunimmt (vgl. BVerfGE 59, 360 <387 f.>; 88, 87 <97 ff.>); der Gesetzgeber kann die Ausgestaltung der Sozialleistungen insoweit auch dann an den tatsächlichen Umständen orientieren, wenn die Betroffenen die Volljährigkeit erreicht haben und diese Rechte uneingeschränkt genießen.

59

(2) Mit diesen Anforderungen ist die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II zu vereinbaren, wonach auch ein erwachsenes Kind bis zum vollendeten 25. Lebensjahr in einer Bedarfsgemeinschaft mit einem Elternteil geringere Leistungen erhält als ein über 25-jähriges Kind. Diese Altersgrenze der Einbeziehung von Kindern in die Bedarfsgemeinschaft ist sachlich begründbar. Der Gesetzgeber orientiert sich mit dem Ende des 25. Lebensjahres an einem häufigen, jedenfalls nicht untypischen Zeitpunkt des Erreichens ökonomischer Eigenständigkeit sowie am empirisch belegten längeren Verbleib von Kindern im Elternhaus (vgl. Statistisches Bundesamt, Datenreport 2006, Auszug aus Teil II "Lebenssituation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen", S. 545 ff. und "Frauen und Männer in verschiedenen Lebensphasen", 2010, S. 10). Zwar trifft der Einwand des Beschwerdeführers und der Verbände zu, dass sich mit Vollendung des 25. Lebensjahres die Eltern-Kind-Beziehung nicht automatisch wesentlich ändert. Doch gilt dies für jede - auch für die vormalige, auf 18 Jahre gesetzte - Altersgrenze; denn die leibliche und seelische Entwicklung ist nicht an das numerische Alter gebunden, sondern einem individuell sehr unterschiedlichen Prozess unterworfen. Auch trifft es zu, dass die berufliche Ausbildung nicht immer mit einem bestimmten Lebensalter in dem Sinne abgeschlossen ist, dass Menschen dann ökonomisch auf eigenen Füßen stünden (vgl. zur Volljährigkeitsgrenze von damals 21 Jahren BVerfGE 44, 1 <19 f.>). Doch liegt es im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, eine Regelung zur Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen in Orientierung an der konkreten Bedürftigkeit der Leistungsberechtigten auf diese typisierende Einschätzung der tatsächlichen Verhältnisse zu gründen, die auch im Übrigen nicht sachwidrig erscheint. So trägt der Gesetzgeber mit der Grenze der Vollendung des 25. Lebensjahres auch dem Einwand der Verbände Rechnung, dass der Einstandswille von Eltern mit dem Alter ihrer Kinder abnimmt.

60

cc) Die angegriffene Entscheidung des Bundessozialgerichts und die ihr zugrundeliegenden Regelungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums, soweit sie bei der Bestimmung der Leistungshöhe unterstellen, sein Vater werde ihn in der Bedarfsgemeinschaft unterhalten, auch wenn es an einem korrespondierenden, rechtlich durchsetzbaren Unterhaltsanspruch fehlt.

61

(1) Der Beschwerdeführer hat keinen Unterhaltsanspruch nach §§ 1601 ff. BGB gegen seinen Vater, weil er eine Ausbildung abgeschlossen hat und der Vater nicht über Mittel in für die Unterhaltspflicht maßgeblicher Höhe verfügt. Damit besteht das Risiko einer Unterdeckung in der familiären Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft, wenn der Vater sich ernsthaft weigert, zur Existenzsicherung des Kindes beizutragen, elterliches Einkommen und Vermögen aber gleichwohl nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II bedarfsmindernd berücksichtigt wird. Folglich hat der Einwand, der Beschwerdeführer könne nur auf Leistungen verwiesen werden, die ihm auch tatsächlich zur Verfügung stünden, durchaus Gewicht. Existenzsichernde Leistungen müssen durch einen Anspruch gesichert sein (vgl. BVerfGE 125, 175 <223 f.>) und der Gesetzgeber muss dafür Sorge tragen, dass der existenzielle Bedarf tatsächlich gesichert ist und so die Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz nicht verfehlt wird (vgl. BVerfGE 137, 34 <73 f. Rn. 77>). Daher müssen auftretende Unterdeckungen entweder ausgeglichen werden können oder es muss ein gesonderter Anspruch auf Ausgleich im Bedarfsfall bestehen (vgl. BVerfGE 137, 34 <76 Rn. 84>).

62

(2) Doch spricht es nicht grundsätzlich gegen die Anrechnung elterlichen Einkommens und Vermögens auf die Leistungen zur Sicherung der menschenwürdigen Existenz, dass das Kind nicht immer einen konkreten durchsetzbaren Unterhaltsanspruch in Höhe des angerechneten Einkommens hat. Die Anforderung, das Existenzminimum müsse durch einen Anspruch gesichert sein, bezieht sich auf das Erfordernis eines Parlamentsgesetzes zur Bestimmung der existenzsichernden Leistungen, weil diese nicht der freien Entscheidung der Verwaltung überlassen bleiben dürfen. Ein solches Gesetz ist hier mit dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und speziell mit den Regelungen in §§ 7, 9 und 20 SGB II vorhanden. Indem die gesetzlichen Bestimmungen zur Höhe des Anspruchs eine Anrechnung des elterlichen Einkommens vorsehen, wird der gesetzliche Anspruch auf Existenzsicherung nicht beseitigt, sondern nur der individuelle Leistungsanspruch gegen den Träger der Grundsicherung in Anknüpfung an die tatsächlichen Umstände beschränkt.

63

Dies begegnet auch in der Sache keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber ist zur Bereitstellung von Mitteln zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz nur in dem Umfang verpflichtet, in dem die hierfür erforderlichen materiellen Mittel nicht aus eigener Erwerbstätigkeit, eigenem Vermögen oder durch Zuwendungen Dritter zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>). Er geht hier plausibel begründbar davon aus, dass die (ergänzende) Existenzsicherung durch Grundsicherungsleistungen nur in einem Umfang erforderlich ist, in dem sie nicht durch Mitglieder einer häuslichen und familiären Gemeinschaft erfolgt, weil anzunehmen ist, dass diese in besonderer Weise füreinander einstehen und bereit sind, ihren Lebensunterhalt auch jenseits zwingender rechtlicher Verpflichtungen gegenseitig zu sichern. Im Verhältnis zwischen Eltern und (volljährigen) Kindern im gemeinsamen Haushalt wird der Beschwerdeführer also nicht auf im Belieben Dritter stehende Almosen verwiesen, sondern auf Mittel innerhalb der Familie, bei denen der Gesetzgeber davon ausgehen darf, dass sie in familiärer Verbundenheit und Solidarität tatsächlich erbracht werden. Diese Einkommensanrechnung verletzt auch nicht die durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden (vgl. BVerfGE 61, 319 <347>; 99, 216 <231>; 133, 59 <84>), denn der Gesetzgeber knüpft hier für wirtschaftliche Rechtsfolgen - ohne die Familie zu diskriminieren - lediglich an die familiäre Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft an (vgl. BVerfGE 17, 210 <217>; 28, 324 <347>; 69, 188 <205 f.>; 75, 382 <393>). Grundsätzlich bestimmt § 3 Abs. 3 SGB II, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur erbracht werden, wenn die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann. Hier kann der Gesetzgeber davon ausgehen, dass einander nahestehende Menschen zur Sicherung ihrer Existenz typischerweise ihre vorhandenen Mittel - wie hier die Erwerbsunfähigkeitsrente des Vaters - miteinander teilen (vgl. BVerfGE 87, 234 <264 f.>).

64

(3) Entscheidend ist damit, dass eine Unterdeckung tatsächlich verhindert wird. Das ist vorliegend der Fall, weil das Kind im Fall der Verweigerung der Existenzsicherung durch den Vater entweder nicht in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen und folglich kein Einkommen und Vermögen angerechnet wird, oder aber ein Auszug aus der häuslichen Gemeinschaft ohne leistungsrechtlich nachteilige Folge möglich ist.

65

(a) Stehen Eltern und Kinder im konkreten Fall tatsächlich nicht füreinander ein, greift die Fiktion einer Bedarfsgemeinschaft zwischen ihnen nicht. Zwar setzt die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft nach der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II ausdrücklich keinen Einstandswillen voraus; gefordert wird jedoch nicht etwa nur das bloße Zusammenwohnen, sondern die Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Haushalt. Von einer solchen kann nur ausgegangen werden, wenn Menschen tatsächlich füreinander einstehen. Der Gesetzgeber darf sich von der plausiblen Annahme leiten lassen, dass eine verwandtschaftliche Bindung in der Kernfamilie, also zwischen Eltern und Kindern, grundsätzlich so eng ist, dass ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann und regelmäßig "aus einem Topf" gewirtschaftet wird (vgl. BVerfGE 75, 382 <394>; 87, 234 <256; 265>). Weigern sich Eltern aber ernsthaft, für ihre nicht unterhaltsberechtigten Kinder einzustehen, fehlt es an einem gemeinsamen Haushalt und damit auch an der Voraussetzung einer Bedarfsgemeinschaft; eine Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II scheidet dann aus (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2012 - B 14 AS 17/11 R -, juris, Rn. 29).

66

(b) Das in der damals maßgeblichen Fassung des § 22 Abs. 2a SGB II (heute § 22 Abs. 5 SGB II) normierte Erfordernis, vor einem Umzug, mit dem ein Kind sich aus der Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern löst, die Zustimmung des Leistungsträgers zur Berücksichtigung der künftigen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung einzuholen, steht der Anrechnung elterlichen Einkommens ebenfalls nicht entgegen. Dabei ist hier nicht zu entscheiden, ob es verfassungsrechtlich zu rechtfertigen ist, Bedürftigen bei Auszug aus der Wohnung einer Bedarfsgemeinschaft ohne Zustimmung des Leistungsträgers weiter nur 80 % der existenzsichernden Regelleistung für Alleinstehende und keinerlei Kosten der Unterkunft und Heizung zu zahlen, obgleich der existenznotwendige Bedarf stets zu sichern ist (vgl. BVerfGE 137, 34 <73 f. Rn. 77>). Der Beschwerdeführer will ausdrücklich nicht ausziehen und hat diese Regelung auch nicht mittelbar angegriffen. Die Vorgabe des (damaligen) § 22 Abs. 2a SGB II ist aber insofern zu berücksichtigen, als sie Teil der hier mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen gesetzgeberischen Entscheidung ist, auch erwachsene Kinder als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern oder einem Elternteil zu betrachten, und damit die Möglichkeit eines Kindes beschränkt wird, die volle Regelleistung ohne Anrechnung elterlichen Einkommens und Vermögens zu erlangen. Die Erweiterung der Bedarfsgemeinschaft in § 7 Abs. 3 Nr. 2 und 4 SGB II auf volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres wurde zusammen mit dem Umzugsvorbehalt (damals) in § 22 Abs. 2a SGB II normiert, denn der Gesetzgeber wollte damit unerwünschte Anreizeffekte verhindern (vgl. BTDrucks 16/688, S. 14 zu Nr. 5, Buchstabe c und Nr. 6, Buchstabe a). Die Regelungen sollten ausweislich der Ausführungen des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Deutschen Bundestag den Anreiz vermindern, durch Auszug in eine eigene Wohnung einen Anspruch auf die Regelleistung in voller Höhe zu erlangen (BTDrucks 16/688, S. 13 f.). Der Gesetzgeber mutet es den Betroffenen daher zu, bei einem Umzug ohne Zusicherung des Leistungsträgers bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres auch in einem eigenen Haushalt lediglich 80 % der Regelleistung für Alleinstehende und keine Leistungen für Unterkunft und Heizung zu erhalten. Zur Begründung heißt es, dass der Leistungsausschluss regelmäßig nur von kürzerer Dauer sei, da Jugendliche nach § 3 Abs. 2 SGB II unverzüglich in eine Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit zu vermitteln seien (BTDrucks 16/688, S. 14).

67

Die Norm statuiert lediglich einen Vorbehalt, kein Verbot. In Fällen, in denen das Existenzminimum durch die Familie tatsächlich nicht gewährleistet wird, ist daher auch die Zustimmung zum Umzug im Wege der Zusicherung nach § 22 Abs. 2a SGB II - heute nach § 22 Abs. 5 SGB II - zu erteilen. Wenn es unüberbrückbare Zerwürfnisse zwischen Eltern und Kindern gibt oder die Eltern ernsthaft eine über die Unterhaltspflichten hinausgehende Unterstützung verweigern, trägt die Annahme wechselseitigen Einstehens füreinander offensichtlich nicht mehr. Die Vorschrift ist auch nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2012 - B 14 AS 17/11 R -, juris, Rn. 30; Berlit, in: Münder, SGB II, 5. Auflage 2013, § 22 Rn. 149 ff.; Luik, in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 186 ff.) so zu verstehen, dass an die Erteilung der Zusicherung auch unter angemessener Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts des erwachsenen Kindes keine übermäßigen Anforderungen gestellt werden dürfen. Damit wird die Möglichkeit, die Bedarfsgemeinschaft im Fall tatsächlich fehlender Unterstützung zu verlassen und dann Ansprüche auf Existenzsicherung in voller Höhe und auch hinsichtlich der Kosten für eine eigene Wohnung geltend zu machen, zwar erschwert, aber nicht verstellt. Verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen wäre das nur, wenn das Nachsuchen um die vorherige Zusicherung des Leistungsträgers unzumutbar wäre. Dafür ist nichts ersichtlich. Auch das Wissen um Missstände in Familien verwehrt es dem Gesetzgeber nicht, sich am Regelfall zu orientieren, dass Mitglieder einer Familie füreinander einstehen. Zudem kann der Verbleib im elterlichen Haushalt über die Volljährigkeit hinaus als Indiz für die dort erfahrene (auch finanzielle) Unterstützung verstanden werden (oben C I 3 b bb (2), Rn. 59). Schließlich ist das Zusicherungserfordernis, das dazu dient, die eigene Bedürftigkeit nicht zu vergrößern, wenn sie zumutbar geringer gehalten werden kann, als Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts des Kindes zu rechtfertigen.

II.

68

Die unterschiedliche Ausgestaltung der Leistungen zur Existenzsicherung für unter- und über 25-jährige Kinder in Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern oder einem Elternteil sowie zwischen im elterlichen Haushalt lebenden volljährigen Kindern im Zweiten Buch und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch ist mit den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

69

1. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (stRspr; BVerfGE 139, 285 <309 Rn. 70 f.>). Ein solches Merkmal ist das Lebensalter (vgl. BVerfGE 60, 123 <133 f.>; 88, 87 <96 ff.>). Umgekehrt erweitern sich mit abnehmender Prüfungsstrenge die Gestaltungs- und Bewertungsspielräume des Gesetzgebers bei steigender "Typisierungstoleranz" (vgl. BVerfGE 133, 377 <413 Rn. 88>). Diese ist im Bereich der leistenden Massenverwaltung besonders groß.

70

2. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts und die mittelbar angegriffenen Regelungen genügen diesen Anforderungen.

71

a) Die mit der Verfassungsbeschwerde mittelbar angegriffene Regelung über die Zugehörigkeit von erwachsenen Kindern zur Bedarfsgemeinschaft ihrer Eltern oder eines Elternteils in § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II berührt das Selbstbestimmungsrecht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG und das Grundrecht auf freie Gestaltung des familiären Zusammenlebens aus Art. 6 Abs. 1 GG. Zudem knüpft der Gesetzgeber an das Lebensalter als individuell unverfügbares Merkmal an. Daher genügt zur Rechtfertigung der Unterscheidung zwischen unter- und über 25-jährigen Kindern nicht die schlichte Willkürfreiheit. Die Regelung hält jedoch auch strengeren Rechtfertigungsanforderungen stand. Sie verfolgt ein legitimes Ziel und ist zu dessen Erreichung geeignet, erforderlich und angemessen.

72

Der Gesetzgeber bezieht erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres in die Bedarfsgemeinschaft ein, weil er damit das legitime Ziel verfolgt, Ansprüche auf Sozialleistungen in Schonung der Solidargemeinschaft an der konkreten Bedürftigkeit der leistungsberechtigten Personen auszurichten. Dafür ist die Orientierung am Zusammenleben und am Lebensalter geeignet, denn die Annahme, dass zusammenlebende Eltern und Kinder über das 18. Lebensjahr hinaus "aus einem Topf" wirtschaften, ist plausibel. Diese Berücksichtigung von Einsparungen durch gemeinsames Haushalten ist auch angezeigt, weil dies nicht notwendige Leistungen vermeidet. Ein milderes Mittel, das hier gleiche Effekte für die Schonung der Solidargemeinschaft erzielen könnte wie die Reduzierung der Regelleistung und die Berücksichtigung von Vermögen und Einkommen des Elternteils auf grundsätzlich anerkannte existenzsichernde Leistungen bis zu einer bestimmten Altersgrenze, ist nicht ersichtlich. Die Ungleichbehandlung zwischen über und unter 25-jährigen Kindern im elterlichen Haushalt ist auch zumutbar. Kommt es zu einer ernstlichen Verweigerung der Unterstützung, scheiden Kinder bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres aus der Bedarfsgemeinschaft mit der Folge aus, dass ihnen die volle Regelleistung zusteht und eine Einkommensanrechnung nicht stattfindet; sie dürfen dann ohne Anspruchsverluste ausziehen.

73

b) Die Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers im Vergleich mit Personen, die Ansprüche aus anderen Sicherungssystemen haben, ist im Lichte der allgemeinen Anforderungen aus Art. 3 Abs. 1 GG ebenfalls zu rechtfertigen.

74

Der Gesetzgeber hat Leistungen zur Existenzsicherung für Eltern und Kinder in unterschiedlichen Leistungssystemen unterschiedlich ausgestaltet. Er behandelt hier den Beschwerdeführer im System des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch mit den Regeln der Bedarfsgemeinschaft zu seinem Nachteil anders als ein volljähriges Kind in der Einstandsgemeinschaft, wie sie im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch normiert ist. Dort wird Einkommen und Vermögen nicht über das 18. Lebensjahr hinaus angerechnet. Die Zielgruppen der jeweiligen Sicherungssysteme unterscheiden sich in einem Maße voneinander, das es bereits fraglich erscheinen lässt, ob überhaupt vergleichbare Sachverhalte vorliegen; jedenfalls sind unterschiedliche Anrechnungsregeln sachlich gerechtfertigt. Das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch erfasst Hilfebedürftige, die entweder insbesondere vorübergehend (Drittes Kapitel) oder dauerhaft voll erwerbsgemindert (Viertes Kapitel), deren Möglichkeiten, sich selbst zu unterhalten, also deutlich eingeschränkt sind. Deshalb hat der Gesetzgeber entschieden, dass Einkommen der Eltern nicht auf Leistungen an entsprechend erwerbsgeminderte, volljährige Kinder anzurechnen ist, die noch bei ihren Eltern wohnen, um so ihre Selbstständigkeit zu stärken. Demgegenüber zielt das Zweite Buch Sozialgesetzbuch auf Bedürftige, die ihren Lebensunterhalt grundsätzlich selbst sichern könnten. Die Leistungen zur Existenzsicherung werden vorübergehend gewährt und sie werden durch Leistungen zur Vermittlung in Arbeit ergänzt. Diese Unterschiede genügen, um auch unterschiedliche Anrechnungsregeln sachlich zu begründen.

D.

75

Soweit der angegriffene Satz von 80 % der Regelleistung (§ 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II) von der bis zum 31. Dezember 2010 fortgeltenden vollen Regelleistung abgeleitet ist, bezieht er sich zwar auf einen Ausgangspunkt, der den Anforderungen des Grundgesetzes nicht entsprach (vgl. BVerfGE 125, 175 <227 ff.>). Die volle Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II galt jedoch trotz Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz bis zur Neuregelung fort (vgl. BVerfGE 125, 175 <255 f.>). Das Bundessozialgericht musste die Vorschrift damit auch insoweit seiner Entscheidung zugrunde legen. Die dann rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft getretene volle Regelleistung ist verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 137, 34 <36 f.>).

76

Im Übrigen sind die mittelbar angegriffenen Vorschriften der § 7 Abs. 3 Nr. 2, § 9 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 2 Satz 2 (heute § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2) SGB II mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG) und, soweit daneben von Bedeutung, dem Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar, soweit es sich um eine Bedarfsgemeinschaft aus einem Elternteil und einem Kind handelt, diese tatsächlich zusammen leben und wirtschaften und auch ein Auszug für erwachsene Kinder ohne nachteilige Folgen möglich ist, falls in der Gemeinschaft aufgrund ernsthafter Weigerung tatsächlich keine menschenwürdige Existenz gesichert ist. Die Verfassungsbeschwerde ist daher zurückzuweisen.

(1) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen bleiben bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt.

(2) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen dürfen bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(3) Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, bleibt das Elterngeld nur bis zur Hälfte des Anrechnungsfreibetrags, der nach Abzug der anderen nach Absatz 1 nicht zu berücksichtigenden Einnahmen für das Elterngeld verbleibt, als Einkommen unberücksichtigt und darf nur bis zu dieser Höhe nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(4) Die nach den Absätzen 1 bis 3 nicht zu berücksichtigenden oder nicht heranzuziehenden Beträge vervielfachen sich bei Mehrlingsgeburten mit der Zahl der geborenen Kinder.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bei den in Satz 1 bezeichneten Leistungen bleiben das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf das Elterngeld angerechneten Einnahmen in Höhe des nach § 2 Absatz 1 berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, verringern sich die Beträge nach Satz 2 um die Hälfte. Abweichend von Satz 2 bleibt Mutterschaftsgeld gemäß § 19 des Mutterschutzgesetzes in voller Höhe unberücksichtigt.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend, soweit für eine Sozialleistung ein Kostenbeitrag erhoben werden kann, der einkommensabhängig ist.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch auf Kinderzuschlag für die Monate Januar bis März 2011.

2

Die Beklagte bewilligte dem Kläger, der ein Erwerbseinkommen erzielte, unter Berücksichtigung seiner Kinder T (geb 2000), M (geb 2007) und N (geb 2010) in den Monaten April 2010 bis Dezember 2010 jeweils einen Kinderzuschlag in einer Gesamthöhe von 330 Euro monatlich. Seinen Weiterbewilligungsantrag vom 17.12.2010 lehnte sie ab: Unter Berücksichtigung des an die Ehefrau des Klägers geleisteten Elterngeldes, welches nach der Novelle des Elterngeldgesetzes ab Januar 2011 anzurechnen sei, könne keine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II eintreten (Bescheid vom 22.12.2010; Widerspruchsbescheid vom 28.2.2011). Nach Beendigung des Elterngeldbezugs wurde der Kinderzuschlag erneut ab 1.4.2011 geleistet.

3

Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid vom 21.1.2013 zurückgewiesen (Urteil vom 22.10.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Kinderzuschlag scheitere daran, dass das anrechenbare Einkommen des Klägers und der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen den maßgeblichen Bedarf übersteige. Die Bewilligung eines Kinderzuschlags könne unabhängig von seiner konkreten Höhe und Berechnung nicht dazu führen, dass eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II vermieden werde. Es seien die laufenden Einkünfte des Klägers aus seiner Beschäftigung bei der Firma Möbel B (1706 Euro jeweils im Januar/Februar 2011; 1806 Euro im März 2011) und das an die Ehefrau bis einschließlich März 2011 erbrachte Elterngeld in Höhe von 300 Euro, von dem die Versicherungspauschale abzusetzen sei, zu berücksichtigen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anrechnung des Elterngeldes durch die zum 1.1.2011 in Kraft getretene Neuregelung des § 10 Abs 5 S 1 BEEG bestünden nicht. Dies folge aus den Entscheidungen des BVerfG vom 11.3.2011 zur Anrechnung des Kindergeldes (1 BvR 3163/09) und vom 20.4.2011 zur Stichtagsregelung beim Elterngeld (1 BvR 1811/08). Von dem Erwerbseinkommen des Klägers seien neben den bereits vom Arbeitgeber abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen der Erwerbstätigen- und der Grundfreibetrag in Abzug zu bringen. Es ergebe sich ein anrechenbarer Betrag von 1033,83 Euro (Januar/Februar 2011) bzw 1100,70 Euro (März 2011). Hinzuzurechnen sei monatlich der zwölfte Teil des anteiligen Weihnachtsgeldes. Hiervon entfalle auf die Monate Januar bis März 2011 jeweils ein Betrag in Höhe von 102,74 Euro, sodass für Januar/Februar 2011 je 1136,57 Euro und im März 2011 1203,44 Euro als Gesamteinkünfte der Bedarfsgemeinschaft zugrunde zu legen seien. Hinzu komme - je Monat - das Kindergeld und das Wohngeld. Es ergebe sich ein anrechenbares Einkommen im Januar/Februar 2011 von jeweils 2119,57 Euro und im März 2011 von 2186,44 Euro. Der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft errechne sich aus den Regelleistungen für die Eheleute von jeweils 328 Euro, dem Sozialgeld für T in Höhe von 251 Euro sowie für M und N in Höhe von jeweils 215 Euro. Zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 569,12 Euro monatlich bestehe ein unterhalb des anrechenbaren Einkommens liegender Gesamtbedarf in den Monaten von Januar bis März 2011 von jeweils 1906,12 Euro.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger einen Verstoß des § 10 Abs 5 Bundeselterngeld und -Elternzeitgesetz (BEEG) gegen Art 2 Abs 1 GG, den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG und das Sozialstaatsprinzip. Bei der Familienleistung des Elterngeldes differenziere der Gesetzgeber zwischen den Eltern und schließe die ärmsten Eltern und deren Kinder von einer Förderung aus, ohne dass ein rechtfertigender Grund ersichtlich sei. Unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der Erziehungspersonen werde das Elterngeld stets mindestens in Höhe von 300 Euro gezahlt; es entfalle erst bei einem Jahreseinkommen von mehr als 250 000/500 000 Euro. Der Sockelbetrag des Elterngeldes sei daher keine Entgeltersatzleistung und keine solche zum Lebensunterhalt; er solle die Anerkennung für die Erziehungs- und Betreuungsleistung von Eltern zum Ausdruck bringen und einen Schonraum in der Frühphase der Elternschaft ohne größere finanzielle Nöte schaffen. Zwischen den Erziehungspersonen mit und ohne Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II/SGB XII bzw auf den Kinderzuschlag bestünden keine, die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Unterschiede im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG. Soweit der Gesetzgeber haushaltspolitische Gründe anführe, sei nicht ersichtlich, warum das Elterngeld gerade bei denjenigen faktisch entfalle, die es am meisten bräuchten. Der Gesetzgeber müsse begründen, warum er armen Eltern den Schonraum für eine Erziehung in der Anfangszeit verwehre. Auch der Vergleich mit anderen, zuvor gleichfalls nicht erwerbstätigen Beziehern anderer Sozialleistungen mache die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung deutlich. Über die wirtschaftliche Belastung der Eltern wirke sich die Differenzierung auch auf die betreuten Kinder aus.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22.10.2013 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 21.1.2013 aufzuheben sowie den Bescheid vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.2.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Monate Januar bis März 2011 Kinderzuschlag in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zur Recht zurückgewiesen, weil er in dem streitigen Zeitraum von Januar bis März 2011 keinen Kinderzuschlag beanspruchen kann.

9

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.2.2011, mit dem die Beklagte für den hier streitigen Zeitraum von Januar 2011 bis März 2011 (Zeitraum des Elterngeldbezugs in Höhe von 300 Euro durch die Ehefrau des Klägers) die Leistung eines Kinderzuschlags abgelehnt hat. Gegen diese Bescheide wendet sich der Kläger zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG, § 56 SGG).

10

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in der hier mit Wirkung zum 1.1.2011 in Kraft getretenen Normfassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII vom 24.3.2011 (BGBl I 453; im Folgenden: § 6a BKGG aF).

11

Nach § 6a Abs 1 BKGG aF erhalten Personen nach dem BKGG für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn 1. sie für diese Kinder nach dem BKGG oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen iS von § 4 BKGG haben, 2. sie mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kindergeldes über Einkommen iS von § 11 Abs 1 S 1 SGB II in Höhe von 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b SGB II nicht abzusetzen sind (sog "Mindesteinkommensgrenze"), 3. sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen iS der §§ 11 bis 12 SGB II verfügen, das höchstens dem nach § 6a Abs 4 S 1 BKGG für sie maßgebenden Betrag zuzüglich dem Gesamtkinderzuschlag nach § 6a Abs 2 BKGG entspricht ("Höchsteinkommensgrenze") und 4. durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird.

12

Das LSG ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass - unbesehen der konkreten Höhe des Kinderzuschlags, dessen Berechnung es nicht bedarf - schon die Anspruchsvoraussetzung des § 6a Abs 1 Nr 4 S 1 BKGG aF nicht erfüllt ist, dass durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird. Diese Anspruchsvoraussetzung beinhaltet die Prüfung, ob ohne die Zahlung des Kinderzuschlags Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II gegeben wäre (Kühl in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 6a BKGG RdNr 45). Ob durch die Bewilligung eines Kinderzuschlags im Sinne eines kausalen Zusammenhangs eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II vermieden werden kann, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung des anrechenbaren Einkommens und Vermögens und der Bedarfe sämtlicher Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 6a BKGG RdNr 120, Stand 4/2014). Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das an die Ehefrau des Klägers in den Monaten Januar bis März 2011 gezahlte Elterngeld in Höhe von 300 Euro (Mindestelterngeld) als bedarfsminderndes Einkommen bei der Prüfung einer Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu berücksichtigen ist (s hierzu 3.). Dies führt im Ergebnis dazu, dass das anrechenbare Einkommen der Bedarfsgemeinschaft deren Gesamtbedarf übersteigt (s zur Berechnung im Einzelnen unter 6.). Die notwendige Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs 5 S 1 BEEG kann sich der Senat nicht bilden(s hierzu 4.), insbesondere auch nicht bezogen auf einen möglichen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG (s hierzu 5.).

13

3. a) Nach Maßgabe der einfachgesetzlichen Vorschriften mindert das Elterngeld als Einkommen der Ehefrau des Klägers die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft iS des § 6a Abs 1 Nr 4 BKGG aF iVm § 11 SGB II.

14

Zu der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit nach § 6a Abs 1 Nr 4 BKGG aF haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits entschieden, dass auf den Begriff des Einkommens und des Vermögens nach den §§ 11 bis 13 SGB II abzustellen ist. Insbesondere die gesetzliche Zielsetzung, das Aufeinander-Bezogen-Sein und der wechselseitige Ausschluss der Leistungssysteme nach dem SGB II und nach § 6a BKGG sprechen für eine Parallelität der Rechtsanwendung(vgl BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 13 ff; BSG Urteil vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 69 RdNr 14).

15

Nach § 11 Abs 1 S 1 SGB II in der hier maßgeblichen bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung (des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 zuletzt geändert durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 9.12.2010 im Folgenden: § 11 SGB II aF)sind als Einkommen die Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an Körper und Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG zu berücksichtigen.

16

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass das an die Ehefrau des Klägers in den Monaten Januar bis März 2011 erbrachte Elterngeld in Höhe von 300 Euro als Einkommen anzurechnen ist.

17

b) Zwar sah § 10 Abs 1 BEEG in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006 (BGBl I 2748) vor, dass das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 BEEG auf das Elterngeld angerechneten Leistungen bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt blieben. Dies galt auch bei Bezug von Leistungen der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitsuchende (BT-Drucks 16/1889, S 26). Entsprechend bestimmte § 11 Abs 3a SGB II idF des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006 (BGBl I 2748) als Ausnahmeregelung zur Einkommensanrechnung klarstellend, dass abweichend von § 11 Abs 1 bis 3 SGB II derjenige Teil des Elterngeldes, der die nach § 10 BEEG anrechnungsfreien Beträge überstieg, in voller Höhe zu berücksichtigen war. Mit Wirkung zum 1.1.2011 ist jedoch durch Art 14 Nr 4 HBeglG 2011 vom 9.12.2010 die Vorschrift des § 10 Abs 5 BEEG(BGBl I 1885) eingefügt worden. § 10 Abs 5 S 1 BEEG bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass die Regelung des § 10 Abs 1 BEEG, nach der das Elterngeld bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt bleibt, nicht bei Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und für den Kinderzuschlag nach § 6a BKGG gilt. Als Folgeregelung wurde § 11 Abs 3a SGB II aufgehoben(Art 15 Nr 2 HBeglG 2011).

18

Die Voraussetzungen der Rückausnahme des § 10 Abs 5 S 2 BEEG liegen hier nicht vor. Nach § 10 Abs 5 S 2 BEEG bleibt bei den Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und nach § 6a BKGG das Elterngeld in Höhe des nach § 2 Abs 1 BEEG berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Eine solche Fallgestaltung ist nicht gegeben, weil die Ehefrau des Klägers vor der Geburt kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielte.

19

c) Es kann dahinstehen, ob § 10 Abs 5 BEEG mit Wirkung zum 1.1.2011 eine abschließende (negative) Zweckbestimmung zur Verwendung des Elterngeldes zur Sicherung des Existenzminimums anordnet bzw eine anderweitige Zweckbestimmung hindert (vgl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11a RdNr 316, Stand 1/2015; Söhngen in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 11a RdNr 37). Jedenfalls ergeben sich aus den sonstigen Regelungen des BEEG und des SGB II keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Elterngeld um eine zweckgebundene Leistung im Sinne des SGB II handelte.

20

Nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II in der hier maßgeblichen Normfassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3.8.2010 ( im Folgenden: § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II aF)sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Entsprechend dem allgemeinen Grundsatz der Nachrangigkeit von SGB II-Leistungen soll die Vorschrift verhindern, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden (BSG Urteil vom 5.9.2007 - B 11b AS 15/06 R - BSGE 99, 47 = SozR 4-4200 § 11 Nr 5, RdNr 28; BSG Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 16/06 R - BSGE 99, 240 = SozR 4-4200 § 11 Nr 8, RdNr 16). Die Außerachtlassung von Einnahmen erfolgt nur unter engen Voraussetzungen, die ausdrücklich durch die besondere Zweckbestimmung der weiteren Einnahmen gerechtfertigt sein müssen.

21

Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate haben insofern gefordert, dass die Leistungen zu einem ausdrücklich genannten Verwendungszweck gewährt werden, der über den durch die Zahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II verfolgten Zweck der Sicherung des Lebensunterhalts hinausgeht. Eine solche Zweckbestimmung ist nach der hier maßgebenden Rechtslage bis zum 31.3.2011 in erster Linie dem Wortlaut der Regelungen, aber auch deren Systematik und Entstehungsgeschichte zu entnehmen (vgl ab 1.4.2011 die ausdrücklich formulierte Anforderung des § 11a Abs 3 SGB II: "Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen"). Einen abweichenden Verwendungszweck hat der Senat zB für die Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungs-förderungsgesetz (BAföG) angenommen, weil in den §§ 1, 11 Abs 1 BAföG als zwei neben-einander ausdrücklich genannten Zweckbestimmungen sowohl die Deckung des Lebensunterhalts während der Ausbildung als auch die Deckung der Kosten der Ausbildung genannt werden(BSG Urteil vom 17.3.2009 - B 14 AS 63/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 21 RdNr 24). Verneint wurde dies andererseits für das Ausbildungsgeld, weil sich weder in dem Wortlaut der Regelungen noch entstehungsgeschichtlich Anhaltspunkte dafür fanden, dass der Gesetzgeber mit dem Ausbildungsgeld eine besondere, über die Lebensunterhaltssicherung hinausgehende Zwecksetzung verfolgt hätte (BSG Urteil vom 16.6.2015 - B 4 AS 37/14 R -SozR 4-4200 § 27 Nr 2 RdNr 29 mwN).

22

Für das Elterngeld ist ein solcher konkreter Verwendungszweck nicht vorhanden (so auch Schmidt in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 11a RdNr 20). Der Ausgestaltung des BEEG und den in den Gesetzesmaterialien formulierten Vorstellungen des Gesetzgebers von der Funktion des Elterngeldes, insbesondere des Mindestelterngeldes, sind lediglich verschiedene Ziele des Elterngeldes zu entnehmen, die sich jedoch nicht zu einer eigenständigen Bestimmung eines konkreten Verwendungszwecks im Sinne des SGB II verdichtet haben. Eine gesetzgeberische Zweckbestimmung zur Verwendung des Mindestelterngeldes von 300 Euro im Sinne eines konkreten Verwendungszwecks, die als Differenzierungsverbot iS des Art 3 Abs 1 GG (vgl hierzu näher unter 5.) die generelle Herausnahme dieses Betrags aus dem Nachranggrundsatz erfordern könnte, hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen (so auch Frerichs in Sozialrecht aktuell 2011, 167, 170).

23

4. Die notwendige Überzeugung von einer Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs 5 S 1 BEEG(vgl zu den Voraussetzungen einer Vorlage nach Art 100 Abs 1 GG nur BVerfG Beschluss vom 4.6.2012 - 2 BvL 9/08 ua - BVerfGE 131, 88, 117 f; s auch BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 36 zu § 10 Abs 5 BEEG)kann sich der Senat - in der hier allein zu prüfenden Sachverhaltskonstellation einer Berücksichtigung (auch) des Mindestelterngeldes als anrechenbares Einkommen im Sinne des SGB II bzw des Kinderzuschlags bei vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätigen Eltern - nicht bilden (vgl zur verfassungsrechtlichen Prüfung des Gesetzes in seinen Auswirkungen auf den individuellen Sachverhalt nur BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 12 AL 3/11 R - SozR 4-4300 § 28a Nr 6; eine Verfassungswidrigkeit verneinend Frerichs, Sozialrecht aktuell 2011, 167; Mutschler in Tilmanns/Mutschler , MuSchG/BEEG, 1. Aufl 2015, § 10 BEEG RdNr 29 f; Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 10 RdNr 34 ff; aA Lenze, info also 2011, 3; verfassungsrechtliche Bedenken bei Dau, jurisPR-SozR 7/2013, Anm 5; Dau, jurisPR-SozR 2/2012 Anm 2; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11a RdNr 316, Stand 1/2015; Söhngen in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 11a RdNr 37).

24

a) Die Regelungen des BEEG, für das die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung zu bejahen ist, sind im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art 74 Abs 1 Nr 7 GG iVm Art 72 Abs 2 GG wirksam erlassen worden (BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 36 ff). Wie der 10. Senat des BSG bereits ausgeführt hat, ist der in Art 74 Abs 1 Nr 7 GG verwendete Begriff der öffentlichen Fürsorge in einem weiten Sinne zu verstehen (vgl BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 38 f). Die Orientierung an Bedarfslagen zeigt sich weiterhin an der Begünstigung von Geringverdienern und bei Mehrlingsgeburten (§ 2 Abs 6 BEEG), dem "Geschwisterbonus" sowie der Festlegung eines Höchstbetrags für das Elterngeld von 1800 Euro.

25

b) Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen (Art 20 Abs 3 iVm Art 2 Abs 1 GG). Jedenfalls in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation verstößt die Anwendung des § 10 Abs 5 S 1 BEEG nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsgebot des Art 20 Abs 3 GG abgeleitete Verbot einer unechten Rückwirkung. Zwar ist die Anfügung des § 10 Abs 5 S 1 BEEG durch das HBeglG 2011 nicht mit einer Übergangsregelung für laufende SGB II-Leistungen bzw den Kinderzuschlag verbunden gewesen. Dies betrifft jedoch nicht den zu entscheidenden Sachverhalt. Eine Rechtsposition, die durch den Vertrauensschutzgrundsatz gegen ihre im Hinblick auf die umfassende bedarfsmindernde Berücksichtigung des Elterngeldes nachträgliche Entwertung hätte geschützt werden können, ist erst mit der auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 17.12.2010 folgenden Feststellung eines Rechts auf Kinderzuschlag für die Zeit von Januar bis März 2011, also mit und nicht vor Inkrafttreten des HBeglG 2011, entstanden (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 39 f).

26

Zur unechten Rückwirkung im Fürsorgerecht hat das BVerfG - bezogen auf die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 1.1.2005 - bereits betont, dass eine unabhängig vom Bewilligungsakt bestehende Erwartung der Betroffenen, sie würden, den Fortbestand der jeweiligen Rechtslage vorausgesetzt, in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, mangels hinreichender Konkretisierung kein geschütztes Recht ist. Die Verfassung gewährt keinen Schutz vor einer nachteiligen Veränderung der geltenden Rechtslage. Ein schützenswertes Vertrauen auf die voraussichtliche Ausgestaltung bestimmter Vorschriften in der Zukunft existiert nicht (BVerfG Beschluss vom 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - BVerfGE 128, 90, 106; vgl auch BSG Urteil vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 10/06 R - BSGE 101, 217 = SozR 4-3500 § 133a Nr 1, RdNr 22; s auch Hessisches LSG Beschluss vom 1.8.2013 - L 6 AS 378/13 - FEVS 65, 323).

27

c) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG wird durch die vollständige Berücksichtigung des Elterngeldes bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II als Anspruchsvoraussetzung für den Kinderzuschlag nicht verletzt. Der Kläger und die Bedarfsgemeinschaft verfügen mit ihren Einkünften unter Einbeziehung des Elterngeldes im Ergebnis über ausreichende, den gesetzlichen Anforderungen nach dem SGB II zur Sicherung des Existenzminimums genügende Mittel (s hierzu näher unter 5.). Insofern gilt hinsichtlich der Höhe der auch beim Kinderzuschlag zu berücksichtigenden Existenzmittel nach dem SGB II, dass der Bedarf der betreuenden Elternteile und der Kinder durch die Regelbedarfe, ggf einschließlich des Bedarfs für Alleinerziehende, gesichert und dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet wird. Die vorübergehende Übernahme der Betreuung eines Kindes wird durch die der Existenzsicherung dienenden Systeme unterstützt, indem steuerfinanzierte Leistungen erbracht werden und gleichzeitig keine Erwerbstätigkeit zugemutet wird (BT-Drucks 17/3030, S 48; BR-Drucks 532/10, S 61). Zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums - im konkreten Fall ggf durch einen ergänzenden Kinderzuschlag - ist es daher nicht zwingend geboten, dass zumindest ein Teilbetrag des Elterngeldes in Höhe von 300 Euro anrechnungsfrei bleibt (LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 4.12.2014 - L 2 AS 1009/13 - juris RdNr 33 f - anhängig BSG - B 14 AS 28/15 R; Hessisches LSG Beschluss vom 1.8.2013 - L 6 AS 378/13 - juris RdNr 29; vgl auch BVerfG Beschluss vom 11.3.2010 - 1 BvR 3163/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 32 RdNr 7 zur Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen auf Leistungen nach dem SGB II; BVerfG Beschluss vom 24.10.1991 - 1 BvR 1159/91 - juris RdNr 11 zur Anrechnung des Zuschlags zum Kindergeld nach § 11a BKGG auf Sozialhilfeleistungen).

28

Soweit der Gesetzgeber mit der Einführung des Elterngeldes ab 1.1.2007 - begrenzt auf die Zeit bis zum 31.12.2010 - zunächst den Sockelbetrag in Höhe von 300 Euro als Einkommen auch bei den existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und bei dem Kinderzuschlag unberücksichtigt ließ, handelte es sich nicht um eine ergänzende kindbezogene Förderung im Sinne einer verfassungsrechtlich geforderten existenzsichernden Leistung für einkommensschwache Familien (vgl aber zu diesem Aspekt: Lenze in info also 2011, 3, 8). Dem Mindestelterngeld liegt - anders als den existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII - keine realitätsgerechte und schlüssige sachlich differenzierte Berechnung der ggf besonderen Bedarfe der Gruppe der Eltern zur Festlegung des Existenzminimums zugrunde. Es handelt sich um eine über die bloße Existenzsicherung hinausgehende Leistung, mit der verschiedene Zielsetzungen verfolgt werden. Eine sozialpolitisch ggf wünschenswerte Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes bzw des Mindestbetrages bei allen bedürftigkeits-abhängigen Leistungen lässt sich aus dem Sozialstaatsgebot aber nicht ableiten (Frerichs in Sozialrecht aktuell 2011, 167, 169).

29

Auch ergibt sich aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht, dass eine den steuerrechtlichen Begünstigungsvorschriften entsprechende Freistellung des Elterngeldes von der Anrechenbarkeit bei existenzsichernden Leistungen erfolgen muss. Zwar gehen die steuerrechtlichen Regelungen von einer einheitlichen Behandlung des Mindestelterngeldes und der darüber hinaus gewährten Beträge mit Bezug zum bisherigen Einkommen aus (BFH Beschluss vom 21.9.2009 - VI B 31/09 - BFHE 226, 329) und ist das Elterngeld nach § 3 Nr 67 EStG steuerfreies Einkommen. Steuerlich zu berücksichtigende Aufwendungen und bedürftigkeitsabhängige Sozialleistungen - gestaltet durch Anrechnungs- und Berücksichtigungsregelungen - können jedoch eine unterschiedliche Höhe erreichen, zumal Normen des Einkommensteuerrechts auch fördernden Charakter haben und familienpolitische Ziele beinhalten können (vgl BVerfG Beschluss vom 11.3.2010 - 1 BvR 3163/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 32 RdNr 7 mit Hinweis auf § 31 S 1 EStG zum Kindergeld).

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5. Die Berücksichtigung des an die Ehefrau gezahlten Elterngeldes als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 GG.

31

a) Der allgemeine Gleichheitssatz ist hier als Prüfungsmaßstab heranzuziehen, weil Regelungsgegenstände betroffen sind, die nicht (allein) mit der Bemessung der existenzsichernden Leistungen an sich zusammenhängen. Zwar vermag Art 3 Abs 1 GG für die Bemessung des Existenzminimums keine weiteren Maßstäbe zu setzen, weil entscheidend allein ist, dass für jede individuell hilfebedürftige Person das Existenzminimum nach Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG ausreichend erfasst ist. Art 3 Abs 1 GG kann aber Prüfgegenstand bei Fallgestaltungen sein, in denen der Gesetzgeber im Ergebnis mehr Leistungen erbringt, als aus seiner Sicht zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums notwendig sind, zB indem er nur bei bestimmten Personengruppen Einnahmen als leistungsminderndes Einkommen nicht berücksichtigt oder anrechnungsfrei stellt (BVerfG Beschluss vom 7.7.2010 - 1 BvR 2556/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 33, RdNr 13; s auch BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 219; BVerfG Beschluss vom 11.7.2006 - 1 BvR 293/05 - BVerfGE 116, 229, 238 zur Anrechnung von Schmerzensgeld auf AsylbLG-Leistungen).

32

b) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen, aber auch gleichheitswidrige Begünstigungsausschlüsse (BVerfG Beschluss vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240, 252 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 40; BVerfG Beschluss vom 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49, 68), bei denen eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen aber vorenthalten wird (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - NZS 2011, 895).

33

Der hier vorliegende Begünstigungsausschluss bei der Einkommensanrechnung erfolgt in der Weise, dass die grundsätzliche Freistellung des Mindestelterngeldes von der Einkommensberücksichtigung bei Beziehern von Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkünften abhängig ist (§ 10 Abs 1 BEEG) für Elterngeld beziehende SGB II- und SGB XII-Leistungsberechtigte bzw einen Kinderzuschlag beanspruchende Eltern seit der Einfügung der Anrechnungsvorschrift des § 10 Abs 5 S 1 BEEG im Grundsatz nicht (mehr) gilt. Der Begünstigungsausschluss betrifft allerdings nicht sämtliche Eltern, sondern diejenigen - bis zu einer Höhe des am vorgeburtlichen Erwerbseinkommen orientierten Elterngeldes von insgesamt 300 Euro - nicht, bei denen Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes zu berücksichtigen ist (Rückausnahme des § 10 Abs 5 S 2 BEEG). Derartige Differenzierungen sind hinsichtlich ihrer Rechtfertigung am Gleichheitssatz zu messen.

34

Der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe ungleich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG Beschluss vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240, 253 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 40). Insofern ergeben sich hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den eine Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl BVerfG Beschluss vom 7.11.2006 - 1 BvL 10/02 - BVerfGE 117, 1, 30; BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400, 416 mwN; BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214; BVerfG Beschluss vom 26.3.2014 - 1 BvR 1133/12 - NZS 2014, 414). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl BVerfG Beschluss vom 26.1.1993 - 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92 - BVerfGE 88, 87, 96; BVerfG vom 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49, 69; vgl zum Prüfungsmaßstab bei einem möglichen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz auch Britz, NJW 2014, 346).

35

Insofern betrifft die Anrechenbarkeit des Elterngeldes auf die SGB II-Leistungen und damit auch auf den Kinderzuschlag bei vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätigen Berechtigten zugleich Art 6 Abs 1 und 2 GG in seiner Schutz- und Förderdimension, weil die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen unterstützt und gefördert werden soll. Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen in einzelnen Rechtsgebieten oder Teilsystemen, in denen der Familienlastenausgleich umzusetzen ist, können zwar nicht allein aus dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG hergeleitet werden. Dem Gesetzgeber steht eine Gestaltungsfreiheit bei der Entscheidung darüber zu, in welchem Umfang und in welcher Weise er die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich umsetzt (BVerfG Urteil vom 12.2.2003 - 1 BvR 624/01 - BVerfGE 107, 205, 215 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 36; BVerfG Beschluss vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412, 434; BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012 , 214; BVerfG Beschluss vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240, 254 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 38). Es ist aber im Kontext des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angesichts des verfassungsrechtlichen Auftrags zur Familienförderung rechtfertigungsbedürftig im Sinne einer strengeren Bindung des Gesetzgebers an den Maßstab der Verhältnismäßigkeit, warum eine bestimmte Gruppe von Elterngeldberechtigten von der begünstigenden Nichtanrechenbarkeit des Elterngeldes ausgenommen ist (Lenze info also 2011, 3, 5; BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - juris RdNr 6, 13).

36

c) Soweit die Ehefrau des Klägers hinsichtlich der Anrechnungsfreiheit des Mindestelterngeldes bei existenzsichernden Leistungen ungleich gegenüber der Vergleichsgruppe der SGB II- bzw Kinderzuschlags-Berechtigten behandelt wird, die vor der Geburt ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt haben, weil diese Leistungen ohne Anrechnung des Mindestbetrags in Höhe von bis zu 300 Euro erhalten würden, ist rechtfertigender Grund für eine unterschiedliche Behandlung die Erwerbstätigkeit der Elterngeldberechtigten vor der Geburt des Kindes unter gleichzeitiger Beachtung des Nachranggrundsatzes bei existenzsichernden Leistungen.

37

Für beide Gruppen von Elterngeldberechtigten gilt der zunächst für eine gleiche Behandlung sprechende Nachranggrundsatz des SGB II. Insofern konkretisiert § 2 Abs 2 S 1 SGB II den Grundsatz in der Weise, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen haben, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Mit den gesetzlichen Neuregelungen zum 1.1.2011 hat der Gesetzgeber zur Erfüllung des mit dem HBeglG 2011 verfolgten Gesetzeszwecks einer Konsolidierung der öffentlichen Haushalte (BT-Drucks 17/3030 S 1, 47) dem Nachranggrundsatz durch die grundsätzliche Anrechenbarkeit des Elterngeldes als Einkommen im SGB II, im SGB XII und beim Kinderzuschlag eine stärkere Geltung verschafft. Hieran war er nicht gehindert (s oben 4c). Nicht zu prüfen ist, ob der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung seines weiten Gestaltungsspielraums im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit (BVerfG Beschluss vom 10.11.1998 - 1 BvL 50/92 - BVerfGE 99, 165, 178; BVerfG Beschluss vom 29.10.2002 - 1 BvL 16/95, 1 BvL 17/95, 1 BvL 16/97 - BVerfGE 106, 166, 175 f) die gerechteste und zweckmäßigste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214; BVerfG Beschluss vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 51 BvR 593/08 - juris RdNr 31 , SGb 2011, 702; BVerfG Beschluss vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412, 436).

38

Trotz des grundsätzlich geltenden Nachranggrundsatzes bei existenzsichernden Leistungen war der Gesetzgeber im Ergebnis auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert, im Wege einer Begünstigung bei der Einkommensanrechnung des Elterngeldes differenzierend darauf abzustellen, ob der Berechtigte vor der Geburt ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt hat. Mit der Anknüpfung an ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes für eine unterschiedliche Behandlung innerhalb der Gruppe der SGB II-Berechtigten im Sinne einer Privilegierung trotz Nachranggrundsatzes verfolgt der Gesetzgeber ein legitimes Differenzierungsziel. Vor dem Hintergrund negativer Erfahrungen zur Erwerbsintegration wegen der Ausgestaltung des vormaligen Elterngeldes (vgl hierzu BT-Drucks 16/1889, S 15) ist das Elterngeld im Grundsatz als leistungsorientierte, das Erwerbseinkommen ersetzende Familienleistung konzipiert, das einen "Wechsel von einer bedürftigkeitsabhängigen Unterstützungsleistung nach dem BErzGG hin zu einer einkommensorientierten Förderung nach dem BEEG" beinhaltete (vgl auch BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 2). Es sollen "finanzielle Einschränkungen in den ersten zwölf oder 14 Lebensmonaten des Kindes" ausgeglichen werden (BT-Drucks 16/1889, S 26). Diese "Einkommensersatz-funktion" des Elterngeldes (vgl BSG Urteil vom 20.5.2014 - B 10 EG 11/13 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 26 RdNr 18 mwN)findet sich in der Höhe des Elterngeldes, die sich in erster Linie an dem individuellen Einkommensausfall des betreuenden Elternteils - im Ausgang von 67 % des vorgeburtlichen Einkommens (§ 2 Abs 1 BEEG) - orientiert, wenn eine vorherige Erwerbs-tätigkeit wegen Kinderbetreuung unterbrochen, reduziert oder ganz aufgegeben wird (BT-Drucks 16/1889, S 2, 15; BSG Urteil vom 20.5.2014 - B 10 EG 11/13 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 26 RdNr 18; BSG Urteil vom 10.7.2014 - B 10 EG 1/13 R - RdNr 19).

39

Das BVerfG ist davon ausgegangen, dass diese Ausgestaltung des Elterngeldes als steuerfinanzierte Einkommensersatzleistung nicht gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt. Zwar führt die Bemessung zu einer unterschiedlichen Behandlung der Leistungsempfänger je nach der Höhe ihres vor der Geburt erwirtschafteten Erwerbseinkommens, ohne dass dem Sozialversicherungsleistungen der Empfänger vorausgegangen sind. Es enthält aber verfassungsrechtlich für sich genommen noch keinen Gleichheitsverstoß, dass die einkommensabhängige Ausgestaltung des Elterngeldes im Vergleich zur nicht als Einkommensersatzleistung gefassten Vorgängerregelung im Bundeserziehungsgeldgesetz einen Systemwechsel bedeutet und möglicherweise in der einfachgesetzlichen Struktur sozialer Leistungen systematisch eine gewisse Sonderstellung einnimmt. Dass bei einer Ausgestaltung des Elterngeldes als Kompensationsleistung für geburtsbedingten Einkommensverlust Unterschiede der Förderung zwischen Familien je nach dem vorgeburtlichen Einkommen der Eltern entstehen, ist verfassungsrechtlich angesichts der gesetzlichen Zielsetzungen der vorrangigen Förderung bei Erziehenden mit kleinen und mittleren Einkünften und des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Art und Weise der Familienförderung hinnehmbar (BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214; vgl auch BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 2; BVerfG Beschluss vom 20.4.2011 - 1 BvR 1811/08 - juris RdNr 9; BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 40).

40

Diese sachlichen Gründe, die der Gesetzgeber mit der Anknüpfung des Elterngeldes an die Höhe des bisherigen Erwerbseinkommens verbunden hat, rechtfertigen auch die unterschiedliche Behandlung beim Bezug existenzsichernder Leistungen. Diejenigen Elterngeldberechtigten, die zuvor eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, erleiden durch die Geburt eine echte Einkommenseinbuße. Bei ihnen greift "der Zweck des Elterngeldes, die Entscheidung für eine vorübergehende Unterbrechung einer Erwerbstätigkeit ohne allzu große Einkommensnachteile zu ermöglichen" (BT-Drucks 17/3452, S 8). Auf Elterngeldberechtigte im Bezug von existenzsichernden Leistungen, die - wie die Ehefrau des Klägers - vor der Geburt keine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, trifft dies nicht zu, weil sie zugunsten der Betreuung keine Erwerbstätigkeit aufgegeben haben und daher kein unmittelbar durch die Geburt bedingter Nachteil monetär auszugleichen ist (Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 10 RdNr 37). Zudem hat der Gesetzgeber des HBeglG inhaltlich zutreffend und im Sinne einer weiteren sachlichen Rechtfertigung darauf hingewiesen, dass das Mindestelterngeld auch bei geringen Einkünften aus Erwerbstätigkeit vor und nach der Geburt erbracht wird. Im Vergleich der Berechtigten untereinander werde die mit dem Erwerbstätigenfreibetrag bezweckte Anreizwirkung in Frage gestellt, wenn das Mindestelterngeld in gleicher Weise auch bei nicht erwerbstätigen Elterngeldberechtigten anrechnungsfrei gestellt werde (BT-Drucks 17/3030, S 47 f).

41

d) Auch soweit das Mindestelterngeld bei der Vergleichsgruppe der Bezieher anderer bedürftigkeitsabhängiger Sozialleistungen im Unterschied zur Situation bei den SGB II-, SGB XII- und Kinderzuschlagsberechtigten nicht angerechnet wird, obgleich beide Gruppen von Elterngeldberechtigten vor der Geburt nicht erwerbstätig waren, sind rechtfertigende Sachgründe für eine Differenzierung gegeben.

42

Eine von dem Kläger der Sache nach gerügte Systemwidrigkeit wegen Verletzung einer "vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit", die als Indiz für einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG gesehen werden könnte (vgl nur BVerfG Beschluss vom 7.11.1972 - 1 BvR 338/68 - BVerfGE 34, 103, 115 mwN, stRspr), kann der Senat nicht erkennen. Die ungleiche Behandlung der beiden Vergleichsgruppen ist vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Zielsetzungen für die jeweiligen Sozialleistungen, deren konkreter Ausgestaltung sowie der jeweils konkreten Ausformung des Subsidiaritätsgrundsatzes bei bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistungen zu sehen. Hinsichtlich dieser Anforderungen existieren Systemunterschiede zwischen den vom Kläger benannten anderen bedürftigkeits- und einkommensabhängigen Sozialleistungen, zB BAföG, Wohngeld, Unterhaltsvorschussleistungen und Leistungen der Kriegsopferfürsorge, einerseits und den Leistungen des SGB II, des SGB XII und dem Kinderzuschlag andererseits. Insbesondere gelten die Vorgaben des SGB II zur Eingliederung in Arbeit und zur Minderung/Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch Einkommensberücksichtigung (§ 2 Abs 2, § 7 Abs 1 Nr 3, § 9 Abs 1 SGB II).

43

In den Sozialleistungssystemen der Ausbildungsförderung ist der Nachranggrundsatz anders ausgeprägt. Dies folgt schon daraus, dass der faktische Zwang, eine Ausbildung wegen fehlender Existenzsicherungsmittel abbrechen zu müssen, die teilhaberechtliche Dimension des Grundrechts aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 und dem Sozialstaatsgebot aus Art 20 Abs 1 GG berührt (BVerfG Beschluss vom 3.9.2014 - 1 BvR 1768/11 - juris RdNr 24). Unabhängig hiervon bezwecken andere Sozialleistungssysteme, wie zB das Wohngeldgesetz (WoGG) mit seiner Beschränkung auf einen Zuschuss zur Miete zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens (§ 1 Abs 1 WoGG), eine soziale Absicherung nur in Teilbereichen. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UhVorschG) sind - ebenfalls der Höhe nach begrenzt - in erster Linie als Anspruch des minderjährigen Kindes auf Ausgleich eines fehlenden Unterhalts gerichtet (§ 1 Abs 1 Nr 1 UhVorschG), ohne dass der Anspruch des alleinerziehenden Elternteils auf Elterngeld diesen berührt (Grube, UnterhaltsvorschussG, 2009, Einleitung RdNr 16; vgl zum Zweck des UhVorschG: BT-Drucks 8/1952). Dagegen sind die in § 10 Abs 5 S 1 BEEG aufgeführten existenzsichernden Leistungen des SGB II, des SGB XII sowie der Kinderzuschlag auf eine Vollabsicherung gerichtet. Schon wegen des unterschiedlichen Umfangs der gewährenden Staatstätigkeit können - ohne dass dies zwingend wäre - unterschiedliche Maßstäbe hinsichtlich der Umsetzung des Nachranggrundsatzes im Rahmen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers Anwendung finden, wenn er sich - wie hier - zu einer aus seiner Sicht aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise und der Einhaltung der Defizitgrenze des Europäischen Stabilitäts- und Wirtschaftspakts notwendigen Haushaltskonsolidierung durch Kürzungsmaßnahmen auch im Sozialbereich entscheidet (vgl BT-Drucks 17/3030, S 1, 47). Trotz der mit dem Mindestelterngeld ursprünglich beabsichtigten einheitlichen und bedürftigkeitsunabhängigen Honorierung der Erziehungs- und Betreuungsleistungen (vgl nur BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - juris RdNr 30; Dau, jurisPR-SozR 7/2013, Anm 5 mwN) ist der Gesetzgeber daher nicht gehindert, nur für bestimmte Gruppen weiterhin eine Begünstigung im Sinne einer Nichtanrechnung des Elterngeldes anzuerkennen.

44

e) Soweit der Kläger eine Benachteiligung gegenüber anderen vor der Geburt nicht erwerbstätigen, aber auch nicht von existenzsichernden Leistungen abhängigen Elterngeldberechtigten darin sieht, dass diesen der Betrag in Höhe des Mindestelterngeldes von 300 Euro faktisch ungeschmälert "als Familienleistung" erbracht wird, während es bei ihm anrechenbares Einkommen bei der Prüfung des Anspruchs auf Kinderzuschlag nach § 6a BKGG aF ist, ist schon fraglich, ob überhaupt vergleichbare Lebenssachverhalte iS des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 GG zugrunde liegen. Beide Elterngruppen werden hinsichtlich der faktischen Zahlung des Mindestelterngeldes gleich behandelt, indem sie diesen Betrag tatsächlich erhalten.

45

Betrachtet man die Belastung des Elterngeldes mit einer Anrechnungsregelung bei Inanspruchnahme einer bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistung (vgl BVerfG Beschluss vom 24.10.1991 - 1 BvR 1159/91 - juris RdNr 7 f zur vergleichbaren Regelung beim Kindergeld) als "faktische Ungleichbehandlung" (vgl Dau, jurisPR-SozR 7/2013, Anm 5; Lenze, info also 2011, 3, 5) liegt ein rechtfertigender Grund für eine Ungleichbehandlung beider Gruppen auch hier in dem Umstand, dass bei dem steuerfinanzierten Kinderzuschlag wegen der Verknüpfung mit den SGB II-Leistungen der Nachranggrundsatz zu beachten ist. Die als Ausnahme hiervon konzipierte Begünstigung durch ein anrechnungsfreies Mindestelterngeld soll nicht eingreifen, wenn - wie im Falle der Ehefrau des Klägers - kein Erwerbseinkommen vor der Geburt vorhanden ist. Von der ursprünglich neben weiteren zentralen Zielsetzungen (vgl dazu unter 5c) genannten bedürftigkeitsunabhängigen Anerkennung der elterlichen Erziehungs- und Betreuungsleistung durch weitergehende Ausnahmen vom Nachranggrundsatz hat sich der Gesetzgeber des HBeglG 2011 in Teilbereichen verabschiedet (so auch Frerichs in Sozialrecht aktuell 2011, 167, 170).

46

6. Das LSG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft im streitigen Zeitraum vom 1.1.2011 bis 31.3.2011 in vom LSG zutreffend berechneter Höhe von 1906,12 Euro mit dem zu berücksichtigenden Einkommen aus der Beschäftigung des Klägers, dem Kindergeld und dem an seine Ehefrau geleisteten Elterngeld gedeckt werden kann und schon dies einem Anspruch auf Kinderzuschlag entgegensteht.

47

Als Einkommen aus der Beschäftigung des Klägers ist entsprechend den tatsächlichen Feststellungen und zutreffenden rechtlichen Würdigungen des LSG für die Monate Januar und Februar 2011 ein Gesamtbetrag in Höhe von 1136,57 Euro und für März 2011 ein Einkommen in Höhe von 1203,44 Euro zu berücksichtigen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG sind von den Einkünften des Klägers aus Erwerbstätigkeit neben den bereits vom Arbeitgeber abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von zusammen 362,17 Euro (Januar/Februar 2011) sowie 395,30 Euro (März 2011) der Erwerbstätigenfreibetrag von 210 Euro monatlich und der Grundfreibetrag in Höhe von 100 Euro monatlich, der als höherer Monatsbetrag die konkreten Abgaben für Versicherungen und für die Fahrten zur Arbeitsstätte ersetzt, in Abzug zu bringen. Es ergibt sich ein anrechenbarer Betrag von 1033,83 Euro (Januar/Februar 2011) bzw 1100,70 Euro (März 2011). Hinzuzurechnen ist monatlich der zwölfte Teil des anteiligen Weihnachtsgeldes in Höhe von 1706 Euro (brutto), das der Kläger im November 2010 erhalten hat. Hiervon sind insgesamt 473,15 Euro als Steuern und Sozialabgaben abzusetzen. Von dem zu verteilenden Betrag von 1232,85 Euro entfällt auf die Monate Januar bis März 2011 jeweils ein solcher in Höhe von 102,74 Euro. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Betrag des Weihnachtsgeldes nach § 2 Abs 4 S 3 Alg II-V(idF vom 17.12.2007 ) als einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von zwölf Monaten mit einem monatlich zu berücksichtigenden Betrag von 102,74 Euro verteilt hat. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber mit dem am 1.4.2011 in Kraft getretenen § 11 Abs 3 S 3 SGB II nF(BGBl I 453) den "Verteilzeitraum" auf einen Zeitraum von sechs Monaten mit einer nachfolgend nur möglichen Berücksichtigung noch vorhandener Beträge als Vermögen eingegrenzt hat (vgl BT-Drucks 17/3404, S 94), können keine Rückschlüsse für die Bewertung der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt gezogen werden (vgl zum so genannten Verteilzeitraum nur Urteil des Senats vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32). Ergänzend zu den Einkünften des Klägers aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 1136,57 Euro (Januar/Februar 2011) und 1203,44 Euro (März 2011) ist durchgängig das Kindergeld für drei Kinder in Höhe von monatlich 558 Euro und das Elterngeld in Höhe von 300 Euro einzubeziehen. Das Wohngeld bleibt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts unberücksichtigt, weil es nicht gleichzeitig mit dem Alg II bezogen werden kann (§ 7 Abs 1 Nr 1 WoGG; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 6a BKGG RdNr 120, Stand 4/2014). Es ergeben sich Einkünfte der gesamten Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1994,57 Euro (Januar/Februar 2011) bzw 2061,44 Euro (März 2011), die über dem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1906,12 Euro liegen.

48

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass

1.
sie zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist,
2.
die Ausübung der Arbeit die künftige Ausübung der bisherigen überwiegenden Arbeit wesentlich erschweren würde, weil die bisherige Tätigkeit besondere körperliche Anforderungen stellt,
3.
die Ausübung der Arbeit die Erziehung ihres Kindes oder des Kindes ihrer Partnerin oder ihres Partners gefährden würde; die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit die Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches oder auf sonstige Weise sichergestellt ist; die zuständigen kommunalen Träger sollen darauf hinwirken, dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird,
4.
die Ausübung der Arbeit mit der Pflege einer oder eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann,
5.
der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht.

(2) Eine Arbeit ist nicht allein deshalb unzumutbar, weil

1.
sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit entspricht, für die die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person ausgebildet ist oder die früher ausgeübt wurde,
2.
sie im Hinblick auf die Ausbildung der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person als geringerwertig anzusehen ist,
3.
der Beschäftigungsort vom Wohnort der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person weiter entfernt ist als ein früherer Beschäftigungs- oder Ausbildungsort,
4.
die Arbeitsbedingungen ungünstiger sind als bei den bisherigen Beschäftigungen der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person,
5.
sie mit der Beendigung einer Erwerbstätigkeit verbunden ist, es sei denn, es liegen begründete Anhaltspunkte vor, dass durch die bisherige Tätigkeit künftig die Hilfebedürftigkeit beendet werden kann.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für die Teilnahme an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit entsprechend.

(1) Personen erhalten für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn

1.
sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 haben,
2.
sie mit Ausnahme des Wohngeldes, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags über Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in Höhe von mindestens 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von mindestens 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nicht abzusetzen sind, und
3.
bei Bezug des Kinderzuschlags keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch besteht, wobei die Bedarfe nach § 28 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch außer Betracht bleiben. Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit ist das für den Antragsmonat bewilligte Wohngeld zu berücksichtigen. Wird kein Wohngeld bezogen und könnte mit Wohngeld und Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit vermieden werden, ist bei der Prüfung Wohngeld in der Höhe anzusetzen, in der es voraussichtlich für den Antragsmonat zu bewilligen wäre.

(1a) Ein Anspruch auf Kinderzuschlag besteht abweichend von Absatz 1 Nummer 3, wenn

1.
bei Bezug von Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit besteht, der Bedarfsgemeinschaft zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit aber mit ihrem Einkommen, dem Kinderzuschlag und dem Wohngeld höchstens 100 Euro fehlen,
2.
sich bei der Ermittlung des Einkommens der Eltern nach § 11b Absatz 2 bis 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch wegen Einkommen aus Erwerbstätigkeit Absetzbeträge in Höhe von mindestens 100 Euro ergeben und
3.
kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem Zweiten oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erhält oder beantragt hat.

(2) Der monatliche Höchstbetrag des Kinderzuschlags deckt zusammen mit dem für ein erstes Kind nach § 66 des Einkommensteuergesetzes zu zahlenden Kindergeld ein Zwölftel des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums eines Kindes für das jeweilige Kalenderjahr mit Ausnahme des Anteils für Bildung und Teilhabe. Steht dieses Existenzminimum eines Kindes zu Beginn eines Jahres nicht fest, ist insoweit der für das Jahr geltende Betrag für den Mindestunterhalt eines Kindes in der zweiten Altersstufe nach der Mindestunterhaltsverordnung maßgeblich. Als Höchstbetrag des Kinderzuschlags in dem jeweiligen Kalenderjahr gilt der Betrag, der sich zu Beginn des Jahres nach den Sätzen 1 und 2 ergibt, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe des Vorjahres. Der Betrag nach Satz 3 erhöht sich ab 1. Juli 2022 um einen Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro.

(3) Ausgehend vom Höchstbetrag mindert sich der jeweilige Kinderzuschlag, wenn das Kind nach den §§ 11 bis 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen hat. Bei der Berücksichtigung des Einkommens bleiben das Wohngeld, das Kindergeld und der Kinderzuschlag außer Betracht. Der Kinderzuschlag wird um 45 Prozent des zu berücksichtigenden Einkommens des Kindes monatlich gemindert. Ein Anspruch auf Zahlung des Kinderzuschlags für ein Kind besteht nicht, wenn zumutbare Anstrengungen unterlassen wurden, Ansprüche auf Einkommen des Kindes geltend zu machen. § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Vermögen nur berücksichtigt wird, wenn es erheblich ist. Ist das zu berücksichtigende Vermögen höher als der nach den Sätzen 1 bis 5 verbleibende monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, so dass es den Kinderzuschlag für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums vollständig mindert, entfällt der Anspruch auf Kinderzuschlag. Ist das zu berücksichtigende Vermögen niedriger als der monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, ist der Kinderzuschlag im ersten Monat des Bewilligungszeitraums um einen Betrag in Höhe des zu berücksichtigenden Vermögens zu mindern und ab dem folgenden Monat Kinderzuschlag ohne Minderung wegen des Vermögens zu zahlen.

(4) Die Summe der einzelnen Kinderzuschläge nach den Absätzen 2 und 3 bildet den Gesamtkinderzuschlag.

(5) Der Gesamtkinderzuschlag wird in voller Höhe gewährt, wenn das nach den §§ 11 bis 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kinderzuschlags zu berücksichtigende Einkommen der Eltern einen Betrag in Höhe der bei der Berechnung des Bürgergeldes zu berücksichtigenden Bedarfe der Eltern (Gesamtbedarf der Eltern) nicht übersteigt und kein zu berücksichtigendes Vermögen der Eltern nach § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vorhanden ist. Als Einkommen oder Vermögen der Eltern gilt dabei dasjenige der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft mit Ausnahme des Einkommens oder Vermögens der in dem Haushalt lebenden Kinder. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Zur Feststellung des Gesamtbedarfs der Eltern sind die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in dem Verhältnis aufzuteilen, das sich aus den im 12. Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern festgestellten entsprechenden Bedarfen für Alleinstehende, Ehepaare, Lebenspartnerschaften und Kinder ergibt.

(6) Der Gesamtkinderzuschlag wird um das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern gemindert, soweit es deren Bedarf übersteigt. Wenn das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern nicht nur aus Erwerbseinkünften besteht, ist davon auszugehen, dass die Überschreitung des Gesamtbedarfs der Eltern durch die Erwerbseinkünfte verursacht wird, wenn nicht die Summe der anderen Einkommensteile für sich genommen diesen maßgebenden Betrag übersteigt. Der Gesamtkinderzuschlag wird um 45 Prozent des Betrags, um den die monatlichen Erwerbseinkünfte den maßgebenden Betrag übersteigen, monatlich gemindert. Anderes Einkommen oder Vermögen der Eltern mindern den Gesamtkinderzuschlag in voller Höhe. Bei der Berücksichtigung des Vermögens gilt Absatz 3 Satz 6 und 7 entsprechend.

(7) Über den Gesamtkinderzuschlag ist jeweils für sechs Monate zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum beginnt mit dem Monat, in dem der Antrag gestellt wird, jedoch frühestens nach Ende eines laufenden Bewilligungszeitraums. Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen während des laufenden Bewilligungszeitraums sind abweichend von § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch nicht zu berücksichtigen, es sei denn, die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft oder der Höchstbetrag des Kinderzuschlags ändert sich. Wird ein neuer Antrag gestellt, unverzüglich nachdem der Verwaltungsakt nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch wegen einer Änderung der Bedarfsgemeinschaft aufgehoben worden ist, so beginnt ein neuer Bewilligungszeitraum unmittelbar nach dem Monat, in dem sich die Bedarfsgemeinschaft geändert hat.

(8) Für die Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens ist der Durchschnitt des Einkommens aus den sechs Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich. Bei Personen, die den selbst genutzten Wohnraum mieten, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die laufenden Bedarfe für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Bei Personen, die an dem selbst genutzten Wohnraum Eigentum haben, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die Bedarfe aus den durchschnittlichen Monatswerten des Kalenderjahres vor Beginn des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Liegen die entsprechenden Monatswerte für den Wohnraum nicht vor, soll abweichend von Satz 3 ein Durchschnitt aus den letzten vorliegenden Monatswerten für den Wohnraum zugrunde gelegt werden, nicht jedoch aus mehr als zwölf Monatswerten. Im Übrigen sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich.

(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen müssen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen. Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person muss aktiv an allen Maßnahmen zu ihrer Eingliederung in Arbeit mitwirken, insbesondere einen Kooperationsplan abschließen. Im Rahmen der vorrangigen Selbsthilfe und Eigenverantwortung sollen erwerbsfähige leistungsberechtigte Personen eigene Potenziale nutzen und Leistungen anderer Träger in Anspruch nehmen.

(2) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen haben in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte müssen ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen einsetzen.

(1) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit können erbracht werden, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Eingliederung erforderlich sind. Bei den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sind zu berücksichtigen

1.
die Eignung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die individuelle Lebenssituation der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, insbesondere ihre familiäre Situation,
3.
die voraussichtliche Dauer der Hilfebedürftigkeit der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und
4.
die Dauerhaftigkeit der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten.
Vorrangig sollen Leistungen erbracht werden, die die unmittelbare Aufnahme einer Ausbildung oder Erwerbstätigkeit ermöglichen, es sei denn, eine andere Leistung ist für die dauerhafte Eingliederung erforderlich. Von der Erforderlichkeit für die dauerhafte Eingliederung ist insbesondere auszugehen, wenn leistungsberechtigte Personen ohne Berufsabschluss Leistungen zur Unterstützung der Aufnahme einer Ausbildung nach diesem Buch, dem Dritten Buch oder auf anderer rechtlicher Grundlage erhalten oder an einer nach § 16 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 in Verbindung mit § 81 des Dritten Buches zu fördernden beruflichen Weiterbildung teilnehmen oder voraussichtlich teilnehmen werden. Die Verpflichtung zur vorrangigen Aufnahme einer Ausbildung oder Erwerbstätigkeit gilt nicht im Verhältnis zur Förderung von Existenzgründungen mit einem Einstiegsgeld für eine selbständige Erwerbstätigkeit nach § 16b.

(2) Bei der Beantragung von Leistungen nach diesem Buch sollen unverzüglich Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem Ersten Abschnitt des Dritten Kapitels erbracht werden.

(3) Bei der Erbringung von Leistungen nach dem Ersten Abschnitt des Dritten Kapitels sind die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten.

(4) Die Agentur für Arbeit hat darauf hinzuwirken, dass erwerbsfähige teilnahmeberechtigte Leistungsberechtigte, die

1.
nicht über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügen, vorrangig an einem Integrationskurs nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes teilnehmen, oder
2.
darüber hinaus notwendige berufsbezogene Sprachkenntnisse benötigen, vorrangig an der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes teilnehmen.
Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 ist die Teilnahme am Integrationskurs nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes oder an der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a des Aufenthaltsgesetzes in der Regel für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich. Für die Teilnahmeberechtigung, die Verpflichtung zur Teilnahme und die Zugangsvoraussetzungen gelten die §§ 44, 44a und 45a des Aufenthaltsgesetzes sowie des § 9 Absatz 1 Satz 1 des Bundesvertriebenengesetzes in Verbindung mit der Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler und der Verordnung über die berufsbezogene Deutschsprachförderung.

(5) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dürfen nur erbracht werden, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann. Die nach diesem Buch vorgesehenen Leistungen decken den Bedarf der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und der mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

Leistungsberechtigte sind verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Abweichend von Satz 1 sind Leistungsberechtigte nicht verpflichtet,

1.
bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen oder
2.
Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz oder Kinderzuschlag nach dem Bundeskindergeldgesetz in Anspruch zu nehmen, wenn dadurch nicht die Hilfebedürftigkeit aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens drei Monaten beseitigt würde.
Für die Zeit vom 1. Januar 2023 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2026 findet Satz 2 Nummer 1 mit der Maßgabe Anwendung, dass Leistungsberechtigte nicht verpflichtet sind, eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen.

(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.

(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.

(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.

(3) Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.

(4) Lebt eine Person bei ihren Eltern oder einem Elternteil und ist sie schwanger oder betreut ihr leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, werden Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.

(5) Ist den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten und sind Leistungen erbracht worden, haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.

(6) Der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld steht, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.

(1) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen bleiben bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt.

(2) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen dürfen bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(3) Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, bleibt das Elterngeld nur bis zur Hälfte des Anrechnungsfreibetrags, der nach Abzug der anderen nach Absatz 1 nicht zu berücksichtigenden Einnahmen für das Elterngeld verbleibt, als Einkommen unberücksichtigt und darf nur bis zu dieser Höhe nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(4) Die nach den Absätzen 1 bis 3 nicht zu berücksichtigenden oder nicht heranzuziehenden Beträge vervielfachen sich bei Mehrlingsgeburten mit der Zahl der geborenen Kinder.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bei den in Satz 1 bezeichneten Leistungen bleiben das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf das Elterngeld angerechneten Einnahmen in Höhe des nach § 2 Absatz 1 berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, verringern sich die Beträge nach Satz 2 um die Hälfte. Abweichend von Satz 2 bleibt Mutterschaftsgeld gemäß § 19 des Mutterschutzgesetzes in voller Höhe unberücksichtigt.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend, soweit für eine Sozialleistung ein Kostenbeitrag erhoben werden kann, der einkommensabhängig ist.

(1) Personen erhalten für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn

1.
sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 haben,
2.
sie mit Ausnahme des Wohngeldes, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags über Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in Höhe von mindestens 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von mindestens 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nicht abzusetzen sind, und
3.
bei Bezug des Kinderzuschlags keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch besteht, wobei die Bedarfe nach § 28 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch außer Betracht bleiben. Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit ist das für den Antragsmonat bewilligte Wohngeld zu berücksichtigen. Wird kein Wohngeld bezogen und könnte mit Wohngeld und Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit vermieden werden, ist bei der Prüfung Wohngeld in der Höhe anzusetzen, in der es voraussichtlich für den Antragsmonat zu bewilligen wäre.

(1a) Ein Anspruch auf Kinderzuschlag besteht abweichend von Absatz 1 Nummer 3, wenn

1.
bei Bezug von Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit besteht, der Bedarfsgemeinschaft zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit aber mit ihrem Einkommen, dem Kinderzuschlag und dem Wohngeld höchstens 100 Euro fehlen,
2.
sich bei der Ermittlung des Einkommens der Eltern nach § 11b Absatz 2 bis 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch wegen Einkommen aus Erwerbstätigkeit Absetzbeträge in Höhe von mindestens 100 Euro ergeben und
3.
kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem Zweiten oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erhält oder beantragt hat.

(2) Der monatliche Höchstbetrag des Kinderzuschlags deckt zusammen mit dem für ein erstes Kind nach § 66 des Einkommensteuergesetzes zu zahlenden Kindergeld ein Zwölftel des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums eines Kindes für das jeweilige Kalenderjahr mit Ausnahme des Anteils für Bildung und Teilhabe. Steht dieses Existenzminimum eines Kindes zu Beginn eines Jahres nicht fest, ist insoweit der für das Jahr geltende Betrag für den Mindestunterhalt eines Kindes in der zweiten Altersstufe nach der Mindestunterhaltsverordnung maßgeblich. Als Höchstbetrag des Kinderzuschlags in dem jeweiligen Kalenderjahr gilt der Betrag, der sich zu Beginn des Jahres nach den Sätzen 1 und 2 ergibt, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe des Vorjahres. Der Betrag nach Satz 3 erhöht sich ab 1. Juli 2022 um einen Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro.

(3) Ausgehend vom Höchstbetrag mindert sich der jeweilige Kinderzuschlag, wenn das Kind nach den §§ 11 bis 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen hat. Bei der Berücksichtigung des Einkommens bleiben das Wohngeld, das Kindergeld und der Kinderzuschlag außer Betracht. Der Kinderzuschlag wird um 45 Prozent des zu berücksichtigenden Einkommens des Kindes monatlich gemindert. Ein Anspruch auf Zahlung des Kinderzuschlags für ein Kind besteht nicht, wenn zumutbare Anstrengungen unterlassen wurden, Ansprüche auf Einkommen des Kindes geltend zu machen. § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Vermögen nur berücksichtigt wird, wenn es erheblich ist. Ist das zu berücksichtigende Vermögen höher als der nach den Sätzen 1 bis 5 verbleibende monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, so dass es den Kinderzuschlag für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums vollständig mindert, entfällt der Anspruch auf Kinderzuschlag. Ist das zu berücksichtigende Vermögen niedriger als der monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, ist der Kinderzuschlag im ersten Monat des Bewilligungszeitraums um einen Betrag in Höhe des zu berücksichtigenden Vermögens zu mindern und ab dem folgenden Monat Kinderzuschlag ohne Minderung wegen des Vermögens zu zahlen.

(4) Die Summe der einzelnen Kinderzuschläge nach den Absätzen 2 und 3 bildet den Gesamtkinderzuschlag.

(5) Der Gesamtkinderzuschlag wird in voller Höhe gewährt, wenn das nach den §§ 11 bis 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kinderzuschlags zu berücksichtigende Einkommen der Eltern einen Betrag in Höhe der bei der Berechnung des Bürgergeldes zu berücksichtigenden Bedarfe der Eltern (Gesamtbedarf der Eltern) nicht übersteigt und kein zu berücksichtigendes Vermögen der Eltern nach § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vorhanden ist. Als Einkommen oder Vermögen der Eltern gilt dabei dasjenige der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft mit Ausnahme des Einkommens oder Vermögens der in dem Haushalt lebenden Kinder. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Zur Feststellung des Gesamtbedarfs der Eltern sind die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in dem Verhältnis aufzuteilen, das sich aus den im 12. Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern festgestellten entsprechenden Bedarfen für Alleinstehende, Ehepaare, Lebenspartnerschaften und Kinder ergibt.

(6) Der Gesamtkinderzuschlag wird um das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern gemindert, soweit es deren Bedarf übersteigt. Wenn das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern nicht nur aus Erwerbseinkünften besteht, ist davon auszugehen, dass die Überschreitung des Gesamtbedarfs der Eltern durch die Erwerbseinkünfte verursacht wird, wenn nicht die Summe der anderen Einkommensteile für sich genommen diesen maßgebenden Betrag übersteigt. Der Gesamtkinderzuschlag wird um 45 Prozent des Betrags, um den die monatlichen Erwerbseinkünfte den maßgebenden Betrag übersteigen, monatlich gemindert. Anderes Einkommen oder Vermögen der Eltern mindern den Gesamtkinderzuschlag in voller Höhe. Bei der Berücksichtigung des Vermögens gilt Absatz 3 Satz 6 und 7 entsprechend.

(7) Über den Gesamtkinderzuschlag ist jeweils für sechs Monate zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum beginnt mit dem Monat, in dem der Antrag gestellt wird, jedoch frühestens nach Ende eines laufenden Bewilligungszeitraums. Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen während des laufenden Bewilligungszeitraums sind abweichend von § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch nicht zu berücksichtigen, es sei denn, die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft oder der Höchstbetrag des Kinderzuschlags ändert sich. Wird ein neuer Antrag gestellt, unverzüglich nachdem der Verwaltungsakt nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch wegen einer Änderung der Bedarfsgemeinschaft aufgehoben worden ist, so beginnt ein neuer Bewilligungszeitraum unmittelbar nach dem Monat, in dem sich die Bedarfsgemeinschaft geändert hat.

(8) Für die Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens ist der Durchschnitt des Einkommens aus den sechs Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich. Bei Personen, die den selbst genutzten Wohnraum mieten, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die laufenden Bedarfe für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Bei Personen, die an dem selbst genutzten Wohnraum Eigentum haben, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die Bedarfe aus den durchschnittlichen Monatswerten des Kalenderjahres vor Beginn des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Liegen die entsprechenden Monatswerte für den Wohnraum nicht vor, soll abweichend von Satz 3 ein Durchschnitt aus den letzten vorliegenden Monatswerten für den Wohnraum zugrunde gelegt werden, nicht jedoch aus mehr als zwölf Monatswerten. Im Übrigen sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich.

Auf individuelle Ausbildungsförderung besteht für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung ein Rechtsanspruch nach Maßgabe dieses Gesetzes, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen.

(1) Ausbildungsförderung wird für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet (Bedarf).

(2) Auf den Bedarf sind nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Einkommen und Vermögen des Auszubildenden sowie Einkommen seines Ehegatten oder Lebenspartners und seiner Eltern in dieser Reihenfolge anzurechnen; die Anrechnung erfolgt zunächst auf den nach § 17 Absatz 2 Satz 1 als Zuschuss und Darlehen, dann auf den nach § 17 Absatz 3 als Darlehen und anschließend auf den nach § 17 Absatz 1 als Zuschuss zu leistenden Teil des Bedarfs. Als Ehegatte oder Lebenspartner im Sinne dieses Gesetzes gilt der nicht dauernd Getrenntlebende, sofern dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.

(2a) Einkommen der Eltern bleibt außer Betracht, wenn ihr Aufenthaltsort nicht bekannt ist oder sie rechtlich oder tatsächlich gehindert sind, im Inland Unterhalt zu leisten.

(3) Einkommen der Eltern bleibt ferner außer Betracht, wenn der Auszubildende

1.
ein Abendgymnasium oder Kolleg besucht,
2.
bei Beginn des Ausbildungsabschnitts das 30. Lebensjahr vollendet hat,
3.
bei Beginn des Ausbildungsabschnitts nach Vollendung des 18. Lebensjahres fünf Jahre erwerbstätig war oder
4.
bei Beginn des Ausbildungsabschnitts nach Abschluss einer vorhergehenden, zumindest dreijährigen berufsqualifizierenden Ausbildung drei Jahre oder im Falle einer kürzeren Ausbildung entsprechend länger erwerbstätig war.
Satz 1 Nummer 3 und 4 gilt nur, wenn der Auszubildende in den Jahren seiner Erwerbstätigkeit in der Lage war, sich aus deren Ertrag selbst zu unterhalten.

(4) Ist Einkommen des Ehegatten oder Lebenspartners, der Eltern oder eines Elternteils außer auf den Bedarf des Antragstellers auch auf den anderer Auszubildender anzurechnen, die in einer Ausbildung stehen, die nach diesem Gesetz oder nach § 56 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gefördert werden kann, so wird es zu gleichen Teilen angerechnet. Dabei sind auch die Kinder des Einkommensbeziehers zu berücksichtigen, die Ausbildungsförderung ohne Anrechnung des Einkommens der Eltern erhalten können und nicht ein Abendgymnasium oder Kolleg besuchen oder bei Beginn der Ausbildung das 30. Lebensjahr vollendet haben. Nicht zu berücksichtigen sind Auszubildende, die eine Universität der Bundeswehr oder Verwaltungsfachhochschule besuchen, sofern diese als Beschäftigte im öffentlichen Dienst Anwärterbezüge oder ähnliche Leistungen aus öffentlichen Mitteln erhalten.

(1) Das Wohngeld dient der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens.

(2) Das Wohngeld wird als Zuschuss zur Miete (Mietzuschuss) oder zur Belastung (Lastenzuschuss) für den selbst genutzten Wohnraum geleistet.

(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.

(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch

a)
eine unmittelbare Kriegseinwirkung,
b)
eine Kriegsgefangenschaft,
c)
eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit,
d)
eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist,
e)
einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 durchzuführen oder um auf Verlangen eines zuständigen Leistungsträgers oder eines Gerichts wegen der Schädigung persönlich zu erscheinen,
f)
einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet.

(3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.

(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch auf Kinderzuschlag für die Monate Januar bis März 2011.

2

Die Beklagte bewilligte dem Kläger, der ein Erwerbseinkommen erzielte, unter Berücksichtigung seiner Kinder T (geb 2000), M (geb 2007) und N (geb 2010) in den Monaten April 2010 bis Dezember 2010 jeweils einen Kinderzuschlag in einer Gesamthöhe von 330 Euro monatlich. Seinen Weiterbewilligungsantrag vom 17.12.2010 lehnte sie ab: Unter Berücksichtigung des an die Ehefrau des Klägers geleisteten Elterngeldes, welches nach der Novelle des Elterngeldgesetzes ab Januar 2011 anzurechnen sei, könne keine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II eintreten (Bescheid vom 22.12.2010; Widerspruchsbescheid vom 28.2.2011). Nach Beendigung des Elterngeldbezugs wurde der Kinderzuschlag erneut ab 1.4.2011 geleistet.

3

Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid vom 21.1.2013 zurückgewiesen (Urteil vom 22.10.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Kinderzuschlag scheitere daran, dass das anrechenbare Einkommen des Klägers und der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen den maßgeblichen Bedarf übersteige. Die Bewilligung eines Kinderzuschlags könne unabhängig von seiner konkreten Höhe und Berechnung nicht dazu führen, dass eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II vermieden werde. Es seien die laufenden Einkünfte des Klägers aus seiner Beschäftigung bei der Firma Möbel B (1706 Euro jeweils im Januar/Februar 2011; 1806 Euro im März 2011) und das an die Ehefrau bis einschließlich März 2011 erbrachte Elterngeld in Höhe von 300 Euro, von dem die Versicherungspauschale abzusetzen sei, zu berücksichtigen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anrechnung des Elterngeldes durch die zum 1.1.2011 in Kraft getretene Neuregelung des § 10 Abs 5 S 1 BEEG bestünden nicht. Dies folge aus den Entscheidungen des BVerfG vom 11.3.2011 zur Anrechnung des Kindergeldes (1 BvR 3163/09) und vom 20.4.2011 zur Stichtagsregelung beim Elterngeld (1 BvR 1811/08). Von dem Erwerbseinkommen des Klägers seien neben den bereits vom Arbeitgeber abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen der Erwerbstätigen- und der Grundfreibetrag in Abzug zu bringen. Es ergebe sich ein anrechenbarer Betrag von 1033,83 Euro (Januar/Februar 2011) bzw 1100,70 Euro (März 2011). Hinzuzurechnen sei monatlich der zwölfte Teil des anteiligen Weihnachtsgeldes. Hiervon entfalle auf die Monate Januar bis März 2011 jeweils ein Betrag in Höhe von 102,74 Euro, sodass für Januar/Februar 2011 je 1136,57 Euro und im März 2011 1203,44 Euro als Gesamteinkünfte der Bedarfsgemeinschaft zugrunde zu legen seien. Hinzu komme - je Monat - das Kindergeld und das Wohngeld. Es ergebe sich ein anrechenbares Einkommen im Januar/Februar 2011 von jeweils 2119,57 Euro und im März 2011 von 2186,44 Euro. Der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft errechne sich aus den Regelleistungen für die Eheleute von jeweils 328 Euro, dem Sozialgeld für T in Höhe von 251 Euro sowie für M und N in Höhe von jeweils 215 Euro. Zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 569,12 Euro monatlich bestehe ein unterhalb des anrechenbaren Einkommens liegender Gesamtbedarf in den Monaten von Januar bis März 2011 von jeweils 1906,12 Euro.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger einen Verstoß des § 10 Abs 5 Bundeselterngeld und -Elternzeitgesetz (BEEG) gegen Art 2 Abs 1 GG, den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG und das Sozialstaatsprinzip. Bei der Familienleistung des Elterngeldes differenziere der Gesetzgeber zwischen den Eltern und schließe die ärmsten Eltern und deren Kinder von einer Förderung aus, ohne dass ein rechtfertigender Grund ersichtlich sei. Unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der Erziehungspersonen werde das Elterngeld stets mindestens in Höhe von 300 Euro gezahlt; es entfalle erst bei einem Jahreseinkommen von mehr als 250 000/500 000 Euro. Der Sockelbetrag des Elterngeldes sei daher keine Entgeltersatzleistung und keine solche zum Lebensunterhalt; er solle die Anerkennung für die Erziehungs- und Betreuungsleistung von Eltern zum Ausdruck bringen und einen Schonraum in der Frühphase der Elternschaft ohne größere finanzielle Nöte schaffen. Zwischen den Erziehungspersonen mit und ohne Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II/SGB XII bzw auf den Kinderzuschlag bestünden keine, die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Unterschiede im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG. Soweit der Gesetzgeber haushaltspolitische Gründe anführe, sei nicht ersichtlich, warum das Elterngeld gerade bei denjenigen faktisch entfalle, die es am meisten bräuchten. Der Gesetzgeber müsse begründen, warum er armen Eltern den Schonraum für eine Erziehung in der Anfangszeit verwehre. Auch der Vergleich mit anderen, zuvor gleichfalls nicht erwerbstätigen Beziehern anderer Sozialleistungen mache die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung deutlich. Über die wirtschaftliche Belastung der Eltern wirke sich die Differenzierung auch auf die betreuten Kinder aus.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22.10.2013 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 21.1.2013 aufzuheben sowie den Bescheid vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.2.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Monate Januar bis März 2011 Kinderzuschlag in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zur Recht zurückgewiesen, weil er in dem streitigen Zeitraum von Januar bis März 2011 keinen Kinderzuschlag beanspruchen kann.

9

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.2.2011, mit dem die Beklagte für den hier streitigen Zeitraum von Januar 2011 bis März 2011 (Zeitraum des Elterngeldbezugs in Höhe von 300 Euro durch die Ehefrau des Klägers) die Leistung eines Kinderzuschlags abgelehnt hat. Gegen diese Bescheide wendet sich der Kläger zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG, § 56 SGG).

10

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in der hier mit Wirkung zum 1.1.2011 in Kraft getretenen Normfassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII vom 24.3.2011 (BGBl I 453; im Folgenden: § 6a BKGG aF).

11

Nach § 6a Abs 1 BKGG aF erhalten Personen nach dem BKGG für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn 1. sie für diese Kinder nach dem BKGG oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen iS von § 4 BKGG haben, 2. sie mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kindergeldes über Einkommen iS von § 11 Abs 1 S 1 SGB II in Höhe von 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b SGB II nicht abzusetzen sind (sog "Mindesteinkommensgrenze"), 3. sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen iS der §§ 11 bis 12 SGB II verfügen, das höchstens dem nach § 6a Abs 4 S 1 BKGG für sie maßgebenden Betrag zuzüglich dem Gesamtkinderzuschlag nach § 6a Abs 2 BKGG entspricht ("Höchsteinkommensgrenze") und 4. durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird.

12

Das LSG ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass - unbesehen der konkreten Höhe des Kinderzuschlags, dessen Berechnung es nicht bedarf - schon die Anspruchsvoraussetzung des § 6a Abs 1 Nr 4 S 1 BKGG aF nicht erfüllt ist, dass durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird. Diese Anspruchsvoraussetzung beinhaltet die Prüfung, ob ohne die Zahlung des Kinderzuschlags Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II gegeben wäre (Kühl in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 6a BKGG RdNr 45). Ob durch die Bewilligung eines Kinderzuschlags im Sinne eines kausalen Zusammenhangs eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II vermieden werden kann, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung des anrechenbaren Einkommens und Vermögens und der Bedarfe sämtlicher Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 6a BKGG RdNr 120, Stand 4/2014). Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das an die Ehefrau des Klägers in den Monaten Januar bis März 2011 gezahlte Elterngeld in Höhe von 300 Euro (Mindestelterngeld) als bedarfsminderndes Einkommen bei der Prüfung einer Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu berücksichtigen ist (s hierzu 3.). Dies führt im Ergebnis dazu, dass das anrechenbare Einkommen der Bedarfsgemeinschaft deren Gesamtbedarf übersteigt (s zur Berechnung im Einzelnen unter 6.). Die notwendige Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs 5 S 1 BEEG kann sich der Senat nicht bilden(s hierzu 4.), insbesondere auch nicht bezogen auf einen möglichen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG (s hierzu 5.).

13

3. a) Nach Maßgabe der einfachgesetzlichen Vorschriften mindert das Elterngeld als Einkommen der Ehefrau des Klägers die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft iS des § 6a Abs 1 Nr 4 BKGG aF iVm § 11 SGB II.

14

Zu der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit nach § 6a Abs 1 Nr 4 BKGG aF haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits entschieden, dass auf den Begriff des Einkommens und des Vermögens nach den §§ 11 bis 13 SGB II abzustellen ist. Insbesondere die gesetzliche Zielsetzung, das Aufeinander-Bezogen-Sein und der wechselseitige Ausschluss der Leistungssysteme nach dem SGB II und nach § 6a BKGG sprechen für eine Parallelität der Rechtsanwendung(vgl BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 13 ff; BSG Urteil vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 69 RdNr 14).

15

Nach § 11 Abs 1 S 1 SGB II in der hier maßgeblichen bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung (des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 zuletzt geändert durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 9.12.2010 im Folgenden: § 11 SGB II aF)sind als Einkommen die Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an Körper und Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG zu berücksichtigen.

16

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass das an die Ehefrau des Klägers in den Monaten Januar bis März 2011 erbrachte Elterngeld in Höhe von 300 Euro als Einkommen anzurechnen ist.

17

b) Zwar sah § 10 Abs 1 BEEG in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006 (BGBl I 2748) vor, dass das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 BEEG auf das Elterngeld angerechneten Leistungen bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt blieben. Dies galt auch bei Bezug von Leistungen der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitsuchende (BT-Drucks 16/1889, S 26). Entsprechend bestimmte § 11 Abs 3a SGB II idF des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006 (BGBl I 2748) als Ausnahmeregelung zur Einkommensanrechnung klarstellend, dass abweichend von § 11 Abs 1 bis 3 SGB II derjenige Teil des Elterngeldes, der die nach § 10 BEEG anrechnungsfreien Beträge überstieg, in voller Höhe zu berücksichtigen war. Mit Wirkung zum 1.1.2011 ist jedoch durch Art 14 Nr 4 HBeglG 2011 vom 9.12.2010 die Vorschrift des § 10 Abs 5 BEEG(BGBl I 1885) eingefügt worden. § 10 Abs 5 S 1 BEEG bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass die Regelung des § 10 Abs 1 BEEG, nach der das Elterngeld bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt bleibt, nicht bei Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und für den Kinderzuschlag nach § 6a BKGG gilt. Als Folgeregelung wurde § 11 Abs 3a SGB II aufgehoben(Art 15 Nr 2 HBeglG 2011).

18

Die Voraussetzungen der Rückausnahme des § 10 Abs 5 S 2 BEEG liegen hier nicht vor. Nach § 10 Abs 5 S 2 BEEG bleibt bei den Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und nach § 6a BKGG das Elterngeld in Höhe des nach § 2 Abs 1 BEEG berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Eine solche Fallgestaltung ist nicht gegeben, weil die Ehefrau des Klägers vor der Geburt kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielte.

19

c) Es kann dahinstehen, ob § 10 Abs 5 BEEG mit Wirkung zum 1.1.2011 eine abschließende (negative) Zweckbestimmung zur Verwendung des Elterngeldes zur Sicherung des Existenzminimums anordnet bzw eine anderweitige Zweckbestimmung hindert (vgl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11a RdNr 316, Stand 1/2015; Söhngen in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 11a RdNr 37). Jedenfalls ergeben sich aus den sonstigen Regelungen des BEEG und des SGB II keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Elterngeld um eine zweckgebundene Leistung im Sinne des SGB II handelte.

20

Nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II in der hier maßgeblichen Normfassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3.8.2010 ( im Folgenden: § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II aF)sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Entsprechend dem allgemeinen Grundsatz der Nachrangigkeit von SGB II-Leistungen soll die Vorschrift verhindern, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden (BSG Urteil vom 5.9.2007 - B 11b AS 15/06 R - BSGE 99, 47 = SozR 4-4200 § 11 Nr 5, RdNr 28; BSG Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 16/06 R - BSGE 99, 240 = SozR 4-4200 § 11 Nr 8, RdNr 16). Die Außerachtlassung von Einnahmen erfolgt nur unter engen Voraussetzungen, die ausdrücklich durch die besondere Zweckbestimmung der weiteren Einnahmen gerechtfertigt sein müssen.

21

Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate haben insofern gefordert, dass die Leistungen zu einem ausdrücklich genannten Verwendungszweck gewährt werden, der über den durch die Zahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II verfolgten Zweck der Sicherung des Lebensunterhalts hinausgeht. Eine solche Zweckbestimmung ist nach der hier maßgebenden Rechtslage bis zum 31.3.2011 in erster Linie dem Wortlaut der Regelungen, aber auch deren Systematik und Entstehungsgeschichte zu entnehmen (vgl ab 1.4.2011 die ausdrücklich formulierte Anforderung des § 11a Abs 3 SGB II: "Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen"). Einen abweichenden Verwendungszweck hat der Senat zB für die Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungs-förderungsgesetz (BAföG) angenommen, weil in den §§ 1, 11 Abs 1 BAföG als zwei neben-einander ausdrücklich genannten Zweckbestimmungen sowohl die Deckung des Lebensunterhalts während der Ausbildung als auch die Deckung der Kosten der Ausbildung genannt werden(BSG Urteil vom 17.3.2009 - B 14 AS 63/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 21 RdNr 24). Verneint wurde dies andererseits für das Ausbildungsgeld, weil sich weder in dem Wortlaut der Regelungen noch entstehungsgeschichtlich Anhaltspunkte dafür fanden, dass der Gesetzgeber mit dem Ausbildungsgeld eine besondere, über die Lebensunterhaltssicherung hinausgehende Zwecksetzung verfolgt hätte (BSG Urteil vom 16.6.2015 - B 4 AS 37/14 R -SozR 4-4200 § 27 Nr 2 RdNr 29 mwN).

22

Für das Elterngeld ist ein solcher konkreter Verwendungszweck nicht vorhanden (so auch Schmidt in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 11a RdNr 20). Der Ausgestaltung des BEEG und den in den Gesetzesmaterialien formulierten Vorstellungen des Gesetzgebers von der Funktion des Elterngeldes, insbesondere des Mindestelterngeldes, sind lediglich verschiedene Ziele des Elterngeldes zu entnehmen, die sich jedoch nicht zu einer eigenständigen Bestimmung eines konkreten Verwendungszwecks im Sinne des SGB II verdichtet haben. Eine gesetzgeberische Zweckbestimmung zur Verwendung des Mindestelterngeldes von 300 Euro im Sinne eines konkreten Verwendungszwecks, die als Differenzierungsverbot iS des Art 3 Abs 1 GG (vgl hierzu näher unter 5.) die generelle Herausnahme dieses Betrags aus dem Nachranggrundsatz erfordern könnte, hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen (so auch Frerichs in Sozialrecht aktuell 2011, 167, 170).

23

4. Die notwendige Überzeugung von einer Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs 5 S 1 BEEG(vgl zu den Voraussetzungen einer Vorlage nach Art 100 Abs 1 GG nur BVerfG Beschluss vom 4.6.2012 - 2 BvL 9/08 ua - BVerfGE 131, 88, 117 f; s auch BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 36 zu § 10 Abs 5 BEEG)kann sich der Senat - in der hier allein zu prüfenden Sachverhaltskonstellation einer Berücksichtigung (auch) des Mindestelterngeldes als anrechenbares Einkommen im Sinne des SGB II bzw des Kinderzuschlags bei vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätigen Eltern - nicht bilden (vgl zur verfassungsrechtlichen Prüfung des Gesetzes in seinen Auswirkungen auf den individuellen Sachverhalt nur BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 12 AL 3/11 R - SozR 4-4300 § 28a Nr 6; eine Verfassungswidrigkeit verneinend Frerichs, Sozialrecht aktuell 2011, 167; Mutschler in Tilmanns/Mutschler , MuSchG/BEEG, 1. Aufl 2015, § 10 BEEG RdNr 29 f; Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 10 RdNr 34 ff; aA Lenze, info also 2011, 3; verfassungsrechtliche Bedenken bei Dau, jurisPR-SozR 7/2013, Anm 5; Dau, jurisPR-SozR 2/2012 Anm 2; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11a RdNr 316, Stand 1/2015; Söhngen in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 11a RdNr 37).

24

a) Die Regelungen des BEEG, für das die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung zu bejahen ist, sind im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art 74 Abs 1 Nr 7 GG iVm Art 72 Abs 2 GG wirksam erlassen worden (BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 36 ff). Wie der 10. Senat des BSG bereits ausgeführt hat, ist der in Art 74 Abs 1 Nr 7 GG verwendete Begriff der öffentlichen Fürsorge in einem weiten Sinne zu verstehen (vgl BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 38 f). Die Orientierung an Bedarfslagen zeigt sich weiterhin an der Begünstigung von Geringverdienern und bei Mehrlingsgeburten (§ 2 Abs 6 BEEG), dem "Geschwisterbonus" sowie der Festlegung eines Höchstbetrags für das Elterngeld von 1800 Euro.

25

b) Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen (Art 20 Abs 3 iVm Art 2 Abs 1 GG). Jedenfalls in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation verstößt die Anwendung des § 10 Abs 5 S 1 BEEG nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsgebot des Art 20 Abs 3 GG abgeleitete Verbot einer unechten Rückwirkung. Zwar ist die Anfügung des § 10 Abs 5 S 1 BEEG durch das HBeglG 2011 nicht mit einer Übergangsregelung für laufende SGB II-Leistungen bzw den Kinderzuschlag verbunden gewesen. Dies betrifft jedoch nicht den zu entscheidenden Sachverhalt. Eine Rechtsposition, die durch den Vertrauensschutzgrundsatz gegen ihre im Hinblick auf die umfassende bedarfsmindernde Berücksichtigung des Elterngeldes nachträgliche Entwertung hätte geschützt werden können, ist erst mit der auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 17.12.2010 folgenden Feststellung eines Rechts auf Kinderzuschlag für die Zeit von Januar bis März 2011, also mit und nicht vor Inkrafttreten des HBeglG 2011, entstanden (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 39 f).

26

Zur unechten Rückwirkung im Fürsorgerecht hat das BVerfG - bezogen auf die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 1.1.2005 - bereits betont, dass eine unabhängig vom Bewilligungsakt bestehende Erwartung der Betroffenen, sie würden, den Fortbestand der jeweiligen Rechtslage vorausgesetzt, in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, mangels hinreichender Konkretisierung kein geschütztes Recht ist. Die Verfassung gewährt keinen Schutz vor einer nachteiligen Veränderung der geltenden Rechtslage. Ein schützenswertes Vertrauen auf die voraussichtliche Ausgestaltung bestimmter Vorschriften in der Zukunft existiert nicht (BVerfG Beschluss vom 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - BVerfGE 128, 90, 106; vgl auch BSG Urteil vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 10/06 R - BSGE 101, 217 = SozR 4-3500 § 133a Nr 1, RdNr 22; s auch Hessisches LSG Beschluss vom 1.8.2013 - L 6 AS 378/13 - FEVS 65, 323).

27

c) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG wird durch die vollständige Berücksichtigung des Elterngeldes bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II als Anspruchsvoraussetzung für den Kinderzuschlag nicht verletzt. Der Kläger und die Bedarfsgemeinschaft verfügen mit ihren Einkünften unter Einbeziehung des Elterngeldes im Ergebnis über ausreichende, den gesetzlichen Anforderungen nach dem SGB II zur Sicherung des Existenzminimums genügende Mittel (s hierzu näher unter 5.). Insofern gilt hinsichtlich der Höhe der auch beim Kinderzuschlag zu berücksichtigenden Existenzmittel nach dem SGB II, dass der Bedarf der betreuenden Elternteile und der Kinder durch die Regelbedarfe, ggf einschließlich des Bedarfs für Alleinerziehende, gesichert und dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet wird. Die vorübergehende Übernahme der Betreuung eines Kindes wird durch die der Existenzsicherung dienenden Systeme unterstützt, indem steuerfinanzierte Leistungen erbracht werden und gleichzeitig keine Erwerbstätigkeit zugemutet wird (BT-Drucks 17/3030, S 48; BR-Drucks 532/10, S 61). Zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums - im konkreten Fall ggf durch einen ergänzenden Kinderzuschlag - ist es daher nicht zwingend geboten, dass zumindest ein Teilbetrag des Elterngeldes in Höhe von 300 Euro anrechnungsfrei bleibt (LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 4.12.2014 - L 2 AS 1009/13 - juris RdNr 33 f - anhängig BSG - B 14 AS 28/15 R; Hessisches LSG Beschluss vom 1.8.2013 - L 6 AS 378/13 - juris RdNr 29; vgl auch BVerfG Beschluss vom 11.3.2010 - 1 BvR 3163/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 32 RdNr 7 zur Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen auf Leistungen nach dem SGB II; BVerfG Beschluss vom 24.10.1991 - 1 BvR 1159/91 - juris RdNr 11 zur Anrechnung des Zuschlags zum Kindergeld nach § 11a BKGG auf Sozialhilfeleistungen).

28

Soweit der Gesetzgeber mit der Einführung des Elterngeldes ab 1.1.2007 - begrenzt auf die Zeit bis zum 31.12.2010 - zunächst den Sockelbetrag in Höhe von 300 Euro als Einkommen auch bei den existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und bei dem Kinderzuschlag unberücksichtigt ließ, handelte es sich nicht um eine ergänzende kindbezogene Förderung im Sinne einer verfassungsrechtlich geforderten existenzsichernden Leistung für einkommensschwache Familien (vgl aber zu diesem Aspekt: Lenze in info also 2011, 3, 8). Dem Mindestelterngeld liegt - anders als den existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII - keine realitätsgerechte und schlüssige sachlich differenzierte Berechnung der ggf besonderen Bedarfe der Gruppe der Eltern zur Festlegung des Existenzminimums zugrunde. Es handelt sich um eine über die bloße Existenzsicherung hinausgehende Leistung, mit der verschiedene Zielsetzungen verfolgt werden. Eine sozialpolitisch ggf wünschenswerte Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes bzw des Mindestbetrages bei allen bedürftigkeits-abhängigen Leistungen lässt sich aus dem Sozialstaatsgebot aber nicht ableiten (Frerichs in Sozialrecht aktuell 2011, 167, 169).

29

Auch ergibt sich aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht, dass eine den steuerrechtlichen Begünstigungsvorschriften entsprechende Freistellung des Elterngeldes von der Anrechenbarkeit bei existenzsichernden Leistungen erfolgen muss. Zwar gehen die steuerrechtlichen Regelungen von einer einheitlichen Behandlung des Mindestelterngeldes und der darüber hinaus gewährten Beträge mit Bezug zum bisherigen Einkommen aus (BFH Beschluss vom 21.9.2009 - VI B 31/09 - BFHE 226, 329) und ist das Elterngeld nach § 3 Nr 67 EStG steuerfreies Einkommen. Steuerlich zu berücksichtigende Aufwendungen und bedürftigkeitsabhängige Sozialleistungen - gestaltet durch Anrechnungs- und Berücksichtigungsregelungen - können jedoch eine unterschiedliche Höhe erreichen, zumal Normen des Einkommensteuerrechts auch fördernden Charakter haben und familienpolitische Ziele beinhalten können (vgl BVerfG Beschluss vom 11.3.2010 - 1 BvR 3163/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 32 RdNr 7 mit Hinweis auf § 31 S 1 EStG zum Kindergeld).

30

5. Die Berücksichtigung des an die Ehefrau gezahlten Elterngeldes als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 GG.

31

a) Der allgemeine Gleichheitssatz ist hier als Prüfungsmaßstab heranzuziehen, weil Regelungsgegenstände betroffen sind, die nicht (allein) mit der Bemessung der existenzsichernden Leistungen an sich zusammenhängen. Zwar vermag Art 3 Abs 1 GG für die Bemessung des Existenzminimums keine weiteren Maßstäbe zu setzen, weil entscheidend allein ist, dass für jede individuell hilfebedürftige Person das Existenzminimum nach Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG ausreichend erfasst ist. Art 3 Abs 1 GG kann aber Prüfgegenstand bei Fallgestaltungen sein, in denen der Gesetzgeber im Ergebnis mehr Leistungen erbringt, als aus seiner Sicht zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums notwendig sind, zB indem er nur bei bestimmten Personengruppen Einnahmen als leistungsminderndes Einkommen nicht berücksichtigt oder anrechnungsfrei stellt (BVerfG Beschluss vom 7.7.2010 - 1 BvR 2556/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 33, RdNr 13; s auch BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 219; BVerfG Beschluss vom 11.7.2006 - 1 BvR 293/05 - BVerfGE 116, 229, 238 zur Anrechnung von Schmerzensgeld auf AsylbLG-Leistungen).

32

b) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen, aber auch gleichheitswidrige Begünstigungsausschlüsse (BVerfG Beschluss vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240, 252 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 40; BVerfG Beschluss vom 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49, 68), bei denen eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen aber vorenthalten wird (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - NZS 2011, 895).

33

Der hier vorliegende Begünstigungsausschluss bei der Einkommensanrechnung erfolgt in der Weise, dass die grundsätzliche Freistellung des Mindestelterngeldes von der Einkommensberücksichtigung bei Beziehern von Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkünften abhängig ist (§ 10 Abs 1 BEEG) für Elterngeld beziehende SGB II- und SGB XII-Leistungsberechtigte bzw einen Kinderzuschlag beanspruchende Eltern seit der Einfügung der Anrechnungsvorschrift des § 10 Abs 5 S 1 BEEG im Grundsatz nicht (mehr) gilt. Der Begünstigungsausschluss betrifft allerdings nicht sämtliche Eltern, sondern diejenigen - bis zu einer Höhe des am vorgeburtlichen Erwerbseinkommen orientierten Elterngeldes von insgesamt 300 Euro - nicht, bei denen Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes zu berücksichtigen ist (Rückausnahme des § 10 Abs 5 S 2 BEEG). Derartige Differenzierungen sind hinsichtlich ihrer Rechtfertigung am Gleichheitssatz zu messen.

34

Der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe ungleich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG Beschluss vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240, 253 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 40). Insofern ergeben sich hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den eine Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl BVerfG Beschluss vom 7.11.2006 - 1 BvL 10/02 - BVerfGE 117, 1, 30; BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400, 416 mwN; BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214; BVerfG Beschluss vom 26.3.2014 - 1 BvR 1133/12 - NZS 2014, 414). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl BVerfG Beschluss vom 26.1.1993 - 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92 - BVerfGE 88, 87, 96; BVerfG vom 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49, 69; vgl zum Prüfungsmaßstab bei einem möglichen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz auch Britz, NJW 2014, 346).

35

Insofern betrifft die Anrechenbarkeit des Elterngeldes auf die SGB II-Leistungen und damit auch auf den Kinderzuschlag bei vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätigen Berechtigten zugleich Art 6 Abs 1 und 2 GG in seiner Schutz- und Förderdimension, weil die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen unterstützt und gefördert werden soll. Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen in einzelnen Rechtsgebieten oder Teilsystemen, in denen der Familienlastenausgleich umzusetzen ist, können zwar nicht allein aus dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG hergeleitet werden. Dem Gesetzgeber steht eine Gestaltungsfreiheit bei der Entscheidung darüber zu, in welchem Umfang und in welcher Weise er die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich umsetzt (BVerfG Urteil vom 12.2.2003 - 1 BvR 624/01 - BVerfGE 107, 205, 215 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 36; BVerfG Beschluss vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412, 434; BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012 , 214; BVerfG Beschluss vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240, 254 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 38). Es ist aber im Kontext des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angesichts des verfassungsrechtlichen Auftrags zur Familienförderung rechtfertigungsbedürftig im Sinne einer strengeren Bindung des Gesetzgebers an den Maßstab der Verhältnismäßigkeit, warum eine bestimmte Gruppe von Elterngeldberechtigten von der begünstigenden Nichtanrechenbarkeit des Elterngeldes ausgenommen ist (Lenze info also 2011, 3, 5; BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - juris RdNr 6, 13).

36

c) Soweit die Ehefrau des Klägers hinsichtlich der Anrechnungsfreiheit des Mindestelterngeldes bei existenzsichernden Leistungen ungleich gegenüber der Vergleichsgruppe der SGB II- bzw Kinderzuschlags-Berechtigten behandelt wird, die vor der Geburt ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt haben, weil diese Leistungen ohne Anrechnung des Mindestbetrags in Höhe von bis zu 300 Euro erhalten würden, ist rechtfertigender Grund für eine unterschiedliche Behandlung die Erwerbstätigkeit der Elterngeldberechtigten vor der Geburt des Kindes unter gleichzeitiger Beachtung des Nachranggrundsatzes bei existenzsichernden Leistungen.

37

Für beide Gruppen von Elterngeldberechtigten gilt der zunächst für eine gleiche Behandlung sprechende Nachranggrundsatz des SGB II. Insofern konkretisiert § 2 Abs 2 S 1 SGB II den Grundsatz in der Weise, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen haben, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Mit den gesetzlichen Neuregelungen zum 1.1.2011 hat der Gesetzgeber zur Erfüllung des mit dem HBeglG 2011 verfolgten Gesetzeszwecks einer Konsolidierung der öffentlichen Haushalte (BT-Drucks 17/3030 S 1, 47) dem Nachranggrundsatz durch die grundsätzliche Anrechenbarkeit des Elterngeldes als Einkommen im SGB II, im SGB XII und beim Kinderzuschlag eine stärkere Geltung verschafft. Hieran war er nicht gehindert (s oben 4c). Nicht zu prüfen ist, ob der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung seines weiten Gestaltungsspielraums im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit (BVerfG Beschluss vom 10.11.1998 - 1 BvL 50/92 - BVerfGE 99, 165, 178; BVerfG Beschluss vom 29.10.2002 - 1 BvL 16/95, 1 BvL 17/95, 1 BvL 16/97 - BVerfGE 106, 166, 175 f) die gerechteste und zweckmäßigste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214; BVerfG Beschluss vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 51 BvR 593/08 - juris RdNr 31 , SGb 2011, 702; BVerfG Beschluss vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412, 436).

38

Trotz des grundsätzlich geltenden Nachranggrundsatzes bei existenzsichernden Leistungen war der Gesetzgeber im Ergebnis auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert, im Wege einer Begünstigung bei der Einkommensanrechnung des Elterngeldes differenzierend darauf abzustellen, ob der Berechtigte vor der Geburt ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt hat. Mit der Anknüpfung an ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes für eine unterschiedliche Behandlung innerhalb der Gruppe der SGB II-Berechtigten im Sinne einer Privilegierung trotz Nachranggrundsatzes verfolgt der Gesetzgeber ein legitimes Differenzierungsziel. Vor dem Hintergrund negativer Erfahrungen zur Erwerbsintegration wegen der Ausgestaltung des vormaligen Elterngeldes (vgl hierzu BT-Drucks 16/1889, S 15) ist das Elterngeld im Grundsatz als leistungsorientierte, das Erwerbseinkommen ersetzende Familienleistung konzipiert, das einen "Wechsel von einer bedürftigkeitsabhängigen Unterstützungsleistung nach dem BErzGG hin zu einer einkommensorientierten Förderung nach dem BEEG" beinhaltete (vgl auch BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 2). Es sollen "finanzielle Einschränkungen in den ersten zwölf oder 14 Lebensmonaten des Kindes" ausgeglichen werden (BT-Drucks 16/1889, S 26). Diese "Einkommensersatz-funktion" des Elterngeldes (vgl BSG Urteil vom 20.5.2014 - B 10 EG 11/13 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 26 RdNr 18 mwN)findet sich in der Höhe des Elterngeldes, die sich in erster Linie an dem individuellen Einkommensausfall des betreuenden Elternteils - im Ausgang von 67 % des vorgeburtlichen Einkommens (§ 2 Abs 1 BEEG) - orientiert, wenn eine vorherige Erwerbs-tätigkeit wegen Kinderbetreuung unterbrochen, reduziert oder ganz aufgegeben wird (BT-Drucks 16/1889, S 2, 15; BSG Urteil vom 20.5.2014 - B 10 EG 11/13 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 26 RdNr 18; BSG Urteil vom 10.7.2014 - B 10 EG 1/13 R - RdNr 19).

39

Das BVerfG ist davon ausgegangen, dass diese Ausgestaltung des Elterngeldes als steuerfinanzierte Einkommensersatzleistung nicht gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt. Zwar führt die Bemessung zu einer unterschiedlichen Behandlung der Leistungsempfänger je nach der Höhe ihres vor der Geburt erwirtschafteten Erwerbseinkommens, ohne dass dem Sozialversicherungsleistungen der Empfänger vorausgegangen sind. Es enthält aber verfassungsrechtlich für sich genommen noch keinen Gleichheitsverstoß, dass die einkommensabhängige Ausgestaltung des Elterngeldes im Vergleich zur nicht als Einkommensersatzleistung gefassten Vorgängerregelung im Bundeserziehungsgeldgesetz einen Systemwechsel bedeutet und möglicherweise in der einfachgesetzlichen Struktur sozialer Leistungen systematisch eine gewisse Sonderstellung einnimmt. Dass bei einer Ausgestaltung des Elterngeldes als Kompensationsleistung für geburtsbedingten Einkommensverlust Unterschiede der Förderung zwischen Familien je nach dem vorgeburtlichen Einkommen der Eltern entstehen, ist verfassungsrechtlich angesichts der gesetzlichen Zielsetzungen der vorrangigen Förderung bei Erziehenden mit kleinen und mittleren Einkünften und des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Art und Weise der Familienförderung hinnehmbar (BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214; vgl auch BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 2; BVerfG Beschluss vom 20.4.2011 - 1 BvR 1811/08 - juris RdNr 9; BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 40).

40

Diese sachlichen Gründe, die der Gesetzgeber mit der Anknüpfung des Elterngeldes an die Höhe des bisherigen Erwerbseinkommens verbunden hat, rechtfertigen auch die unterschiedliche Behandlung beim Bezug existenzsichernder Leistungen. Diejenigen Elterngeldberechtigten, die zuvor eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, erleiden durch die Geburt eine echte Einkommenseinbuße. Bei ihnen greift "der Zweck des Elterngeldes, die Entscheidung für eine vorübergehende Unterbrechung einer Erwerbstätigkeit ohne allzu große Einkommensnachteile zu ermöglichen" (BT-Drucks 17/3452, S 8). Auf Elterngeldberechtigte im Bezug von existenzsichernden Leistungen, die - wie die Ehefrau des Klägers - vor der Geburt keine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, trifft dies nicht zu, weil sie zugunsten der Betreuung keine Erwerbstätigkeit aufgegeben haben und daher kein unmittelbar durch die Geburt bedingter Nachteil monetär auszugleichen ist (Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 10 RdNr 37). Zudem hat der Gesetzgeber des HBeglG inhaltlich zutreffend und im Sinne einer weiteren sachlichen Rechtfertigung darauf hingewiesen, dass das Mindestelterngeld auch bei geringen Einkünften aus Erwerbstätigkeit vor und nach der Geburt erbracht wird. Im Vergleich der Berechtigten untereinander werde die mit dem Erwerbstätigenfreibetrag bezweckte Anreizwirkung in Frage gestellt, wenn das Mindestelterngeld in gleicher Weise auch bei nicht erwerbstätigen Elterngeldberechtigten anrechnungsfrei gestellt werde (BT-Drucks 17/3030, S 47 f).

41

d) Auch soweit das Mindestelterngeld bei der Vergleichsgruppe der Bezieher anderer bedürftigkeitsabhängiger Sozialleistungen im Unterschied zur Situation bei den SGB II-, SGB XII- und Kinderzuschlagsberechtigten nicht angerechnet wird, obgleich beide Gruppen von Elterngeldberechtigten vor der Geburt nicht erwerbstätig waren, sind rechtfertigende Sachgründe für eine Differenzierung gegeben.

42

Eine von dem Kläger der Sache nach gerügte Systemwidrigkeit wegen Verletzung einer "vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit", die als Indiz für einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG gesehen werden könnte (vgl nur BVerfG Beschluss vom 7.11.1972 - 1 BvR 338/68 - BVerfGE 34, 103, 115 mwN, stRspr), kann der Senat nicht erkennen. Die ungleiche Behandlung der beiden Vergleichsgruppen ist vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Zielsetzungen für die jeweiligen Sozialleistungen, deren konkreter Ausgestaltung sowie der jeweils konkreten Ausformung des Subsidiaritätsgrundsatzes bei bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistungen zu sehen. Hinsichtlich dieser Anforderungen existieren Systemunterschiede zwischen den vom Kläger benannten anderen bedürftigkeits- und einkommensabhängigen Sozialleistungen, zB BAföG, Wohngeld, Unterhaltsvorschussleistungen und Leistungen der Kriegsopferfürsorge, einerseits und den Leistungen des SGB II, des SGB XII und dem Kinderzuschlag andererseits. Insbesondere gelten die Vorgaben des SGB II zur Eingliederung in Arbeit und zur Minderung/Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch Einkommensberücksichtigung (§ 2 Abs 2, § 7 Abs 1 Nr 3, § 9 Abs 1 SGB II).

43

In den Sozialleistungssystemen der Ausbildungsförderung ist der Nachranggrundsatz anders ausgeprägt. Dies folgt schon daraus, dass der faktische Zwang, eine Ausbildung wegen fehlender Existenzsicherungsmittel abbrechen zu müssen, die teilhaberechtliche Dimension des Grundrechts aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 und dem Sozialstaatsgebot aus Art 20 Abs 1 GG berührt (BVerfG Beschluss vom 3.9.2014 - 1 BvR 1768/11 - juris RdNr 24). Unabhängig hiervon bezwecken andere Sozialleistungssysteme, wie zB das Wohngeldgesetz (WoGG) mit seiner Beschränkung auf einen Zuschuss zur Miete zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens (§ 1 Abs 1 WoGG), eine soziale Absicherung nur in Teilbereichen. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UhVorschG) sind - ebenfalls der Höhe nach begrenzt - in erster Linie als Anspruch des minderjährigen Kindes auf Ausgleich eines fehlenden Unterhalts gerichtet (§ 1 Abs 1 Nr 1 UhVorschG), ohne dass der Anspruch des alleinerziehenden Elternteils auf Elterngeld diesen berührt (Grube, UnterhaltsvorschussG, 2009, Einleitung RdNr 16; vgl zum Zweck des UhVorschG: BT-Drucks 8/1952). Dagegen sind die in § 10 Abs 5 S 1 BEEG aufgeführten existenzsichernden Leistungen des SGB II, des SGB XII sowie der Kinderzuschlag auf eine Vollabsicherung gerichtet. Schon wegen des unterschiedlichen Umfangs der gewährenden Staatstätigkeit können - ohne dass dies zwingend wäre - unterschiedliche Maßstäbe hinsichtlich der Umsetzung des Nachranggrundsatzes im Rahmen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers Anwendung finden, wenn er sich - wie hier - zu einer aus seiner Sicht aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise und der Einhaltung der Defizitgrenze des Europäischen Stabilitäts- und Wirtschaftspakts notwendigen Haushaltskonsolidierung durch Kürzungsmaßnahmen auch im Sozialbereich entscheidet (vgl BT-Drucks 17/3030, S 1, 47). Trotz der mit dem Mindestelterngeld ursprünglich beabsichtigten einheitlichen und bedürftigkeitsunabhängigen Honorierung der Erziehungs- und Betreuungsleistungen (vgl nur BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - juris RdNr 30; Dau, jurisPR-SozR 7/2013, Anm 5 mwN) ist der Gesetzgeber daher nicht gehindert, nur für bestimmte Gruppen weiterhin eine Begünstigung im Sinne einer Nichtanrechnung des Elterngeldes anzuerkennen.

44

e) Soweit der Kläger eine Benachteiligung gegenüber anderen vor der Geburt nicht erwerbstätigen, aber auch nicht von existenzsichernden Leistungen abhängigen Elterngeldberechtigten darin sieht, dass diesen der Betrag in Höhe des Mindestelterngeldes von 300 Euro faktisch ungeschmälert "als Familienleistung" erbracht wird, während es bei ihm anrechenbares Einkommen bei der Prüfung des Anspruchs auf Kinderzuschlag nach § 6a BKGG aF ist, ist schon fraglich, ob überhaupt vergleichbare Lebenssachverhalte iS des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 GG zugrunde liegen. Beide Elterngruppen werden hinsichtlich der faktischen Zahlung des Mindestelterngeldes gleich behandelt, indem sie diesen Betrag tatsächlich erhalten.

45

Betrachtet man die Belastung des Elterngeldes mit einer Anrechnungsregelung bei Inanspruchnahme einer bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistung (vgl BVerfG Beschluss vom 24.10.1991 - 1 BvR 1159/91 - juris RdNr 7 f zur vergleichbaren Regelung beim Kindergeld) als "faktische Ungleichbehandlung" (vgl Dau, jurisPR-SozR 7/2013, Anm 5; Lenze, info also 2011, 3, 5) liegt ein rechtfertigender Grund für eine Ungleichbehandlung beider Gruppen auch hier in dem Umstand, dass bei dem steuerfinanzierten Kinderzuschlag wegen der Verknüpfung mit den SGB II-Leistungen der Nachranggrundsatz zu beachten ist. Die als Ausnahme hiervon konzipierte Begünstigung durch ein anrechnungsfreies Mindestelterngeld soll nicht eingreifen, wenn - wie im Falle der Ehefrau des Klägers - kein Erwerbseinkommen vor der Geburt vorhanden ist. Von der ursprünglich neben weiteren zentralen Zielsetzungen (vgl dazu unter 5c) genannten bedürftigkeitsunabhängigen Anerkennung der elterlichen Erziehungs- und Betreuungsleistung durch weitergehende Ausnahmen vom Nachranggrundsatz hat sich der Gesetzgeber des HBeglG 2011 in Teilbereichen verabschiedet (so auch Frerichs in Sozialrecht aktuell 2011, 167, 170).

46

6. Das LSG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft im streitigen Zeitraum vom 1.1.2011 bis 31.3.2011 in vom LSG zutreffend berechneter Höhe von 1906,12 Euro mit dem zu berücksichtigenden Einkommen aus der Beschäftigung des Klägers, dem Kindergeld und dem an seine Ehefrau geleisteten Elterngeld gedeckt werden kann und schon dies einem Anspruch auf Kinderzuschlag entgegensteht.

47

Als Einkommen aus der Beschäftigung des Klägers ist entsprechend den tatsächlichen Feststellungen und zutreffenden rechtlichen Würdigungen des LSG für die Monate Januar und Februar 2011 ein Gesamtbetrag in Höhe von 1136,57 Euro und für März 2011 ein Einkommen in Höhe von 1203,44 Euro zu berücksichtigen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG sind von den Einkünften des Klägers aus Erwerbstätigkeit neben den bereits vom Arbeitgeber abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von zusammen 362,17 Euro (Januar/Februar 2011) sowie 395,30 Euro (März 2011) der Erwerbstätigenfreibetrag von 210 Euro monatlich und der Grundfreibetrag in Höhe von 100 Euro monatlich, der als höherer Monatsbetrag die konkreten Abgaben für Versicherungen und für die Fahrten zur Arbeitsstätte ersetzt, in Abzug zu bringen. Es ergibt sich ein anrechenbarer Betrag von 1033,83 Euro (Januar/Februar 2011) bzw 1100,70 Euro (März 2011). Hinzuzurechnen ist monatlich der zwölfte Teil des anteiligen Weihnachtsgeldes in Höhe von 1706 Euro (brutto), das der Kläger im November 2010 erhalten hat. Hiervon sind insgesamt 473,15 Euro als Steuern und Sozialabgaben abzusetzen. Von dem zu verteilenden Betrag von 1232,85 Euro entfällt auf die Monate Januar bis März 2011 jeweils ein solcher in Höhe von 102,74 Euro. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Betrag des Weihnachtsgeldes nach § 2 Abs 4 S 3 Alg II-V(idF vom 17.12.2007 ) als einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von zwölf Monaten mit einem monatlich zu berücksichtigenden Betrag von 102,74 Euro verteilt hat. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber mit dem am 1.4.2011 in Kraft getretenen § 11 Abs 3 S 3 SGB II nF(BGBl I 453) den "Verteilzeitraum" auf einen Zeitraum von sechs Monaten mit einer nachfolgend nur möglichen Berücksichtigung noch vorhandener Beträge als Vermögen eingegrenzt hat (vgl BT-Drucks 17/3404, S 94), können keine Rückschlüsse für die Bewertung der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt gezogen werden (vgl zum so genannten Verteilzeitraum nur Urteil des Senats vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32). Ergänzend zu den Einkünften des Klägers aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 1136,57 Euro (Januar/Februar 2011) und 1203,44 Euro (März 2011) ist durchgängig das Kindergeld für drei Kinder in Höhe von monatlich 558 Euro und das Elterngeld in Höhe von 300 Euro einzubeziehen. Das Wohngeld bleibt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts unberücksichtigt, weil es nicht gleichzeitig mit dem Alg II bezogen werden kann (§ 7 Abs 1 Nr 1 WoGG; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 6a BKGG RdNr 120, Stand 4/2014). Es ergeben sich Einkünfte der gesamten Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1994,57 Euro (Januar/Februar 2011) bzw 2061,44 Euro (März 2011), die über dem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1906,12 Euro liegen.

48

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen bleiben bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt.

(2) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen dürfen bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(3) Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, bleibt das Elterngeld nur bis zur Hälfte des Anrechnungsfreibetrags, der nach Abzug der anderen nach Absatz 1 nicht zu berücksichtigenden Einnahmen für das Elterngeld verbleibt, als Einkommen unberücksichtigt und darf nur bis zu dieser Höhe nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(4) Die nach den Absätzen 1 bis 3 nicht zu berücksichtigenden oder nicht heranzuziehenden Beträge vervielfachen sich bei Mehrlingsgeburten mit der Zahl der geborenen Kinder.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bei den in Satz 1 bezeichneten Leistungen bleiben das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf das Elterngeld angerechneten Einnahmen in Höhe des nach § 2 Absatz 1 berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, verringern sich die Beträge nach Satz 2 um die Hälfte. Abweichend von Satz 2 bleibt Mutterschaftsgeld gemäß § 19 des Mutterschutzgesetzes in voller Höhe unberücksichtigt.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend, soweit für eine Sozialleistung ein Kostenbeitrag erhoben werden kann, der einkommensabhängig ist.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 28. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Höhe der für die Zeit vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 vom Beklagten zu leistenden Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

2

Der 1971 geborene, alleinstehende Kläger bezieht vom Beklagten seit 1.1.2005 mit Unterbrechungen Arbeitslosengeld II (Alg II). Vom 1.8.2005 bis zu seinem Umzug am 15.1.2007 bewohnte er in K. eine 32,35 m² große Wohnung, für die er eine monatliche Bruttokaltmiete von 190 Euro (Nettokaltmiete 149 Euro und kalte Betriebskosten 41 Euro) und ab Oktober 2006 eine monatliche Heizkostenvorauszahlung von 17 Euro zahlte. Der Beklagte bewilligte dem Kläger Alg II unter Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 203,94 Euro für Dezember 2006 und in Höhe von 209,11 Euro inklusive einer Nebenkostennachforderung in Höhe von 5,17 Euro für Januar 2007.

3

Einen vom Kläger am 11.9.2006 gestellten Antrag auf Zusicherung künftiger Unterkunftsaufwendungen vor einem Umzug innerhalb von K. in eine teurere Zwei-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 49 m² lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 25.9.2006, Widerspruchsbescheid vom 24.11.2006). Die hiergegen vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhobene Klage (S 7 AS 61/07) blieb ohne Erfolg, da der Umzug in eine größere Wohnung nicht erforderlich gewesen sei (Urteil vom 8.9.2009).

4

Am 2.1.2007 hatte der Kläger den Mietvertrag über die größere Wohnung in K. geschlossen, für die er ab Einzug am 15.1.2007 die geschuldete monatliche Bruttowarmmiete von 342,55 Euro zahlte. Für den Zeitraum vom 1.2.2007 bis 31.7.2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger Alg II unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung nur in Höhe der vorherigen Unterkunftsaufwendungen von monatlich 209,11 Euro (bestandskräftiger Bescheid vom 18.1.2007). Diese Bewilligung hob er für die Zeit vom 1.6.2007 bis 31.7.2007 wegen der Erzielung von Erwerbseinkommen ganz auf und forderte vom Kläger die Erstattung der Leistungen (bestandskräftiger Bescheid vom 21.11.2007). Der Kläger hatte am 11.4.2007 mit der N einen Arbeitsvertrag für Saisonarbeit in Dänemark geschlossen, befristet bis 31.12.2007. Er übte die Beschäftigung vom 11.4.2007 bis 14.10.2007 aus, weil das Beschäftigungsverhältnis vorzeitig beendet wurde.

5

Auf den am 11.10.2007 gestellten neuen Alg II-Antrag des Klägers, der weiterhin in der von ihm zuletzt angemieteten Wohnung in K. wohnte, bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 Alg II in Höhe von monatlich 556,11 Euro, bestehend aus der Regelleistung in Höhe von 347 Euro und Kosten für Unterkunft und Heizung erneut nur in Höhe von 209,11 Euro (Bescheid vom 13.11.2007). Der hiergegen mit dem Begehren auf Zahlung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27.11.2008).

6

Das SG hat den Beklagten im anschließenden Klageverfahren verurteilt, dem Kläger Alg II unter Berücksichtigung monatlicher Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 336,29 Euro zu gewähren (Urteil vom 8.9.2009). Der Kläger habe einen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen und angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung von 342,55 Euro abzüglich der Warmwasserpauschale von 6,26 Euro. Die Vorschrift des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II finde entgegen der Auffassung des Beklagten keine Anwendung, da sie nur bei Umzügen während eines ununterbrochenen Leistungsbezuges gelte, nicht aber nach zeitweiliger Überwindung der Hilfebedürftigkeit und Beendigung des Leistungsbezugs. Die vom SG zugelassene Berufung des Beklagten beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) ist erfolglos geblieben (Urteil vom 28.2.2013). Die zu übernehmenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung seien im streitigen Bewilligungsabschnitt trotz Eingreifens der Regelung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II im früheren Bewilligungsabschnitt nicht der Höhe nach begrenzt, da die Vorschrift nicht nach unterbrochenem Leistungsbezug fortwirkend anwendbar sei. Wer nicht oder nicht mehr im Leistungsbezug stehe, sei auch nicht den Regelungen des SGB II unterworfen. Allerdings sei nicht jede Unterbrechung des Leistungsbezugs ausreichend, sondern die Überwindung der Hilfebedürftigkeit aus eigener Kraft, dh durch eigenes Einkommen und nicht durch Rückgriff auf Schonvermögen oder nicht nachhaltige Zuwendungen Dritter, für mindestens einen Monat erforderlich. Da der Kläger fünf Monate wegen eigenen Einkommens und fehlender Hilfebedürftigkeit nicht im Leistungsbezug gestanden habe, sei § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nach seinem neuen Alg II-Antrag nicht mehr anzuwenden.

7

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte eine Verletzung von § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II geltend. Die Voraussetzungen der Norm seien erfüllt, da der Kläger zur Zeit des Mietvertragsabschlusses und Umzugs im Leistungsbezug gestanden habe und der Umzug nicht erforderlich gewesen sei. Die vorübergehende Unterbrechung des Leistungsbezugs infolge der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit stehe der Anwendbarkeit der Norm nicht entgegen, jedenfalls dann nicht, wenn die Unterbrechung nicht mindestens sechs Monate gedauert habe.

8

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 28. Februar 2013 und das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 8. September 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

10

Er nimmt auf die Entscheidungen des SG und des LSG Bezug.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen, denn der Kläger hat Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für die im streitigen Zeitraum vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 bewohnte Wohnung in Höhe von monatlich 342,55 Euro abzüglich der Warmwasserpauschale von 6,26 Euro.

12

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die vom Beklagten begehrte Aufhebung der Urteile des LSG und des SG, mithin seine Verpflichtung, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 13.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2008 für die Zeit vom 1.11.2007 bis 31.3.2008 weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 127,18 Euro zu zahlen. Der Betrag ergibt sich aus der Differenz der vom Kläger tatsächlich aufgewendeten Kosten für Unterkunft und Heizung für die von ihm im streitigen Zeitraum bewohnte Wohnung abzüglich der Warmwasserpauschale in Höhe von 336,29 Euro und der vom Beklagten bewilligten 209,11 Euro. Die Beschränkung des Streitgegenstandes allein auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung war nach der alten, bis 31.12.2010 geltenden und hier anzuwendenden Rechtslage zulässig (vgl nur Bundessozialgericht vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18). Offen bleiben kann, ob auch unter der Neufassung (nF) der §§ 19 bis 22 SGB II zum 1.1.2011 durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) eine entsprechende Beschränkung des Streitgegenstandes weiterhin prozessual zulässig ist.

13

Der Zeitraum ab Antragstellung des Klägers am 11.10.2007 bis 31.10.2007 ist nicht Streitgegenstand, da hierüber vom Beklagten mit bestandskräftigem Versagungsbescheid vom 12.11.2007 entschieden worden ist.

14

2. Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung sind § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm §§ 7, 9, 19 SGB II in der für die streitige Zeit geltenden Fassung, denn in Rechtsstreitigkeiten über in der Vergangenheit liegende Zeiträume ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

15

Der Kläger stellte am 11.10.2007 den erforderlichen Antrag auf Alg II, welches die Kosten für Unterkunft und Heizung umfasst (§ 37, § 19 SGB II). Zudem erfüllte er im streitigen Zeitraum nach den von den Beteiligten nicht gerügten und deshalb den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 Sozialgerichtsgesetz) die Voraussetzungen hinsichtlich des Lebensalters, der Erwerbsfähigkeit und des gewöhnlichen Aufenthalts nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 2 und 4 SGB II. Er war auch hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 9 SGB II. Anhaltspunkte für das Eingreifen eines Ausschlusstatbestands (§ 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4 und 5 SGB II) sind nicht ersichtlich.

16

Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II hat der Kläger grundsätzlich Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe seiner tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Eine Begrenzung der vom Beklagten zu zahlenden Kosten für Unterkunft und Heizung auf die geringeren bewilligten Kosten der zuvor vom Kläger bewohnten Wohnung folgt vorliegend nicht aus § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II(dazu unter 3.). Auch eine Kostensenkung nach § 22 Abs 1 Satz 1 iVm § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II kommt hier nicht in Betracht(dazu unter 4.).

17

3. § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II in der vom 1.8.2006 bis 31.12.2010 geltenden Fassung (aF), eingeführt durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706), lautete: "Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, werden die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht."

18

Auf diese Vorschrift kann sich der Beklagte vorliegend nicht stützen, weil sie bei Eintritt eines neuen Leistungsfalls keine fortwirkende Anwendung findet (vgl auch Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 78; Pletscher in Adolph/Linhart, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 22 SGB II RdNr 79, 84. EL Stand 11/2013; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 243, Stand 10/2012). Eine neuer Leistungsfall liegt hier vor, weil der Kläger zu Beginn des streitigen Bewilligungsabschnitts seine frühere Hilfebedürftigkeit durch Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens für mindestens einen Kalendermonat überwunden hatte und aus dem Leistungsbezug ausgeschieden war. Bei dem mit Eintritt seiner erneuten Hilfebedürftigkeit vorliegenden neuen Leistungsfall ist für die zu übernehmenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung allein § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zugrunde zu legen. Die Voraussetzungen für die fortgesetzte Begrenzung der Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II liegen im streitigen Zeitraum trotz Eingreifens der Regelung im früheren Bewilligungsabschnitt(zu deren Voraussetzungen vgl BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 107/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 52; Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 60/09 R - BSGE 106, 147 = SozR 4-4200 § 22 Nr 35) nicht vor.

19

a) Die Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II wird durch eine mit der Unterbrechung des Leistungsbezugs von mindestens einem Kalendermonat verbundene Überwindung der Hilfebedürftigkeit jedenfalls durch Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens begrenzt. Bei Eintritt eines neuen Leistungsfalles findet die Vorschrift keine Anwendung. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II, seinem Sinn und Zweck, einer vergleichenden Betrachtung mit § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II und unter Berücksichtigung von Wertungsgesichtspunkten sowie des Grundsatzes der Eigenverantwortung und des Forderns und Förderns.

20

Bereits dem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal "weiterhin" ist es immanent, dass unmittelbar vor Eingreifen der Norm ein ununterbrochener Leistungsbezug bestanden haben muss. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber dieses Tatbestandsmerkmal nicht in den seit 1.1.2011 geltenden § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nF übernommen hat, folgt keine andere Auslegung der hier anzuwendenden alten Fassung. Denn zum einen können hieraus keine Rückschlüsse für die Bewertung der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt gezogen werden (so bereits zur fehlenden Regelung des Verteilzeitraums vor dem 1.4.2011: BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 62 RdNr 23; BSG Urteil vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32). Zum anderen ist der Gesetzesbegründung zu entnehmen, dass trotz der Wortlautänderung § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nF dem bisherigen Recht entspricht(BT-Drucks 17/3404, S 98).

21

Auch aus dem Sinn und Zweck des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II ergibt sich, dass diese Vorschrift nach einer mit der Unterbrechung des Leistungsbezugs verbundenen Überwindung der Hilfebedürftigkeit bei Eintritt eines neuen Leistungsfalles nicht fortwirkt. Mit der nur nach erforderlichen Umzügen vorgesehenen Übernahme höherer, noch abstrakt angemessener Kosten für Unterkunft und Heizung soll eine missbräuchliche Leistungsinanspruchnahme durch Ausschöpfung der abstrakten Angemessenheitsgrenzen verhindert und den Kommunen im Hinblick auf die Kostensteigerungen bei Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II eine Steuerungsfunktion belassen werden(BT-Drucks 16/1410 S 23, zur ratio legis vgl auch ausführlich BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 60/09 R - BSGE 106, 147 = SozR 4-4200 § 22 Nr 35, RdNr 21). Beide Ziele sind aber nur während des Leistungsbezugs und gerade nicht mehr ab dem mit der Überwindung der Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Kalendermonat verbundenen Ende des Leistungsbezugs zu erreichen, da ab diesem Zeitpunkt die Vorschriften des SGB II für die nicht mehr hilfebedürftige Person nicht mehr gelten und die Leistungsträger keine Möglichkeit der Einflussnahme mehr haben.

22

Erst durch einen neuen Alg II-Antrag begibt sich die betroffene Person neu - wie die erstmalig hilfebedürftige Person - in das System des SGB II und auch nur bei Hilfebedürftigkeit und Leistungsbezug unterliegt sie erneut dessen Regeln (vgl BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 19). Dem Umstand, dass ein Mietvertrag über eine teurere angemessene Wohnung noch während des früheren Leistungsbezugs und damit zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden war, als die hilfebedürftige Person nicht in der Lage war, die höheren Mietzahlungen für die neue Wohnung selbst zu leisten, wird durch die bis zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit und Beendigung des früheren Leistungsbezugs eingreifende Kostenbegrenzung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II hinreichend Rechnung getragen.

23

Dieses Ergebnis wird auch durch eine vergleichende Betrachtung mit § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II aF bzw § 22 Abs 4 Satz 1 SGB II nF und den sich daraus ergebenden Wertungsgesichtspunkten bestätigt. Wie der 4. Senat des BSG bereits in früheren Entscheidungen betont hat, knüpft die Obliegenheit zur Einholung einer Zusicherung vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft nach § 22 Abs 2 Satz 1 SGB II aF bzw § 22 Abs 4 Satz 1 SGB II nF und die damit verbundene Möglichkeit einer Kostenbegrenzung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II an den Status als erwerbsfähige hilfebedürftige/leistungsberechtigte Person an(vgl BSG Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 10/10 R - BSGE 106, 283 = SozR 4-4200 § 22 Nr 40, RdNr 18; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28, RdNr 19). Die Vorschriften gelten auch bei Vorliegen eines früheren Leistungsbezugs nicht über dessen Beendigung hinaus, wenn die hilfebedürftige Person nach Überwindung der Hilfebedürftigkeit und Beendigung des Leistungsbezugs, aber vor dem Eintritt neuer Hilfebedürftigkeit eine neue Wohnung angemietet hat und in diese eingezogen ist, selbst wenn die neue Hilfebedürftigkeit zur Zeit des Vertragsabschlusses bereits absehbar war (BSG aaO). Die vorliegende Fallkonstellation rechtfertigt keine andere Behandlung einer ebenfalls erneut hilfebedürftig gewordenen Person.

24

Auch der dem gesamten Leistungssystem des SGB II immanente, in § 1 Abs 1 Satz 1 SGB II aF bzw § 1 Abs 2 Satz 1 SGB II nF sowie in § 2 SGB II normierte Grundsatz der Eigenverantwortung und des Forderns und Förderns spricht für die hier vorgenommene Auslegung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II. Die Eigenverantwortung leistungsberechtigter Personen soll insbesondere dadurch gestärkt werden, dass sie dazu beitragen, ihren Lebensunterhalt durch den Einsatz ihrer Arbeitskraft und damit unabhängig von der Grundsicherung zu bestreiten (vgl Kador in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 2 RdNr 5; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, K § 1 RdNr 27, Stand 2/2012). Hierdurch soll wiederum dem nur temporären Charakter der Leistungsgewährung nach dem SGB II Rechnung getragen werden, mit der Folge, dass die Verantwortung des Jobcenters - und damit auch seine Berechtigung zur Kostenbegrenzung nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II - endet, sobald der Leistungsberechtigte aus dem Leistungssystem ausscheidet, selbst dann, wenn das Ende des Leistungsbezugs nur vorübergehend ist und damit letztlich "nur" zu einer Unterbrechung führt. Durch den bei einem neuen Leistungsfall mit einer erneuten Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II verbundenen nochmaligen "Vorwurf", eine teurere Wohnung angemietet zu haben, würden der Grundsatz der Eigenverantwortung und des Forderns und Förderns sowie die vom Gesetzgeber als unterstützenswert erachteten Bemühungen zur Eingliederung in Arbeit(§ 1 Abs 2 Nr 2 SGB II aF/§ 1 Abs 3 Nr 2 SGB II nF, §§ 15 ff SGB II) konterkariert.

25

Wie auch der Senat bereits in einer früheren Entscheidung ausgeführt hat, gilt die Kostenbegrenzung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II nur, solange nicht Veränderungen in den persönlichen Umständen der betroffenen Person eintreten, die eine Neubestimmung der für sie angemessenen Wohnkosten innerhalb der allgemeinen Angemessenheitsgrenzen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gerechtfertigt erscheinen lassen(Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 107/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 52 RdNr 13). Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Eigenverantwortung und des Forderns und Förderns ist die Überwindung der Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Kalendermonat jedenfalls durch Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens eine solche Veränderung in den persönlichen Umständen (vgl auch zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit im Zusammenhang mit der Bemessung des sog Verteilzeitraums bei einmaligen Einnahmen: BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 62 RdNr 64; Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 31).

26

b) In zeitlicher Hinsicht ist als Zäsur für die Begrenzung einer fortgesetzten Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II die vorherige Überwindung der Hilfebedürftigkeit und Unterbrechung des Leistungsbezugs für mindestens einen Kalendermonat erforderlich, aber auch ausreichend(so bereits BSG Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 10/10 R - BSGE 106, 283 = SozR 4-4200 § 22 Nr 40, RdNr 22; vgl im Übrigen auch Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 78; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 243, Stand 10/2012). Nach Ablauf eines Kalendermonats liegt bei erneuter Hilfebedürftigkeit ein neuer Leistungsfall vor. Die bloße Abmeldung aus dem Leistungsbezug trotz tatsächlich fortbestehender Hilfebedürftigkeit genügt dagegen nicht, um eine Zäsur mit Blick auf die fortgesetzte Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II zu erreichen.

27

Diese Anknüpfung an mindestens einen Kalendermonat für das Vorliegen eines neuen Leistungsfalls folgt aus dem im SGB II geltenden und in der Rechtsprechung des BSG bereits mehrfach betonten Monatsprinzip (vgl BSG Urteil vom 20.2.2014 - B 14 AS 53/12 R -, RdNr 26; BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 78/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 21 mwN; BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 28; BSG Beschluss vom 23.11.2006 - B 11b AS 17/06 B - SozR 4-4225 § 2 Nr 1 RdNr 14 f; zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen im Zusammenhang mit der Festlegung des sog Verteilzeitraums bei Zufluss einmaliger Einnahmen vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 31). Der Alg II-Anspruch ist auf eine kalendermonatsweise Betrachtung angelegt, wie bereits die in § 41 Abs 1 SGB II normierte Festlegung der Berechnungs- und Leistungsabschnitte auf einen Kalendermonat zeigt. Zudem wird der Regelbedarf (zuvor: Regelleistung) nach § 20 SGB II als Leistung je Kalendermonat ausgewiesen und die Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung iS von § 22 SGB II hat monatsweise zu erfolgen. Die Alg II-Verordnung aF (§ 2) bzw § 11 Abs 2 und 3 SGB II nF stellen hinsichtlich der Anrechnung von Einkommen auf den Zufluss von Einnahmen innerhalb eines Kalendermonats ab und § 30 SGB II aF bzw § 11b Abs 3 SGB II sehen einen vom monatlichen Erwerbseinkommen abzusetzenden Freibetrag vor. Auch § 23 Abs 4 SGB II aF bzw § 24 Abs 4 SGB II nF, wonach Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden können, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen, knüpfen an eine kalendermonatsweise Betrachtungsweise an. Nicht zuletzt kommt in § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II nF, wonach der Alg II-Antrag auf den Ersten des Monats zurückwirkt, zum Ausdruck, dass das Gesetz für den Alg II-Anspruch an den Kalendermonat anknüpft.

28

An dieses Monatsprinzip des SGB II ist in zeitlicher Hinsicht auch für die Zäsur bei der Begrenzung der Anwendung des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II anzuknüpfen. Hierdurch wird insbesondere dem Grundsatz des Forderns und Förderns Rechnung getragen, indem für die betroffenen Personen Anreize geschaffen werden, ihre Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Einkommen zu überwinden, um bei deren tatsächlicher Realisierung, sei es auch nur für einen Kalendermonat, von dem Vorteil der Beendigung der Wirkungsdauer des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II profitieren zu können.

29

Dieser Rückgriff auf das Monatsprinzip steht überdies mit der Rechtsprechung des 7. Senats des BSG im Einklang, wonach bei zu erbringenden Monatsleistungen wie nach dem SGB II, dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder dem Asylbewerberleistungsgesetz das Entfallen der Hilfebedürftigkeit für einen Monat genügt, um eine Zäsur für nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch nachträglich nicht zu erbringende Leistungen zu bewirken(vgl Urteil vom 26.6.2013 - B 7 AY 3/12 R - juris RdNr 13; Urteil vom 20.12.2012 - B 7 AY 4/11 R - SozR 4-3520 § 3 Nr 3 RdNr 14).

30

Für die vom Beklagten unter Bezugnahme auf einen Beschluss des LSG Sachsen (20.10.2008 - L 3 B 530/08 AS-ER) geforderte Unterbrechung des Leistungsbezugs von "wesentlich mehr als sechs Monaten" und auch für das Erfordernis eines zeitlichen Moments von sechs Monaten fehlt es dagegen an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. Zwar sieht § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II als Regelbewilligungszeitraum sechs Monate vor. Dennoch liegt § 41 Abs 1 SGB II - wie gezeigt - insgesamt eine kalendermonatsweise Betrachtung der Berechnung und Erbringung der Leistungen nach dem SGB II zugrunde. Der sechsmonatige Bewilligungszeitraum folgt dagegen aus Gründen der Verwaltungsökonomie, weil eine monatsweise Überprüfung der Leistungsvoraussetzungen und Bescheidung nicht mit vertretbarem Aufwand zu realisieren wäre (vgl BT-Drucks 15/1516, S 63).

31

c) Anhaltspunkte dafür, dass § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II hier aus anderen Gründen fortwirken könnte, bietet der vorliegende Fall nicht, in dem der Kläger seine Hilfebedürftigkeit durch Erzielung bedarfsdeckenden Erwerbseinkommens für mehr als einen Kalendermonat überwunden hatte und für fünf Monate aus dem Leistungsbezug ausgeschieden war, bevor er erneut hilfebedürftig wurde. Seinem erneuten Leistungsantrag liegt ein neuer Leistungsfall zugrunde.

32

4. Da § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II im hier streitigen Zeitraum nicht anwendbar ist, sind nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II die Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind.

33

Eine hier allein noch denkbare Absenkung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II scheidet aus, da es bereits an einer hierfür erforderlichen Kostensenkungsaufforderung des Beklagten fehlt. Die vom Kläger beantragte Zusicherung war allein aufgrund der fehlenden Erforderlichkeit des Umzugs aus der zuvor bewohnten in die neue Wohnung abgelehnt worden.

34

Von der festgestellten Bruttowarmmiete von monatlich 342,55 Euro war - wie vom SG im Ergebnis vorgenommen - lediglich ein Betrag in Höhe von monatlich 6,26 Euro als Warmwasserpauschale abzuziehen, da eine entsprechende Berücksichtigung bereits durch die Regelleistung in Höhe von 347 Euro erfolgte (vgl hierzu BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 28 bis 30; Brehm/Schifferdecker, SGb 2010, 331, 335). Auf die für den streitigen Zeitraum fehlenden hinreichenden Feststellungen des LSG zu den nach Bruttokaltmiete und Heizkosten aufgeschlüsselten tatsächlichen Aufwendungen des Klägers (zur getrennten Angemessenheitsprüfung von Unterkunfts- und Heizkosten vgl zuletzt BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 69 RdNr 21)und zur Angemessenheit der Unterkunftskosten kommt es nicht an.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. April 2013 geändert und der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 19. Juni 2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30. Juli 2012 und 14. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2012 verurteilt, dem Kläger für Juli 2012 weitere 67,87 Euro und für August bis November 2012 monatlich jeweils weitere 192,54 Euro zu zahlen.

Im Übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel der Kosten des Rechtsstreits für beide Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes II (Alg II) für den Zeitraum vom 13.6.2012 bis 30.11.2012 unter Berücksichtigung von Überbrückungsgeld nach dem Strafvollzugsgesetz (StVollzG).

2

Der 1962 geborene, alleinstehende Kläger wurde am 12.6.2012 aus der Strafhaft entlassen. Am Entlassungstag erhielt er ein Überbrückungsgeld in Höhe von 1335,22 Euro in bar ausgezahlt. Am 14.6.2012 beantragte der Kläger beim beklagten Jobcenter die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Hierauf bewilligte ihm der Beklagte durch (vorläufigen) Bescheid vom 19.6.2012 Alg II (nur Regelbedarfe) für den Zeitraum vom 12. bis 30.6.2012 in Höhe von 33,33 Euro und für den Zeitraum vom 1.7.2012 bis 30.11.2012 in Höhe von monatlich 181,46 Euro. Dabei berücksichtigte er das Überbrückungsgeld in voller Höhe als einmalige Einnahme, verteilte diese auf einen Zeitraum von sechs Monaten in Höhe von 222,54 Euro monatlich und setzte hiervon im Juni 2012 eine anteilige Versicherungspauschale in Höhe von 19 Euro und in den Monaten Juli bis November 2012 in Höhe von jeweils 30 Euro ab.

3

Der Kläger legte Widerspruch ein und teilte mit, dass er Ende Juli 2012 eine Wohnung beziehe, für die ab 1.8.2012 Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 180 Euro monatlich entstünden. Hierauf bewilligte ihm der Beklagte durch Änderungsbescheid vom 30.7.2012 für den Zeitraum vom 1.8.2012 bis 30.11.2012 Alg II in Höhe von monatlich 361,46 Euro (181,46 Euro Regelbedarf und 180 Euro Bedarfe für Unterkunft und Heizung). Durch einen weiteren Änderungsbescheid vom 14.8.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 12. bis 30.6.2012 Alg II in Höhe von 44,33 Euro (Erhöhung des Regelbedarfs um 11 Euro aufgrund der nunmehr vollen Absetzung der Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro im Juni 2012) und wies durch Widerspruchsbescheid vom 22.8.2012 den Widerspruch als unbegründet zurück.

4

Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen erhobene Klage auf höheres Alg II abgewiesen. Der Alg II-Antrag des Klägers vom 14.6.2012 wirke auf den 1.6.2012 zurück, was sich aus § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II ergebe. Da der Kläger sich bis zum 12.6.2012 in Haft befunden habe, habe er nach § 7 Abs 4 SGB II ab dem 12.6.2012 einen Leistungsanspruch. Deshalb sei das ihm an diesem Tag ausgezahlte Überbrückungsgeld Einkommen und als einmalige Einnahme für die Zeit vom 12.6.2012 bis 30.11.2012 leistungsmindernd zu berücksichtigen.

5

Der Kläger hat die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt und rügt die Verletzung von § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II. Rückwirkung auf den Monatsersten entfalte der Alg II-Antrag nur, wenn zu diesem Zeitpunkt alle Leistungsvoraussetzungen vorlägen, was bei einem Ausschlusstatbestand wie nach § 7 Abs 4 SGB II nicht gegeben sei. Das Überbrückungsgeld sei deshalb (geschütztes) Vermögen und nicht zu berücksichtigendes Einkommen.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 16. April 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 19. Juni 2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30. Juli 2012 und 14. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. August 2012 zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 13. Juni 2012 bis 30. November 2012 ohne Anrechnung der ihm am 12. Juni 2012 ausgezahlten 1335,22 Euro zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Sprungrevision des Klägers ist teilweise begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Zwar ist das ihm im Juni 2012 vor Antragstellung ausgezahlte Überbrückungsgeld als Einkommen zu berücksichtigen (dazu unter 3.), jedoch nur für die Zeit vom 13.6.2012 bis zum 10.7.2012 (dazu unter 4.). Aus dieser eingeschränkten Berücksichtigung ergeben sich die tenorierten Nachzahlungen (dazu unter 5.). Die weitergehende Revision des Klägers ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).

9

1. Streitgegenstand sind das Urteil des SG vom 16.4.2013 und der Bescheid des Beklagten vom 19.6.2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30.7.2012 und 14.8.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.8.2012, durch die der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf höheres Alg II im streitbefangenen Zeitraum vom 13.6.2012 bis 30.11.2012 abgelehnt worden ist. Die jeweils höchsten Leistungen regelte für Juni 2012 der Änderungsbescheid vom 14.8.2012, für Juli 2012 der Bescheid vom 19.6.2012 und für die Monate August bis November 2012 der Änderungsbescheid vom 30.7.2012, weshalb alle drei Bescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheides Streitgegenstand sind.

10

2. Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höheres Alg II sind §§ 19 ff iVm § 7 SGB II in der im streitbefangenen Zeitraum geltenden Fassung seit dem 1.4.2011 (Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13.5.2011, BGBl I 850, die den zuletzt durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453, am 1.4.2011 erreichten Stand berücksichtigt). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

11

Die Grundvoraussetzungen, um Alg II zu erhalten (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II) - bestimmtes Alter, Erwerbsfähigkeit und ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland -, erfüllte der Kläger im streitbefangenen Zeitraum; ebenso wenig lag ein Ausschlusstatbestand vor (vgl § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4 und 5 SGB II), wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des SG ergibt.

12

Den Lebensunterhaltsbedarf des Klägers nach dem SGB II (Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 374 Euro monatlich und Bedarfe für Unterkunft und Heizung ab 1.8.2012 in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen von 180 Euro monatlich) haben der Beklagte und das SG zutreffend festgestellt.

13

3. Diesem Bedarf ist das dem Kläger am 12.6.2012 ausgezahlte Überbrückungsgeld als zu berücksichtigendes Einkommen gegenüberzustellen.

14

Seine Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II) bestimmt sich danach, ob oder inwieweit er seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern konnte und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhielt (§§ 9, 11 bis 11b und 12 SGB II). Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des SG erhielt der Kläger im streitbefangenen Zeitraum keine zu berücksichtigenden Hilfen anderer. Als zu berücksichtigendes Einkommen stand ihm nur das Überbrückungsgeld zur Verfügung. Andere Einnahmen erzielte und über anderes Vermögen verfügte der Kläger nach den bindenden Feststellungen des SG im streitbefangenen Zeitraum nicht.

15

a) Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Nach § 12 Abs 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.

16

Maßgebliches Differenzierungskriterium für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen ist grundsätzlich der Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses bereiter Mittel: Danach ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB II das, was jemand vor Antragstellung bereits hatte(modifizierte Zuflusstheorie: vgl nur BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 78/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 27 mwN). An der Maßgeblichkeit dieses Differenzierungskriteriums zwischen Einkommen und Vermögen ist auch für das Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG festzuhalten. Denn vor der Haftentlassung und Auszahlung durch die Justizverwaltung kann der Gefangene über das Geld nicht frei verfügen; das Überbrückungsgeld-Konto ist nicht einem Sparbuch vergleichbar, auf dem mit bereits erlangten Einkünften von dem Gefangenen ein gezielter "Vermögensaufbau" betrieben wurde (vgl dazu bereits BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 78/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 28 bis 30 mwN).

17

b) Das dem Kläger am 12.6.2012 und damit vor Antragstellung am 14.6.2012 und auch vor dem beantragten Leistungsbeginn am 13.6.2012 ausgezahlte Überbrückungsgeld war zu diesem Auszahlungszeitpunkt zu berücksichtigendes Einkommen und kein (geschütztes) Vermögen. Denn entgegen der Ansicht des Klägers bewirkt § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II, dass ein Alg II-Antrag grundsätzlich auf den Ersten des Monats der Antragstellung zurückwirkt und die in diesem Monat anfallenden Einnahmen auch vor Antragstellung nicht als Vermögen, sondern als Einkommen anzusehen sind.

18

Nach § 37 SGB II werden SGB II-Leistungen auf Antrag erbracht(Abs 1 Satz 1). Sie werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht (Abs 2 Satz 1). Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück (Abs 2 Satz 2).

19

aa) Zwar konnte der Kläger die leistungsrechtliche Wirkung seines Antrags auf Alg II vom 14.6.2012 auf die Zeit ab 13.6.2012 beschränken. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob seine Rechtsauffassung zutrifft, dass er am 12.6.2012, dem Haftentlassungstag, noch nach § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II von Alg II-Leistungen ausgeschlossen war und erst ab 13.6.2012 die Leistungsvoraussetzungen erfüllte. Denn der Antragsteller auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II kann im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit (ne ultra petita) durch seinen Antrag bestimmen, ab welchem Zeitpunkt er einen Leistungsanspruch geltend macht (vgl zur den Verfahrensgegenstand begrenzenden Funktion des Antrags Burkiczak in BeckOK SGB II, § 37 RdNr 4, 4a, Stand 1.9.2014; vgl zur Rücknahme eines Antrags Link in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 37 RdNr 20).

20

Die Zulässigkeit einer Bestimmung, ab welchem Zeitpunkt ein Leistungsanspruch geltend gemacht wird, folgt aus dem gesetzlichen Antragsgrundsatz und -erfordernis selbst. Leistungen werden nicht ohne Rücksicht auf ein konkretes Leistungsbegehren erbracht. Mit der Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind zudem nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten für den Leistungsempfänger verbunden. Die Entscheidung über die Inanspruchnahme von Leistungen und den damit verbundenen Eintritt in den Pflichtenkreis des SGB II bleibt dem Antragsteller vorbehalten, der grundsätzlich auch über den Beginn der Leistungsinanspruchnahme bestimmen kann.

21

Es ist eine im Einzelfall zu entscheidende Frage, ob diese Bestimmung rechtlich beachtlich ist. Jedenfalls die zeitliche Beschränkung eines Leistungsantrags - wie hier auf den Tag nach Haftentlassung - auf einen Leistungsbeginn im Antragsmonat zwischen dem Ersten dieses Monats und dem Tag der Antragstellung und nach Wegfall eines Leistungsausschlusstatbestandes ist nach § 37 SGB II rechtlich beachtlich. Dass der frühestmögliche Leistungsbeginn nach Wegfall eines Leistungsausschlusstatbestandes beantragt wird, ist nicht erforderlich.

22

bb) Durch diese zulässige leistungsrechtliche Beschränkung seines Antrags auf die Zeit ab 13.6.2012 konnte der Kläger indes nicht die hiervon zu unterscheidende weitere Wirkung seines Antrags, dass für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen der Erste des Monats der Antragstellung maßgeblich ist, ausschließen.

23

Die Maßgeblichkeit des Monatsersten ergibt sich aus dem Wortlaut des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II, der Gesetzessystematik, der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift und deren Sinn und Zweck. Der Wortlaut, nach dem der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Ersten des Monats zurückwirkt, ist knapp und bedingungslos formuliert. Er bietet keinen Anknüpfungspunkt dafür, dass dem Antrag diese Rückwirkung nur unter bestimmten Voraussetzungen zukommt. Insbesondere lässt sich dem Wortlaut des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II nicht entnehmen, dass die Rückwirkung auf den Monatsersten das Bestehen eines Leistungsanspruchs oder auch nur das Fehlen von Leistungsausschlusstatbeständen am Monatsersten voraussetzt.

24

Nichts anderes folgt aus einer Betrachtung der Gesetzessystematik. Zwar bestimmt § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II, dass Leistungen nach dem SGB II nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden. Eben hierzu enthält indes der speziellere § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II, der von den Leistungen nach dem SGB II nur die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts betrifft, eine Ausnahme. Dass § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II eine gegenüber der allgemeinen Regelung des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II speziellere Regelung ist, erhellt auch aus § 37 Abs 2 Satz 3 SGB II, der durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 7.5.2013 (BGBl I 1167) mit Wirkung vom 1.8.2013 nach dem hier streitbefangenen Zeitraum Eingang in das SGB II gefunden hat. Denn danach wirkt der Antrag auf Leistungen für die Bedarfe nach § 28 Abs 7 SGB II, soweit daneben andere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht werden, auf den Beginn des aktuellen Bewilligungszeitraums nach § 41 Abs 1 Satz 4 bzw 5 SGB II zurück. Damit ist dem alle Leistungen nach dem SGB II erfassenden § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II eine weitere Regelung hinzugefügt, die nur eine bestimmte Leistung nach dem SGB II betrifft. Im Anwendungsbereich der Spezialregelung des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II geht dieser der allgemeinen Regelung nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II vor. Für die Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts kommt es statt auf den Tag der Antragstellung auf den Ersten des Monats der Antragstellung an.

25

Dies stimmt systematisch zusammen mit dem im SGB II geltenden und in der Rechtsprechung des BSG bereits mehrfach betonten Monatsprinzip (vgl zum Monatsprinzip des SGB II BSG Urteil vom 9.4.2014 - B 14 AS 23/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR 4-4200 § 22 Nr 75 RdNr 27 mwN): Der in einem Monat gestellte Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Ersten des Monats zurück (§ 37 Abs 2 Satz 2 SGB II). Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet (§ 41 Abs 1 Satz 2 SGB II). Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt (§ 20 Abs 1 Satz 3 SGB II). Laufende Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen (§ 11 Abs 2 Satz 1 SGB II). Einmalige Einnahmen sind in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen (§ 11 Abs 3 Satz 1 SGB II). Es sind nach dieser Systematik die Bedarfe eines Monats den Bedarfsdeckungsmöglichkeiten dieses Monats gegenüberzustellen. Eine Unterdeckung begründet den Leistungsanspruch für diesen Monat.

26

Diese monatsweise Betrachtung dient, wie auch ein Blick auf die Entstehungsgeschichte bestätigt, nicht nur der Verwaltungsvereinfachung. Denn sie soll verhindern, dass durch die zeitliche Verschiebung des Antrags in einem Monat in diesem Monat zur Verfügung stehende Bedarfsdeckungsmöglichkeiten unberücksichtigt bleiben. Anders als die grundsätzlich zulässige leistungsrechtliche Verschiebung der Antragswirkung durch den Antragsteller auf einen bestimmten Leistungsbeginn soll der für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen maßgebliche Zeitpunkt der Antragstellung auf den Ersten des Monats der Antragstellung fixiert sein. Zur Nachrangsicherung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II soll durch § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II die Abgrenzungswirkung der Antragstellung mit Blick auf Einkommen und Vermögen der Disposition des Antragstellers im Antragsmonat entzogen sein. Entsprechend ist in der Begründung des Gesetzentwurfs ausgeführt, dass mit § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II dem geltenden Nachranggrundsatz stärker als bislang Rechnung getragen wird: "Einnahmen, die vor Antragstellung im Antragsmonat zufließen, sind als Einkommen bei der Feststellung des Leistungsanspruchs zu berücksichtigen"(BT-Drucks 17/3404 S 114 zu § 37; ebenso S 94 zu § 11).

27

Dieser Sinn und Zweck des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB II, der auch in der Begründung des Gesetzentwurfs seinen Ausdruck gefunden hat, spricht dafür, die Vorschrift beim Wort zu nehmen: Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt auf den Monatsersten zurück, ohne dass diese Rückwirkung zur Voraussetzung hat, dass am Monatsersten ein Leistungsanspruch besteht oder auch nur ein Leistungsausschlusstatbestand nicht eingreift.

28

Die für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen maßgebliche Rückwirkung des Antrags auf den Ersten des Monats der Antragstellung gilt auch dann, wenn am Monatsersten noch ein Leistungsausschlusstatbestand - wie vorliegend die Strafhaft des Klägers aufgrund von § 7 Abs 4 Satz 2 SGB II - eingreift. Dass Leistungen erst bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen und Nichtvorliegen von Leistungsausschlussgründen gewährt und damit ggf erst ab einem späteren Zeitpunkt als dem Monatsersten der Antragstellung beansprucht werden können, hindert nicht die Anknüpfung an den Ersten des Monats der Antragstellung für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen. Hierfür kommt es allein auf das tatsächliche Ereignis der Antragstellung in diesem Monat an (vgl zur Antragsrückwirkung und deren Folgen für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen Aubel in jurisPK-SGB II, Online-Ausgabe, § 37 RdNr 11, 30, 30.1, 46, 46.1, Stand: 29.8.2014; Bittner in Estelmann, SGB II, § 37 RdNr 59, Stand Dezember 2013; Link in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 37 RdNr 40; Schoch in Münder, SGB II, 5. Aufl 2013, § 37 RdNr 20; Spellbrink/G. Becker in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, §§ 36-45 SGB II RdNr 2 bis 3; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K § 37 RdNr 8, 38, Stand IV/2014).

29

4. Das Überbrückungsgeld ist nur für die Zeit vom 13.6.2012 bis zum 10.7.2012 als Einkommen leistungsmindernd zu berücksichtigen, weil das Überbrückungsgeld nach § 51 Abs 1 StVollzG der öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung unterliegt, dass es den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern soll.

30

a) Das dem Kläger am Haftentlassungstag ausgezahlte Überbrückungsgeld ist eine einmalige Einnahme iS des § 11 Abs 3 SGB II. Bei diesen Einnahmen erschöpft sich das Geschehen in einer einzigen Leistung, anders als bei laufenden Einnahmen, die auf demselben Rechtsgrund beruhen und regelmäßig erbracht werden (vgl zum Begriff der einmaligen Einnahme BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 46/08 R - Juris RdNr 14; vgl zum Überbrückungsgeld als einmaliger Einnahme BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 78/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 35 ff).

31

Für die Berücksichtigung einmaliger Einnahmen schreibt § 11 Abs 3 SGB II einen besonderen Anrechnungsmodus vor. Danach sind sie in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen (Satz 1). Sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, werden sie im Folgemonat berücksichtigt (Satz 2). Entfiele der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen (Satz 3).

32

b) Von diesem gesetzlich normierten Anrechnungsmodus nach § 11 Abs 3 SGB II für einmalige Einnahmen ist jedoch für das Überbrückungsgeld nach § 51 Abs 1 StVollzG abzuweichen. Dies folgt seit der Neufassung der §§ 11 ff SGB II mit Wirkung vom 1.4.2011 aus § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II, wonach Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen sind, als die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen.

33

Diese gegenüber der allgemeinen Regelung in § 11 SGB II speziellere Bestimmung über die einnahmeartenspezifische Abgrenzung von zu berücksichtigendem und nicht zu berücksichtigendem Einkommen gilt auch für einmalige Einnahmen(vgl zur Abweichung vom Anrechnungsmodus für einmalige Einnahmen auf der Grundlage des vor der Neufassung geltenden Rechts BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 78/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 35 bis 37). §§ 11a und 11b SGB II insgesamt enthalten Regelungen, die sowohl für laufende als auch für einmalige Einnahmen relevant sein können; Regelungen insbesondere für einmalige Einnahmen sind zB § 11a Abs 2, § 11b Abs 1 Satz 2 SGB II. Im Rahmen dieser Systematik erfasst auch § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II, der weder ausdrücklich noch der Sache nach nur auf eine der beiden Einnahmeformen angewendet werden kann, laufende ebenso wie einmalige Einnahmen. Die durch § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II bewirkte einnahmeartenspezifische Ausgrenzung von Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, vom zu berücksichtigenden Einkommen gilt, soweit sie greift, neben den allgemeinen Berücksichtigungsregeln sowohl für laufende Einnahmen nach § 11 Abs 2 SGB II als auch für einmalige Einnahmen nach § 11 Abs 3 SGB II.

34

Das Überbrückungsgeld ist aufgrund der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 51 StVollzG eine Leistung, die iS des § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht wird. Denn das Überbrückungsgeld soll nach § 51 Abs 1 StVollzG "den notwendigen Lebensunterhalt des Gefangenen und seiner Unterhaltsberechtigten für die ersten vier Wochen nach seiner Entlassung sichern". Damit dient es demselben Zweck wie das Alg II als eine der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (vgl dazu BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 78/12 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 63 RdNr 34 mwN).

35

Indes dient das Überbrückungsgeld demselben Zweck wie das Alg II nur für die ersten vier Wochen nach Haftentlassung. Es ist deshalb nur "so weit" iS des § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen, soweit auch in zeitlicher Hinsicht die Zweckidentität von Überbrückungsgeld und Alg II reicht. Hieraus ergibt sich vorliegend eine Anrechnungszeit für die ersten vier Wochen der begehrten Alg II-Leistungen nach Haftentlassung am 12.6.2012, dh für die 28 Tage vom 13.6.2012 bis zum 10.7.2012.

36

5. Aus der Berücksichtigung des Überbrückungsgeldes als einmalige Einnahme nur für die Zeit vom 13.6.2012 bis zum 10.7.2012 ergeben sich die tenorierten Nachzahlungen von 67,87 Euro für Juli 2012 und jeweils 192,54 Euro für August bis November 2012. Diese errechnen sich im Einzelnen wie folgt:

37

Im Juni 2012 betrug der rechnerische Bedarf des Klägers 224,40 Euro (monatlicher Regelbedarf 374 Euro für die 18 Tage vom 13. bis 30.6.2012). Aufgrund des für die Zeit vom 13. bis 30.6.2012 zu berücksichtigenden Überbrückungsgeldes (18/28 von 1335,22 Euro = 858,36 Euro, abzüglich der hier allein abzusetzenden Versicherungspauschale von 30 Euro insgesamt 828,36 Euro) ergibt sich in diesem Monat kein Leistungsanspruch. Dass dem Kläger für Juni 2012 vom Beklagten 44,33 Euro bewilligt und gezahlt worden sind, ist für die hier vorzunehmende Berechnung der jeweils monatlichen Höhe des Leistungsanspruchs im streitbefangenen Zeitraum ohne Belang.

38

Im Juli 2012 betrug der rechnerische Bedarf des Klägers 374 Euro (Regelbedarf; keine Bedarfe für Unterkunft und Heizung), hiervon für die 10 Tage vom 1. bis 10.7.2012 anteilig 124,67 Euro. Aufgrund des nur für die Zeit vom 1. bis 10.7.2012 zu berücksichtigenden Überbrückungsgeldes (10/28 von 1335,22 Euro = 476,86 Euro, abzüglich der hier allein abzusetzenden Versicherungspauschale von 30 Euro insgesamt 446,86 Euro) ergibt sich in diesem Monat kein Leistungsanspruch vom 1. bis 10.7.2012 und für die 20 Tage vom 11. bis 31.7.2012 (vgl § 41 Abs 1 Satz 2 SGB II) ein Leistungsanspruch in Höhe von 249,33 Euro (374 Euro - 124,67 Euro). Da dem Kläger für Juli 2012 vom Beklagten nur 181,46 Euro bewilligt und gezahlt worden sind, sind aufgrund des Monatsprinzips weitere 67,87 Euro zu zahlen.

39

Für August bis November 2012 betrug der monatliche Bedarf des Klägers 554 Euro (374 Euro Regelbedarf, 180 Euro Bedarfe für Unterkunft und Heizung). Überbrückungsgeld ist in diesen Monaten nicht zu berücksichtigen. Da dem Kläger für diese Monate vom Beklagten jeweils nur 361,46 Euro bewilligt und gezahlt worden sind, sind jeweils weitere 192,54 Euro zu zahlen.

40

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 8. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Im Streit steht die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II (Alg II) für Dezember 2011 und ein Erstattungsanspruch wegen der Gutschrift von Bausparzinsen in Höhe von 226,73 Euro.

2

Die 1948 geborene Klägerin bezog seit 2005 laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Ua für Dezember 2011 bewilligte ihr das beklagte Jobcenter Alg II zunächst vorläufig in Höhe von 670,67 Euro (Bescheid vom 12.10.2011) und nach Vorlage der Verdienstabrechnung für November 2011 sinngemäß endgültig in Höhe von 677,57 Euro, die sich zusammensetzten aus 322,90 Euro für den Regelbedarf und 354,67 Euro für Kosten der Unterkunft und Heizung ("Änderungsbescheid" vom 21.12.2011).

3

Die Klägerin unterhält seit 1999 einen Bausparvertrag, der zum 1.1.2011 ein Guthaben von 9041,04 Euro aufwies. Ende 2011 schrieb die Bausparkasse dem Bausparkonto als "Guthabenzinsen lfd. Jahr" einen Betrag von 226,73 Euro gut, der nach den Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB) der Bausparkasse nicht gesondert auszahlbar ist, sondern erst nach Kündigung des Bausparvertrags mit dem Gesamtguthaben ausgekehrt wird. Für eine abschlagsfreie Auszahlung noch im Dezember 2011 wäre dazu eine Kündigung bis zum 30.9.2011 erforderlich gewesen, die die Klägerin nicht erklärt hat. Unter Verweis auf den Zinszufluss hob der Beklagte die Leistungsbewilligung für Dezember 2011 nach Anhörung der Klägerin in Höhe von 226,73 Euro teilweise auf und setzte einen entsprechenden Erstattungsanspruch fest (Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10.7.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.10.2012).

4

Das Sozialgericht (SG) hat den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid aufgehoben (Urteil vom 8.10.2014). Die Zinsgutschrift bedinge keine wesentliche Änderung der für die Alg II-Bewilligung maßgeblichen Verhältnisse. Da sie mangels Kündigung des Bausparvertrags nicht als bereites Mittel zur Verfügung gestanden habe, handele es sich im Dezember 2011 nicht um anrechenbares Einkommen (Verweis auf BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 161/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 66 RdNr 18).

5

Mit der vom SG zugelassenen und mit Zustimmung der Klägerin eingelegten Sprungrevision rügt der Beklagte die Verletzung von § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II. Die Zinsgutschrift sei verfügbares Einkommen. Die Klägerin hätte ihre Auszahlung durch Kündigung des Bausparvertrages bewirken und sie so zur Deckung ihres Lebensunterhalts einsetzen können. Verletzt sei dadurch auch der "Nachrangigkeitsgrundsatz aus § 3 SGB II", dem es widerspreche, wenn die Berücksichtigung realisierbarer Zinsen von einer Gestaltung des Leistungsberechtigten abhängig sei.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 8. Oktober 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Sprungrevision des Beklagten ist unbegründet. Zutreffend hat das SG entschieden, dass die im Dezember 2011 gutgeschriebenen Bausparzinsen im streitbefangenen Zeitraum mangels Verfügbarkeit zur Deckung des Lebensunterhalts nicht als Einkommen der Klägerin bedarfsdeckend zu berücksichtigen sind.

9

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 10.7.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.10.2012, durch den der Beklagte den "Änderungsbescheid" vom 21.12.2011 für den Zeitraum vom 1.12. bis 31.12.2011 wegen der Zinsgutschrift vom 30.12.2011 in Höhe von 226,73 Euro teilweise aufgehoben hat und Erstattung in gleicher Höhe verlangt. Im Streit steht damit die Herabsetzung der endgültigen Alg II-Bewilligung für Dezember 2011 in Änderung des Bescheids vom 21.12.2011. Durch diesen hat der Beklagte ungeachtet der Bezeichnung als "Änderungsbescheid" der Sache nach gemäß § 40 Abs 2 Nr 1 SGB II(idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453; im Folgenden: RBEG) iVm § 328 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) endgültig über den Leistungsanspruch der Klägerin für Dezember 2011 entschieden und hierdurch die ursprünglich nur vorläufige Leistungsbewilligung vom 12.10.2011 ersetzt, zum Ausdruck gebracht durch die Wendung "Leistungen werden nunmehr … in folgender Höhe bewilligt" (vgl dagegen zur mangelnden Eignung eines Änderungsbescheids als endgültige Leistungsbewilligung bei geringerer Leistung Bundessozialgericht Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 31/14 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).

10

2. Prozessuale Hindernisse, die einer Sachentscheidung über das von der Klägerin zutreffend mit der isolierten Anfechtungsklage verfolgte Rechtsschutzbegehren (§ 54 Abs 1 Satz 1 1. Alt Sozialgerichtsgesetz ) entgegenstünden, bestehen nicht. Ohne Bedeutung ist insbesondere, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes mit 226,73 Euro unterhalb der Grenze von 750 Euro liegt (vgl § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 idF des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444), denn es liegt in der im Urteil des SG erfolgten Zulassung der Sprungrevision zugleich eine Zulassung der Berufung nach § 144 Abs 2 Nr 1 SGG(BSG Urteil vom 9.4.2014 - B 14 AS 46/13 R - BSGE 115, 288 = SozR 4-1500 § 87 Nr 2, RdNr 10).

11

3. Die Rechtmäßigkeit der (Teil-)Aufhebung misst sich an § 40 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Nr 4 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III und § 48 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB X). Betrifft er - wie hier - Leistungen nach dem SGB II, ist er mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit ua nach seinem Erlass Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 40 Abs 2 Nr 4 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III und § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X). So liegt es hier nicht, weil es mangels Verfügbarkeit der Zinsgutschrift zur Lebensunterhaltsdeckung an ihrer Berücksichtigungsfähigkeit als Einkommen nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II(hier in der am 1.4.2011 in Kraft getretenen Fassung des RBEG) im streitbefangenen Zeitraum fehlt.

12

4. Ein dem Guthaben eines Bausparkontos zugeschlagener Zinsertrag ist vor Auszahlung des Guthabens auch dann nicht als Einkommen bedarfsdeckend zu berücksichtigen, wenn der Bausparvertrag vorzeitig gekündigt werden kann.

13

a) Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge und mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Dabei ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II nach der ständigen Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG grundsätzlich alles das, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen das, was der Leistungsberechtigte vor der Antragstellung bereits hatte(modifizierte Zuflusstheorie siehe BSG vom 30.7.2008 - B 14/11b AS 17/0AS 17/07 R - RdNr 20 ff; siehe auch BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18; BSG vom 6.10.2011 - B 14 AS 94/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 46 RdNr 18). Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (stRspr seit BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; zuletzt etwa BSG Urteil vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 69 RdNr 16).

14

b) Zutreffend ist der Beklagte hiernach davon ausgegangen, dass die Zinsgutschrift der Klägerin als Einkommen zugeflossen und nicht als Vermögen anzusehen ist. Entscheidend dafür ist allein, dass das Kapital ihres Bausparkontos im Dezember 2011, also nach erstmaliger Beantragung von Alg II einen Wertzuwachs in Höhe von 226,73 Euro erfahren hat. Ohne Bedeutung für die gebotene Unterscheidung zwischen Einkommen und Vermögen ist dagegen, ob der Klägerin die Mittel ohne Kündigung zu diesem Zeitpunkt zur Deckung des Lebensunterhalts tatsächlich zur Verfügung standen (stRspr; vgl nur BSG Urteil vom 25.1.2012 - B 14 AS 101/11 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 47 RdNr 20; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 132/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 60 RdNr 21; BSG vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 69 RdNr 17).

15

c) Bedeutung hat die tatsächliche Verfügbarkeit des Wertzuwachses im hier streitbefangenen Bewilligungszeitraum allerdings entgegen der Auffassung des Beklagten für die Frage, ob das Einkommen bereits im Monat des Zuflusses als zur Sicherung des Lebensunterhalts "bereites Mittel" bedarfsdeckend zu berücksichtigen ist. Es kommt nämlich bei Berücksichtigung einer Einnahme als Einkommen in einem abschließenden Prüfungsschritt darauf an, ob zugeflossenes Einkommen als "bereites Mittel" geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken (stRspr; vgl nur BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 9 RdNr 20; Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 21; Urteil vom 21.6.2011 - B 4 AS 21/10 R - BSGE 108, 258 = SozR 4-4200 § 11 Nr 39, RdNr 29; BSG Urteil vom 25.1.2012 - B 14 AS 101/11 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 47 RdNr 22; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 132/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 60 RdNr 22; BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 13).

16

Demgemäß ist etwa eine nach erstmaliger Beantragung von Alg II angefallene Erbschaft erst ab dem Zeitpunkt bedarfsdeckend als Einkommen zu berücksichtigen, in dem sie als "bereites Mittel" zur Verfügung steht (BSG Urteil vom 25.1.2012 - B 14 AS 101/11 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 47 RdNr 21 ff; vgl zuletzt BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 10/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 70 RdNr 30). Ebenso sind gepfändete Anteile des Einkommens von der Einkommensberücksichtigung ausgenommen, solange sie nicht als "bereite Mittel" zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehen (BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 19). Entsprechend ist in der Rechtsprechung geklärt, dass eine einmalige Einnahme auch über einen Verteilzeitraum hinweg nur bedarfsmindernd berücksichtigt werden darf, soweit sie als "bereites Mittel" geeignet ist, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken (BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 14; BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - BSGE 114, 188 = SozR 4-4200 § 11 Nr 62, RdNr 31). Ungeschriebenes zusätzliches Tatbestandsmerkmal von § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II ist mithin, dass als Einkommen nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge und mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen sind, die im Monat des Zuflusses als "bereite Mittel" zur Existenzsicherung eingesetzt werden können.

17

So lag es bei der Zinsgutschrift im hier streitbefangenen Zeitraum nicht. Voraussetzung dafür wäre nach den von der Bausparkasse verwandten ABB, wie der Gesamtzusammenhang der von der Sprungrevision nicht in Zweifel zu ziehenden (§ 161 Abs 4 SGG) und daher bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des SG ergibt, vielmehr die Kündigung des Bausparvertrags zu Ende Dezember 2011 gewesen, die die Klägerin nicht erklärt hat. Bis dahin hat ihr die Gutschrift zunächst nur die Rechtsposition vermittelt, nach einer Kündigung des Bausparvertrags als Teil der bis dahin angewachsenen Bausparsumme die Auszahlung auch der Zinsen für das Jahr 2011 verlangen zu können. Erst mit der Überweisung auf ein zur Bestreitung des Lebensunterhalts frei verfügbares Konto stehen die Zinsen so zur Verfügung, dass sie als "bereite Mittel" zur Existenzsicherung eingesetzt werden können.

18

d) Davon ist entgegen der Auffassung des Beklagten hier nicht deshalb abzuweichen, weil der Klägerin - wie die Feststellungen des SG zu verstehen sind - die Möglichkeit der vorzeitigen Kündigung des Bausparvertrags offen stand. Da sie davon nach den Feststellungen bis Ende Dezember 2011 keinen Gebrauch gemacht hat, wäre sie nach dieser Betrachtungsweise auf lediglich fiktiv vorhandenes Einkommen verwiesen. Ein solcher Verweis ist nach übereinstimmender Rechtsprechung der Grundsicherungssenate des BSG unzulässig; die Verweigerung existenzsichernder Leistungen aufgrund der Annahme, dass die Hilfebedürftigkeit bei bestimmtem wirtschaftlichen Verhalten - hier also der vorzeitigen Kündigung des Bausparvertrags - (teilweise) abzuwenden gewesen wäre, ist mit Art 1 Grundgesetz (GG) iVm Art 20 GG nicht vereinbar (stRspr; vgl nur BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 9 RdNr 20; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 21; Urteil vom 21.6.2011 - B 4 AS 21/10 R - BSGE 108, 258 = SozR 4-4200 § 11 Nr 39, RdNr 29; BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 13 f; BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 73/12 R - NZS 2014, 114 RdNr 24). Steht der als Einkommen erlangte Wertzuwachs im Zeitpunkt des Zuflusses aus Rechtsgründen noch nicht als "bereites Mittel" bedarfsdeckend zur Verfügung, ist deshalb die Berücksichtigung als Einkommen zu diesem Zeitpunkt auch dann ausgeschlossen, wenn der Leistungsberechtigte auf die Realisierung des Wertes hinwirken kann; sofern in solchen Fällen in früheren Entscheidungen eine Berücksichtigung bereits zum Zeitpunkt des Zuflusses erwogen worden ist, wenn eine Freigabe der fraglichen Mittel "ohne Weiteres" zu erreichen war (vgl etwa BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 132/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 60 RdNr 22), so ist darauf nach der zitierten jüngeren Rechtsprechung nicht mehr abzustellen. Allenfalls ist in dieser Lage nach der übereinstimmenden Rechtsprechung beider Grundsicherungssenate des BSG vielmehr in Betracht zu ziehen, dass ein solches - einen Wertzuwachs nicht realisierendes - Verhalten einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II auslösen kann(vgl etwa BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 17; Urteil vom 12.12.2013 - B 14 AS 76/12 R - RdNr 13; BSG Urteil vom 24.4.2015 - B 4 AS 39/14 R - BSGE , SozR 4-4200 § 52 Nr 1, RdNr 46). Hierdurch wird auch dem vom Beklagten angesprochene Nachrangigkeitsgrundsatz (vgl §§ 2, 3 Abs 3 Halbs 1 SGB II) Rechnung getragen, der hinsichtlich der Berücksichtigung von Einkommen durch die §§ 11 ff SGB II und die dazu ergangene Rechtsprechung in der zuvor dargestellten Weise konkretisiert wird.

19

5. Mangels rechtmäßiger Teilaufhebung der Alg II-Bewilligung für Dezember 2011 ist auch der darauf gestützte Erstattungsbescheid rechtswidrig (vgl § 50 Abs 1 SGB X).

20

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch auf Kinderzuschlag für die Monate Januar bis März 2011.

2

Die Beklagte bewilligte dem Kläger, der ein Erwerbseinkommen erzielte, unter Berücksichtigung seiner Kinder T (geb 2000), M (geb 2007) und N (geb 2010) in den Monaten April 2010 bis Dezember 2010 jeweils einen Kinderzuschlag in einer Gesamthöhe von 330 Euro monatlich. Seinen Weiterbewilligungsantrag vom 17.12.2010 lehnte sie ab: Unter Berücksichtigung des an die Ehefrau des Klägers geleisteten Elterngeldes, welches nach der Novelle des Elterngeldgesetzes ab Januar 2011 anzurechnen sei, könne keine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II eintreten (Bescheid vom 22.12.2010; Widerspruchsbescheid vom 28.2.2011). Nach Beendigung des Elterngeldbezugs wurde der Kinderzuschlag erneut ab 1.4.2011 geleistet.

3

Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid vom 21.1.2013 zurückgewiesen (Urteil vom 22.10.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Kinderzuschlag scheitere daran, dass das anrechenbare Einkommen des Klägers und der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen den maßgeblichen Bedarf übersteige. Die Bewilligung eines Kinderzuschlags könne unabhängig von seiner konkreten Höhe und Berechnung nicht dazu führen, dass eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II vermieden werde. Es seien die laufenden Einkünfte des Klägers aus seiner Beschäftigung bei der Firma Möbel B (1706 Euro jeweils im Januar/Februar 2011; 1806 Euro im März 2011) und das an die Ehefrau bis einschließlich März 2011 erbrachte Elterngeld in Höhe von 300 Euro, von dem die Versicherungspauschale abzusetzen sei, zu berücksichtigen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anrechnung des Elterngeldes durch die zum 1.1.2011 in Kraft getretene Neuregelung des § 10 Abs 5 S 1 BEEG bestünden nicht. Dies folge aus den Entscheidungen des BVerfG vom 11.3.2011 zur Anrechnung des Kindergeldes (1 BvR 3163/09) und vom 20.4.2011 zur Stichtagsregelung beim Elterngeld (1 BvR 1811/08). Von dem Erwerbseinkommen des Klägers seien neben den bereits vom Arbeitgeber abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen der Erwerbstätigen- und der Grundfreibetrag in Abzug zu bringen. Es ergebe sich ein anrechenbarer Betrag von 1033,83 Euro (Januar/Februar 2011) bzw 1100,70 Euro (März 2011). Hinzuzurechnen sei monatlich der zwölfte Teil des anteiligen Weihnachtsgeldes. Hiervon entfalle auf die Monate Januar bis März 2011 jeweils ein Betrag in Höhe von 102,74 Euro, sodass für Januar/Februar 2011 je 1136,57 Euro und im März 2011 1203,44 Euro als Gesamteinkünfte der Bedarfsgemeinschaft zugrunde zu legen seien. Hinzu komme - je Monat - das Kindergeld und das Wohngeld. Es ergebe sich ein anrechenbares Einkommen im Januar/Februar 2011 von jeweils 2119,57 Euro und im März 2011 von 2186,44 Euro. Der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft errechne sich aus den Regelleistungen für die Eheleute von jeweils 328 Euro, dem Sozialgeld für T in Höhe von 251 Euro sowie für M und N in Höhe von jeweils 215 Euro. Zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 569,12 Euro monatlich bestehe ein unterhalb des anrechenbaren Einkommens liegender Gesamtbedarf in den Monaten von Januar bis März 2011 von jeweils 1906,12 Euro.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger einen Verstoß des § 10 Abs 5 Bundeselterngeld und -Elternzeitgesetz (BEEG) gegen Art 2 Abs 1 GG, den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG und das Sozialstaatsprinzip. Bei der Familienleistung des Elterngeldes differenziere der Gesetzgeber zwischen den Eltern und schließe die ärmsten Eltern und deren Kinder von einer Förderung aus, ohne dass ein rechtfertigender Grund ersichtlich sei. Unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der Erziehungspersonen werde das Elterngeld stets mindestens in Höhe von 300 Euro gezahlt; es entfalle erst bei einem Jahreseinkommen von mehr als 250 000/500 000 Euro. Der Sockelbetrag des Elterngeldes sei daher keine Entgeltersatzleistung und keine solche zum Lebensunterhalt; er solle die Anerkennung für die Erziehungs- und Betreuungsleistung von Eltern zum Ausdruck bringen und einen Schonraum in der Frühphase der Elternschaft ohne größere finanzielle Nöte schaffen. Zwischen den Erziehungspersonen mit und ohne Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II/SGB XII bzw auf den Kinderzuschlag bestünden keine, die Ungleichbehandlung rechtfertigenden Unterschiede im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG. Soweit der Gesetzgeber haushaltspolitische Gründe anführe, sei nicht ersichtlich, warum das Elterngeld gerade bei denjenigen faktisch entfalle, die es am meisten bräuchten. Der Gesetzgeber müsse begründen, warum er armen Eltern den Schonraum für eine Erziehung in der Anfangszeit verwehre. Auch der Vergleich mit anderen, zuvor gleichfalls nicht erwerbstätigen Beziehern anderer Sozialleistungen mache die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung deutlich. Über die wirtschaftliche Belastung der Eltern wirke sich die Differenzierung auch auf die betreuten Kinder aus.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22.10.2013 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 21.1.2013 aufzuheben sowie den Bescheid vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.2.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Monate Januar bis März 2011 Kinderzuschlag in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zur Recht zurückgewiesen, weil er in dem streitigen Zeitraum von Januar bis März 2011 keinen Kinderzuschlag beanspruchen kann.

9

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 22.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.2.2011, mit dem die Beklagte für den hier streitigen Zeitraum von Januar 2011 bis März 2011 (Zeitraum des Elterngeldbezugs in Höhe von 300 Euro durch die Ehefrau des Klägers) die Leistung eines Kinderzuschlags abgelehnt hat. Gegen diese Bescheide wendet sich der Kläger zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG, § 56 SGG).

10

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in der hier mit Wirkung zum 1.1.2011 in Kraft getretenen Normfassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII vom 24.3.2011 (BGBl I 453; im Folgenden: § 6a BKGG aF).

11

Nach § 6a Abs 1 BKGG aF erhalten Personen nach dem BKGG für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn 1. sie für diese Kinder nach dem BKGG oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen iS von § 4 BKGG haben, 2. sie mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kindergeldes über Einkommen iS von § 11 Abs 1 S 1 SGB II in Höhe von 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b SGB II nicht abzusetzen sind (sog "Mindesteinkommensgrenze"), 3. sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen iS der §§ 11 bis 12 SGB II verfügen, das höchstens dem nach § 6a Abs 4 S 1 BKGG für sie maßgebenden Betrag zuzüglich dem Gesamtkinderzuschlag nach § 6a Abs 2 BKGG entspricht ("Höchsteinkommensgrenze") und 4. durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird.

12

Das LSG ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass - unbesehen der konkreten Höhe des Kinderzuschlags, dessen Berechnung es nicht bedarf - schon die Anspruchsvoraussetzung des § 6a Abs 1 Nr 4 S 1 BKGG aF nicht erfüllt ist, dass durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird. Diese Anspruchsvoraussetzung beinhaltet die Prüfung, ob ohne die Zahlung des Kinderzuschlags Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II gegeben wäre (Kühl in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 6a BKGG RdNr 45). Ob durch die Bewilligung eines Kinderzuschlags im Sinne eines kausalen Zusammenhangs eine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II vermieden werden kann, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung des anrechenbaren Einkommens und Vermögens und der Bedarfe sämtlicher Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 6a BKGG RdNr 120, Stand 4/2014). Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das an die Ehefrau des Klägers in den Monaten Januar bis März 2011 gezahlte Elterngeld in Höhe von 300 Euro (Mindestelterngeld) als bedarfsminderndes Einkommen bei der Prüfung einer Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu berücksichtigen ist (s hierzu 3.). Dies führt im Ergebnis dazu, dass das anrechenbare Einkommen der Bedarfsgemeinschaft deren Gesamtbedarf übersteigt (s zur Berechnung im Einzelnen unter 6.). Die notwendige Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs 5 S 1 BEEG kann sich der Senat nicht bilden(s hierzu 4.), insbesondere auch nicht bezogen auf einen möglichen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG (s hierzu 5.).

13

3. a) Nach Maßgabe der einfachgesetzlichen Vorschriften mindert das Elterngeld als Einkommen der Ehefrau des Klägers die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft iS des § 6a Abs 1 Nr 4 BKGG aF iVm § 11 SGB II.

14

Zu der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit nach § 6a Abs 1 Nr 4 BKGG aF haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits entschieden, dass auf den Begriff des Einkommens und des Vermögens nach den §§ 11 bis 13 SGB II abzustellen ist. Insbesondere die gesetzliche Zielsetzung, das Aufeinander-Bezogen-Sein und der wechselseitige Ausschluss der Leistungssysteme nach dem SGB II und nach § 6a BKGG sprechen für eine Parallelität der Rechtsanwendung(vgl BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 13 ff; BSG Urteil vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 69 RdNr 14).

15

Nach § 11 Abs 1 S 1 SGB II in der hier maßgeblichen bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung (des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 zuletzt geändert durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 9.12.2010 im Folgenden: § 11 SGB II aF)sind als Einkommen die Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Leben sowie an Körper und Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG zu berücksichtigen.

16

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass das an die Ehefrau des Klägers in den Monaten Januar bis März 2011 erbrachte Elterngeld in Höhe von 300 Euro als Einkommen anzurechnen ist.

17

b) Zwar sah § 10 Abs 1 BEEG in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006 (BGBl I 2748) vor, dass das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 BEEG auf das Elterngeld angerechneten Leistungen bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt blieben. Dies galt auch bei Bezug von Leistungen der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitsuchende (BT-Drucks 16/1889, S 26). Entsprechend bestimmte § 11 Abs 3a SGB II idF des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006 (BGBl I 2748) als Ausnahmeregelung zur Einkommensanrechnung klarstellend, dass abweichend von § 11 Abs 1 bis 3 SGB II derjenige Teil des Elterngeldes, der die nach § 10 BEEG anrechnungsfreien Beträge überstieg, in voller Höhe zu berücksichtigen war. Mit Wirkung zum 1.1.2011 ist jedoch durch Art 14 Nr 4 HBeglG 2011 vom 9.12.2010 die Vorschrift des § 10 Abs 5 BEEG(BGBl I 1885) eingefügt worden. § 10 Abs 5 S 1 BEEG bestimmt nunmehr ausdrücklich, dass die Regelung des § 10 Abs 1 BEEG, nach der das Elterngeld bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt bleibt, nicht bei Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und für den Kinderzuschlag nach § 6a BKGG gilt. Als Folgeregelung wurde § 11 Abs 3a SGB II aufgehoben(Art 15 Nr 2 HBeglG 2011).

18

Die Voraussetzungen der Rückausnahme des § 10 Abs 5 S 2 BEEG liegen hier nicht vor. Nach § 10 Abs 5 S 2 BEEG bleibt bei den Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und nach § 6a BKGG das Elterngeld in Höhe des nach § 2 Abs 1 BEEG berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Eine solche Fallgestaltung ist nicht gegeben, weil die Ehefrau des Klägers vor der Geburt kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielte.

19

c) Es kann dahinstehen, ob § 10 Abs 5 BEEG mit Wirkung zum 1.1.2011 eine abschließende (negative) Zweckbestimmung zur Verwendung des Elterngeldes zur Sicherung des Existenzminimums anordnet bzw eine anderweitige Zweckbestimmung hindert (vgl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11a RdNr 316, Stand 1/2015; Söhngen in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 11a RdNr 37). Jedenfalls ergeben sich aus den sonstigen Regelungen des BEEG und des SGB II keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem Elterngeld um eine zweckgebundene Leistung im Sinne des SGB II handelte.

20

Nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II in der hier maßgeblichen Normfassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3.8.2010 ( im Folgenden: § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II aF)sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Entsprechend dem allgemeinen Grundsatz der Nachrangigkeit von SGB II-Leistungen soll die Vorschrift verhindern, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden (BSG Urteil vom 5.9.2007 - B 11b AS 15/06 R - BSGE 99, 47 = SozR 4-4200 § 11 Nr 5, RdNr 28; BSG Urteil vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 16/06 R - BSGE 99, 240 = SozR 4-4200 § 11 Nr 8, RdNr 16). Die Außerachtlassung von Einnahmen erfolgt nur unter engen Voraussetzungen, die ausdrücklich durch die besondere Zweckbestimmung der weiteren Einnahmen gerechtfertigt sein müssen.

21

Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate haben insofern gefordert, dass die Leistungen zu einem ausdrücklich genannten Verwendungszweck gewährt werden, der über den durch die Zahlung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II verfolgten Zweck der Sicherung des Lebensunterhalts hinausgeht. Eine solche Zweckbestimmung ist nach der hier maßgebenden Rechtslage bis zum 31.3.2011 in erster Linie dem Wortlaut der Regelungen, aber auch deren Systematik und Entstehungsgeschichte zu entnehmen (vgl ab 1.4.2011 die ausdrücklich formulierte Anforderung des § 11a Abs 3 SGB II: "Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, sind nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen"). Einen abweichenden Verwendungszweck hat der Senat zB für die Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungs-förderungsgesetz (BAföG) angenommen, weil in den §§ 1, 11 Abs 1 BAföG als zwei neben-einander ausdrücklich genannten Zweckbestimmungen sowohl die Deckung des Lebensunterhalts während der Ausbildung als auch die Deckung der Kosten der Ausbildung genannt werden(BSG Urteil vom 17.3.2009 - B 14 AS 63/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 21 RdNr 24). Verneint wurde dies andererseits für das Ausbildungsgeld, weil sich weder in dem Wortlaut der Regelungen noch entstehungsgeschichtlich Anhaltspunkte dafür fanden, dass der Gesetzgeber mit dem Ausbildungsgeld eine besondere, über die Lebensunterhaltssicherung hinausgehende Zwecksetzung verfolgt hätte (BSG Urteil vom 16.6.2015 - B 4 AS 37/14 R -SozR 4-4200 § 27 Nr 2 RdNr 29 mwN).

22

Für das Elterngeld ist ein solcher konkreter Verwendungszweck nicht vorhanden (so auch Schmidt in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 11a RdNr 20). Der Ausgestaltung des BEEG und den in den Gesetzesmaterialien formulierten Vorstellungen des Gesetzgebers von der Funktion des Elterngeldes, insbesondere des Mindestelterngeldes, sind lediglich verschiedene Ziele des Elterngeldes zu entnehmen, die sich jedoch nicht zu einer eigenständigen Bestimmung eines konkreten Verwendungszwecks im Sinne des SGB II verdichtet haben. Eine gesetzgeberische Zweckbestimmung zur Verwendung des Mindestelterngeldes von 300 Euro im Sinne eines konkreten Verwendungszwecks, die als Differenzierungsverbot iS des Art 3 Abs 1 GG (vgl hierzu näher unter 5.) die generelle Herausnahme dieses Betrags aus dem Nachranggrundsatz erfordern könnte, hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen (so auch Frerichs in Sozialrecht aktuell 2011, 167, 170).

23

4. Die notwendige Überzeugung von einer Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs 5 S 1 BEEG(vgl zu den Voraussetzungen einer Vorlage nach Art 100 Abs 1 GG nur BVerfG Beschluss vom 4.6.2012 - 2 BvL 9/08 ua - BVerfGE 131, 88, 117 f; s auch BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 36 zu § 10 Abs 5 BEEG)kann sich der Senat - in der hier allein zu prüfenden Sachverhaltskonstellation einer Berücksichtigung (auch) des Mindestelterngeldes als anrechenbares Einkommen im Sinne des SGB II bzw des Kinderzuschlags bei vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätigen Eltern - nicht bilden (vgl zur verfassungsrechtlichen Prüfung des Gesetzes in seinen Auswirkungen auf den individuellen Sachverhalt nur BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 12 AL 3/11 R - SozR 4-4300 § 28a Nr 6; eine Verfassungswidrigkeit verneinend Frerichs, Sozialrecht aktuell 2011, 167; Mutschler in Tilmanns/Mutschler , MuSchG/BEEG, 1. Aufl 2015, § 10 BEEG RdNr 29 f; Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 10 RdNr 34 ff; aA Lenze, info also 2011, 3; verfassungsrechtliche Bedenken bei Dau, jurisPR-SozR 7/2013, Anm 5; Dau, jurisPR-SozR 2/2012 Anm 2; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11a RdNr 316, Stand 1/2015; Söhngen in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 11a RdNr 37).

24

a) Die Regelungen des BEEG, für das die Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung zu bejahen ist, sind im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art 74 Abs 1 Nr 7 GG iVm Art 72 Abs 2 GG wirksam erlassen worden (BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 36 ff). Wie der 10. Senat des BSG bereits ausgeführt hat, ist der in Art 74 Abs 1 Nr 7 GG verwendete Begriff der öffentlichen Fürsorge in einem weiten Sinne zu verstehen (vgl BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 38 f). Die Orientierung an Bedarfslagen zeigt sich weiterhin an der Begünstigung von Geringverdienern und bei Mehrlingsgeburten (§ 2 Abs 6 BEEG), dem "Geschwisterbonus" sowie der Festlegung eines Höchstbetrags für das Elterngeld von 1800 Euro.

25

b) Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen (Art 20 Abs 3 iVm Art 2 Abs 1 GG). Jedenfalls in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation verstößt die Anwendung des § 10 Abs 5 S 1 BEEG nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsgebot des Art 20 Abs 3 GG abgeleitete Verbot einer unechten Rückwirkung. Zwar ist die Anfügung des § 10 Abs 5 S 1 BEEG durch das HBeglG 2011 nicht mit einer Übergangsregelung für laufende SGB II-Leistungen bzw den Kinderzuschlag verbunden gewesen. Dies betrifft jedoch nicht den zu entscheidenden Sachverhalt. Eine Rechtsposition, die durch den Vertrauensschutzgrundsatz gegen ihre im Hinblick auf die umfassende bedarfsmindernde Berücksichtigung des Elterngeldes nachträgliche Entwertung hätte geschützt werden können, ist erst mit der auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 17.12.2010 folgenden Feststellung eines Rechts auf Kinderzuschlag für die Zeit von Januar bis März 2011, also mit und nicht vor Inkrafttreten des HBeglG 2011, entstanden (vgl hierzu BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 39 f).

26

Zur unechten Rückwirkung im Fürsorgerecht hat das BVerfG - bezogen auf die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 1.1.2005 - bereits betont, dass eine unabhängig vom Bewilligungsakt bestehende Erwartung der Betroffenen, sie würden, den Fortbestand der jeweiligen Rechtslage vorausgesetzt, in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, mangels hinreichender Konkretisierung kein geschütztes Recht ist. Die Verfassung gewährt keinen Schutz vor einer nachteiligen Veränderung der geltenden Rechtslage. Ein schützenswertes Vertrauen auf die voraussichtliche Ausgestaltung bestimmter Vorschriften in der Zukunft existiert nicht (BVerfG Beschluss vom 7.12.2010 - 1 BvR 2628/07 - BVerfGE 128, 90, 106; vgl auch BSG Urteil vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 10/06 R - BSGE 101, 217 = SozR 4-3500 § 133a Nr 1, RdNr 22; s auch Hessisches LSG Beschluss vom 1.8.2013 - L 6 AS 378/13 - FEVS 65, 323).

27

c) Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG wird durch die vollständige Berücksichtigung des Elterngeldes bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II als Anspruchsvoraussetzung für den Kinderzuschlag nicht verletzt. Der Kläger und die Bedarfsgemeinschaft verfügen mit ihren Einkünften unter Einbeziehung des Elterngeldes im Ergebnis über ausreichende, den gesetzlichen Anforderungen nach dem SGB II zur Sicherung des Existenzminimums genügende Mittel (s hierzu näher unter 5.). Insofern gilt hinsichtlich der Höhe der auch beim Kinderzuschlag zu berücksichtigenden Existenzmittel nach dem SGB II, dass der Bedarf der betreuenden Elternteile und der Kinder durch die Regelbedarfe, ggf einschließlich des Bedarfs für Alleinerziehende, gesichert und dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet wird. Die vorübergehende Übernahme der Betreuung eines Kindes wird durch die der Existenzsicherung dienenden Systeme unterstützt, indem steuerfinanzierte Leistungen erbracht werden und gleichzeitig keine Erwerbstätigkeit zugemutet wird (BT-Drucks 17/3030, S 48; BR-Drucks 532/10, S 61). Zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums - im konkreten Fall ggf durch einen ergänzenden Kinderzuschlag - ist es daher nicht zwingend geboten, dass zumindest ein Teilbetrag des Elterngeldes in Höhe von 300 Euro anrechnungsfrei bleibt (LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 4.12.2014 - L 2 AS 1009/13 - juris RdNr 33 f - anhängig BSG - B 14 AS 28/15 R; Hessisches LSG Beschluss vom 1.8.2013 - L 6 AS 378/13 - juris RdNr 29; vgl auch BVerfG Beschluss vom 11.3.2010 - 1 BvR 3163/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 32 RdNr 7 zur Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen auf Leistungen nach dem SGB II; BVerfG Beschluss vom 24.10.1991 - 1 BvR 1159/91 - juris RdNr 11 zur Anrechnung des Zuschlags zum Kindergeld nach § 11a BKGG auf Sozialhilfeleistungen).

28

Soweit der Gesetzgeber mit der Einführung des Elterngeldes ab 1.1.2007 - begrenzt auf die Zeit bis zum 31.12.2010 - zunächst den Sockelbetrag in Höhe von 300 Euro als Einkommen auch bei den existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und bei dem Kinderzuschlag unberücksichtigt ließ, handelte es sich nicht um eine ergänzende kindbezogene Förderung im Sinne einer verfassungsrechtlich geforderten existenzsichernden Leistung für einkommensschwache Familien (vgl aber zu diesem Aspekt: Lenze in info also 2011, 3, 8). Dem Mindestelterngeld liegt - anders als den existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII - keine realitätsgerechte und schlüssige sachlich differenzierte Berechnung der ggf besonderen Bedarfe der Gruppe der Eltern zur Festlegung des Existenzminimums zugrunde. Es handelt sich um eine über die bloße Existenzsicherung hinausgehende Leistung, mit der verschiedene Zielsetzungen verfolgt werden. Eine sozialpolitisch ggf wünschenswerte Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes bzw des Mindestbetrages bei allen bedürftigkeits-abhängigen Leistungen lässt sich aus dem Sozialstaatsgebot aber nicht ableiten (Frerichs in Sozialrecht aktuell 2011, 167, 169).

29

Auch ergibt sich aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht, dass eine den steuerrechtlichen Begünstigungsvorschriften entsprechende Freistellung des Elterngeldes von der Anrechenbarkeit bei existenzsichernden Leistungen erfolgen muss. Zwar gehen die steuerrechtlichen Regelungen von einer einheitlichen Behandlung des Mindestelterngeldes und der darüber hinaus gewährten Beträge mit Bezug zum bisherigen Einkommen aus (BFH Beschluss vom 21.9.2009 - VI B 31/09 - BFHE 226, 329) und ist das Elterngeld nach § 3 Nr 67 EStG steuerfreies Einkommen. Steuerlich zu berücksichtigende Aufwendungen und bedürftigkeitsabhängige Sozialleistungen - gestaltet durch Anrechnungs- und Berücksichtigungsregelungen - können jedoch eine unterschiedliche Höhe erreichen, zumal Normen des Einkommensteuerrechts auch fördernden Charakter haben und familienpolitische Ziele beinhalten können (vgl BVerfG Beschluss vom 11.3.2010 - 1 BvR 3163/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 32 RdNr 7 mit Hinweis auf § 31 S 1 EStG zum Kindergeld).

30

5. Die Berücksichtigung des an die Ehefrau gezahlten Elterngeldes als Einkommen der Bedarfsgemeinschaft verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 GG.

31

a) Der allgemeine Gleichheitssatz ist hier als Prüfungsmaßstab heranzuziehen, weil Regelungsgegenstände betroffen sind, die nicht (allein) mit der Bemessung der existenzsichernden Leistungen an sich zusammenhängen. Zwar vermag Art 3 Abs 1 GG für die Bemessung des Existenzminimums keine weiteren Maßstäbe zu setzen, weil entscheidend allein ist, dass für jede individuell hilfebedürftige Person das Existenzminimum nach Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG ausreichend erfasst ist. Art 3 Abs 1 GG kann aber Prüfgegenstand bei Fallgestaltungen sein, in denen der Gesetzgeber im Ergebnis mehr Leistungen erbringt, als aus seiner Sicht zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums notwendig sind, zB indem er nur bei bestimmten Personengruppen Einnahmen als leistungsminderndes Einkommen nicht berücksichtigt oder anrechnungsfrei stellt (BVerfG Beschluss vom 7.7.2010 - 1 BvR 2556/09 - SozR 4-4200 § 11 Nr 33, RdNr 13; s auch BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175, 219; BVerfG Beschluss vom 11.7.2006 - 1 BvR 293/05 - BVerfGE 116, 229, 238 zur Anrechnung von Schmerzensgeld auf AsylbLG-Leistungen).

32

b) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen, aber auch gleichheitswidrige Begünstigungsausschlüsse (BVerfG Beschluss vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240, 252 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 40; BVerfG Beschluss vom 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49, 68), bei denen eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen aber vorenthalten wird (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - NZS 2011, 895).

33

Der hier vorliegende Begünstigungsausschluss bei der Einkommensanrechnung erfolgt in der Weise, dass die grundsätzliche Freistellung des Mindestelterngeldes von der Einkommensberücksichtigung bei Beziehern von Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkünften abhängig ist (§ 10 Abs 1 BEEG) für Elterngeld beziehende SGB II- und SGB XII-Leistungsberechtigte bzw einen Kinderzuschlag beanspruchende Eltern seit der Einfügung der Anrechnungsvorschrift des § 10 Abs 5 S 1 BEEG im Grundsatz nicht (mehr) gilt. Der Begünstigungsausschluss betrifft allerdings nicht sämtliche Eltern, sondern diejenigen - bis zu einer Höhe des am vorgeburtlichen Erwerbseinkommen orientierten Elterngeldes von insgesamt 300 Euro - nicht, bei denen Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes zu berücksichtigen ist (Rückausnahme des § 10 Abs 5 S 2 BEEG). Derartige Differenzierungen sind hinsichtlich ihrer Rechtfertigung am Gleichheitssatz zu messen.

34

Der Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe ungleich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG Beschluss vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240, 253 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 40). Insofern ergeben sich hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den eine Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl BVerfG Beschluss vom 7.11.2006 - 1 BvL 10/02 - BVerfGE 117, 1, 30; BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400, 416 mwN; BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214; BVerfG Beschluss vom 26.3.2014 - 1 BvR 1133/12 - NZS 2014, 414). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl BVerfG Beschluss vom 26.1.1993 - 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92 - BVerfGE 88, 87, 96; BVerfG vom 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49, 69; vgl zum Prüfungsmaßstab bei einem möglichen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz auch Britz, NJW 2014, 346).

35

Insofern betrifft die Anrechenbarkeit des Elterngeldes auf die SGB II-Leistungen und damit auch auf den Kinderzuschlag bei vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätigen Berechtigten zugleich Art 6 Abs 1 und 2 GG in seiner Schutz- und Förderdimension, weil die Pflege- und Erziehungstätigkeit der Eltern durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen unterstützt und gefördert werden soll. Konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen in einzelnen Rechtsgebieten oder Teilsystemen, in denen der Familienlastenausgleich umzusetzen ist, können zwar nicht allein aus dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG hergeleitet werden. Dem Gesetzgeber steht eine Gestaltungsfreiheit bei der Entscheidung darüber zu, in welchem Umfang und in welcher Weise er die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich umsetzt (BVerfG Urteil vom 12.2.2003 - 1 BvR 624/01 - BVerfGE 107, 205, 215 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 36; BVerfG Beschluss vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412, 434; BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012 , 214; BVerfG Beschluss vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240, 254 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 38). Es ist aber im Kontext des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angesichts des verfassungsrechtlichen Auftrags zur Familienförderung rechtfertigungsbedürftig im Sinne einer strengeren Bindung des Gesetzgebers an den Maßstab der Verhältnismäßigkeit, warum eine bestimmte Gruppe von Elterngeldberechtigten von der begünstigenden Nichtanrechenbarkeit des Elterngeldes ausgenommen ist (Lenze info also 2011, 3, 5; BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - juris RdNr 6, 13).

36

c) Soweit die Ehefrau des Klägers hinsichtlich der Anrechnungsfreiheit des Mindestelterngeldes bei existenzsichernden Leistungen ungleich gegenüber der Vergleichsgruppe der SGB II- bzw Kinderzuschlags-Berechtigten behandelt wird, die vor der Geburt ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt haben, weil diese Leistungen ohne Anrechnung des Mindestbetrags in Höhe von bis zu 300 Euro erhalten würden, ist rechtfertigender Grund für eine unterschiedliche Behandlung die Erwerbstätigkeit der Elterngeldberechtigten vor der Geburt des Kindes unter gleichzeitiger Beachtung des Nachranggrundsatzes bei existenzsichernden Leistungen.

37

Für beide Gruppen von Elterngeldberechtigten gilt der zunächst für eine gleiche Behandlung sprechende Nachranggrundsatz des SGB II. Insofern konkretisiert § 2 Abs 2 S 1 SGB II den Grundsatz in der Weise, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten zu nutzen haben, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten. Mit den gesetzlichen Neuregelungen zum 1.1.2011 hat der Gesetzgeber zur Erfüllung des mit dem HBeglG 2011 verfolgten Gesetzeszwecks einer Konsolidierung der öffentlichen Haushalte (BT-Drucks 17/3030 S 1, 47) dem Nachranggrundsatz durch die grundsätzliche Anrechenbarkeit des Elterngeldes als Einkommen im SGB II, im SGB XII und beim Kinderzuschlag eine stärkere Geltung verschafft. Hieran war er nicht gehindert (s oben 4c). Nicht zu prüfen ist, ob der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung seines weiten Gestaltungsspielraums im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit (BVerfG Beschluss vom 10.11.1998 - 1 BvL 50/92 - BVerfGE 99, 165, 178; BVerfG Beschluss vom 29.10.2002 - 1 BvL 16/95, 1 BvL 17/95, 1 BvL 16/97 - BVerfGE 106, 166, 175 f) die gerechteste und zweckmäßigste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214; BVerfG Beschluss vom 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 51 BvR 593/08 - juris RdNr 31 , SGb 2011, 702; BVerfG Beschluss vom 8.6.2004 - 2 BvL 5/00 - BVerfGE 110, 412, 436).

38

Trotz des grundsätzlich geltenden Nachranggrundsatzes bei existenzsichernden Leistungen war der Gesetzgeber im Ergebnis auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert, im Wege einer Begünstigung bei der Einkommensanrechnung des Elterngeldes differenzierend darauf abzustellen, ob der Berechtigte vor der Geburt ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt hat. Mit der Anknüpfung an ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes für eine unterschiedliche Behandlung innerhalb der Gruppe der SGB II-Berechtigten im Sinne einer Privilegierung trotz Nachranggrundsatzes verfolgt der Gesetzgeber ein legitimes Differenzierungsziel. Vor dem Hintergrund negativer Erfahrungen zur Erwerbsintegration wegen der Ausgestaltung des vormaligen Elterngeldes (vgl hierzu BT-Drucks 16/1889, S 15) ist das Elterngeld im Grundsatz als leistungsorientierte, das Erwerbseinkommen ersetzende Familienleistung konzipiert, das einen "Wechsel von einer bedürftigkeitsabhängigen Unterstützungsleistung nach dem BErzGG hin zu einer einkommensorientierten Förderung nach dem BEEG" beinhaltete (vgl auch BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 2). Es sollen "finanzielle Einschränkungen in den ersten zwölf oder 14 Lebensmonaten des Kindes" ausgeglichen werden (BT-Drucks 16/1889, S 26). Diese "Einkommensersatz-funktion" des Elterngeldes (vgl BSG Urteil vom 20.5.2014 - B 10 EG 11/13 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 26 RdNr 18 mwN)findet sich in der Höhe des Elterngeldes, die sich in erster Linie an dem individuellen Einkommensausfall des betreuenden Elternteils - im Ausgang von 67 % des vorgeburtlichen Einkommens (§ 2 Abs 1 BEEG) - orientiert, wenn eine vorherige Erwerbs-tätigkeit wegen Kinderbetreuung unterbrochen, reduziert oder ganz aufgegeben wird (BT-Drucks 16/1889, S 2, 15; BSG Urteil vom 20.5.2014 - B 10 EG 11/13 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 26 RdNr 18; BSG Urteil vom 10.7.2014 - B 10 EG 1/13 R - RdNr 19).

39

Das BVerfG ist davon ausgegangen, dass diese Ausgestaltung des Elterngeldes als steuerfinanzierte Einkommensersatzleistung nicht gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt. Zwar führt die Bemessung zu einer unterschiedlichen Behandlung der Leistungsempfänger je nach der Höhe ihres vor der Geburt erwirtschafteten Erwerbseinkommens, ohne dass dem Sozialversicherungsleistungen der Empfänger vorausgegangen sind. Es enthält aber verfassungsrechtlich für sich genommen noch keinen Gleichheitsverstoß, dass die einkommensabhängige Ausgestaltung des Elterngeldes im Vergleich zur nicht als Einkommensersatzleistung gefassten Vorgängerregelung im Bundeserziehungsgeldgesetz einen Systemwechsel bedeutet und möglicherweise in der einfachgesetzlichen Struktur sozialer Leistungen systematisch eine gewisse Sonderstellung einnimmt. Dass bei einer Ausgestaltung des Elterngeldes als Kompensationsleistung für geburtsbedingten Einkommensverlust Unterschiede der Förderung zwischen Familien je nach dem vorgeburtlichen Einkommen der Eltern entstehen, ist verfassungsrechtlich angesichts der gesetzlichen Zielsetzungen der vorrangigen Förderung bei Erziehenden mit kleinen und mittleren Einkünften und des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Art und Weise der Familienförderung hinnehmbar (BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214; vgl auch BVerfG Beschluss vom 5.12.2012 - 1 BvL 20/12 - juris RdNr 2; BVerfG Beschluss vom 20.4.2011 - 1 BvR 1811/08 - juris RdNr 9; BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 40).

40

Diese sachlichen Gründe, die der Gesetzgeber mit der Anknüpfung des Elterngeldes an die Höhe des bisherigen Erwerbseinkommens verbunden hat, rechtfertigen auch die unterschiedliche Behandlung beim Bezug existenzsichernder Leistungen. Diejenigen Elterngeldberechtigten, die zuvor eine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, erleiden durch die Geburt eine echte Einkommenseinbuße. Bei ihnen greift "der Zweck des Elterngeldes, die Entscheidung für eine vorübergehende Unterbrechung einer Erwerbstätigkeit ohne allzu große Einkommensnachteile zu ermöglichen" (BT-Drucks 17/3452, S 8). Auf Elterngeldberechtigte im Bezug von existenzsichernden Leistungen, die - wie die Ehefrau des Klägers - vor der Geburt keine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, trifft dies nicht zu, weil sie zugunsten der Betreuung keine Erwerbstätigkeit aufgegeben haben und daher kein unmittelbar durch die Geburt bedingter Nachteil monetär auszugleichen ist (Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 10 RdNr 37). Zudem hat der Gesetzgeber des HBeglG inhaltlich zutreffend und im Sinne einer weiteren sachlichen Rechtfertigung darauf hingewiesen, dass das Mindestelterngeld auch bei geringen Einkünften aus Erwerbstätigkeit vor und nach der Geburt erbracht wird. Im Vergleich der Berechtigten untereinander werde die mit dem Erwerbstätigenfreibetrag bezweckte Anreizwirkung in Frage gestellt, wenn das Mindestelterngeld in gleicher Weise auch bei nicht erwerbstätigen Elterngeldberechtigten anrechnungsfrei gestellt werde (BT-Drucks 17/3030, S 47 f).

41

d) Auch soweit das Mindestelterngeld bei der Vergleichsgruppe der Bezieher anderer bedürftigkeitsabhängiger Sozialleistungen im Unterschied zur Situation bei den SGB II-, SGB XII- und Kinderzuschlagsberechtigten nicht angerechnet wird, obgleich beide Gruppen von Elterngeldberechtigten vor der Geburt nicht erwerbstätig waren, sind rechtfertigende Sachgründe für eine Differenzierung gegeben.

42

Eine von dem Kläger der Sache nach gerügte Systemwidrigkeit wegen Verletzung einer "vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit", die als Indiz für einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG gesehen werden könnte (vgl nur BVerfG Beschluss vom 7.11.1972 - 1 BvR 338/68 - BVerfGE 34, 103, 115 mwN, stRspr), kann der Senat nicht erkennen. Die ungleiche Behandlung der beiden Vergleichsgruppen ist vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Zielsetzungen für die jeweiligen Sozialleistungen, deren konkreter Ausgestaltung sowie der jeweils konkreten Ausformung des Subsidiaritätsgrundsatzes bei bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistungen zu sehen. Hinsichtlich dieser Anforderungen existieren Systemunterschiede zwischen den vom Kläger benannten anderen bedürftigkeits- und einkommensabhängigen Sozialleistungen, zB BAföG, Wohngeld, Unterhaltsvorschussleistungen und Leistungen der Kriegsopferfürsorge, einerseits und den Leistungen des SGB II, des SGB XII und dem Kinderzuschlag andererseits. Insbesondere gelten die Vorgaben des SGB II zur Eingliederung in Arbeit und zur Minderung/Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch Einkommensberücksichtigung (§ 2 Abs 2, § 7 Abs 1 Nr 3, § 9 Abs 1 SGB II).

43

In den Sozialleistungssystemen der Ausbildungsförderung ist der Nachranggrundsatz anders ausgeprägt. Dies folgt schon daraus, dass der faktische Zwang, eine Ausbildung wegen fehlender Existenzsicherungsmittel abbrechen zu müssen, die teilhaberechtliche Dimension des Grundrechts aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 und dem Sozialstaatsgebot aus Art 20 Abs 1 GG berührt (BVerfG Beschluss vom 3.9.2014 - 1 BvR 1768/11 - juris RdNr 24). Unabhängig hiervon bezwecken andere Sozialleistungssysteme, wie zB das Wohngeldgesetz (WoGG) mit seiner Beschränkung auf einen Zuschuss zur Miete zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens (§ 1 Abs 1 WoGG), eine soziale Absicherung nur in Teilbereichen. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UhVorschG) sind - ebenfalls der Höhe nach begrenzt - in erster Linie als Anspruch des minderjährigen Kindes auf Ausgleich eines fehlenden Unterhalts gerichtet (§ 1 Abs 1 Nr 1 UhVorschG), ohne dass der Anspruch des alleinerziehenden Elternteils auf Elterngeld diesen berührt (Grube, UnterhaltsvorschussG, 2009, Einleitung RdNr 16; vgl zum Zweck des UhVorschG: BT-Drucks 8/1952). Dagegen sind die in § 10 Abs 5 S 1 BEEG aufgeführten existenzsichernden Leistungen des SGB II, des SGB XII sowie der Kinderzuschlag auf eine Vollabsicherung gerichtet. Schon wegen des unterschiedlichen Umfangs der gewährenden Staatstätigkeit können - ohne dass dies zwingend wäre - unterschiedliche Maßstäbe hinsichtlich der Umsetzung des Nachranggrundsatzes im Rahmen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers Anwendung finden, wenn er sich - wie hier - zu einer aus seiner Sicht aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise und der Einhaltung der Defizitgrenze des Europäischen Stabilitäts- und Wirtschaftspakts notwendigen Haushaltskonsolidierung durch Kürzungsmaßnahmen auch im Sozialbereich entscheidet (vgl BT-Drucks 17/3030, S 1, 47). Trotz der mit dem Mindestelterngeld ursprünglich beabsichtigten einheitlichen und bedürftigkeitsunabhängigen Honorierung der Erziehungs- und Betreuungsleistungen (vgl nur BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - juris RdNr 30; Dau, jurisPR-SozR 7/2013, Anm 5 mwN) ist der Gesetzgeber daher nicht gehindert, nur für bestimmte Gruppen weiterhin eine Begünstigung im Sinne einer Nichtanrechnung des Elterngeldes anzuerkennen.

44

e) Soweit der Kläger eine Benachteiligung gegenüber anderen vor der Geburt nicht erwerbstätigen, aber auch nicht von existenzsichernden Leistungen abhängigen Elterngeldberechtigten darin sieht, dass diesen der Betrag in Höhe des Mindestelterngeldes von 300 Euro faktisch ungeschmälert "als Familienleistung" erbracht wird, während es bei ihm anrechenbares Einkommen bei der Prüfung des Anspruchs auf Kinderzuschlag nach § 6a BKGG aF ist, ist schon fraglich, ob überhaupt vergleichbare Lebenssachverhalte iS des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 GG zugrunde liegen. Beide Elterngruppen werden hinsichtlich der faktischen Zahlung des Mindestelterngeldes gleich behandelt, indem sie diesen Betrag tatsächlich erhalten.

45

Betrachtet man die Belastung des Elterngeldes mit einer Anrechnungsregelung bei Inanspruchnahme einer bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistung (vgl BVerfG Beschluss vom 24.10.1991 - 1 BvR 1159/91 - juris RdNr 7 f zur vergleichbaren Regelung beim Kindergeld) als "faktische Ungleichbehandlung" (vgl Dau, jurisPR-SozR 7/2013, Anm 5; Lenze, info also 2011, 3, 5) liegt ein rechtfertigender Grund für eine Ungleichbehandlung beider Gruppen auch hier in dem Umstand, dass bei dem steuerfinanzierten Kinderzuschlag wegen der Verknüpfung mit den SGB II-Leistungen der Nachranggrundsatz zu beachten ist. Die als Ausnahme hiervon konzipierte Begünstigung durch ein anrechnungsfreies Mindestelterngeld soll nicht eingreifen, wenn - wie im Falle der Ehefrau des Klägers - kein Erwerbseinkommen vor der Geburt vorhanden ist. Von der ursprünglich neben weiteren zentralen Zielsetzungen (vgl dazu unter 5c) genannten bedürftigkeitsunabhängigen Anerkennung der elterlichen Erziehungs- und Betreuungsleistung durch weitergehende Ausnahmen vom Nachranggrundsatz hat sich der Gesetzgeber des HBeglG 2011 in Teilbereichen verabschiedet (so auch Frerichs in Sozialrecht aktuell 2011, 167, 170).

46

6. Das LSG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Bedarf der Bedarfsgemeinschaft im streitigen Zeitraum vom 1.1.2011 bis 31.3.2011 in vom LSG zutreffend berechneter Höhe von 1906,12 Euro mit dem zu berücksichtigenden Einkommen aus der Beschäftigung des Klägers, dem Kindergeld und dem an seine Ehefrau geleisteten Elterngeld gedeckt werden kann und schon dies einem Anspruch auf Kinderzuschlag entgegensteht.

47

Als Einkommen aus der Beschäftigung des Klägers ist entsprechend den tatsächlichen Feststellungen und zutreffenden rechtlichen Würdigungen des LSG für die Monate Januar und Februar 2011 ein Gesamtbetrag in Höhe von 1136,57 Euro und für März 2011 ein Einkommen in Höhe von 1203,44 Euro zu berücksichtigen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG sind von den Einkünften des Klägers aus Erwerbstätigkeit neben den bereits vom Arbeitgeber abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von zusammen 362,17 Euro (Januar/Februar 2011) sowie 395,30 Euro (März 2011) der Erwerbstätigenfreibetrag von 210 Euro monatlich und der Grundfreibetrag in Höhe von 100 Euro monatlich, der als höherer Monatsbetrag die konkreten Abgaben für Versicherungen und für die Fahrten zur Arbeitsstätte ersetzt, in Abzug zu bringen. Es ergibt sich ein anrechenbarer Betrag von 1033,83 Euro (Januar/Februar 2011) bzw 1100,70 Euro (März 2011). Hinzuzurechnen ist monatlich der zwölfte Teil des anteiligen Weihnachtsgeldes in Höhe von 1706 Euro (brutto), das der Kläger im November 2010 erhalten hat. Hiervon sind insgesamt 473,15 Euro als Steuern und Sozialabgaben abzusetzen. Von dem zu verteilenden Betrag von 1232,85 Euro entfällt auf die Monate Januar bis März 2011 jeweils ein solcher in Höhe von 102,74 Euro. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Betrag des Weihnachtsgeldes nach § 2 Abs 4 S 3 Alg II-V(idF vom 17.12.2007 ) als einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von zwölf Monaten mit einem monatlich zu berücksichtigenden Betrag von 102,74 Euro verteilt hat. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber mit dem am 1.4.2011 in Kraft getretenen § 11 Abs 3 S 3 SGB II nF(BGBl I 453) den "Verteilzeitraum" auf einen Zeitraum von sechs Monaten mit einer nachfolgend nur möglichen Berücksichtigung noch vorhandener Beträge als Vermögen eingegrenzt hat (vgl BT-Drucks 17/3404, S 94), können keine Rückschlüsse für die Bewertung der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt gezogen werden (vgl zum so genannten Verteilzeitraum nur Urteil des Senats vom 27.9.2011 - B 4 AS 180/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32). Ergänzend zu den Einkünften des Klägers aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 1136,57 Euro (Januar/Februar 2011) und 1203,44 Euro (März 2011) ist durchgängig das Kindergeld für drei Kinder in Höhe von monatlich 558 Euro und das Elterngeld in Höhe von 300 Euro einzubeziehen. Das Wohngeld bleibt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts unberücksichtigt, weil es nicht gleichzeitig mit dem Alg II bezogen werden kann (§ 7 Abs 1 Nr 1 WoGG; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 6a BKGG RdNr 120, Stand 4/2014). Es ergeben sich Einkünfte der gesamten Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1994,57 Euro (Januar/Februar 2011) bzw 2061,44 Euro (März 2011), die über dem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1906,12 Euro liegen.

48

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum von November 2006 bis März 2007. Sie richtet sich mittelbar gegen die im Jahr 2006 getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, die sogenannte Bedarfsgemeinschaft im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres zu erweitern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil zusammenleben. Danach erhalten diese Kinder, auch wenn sie gegen die Eltern keinen durchsetzbaren Unterhaltsanspruch haben, 80 % der Regelleistung von Alleinstehenden, dabei wird das Einkommen und Vermögen ihrer Eltern bei ihrem Leistungsanspruch berücksichtigt.

I.

2

Das Zweite Buch Sozialgesetzbuch regelt mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts die Grundsicherung für Arbeitsuchende. Mit diesen Leistungen sollen vom Gesetzgeber anerkannte, eine menschenwürdige Existenz sichernde Bedarfe abgedeckt werden. Dabei wird leistungsmindernd berücksichtigt, wenn Bedürftige mit Angehörigen in häuslicher Gemeinschaft leben. Dies ist im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (dazu 1) anders ausgestaltet als in der im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) geregelten Sozialhilfe (dazu 2).

3

1. Leistungsberechtigt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sind erwerbsfähige Hilfebedürftige. Dazu gehören nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II und hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

4

Darüber hinaus sind nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch diejenigen Personen leistungsberechtigt, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Nach der abschließenden Regelung des § 7 Abs. 3 SGB II können eine Bedarfsgemeinschaft nur Eltern und Kinder - nach der hier angegriffenen Erweiterung auch volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres - sowie Menschen in Ehe und Lebenspartnerschaft oder in ehe- und lebenspartnerschaftsähnlicher Beziehung bilden. Zur Bedarfsgemeinschaft können diese Personen auch gehören, wenn sie nicht erwerbsfähig sind und keine Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhalten, weil sie beispielsweise nicht nur vorübergehend in einer stationären Einrichtung untergebracht sind, Altersrente oder ähnliche Leistungen beziehen (§ 7 Abs. 4 SGB II) oder sie einen Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch haben (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der damals maßgeblichen Fassung; heute § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II); dann handelt es sich - wie im Ausgangsverfahren angenommen - um eine "gemischte Bedarfsgemeinschaft" (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R -, juris, Rn. 31, 48). Eine Bedarfsgemeinschaft setzt jedoch stets voraus, dass die Beteiligten zusammenleben.

5

a) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende dient dazu, zur Sicherung des Lebensunterhalts unterschiedliche Bedarfe durch staatliche Leistungen zu decken. Zentral ist die Regelleistung nach § 20 SGB II. Sie wird pauschal gewährt, dient der Sicherung des Lebensunterhalts und umfasst nach dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen § 20 Abs. 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Zudem besteht Anspruch auf Leistungen für etwaige Mehrbedarfe nach § 21 SGB II und auf Leistungen für die tatsächlichen, angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten nach § 22 SGB II. Dazu kommen weitere Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen sowie Vorschüsse, Zuschüsse und Darlehen für besondere Bedarfe. Unter 25-Jährige, die allerdings auch besonderen Sanktionsregeln unterliegen, sind zudem nach § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB II vordringlich in Ausbildung oder Arbeit zu vermitteln. In dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Bewilligungsabschnitt bis zum 31. Dezember 2010 bestand nach § 24 SGB II binnen zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld auch ein Anspruch auf Zuschläge, um den Übergang in die Grundsicherung abzufedern (aufgehoben durch Art. 15 Nr. 4 Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 9. Dezember 2010, BGBl I S. 1885).

6

Bei der Regelleistung wird nach dem Lebensalter und der Lebenssituation der Bedürftigen unterschieden. So erfolgen Festsetzungen für alleinstehende erwachsene Hilfebedürftige, für Erwachsene, die mit anderen zusammen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, für Familienhaushalte, in denen Erwachsene Kinder versorgen (nach der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung des § 20 Abs. 2 und 3 - heute Abs. 4 - SGB II) und eigenständig für Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre (nach der damaligen Fassung des § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II; heute § 23 Nr. 1 SGB II). Die volle Regelleistung erhalten grundsätzlich Alleinstehende und Alleinerziehende; sie wird auch denen zuerkannt, die mit einer oder einem Minderjährigen in ehelicher, lebenspartnerschaftlicher oder ähnlicher Beziehung leben (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Ihre Höhe lag in dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II bei monatlich 345 €.

7

b) Auf Grundsicherungsleistungen bestehen auch im Falle einer Bedarfsgemeinschaft immer individuelle Ansprüche der einzelnen Mitglieder (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R -, juris, Rn. 12). Das Gesetz berücksichtigt allerdings, ob Leistungsberechtigte mit weiteren Personen zusammenleben. Es geht davon aus, dass mit dem Zusammenleben von Angehörigen in häuslicher Gemeinschaft Einsparungen einhergehen und die Beteiligten gemeinsam wirtschaften. Daher wird grundsätzlich das anrechenbare Einkommen und verwertbare Vermögen aller Angehörigen dieser Bedarfsgemeinschaft zugerechnet (§ 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II) und alle individuellen Ansprüche werden mit Blick auf den Gesamtbedarf dieser Bedarfsgemeinschaft berechnet (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Dies wird als "horizontale Berechnungsmethode" bezeichnet (vgl. BSG, Urteile vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 55/07 R -, juris, Rn. 14 ff., und vom 28. Oktober 2009 - B 14 AS 55/08 R -, juris, Rn. 23). Das Einkommen und Vermögen von Kindern wirkt sich allerdings lediglich auf ihre eigene Bedürftigkeit aus, was sich im Umkehrschluss aus § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II ergibt. Leben Kinder außerhalb des elterlichen Haushalts und damit nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern, wird elterliches Einkommen, unabhängig vom Alter des Kindes, nur berücksichtigt (und dann als eigenes Einkommen des Kindes angerechnet), wenn Zahlungen tatsächlich geleistet werden.

8

c) Für als Partnerin oder Partner in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Erwachsene (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II) werden je 90 % der vollen Regelleistung anerkannt (damals nach § 20 Abs. 3 SGB II; heute in § 20 Abs. 4 SGB II). Dies waren in dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum monatlich 311 €. Sonstige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft erhalten 80 % der vollen Regelleistung (§ 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II; heute in § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II als Leistungsbetrag ausgewiesen). Dies waren im maßgeblichen Zeitraum 276 €. Auch wenn ein Elternteil mit einem volljährigen, aber unter 25-jährigen Kind zusammen lebt, wird davon ausgegangen, dass der Elternteil die volle Regelleistung und das Kind als sonstiger erwerbsfähiger Angehöriger 80 % hiervon erhält (vgl. Saitzek, in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 20 Rn. 26).

9

Erwachsene Kinder, die trotz Bedürftigkeit ohne Zusicherung des Trägers der Grundsicherungsleistung nach dem damals geltenden § 22 Abs. 2a SGB II (heute § 22 Abs. 5 SGB II) aus dem elterlichen Haushalt auszogen, erhielten nach dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum geltenden § 20 Abs. 2a SGB II (heute § 20 Abs. 3 SGB II) weiter nur die auf 80 % abgesenkte Regelleistung. Zudem erhielten sie bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nach § 22 Abs. 2a SGB II keine Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung, wenn dies nicht zugesichert war, und gemäß dem damaligen § 23 Abs. 6 SGB II (heute § 24 Abs. 6 SGB II) keine Leistungen zur Erstausstattung für die Wohnung.

10

2. In der Sozialhilfe - nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - sind die Einstandspflichten zusammenlebender Personen anders geregelt als im Grundsicherungsrecht. Das betrifft insbesondere die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei der Bestimmung des Leistungsanspruchs. Grundsätzlich ist zwar auch in der Sozialhilfe eigenes Einkommen und Vermögen zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen. Das gilt für die Hilfe zum Lebensunterhalt (insbesondere bei vorübergehender voller Erwerbsminderung) nach § 19 Abs. 1 SGB XII und im Alter oder bei dauerhafter voller Erwerbsminderung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XII (jeweils in der Fassung von Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003, BGBl I S. 3022). Jedoch hat der Gesetzgeber hier die sogenannte Einsatz- oder Einstandsgemeinschaft normiert. Auch sie dient dazu, das gemeinsame Wirtschaften im häuslichen Näheverhältnis zu berücksichtigen. Doch muss hier anders als in der Bedarfsgemeinschaft das eigene Einkommen und Vermögen nur insoweit für andere eingesetzt werden, wie dies den eigenen notwendigen Lebensunterhalt übersteigt. Dies wird als "vertikale Berechnungsmethode" bezeichnet.

11

Elterliches Einkommen wird bei - dem elterlichen Haushalt angehörenden - minderjährigen unverheirateten Kindern nur in der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch berücksichtigt und auch nur dann, wenn sie den notwendigen Lebensunterhalt aus ihrem Einkommen und Vermögen nicht selbst beschaffen können (zum Zeitpunkt des Ausgangsverfahrens nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB XII). Darüber hinaus ist elterliches Einkommen nur im Rahmen der Vermutungsregelung zur Bedarfsdeckung in der Haushaltsgemeinschaft nach dem damaligen § 36 Satz 1 SGB XII (heute § 39 Satz 1 SGB XII) zu berücksichtigen. Im Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch) findet eine Anrechnung elterlichen Einkommens nicht statt.

II.

12

Der Gesetzgeber hat die im vorliegenden Verfahren zentralen Regelungen im Jahr 2006 mit dem Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl I S. 558) in Kraft gesetzt. Seitdem sind nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 und 4 SGB II auch erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, die mit ihren Eltern zusammenleben, im System der Grundsicherung für Arbeitsuchende als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu betrachten. Dies führt nach der damals geltenden Fassung des § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II zur Absenkung ihrer Grundsicherungsleistungen auf 80 % der Regelleistung. Zudem hat der Gesetzgeber mit der Änderung von § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II die Anrechnung des elterlichen Einkommens und Vermögens auf ihren Bedarf vorgegeben.

13

Die der angegriffenen Entscheidung zugrundeliegenden und mittelbar angegriffenen Regelungen lauten in der damals geltenden Fassung des Art. 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2954), Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl I S. 558) und Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I S. 1706):

§ 7 SGB II

Berechtigte

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,

2. erwerbsfähig sind,

3. hilfebedürftig sind und

4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben

(erwerbsfähige Hilfebedürftige). […]

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. […]

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1. die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,

2. die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,

3. als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen

a) der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,

b) der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,

c) eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen,

4. die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

[…]

§ 9 SGB II

Hilfebedürftigkeit

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht

1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,

2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

(2) 1Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. 2Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen. 3Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

[…]

§ 20 SGB II

Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts

[…]

(2) 1Die monatliche Regelleistung beträgt für Personen, die allein stehend oder allein erziehend sind oder deren Partner minderjährig ist, 345 €. 2Die Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft beträgt 80 vom Hundert der Regelleistung nach Satz 1.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 erhalten Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Abs. 2a umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres 80 vom Hundert der Regelleistung.

(3) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, beträgt die Regelleistung jeweils 90 vom Hundert der Regelleistung nach Absatz 2.

[…]

§ 22 SGB II

Leistungen für Unterkunft und Heizung

[…]

(2a) 1Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden ihnen Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur erbracht, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. 2Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1. der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,

2. der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder

3. ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.

3Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen.

[…]

14

Diese Regelungen gehen auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zurück, der im Gesetzgebungsverfahren durch den Ausschuss des Deutschen Bundestages für Arbeit und Soziales vollständig neu gefasst wurde. Der Ausschuss hat zur Begründung ausgeführt, Kinder trügen keine zur allgemeinen Haushaltsführung gehörenden Aufwendungen wie für Versicherungen, Strom oder haushaltstechnische Geräte (Ausschuss für Arbeit und Soziales, Beschlussempfehlung und Bericht vom 15. Februar 2006, BTDrucks 16/688, S. 13 f. zu Nr. 2, Buchstabe b). Zudem sollten auch erwachsene Kinder nicht frühzeitig und ohne sozial hinreichende Sicherung ausziehen (ebd., S. 14 zu Nr. 6, Buchstabe a).

15

Die Regelungen wurden durch nachfolgende Gesetzgebung geschlechtergerecht gefasst und einzelne Absätze innerhalb der Vorschriften neu eingeordnet, bestehen jedoch inhaltlich im Wesentlichen fort. Den nach § 20 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB II geltenden Regelsatz, von dem die hier maßgeblichen Leistungen nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II abgeleitet sind, hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil des Ersten Senats vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1, 3, 4/09 - (BVerfGE 125, 175) für mit dem Grundgesetz unvereinbar, jedoch bis zu einer Neuregelung für weiter anwendbar erklärt. Die Regelsätze wurden wiederholt erhöht und erwiesen sich nach dem Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10, 12/12, 1 BvR 1691/13 - (BVerfGE 137, 34) in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl I S. 453) sowie der bis zu dieser Entscheidung ergangenen weiteren Fassungen und Nachfolgeregelungen als noch mit dem Grundgesetz vereinbar.

III.

16

1. Der im September 1985 geborene, ledige Beschwerdeführer, der über eine abgeschlossene Ausbildung verfügt, war in der Zeit von Juni bis September 2006 als Maler berufstätig und seitdem (erneut) arbeitslos. Im fachgerichtlich zunächst streitigen Zeitraum von Oktober 2006 bis März 2007 lebte er mit seiner ein Jahr jüngeren Schwester und seinem 1961 geborenen Vater zusammen. Der Vater bezog eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer in Höhe von monatlich 615,84 €.

17

a) Auf Antrag des Beschwerdeführers bewilligte der Träger der Grundsicherungsleistung ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für Oktober 2006 bis März 2007. Die Höhe der Leistungen berechnete er ab November 2006 mit monatlich 175,64 €. Dem Beschwerdeführer stünden im Ausgangspunkt 276 € als Regelleistung, 80 € als befristeter Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld gemäß dem damaligen § 24 SGB II und anteilige 10,92 € als Kosten der Unterkunft und Heizung zu. Er lebe jedoch mit dem Vater in einer Bedarfsgemeinschaft. Dieser gehöre die Schwester nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht an, da sie ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen bestreite. Der Vater sei zudem zwar aufgrund seiner Erwerbsunfähigkeit von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ausgeschlossen. Doch müsse der Anteil seiner Rente, der seinen dann fiktiv zu berechnenden Grundsicherungsbedarf nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R -, juris, Rn. 40) übersteige, bei der Berechnung des Anspruchs des Beschwerdeführers bedarfsmindernd berücksichtigt werden. Der (fiktive) Bedarf des Vaters liege bei 355,92 €, was sich aus 345 € Regelleistung und 10,92 € anteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung ergebe. Damit verbleibe dem Vater nach Bereinigung des monatlichen Rentenzahlbetrags ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 547,20 €. Dies übersteige seinen Bedarf um 191,28 €. Damit stünden dem Beschwerdeführer Leistungen in entsprechend verringerter Höhe zu.

18

b) Das Sozialgericht wies die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage des Beschwerdeführers und seines Vaters ab. Das Landessozialgericht wies die Berufung unter Nichtzulassung der Revision durch Beschluss zurück.

19

c) Das Bundessozialgericht wies die von ihm zugelassene Revision als unbegründet zurück. Der Vater des Beschwerdeführers sei nicht klagebefugt; dem Beschwerdeführer stehe im streitgegenständlichen, in der Revisionsinstanz auf November 2006 bis März 2007 begrenzten Zeitraum kein Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen zu. Es bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass ihm lediglich 80 % der Regelleistung eines Alleinstehenden zuerkannt worden seien. Die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II in der ab dem 1. Juli 2006 geltenden Fassung sei nicht verfassungswidrig. Der Beschwerdeführer weise zwar zu Recht darauf hin, dass angesichts der geringen Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente und dem Schutz des Selbstbehalts seines Vaters nach § 1603 Abs. 1 BGB wohl kein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch gegen diesen bestehe. Der fürsorgerechtliche Gesetzgeber dürfe jedoch bei der Frage, ob der Einsatz staatlicher Mittel gerechtfertigt sei, von den Regelungen des Unterhaltsrechts abweichen und typisierend unterstellen, dass in einem Haushalt zusammenlebende Familienangehörige sich unterstützten. Dies gelte zumal, wenn diese in gerader Linie verwandt seien. In der Wahl der Altersgrenze von 25 Jahren könne kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erkannt werden; dem Gesetzgeber komme hier ein weiter Ermessensspielraum zu. Die mit einem starren Stichtag verbundenen Härten seien grundsätzlich hinzunehmen. Überdies habe der Gesetzgeber mit der Einführung dieser Altersgrenze verfassungsrechtlich legitime Zwecke verfolgt. Er habe insbesondere verhindern wollen, dass Kinder, die im Haushalt der Eltern lebten, mit Erreichen der Volljährigkeit automatisch eine eigene Bedarfsgemeinschaft bildeten. Eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung sei auch nicht darin zu sehen, dass nur das Einkommen des Elternteils berücksichtigt werde, der mit dem erwachsenen Kind in einem Haushalt lebe, nicht hingegen das Einkommen eines dort nicht lebenden Elternteils.

20

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und von Art. 3 Abs. 1 GG.

21

Er wendet sich gegen zu niedrige Sozialleistungen aufgrund der Einbeziehung in die Bedarfsgemeinschaft mit seinem Vater und greift insbesondere die Revisionsentscheidung des Bundessozialgerichts an. Mittelbar richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen die im Ausgangsverfahren maßgeblichen Regelungen der § 7 Abs. 3 Nr. 2 und 4, § 9 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II; sie seien verfassungswidrig, soweit sie zu der Konstruktion einer Bedarfsgemeinschaft zwischen ihm und seinem Vater mit der Folge der Regelleistungskürzung aufgrund der Einkommensanrechnung führten. Sein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sei verletzt. Die ihm gewährten Leistungen seien evident unzureichend. Der Auszahlbetrag von 175,64 € bleibe noch hinter den Leistungen von 184,07 € zurück, die einer alleinstehenden hilfebedürftigen Person nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustünden. Er müsse einen Teil seines Bedarfs mit Mitteln seines Vaters decken, auf die er dem Grunde oder zumindest der Höhe nach keinen Anspruch habe, insbesondere nicht nach bürgerlich-rechtlichem Unterhaltsrecht. Der Rückgriff auf fremde Mittel für die Bedarfsdeckung könne nur dann zugelassen werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass diese Mittel ihm auch tatsächlich zur Verfügung stünden. Zudem sei die Höhe der Regelleistung für junge Erwachsene mit 80 % der Regelleistung von Alleinstehenden "gegriffen" und nicht mittels eines sachgerechten und transparenten Verfahrens ermittelt worden. Der Gesetzgeber habe den Bedarf junger Erwachsener und seine Deckung im Haushalt der Familie in keiner Form erfasst.

22

Es verstoße gegen den Gleichheitssatz, unter 25-jährige schlechter zu behandeln als ältere Personen. Die tatsächlichen Lebensverhältnisse änderten sich mit Erreichen dieser Altersgrenze nicht. Nicht einzusehen sei auch, weshalb der Bedarf nach Eintritt der Volljährigkeit bei Erwerbsfähigen geringer sein solle als bei Erwerbsunfähigen. Eine weitere, nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zeige sich im Vergleich zum Bereich der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Dort gebe es keine vergleichbare Anrechnungsregelung. Ein erwerbsgeminderter junger Erwachsener sei dort nicht Teil einer Bedarfsgemeinschaft mit seinen Eltern, obwohl eine allgemeine Fürsorgepflicht der Eltern sogar eher angenommen werden könne.

23

3. Der Vater des Beschwerdeführers hatte zeitgleich Verfassungsbeschwerde eingelegt, mit der er eine Verletzung von Art. 14 GG rügte. Durch die Anrechnung eines Teils seiner Rente auf den Bedarf seines Sohnes werde ihm die Rente insoweit entzogen. Die 3. Kammer des Ersten Senats hat diese Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 6. Dezember 2011 - 1 BvR 371/11 - nicht zur Entscheidung angenommen. Der Vater selbst beantragte im Ausgangsverfahren keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Sein Rentenzahlbetrag wurde ungemindert an ihn ausgezahlt.

IV.

24

Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für teilweise unzulässig, da der Beschwerdeführer nicht von allen mittelbar angegriffenen Regelungen betroffen und eine Grundrechtsverletzung nicht hinreichend substantiiert dargelegt sei. Jedenfalls sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet, denn die Höhe der Regelleistung in der Bedarfsgemeinschaft sei transparent und sachgerecht festgestellt worden; bessere Methoden gebe es nicht. Das Existenzminimum sei jedenfalls nicht evident unterschritten. Der Gesetzgeber dürfe im Fürsorgerecht vom Unterhaltsrecht abweichen, sich an der Lebenswirklichkeit orientieren und daher bei der Familiengemeinschaft von einem wechselseitigen Einstandswillen ausgehen. Fehle dieser, habe der Gesetzgeber mit § 22 Abs. 2a SGB II in der damals geltenden Fassung die Möglichkeit eingeräumt, eine eigene Bedarfsgemeinschaft außerhalb des Elternhauses zu begründen.

25

Die für Verfahren aus dem Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts haben mitgeteilt, dass die mittelbar angegriffenen Regelungen bisher von ihnen angewandt und nicht für verfassungswidrig gehalten worden seien.

26

Die Niedersächsische Landesregierung, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, der Deutsche Caritasverband, der Deutsche Familiengerichtstag, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Diakonie Deutschland - Evangelischer Bundesverband - und der Sozialverband Deutschland gehen davon aus, dass die Verfassungsbeschwerde zulässig und begründet ist. Durch die Erweiterung der Bedarfsgemeinschaft mit der Folge der reduzierten Regelleistung sowie der Anrechnung des elterlichen Einkommens seien das aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sowie der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

B.

27

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

I.

28

Das Vorbringen des Beschwerdeführers bedarf allerdings der Auslegung.

29

Das Bundesverfassungsgericht ist bei der Bestimmung des prozessualen Begehrens nicht an die wörtliche Fassung des Antrages gebunden. Bei dessen Auslegung ist insbesondere die Antragsbegründung zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 1, 14 <39>; 54, 53 <64 f.>; 68, 1 <68 f.>; 103, 242 <257>; 139, 194 <220 Rn. 97>).

30

Die Verfassungsbeschwerde zielt im Wesentlichen auf die Regelungen in § 7 Abs. 3 Nr. 2, § 9 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II zu den Grundsicherungsleistungen, wenn Eltern in die Bedarfsgemeinschaft mit ihren volljährigen Kindern einbezogen werden. Demgegenüber ist § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II zur Einbeziehung von Kindern in die Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern nicht Gegenstand des Verfahrens. Diese Regelung findet auf den Beschwerdeführer keine Anwendung und auf ihr beruht auch die unmittelbar angegriffene Entscheidung nicht.

II.

31

Die Verfassungsbeschwerde ist hinreichend substantiiert (zu den Substantiierungsanforderungen vgl. BVerfGE 130, 1 <21> m.w.N.). Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers erscheint es möglich, dass er in seinem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletzt ist. Dies kann sich daraus ergeben, dass die für ihn maßgebliche Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht gesondert berechnet wird, aber unter dem sonst für ihn anzusetzenden Regelleistungsbetrag für Alleinstehende liegt. Die Grundrechtsverletzung kann sich zudem daraus ergeben, dass die Grundsicherungsleistung zu Lasten des Beschwerdeführers in der Bedarfsgemeinschaft ungleich verteilt wird und dass ein Teil des Einkommens seines Vaters nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II auf seine Leistungen angerechnet wird, ohne dass ihm ein korrespondierender Unterhaltsanspruch zustünde.

C.

32

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Bedarfsgemeinschaft im Grundsicherungsrecht nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II auf volljährige Kinder zu erweitern, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist sowohl mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikels 20 Abs. 1 GG als auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Dies gilt - unabhängig von der Festlegung der Regelleistung selbst (zu § 20 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB II vgl. BVerfGE 125, 175 <221 ff.>) - jedenfalls bei einer aus zwei Personen bestehenden Bedarfsgemeinschaft für die Bestimmung der existenzsichernden Leistungen gemäß dem damals geltenden § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II, auch wenn bei dem erwachsenen Kind eine Regelleistung von 80 % der Regelleistung für Alleinstehende angesetzt und elterliches Einkommen und Vermögen nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II berücksichtigt wird, obwohl diesem kein Unterhaltsanspruch korrespondiert.

I.

33

Die mittelbar angegriffenen Regelungen und die auf ihnen beruhende Entscheidung des Bundessozialgerichts verletzen den Beschwerdeführer durch die Einbeziehung in eine Bedarfsgemeinschaft mit einem Elternteil nicht in seinem grundrechtlich gesicherten Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG.

34

1. Die im Ausgangsverfahren maßgebliche Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II genügt dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums allerdings insoweit nicht, als sie von der vollen Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung abgeleitet ist. Diese hat das Bundesverfassungsgericht für mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt (vgl. zur Ableitung der Regelleistung für in Bedarfsgemeinschaft zusammenlebende Partnerinnen und Partner BVerfGE 125, 175 <244 f.> sowie zum Sozialgeld a.a.O. <245>). Doch wurde die Vorgabe zur Bestimmung der Regelleistung in § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 9. Februar 2010 nicht für nichtig, sondern für übergangsweise weiter anwendbar erklärt, um die Anspruchsgrundlage für existenzsichernde Leistungen zu erhalten (vgl. BVerfGE 125, 175 <255 f.>). Sie war folglich im entscheidungserheblichen Zeitraum auch der Bestimmung der Höhe der existenzsichernden Leistungen für den Beschwerdeführer zugrunde zu legen. Davon geht auch der Beschwerdeführer selbst aus, der sich mit seiner Verfassungsbeschwerde ausdrücklich nicht gegen die Ableitung der Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Hilfebedürftige nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II von der bis zum 31. Dezember 2010 fortgeltenden vollen Regelleistung wendet.

35

2. Der Beschwerdeführer ist durch die Einbeziehung in die Bedarfsgemeinschaft mit einem Elternteil nicht in seinen Grundrechten verletzt.

36

a) Das Grundgesetz garantiert mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch; das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, ein menschenwürdiges Existenzminimum tatsächlich zu sichern. Das Grundrecht ist dem Grunde nach unverfügbar und muss durch einen Leistungsanspruch eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen im Hinblick auf die konkreten Bedarfe der Betroffenen auszurichten hat. Dem Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>; 132, 134 <159 Rn. 62>). Bei dessen Ausfüllung hat er auch völkerrechtliche Verpflichtungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 132, 134 <161 f. Rn. 68>; 137, 34 <72 Rn. 74>).

37

aa) Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf die unbedingt erforderlichen Mittel zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (vgl. BVerfGE 125, 175 <223>; 132, 134 <160 Rn. 64>; 137, 34 <72 Rn. 75>).

38

bb) Der Gesetzgeber muss bei der Ausgestaltung der Leistungen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums die entsprechenden Bedarfe der Hilfebedürftigen zeit- und realitätsgerecht erfassen. Ihm kommt ein Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung von Art und Höhe der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Er hat einen Entscheidungsspielraum bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie bei der wertenden Einschätzung des notwendigen Bedarfs, muss seine Entscheidung jedoch an den konkreten Bedarfen der Hilfebedürftigen ausrichten (vgl. BVerfGE 125, 175 <224 f.>; 132, 134 <160 f. Rn. 67>; 137, 34 <72 f. Rn. 76>) und die Leistungen zur Konkretisierung des grundrechtlich fundierten Anspruchs müssen tragfähig, also durch realitätsgerechte, schlüssige Berechnungen sachlich differenziert begründet werden können (vgl. BVerfGE 137, 34 <72 ff. Rn. 76 f.>). Die Anforderungen des Grundgesetzes, tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen, dürfen im Ergebnis nicht verfehlt werden (BVerfGE 137, 34 <73 f. Rn. 77>).

39

cc) Der Staat hat im Rahmen seines Auftrags zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrags dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins erfüllt werden, wenn einem Menschen die hierfür erforderlichen notwendigen materiellen Mittel weder aus seiner Erwerbstätigkeit noch aus seinem Vermögen oder durch Zuwendungen Dritter zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>). Auch der soziale Rechtsstaat ist darauf angewiesen, dass Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, nur in Fällen in Anspruch genommen werden, in denen wirkliche Bedürftigkeit vorliegt. Bei der Ermittlung der Bedürftigkeit kann daher grundsätzlich auch das Einkommen und Vermögen von Personen einbezogen werden, von denen in einer Gemeinschaft ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann (vgl. BVerfGE 87, 234 <264 f.>, auch BVerfGE 75, 382 <394 f.>). Das gilt jedenfalls im Rahmen einer Ehe oder einer Lebenspartnerschaft und im Verhältnis einander unterhaltspflichtiger Verwandter, soweit wechselseitige Unterhaltsansprüche bestehen (vgl. BVerfGE 75, 382 <394 f.>). Allerdings ist eine Anrechnung auch dann nicht ausgeschlossen, wenn zivilrechtlich kein (vgl. BVerfGE 9, 20 <30 ff.>) oder nur ein geringerer Unterhaltsanspruch (vgl. BVerfGE 71, 146 <155 f.>) besteht. Die Anrechnung darf nur nicht zu einer Benachteiligung von Ehe und Familie führen (Art. 6 Abs. 1 GG; vgl. BVerfGE 87, 234 <256 ff.>). Maßgebend sind aber insoweit nicht möglicherweise bestehende Rechtsansprüche, sondern die faktischen wirtschaftlichen Verhältnisse der Hilfebedürftigen, also das tatsächliche Wirtschaften "aus einem Topf" (vgl. BVerfGE 9, 20 <30 ff.>). Nicht angerechnet werden darf, was zu leisten die Verpflichteten außerstande sind (vgl. zum Unterhaltsrecht BVerfGE 28, 324 <352>) oder was sie ohne rechtliche Verpflichtungen erkennbar nicht zu leisten bereit sind (vgl. BVerfGE 71, 146 <156>; 87, 234 <256; 265>). Eine Grenze kann die Anrechnung auch in der Selbstbestimmung der Beteiligten (Art. 2 Abs. 1 GG) und der Freiheit in der Gestaltung des familiären Zusammenlebens (Art. 6 Abs. 1 GG) finden.

40

b) Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht.

41

aa) Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen vorgibt, beschränkt sich die materielle Kontrolle der Höhe von Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind (vgl. BVerfGE 125, 175 <225 f.>; 132, 134 <165 Rn. 78>; 137, 34 <75 Rn. 81>). Diese Kontrolle bezieht sich im Wege einer Gesamtschau (vgl. BVerfGE 130, 263 <295>) auf die Höhe der Leistungen insgesamt und nicht auf einzelne Berechnungselemente, die dazu dienen, diese Höhe zu bestimmen. Evident unzureichend sind Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich ist, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist (BVerfGE 137, 34 <75 Rn. 81>).

42

bb) Jenseits dieser Evidenzkontrolle überprüft das Bundesverfassungsgericht, ob Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen sind. Lassen sich die Leistungen nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen, stehen sie mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (vgl. BVerfGE 125, 175 <225 f.>; 132, 134 <165 f. Rn. 79>; 137, 34 <75 Rn. 82>).

43

c) Andere Grundrechte vermögen für die Bemessung des Existenzminimums im Sozialrecht grundsätzlich keine weiteren Maßstäbe zu setzen. Entscheidend ist zur Sicherung des nach Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gewährleisteten Existenzminimums von Verfassungs wegen allein, dass dieses für jede individuelle hilfebedürftige Person ausreichend bemessen ist (vgl. BVerfGE 125, 175 <227>).

44

3. Die angegriffene Entscheidung des Bundessozialgerichts und die mittelbar angegriffenen Regelungen zu den Grundsicherungsleistungen in einer Bedarfsgemeinschaft erwachsener Kinder mit einem Elternteil genügen diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen.

45

Mit den der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Regelungen nimmt der Gesetzgeber eine pauschale Bestimmung existenzsichernder Leistungen in Bedarfsgemeinschaften vor, indem er den Bedarf für einen Elternteil mit einem volljährigen, unter 25-jährigen Kind mit insgesamt 180 % des entsprechenden Bedarfs zweier Alleinstehender berechnet, hiervon 100 % auf den Elternteil und 80 % auf das Kind verteilt, zudem elterliches Vermögen berücksichtigt und elterliches Einkommen auf den Bedarf des Kindes anrechnet, auch wenn diesem kein Unterhaltsanspruch gegen den Elternteil zusteht. Damit ist die anerkannte Leistung zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz nicht evident unterschritten (a). Die Leistungen lassen sich auch nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen (b). Mit dem Grundgesetz ist es vereinbar, Sozialleistungen an der Bedürftigkeit der Betroffenen zu orientieren und insoweit Einsparungen zu berücksichtigen, die im familiären Zusammenleben typischerweise auftreten (aa). Desgleichen bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Entscheidung des Gesetzgebers, in eine solche Bedarfsgemeinschaft auch erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres einzubeziehen (bb). Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn elterliches Einkommen berücksichtigt wird, obwohl keine korrespondierende Unterhaltsverpflichtung besteht. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Elternteil tatsächlich zum Unterhalt beiträgt und das Kind deshalb in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen ist. Dasselbe gilt, wenn dem Kind anderenfalls ein Auszug aus der Wohnung ohne nachteilige Folgen ermöglicht wird (cc).

46

a) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die ihm monatlich ausgezahlten Leistungen in Höhe von 175,64 € seien evident unzureichend, überzeugt dies nicht.

47

aa) Evident unzureichend sind Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich ist, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist (BVerfGE 137, 34 <75 Rn. 81>; zu einer solchen Situation BVerfGE 132, 134 <166 ff. Rn. 80 ff.>).

48

bb) Anhaltspunkte für eine derartige oder eine vergleichbare Situation sind hier nicht erkennbar.

49

(1) Der Gesamtbetrag der Leistungen, die für die Existenzsicherung des Beschwerdeführers anerkannt wurden, unterschreitet das zu gewährleistende menschenwürdige Existenzminimum nicht evident. Im Ausgangspunkt wurde ein Bedarf in Höhe von 80 % der Regelleistung für Alleinstehende konkret in Höhe von 276 € anerkannt. Dazu kam der nach der damaligen Rechtslage nach § 24 SGB II anerkannte Zuschlag in Höhe von 80 €. Die Gesamtsumme ist damit höher als die damalige Regelleistung für Alleinstehende. Dass diese im entscheidungserheblichen Zeitraum nicht evident unzureichend war, hat der Senat bereits entschieden (vgl. BVerfGE 125, 175 <227>).

50

(2) Auch im Hinblick auf die Höhe der tatsächlich gewährten Leistungen ist eine evidente Unterdeckung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht ersichtlich. Zwar sind dem Beschwerdeführer nicht Leistungen in Höhe des im Ausgangspunkt anerkannten Bedarfs, sondern nur ein geringerer Betrag bewilligt worden. Diese Höhe der Leistungen folgt jedoch aus der teilweisen Anrechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente des Vaters auf den anerkannten Bedarf des Beschwerdeführers, weil der Gesetzgeber mit den angegriffenen Regelungen unterstellt, dass sein Bedarf durch entsprechende Zuwendungen des Vaters gedeckt ist. Die Berücksichtigung des Einkommens des Vaters betrifft insofern nicht die Anerkennung notwendiger Bedarfe zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz, sondern die Ausgestaltung der Leistungen mit Blick auf die Bedürftigkeit. Eine evidente Unterdeckung ist mit Blick auf derartige Anrechnungen nur denkbar, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass auch mit dem angerechneten Einkommen eine menschenwürdige Existenz überhaupt nicht zu sichern wäre. Dafür ist hier jedoch nichts ersichtlich. Der Vater verfügte jedenfalls tatsächlich über hinreichende Mittel, um zur Existenzsicherung seines Sohnes beizutragen. Die Tatsache, dass sein Einkommen die unterhaltsrechtlichen Freibeträge nicht übersteigt, ändert daran nichts, denn diese sind nicht auf das zur menschenwürdigen Existenz Notwendige beschränkt.

51

b) Auch jenseits evidenter Verfassungswidrigkeit kann ein Verfassungsverstoß nicht festgestellt werden, weil sich die Leistungen in ihrer Gesamthöhe nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen lassen.

52

aa) Die mittelbar angegriffene Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II, die der Entscheidung des Bundessozialgerichts zugrunde liegt, ist - unbeschadet ihrer Ableitung von einer mit der Verfassung nicht vereinbaren Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II (dazu unter A II, Rn. 15, und C I 1, Rn. 34; vgl. BVerfGE 125, 175) - mit den Anforderungen des Grundgesetzes vereinbar. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, zur Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz anerkannte Sozialleistungen in Orientierung an der Bedürftigkeit der Betroffenen pauschal um Einsparungen zu kürzen, die im familiären häuslichen Zusammenleben typisch sind.

53

(1) Die Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II führt im Ergebnis dazu, dass bei einer Bedarfsgemeinschaft aus einem Elternteil und einem erwachsenen Kind Sozialleistungen, die den existenznotwendigen Bedarf sichern, nur in Höhe von insgesamt 180 % der Regelleistung für Alleinstehende berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dies sei durch geringere Kosten und daraus resultierende Einsparungen aufgrund des gemeinsamen Wirtschaftens zu rechtfertigen. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist hinreichend plausibel, dass jedenfalls in einem Haushalt zusammenlebende Familienangehörige umfassend "aus einem Topf" wirtschaften. Das hat zur Folge, dass zwei in einem solchen Näheverhältnis zusammenlebende Personen einen finanziellen Mindestbedarf haben, der unter dem Doppelten des Bedarfs einer alleinwirtschaftenden Person liegt (vgl. BVerfGE 75, 382 <394>; 87, 234 <256>). Daher kann die familiäre Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft durchaus Anknüpfungspunkt für wirtschaftliche Rechtsfolgen sein, sofern damit keine Benachteiligung von Ehe oder Familie einhergeht, die mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht vereinbar wäre (vgl. BVerfGE 17, 210 <217>; 28, 324 <347>; 69, 188 <205 f.>; 75, 382 <393>). Eine solche Absenkung der Regelleistung aufgrund des gemeinsamen Wirtschaftens in häuslicher Gemeinschaft ist als Orientierung von Sozialleistungen an der Bedürftigkeit auch im Sinne des sozialen Rechtsstaats gerechtfertigt (vgl. BVerfGE 9, 20 <35>; 22, 100 <105>).

54

(2) Der Einwand des Beschwerdeführers, die Höhe der Regelleistung für junge Erwachsene sei mit 80 % der Regelleistung von Alleinstehenden schlicht gegriffen und nicht mittels eines sachgerechten und transparenten Verfahrens ermittelt worden, verkennt, dass die Verfassung keine besonderen Vorgaben für das Gesetzgebungsverfahren macht; verlangt ist vielmehr die sachlich differenzierende, im Ergebnis tragfähige Begründbarkeit der festgesetzten Beträge in ihrer Gesamthöhe (zuletzt BVerfGE 137, 34 <74 ff. Rn. 78 ff.>). Davon ist hier unter Berücksichtigung des Entscheidungsspielraumes des Gesetzgebers in der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse (vgl. BVerfGE 137, 34 <72 f. Rn. 76>) auszugehen.

55

Die Annahme, das Hinzutreten eines weiteren Erwachsenen zu einer Bedarfsgemeinschaft führe zu einer regelbedarfsrelevanten Einsparung von 20 %, kann sich zumindest für die Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft in der Gesamtbetrachtung auf eine ausreichende empirische Grundlage stützen. Das Bundesverfassungsgericht hat für Partnerinnen und Partner bereits ausdrücklich gebilligt, dass der Bedarf einer weiteren erwachsenen Person in einer Bedarfsgemeinschaft in einer Höhe von insgesamt 180 % für zwei Personen von dem statistisch ermittelten Bedarf der Alleinstehenden abgeleitet werden darf (vgl. BVerfGE 125, 175 <245>), da die Erhebung nach Haushalten geeignet sei, den tatsächlichen Bedarf auch für solche Lebenssituationen zu ermitteln. Insofern ist die Bestimmung des Regelbedarfs zweier zusammenlebender und gemeinsam wirtschaftender Erwachsener in Höhe von 90 % des im SGB II für eine alleinstehende Person geltenden Regelbedarfs nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 137, 34 <83 Rn. 100>). Nach wie vor fehlen zwar Daten zu den relevanten Haushalten, zum Verwandtschaftsverhältnis oder zum Konsumverhalten in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die der Gesetzgeber zur Bestimmung des existenzsichernden Bedarfs nutzt (vgl. BVerfGE 125, 175 <232 ff.>). Doch sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, warum ein erwachsenes Kind, das - wie der Beschwerdeführer - nur mit einem Elternteil zusammen lebt, einen höheren Bedarf haben soll als der hinzutretende Erwachsene in einem Paarhaushalt (vgl. Dudel/Garbuszus/Ott/Werdig, Überprüfung der bestehenden und Entwicklung neuer Verteilungsschlüssel zur Ermittlung von Regelbedarfen auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008, 2013, S. 286). Nicht zu entscheiden ist im vorliegenden Verfahren allerdings, ob und gegebenenfalls ab welcher Anzahl hinzutretender Personen eine Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht mehr gewährleistet ist, wenn für jede dieser weiteren Personen eine um 20 % geringere Regelleistung berechnet wird. Die Annahme, dass der familiäre Zweipersonenhaushalt Einsparungen ermöglicht, aufgrund derer eine menschenwürdige Existenz auch mit auf 180 % der Regelleistung verminderten Leistungen gesichert ist, bewegt sich jedenfalls in dem Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers.

56

(3) Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, die Leistungen in der Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft - abweichend von in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partnerinnen und Partnern (vgl. damals § 20 Abs. 3 SGB II) - ungleich zu verteilen. Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II werden in der Bedarfsgemeinschaft aus einem Elternteil und einem erwachsenen Kind diesem nur 80 % der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II gewährt, dem Elternteil hingegen die volle Regelleistung. Auch hier ist der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse und sein Gestaltungsspielraum bei der Art und Höhe der jeweiligen Leistungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 137, 34 <72 f. Rn. 76>). Es erscheint hinreichend plausibel, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Eltern in häuslicher Gemeinschaft auch mit einem erwachsenen Kind regelmäßig den überwiegenden Teil der Kosten von Wohnungsausstattung, Hausrat oder etwa einer Tageszeitung oder anderen Mediendienstleistungen tragen und auf genaue Abrechnungen wie unter Fremden verzichten (BTDrucks 16/688, S. 13 f. zu Nr. 2, Buchstabe b). Daher ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber in der Bedarfsgemeinschaft in § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II für ein Kind einen geringeren Existenzsicherungsbedarf ansetzt als für den Elternteil.

57

bb) Es ist mit den Anforderungen des Grundgesetzes auch vereinbar, dass der Gesetzgeber die Bedarfsgemeinschaft in § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II auf erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ausgeweitet und deren Leistungshöhe nach dem Lebensalter bestimmt hat. Entgegen dem zentralen Einwand des Beschwerdeführers bestehen gegen die Einbeziehung erwachsener Kinder in die Bedarfsgemeinschaft mit einem Elternteil keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

58

(1) Der Anspruch auf existenzsichernde Leistungen ist nach Maßgabe von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG so auszugestalten, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>; 91, 93 <111>; 99, 246 <261>; 120, 125 <155 und 166>; 125, 175 <224>; 137, 34 <73 f. Rn. 77>). Der Bedarf muss damit auch für Menschen unterschiedlichen Alters realitätsgerecht bestimmt werden. So dürfen etwa Kinder nicht pauschal als "kleine Erwachsene" behandelt werden, sondern ihr Bedarf ist orientiert an tragfähigen Erkenntnissen sachgerecht zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 125, 175 <245 f., 249 f.>; 137, 34 <93 Rn. 123 f.>). Ein schlichter Verweis auf die Lebenserfahrung genügt für Differenzierungen in der Leistungshöhe nicht. Vielmehr muss der Gesetzgeber, wenn er Sozialleistungen nach dem Lebensalter staffelt, auf die alterstypische Entwicklung (vgl. BVerfGE 40, 121 <135 f.>) Rücksicht nehmen. Dabei hat er auch zu berücksichtigen, dass mit zunehmendem Alter eines Kindes sein Recht auf Selbstbestimmung und Teilhabe an Gewicht zunimmt (vgl. BVerfGE 59, 360 <387 f.>; 88, 87 <97 ff.>); der Gesetzgeber kann die Ausgestaltung der Sozialleistungen insoweit auch dann an den tatsächlichen Umständen orientieren, wenn die Betroffenen die Volljährigkeit erreicht haben und diese Rechte uneingeschränkt genießen.

59

(2) Mit diesen Anforderungen ist die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II zu vereinbaren, wonach auch ein erwachsenes Kind bis zum vollendeten 25. Lebensjahr in einer Bedarfsgemeinschaft mit einem Elternteil geringere Leistungen erhält als ein über 25-jähriges Kind. Diese Altersgrenze der Einbeziehung von Kindern in die Bedarfsgemeinschaft ist sachlich begründbar. Der Gesetzgeber orientiert sich mit dem Ende des 25. Lebensjahres an einem häufigen, jedenfalls nicht untypischen Zeitpunkt des Erreichens ökonomischer Eigenständigkeit sowie am empirisch belegten längeren Verbleib von Kindern im Elternhaus (vgl. Statistisches Bundesamt, Datenreport 2006, Auszug aus Teil II "Lebenssituation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen", S. 545 ff. und "Frauen und Männer in verschiedenen Lebensphasen", 2010, S. 10). Zwar trifft der Einwand des Beschwerdeführers und der Verbände zu, dass sich mit Vollendung des 25. Lebensjahres die Eltern-Kind-Beziehung nicht automatisch wesentlich ändert. Doch gilt dies für jede - auch für die vormalige, auf 18 Jahre gesetzte - Altersgrenze; denn die leibliche und seelische Entwicklung ist nicht an das numerische Alter gebunden, sondern einem individuell sehr unterschiedlichen Prozess unterworfen. Auch trifft es zu, dass die berufliche Ausbildung nicht immer mit einem bestimmten Lebensalter in dem Sinne abgeschlossen ist, dass Menschen dann ökonomisch auf eigenen Füßen stünden (vgl. zur Volljährigkeitsgrenze von damals 21 Jahren BVerfGE 44, 1 <19 f.>). Doch liegt es im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, eine Regelung zur Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen in Orientierung an der konkreten Bedürftigkeit der Leistungsberechtigten auf diese typisierende Einschätzung der tatsächlichen Verhältnisse zu gründen, die auch im Übrigen nicht sachwidrig erscheint. So trägt der Gesetzgeber mit der Grenze der Vollendung des 25. Lebensjahres auch dem Einwand der Verbände Rechnung, dass der Einstandswille von Eltern mit dem Alter ihrer Kinder abnimmt.

60

cc) Die angegriffene Entscheidung des Bundessozialgerichts und die ihr zugrundeliegenden Regelungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums, soweit sie bei der Bestimmung der Leistungshöhe unterstellen, sein Vater werde ihn in der Bedarfsgemeinschaft unterhalten, auch wenn es an einem korrespondierenden, rechtlich durchsetzbaren Unterhaltsanspruch fehlt.

61

(1) Der Beschwerdeführer hat keinen Unterhaltsanspruch nach §§ 1601 ff. BGB gegen seinen Vater, weil er eine Ausbildung abgeschlossen hat und der Vater nicht über Mittel in für die Unterhaltspflicht maßgeblicher Höhe verfügt. Damit besteht das Risiko einer Unterdeckung in der familiären Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft, wenn der Vater sich ernsthaft weigert, zur Existenzsicherung des Kindes beizutragen, elterliches Einkommen und Vermögen aber gleichwohl nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II bedarfsmindernd berücksichtigt wird. Folglich hat der Einwand, der Beschwerdeführer könne nur auf Leistungen verwiesen werden, die ihm auch tatsächlich zur Verfügung stünden, durchaus Gewicht. Existenzsichernde Leistungen müssen durch einen Anspruch gesichert sein (vgl. BVerfGE 125, 175 <223 f.>) und der Gesetzgeber muss dafür Sorge tragen, dass der existenzielle Bedarf tatsächlich gesichert ist und so die Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz nicht verfehlt wird (vgl. BVerfGE 137, 34 <73 f. Rn. 77>). Daher müssen auftretende Unterdeckungen entweder ausgeglichen werden können oder es muss ein gesonderter Anspruch auf Ausgleich im Bedarfsfall bestehen (vgl. BVerfGE 137, 34 <76 Rn. 84>).

62

(2) Doch spricht es nicht grundsätzlich gegen die Anrechnung elterlichen Einkommens und Vermögens auf die Leistungen zur Sicherung der menschenwürdigen Existenz, dass das Kind nicht immer einen konkreten durchsetzbaren Unterhaltsanspruch in Höhe des angerechneten Einkommens hat. Die Anforderung, das Existenzminimum müsse durch einen Anspruch gesichert sein, bezieht sich auf das Erfordernis eines Parlamentsgesetzes zur Bestimmung der existenzsichernden Leistungen, weil diese nicht der freien Entscheidung der Verwaltung überlassen bleiben dürfen. Ein solches Gesetz ist hier mit dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und speziell mit den Regelungen in §§ 7, 9 und 20 SGB II vorhanden. Indem die gesetzlichen Bestimmungen zur Höhe des Anspruchs eine Anrechnung des elterlichen Einkommens vorsehen, wird der gesetzliche Anspruch auf Existenzsicherung nicht beseitigt, sondern nur der individuelle Leistungsanspruch gegen den Träger der Grundsicherung in Anknüpfung an die tatsächlichen Umstände beschränkt.

63

Dies begegnet auch in der Sache keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber ist zur Bereitstellung von Mitteln zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz nur in dem Umfang verpflichtet, in dem die hierfür erforderlichen materiellen Mittel nicht aus eigener Erwerbstätigkeit, eigenem Vermögen oder durch Zuwendungen Dritter zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>). Er geht hier plausibel begründbar davon aus, dass die (ergänzende) Existenzsicherung durch Grundsicherungsleistungen nur in einem Umfang erforderlich ist, in dem sie nicht durch Mitglieder einer häuslichen und familiären Gemeinschaft erfolgt, weil anzunehmen ist, dass diese in besonderer Weise füreinander einstehen und bereit sind, ihren Lebensunterhalt auch jenseits zwingender rechtlicher Verpflichtungen gegenseitig zu sichern. Im Verhältnis zwischen Eltern und (volljährigen) Kindern im gemeinsamen Haushalt wird der Beschwerdeführer also nicht auf im Belieben Dritter stehende Almosen verwiesen, sondern auf Mittel innerhalb der Familie, bei denen der Gesetzgeber davon ausgehen darf, dass sie in familiärer Verbundenheit und Solidarität tatsächlich erbracht werden. Diese Einkommensanrechnung verletzt auch nicht die durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden (vgl. BVerfGE 61, 319 <347>; 99, 216 <231>; 133, 59 <84>), denn der Gesetzgeber knüpft hier für wirtschaftliche Rechtsfolgen - ohne die Familie zu diskriminieren - lediglich an die familiäre Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft an (vgl. BVerfGE 17, 210 <217>; 28, 324 <347>; 69, 188 <205 f.>; 75, 382 <393>). Grundsätzlich bestimmt § 3 Abs. 3 SGB II, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur erbracht werden, wenn die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann. Hier kann der Gesetzgeber davon ausgehen, dass einander nahestehende Menschen zur Sicherung ihrer Existenz typischerweise ihre vorhandenen Mittel - wie hier die Erwerbsunfähigkeitsrente des Vaters - miteinander teilen (vgl. BVerfGE 87, 234 <264 f.>).

64

(3) Entscheidend ist damit, dass eine Unterdeckung tatsächlich verhindert wird. Das ist vorliegend der Fall, weil das Kind im Fall der Verweigerung der Existenzsicherung durch den Vater entweder nicht in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen und folglich kein Einkommen und Vermögen angerechnet wird, oder aber ein Auszug aus der häuslichen Gemeinschaft ohne leistungsrechtlich nachteilige Folge möglich ist.

65

(a) Stehen Eltern und Kinder im konkreten Fall tatsächlich nicht füreinander ein, greift die Fiktion einer Bedarfsgemeinschaft zwischen ihnen nicht. Zwar setzt die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft nach der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II ausdrücklich keinen Einstandswillen voraus; gefordert wird jedoch nicht etwa nur das bloße Zusammenwohnen, sondern die Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Haushalt. Von einer solchen kann nur ausgegangen werden, wenn Menschen tatsächlich füreinander einstehen. Der Gesetzgeber darf sich von der plausiblen Annahme leiten lassen, dass eine verwandtschaftliche Bindung in der Kernfamilie, also zwischen Eltern und Kindern, grundsätzlich so eng ist, dass ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann und regelmäßig "aus einem Topf" gewirtschaftet wird (vgl. BVerfGE 75, 382 <394>; 87, 234 <256; 265>). Weigern sich Eltern aber ernsthaft, für ihre nicht unterhaltsberechtigten Kinder einzustehen, fehlt es an einem gemeinsamen Haushalt und damit auch an der Voraussetzung einer Bedarfsgemeinschaft; eine Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II scheidet dann aus (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2012 - B 14 AS 17/11 R -, juris, Rn. 29).

66

(b) Das in der damals maßgeblichen Fassung des § 22 Abs. 2a SGB II (heute § 22 Abs. 5 SGB II) normierte Erfordernis, vor einem Umzug, mit dem ein Kind sich aus der Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern löst, die Zustimmung des Leistungsträgers zur Berücksichtigung der künftigen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung einzuholen, steht der Anrechnung elterlichen Einkommens ebenfalls nicht entgegen. Dabei ist hier nicht zu entscheiden, ob es verfassungsrechtlich zu rechtfertigen ist, Bedürftigen bei Auszug aus der Wohnung einer Bedarfsgemeinschaft ohne Zustimmung des Leistungsträgers weiter nur 80 % der existenzsichernden Regelleistung für Alleinstehende und keinerlei Kosten der Unterkunft und Heizung zu zahlen, obgleich der existenznotwendige Bedarf stets zu sichern ist (vgl. BVerfGE 137, 34 <73 f. Rn. 77>). Der Beschwerdeführer will ausdrücklich nicht ausziehen und hat diese Regelung auch nicht mittelbar angegriffen. Die Vorgabe des (damaligen) § 22 Abs. 2a SGB II ist aber insofern zu berücksichtigen, als sie Teil der hier mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen gesetzgeberischen Entscheidung ist, auch erwachsene Kinder als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern oder einem Elternteil zu betrachten, und damit die Möglichkeit eines Kindes beschränkt wird, die volle Regelleistung ohne Anrechnung elterlichen Einkommens und Vermögens zu erlangen. Die Erweiterung der Bedarfsgemeinschaft in § 7 Abs. 3 Nr. 2 und 4 SGB II auf volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres wurde zusammen mit dem Umzugsvorbehalt (damals) in § 22 Abs. 2a SGB II normiert, denn der Gesetzgeber wollte damit unerwünschte Anreizeffekte verhindern (vgl. BTDrucks 16/688, S. 14 zu Nr. 5, Buchstabe c und Nr. 6, Buchstabe a). Die Regelungen sollten ausweislich der Ausführungen des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Deutschen Bundestag den Anreiz vermindern, durch Auszug in eine eigene Wohnung einen Anspruch auf die Regelleistung in voller Höhe zu erlangen (BTDrucks 16/688, S. 13 f.). Der Gesetzgeber mutet es den Betroffenen daher zu, bei einem Umzug ohne Zusicherung des Leistungsträgers bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres auch in einem eigenen Haushalt lediglich 80 % der Regelleistung für Alleinstehende und keine Leistungen für Unterkunft und Heizung zu erhalten. Zur Begründung heißt es, dass der Leistungsausschluss regelmäßig nur von kürzerer Dauer sei, da Jugendliche nach § 3 Abs. 2 SGB II unverzüglich in eine Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit zu vermitteln seien (BTDrucks 16/688, S. 14).

67

Die Norm statuiert lediglich einen Vorbehalt, kein Verbot. In Fällen, in denen das Existenzminimum durch die Familie tatsächlich nicht gewährleistet wird, ist daher auch die Zustimmung zum Umzug im Wege der Zusicherung nach § 22 Abs. 2a SGB II - heute nach § 22 Abs. 5 SGB II - zu erteilen. Wenn es unüberbrückbare Zerwürfnisse zwischen Eltern und Kindern gibt oder die Eltern ernsthaft eine über die Unterhaltspflichten hinausgehende Unterstützung verweigern, trägt die Annahme wechselseitigen Einstehens füreinander offensichtlich nicht mehr. Die Vorschrift ist auch nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2012 - B 14 AS 17/11 R -, juris, Rn. 30; Berlit, in: Münder, SGB II, 5. Auflage 2013, § 22 Rn. 149 ff.; Luik, in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 186 ff.) so zu verstehen, dass an die Erteilung der Zusicherung auch unter angemessener Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts des erwachsenen Kindes keine übermäßigen Anforderungen gestellt werden dürfen. Damit wird die Möglichkeit, die Bedarfsgemeinschaft im Fall tatsächlich fehlender Unterstützung zu verlassen und dann Ansprüche auf Existenzsicherung in voller Höhe und auch hinsichtlich der Kosten für eine eigene Wohnung geltend zu machen, zwar erschwert, aber nicht verstellt. Verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen wäre das nur, wenn das Nachsuchen um die vorherige Zusicherung des Leistungsträgers unzumutbar wäre. Dafür ist nichts ersichtlich. Auch das Wissen um Missstände in Familien verwehrt es dem Gesetzgeber nicht, sich am Regelfall zu orientieren, dass Mitglieder einer Familie füreinander einstehen. Zudem kann der Verbleib im elterlichen Haushalt über die Volljährigkeit hinaus als Indiz für die dort erfahrene (auch finanzielle) Unterstützung verstanden werden (oben C I 3 b bb (2), Rn. 59). Schließlich ist das Zusicherungserfordernis, das dazu dient, die eigene Bedürftigkeit nicht zu vergrößern, wenn sie zumutbar geringer gehalten werden kann, als Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts des Kindes zu rechtfertigen.

II.

68

Die unterschiedliche Ausgestaltung der Leistungen zur Existenzsicherung für unter- und über 25-jährige Kinder in Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern oder einem Elternteil sowie zwischen im elterlichen Haushalt lebenden volljährigen Kindern im Zweiten Buch und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch ist mit den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

69

1. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (stRspr; BVerfGE 139, 285 <309 Rn. 70 f.>). Ein solches Merkmal ist das Lebensalter (vgl. BVerfGE 60, 123 <133 f.>; 88, 87 <96 ff.>). Umgekehrt erweitern sich mit abnehmender Prüfungsstrenge die Gestaltungs- und Bewertungsspielräume des Gesetzgebers bei steigender "Typisierungstoleranz" (vgl. BVerfGE 133, 377 <413 Rn. 88>). Diese ist im Bereich der leistenden Massenverwaltung besonders groß.

70

2. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts und die mittelbar angegriffenen Regelungen genügen diesen Anforderungen.

71

a) Die mit der Verfassungsbeschwerde mittelbar angegriffene Regelung über die Zugehörigkeit von erwachsenen Kindern zur Bedarfsgemeinschaft ihrer Eltern oder eines Elternteils in § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II berührt das Selbstbestimmungsrecht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG und das Grundrecht auf freie Gestaltung des familiären Zusammenlebens aus Art. 6 Abs. 1 GG. Zudem knüpft der Gesetzgeber an das Lebensalter als individuell unverfügbares Merkmal an. Daher genügt zur Rechtfertigung der Unterscheidung zwischen unter- und über 25-jährigen Kindern nicht die schlichte Willkürfreiheit. Die Regelung hält jedoch auch strengeren Rechtfertigungsanforderungen stand. Sie verfolgt ein legitimes Ziel und ist zu dessen Erreichung geeignet, erforderlich und angemessen.

72

Der Gesetzgeber bezieht erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres in die Bedarfsgemeinschaft ein, weil er damit das legitime Ziel verfolgt, Ansprüche auf Sozialleistungen in Schonung der Solidargemeinschaft an der konkreten Bedürftigkeit der leistungsberechtigten Personen auszurichten. Dafür ist die Orientierung am Zusammenleben und am Lebensalter geeignet, denn die Annahme, dass zusammenlebende Eltern und Kinder über das 18. Lebensjahr hinaus "aus einem Topf" wirtschaften, ist plausibel. Diese Berücksichtigung von Einsparungen durch gemeinsames Haushalten ist auch angezeigt, weil dies nicht notwendige Leistungen vermeidet. Ein milderes Mittel, das hier gleiche Effekte für die Schonung der Solidargemeinschaft erzielen könnte wie die Reduzierung der Regelleistung und die Berücksichtigung von Vermögen und Einkommen des Elternteils auf grundsätzlich anerkannte existenzsichernde Leistungen bis zu einer bestimmten Altersgrenze, ist nicht ersichtlich. Die Ungleichbehandlung zwischen über und unter 25-jährigen Kindern im elterlichen Haushalt ist auch zumutbar. Kommt es zu einer ernstlichen Verweigerung der Unterstützung, scheiden Kinder bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres aus der Bedarfsgemeinschaft mit der Folge aus, dass ihnen die volle Regelleistung zusteht und eine Einkommensanrechnung nicht stattfindet; sie dürfen dann ohne Anspruchsverluste ausziehen.

73

b) Die Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers im Vergleich mit Personen, die Ansprüche aus anderen Sicherungssystemen haben, ist im Lichte der allgemeinen Anforderungen aus Art. 3 Abs. 1 GG ebenfalls zu rechtfertigen.

74

Der Gesetzgeber hat Leistungen zur Existenzsicherung für Eltern und Kinder in unterschiedlichen Leistungssystemen unterschiedlich ausgestaltet. Er behandelt hier den Beschwerdeführer im System des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch mit den Regeln der Bedarfsgemeinschaft zu seinem Nachteil anders als ein volljähriges Kind in der Einstandsgemeinschaft, wie sie im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch normiert ist. Dort wird Einkommen und Vermögen nicht über das 18. Lebensjahr hinaus angerechnet. Die Zielgruppen der jeweiligen Sicherungssysteme unterscheiden sich in einem Maße voneinander, das es bereits fraglich erscheinen lässt, ob überhaupt vergleichbare Sachverhalte vorliegen; jedenfalls sind unterschiedliche Anrechnungsregeln sachlich gerechtfertigt. Das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch erfasst Hilfebedürftige, die entweder insbesondere vorübergehend (Drittes Kapitel) oder dauerhaft voll erwerbsgemindert (Viertes Kapitel), deren Möglichkeiten, sich selbst zu unterhalten, also deutlich eingeschränkt sind. Deshalb hat der Gesetzgeber entschieden, dass Einkommen der Eltern nicht auf Leistungen an entsprechend erwerbsgeminderte, volljährige Kinder anzurechnen ist, die noch bei ihren Eltern wohnen, um so ihre Selbstständigkeit zu stärken. Demgegenüber zielt das Zweite Buch Sozialgesetzbuch auf Bedürftige, die ihren Lebensunterhalt grundsätzlich selbst sichern könnten. Die Leistungen zur Existenzsicherung werden vorübergehend gewährt und sie werden durch Leistungen zur Vermittlung in Arbeit ergänzt. Diese Unterschiede genügen, um auch unterschiedliche Anrechnungsregeln sachlich zu begründen.

D.

75

Soweit der angegriffene Satz von 80 % der Regelleistung (§ 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II) von der bis zum 31. Dezember 2010 fortgeltenden vollen Regelleistung abgeleitet ist, bezieht er sich zwar auf einen Ausgangspunkt, der den Anforderungen des Grundgesetzes nicht entsprach (vgl. BVerfGE 125, 175 <227 ff.>). Die volle Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II galt jedoch trotz Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz bis zur Neuregelung fort (vgl. BVerfGE 125, 175 <255 f.>). Das Bundessozialgericht musste die Vorschrift damit auch insoweit seiner Entscheidung zugrunde legen. Die dann rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft getretene volle Regelleistung ist verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 137, 34 <36 f.>).

76

Im Übrigen sind die mittelbar angegriffenen Vorschriften der § 7 Abs. 3 Nr. 2, § 9 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 2 Satz 2 (heute § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2) SGB II mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG) und, soweit daneben von Bedeutung, dem Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar, soweit es sich um eine Bedarfsgemeinschaft aus einem Elternteil und einem Kind handelt, diese tatsächlich zusammen leben und wirtschaften und auch ein Auszug für erwachsene Kinder ohne nachteilige Folgen möglich ist, falls in der Gemeinschaft aufgrund ernsthafter Weigerung tatsächlich keine menschenwürdige Existenz gesichert ist. Die Verfassungsbeschwerde ist daher zurückzuweisen.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2013 und des Sozialgerichts Dortmund vom 31. Oktober 2012 sowie der Bescheid des Beklagten vom 3. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2009 aufgehoben.

Der Beklagte hat den Klägern die Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Aufhebung einer Leistungsbewilligung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) wegen der Nachzahlung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

2

Zuletzt mit Bescheid vom 18.6.2009 bewilligte das beklagte Jobcenter den in Bedarfsgemeinschaft lebenden Klägern zu 1 und 2, einem Ehepaar, und ihren Kindern Sh, geboren am 22.9.1992 und Kläger zu 3, B, geboren am 13.11.1993 und Kläger zu 4, sowie E, geboren am 14.2.1997 und Kläger zu 5, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 681,22 Euro für September und Oktober 2009 unter Berücksichtigung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung des Klägers zu 1. Nachdem die Wohnortgemeinde K der Kläger den Beklagten darüber informiert hatte, dass die Kläger zusammen mit einem weiteren Kind der Kläger zu 1 und 2, das keine Leistungen nach dem SGB II bezog und die zunächst ebenfalls erhobene Klage zwischenzeitlich zurückgenommen hat, eine Nachzahlung von sog Analog-Leistungen gemäß § 2 Abs 1 AsylbLG in Höhe von insgesamt 7329,46 Euro erhielten, die im September 2009 ausgezahlt wurde, hob der Beklagte die zuvor genannte Bewilligung ab 1.9.2009 auf, weil die Hilfebedürftigkeit der Kläger durch die als Einkommen zu berücksichtigende Nachzahlung entfallen sei (Aufhebungsbescheid vom 3.9.2009, Widerspruchsbescheid vom 28.10.2009).

3

Das angerufene Sozialgericht (SG) hat die hiergegen gerichteten Klagen abgewiesen (Urteil vom 31.10.2012). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufungen zurückgewiesen (Urteil vom 29.5.2013) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Durch die Nachzahlung der Analog-Leistungen sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten, die dem Bewilligungsbescheid zugrunde gelegen hätten. Denn die Analog-Leistungen seien als Einkommen nach § 11 SGB II aF zu berücksichtigen und damit sei die Hilfebedürftigkeit der Kläger entfallen. Die Berücksichtigung einer solchen Nachzahlung als Einkommen sei insbesondere nicht durch § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF ausgeschlossen, weil es sich nicht um "Leistungen nach diesem Buch" handele. Etwas anderes folge nicht aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes, zumal das Bundessozialgericht (BSG) die Berücksichtigung einer Nachzahlung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) gebilligt habe (Hinweis auf das Urteil des Senats vom 21.12.2009 - B 14 AS 46/08 R). Das Urteil des BSG hinsichtlich der Bewilligung von Sozialhilfe in gemischten Bedarfsgemeinschaften, wenn der Partner Arbeitslosengeld II (Alg II) erhalte (BSG vom 9.6.2011 - B 8 SO 20/09 R - BSGE 108, 241 = SozR 4-3500 § 82 Nr 8), stehe dem nicht entgegen, weil dieses Urteil nicht eine Nachzahlung, sondern parallel bezogene Sozialleistungen betreffe. Die Nachzahlung habe den Klägern auch als bereite Mittel zur Verfügung gestanden.

4

Mit ihren Revisionen rügen die Kläger die Verletzung von § 11 SGB II aF. Rechtswidrig zunächst vorenthaltene Sozialleistungen dürften bei ihrer durch Rechtsmittel erstrittenen Nachzahlung nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Zudem verfolgten SGB II, Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) und AsylbLG identische Zwecke, sodass eine wechselseitige Anrechnung ausscheide.

5

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2013 und des Sozialgerichts Dortmund vom 31. Oktober 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 3. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2009 aufzuheben.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässigen Revisionen der Kläger sind begründet. Die angefochtenen Urteile des LSG und des SG sowie der Aufhebungsbescheid des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids sind aufzuheben, weil keine wesentliche Änderung in den Verhältnissen seit dem letzten Bewilligungsbescheid eingetreten ist. Die Nachzahlung der Leistungen nach dem AsylbLG im September 2009 an die Kläger ist nicht als Einkommen im Rahmen des SGB II zu berücksichtigen, sodass kein Grund für eine Aufhebung der ihnen gegenüber erfolgten Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vorliegt und es für September und Oktober 2009 bei den bewilligten Leistungen bleibt.

8

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Aufhebungsbescheid vom 3.9.2009 wegen der Aufhebung der zuvor erfolgten Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sind materiell-rechtlich zur Beurteilung des von den Vorinstanzen angenommenen Zuflusses von zu berücksichtigendem Einkommen § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II in der für die strittige Zeit geltenden Fassung des Vierten Buches für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954 , im Folgenden SGB II aF), weil bei Rechtsstreitigkeiten über Leistungen in schon abgeschlossenen Bewilligungsabschnitten auf das für die strittige Zeit geltende Recht abzustellen ist, sowie verfahrensrechtlich insbesondere § 40 Abs 1 SGB II aF, § 48 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB X).

9

Die Voraussetzungen für eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen sind nicht erfüllt, weil die den Klägern zugeflossene Nachzahlung von Leistungen nach dem AsylbLG nicht als Einkommen nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF zu berücksichtigen ist. Dies kann zwar nicht dem Wortlaut des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF entnommen werden, dessen Auslegung insofern unergiebig ist(dazu 1.). Gegen eine Berücksichtigung der strittigen Nachzahlung sprechen jedoch der Sinn und Zweck des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF(dazu 2.) sowie systematische und historische Zusammenhänge (dazu 3.). Denn die Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und dem AsylbLG bilden drei nebeneinanderstehende Existenzsicherungssysteme.

10

1. Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF sind als Einkommen zu berücksichtigen "Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz …". Mit dieser Formulierung wurde nahezu wörtlich die Regelung des § 76 Abs 1 Satz 1 des bis zum 31.12.2004 geltenden Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) übernommen. In der Begründung zum Entwurf des SGB II (BT-Drucks 15/1516, S 53) ist nur ausgeführt: "Die Vorschrift regelt die Einkommensberücksichtigung im Wesentlichen wie das Sozialhilferecht. Abs 1 entspricht inhaltlich dem Sozialhilferecht." Im SGB II in der Fassung der Neubekanntmachung vom 13.5.2011 (BGBl I 850, im Folgenden SGB II nF) ist diese Regelung ohne inhaltliche Änderung in § 11a Abs 1 Nr 1 SGB II nF verschoben worden.

11

Nach dem Wortlaut des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF ist eine Nachzahlung von Leistungen nach dem AsylbLG nicht von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen, weil nur Leistungen "nach diesem Buch", womit das SGB II gemeint ist, und Leistungen des sozialen Entschädigungsrechts genannt werden. Hieraus kann jedoch nicht unmittelbar etwas hergeleitet werden, weil es zahlreiche nicht zu berücksichtigende Einnahmen gibt, die auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen (vgl nur die Auflistung bei Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand: März 2015, K § 11a RdNr 308 ff). Von diesen ist vorliegend zwar keine einschlägig, sie belegen aber, dass § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF keine abschließende Regelung hinsichtlich des zu berücksichtigenden Einkommens enthält.

12

2. Gegen eine Berücksichtigung der Nachzahlung nach dem AsylbLG sprechen Sinn und Zweck des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF, existenzsichernde Leistungen nicht als Einkommen einsetzen zu müssen.

13

Durch die Nichtberücksichtigung von "Leistungen nach diesem Buch" will die Vorschrift Zirkelschlüsse vermeiden, weil die Berücksichtigung von Leistungen nach dem SGB II bei der Ermittlung von Ansprüchen nach dem SGB II vor allem bei einer Bedarfsgemeinschaft mit mehreren Personen und der wechselseitigen Berücksichtigung von Einkommen (vgl § 7 Abs 3, § 9 Abs 2 SGB II)keinen Sinn ergeben würde (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 11a RdNr 34; Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, Stand: März 2015, § 11a SGB II RdNr 6).

14

Demgemäß sind Nachzahlungen von Leistungen nach dem SGB II, die Anspruchsteller zB im Rahmen eines Gerichtsverfahrens für frühere Bewilligungsabschnitte erstritten haben und nun ausgezahlt werden, ebenfalls nicht als Einkommen im laufenden Bewilligungsabschnitt zu berücksichtigen (Mues in Estelmann, SGB II, Stand: Mai 2015, § 11a RdNr 12; Schmidt in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2014, § 11a RdNr 5). Eine andere Auslegung würde gegen den gesetzlichen Rechtsanspruch auf die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende verstoßen und die Verpflichtung des Leistungsträgers nach § 17 Abs 1 Nr 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I), darauf hinzuwirken, dass die Berechtigten die ihnen zustehenden Sozialleistungen umfassend und zügig erhalten, in ihr Gegenteil verkehren, weil die zunächst erfolgte rechtswidrige Leistungsverweigerung "belohnt" werden würde; außerdem wäre dies mit dem Gebot einer effektiven Rechtsschutzgewährung nicht vereinbar (Art 19 Abs 4 Grundgesetz ; vgl zur entsprechenden Rechtslage schon unter dem BSHG: Bundesverwaltungsgericht vom 30.4.1992 - 5 C 12/87 - BVerwGE 90, 154, Juris RdNr 14; BVerwG vom 5.5.1994 - 5 C 43/91 - BVerwGE 96, 18, Juris RdNr 11; ebenso zur Berücksichtigung von Vermögen, das auf erstrittenen Nachzahlungen beruht: Radüge in JurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 12 RdNr 177; Wahrendorf in Grube/ders, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 90 RdNr 78 f).

15

Bestätigt wird diese Auslegung durch die Rechtsprechung zur sog gemischten Bedarfsgemeinschaft, in der die Lückenhaftigkeit der einschlägigen Regelungen des SGB II deutlich wird (vgl BSG vom 16.10.2007 - B 8/9b SO 2/06 R - BSGE 99, 131 = SozR 4-3500 § 28 Nr 1; BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5).

16

Für solche gemischten Bedarfsgemeinschaften hat der 8. Senat des BSG zu der § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF entsprechenden Vorschrift des § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII ausgeführt, dass das Alg II des Partners nach dem SGB II bei dem anderen Partner, der Leistungen nach dem SGB XII begehrt, nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist. Die beiden korrespondierenden Vorschriften § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF und § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII bezweckten, existenzsichernde Leistungen nicht als Einkommen einsetzen zu müssen. Dies habe der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII übersehen, sodass die Regelung auf Alg II entsprechend anzuwenden sei. Hierfür spreche außerdem die zwischenzeitliche Regelung des (früheren) Zuschlags zum Alg II nach § 24 SGB II aF als nicht zu berücksichtigendes Einkommen in § 82 Abs 1 SGB XII, die mittlerweile nur gestrichen worden sei, weil dieser Zuschlag abgeschafft worden sei(BSG vom 9.6.2011 - B 8 SO 20/09 R - BSGE 108, 241 = SozR 4-3500 § 82 Nr 8, RdNr 16 ff mwN). Dem hat sich die sozialhilferechtliche Literatur angeschlossen (Adolph in Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, Stand: Mai 2015, § 82 SGB XII RdNr 38; Schmidt in JurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 82 SGB XII RdNr 35, der die Entscheidung auf Leistungen nach dem AsylbLG überträgt).

17

In der aktuellen Literatur zum SGB II sind diese Ausführungen zu Recht auf die Nachfolgevorschrift in § 11a SGB II nF übertragen worden, weil jede andere Entscheidung zu nicht auflösbaren Wertungswidersprüchen führen würde(Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 11a RdNr 59; Sauer in Sozialgesetzbuch für die Praxis, SGB II, Stand: Januar 2015, § 11a RdNr 15a; Söhngen in JurisPK-SGB II, § 11a RdNr 18). Aus den zuvor aufgezeigten Gründen gilt dies - entgegen der Ansicht des LSG - nicht nur für parallel bezogene Sozialleistungen, sondern ebenso für Nachzahlungen.

18

3. Für die Nichtberücksichtigung einer Nachzahlung nach dem AsylbLG als Einkommen nach dem SGB II sprechen zudem die systematischen Zusammenhänge zwischen den Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und dem AsylbLG. Denn diese haben sich historisch vor allem aus der umfassenden Regelung des Fürsorgerechts im früheren BSHG entwickelt (dazu a) und haben einen gemeinsamen verfassungsrechtlichen Kern im Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (dazu b), dem stehen Differenzierungen hinsichtlich der Leistungshöhe nicht entgegen (dazu c). Durch andere Entscheidungen wird dieses Ergebnis bestätigt (dazu d) und durch Entscheidungen zu anderen Einnahmen, insbesondere der des Senats zur Alhi, nicht in Frage gestellt (dazu e).

19

a) Ursprünglich waren die Leistungen zur Existenzsicherung, die heute nach dem SGB II, dem SGB XII und dem AsylbLG beansprucht werden können, im BSHG als umfassendem Fürsorgesystem geregelt - mit Ausnahme der ebenfalls zum 1.1.2005 durch das SGB II abgelösten Alhi. Das BSHG differenzierte nicht zwischen erwerbsfähigen und nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (vgl §§ 18 ff BSHG: Hilfe zur Arbeit) und enthielt auch Regelungen für nicht deutsche Staatsangehörige - ebenfalls ohne weitere Differenzierung (§ 120 BSHG aF).

20

Erst durch das Gesetz zur Neuregelung der Leistungen an Asylbewerber vom 30.6.1993 (BGBl I 1074) wurde in Umsetzung des sog Asylkompromisses eine Sonderregelung außerhalb des damaligen BSHG hinsichtlich der Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt von Asylbewerbern und ihnen gleichgestellten ausländischen Staatsangehörigen durch Einführung des AsylbLG geschaffen und § 120 BSHG dahingehend geändert, dass Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG keine Leistungen der Sozialhilfe erhielten(vgl die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucks 12/4451, S 5 f).

21

Die Ausdifferenzierung zwischen erwerbsfähigen und nicht erwerbsfähigen Sozialhilfeempfängern bei gleichzeitiger Zusammenfassung der Erwerbsfähigen mit den bisherigen Alhi-Empfängern erfolgte durch die Schaffung des SGB II mittels des ArbMDienstLG 4 und die Schaffung des SGB XII durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) zum 1.1.2005 bei gleichzeitiger Aufhebung des BSHG (vgl zur Begründung des Gesetzentwurfs zum SGB II: BT-Drucks 15/1516 S 1, 41 ff, zum SGB XII BT-Drucks 15/1514 S 1, 50 f).

22

Die zuletzt in §§ 190 ff Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung (SGB III aF) geregelte Alhi war demgegenüber ein Sondersystem mit strukturell höheren Ansprüchen, das an die Zurücklegung bestimmter Versicherungszeiten oder ihnen gleichgestellter Zeiten anknüpfte und auf eine Lebensstandardsicherung abzielte (vgl zur historischen Entwicklung nur Spellbrink, in dsl/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts 2003, § 13 RdNr 3 ff, 15 ff; zum Lebensstandardprinzip in der Alhi: Bundesverfassungsgericht vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87- BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3, Juris RdNr 74). Die Alhi war eine Entgeltersatzleistung, die nach einem bestimmten Arbeitseinkommen bemessen wurde und von der Größe der Familie abhängig war (§ 195 SGB III aF). Zudem war sie im Vergleich mit der Sozialhilfe für die Leistungsberechtigten hinsichtlich der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen großzügiger (vgl §§ 193 f SGB III aF sowie die AlhiVO vom 13.12.2001, BGBl I 3734 und §§ 76 ff, 88 BSHG mit Durchführungsverordnung; vgl zu den Unterschieden zum Alg II das noch zu erörternde Urteil des Senats vom 21.12.2009 - B 14 AS 46/08 R - RdNr 10 sowie grundlegend zur Abschaffung der Alhi durch "andersartige Ansprüche" nach dem SGB II: BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 41 ff).

23

b) Der gemeinsame verfassungsrechtliche Kern aller drei heutigen Existenzsicherungssysteme ist das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG. Aufgrund dessen ist, "(w)enn Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil sie weder aus einer Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter zu erlangen sind, (ist) der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen dafür Hilfebedürftigen zur Verfügung stehen (…). Als Menschenrecht steht dieses Grundrecht Deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik aufhalten, gleichermaßen zu" (so zuletzt BVerfG vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2 unter Hinweis auf BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12).

24

c) Dass Differenzierungen hinsichtlich der Leistungshöhe in Abhängigkeit von den Besonderheiten bestimmter Personengruppen zulässig sind (BVerfG vom 18.7.2012, aaO, RdNr 73) und es sie in erheblichem Maße auch tatsächlich gibt (vgl nur den Vorrang des Sachleistungsprinzips nach § 3 Abs 1 AsylbLG im Unterschied zu den Geldleistungen nach § 20 SGB II, § 27a SGB XII), schließt die strukturelle Gleichwertigkeit der drei Leistungssysteme nicht aus (vgl BSG vom 21.12.2009 - B 14 AS 66/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 14 RdNr 19 zum Nebeneinander von Leistungen nach dem SGB II, SGB XII, AsylbLG; BSG vom 6.10.2011 - B 14 AS 171/10 R - BSGE 109, 176 = SozR 4-4200 § 20 Nr 16 zu einer gemischten Bedarfsgemeinschaft von Partnern iS des SGB II und des AsylbLG). Dieser strukturellen Gleichwertigkeit der drei Existenzsicherungssysteme steht nicht entgegen, dass das AsylbLG kein besonderer Teil des Sozialgesetzbuchs ist (vgl § 68 SGB I), weil dies nichts an den gemeinsamen verfassungsrechtlichen Grundlagen zu ändern vermag und das AsylbLG zumindest materielles Sozialrecht ist, für das Teile des SGB I und des SGB X anwendbar (vgl § 7 Abs 4, § 9 Abs 3 AsylbLG) und zudem die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig sind (§ 51 Abs 1 Nr 6a Sozialgerichtsgesetz).

25

d) Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die vom BVerfG schon früher ausgesprochene Nichtberücksichtigung von Schmerzensgeld nach § 253 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch als Einkommen nach dem AsylbLG. Das Fehlen einer entsprechenden Regelung im AsylbLG im Unterschied zu anderen einkommens- und vermögensabhängigen staatlichen Existenzsicherungssystemen wie dem SGB II - dort heute § 11a Abs 2 SGB II - ist mangels hinreichender Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG (BVerfG vom 11.7.2006 - 1 BvR 293/05 - BVerfGE 116, 229, juris RdNr 43 ff).

26

In dieselbe Richtung weist das Urteil des 9. Senats des BSG vom 24.5.2012, nach dem die Beschädigtengrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz kein Einkommen iS des § 7 AsylbLG ist, weil insoweit der sozialhilferechtliche Einkommensbegriff heranzuziehen ist, da das Asylbewerberleistungsrecht zwar als besonderes System außerhalb des seinerzeit geltenden BSHG, jedoch unter Wahrung fürsorgerischer Gesichtspunkte eingeführt worden ist(BSG vom 24.5.2012 - B 9 V 2/11 R - BSGE 111, 79 = SozR 4-3520 § 7 Nr 1, RdNr 21 ff mwN).

27

e) Aus der Entscheidung des Senats zur Berücksichtigung einer Nachzahlung von Alhi für November und Dezember 2004 im Januar 2005 als Einkommen iS des § 11 SGB II aF folgt nichts anderes, weil diese gerade mit den schon oben dargestellten erheblichen Systemunterschieden zwischen dem Alg II und der Alhi begründet wurde(BSG vom 21.12.2009 - B 14 AS 46/08 R - RdNr 10).

28

Die weiteren zahlreichen Einnahmen, insbesondere Nachzahlungen, die nach der Rechtsprechung des BSG im Unterschied zu der vorliegenden Nachzahlung nach dem AsylbLG als Einkommen nach § 11 Abs 1 SGB II aF oder jetzt nach § 11a Abs 1 Satz 1 SGB II nF zu berücksichtigen sind, stammen nicht aus einem mit den drei Existenzsicherungssystemen SGB II, SGB XII und AsylbLG vergleichbaren Rechtsgrund, sodass aus ihnen nichts für die Beurteilung von Leistungen nach dem AsylbLG hergeleitet werden kann(vgl nur BSG vom 16.12.2008 - B 4 AS 70/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 19: Krankengeld; BSG vom 3.3.2009 - B 4 AS 47/08 R - BSGE 102, 295 = SozR 4-4200 § 11 Nr 24: Abfindung aufgrund arbeitsgerichtlichen Vergleichs; BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18: Einkommensteuererstattung; bestätigt in BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57; BSG vom 21.6.2011 - B 4 AS 21/10 R - BSGE 108, 258 = SozR 4-4200 § 11 Nr 39: Auflösung einer Ansparrücklage).

29

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen bleiben bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt.

(2) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen dürfen bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(3) Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, bleibt das Elterngeld nur bis zur Hälfte des Anrechnungsfreibetrags, der nach Abzug der anderen nach Absatz 1 nicht zu berücksichtigenden Einnahmen für das Elterngeld verbleibt, als Einkommen unberücksichtigt und darf nur bis zu dieser Höhe nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(4) Die nach den Absätzen 1 bis 3 nicht zu berücksichtigenden oder nicht heranzuziehenden Beträge vervielfachen sich bei Mehrlingsgeburten mit der Zahl der geborenen Kinder.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bei den in Satz 1 bezeichneten Leistungen bleiben das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf das Elterngeld angerechneten Einnahmen in Höhe des nach § 2 Absatz 1 berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, verringern sich die Beträge nach Satz 2 um die Hälfte. Abweichend von Satz 2 bleibt Mutterschaftsgeld gemäß § 19 des Mutterschutzgesetzes in voller Höhe unberücksichtigt.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend, soweit für eine Sozialleistung ein Kostenbeitrag erhoben werden kann, der einkommensabhängig ist.

(1) Leistungsberechtigt nach diesem Gesetz sind Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die

1.
eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz besitzen,
1a.
ein Asylgesuch geäußert haben und nicht die in den Nummern 1, 2 bis 5 und 7 genannten Voraussetzungen erfüllen,
2.
über einen Flughafen einreisen wollen und denen die Einreise nicht oder noch nicht gestattet ist,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzen
a)
wegen des Krieges in ihrem Heimatland nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes,
b)
nach § 25 Absatz 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder
c)
nach § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes, sofern die Entscheidung über die Aussetzung ihrer Abschiebung noch nicht 18 Monate zurückliegt,
4.
eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes besitzen,
5.
vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist,
6.
Ehegatten, Lebenspartner oder minderjährige Kinder der in den Nummern 1 bis 5 genannten Personen sind, ohne daß sie selbst die dort genannten Voraussetzungen erfüllen,
7.
einen Folgeantrag nach § 71 des Asylgesetzes oder einen Zweitantrag nach § 71a des Asylgesetzes stellen oder
8.
a)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, die ihnen nach dem 24. Februar 2022 und vor dem 1. Juni 2022 erteilt wurde, oder
b)
eine entsprechende Fiktionsbescheinigung nach § 81 Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 3 oder Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, die nach dem 24. Februar 2022 und vor dem 1. Juni 2022 ausgestellt wurde,
und bei denen weder eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 49 des Aufenthaltsgesetzes oder nach § 16 des Asylgesetzes durchgeführt worden ist, noch deren Daten nach § 3 Absatz 1 des AZR-Gesetzes gespeichert wurden; das Erfordernis einer erkennungsdienstlichen Behandlung gilt nicht, soweit eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 49 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorgesehen ist.

(2) Die in Absatz 1 bezeichneten Ausländer sind für die Zeit, für die ihnen ein anderer Aufenthaltstitel als die in Absatz 1 Nr. 3 bezeichnete Aufenthaltserlaubnis mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten erteilt worden ist, nicht nach diesem Gesetz leistungsberechtigt.

(3) Die Leistungsberechtigung endet mit der Ausreise oder mit Ablauf des Monats, in dem die Leistungsvoraussetzung entfällt. Für minderjährige Kinder, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzen und die mit ihren Eltern in einer Haushaltsgemeinschaft leben, endet die Leistungsberechtigung auch dann, wenn die Leistungsberechtigung eines Elternteils, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzt, entfallen ist.

(3a) Sofern kein Fall des Absatzes 1 Nummer 8 vorliegt, sind Leistungen nach diesem Gesetz mit Ablauf des Monats ausgeschlossen, in dem Leistungsberechtigten, die gemäß § 49 des Aufenthaltsgesetzes erkennungsdienstlich behandelt worden sind und eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes beantragt haben, eine entsprechende Fiktionsbescheinigung nach § 81 Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 3 oder Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes ausgestellt worden ist. Der Ausschluss nach Satz 1 gilt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes. Das Erfordernis einer erkennungsdienstlichen Behandlung in den Sätzen 1 und 2 gilt nicht, soweit eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 49 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorgesehen ist.

(4) Leistungsberechtigte nach Absatz 1 Nummer 5, denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder von einem am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat im Sinne von § 1a Absatz 4 Satz 1 internationaler Schutz gewährt worden ist, haben keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz, wenn der internationale Schutz fortbesteht. Hilfebedürftigen Ausländern, die Satz 1 unterfallen, werden bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von zwei Wochen, einmalig innerhalb von zwei Jahren nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen); die Zweijahresfrist beginnt mit dem Erhalt der Überbrückungsleistungen nach Satz 2. Hierüber und über die Möglichkeit der Leistungen nach Satz 6 sind die Leistungsberechtigten zu unterrichten. Die Überbrückungsleistungen umfassen die Leistungen nach § 1a Absatz 1 und nach § 4 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2. Sie sollen als Sachleistung erbracht werden. Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden Leistungsberechtigten nach Satz 2 zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen nach den §§ 3, 4 und 6 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von zwei Wochen hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist. Neben den Überbrückungsleistungen werden auf Antrag auch die angemessenen Kosten der Rückreise übernommen. Satz 7 gilt entsprechend, soweit die Personen allein durch die angemessenen Kosten der Rückreise die in Satz 4 genannten Bedarfe nicht aus eigenen Mitteln oder mit Hilfe Dritter decken können. Die Leistung ist als Darlehen zu erbringen.

(1) Anspruch auf Elterngeld hat, wer

1.
einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2.
mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3.
dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4.
keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Bei Mehrlingsgeburten besteht nur ein Anspruch auf Elterngeld.

(2) Anspruch auf Elterngeld hat auch, wer, ohne eine der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 zu erfüllen,

1.
nach § 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt oder im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert ist,
2.
Entwicklungshelfer oder Entwicklungshelferin im Sinne des § 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ist oder als Missionar oder Missionarin der Missionswerke und -gesellschaften, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e. V. oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig ist oder
3.
die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und nur vorübergehend bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig ist, insbesondere nach den Entsenderichtlinien des Bundes beurlaubte Beamte und Beamtinnen, oder wer vorübergehend eine nach § 123a des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder § 29 des Bundesbeamtengesetzes zugewiesene Tätigkeit im Ausland wahrnimmt.
Dies gilt auch für mit der nach Satz 1 berechtigten Person in einem Haushalt lebende Ehegatten oder Ehegattinnen.

(3) Anspruch auf Elterngeld hat abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auch, wer

1.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt, das er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat,
2.
ein Kind des Ehegatten oder der Ehegattin in seinen Haushalt aufgenommen hat oder
3.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt und die von ihm erklärte Anerkennung der Vaterschaft nach § 1594 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht wirksam oder über die von ihm beantragte Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht entschieden ist.
Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 sind die Vorschriften dieses Gesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass statt des Zeitpunktes der Geburt der Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes bei der berechtigten Person maßgeblich ist.

(4) Können die Eltern wegen einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung oder Todes der Eltern ihr Kind nicht betreuen, haben Verwandte bis zum dritten Grad und ihre Ehegatten oder Ehegattinnen Anspruch auf Elterngeld, wenn sie die übrigen Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllen und wenn von anderen Berechtigten Elterngeld nicht in Anspruch genommen wird.

(5) Der Anspruch auf Elterngeld bleibt unberührt, wenn die Betreuung und Erziehung des Kindes aus einem wichtigen Grund nicht sofort aufgenommen werden kann oder wenn sie unterbrochen werden muss.

(6) Eine Person ist nicht voll erwerbstätig, wenn ihre Arbeitszeit 32 Wochenstunden im Durchschnitt des Lebensmonats nicht übersteigt, sie eine Beschäftigung zur Berufsbildung ausübt oder sie eine geeignete Tagespflegeperson im Sinne des § 23 des Achten Buches Sozialgesetzbuch ist und nicht mehr als fünf Kinder in Tagespflege betreut.

(7) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin ist nur anspruchsberechtigt, wenn diese Person

1.
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt,
2.
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben oder diese erlauben, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a)
nach § 16e des Aufenthaltsgesetzes zu Ausbildungszwecken, nach § 19c Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Beschäftigung als Au-Pair oder zum Zweck der Saisonbeschäftigung, nach § 19e des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst oder nach § 20 Absatz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt,
b)
nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck eines Studiums, nach § 16d des Aufenthaltsgesetzes für Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen oder nach § 20 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt und er ist weder erwerbstätig noch nimmt er Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch,
c)
nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den § 23a oder § 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
3.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist oder Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt,
4.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens 15 Monaten erlaubt, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält oder
5.
eine Beschäftigungsduldung gemäß § 60d in Verbindung mit § 60a Absatz 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes besitzt.
Abweichend von Satz 1 Nummer 3 erste Alternative ist ein minderjähriger nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine minderjährige nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin unabhängig von einer Erwerbstätigkeit anspruchsberechtigt.

(8) Ein Anspruch entfällt, wenn die berechtigte Person im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ein zu versteuerndes Einkommen nach § 2 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes in Höhe von mehr als 250 000 Euro erzielt hat. Erfüllt auch eine andere Person die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 oder der Absätze 3 oder 4, entfällt abweichend von Satz 1 der Anspruch, wenn die Summe des zu versteuernden Einkommens beider Personen mehr als 300 000 Euro beträgt.

(1) Abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 sind das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Sonderregelungen für Auszubildende nach § 22 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch finden dabei jedoch keine Anwendung auf

1.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 3 und 4 in einer nach den §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung sowie
2.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 und 4 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung, deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten.
Bei Leistungsberechtigten nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung gilt anstelle des § 22 Absatz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, dass die zuständige Behörde Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch als Beihilfe oder als Darlehen gewährt. § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a, 40 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch findet auf Leistungsberechtigte nach Satz 1 mit den Maßgaben entsprechende Anwendung, dass
1.
bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 Absatz 1 des Asylgesetzes oder in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes für jede erwachsene Person ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird;
2.
für jede erwachsene Person, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unverheiratet ist und mit mindestens einem Elternteil in einer Wohnung im Sinne von § 8 Absatz 1 Satz 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zusammenlebt, ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 anerkannt wird.

(2) Bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach Absatz 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft bestimmt die zuständige Behörde die Form der Leistung auf Grund der örtlichen Umstände.

(3) Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach Absatz 1 auch dann, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Absatz 1 erhält.

(1) Anspruch auf Elterngeld hat, wer

1.
einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2.
mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3.
dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4.
keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Bei Mehrlingsgeburten besteht nur ein Anspruch auf Elterngeld.

(2) Anspruch auf Elterngeld hat auch, wer, ohne eine der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 zu erfüllen,

1.
nach § 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt oder im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert ist,
2.
Entwicklungshelfer oder Entwicklungshelferin im Sinne des § 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ist oder als Missionar oder Missionarin der Missionswerke und -gesellschaften, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e. V. oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig ist oder
3.
die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und nur vorübergehend bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig ist, insbesondere nach den Entsenderichtlinien des Bundes beurlaubte Beamte und Beamtinnen, oder wer vorübergehend eine nach § 123a des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder § 29 des Bundesbeamtengesetzes zugewiesene Tätigkeit im Ausland wahrnimmt.
Dies gilt auch für mit der nach Satz 1 berechtigten Person in einem Haushalt lebende Ehegatten oder Ehegattinnen.

(3) Anspruch auf Elterngeld hat abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auch, wer

1.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt, das er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat,
2.
ein Kind des Ehegatten oder der Ehegattin in seinen Haushalt aufgenommen hat oder
3.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt und die von ihm erklärte Anerkennung der Vaterschaft nach § 1594 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht wirksam oder über die von ihm beantragte Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht entschieden ist.
Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 sind die Vorschriften dieses Gesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass statt des Zeitpunktes der Geburt der Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes bei der berechtigten Person maßgeblich ist.

(4) Können die Eltern wegen einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung oder Todes der Eltern ihr Kind nicht betreuen, haben Verwandte bis zum dritten Grad und ihre Ehegatten oder Ehegattinnen Anspruch auf Elterngeld, wenn sie die übrigen Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllen und wenn von anderen Berechtigten Elterngeld nicht in Anspruch genommen wird.

(5) Der Anspruch auf Elterngeld bleibt unberührt, wenn die Betreuung und Erziehung des Kindes aus einem wichtigen Grund nicht sofort aufgenommen werden kann oder wenn sie unterbrochen werden muss.

(6) Eine Person ist nicht voll erwerbstätig, wenn ihre Arbeitszeit 32 Wochenstunden im Durchschnitt des Lebensmonats nicht übersteigt, sie eine Beschäftigung zur Berufsbildung ausübt oder sie eine geeignete Tagespflegeperson im Sinne des § 23 des Achten Buches Sozialgesetzbuch ist und nicht mehr als fünf Kinder in Tagespflege betreut.

(7) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin ist nur anspruchsberechtigt, wenn diese Person

1.
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt,
2.
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben oder diese erlauben, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a)
nach § 16e des Aufenthaltsgesetzes zu Ausbildungszwecken, nach § 19c Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Beschäftigung als Au-Pair oder zum Zweck der Saisonbeschäftigung, nach § 19e des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst oder nach § 20 Absatz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt,
b)
nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck eines Studiums, nach § 16d des Aufenthaltsgesetzes für Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen oder nach § 20 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt und er ist weder erwerbstätig noch nimmt er Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch,
c)
nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den § 23a oder § 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
3.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist oder Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt,
4.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens 15 Monaten erlaubt, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält oder
5.
eine Beschäftigungsduldung gemäß § 60d in Verbindung mit § 60a Absatz 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes besitzt.
Abweichend von Satz 1 Nummer 3 erste Alternative ist ein minderjähriger nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine minderjährige nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin unabhängig von einer Erwerbstätigkeit anspruchsberechtigt.

(8) Ein Anspruch entfällt, wenn die berechtigte Person im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ein zu versteuerndes Einkommen nach § 2 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes in Höhe von mehr als 250 000 Euro erzielt hat. Erfüllt auch eine andere Person die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 oder der Absätze 3 oder 4, entfällt abweichend von Satz 1 der Anspruch, wenn die Summe des zu versteuernden Einkommens beider Personen mehr als 300 000 Euro beträgt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligen streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Elterngeld.

2

Die 1988 geborene Klägerin ist serbisch-montenegrinische Staatsangehörige. Sie reiste 1992 als Minderjährige mit ihren Eltern nach Deutschland ein. Am 9.7.2008 wurde ihr eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 S 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt, die bis zum 31.12.2009 befristet war und die Klägerin zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigte. Die nicht verheiratete Klägerin lebte im ersten Lebensjahr ihrer am 10.11.2008 geborenen Tochter allein und erzog diese. Seit dem 1.1.2010 besitzt die Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs 1 S 1 AufenthG.

3

Den von der Klägerin im Dezember 2008 gestellten Antrag auf Gewährung von Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer Tochter lehnte das beklagte Land ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Elterngeld, weil sie (nur) im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 AufenthG sei, welche nach § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst d Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) nicht zum Bezug von Elterngeld berechtige(Bescheid vom 27.1.2009; Widerspruchsbescheid vom 4.3.2009).

4

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 26.3.2010). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, § 104a AufenthG treffe eine gesetzliche Altfallregelung für dem Grunde nach ausreisepflichtige, aber langjährig geduldete Ausländer. Eine Aufenthaltsverfestigung sei im Falle einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift ausgeschlossen, um den Anreiz zur Arbeitsplatzsuche aufrechtzuerhalten und eine Zuwanderung in die Sozialsysteme zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund verstoße § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst d BEEG nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 GG(Urteil vom 2.12.2010).

5

Auf die Revision der Klägerin hat der Senat das Verfahren gemäß Art 100 Abs 1 GG ausgesetzt und dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst d BEEG idF vom 19.8.2007 insoweit mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar ist, als danach Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG erteilt ist, keinen Anspruch auf Elterngeld haben(Vorlagebeschluss vom 15.12.2011 - B 10 EG 15/10 R). Das BVerfG hat die Vorlage für unzulässig erklärt. Der Senat habe sich nicht zur tatsächlichen Aufenthaltsperspektive der von § 104a AufenthG Betroffenen geäußert. Ferner habe er sich nicht hinreichend mit der maßgeblichen einfachrechtlichen Ausgangslage auseinandergesetzt (Beschluss vom 4.12.2012 - 1 BvL 4/12 = BVerfGE 132, 360).

6

Die Klägerin rügt im fortgeführten Revisionsverfahren weiterhin die Unvereinbarkeit des § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst d BEEG mit Art 3 Abs 1 GG.

7

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. Dezember 2010 und des Sozialgerichts Koblenz vom 26. März 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 27. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer am 10. November 2008 geborenen Tochter zu gewähren.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

10

Der Senat hat eine Stellungnahme des Bundesministeriums des Inneren (BMI) vom 12.9.2013 zu den tatsächlichen Umständen der Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen "auf Probe" nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG eingeholt und den Beteiligten zur Kenntnis gegeben. Auf den Inhalt der Stellungnahme wird ausdrücklich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Klägerin war zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der Sache nach geht es der Klägerin um Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate ihrer am 10.11.2008 geborenen Tochter in Höhe von monatlich 300 Euro. Die Klägerin erzielte vor der Geburt ihres Kindes kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit, sodass nur der Elterngeld-Sockelbetrag nach § 2 Abs 5 S 1 BEEG in Betracht kam. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Elterngeld. Sie erfüllte zwar unstreitig die Grundvoraussetzungen für einen Elterngeldanspruch, weil sie nach der Geburt ihrer Tochter im Jahr 2008 ihren Wohnsitz in Deutschland hatte (zu den Wohnsitzanforderungen bei ausländischen Staatsangehörigen vgl Vorlagebeschluss vom 15.12.2011 - B 10 EG 15/10 R - RdNr 46 mwN), ihr Kind betreute, dieses erzog und auch keine Erwerbstätigkeit ausübte (vgl § 1 Abs 1 BEEG idF des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, BGBl I 2748). Die Klägerin war jedoch als nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin nicht anspruchsberechtigt (dazu 1.). Der erkennende Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Vorschrift des § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst d BEEG iVm § 104a Abs 1 S 1 AufenthG über die Nichteinbeziehung von nicht freizügigkeitsberechtigten langjährig geduldeten Ausländern in den Kreis der Elterngeldberechtigten verfassungswidrig und daher dem BVerfG nach Art 100 Abs 1 S 1 GG vorzulegen ist(dazu 2.).

12

1. Die Klägerin erfüllt nicht die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen, unter denen nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerinnen und Ausländer (ausnahmsweise) Anspruch auf Elterngeld haben.

13

a) Prüfungsmaßstab für den Anspruch der Klägerin auf Elterngeld für ihre am 10.11.2008 geborene Tochter ist § 1 Abs 7 BEEG in seiner am 28.8.2007 in Kraft getretenen Fassung des Art 6 Abs 8 Nr 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 (BGBl I 1970).

14

Nach § 1 Abs 7 BEEG in der genannten Fassung ist ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin nur anspruchsberechtigt, "wenn diese Person

1.    

eine Niederlassungserlaubnis besitzt,

2.    

eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde

        

a)    

nach § 16 oder § 17 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,

        

b)    

nach § 18 Abs 2 des Aufenthaltsgesetzes erteilt und die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit darf nach der Beschäftigungsverordnung nur für einen bestimmten Höchstzeitraum erteilt werden,

        

c)    

nach § 23 Abs 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in ihrem Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,

        

d)    

nach § 104a des Aufenthaltsgesetzes erteilt oder

3.    

eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und

        

a)    

sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und

        

b)    

im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt" (zur Verfassungswidrigkeit der Nr 3 Buchst b vgl Beschluss des BVerfG vom 10.7.2012 - 1 BvL 2/10 ua - BVerfGE 132, 72, der allerdings noch nicht zu einer formellen Korrektur des Gesetzes geführt hat).

15

b) Die Klägerin gehört als serbisch-montenegrinische Staatsangehörige zu den nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern; freizügigkeitsberechtigt sind nur Angehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraums und kraft Abkommens Schweizerische Staatsangehörige (vgl Othmer in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, § 1 BEEG RdNr 46 f).

16

Die Klägerin besaß im maßgeblichen Zeitraum (Erziehung ihrer Tochter in den ersten zwölf Lebensmonaten) keine Niederlassungserlaubnis iS von § 1 Abs 7 Nr 1 BEEG. Sie war zwar im streitigen Zeitraum im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, die im Grundsatz - wie eine Niederlassungserlaubnis - zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt (§ 104a Abs 4 S 2 AufenthG), jedoch schließt das BEEG im Anschluss an die vom Zuwanderungsgesetz vom 30.7.2004 (BGBl I 1950) geprägte Rechtslage im Erziehungsgeldrecht (§ 1 Abs 6 BErzGG idF des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13.12.2006, BGBl I 2915; zur Entwicklung vgl Vorlagebeschluss des Senats vom 15.12.2011 - B 10 EG 15/10 R - RdNr 13 ff) nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer trotz einer Aufenthaltserlaubnis mit der Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit in gesetzlich näher bestimmten Fällen von einer Anspruchsberechtigung wegen Elterngeld aus.

17

Zu den Aufenthaltserlaubnissen, die keine Elterngeldberechtigung vermitteln, gehört gemäß § 1 Abs 7 Nr 2, 2. Halbs BEEG insbesondere auch die Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG. Trotz des weitergehenden Wortlauts erfasst § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst d BEEG allein die auf Probe erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG, nicht hingegen die weiteren Aufenthaltserlaubnisse iS des § 104a AufenthG. Dies ergibt sich aus der aufenthaltsrechtlichen Detailregelung des § 104a AufenthG(vgl BR-Drucks 224/07 S 448 = BT-Drucks 16/5065 S 234; zu § 104a AufenthG eingehend unter II 2b). Die Klägerin erfüllte damit nicht die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für einen Elterngeldbezug während der ersten zwölf Lebensmonate ihrer Tochter (10.11.2008 bis 9.11.2009).

18

2. Der erkennende Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst d BEEG iVm der Altfallregelung des § 104a Abs 1 S 1 AufenthG in seiner hier anwendbaren Fassung wegen eines Verstoßes gegen Art 3 Abs 1 GG verfassungswidrig ist, sodass der Rechtsstreit nicht erneut auszusetzen war, um die Entscheidung des BVerfG nach Art 100 GG, § 80 BVerfGG einzuholen. Der Senat hat keine verfassungsrechtlich unüberwindbaren Bedenken dagegen, dass nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer nur dann Anspruch auf Elterngeld haben, wenn sie voraussichtlich dauerhaft in Deutschland leben (dazu a). Der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG ist ein geeigneter Anknüpfungspunkt dafür, dass bei nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern eine hinreichend sichere positive Prognose eines voraussichtlich dauerhaften Aufenthalts im Inland nicht möglich ist(dazu b). Die Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG führt auch zu keiner unverhältnismäßigen Ungleichbehandlung gegenüber anderen nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern, die im Besitz von Aufenthaltstiteln sind, die zum Bezug von Elterngeld berechtigen(dazu c).

19

a) Zweck des Elterngeldes ist es, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sich Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern. Jeder betreuende Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, soll einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für die finanziellen Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes erhalten (vgl Gesetzesbegründung BT-Drucks 16/1889 S 2, 15; BT-Drucks 16/2454 S 2). Durch die Betreuung des Kindes sollen die Eltern keine allzu großen Einkommenseinbußen befürchten müssen (vgl Bericht der Bundesregierung vom 30.10.2008 über die Auswirkungen des BEEG sowie über die gegebenenfalls notwendige Weiterentwicklung, BT-Drucks 16/10770 S 5 f). Mit dem BEEG hat der Gesetzgeber die familienpolitischen Leistungen neu ausgerichtet und das bedürftigkeitsabhängige Erziehungsgeld durch ein verstärkt Einkommenseinbußen ersetzendes Elterngeld abgelöst. Wie auch andere Entgeltersatzleistungen ist das Elterngeld in erster Linie dazu bestimmt, das zuletzt (vor der Geburt des Kindes) zum Lebensunterhalt dienende Einkommen teilweise zu ersetzen (vgl zB Urteil des Senats vom 26.3.2014 - B 10 EG 14/13 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-7837 § 2 Nr 25 und BSGE vorgesehen, RdNr 31). Unabhängig von früherem Einkommen wird Elterngeld nur in Höhe eines Sockelbetrages von 300 Euro gewährt.

20

Das Elterngeld soll nach der Konzeption des § 1 Abs 7 BEEG allerdings nur solchen Eltern gezahlt werden, die sich voraussichtlich dauerhaft im Inland aufhalten werden(vgl Begründung des Gesetzentwurfs zu § 1 Abs 7 BEEG, BT-Drucks 16/1889 S 19); dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Wie das BVerfG mit Beschluss vom 10.7.2012 - 1 BvL 2/10 ua - (BVerfGE 132, 72) im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung des § 1 Abs 6 Nr 3 Buchst b BErzGG 2006 sowie des § 1 Abs 7 Nr 3 Buchst b BEEG ausgeführt hat, darf der Gesetzgeber die Gewährung von Erziehungs- und Elterngeld auf diejenigen ausländischen Staatsangehörigen beschränken, die sich voraussichtlich auf Dauer in Deutschland aufhalten. Hiermit verfolgt der Gesetzgeber den legitimen Zweck, mit diesen Leistungen eine nachhaltige Bevölkerungsentwicklung in Deutschland zu fördern.

21

b) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" nach § 104a Abs 1 S 1 und 3 AufenthG ist ein geeignetes Beurteilungskriterium dafür, dass es an einer dauerhaften Bleibeperspektive jedenfalls solange fehlt, als es dem Ausländer, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt, nicht gelingt, eine ihm rechtlich mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben.

22

Bei welchen Eltern ein voraussichtlicher dauerhafter Aufenthalt im Inland anzunehmen ist, hat das Gesetz in § 1 Abs 7 BEEG konkretisiert, indem die Vorschrift an den Besitz bestimmter ausländerrechtlicher Aufenthaltstitel anknüpft. Von einem voraussichtlich dauerhaften Aufenthalt im Inland ist danach zunächst auszugehen, wenn ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist (vgl § 9 AufenthG iVm § 1 Abs 7 Nr 1 BEEG). Die Niederlassungserlaubnis wird als unbefristeter Aufenthaltstitel erteilt. Sie berechtigt kraft Gesetzes zur Ausübung einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit und kann nur in den durch das AufenthG ausdrücklich zugelassenen Fällen mit einer Nebenbestimmung versehen werden. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs 2 AufenthG vor, besteht ein Rechtsanspruch auf die Niederlassungserlaubnis, die bei einer Gesamtbetrachtung einen besonderen formellen Grad der Verfestigung des Aufenthalts aufgrund fortgeschrittener Integration zum Ausdruck bringt(so Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl 2013, § 9 AufenthG RdNr 4, 5). Ebenso geht das Gesetz im Grundsatz von einem voraussichtlich dauerhaften Aufenthalt im Inland aus, wenn der Ausländer im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt (§ 1 Abs 7 Nr 2 Halbs 1 BEEG); er nimmt hiervon jedoch im 2. Halbs wieder bestimmte Aufenthaltserlaubnisse aus, bei denen eine positive Bleibeprognose nicht möglich ist.

23

Nicht zum Bezug von Elterngeld berechtigen im Einzelnen folgende Aufenthaltserlaubnisse:

-       

Aufenthaltserlaubnis für Studium, Sprachkurse oder Schulbesuch (vgl § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst a BEEG iVm § 16 AufenthG) sowie für sonstige Ausbildungszwecke (vgl § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst a BEEG iVm § 17 AufenthG),

-       

Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit, die nach der Beschäftigungsverordnung (BeschV) nur für einen bestimmten Höchstzeitraum erteilt werden darf (vgl § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst b BEEG iVm § 18 Abs 2 AufenthG) sowie

-       

Aufenthaltserlaubnis, die von der obersten Landesbehörde nach § 23 Abs 1 AufenthG aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen wegen eines Krieges in ihrem Heimatland erteilt wird(vgl § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst c BEEG iVm § 23 Abs 1 AufenthG),

-       

Aufenthaltserlaubnis, die einem Ausländer auf Ersuchen einer Härtefallkommission gewährt wird (vgl § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst c BEEG iVm § 23a AufenthG; sog Aufenthaltsgewährung in Härtefällen),

-       

Aufenthaltserlaubnis, die einem Ausländer zum vorübergehenden Schutz erteilt wird (§ 1 Abs 7 Nr 2 Buchst c BEEG iVm § 24 AufenthG),

-       

Aufenthaltserlaubnis, die einem Ausländer nach § 25 Abs 3 bis 5 AufenthG erteilt wird, also bei einem Abschiebeverbot(§ 1 Abs 7 Nr 2 Buchst c BEEG iVm § 25 Abs 3 AufenthG), oder wenn bei einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer dringende humanitäre oder persönliche oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern (§ 1 Abs 7 Nr 2 Buchst c BEEG iVm § 25 Abs 4 AufenthG), oder bei einer Aufenthaltserlaubnis, die einem Ausländer erteilt wird, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232, 233 oder § 233a StGB wurde, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist(§ 1 Abs 7 Nr 2 Buchst c BEEG iVm § 25 Abs 4a AufenthG idF des Gesetzes vom 19.8.2007, BGBl I 1970) oder wenn es sich um einen Ausländer handelt, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, seine Ausreise aber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (§ 1 Abs 7 Nr 2 Buchst c BEEG iVm § 25 Abs 5 AufenthG).

24

Bei sämtlichen dieser Aufenthaltserlaubnisse kann die Geltungsdauer - anders als bei der Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG(dazu sogleich) - bei Vorliegen der für ihre Erteilung maßgeblichen Voraussetzungen (vgl § 8 Abs 1 AufenthG) bzw unter bei einzelnen Aufenthaltstiteln modifizierten Voraussetzungen verlängert werden (vgl § 16 Abs 1 S 5 AufenthG; § 17 Abs 3 AufenthG; § 39 AufenthG iVm BeschV, § 25 Abs 4 S 2, Abs 4b S 3 AufenthG).

25

Durch Art 1 Nr 82 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 (BGBl I 1970) wurde mit Wirkung vom 28.8.2007 ein § 104a in das AufenthG eingefügt und § 1 Abs 7 Nr 2 BEEG um den Buchst d erweitert, der die Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG zum Gegenstand hat. Nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG soll einem geduldeten Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich am 1.7.2007 seit mindestens acht Jahren oder ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat und er über ausreichenden Wohnraum sowie hinreichende mündliche Deutschkenntnisse verfügt, die Ausländerbehörde nicht vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht oder behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht vorsätzlich hinausgezögert oder behindert hat, keine Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisationen hat und diese auch nicht unterstützt sowie nicht wegen einer im Bundesgebiet begangenen - näher beschriebenen - vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde. Nach § 104a Abs 1 S 2 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs 1 S 1 AufenthG erteilt, wenn der Ausländer seinen Lebensunterhalt eigenständig durch Erwerbstätigkeit sichert. § 104a Abs 4 S 2 AufenthG bestimmt, dass die Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt. Gemäß § 104a Abs 5 S 1 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeit bis zum 31.12.2009 erteilt und soll nach Satz 2 unter bestimmten Voraussetzungen als Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs 1 S 1 AufenthG verlängert werden. Schließlich kann nach Maßgabe des § 104a Abs 6 AufenthG bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zur Vermeidung von Härtefällen von Abs 5 abgewichen werden.

26

Zur Erweiterung des § 1 Abs 7 Nr 2 BEEG um den Buchst d durch Art 6 Abs 8 Nr 2 Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union ebenfalls mit Wirkung vom 28.8.2007 heißt es in der Gesetzesbegründung (vgl BT-Drucks 16/5065 S 234): "Die Änderung steht im Zusammenhang mit der gesetzlichen Altfallregelung des § 104a AufenthG. Die 'auf Probe' erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG ist, wie die anderen in Absatz 7 Nr. 2 genannten Aufenthaltstitel, ein Aufenthaltstitel, der nicht zu einem Daueraufenthalt führt. Die Aufenthaltserlaubnis wird längstens bis zum 31. Dezember 2009 erteilt. Eine Verlängerung dieses Aufenthaltstitels erfolgt nicht. Während des Besitzes dieses Aufenthaltstitels ist die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 2 Halbs 3 iVm § 26 Abs 4 AufenthG ausgeschlossen".

27

Bei § 104a AufenthG handelt es sich - wie die Gesetzesüberschrift ausweist - um eine "Altfallregelung", die nur für einen begrenzten Übergangszeitraum (bis 31.12.2009) Rechtsgrundlage für eine befristete Aufenthaltserlaubnis sein konnte. Die Vorschrift ist außerhalb der regulären Aufenthaltstitel (Kapitel 2, §§ 3 ff AufenthG) bei den Übergangs- und Schlussvorschriften des AufenthG (Kapitel 10, §§ 99 ff AufenthG) geregelt. Sie trat am 28.8.2007 in Kraft und nahm die "Bleiberechtsregelung" der Innenministerkonferenz (IMK) vom November 2006 auf, verstetigte und modifizierte diese. § 104a AufenthG bezweckte in großzügiger Absicht die Erteilung von Arbeitserlaubnissen an am 1.7.2007 (Stichtag) langjährig geduldete Ausländer. Ihnen sollte unter den in § 104a AufenthG näher geregelten Voraussetzungen eine Perspektive auf einen dauerhaften Aufenthalt im Inland gegeben werden. Gleichzeitig sollten im Interesse der Vermeidung der Zuwanderung in die Sozialsysteme zunächst bestimmte Ausländer ausgeschlossen bleiben (vgl Röseler/Samel in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl 2013, § 104a AufenthG RdNr 2; Huber, AufenthG, 2010, Vorbem zu §§ 104a und 104b RdNr 2). Die Aufenthaltserlaubnis konnte - wenn ihre Voraussetzungen vorlagen - nur mit einer Gültigkeit bis zum 31.12.2009 erteilt werden. Sie konnte als solche überhaupt nicht verlängert werden und konnte nach § 104a Abs 5 S 2 AufenthG nur dann um weitere zwei Jahre als Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs 1 S 1 AufenthG verlängert werden, wenn der Lebensunterhalt des Ausländers bis zum 31.12.2009 überwiegend eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert war oder der Ausländer mindestens seit 1.4.2009 seinen Lebensunterhalt nicht nur vorübergehend eigenständig sicherte. Die Aufenthaltserlaubnis wurde auf zwei Arten erteilt:

-       

Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 S 2 AufenthG iVm § 23 AufenthG erhielt, wer zum Zeitpunkt der Beantragung alle Voraussetzungen einschließlich der eigenen Lebensunterhaltssicherung erfüllte.

-       

Wer - wie die Klägerin - die Voraussetzungen allein wegen fehlender Lebensunterhaltssicherung nicht erfüllte, erhielt zunächst nur die Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG, die abweichend von § 5 Abs 1 Nr 1 und Abs 2 AufenthG erteilt wurde.

28

In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu § 104a AufenthG(BR-Drucks 224/07 S 366, 367 = BT-Drucks 16/5065 S 201, 202) heißt es: "Die Frage einer Altfall- oder Bleiberechtsregelung für ausreisepflichtige Ausländer, die seit Jahren im Bundesgebiet geduldet und hier wirtschaftlich und sozial integriert sind" und deren "Abschiebung nach aller Voraussicht auch in nächster Zeit nicht möglich sein wird, stand seit längerer Zeit zur Diskussion. … Mit der gesetzlichen Altfallregelung des § 104a wird dem Bedürfnis der seit Jahren im Bundesgebiet geduldeten und hier integrierten Ausländer nach einer dauerhaften Perspektive in Deutschland Rechnung getragen. … Die Voraussetzungen und Ausschlussgründe für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104a sind zum großen Teil eng an die des Bleiberechtsbeschlusses der IMK vom 17. November 2006 angelehnt. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ergeben sich aus Absatz 1. Die Kriterien sollen diejenigen begünstigen, die faktisch und wirtschaftlich ... integriert sind und sich rechtstreu verhalten haben. Erteilt wird die Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1, wenn die Betroffenen ihren Lebensunterhalt eigenständig durch Erwerbstätigkeit sichern. … Geduldete, die ihren Lebensunterhalt noch nicht eigenständig durch Erwerbstätigkeit sichern, jedoch die übrigen Voraussetzungen des § 104a erfüllen, erhalten eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe. … Eine Aufenthaltsverfestigung ist im Falle der Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 ausgeschlossen, um den Anreiz zur Arbeitsplatzsuche aufrechtzuerhalten und eine Zuwanderung in die Sozialsysteme zu vermeiden."

29

Die Altfallregelung selbst stellte damit den rechtlich durch entsprechende Aufenthaltstitel gesicherten dauerhaften Aufenthalt nur in Aussicht, knüpfte den Eintritt dieser Perspektive aber an ganz konkrete weitere Bedingungen. In zeitlicher Hinsicht wurden die begünstigten Ausländer durch die Befristung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG bis längstens 31.12.2009 unter "Druck gesetzt", für den Eintritt dieser Voraussetzungen (insbesondere eigene Unterhaltssicherung) zu sorgen; mit einer weiteren Verlängerung dieses Aufenthaltstitels konnten sie nicht rechnen. Andererseits waren Ausländer wie die Klägerin zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt und hatten mit der nach § 104a Abs 5 S 1 AufenthG bis zum 31.12.2009 zu erteilenden Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" für einen mindestens zweijährigen Zeitraum Planungssicherheit zum Einstieg in die Erwerbstätigkeit (Huber in Huber, AufenthG, 2010, § 104a AufenthG RdNr 30). Sie konnten einen zum Elterngeldbezug berechtigenden Aufenthaltstitel erlangen, sobald sie in der Lage waren, ihren Lebensunterhalt selbstständig durch Erwerbstätigkeit zu sichern; für einen solchen Wechsel von der Erlaubnis "auf Probe" in eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs 1 S 1 AufenthG brauchte der Ablauf der Befristung nicht abgewartet zu werden(HK-AuslR/Fränkel, 1. Aufl 2008, § 104a AufenthG RdNr 17 aE mwN; Albrecht in Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms/Kreuzer, Zuwanderungsrecht, 2. Aufl 2008, § 104a AufenthG RdNr 17). Bei der Beurteilung, ob der Lebensunterhalt überwiegend eigenständig gesichert werden konnte, legte der Gesetzgeber einen niedrigen Maßstab an, machte den Eintritt der Perspektive (dauerhafter Aufenthaltstitel) also nicht von faktisch kaum oder nicht erreichbaren Erfordernissen abhängig: so war die Inanspruchnahme ergänzender Sozialleistungen unschädlich, solange die eigenständig erzielten Einkünfte überwogen. Auch eine zeitweise (aber nicht überwiegende) Arbeitslosigkeit stand einer Verlängerung nicht entgegen. Zudem konnte bei dieser Prüfung von der regulären aufenthaltsrechtlichen Bewertung abgewichen werden, wenn der Verlauf der Erwerbstätigkeit eine positiv fortschreitende Entwicklung aufwies. Dies war zB der Fall, wenn Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsprozess geführt hatten oder wenn eine Teilzeit- in eine Vollzeitstelle umgewandelt worden war (HK-AuslR/Fränkel, 1. Aufl 2008, § 104a AufenthG RdNr 28). Die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (§ 26 Abs 4 AufenthG) an Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG war indessen ausdrücklich ausgeschlossen(§ 104a Abs 1 S 3 Halbs 3 AufenthG).

30

Ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG erhielt, musste somit damit rechnen, dass er am 1.1.2010 zur Ausreise verpflichtet war, wenn es ihm nicht gelang, bis dahin durch eigene Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Denn gemäß § 50 Abs 1 AufenthG ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt. Sobald der Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG nachweisen konnte, dass er seinen Lebensunterhalt eigenständig durch Erwerbstätigkeit sichern konnte, wurde ihm bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs 1 S 1 AufenthG erteilt, welche - abgesehen vom Ausnahmefall einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs 1 AufenthG gerade "wegen eines Krieges" - den Bezug von Elterngeld nicht mehr ausschloss.

31

Obwohl die Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG ihrem Zweck nach den Weg in einen dauerhaften Aufenthalt ebnen sollte, hält es der Senat angesichts dieser klaren gesetzlichen, insbesondere zeitlich überschaubaren (Befristung bis 31.12.2009) Perspektive bei Ausschluss einer Verlängerungsmöglichkeit unter unveränderten Voraussetzungen und des sogar möglichen Rückfalls in eine Duldung (vgl BVerfG Beschluss vom 4.12.2012 - 1 BvL 4/12 - RdNr 33) für ausgeschlossen, im Zeitraum "der Aufenthaltserlaubnis auf Probe", dh von Inkrafttreten des § 104a AufenthG bis maximal zum 31.12.2009 von einer hinreichenden Bleibeprognose auszugehen, solange der Ausländer "nur" im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG war. Jede andere Bewertung der einschlägigen Vorschriften und der hierzu gegebenen Begründungen würde den unmissverständlich artikulierten Willen des Gesetzgebers, beim Aufenthaltstitel nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG noch nicht von einem gesicherten Daueraufenthalt des Ausländers im Inland auszugehen, missachten.

32

Der Gesetzgeber musste bei Inkrafttreten des § 104a AufenthG und des § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst b BEEG am 28.8.2007 auch nicht davon ausgehen, dass die damals bestehenden tatsächlichen Umstände trotz der zu erteilenden "Aufenthaltserlaubnis auf Probe" typischerweise gleichwohl einen Daueraufenthalt auch dieser Ausländergruppe erwarten ließen. Ein offener Widerspruch zwischen der rechtlichen Qualität des durch § 104a Abs 1 S 1 AufenthG vermittelten, nur befristeten und damit nicht auf Dauer angelegten Aufenthalts im Inland einerseits und den tatsächlichen Verhältnissen, die einen dauerhaften Inlandsaufenthalt nahelegen könnten, lag bei Inkrafttreten des § 104a AufenthG nicht vor. Jedenfalls ergibt sich weder aus verfügbaren Quellen noch aus der Stellungnahme des BMI vom 12.9.2013, dass sich dem Gesetzgeber bei Inkrafttreten des § 104a AufenthG eine positive Bleibeprognose aufdrängen musste. Ein Widerspruch zwischen der getroffenen gesetzlichen Regelung und den tatsächlichen Umständen ist objektiv nicht feststellbar. Anlass für die Einführung des § 104a AufenthG war vielmehr gerade der Umstand, dass eine Vielzahl von Menschen es trotz langjährigen Aufenthalts in Deutschland und Bleiberechtsregelungen unterhalb der höheren ausländerrechtlichen Hürden gerade nicht geschafft hatten, für sich einen rechtlich gesicherten Aufenthalt zu begründen. Die Chance für einen gesicherten Daueraufenthalt wollte ihnen der Gesetzgeber vielmehr erst mit der Regelung des § 104a AufenthG eröffnen, dies allerdings unter anderem vom Verhalten der Begünstigten abhängig machen.

33

Der Senat verkennt insoweit nicht, dass der von der Übergangsregelung betroffene Personenkreis langjährig geduldeter Ausländer de facto auch nach Auslaufen der Übergangsregelung größtenteils weiterhin in der Bundesrepublik verblieben sein dürfte. Bis zum 31.12.2009 wurden insgesamt 29 937 Aufenthaltserlaubnisse "auf Probe" nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG erteilt. Insgesamt wurden bis zum 31.12.2009 10 512 Aufenthaltserlaubnisse verlängert (Stellungnahme des BMI vom 12.9.2013 Anl 1 und Anl 2). Um wesentlichen Teilen des betroffenen Personenkreises den Aufenthalt jenseits der bloßen Duldung zu ermöglichen, hat die IMK am 3./4.12.2009 einen weiteren IMK-Bleiberechtsbeschluss gefasst, mit dem die Voraussetzungen abgesenkt wurden und der Verlust der Aufenthaltserlaubnis verhindert werden sollte. Danach wurden Aufenthaltserlaubnisse unter erleichterten Voraussetzungen nach § 23 Abs 1 AufenthG für die Dauer von zwei Jahren bis zum 31.12.2011 erteilt (abgedruckt in InfAuslR 2010, 115). Insgesamt betraf dies 13 835 Fälle (Stellungnahme des BMI vom 12.9.2013 Anl 2). Hieran anschließend wurde auf der IMK vom 8./9.12.2011 Einigkeit erzielt, dass die auf der Grundlage der Bleiberechtsregelung vom 4.12.2009 erteilten Aufenthaltserlaubnisse auf dieser Grundlage verlängert werden könnten (Beschluss vom 8./9.12.2011, ZAR 2012, 44). Eine Gesetzesänderung erfolgte indessen insoweit nicht. Auch wenn sodann bis zum 31.12.2010 weitere Aufenthaltserlaubnisse nach § 104a Abs 5 und 6 AufenthG verlängert wurden und es in den wenigsten Fällen zu Ablehnungen von Verlängerungsanträgen gekommen sein dürfte(Stellungnahme des BMI vom 12.9.2013 Anl 2), belegen die Zahlen, dass der Aufenthaltsstatus nach § 104a AufenthG im Einklang mit seiner rechtlichen Zielsetzung typischerweise keinen Daueraufenthalt auf der Grundlage dieses Aufenthaltstitels erwarten ließ. Denn erst durch etliche zusätzliche Aktivitäten der IMK im weiteren Verlauf und damit einer nach der Gesetzeslage nicht ohne Weiteres zu erwartenden Verwaltungspraxis konnte ein Rückfall wesentlicher Anteile dieses Personenkreises in die Duldung verhindert werden.

34

Die geschilderte aufenthaltsrechtliche Großzügigkeit der Ausländerbehörden gegenüber dem von § 104a Abs 1 S 1 AufenthG begünstigten, ursprünglich nur geduldeten Personenkreis zieht aus Sicht des Senates nicht in Zweifel, dass bei Inkrafttreten der Vorschrift nicht mit einem dauerhaften Aufenthalt dieser Ausländergruppe im Inland gerechnet werde konnte; an dieser Prognose konnten, wenn überhaupt, erst Zweifel aufkommen, als die IMK, ohne gesetzliche Änderungen, Ende 2009 auf der Vollzugsebene erleichterte Bleiberechtsregelungen beschloss. Den gesetzgeberischen Willen, einen "Zuzug in die Sozialsysteme" zu vermeiden, konnten diese Maßnahmen auf Verwaltungsebene nicht aufheben. Jedenfalls darf es dem Staat sozialrechtlich und damit fiskalisch nicht zum Nachteil gereichen, wenn er Ausländer, die er mit sachlich vertretbaren Gründen von Sozialleistungen ausschließen will, ausländerrechtlich nachsichtig und milder behandelt, indem er von der Durchsetzung einer an sich bestehenden oder drohenden Ausreisepflicht absieht, als es das Gesetz nach Wortlaut, Sinn und Zweck vorsieht. Diese "ausländer- und aufenthaltsrechtliche" Wohltat beim Vollzug des Gesetzes kann nicht zwangsläufig dazu führen, dass Ausländern durch die Sozialgerichte soziale Leistungen zuteilwerden, die der Gesetzgeber mit seinen expliziten Regelungen und der dazu erklärten Begründung gerade ausschließen oder zumindest an weitere Integrationsschritte knüpfen wollte.

35

c) Die Anknüpfung an den Aufenthaltstitel nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG führt nicht zu einer unverhältnismäßigen Ungleichbehandlung gegenüber privilegierten nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern, die im Besitz solcher Titel sind, die zum Bezug von Elterngeld berechtigen oder berechtigen können. Für die getroffene Differenzierung bestehen Gründe von solchem Gewicht, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen (vgl BVerfGE 111, 160, 170 = SozR 4-5870 § 1 Nr 1 RdNr 46). Der erkennende Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Ungleichbehandlung gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) verstößt.

36

aa) Der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Ihm kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein Gestaltungsspielraum zu. Für den Gesetzgeber ergeben sich jedoch aus dem allgemeinen Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (BVerfG Beschluss vom 6.7.2004 - 1 BvR 2515/95 - BVerfGE 111, 176, 184 = SozR 4-7833 § 1 Nr 4 RdNr 26 zur Verfassungswidrigkeit der früheren Ausgrenzung von Ausländern mit einer Aufenthaltsbefugnis nach dem AuslG im Erziehungsgeldrecht; ebenso BVerfG Beschluss vom 6.7.2004 - 1 BvL 4/97 - BVerfGE 111, 160, 169 = SozR 4-5870 § 1 Nr 1 RdNr 42 f zur Verfassungswidrigkeit einer entsprechend formulierten früheren Ausschlussregel im Kindergeldrecht). Der hierbei zu berücksichtigende Schutz von Ehe und Familie (Art 6 Abs 1 GG) enthält keine Beschränkung auf Deutsche (vgl BVerfG Beschluss vom 4.5.1971 - 1 BvR 636/68 - BVerfGE 31, 58, 67; BVerfG Beschluss vom 30.11.1982 - 1 BvR 818/81 - BVerfGE 62, 323, 329 = SozR 2200 § 1264 Nr 6 S 15). Ob eine gesetzliche Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, hängt davon ab, ob für die getroffene Differenzierung Gründe von solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfGE 111, 160, 170 = SozR 4-5870 § 1 Nr 1 RdNr 46). Entsprechendes gilt bei einer sachwidrigen Gleichbehandlung. Strengere Anforderungen an eine an die Zugehörigkeit zu einer Personengruppe anknüpfende Unterscheidung sind nach der Rechtsprechung des BVerfG zu stellen, wenn der Einzelne das Vorliegen des Differenzierungsmerkmals nicht durch eigenes Verhalten beeinflussen kann. Letzteres hat das BVerfG für eine Ausländerin angenommen, deren ausländerrechtlicher Status im Wesentlichen unabhängig von ihrem eigenen Verhalten war (vgl BVerfG Beschluss vom 6.7.2004 - 1 BvL 4/97 - BVerfGE 111, 160 = SozR 4-5870 § 1 Nr 1 RdNr 45).

37

bb) Indem die Klägerin als Inhaberin einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG ausnahmslos vom Zugang zum Elterngeld ausgeschlossen ist, wird sie zwar im Verhältnis zu den in § 1 Abs 7 Nr 1 und 2 BEEG genannten Personen mit positiver Bleibeprognose ungleich behandelt. Der Aufenthaltstitel nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG ist den elterngeldrechtlich vorteilhaften Titeln mit verfestigtem Aufenthaltsstatus jedoch - wie dargelegt - weder rechtlich vergleichbar noch ließen die tatsächlichen Umstände typischerweise gleichwohl einen Daueraufenthalt erwarten.

38

cc) Eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern mit (zunächst) negativer Bleibeprognose nach § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst c BEEG, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs 1 AufenthG wegen eines Krieges in ihrem Heimatland, nach §§ 23a, 24 oder 25 Abs 3 bis 5 AufenthG erteilt worden ist, ergibt sich daraus, dass für diesen Personenkreis eine - vom BVerfG insoweit nicht beanstandete - Rückausnahme nach § 1 Abs 7 Nr 3 Buchst a BEEG im Sinne einer Anspruchsberechtigung möglich ist, wenn der Ausländer sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält (positive Bleibeprognose nach 3-Jahresaufenthalt). Abgesehen davon, dass eine Rückausnahme für langjährig geduldete Ausländer mit einem Titel nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG vergleichbar der Regelung bei Aufenthaltstiteln aus humanitären Gründen sinnentleert wäre, weil der langjährige - mehr als dreijährige - Aufenthalt gerade kennzeichnende Voraussetzung der Aufenthaltserlaubnis auf Probe ist, konnten die Personen, die im Besitz der in § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst c BEEG genannten Titel waren, unter den oben näher beschriebenen Voraussetzungen zumindest mit einer Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis rechnen. So sind zB die Gründe für eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nicht zwingend vorübergehend und können deshalb, solange sie weiter andauern, zu einer Verfestigung des Aufenthalts führen, wenn der Ausländer die weiteren Voraussetzungen erfüllt.

39

dd) Der Gesetzgeber durfte es im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts einerseits und des Zugangs zu steuerfinanzierten Familienausgleichsleistungen (hier: Elterngeld) die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" nach § 104a Abs 1 S 1 und 3 AufenthG andererseits als ausreichendes Indiz werten, dass es an einer dauerhaften Bleibeperspektive jedenfalls solange fehlt, als es dem Ausländer nicht gelingt, eine ihm rechtlich mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben(dazu oben unter II 2.b). Angesichts des vom Gesetzgeber verfolgten legitimen Ziels, eine Zuwanderung in die Sozialsysteme zu verhindern, war die Verknüpfung der Bleibeperspektive mit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit ersichtlich geeignet und verhältnismäßig. Für die Gruppe von Ausländern, der die Klägerin angehörte, war es zudem nicht ausgeschlossen, den ihr zuerkannten Aufenthaltstitel durch das eigene Verhalten zu beeinflussen, denn es hing auch vom persönlichen Einsatz jedes einzelnen Ausländers ab, ob es ihm gelang, durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs 1 AufenthG und damit letztlich zu einem Anspruch auf Elterngeld zu gelangen. Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen hierfür - wie ausgeführt - eher niedrig angesetzt; verzichten wollte er hierauf jedoch für einen dauerhaften Aufenthalt im Inland nicht.

40

Bei Inhabern der in § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst d BEEG iVm § 104a Abs 1 S 1 AufenthG genannten Aufenthaltstitel war es ausdrücklich ausgeschlossen, auf deren Grundlage nach § 9 und § 26 Abs 4 AufenthG eine unbefristete Niederlassungserlaubnis zu erteilen(vgl § 104a Abs 1 S 3 AufenthG). Eine solche Verfestigung konnte nur über den Umweg des § 23 Abs 1 AufenthG und damit erst nach der vom Gesetzgeber als ausschlaggebend angesehenen, bei Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG zunächst begriffsnotwendig fehlenden eigenen Sicherung des Lebensunterhalts geschehen; hierin zeigt sich eine rechtlich erheblich "schwächere Ausgestaltung" des durch § 104a Abs 1 S 1 AufenthG vermittelten Aufenthalts- und Bleiberechts im Vergleich etwa auch zu den in § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst c BEEG aufgeführten Aufenthaltstiteln mit der Option des Erwerbs einer Elterngeldberechtigung über die Rückausnahme nach § 1 Abs 7 Nr 3 Buchst a BEEG. Zwar war auch dort die Sicherung des Lebensunterhalts Voraussetzung für eine weitere Verfestigung des Aufenthaltstitels zu einer Niederlassungserlaubnis, ihr Fehlen allerdings nicht begriffsnotwendig Voraussetzung für die Erteilung und Verlängerung der Titel, insbesondere auch nicht des Titels nach § 25 Abs 5 AufenthG für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer bei rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit der Ausreise. Inhaber von Aufenthaltstiteln nach § 25 Abs 5 AufenthG waren - im Unterschied zu Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis auf Probe - nicht allein durch ihren persönlichen Entschluss, sondern durch ein objektiv bestehendes Ausreisehindernis dauerhaft an der Ausreise gehindert. Solange dieses Hindernis fortbestand, drohte ihnen auch bei fehlender Sicherung des Lebensunterhalts kein Verlust ihrer Rechtsstellung.

41

Weiter fand nach § 104a Abs 5 S 5 AufenthG die Fiktionswirkung des § 81 Abs 4 AufenthG beim Aufenthaltstitel nach § 104a Abs 1 S 1 Nr 1 AufenthG keine Anwendung. Damit wurde verhindert, dass sich Ausländer, welche die Voraussetzungen des § 104a Abs 5 S 2 AufenthG für eine Verlängerung des Aufenthaltstitels um weitere zwei Jahre als "Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs 1 Satz 1 AufenthG" nicht erfüllten, allein durch das Stellen eines Verlängerungsantrages einer Abschiebung entziehen konnten. Damit standen diese Personen am 1.1.2010 ggf aufenthaltsrechtlich sogar schlechter da, als vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, als sie immerhin eine - ihrer Art nach vorübergehende - Duldung (vgl § 60a AufenthG) hatten (vgl dazu Röseler/Samel in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl 2013, § 104a AufenthG RdNr 20). Bei den in § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst c BEEG genannten - elterngeldrechtlich vorteilhaften - Aufenthaltstiteln fehlt es an einer entsprechenden, § 81 Abs 4 AufenthG ausschließenden Regelung, sodass sich auch insoweit § 104a Abs 1 S 1 AufenthG als schwächer ausgestaltetes Aufenthalts- und Bleiberecht erweist(vgl insoweit auch die Hinweise in BVerfG Beschluss vom 4.12.2012 - 1 BvL 4/12 - BVerfGE 132, 360 = Juris RdNr 31 bis 33).

42

Gegen die Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst d BEEG iVm § 104a Abs 1 S 1 AufenthG spricht schließlich, dass § 104a Abs 6 AufenthG eine Reihe von Härtefällen vorsieht, in denen bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis von § 104a Abs 5 AufenthG abgewichen werden konnte. Dies gilt nach § 104a Abs 6 Nr 1 AufenthG nicht nur bei Auszubildenden in anerkannten Lehrberufen oder in staatlich geförderten Berufsvorbereitungsmaßnahmen, sondern auch bei Familien mit Kindern, die nur vorübergehend auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen waren(Nr 2) oder bei Alleinerziehenden mit Kindern, die vorübergehend auf Sozialleistungen angewiesen waren, und denen eine Arbeitsaufnahme nach § 10 Abs 1 Nr 3 SGB II nicht zuzumuten war(Nr 3). Insbesondere die zuletzt genannte Vorschrift hätte es der Klägerin möglicherweise frühzeitig erlaubt, nach der Geburt ihrer Tochter die ihr zuvor am 9.7.2008 erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG nach dem 31.12.2009 als eine solche nach § 23 Abs 1 S 1 AufenthG und damit als einen Aufenthaltstitel mit Zugang zum Elterngeld zu verlängern; dass zu diesem Zeitpunkt die ersten zwölf Lebensmonate ihres Kindes bereits abgelaufen waren, spielt für die insoweit abstrakt und nicht auf die individuellen Verhältnisse gerade der Situation der Klägerin abstellende verfassungsrechtliche Beurteilung der Regelung des § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst d BEEG iVm § 104a Abs 1 S 1 AufenthG keine Rolle.

43

Mit Blick auf das nur für einen begrenzten Zeitraum vom 28.8.2007 bis 31.12.2009 in Frage stehende Mindestelterngeld (sog Sockel- oder Basisbetrag; § 2 Abs 4 BEEG idF des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, BGBl I 2748) drängt sich hiernach angesichts der Berechtigung des Gesetzgebers zur Generalisierung, Typisierung und Pauschalierung (BVerfG NZS 2012, 462 RdNr 17 mwN) nicht auf, dass der Gesetzgeber weitere - an einzelfallbezogene Prognosen anknüpfende - verwaltungsaufwändige Differenzierungen innerhalb des vorgenannten Personenkreises hätte treffen müssen, wie hier etwa in Bezug auf die Klägerin, die zum 1.1.2010 in den Genuss eines Aufenthaltstitels nach § 23 Abs 1 S 1 AufenthG mit der daraus resultierenden Berechtigung zur Inanspruchnahme von Elterngeld gekommen ist.

44

ee) Insgesamt sieht der Senat daher keine hinreichenden rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte, die es dem Gesetzgeber verwehrt hätten, durch eine Bezugnahme auf den Aufenthaltstitel des § 104a Abs 1 S 1 AufenthG in § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst d BEEG den Bezug von Elterngeld für diesen Personenkreis auszuschließen und so eine "dauerhafte Zuwanderung in die Sozialsysteme zu vermeiden"(vgl BT-Drucks 16/5065 S 202). Der Gesetzgeber hat seinen Willen insoweit sowohl im Gesetz selbst als auch in der Begründung des Gesetzentwurfs mehrfach unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Der Senat kann auch nicht erkennen, dass sich der Gesetzgeber damit in einen rechtlichen Widerspruch zur Rechtsposition von Eltern gesetzt hat, die im Besitz anderer Aufenthaltstitel waren. Ebenso wenig hat der Senat hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die tatsächlichen Verhältnisse innerhalb seines weiten gesetzgeberischen Prognosespielraums falsch einschätzte und angesichts der Rechtspraxis Ausländer mit einem Aufenthaltstitel nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG ohne Weiteres mit einem faktischen Daueraufenthalt im Inland hätten rechnen dürfen. Entscheidend ist insoweit nicht die eigene Anschauung der Rechtsprechung ex post, sondern die vom Gesetzgeber bei Erlass der Regelung absehbare Entwicklung der Verhältnisse. Der Gesetzgeber ging insoweit bei Schaffung der Übergangsregelung des § 104a Abs 1 S 1 AufenthG von einer Zäsur aus, die es Ausländern unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen sollte, nach Ablauf der Altfallregelung und nach "erfolgreichem Durchlaufen der Probezeit" einen verfestigten Aufenthaltstitel zu erwerben. Wenn die Innenminister - über den bisherigen Plan hinausgehend - im Dezember 2009 eine Anschlussregelung beschlossen (abgedruckt in InfAuslR 2010, 115), wonach den Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis auf Probe unter bestimmten Bedingungen bis 31.12.2011 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs 1 S 1 AufenthG erteilt wurde, lässt dies die zuvor getroffene Prognose und Erwartung des Gesetzgebers und erst recht seinen gesetzgeberischen Willen, insoweit keine verfestigte, zum Bezug von Elterngeld berechtigende Position schaffen zu wollen, unberührt.

45

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 sind das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Sonderregelungen für Auszubildende nach § 22 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch finden dabei jedoch keine Anwendung auf

1.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 3 und 4 in einer nach den §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung sowie
2.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 und 4 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung, deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten.
Bei Leistungsberechtigten nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung gilt anstelle des § 22 Absatz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, dass die zuständige Behörde Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch als Beihilfe oder als Darlehen gewährt. § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a, 40 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch findet auf Leistungsberechtigte nach Satz 1 mit den Maßgaben entsprechende Anwendung, dass
1.
bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 Absatz 1 des Asylgesetzes oder in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes für jede erwachsene Person ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird;
2.
für jede erwachsene Person, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unverheiratet ist und mit mindestens einem Elternteil in einer Wohnung im Sinne von § 8 Absatz 1 Satz 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zusammenlebt, ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 anerkannt wird.

(2) Bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach Absatz 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft bestimmt die zuständige Behörde die Form der Leistung auf Grund der örtlichen Umstände.

(3) Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach Absatz 1 auch dann, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Absatz 1 erhält.

(1) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen bleiben bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt.

(2) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen dürfen bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(3) Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, bleibt das Elterngeld nur bis zur Hälfte des Anrechnungsfreibetrags, der nach Abzug der anderen nach Absatz 1 nicht zu berücksichtigenden Einnahmen für das Elterngeld verbleibt, als Einkommen unberücksichtigt und darf nur bis zu dieser Höhe nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(4) Die nach den Absätzen 1 bis 3 nicht zu berücksichtigenden oder nicht heranzuziehenden Beträge vervielfachen sich bei Mehrlingsgeburten mit der Zahl der geborenen Kinder.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bei den in Satz 1 bezeichneten Leistungen bleiben das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf das Elterngeld angerechneten Einnahmen in Höhe des nach § 2 Absatz 1 berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, verringern sich die Beträge nach Satz 2 um die Hälfte. Abweichend von Satz 2 bleibt Mutterschaftsgeld gemäß § 19 des Mutterschutzgesetzes in voller Höhe unberücksichtigt.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend, soweit für eine Sozialleistung ein Kostenbeitrag erhoben werden kann, der einkommensabhängig ist.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 24. April 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit sind höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungs-verfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) für die Zeit vom 1.1.2007 bis 30.6.2009.

2

Am 22.8.2011 beantragte der 1997 geborene Kläger rückwirkend ab 1.1.2007 bis 30.6.2009 höhere Leistungen nach § 2 AsylbLG. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Frist für die Nachzahlung von Leistungen nach § 44 Abs 4 SGB X sei durch Einfügen des § 116a Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) auch für das Asylbewerberleistungsrecht auf ein Jahr begrenzt worden. Für Leistungen nach § 2 AsylbLG sei das SGB XII entsprechend anzuwenden, sodass Nachzahlungen nur noch für die Zeit ab 1.1.2010 möglich seien (Bescheid vom 16.9.2011; Widerspruchsbescheid vom 23.9.2011).

3

Die hiergegen erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts Münster vom 24.4.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, einer Überprüfung des streitbefangenen Zeitraums stehe § 116a SGB XII entgegen, wonach für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes § 44 Abs 4 SGB X mit der Maßgabe gelte, dass anstelle des (Nachzahlungs-)Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr trete, gerechnet von Beginn des Jahres an, in dem der Antrag gestellt worden sei. Diese Regelung sei nach § 136 SGB XII auf Überprüfungsanträge anzuwenden, die ab dem 1.4.2011 gestellt worden seien. Zwar finde sich keine § 116a SGB XII entsprechende Regelung im AsylbLG, die Vorschrift sei aber wegen einer planwidrigen Lücke im Gesetz analog anzuwenden.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger einen Verstoß gegen § 9 Abs 3 AsylbLG iVm § 44 Abs 4 SGB X. Danach seien rechtswidrig vorenthaltene Leistungen für bis zu vier Jahre rückwirkend nachzuzahlen. § 116a SGB XII, der die Frist auf ein Jahr verkürze, sei nicht analog auf Leistungen nach dem AsylbLG anwendbar. Dem Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch lasse sich entnehmen, dass der Gesetzgeber bewusst auf eine Verkürzung der Frist von vier Jahren bei den Überprüfungsanträgen nach § 44 SGB X für diesen Bereich verzichtet habe, sodass es an einer planwidrigen Regelungslücke mangele. Es fehle auch eine vergleichbare Interessenlage, weil Anträge nach § 44 SGB X nicht nur die Erhöhung der Leistungsgewährung auf die Regelsätze nach dem SGB XII, sondern auch die Überprüfung der Leistungsgewährung nach §§ 1a und 3 AsylbLG beträfen.

5

Der Kläger hat sinngemäß schriftsätzlich beantragt,
das Urteil des SG und den Bescheid vom 16.9.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.9.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Rücknahme entgegenstehender Verwaltungsakte für die Zeit vom 1.1.2007 bis 30.6.2009 höhere Leistungen zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Sprungrevision (§ 161 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz) ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Der Kläger hat schon deshalb keinen Anspruch auf rückwirkend zu gewährende höhere Leistungen für den streitbefangenen Zeitraum, weil er seinen Überprüfungsantrag erst im August 2011 gestellt hat und § 116a SGB XII der rückwirkenden Leistungsgewährung entgegensteht.

9

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 16.9.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.9.2011 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger unter Aufhebung entgegenstehender bestandskräftiger Bescheide rückwirkend höhere Leistungen nach dem AsylbLG zu zahlen. Gegen diesen wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4 SGG, § 56 SGG(BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 22 RdNr 9; BSG, Urteil vom 20.12.2012 - B 7 AY 4/11 R - RdNr 10), auf die auch bei Anwendung des § 44 SGB X ein Grundurteil nach § 130 Abs 1 SGG ergehen kann (BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1 S 2; BSG SozR 4-3520 § 3 Nr 3 RdNr 10; BSG, Urteil vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R - RdNr 9).

10

Gemäß § 9 Abs 3 AsylbLG iVm § 44 Abs 1 SGB X(zur Anwendbarkeit des § 44 SGB X im Asylbewerberleistungsrecht vgl: BSGE 104, 213 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20; BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 22)ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Einer Entscheidung darüber, ob dem Kläger in der Zeit vom 1.1.2007 bis zum 30.6.2009 Leistungen zu Unrecht vorenthalten wurden und die insoweit ergangenen Bescheide rechtswidrig waren (§ 44 Abs 1 SGB X), bedarf es nicht. § 44 Abs 1 SGB X zielt im Ergebnis auf die Ersetzung des rechtswidrigen Verwaltungsakts, mit dem eine (höhere) Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde, durch einen die (höhere) Leistung gewährenden Verwaltungsakt ab. Einem Antragsteller, der über § 44 Abs 4 SGB X keine Leistungen mehr für die Vergangenheit erhalten kann, kann regelmäßig kein rechtliches Interesse an der Rücknahme iS von § 44 Abs 1 SGB X zugebilligt werden. Die Unanwendbarkeit der "Vollzugsregelung des § 44 Abs 4 SGB X" steht dann einer isolierten Rücknahme entgegen(BSGE 104, 213 ff RdNr 22 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20; BSGE 68, 180 ff = SozR 3-1300 § 44 Nr 1). So liegt der Fall hier. Selbst im Falle der Rechtswidrigkeit bestandskräftiger Bescheide über Leistungen nach dem AsylbLG könnten höhere Leistungen rückwirkend allenfalls für die Zeit ab 1.1.2010 erbracht werden, die nicht streitbefangen ist; insoweit ist § 116a SGB XII analog im Asylbewerberleistungsrecht anzuwenden.

11

Zu Unrecht vorenthaltene Leistungen nach dem AsylbLG werden zwar gemäß § 9 Abs 3 AsylbLG iVm § 44 Abs 4 SGB X längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgten Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes erbracht; dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs 4 Satz 2 SGB X). Erfolgt die Rücknahme - wie hier - auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag. Die 4-Jahresfrist verkürzt sich aber für Anträge, die - wie hier - nach dem 31.3.2011 gestellt wurden, in entsprechender Anwendung des die Regelung des § 44 Abs 4 SGB X modifizierenden § 116a SGB XII iVm dem bis 31.12.2012 geltenden § 136 SGB XII(jeweils in der Normfassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 - BGBl I 453) auf ein Jahr, sodass angesichts der im August 2011 erfolgten Antragstellung keine für den streitbefangenen Zeitraum zu Unrecht vorenthaltenen Leistungen mehr zu erbringen sind. Wann ein bestandskräftiger Bescheid über die Ablehnung von Leistungen nach dem AsylbLG für den streitbefangenen Zeitraum - ausdrücklich durch förmlichen Verwaltungsakt oder konkludent (dazu BSG, Urteil vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R- RdNr 9) - ergangen ist, ist für die Anwendung des § 44 Abs 1 iVm Abs 4 SGB X ohne Bedeutung.

12

§ 116a SGB XII ist im Zusammenhang mit § 9 Abs 3 AsylbLG iVm § 44 SGB X analog anzuwenden, weil das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch durch das Unterlassen einer Änderung in § 9 Abs 3 AsylbLG eine planwidrige Regelungslücke enthält, die durch richterliche Rechtsfortbildung zu schließen ist(Greiser in juris PraxisKommentar SGB XII, § 116a SGB XII RdNr 21 ff). Eine direkte Anwendung des § 116a SGB XII scheidet hingegen aus. Zwar werden Leistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des SGB XII erbracht (§ 2 Abs 1 AsylbLG); jedoch betrifft diese Regelung nach ihrem Wortlaut ("abweichend von §§ 3 bis 7"), gleich ob sie eine Rechtsgrund- oder eine Rechtsfolgenverweisung enthält(offengelassen in BSGE 101, 49 ff RdNr 14 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2), nur das Leistungsrecht des AsylbLG. Deshalb bedarf es für eine direkte Anwendung der den Zeitraum des § 44 Abs 4 SGB X von vier auf ein Jahr verkürzenden Regelung eines besonderen Anwendungsbefehls, der in § 9 Abs 3 AsylbLG aber nicht enthalten ist. § 9 Abs 3 AsylbLG sieht selbst (noch) keine Modifikation des § 44 Abs 4 SGB X vor.

13

Eine Analogie, die Übertragung einer gesetzlichen Regelung - hier des § 116a SGB XII - auf einen Sachverhalt, der von der betreffenden Vorschrift nicht erfasst wird, ist geboten, wenn dieser Sachverhalt mit dem geregelten vergleichbar ist und nach dem Grundgedanken der Norm und damit dem mit ihr verfolgten Zweck dieselbe rechtliche Bewertung erfordert(BSG SozR 3-2500 § 38 Nr 2 RdNr 15). Daneben muss eine (unbewusste) planwidrige Regelungslücke vorliegen (BVerfGE 82, 6, 11 ff mwN; BSGE 77, 102, 104 = SozR 3-2500 § 38 Nr 1 S 3; BSGE 89, 199, 202 f = SozR 3-3800 § 1 Nr 21 S 95 f mwN). Diese Voraussetzungen liegen vor.

14

Die zu regelnden Sachverhalte sind nicht nur im Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II, dort § 40 Abs 1 Satz 2) und im SGB XII, für die die Jahresbegrenzung eingefügt worden ist, sondern auch im AsylbLG in diesem Sinn gleichartig. Das SGB II, das SGB XII und das AsylbLG sind Existenzsicherungssysteme, die alle das Ziel haben, den Leistungsberechtigten ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen (§ 1 Abs 1 SGB II; § 1 Abs 1 Satz 1 SGB XII; BT-Drucks 12/4451 Satz 1 und 3, wonach die fürsorgerischen Gesichtspunkte der Leistungen an Asylbewerber durch das AsylbLG gewahrt bleiben). Ebenso ist allen drei Existenzsicherungssystemen gemeinsam, dass die gewährten Leistungen einen aktuellen Bedarf bei aktueller Hilfebedürftigkeit decken sollen (sog Aktualitätsgrundsatz, vgl nur Pattar in Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, S 136) und nicht als nachträgliche Geldleistung ausgestaltet sind (BVerfG, Beschluss vom 12.5.2005 - 1 BvR 569/05; BVerwGE 60, 236, 238; 66, 335, 338), sodass Leistungen im Rahmen eines Zugunstenverfahrens für die Vergangenheit nur zu erbringen sind, wenn die Existenzsicherungsleistungen ihre Aufgabe noch erfüllen können (BSGE 104, 213 ff RdNr 12 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20; SozR 4-1300 § 44 Nr 12 RdNr 14 f).

15

Dieser Gedanke war auch Beweggrund für den Gesetzgeber zur Einführung des § 116a SGB XII. Ausweislich der Gesetzesbegründung sei die Vierjahresfrist des § 44 Abs 4 SGB X für die Leistungen, die als steuerfinanzierte Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts dienten und dabei in besonderem Maße die Deckung gegenwärtiger Bedarfe bewirken sollten(sog Aktualitätsgrundsatz), zu lang. Eine kürzere Frist von einem Jahr sei sach- und interessengerecht (BT-Drucks 17/3404, S 114, 129). Nichts anderes kann aber angesichts der Gleichartigkeit der zu regelnden Sachverhalte für Leistungen nach dem AsylbLG gelten. Die in den Regelungen des § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II und § 116a SGB XII zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung muss deshalb für das AsylbLG übernommen werden. Erst recht gilt dies unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ursprüngliches Ziel der Leistungen nach dem AsylbLG eine "deutliche Absenkung" der früher nach § 120 Abs 2 Bundessozialhilfegesetz gewährten Leistungen war, also eine Schlechterstellung der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG(BT-Drucks 12/4451 Satz 1; vgl insoweit aber BVerfG SozR 4-3520 § 3 Nr 2). Dieses Ziel würde konterkariert, wären im Zugunstenverfahren Leistungen nach dem AsylblG (anders als nach dem SGB II bzw dem SGB XII) annähernd bis zu fünf Jahren rückwirkend zu erbringen.

16

Die Gleichartigkeit der Sachverhalte im SGB II, dem SGB XII und dem AsylbLG gebietet auch eine gleiche Behandlung. Dies bestätigt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Verfassungswidrigkeit des § 3 AsylbLG(BVerfG SozR 4-3520 § 3 Nr 2), wonach das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zusteht. Umgekehrt muss das aber auch für Einschränkungen bei der Nachzahlung zu Unrecht vorenthaltener Leistungen gelten. Deshalb soll nach dem Referentenentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG (Bearbeitungsstand 4.12.2012; http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/asylblg/bverfg-asylblg-novelle.html) der Vorschrift des § 9 Abs 3 folgender Satz 2 angefügt werden(Referentenentwurf S 4): "§ 44 Abs 4 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch gilt mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt." Zur Begründung wird ausgeführt, es werde den Besonderheiten des AsylbLG nicht gerecht, Bedarfe, die tatsächlich nicht mehr vorhanden seien, auch für Zeiträume, die länger in die Vergangenheit zurückreichten, rückwirkend zu gewähren. Die Vierjahresfrist des § 44 SGB X sei für steuerfinanzierte Leistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts und damit in besonderem Maße der Deckung gegenwärtiger Bedarfe dienten, zu lang. Eine kürzere Frist von einem Jahr sei sach- und interessengerecht. Insofern müssten dieselben Grundsätze wie in § 116a SGB XII und in § 40 Abs 1 SGB XII gelten. Entsprechend werde § 9 Abs 3 AsylbLG so abgeändert, dass § 44 SGB X zukünftig auch im AsylbLG nur mit der Maßgabe Anwendung finde, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein solcher von einem Jahr trete(Referentenentwurf S 15 f, aaO). Die Begründung im Referentenentwurf ist damit annähernd wortgleich zu der Begründung der Änderung des § 40 Abs 1 SGB II und der Einfügung des § 116a SGB XII(BT-Drucks aaO).

17

Es fehlt auch nicht deshalb an der vergleichbaren Interessenlage, weil die Anträge nach § 44 SGB X auch die Überprüfung der Leistungsgewährung nach §§ 1a und 3 AsylbLG betreffen und das System des AsylbLG in erster Linie als Sachleistungssystem ausgestattet ist. Zum einen sind hier solche Leistungen nicht betroffen, sondern Leistungen nach § 2 AsylbLG, die in entsprechender Anwendung des SGB XII erbracht werden, sodass es nicht einzusehen ist, weshalb insoweit eine Besserstellung des Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG erfolgen soll; zum anderen wären Sachleistungen für die Vergangenheit nicht zu erbringen, sondern allenfalls ohnehin Geldleistungen im Sinne eines Sekundäranspruchs. Im Übrigen sehen auch das SGB II und das SGB XII die - allerdings eingeschränkte - Möglichkeit vor, Sachleistungen zu erbringen. Bei der Prüfung, ob die beiden verglichenen Sachverhalte in einer die Analogie ermöglichenden Weise "gleich" bzw "ähnlich" sind, ist die Grenze (erst) dort zu ziehen, wo durch die entsprechende Anwendung die Regelungsabsicht des Gesetzgebers vereitelt würde. Dies ist zwar schon dann zu bejahen, wenn es nur zweifelhaft ist, ob der Unterschied zwischen den verglichenen Sachverhalten nicht doch so groß ist, dass durch eine Gleichstellung die gesetzliche Wertung in Frage gestellt sein könnte (BSGE 57, 195 ff = SozR 1500 § 149 Nr 7). Derartige Zweifel bestehen aber nach oben Gesagtem gerade nicht. So sieht auch der Referentenentwurf (aaO) eine § 116a SGB XII identische Regelung bei annähernd identischer Begründung vor, ohne zwischen den jeweiligen Leistungen nach dem AsylbLG zu unterscheiden.

18

Dies rechtfertigt auch die Folgerung einer durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entstandenen (unbewussten) planwidrigen Regelungslücke (vgl auch: Greiser in jurisPK-SGB XII, § 116a SGB XII RdNr 27; Scheider in Hohm, AsylbLG, § 9 RdNr 73, Stand Dezember 2012, der ein gesetzgeberisches Versehen wegen unterschiedlicher ministerieller Zuständigkeiten vermutet). Diese hat der Gesetzgeber mittlerweile selbst erkannt, der, wie die beabsichtigte Ergänzung von § 9 Abs 3 AsylbLG und insbesondere die Begründung im Referentenentwurf zeigen, die Gesetzeslücke nachträglich schließen will. Die Annahme einer Gesetzeslücke verbietet sich - anders als der Kläger meint - nicht etwa deshalb, weil in der BT-Drucks 17/3404 die Leistungen nach dem AsylbLG bei der Bewertung der finanziellen Auswirkungen des Entwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ausdrücklich genannt werden (S 45 und 47) und in der dritten Beratung des Gesetzentwurfs (Plenarprotokoll 17/79) über den Entschließungsantrag der Fraktion "Die Linke" zur Ergänzung des Kreises der Leistungsberechtigten nach dem SGB II und dem SGB XII um bisherige Leistungsberechtigte nach dem dann aufzuhebenden AsylbLG (BT-Drucks 17/4106) abgestimmt wurde. Denn die Ausführungen in der BT-Drucks 17/3404 betreffen nur die finanziellen Auswirkungen des Regelbedarfsermittlungsgesetzes, die natürlich auch Asylbewerber betreffen, die Leistungen entsprechend dem SGB XII erhalten. Auch der Entschließungsantrag der Fraktion "Die Linke" betrifft allein die Höhe der Leistungen. Der Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch war eine Reaktion des Gesetzgebers auf die den Regelbedarf nach dem SGB II und dem SGB XII betreffende Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12). Die zitierten amtlichen Drucksachen und Protokolle betreffen ebenfalls unmittelbar oder mittelbar nur den Regelbedarf bzw die Höhe der Leistungsgewährung, haben jedoch keinen Bezug zur Ergänzung des § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II bzw des § 116a SGB XII. Sie sind deshalb weder Beleg dafür, dass Leistungen nach dem AsylbLG bewusst ausgeklammert worden sind, noch begründen sie einen solchen Zweifel. Der Referentenentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG belegt insoweit sogar das Gegenteil (dazu oben).

19

An diesem Ergebnis ändert die beabsichtigte Übergangsregelung in § 14 AsylbLG des Referentenentwurfs(Referentenentwurf S 5) nichts, wonach § 9 Abs 3 Satz 2 AsylbLG nicht bei Anträgen nach § 44 SGB X anwendbar sein soll, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung gestellt worden sind. Damit ist bereits keine die Analogie verbietende Regelung beabsichtigt. Ohnedies verbleibt es bis zum möglichen Inkrafttreten bei der Gesetzeslücke, die durch richterliche Rechtsfortbildung zu schließen ist.

20

Schließlich besteht im öffentlichen Recht auch kein allgemeines Analogieverbot zum Nachteil von Bürgern, also der analogen Anwendung einer "belastenden" Norm (BSGE 104, 285 ff = SozR 4-4300 § 335 Nr 2; BSG SozR 3-4100 § 59e Nr 1 S 6; SozR 4-1300 § 44 Nr 22 RdNr 23). Aus der Bindung an "Gesetz und Recht" (Art 20 Abs 3 Grundgesetz ) ergibt sich, dass Exekutive und Judikative bei der Normanwendung - von speziellen verfassungsrechtlichen Analogieverboten wie Art 103 Abs 2 GG abgesehen - nicht auf den ausdrücklich bestimmten Anwendungsbereich der gesetzlichen Bestimmungen beschränkt sind, sondern das Recht insgesamt anwenden müssen (BSGE 104, 285 ff = SozR 4-4300 § 335 Nr 2). Infolgedessen sind auch belastende Normen des öffentlichen Rechts analog anzuwenden, sofern sich die Übertragung auf einen gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Fall - wie hier - wegen der Gleichartigkeit der Sachverhalte gebietet und die Regelungsabsicht des Gesetzgebers sicherstellt.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen bleiben bei Sozialleistungen, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt.

(2) Das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf die Leistung angerechneten Einnahmen oder Leistungen dürfen bis zu einer Höhe von insgesamt 300 Euro nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(3) Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, bleibt das Elterngeld nur bis zur Hälfte des Anrechnungsfreibetrags, der nach Abzug der anderen nach Absatz 1 nicht zu berücksichtigenden Einnahmen für das Elterngeld verbleibt, als Einkommen unberücksichtigt und darf nur bis zu dieser Höhe nicht dafür herangezogen werden, um auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer, auf die kein Anspruch besteht, zu versagen.

(4) Die nach den Absätzen 1 bis 3 nicht zu berücksichtigenden oder nicht heranzuziehenden Beträge vervielfachen sich bei Mehrlingsgeburten mit der Zahl der geborenen Kinder.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und dem Asylbewerberleistungsgesetz. Bei den in Satz 1 bezeichneten Leistungen bleiben das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 auf das Elterngeld angerechneten Einnahmen in Höhe des nach § 2 Absatz 1 berücksichtigten Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 Euro im Monat als Einkommen unberücksichtigt. Soweit die berechtigte Person Elterngeld Plus bezieht, verringern sich die Beträge nach Satz 2 um die Hälfte. Abweichend von Satz 2 bleibt Mutterschaftsgeld gemäß § 19 des Mutterschutzgesetzes in voller Höhe unberücksichtigt.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend, soweit für eine Sozialleistung ein Kostenbeitrag erhoben werden kann, der einkommensabhängig ist.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum von November 2006 bis März 2007. Sie richtet sich mittelbar gegen die im Jahr 2006 getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, die sogenannte Bedarfsgemeinschaft im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres zu erweitern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil zusammenleben. Danach erhalten diese Kinder, auch wenn sie gegen die Eltern keinen durchsetzbaren Unterhaltsanspruch haben, 80 % der Regelleistung von Alleinstehenden, dabei wird das Einkommen und Vermögen ihrer Eltern bei ihrem Leistungsanspruch berücksichtigt.

I.

2

Das Zweite Buch Sozialgesetzbuch regelt mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts die Grundsicherung für Arbeitsuchende. Mit diesen Leistungen sollen vom Gesetzgeber anerkannte, eine menschenwürdige Existenz sichernde Bedarfe abgedeckt werden. Dabei wird leistungsmindernd berücksichtigt, wenn Bedürftige mit Angehörigen in häuslicher Gemeinschaft leben. Dies ist im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (dazu 1) anders ausgestaltet als in der im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) geregelten Sozialhilfe (dazu 2).

3

1. Leistungsberechtigt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sind erwerbsfähige Hilfebedürftige. Dazu gehören nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II und hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

4

Darüber hinaus sind nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch diejenigen Personen leistungsberechtigt, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Nach der abschließenden Regelung des § 7 Abs. 3 SGB II können eine Bedarfsgemeinschaft nur Eltern und Kinder - nach der hier angegriffenen Erweiterung auch volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres - sowie Menschen in Ehe und Lebenspartnerschaft oder in ehe- und lebenspartnerschaftsähnlicher Beziehung bilden. Zur Bedarfsgemeinschaft können diese Personen auch gehören, wenn sie nicht erwerbsfähig sind und keine Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhalten, weil sie beispielsweise nicht nur vorübergehend in einer stationären Einrichtung untergebracht sind, Altersrente oder ähnliche Leistungen beziehen (§ 7 Abs. 4 SGB II) oder sie einen Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch haben (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der damals maßgeblichen Fassung; heute § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II); dann handelt es sich - wie im Ausgangsverfahren angenommen - um eine "gemischte Bedarfsgemeinschaft" (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R -, juris, Rn. 31, 48). Eine Bedarfsgemeinschaft setzt jedoch stets voraus, dass die Beteiligten zusammenleben.

5

a) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende dient dazu, zur Sicherung des Lebensunterhalts unterschiedliche Bedarfe durch staatliche Leistungen zu decken. Zentral ist die Regelleistung nach § 20 SGB II. Sie wird pauschal gewährt, dient der Sicherung des Lebensunterhalts und umfasst nach dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen § 20 Abs. 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Zudem besteht Anspruch auf Leistungen für etwaige Mehrbedarfe nach § 21 SGB II und auf Leistungen für die tatsächlichen, angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten nach § 22 SGB II. Dazu kommen weitere Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen sowie Vorschüsse, Zuschüsse und Darlehen für besondere Bedarfe. Unter 25-Jährige, die allerdings auch besonderen Sanktionsregeln unterliegen, sind zudem nach § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB II vordringlich in Ausbildung oder Arbeit zu vermitteln. In dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Bewilligungsabschnitt bis zum 31. Dezember 2010 bestand nach § 24 SGB II binnen zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld auch ein Anspruch auf Zuschläge, um den Übergang in die Grundsicherung abzufedern (aufgehoben durch Art. 15 Nr. 4 Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 9. Dezember 2010, BGBl I S. 1885).

6

Bei der Regelleistung wird nach dem Lebensalter und der Lebenssituation der Bedürftigen unterschieden. So erfolgen Festsetzungen für alleinstehende erwachsene Hilfebedürftige, für Erwachsene, die mit anderen zusammen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, für Familienhaushalte, in denen Erwachsene Kinder versorgen (nach der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung des § 20 Abs. 2 und 3 - heute Abs. 4 - SGB II) und eigenständig für Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre (nach der damaligen Fassung des § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II; heute § 23 Nr. 1 SGB II). Die volle Regelleistung erhalten grundsätzlich Alleinstehende und Alleinerziehende; sie wird auch denen zuerkannt, die mit einer oder einem Minderjährigen in ehelicher, lebenspartnerschaftlicher oder ähnlicher Beziehung leben (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Ihre Höhe lag in dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II bei monatlich 345 €.

7

b) Auf Grundsicherungsleistungen bestehen auch im Falle einer Bedarfsgemeinschaft immer individuelle Ansprüche der einzelnen Mitglieder (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R -, juris, Rn. 12). Das Gesetz berücksichtigt allerdings, ob Leistungsberechtigte mit weiteren Personen zusammenleben. Es geht davon aus, dass mit dem Zusammenleben von Angehörigen in häuslicher Gemeinschaft Einsparungen einhergehen und die Beteiligten gemeinsam wirtschaften. Daher wird grundsätzlich das anrechenbare Einkommen und verwertbare Vermögen aller Angehörigen dieser Bedarfsgemeinschaft zugerechnet (§ 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II) und alle individuellen Ansprüche werden mit Blick auf den Gesamtbedarf dieser Bedarfsgemeinschaft berechnet (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Dies wird als "horizontale Berechnungsmethode" bezeichnet (vgl. BSG, Urteile vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 55/07 R -, juris, Rn. 14 ff., und vom 28. Oktober 2009 - B 14 AS 55/08 R -, juris, Rn. 23). Das Einkommen und Vermögen von Kindern wirkt sich allerdings lediglich auf ihre eigene Bedürftigkeit aus, was sich im Umkehrschluss aus § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II ergibt. Leben Kinder außerhalb des elterlichen Haushalts und damit nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern, wird elterliches Einkommen, unabhängig vom Alter des Kindes, nur berücksichtigt (und dann als eigenes Einkommen des Kindes angerechnet), wenn Zahlungen tatsächlich geleistet werden.

8

c) Für als Partnerin oder Partner in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Erwachsene (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II) werden je 90 % der vollen Regelleistung anerkannt (damals nach § 20 Abs. 3 SGB II; heute in § 20 Abs. 4 SGB II). Dies waren in dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum monatlich 311 €. Sonstige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft erhalten 80 % der vollen Regelleistung (§ 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II; heute in § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II als Leistungsbetrag ausgewiesen). Dies waren im maßgeblichen Zeitraum 276 €. Auch wenn ein Elternteil mit einem volljährigen, aber unter 25-jährigen Kind zusammen lebt, wird davon ausgegangen, dass der Elternteil die volle Regelleistung und das Kind als sonstiger erwerbsfähiger Angehöriger 80 % hiervon erhält (vgl. Saitzek, in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 20 Rn. 26).

9

Erwachsene Kinder, die trotz Bedürftigkeit ohne Zusicherung des Trägers der Grundsicherungsleistung nach dem damals geltenden § 22 Abs. 2a SGB II (heute § 22 Abs. 5 SGB II) aus dem elterlichen Haushalt auszogen, erhielten nach dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum geltenden § 20 Abs. 2a SGB II (heute § 20 Abs. 3 SGB II) weiter nur die auf 80 % abgesenkte Regelleistung. Zudem erhielten sie bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nach § 22 Abs. 2a SGB II keine Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung, wenn dies nicht zugesichert war, und gemäß dem damaligen § 23 Abs. 6 SGB II (heute § 24 Abs. 6 SGB II) keine Leistungen zur Erstausstattung für die Wohnung.

10

2. In der Sozialhilfe - nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - sind die Einstandspflichten zusammenlebender Personen anders geregelt als im Grundsicherungsrecht. Das betrifft insbesondere die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei der Bestimmung des Leistungsanspruchs. Grundsätzlich ist zwar auch in der Sozialhilfe eigenes Einkommen und Vermögen zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen. Das gilt für die Hilfe zum Lebensunterhalt (insbesondere bei vorübergehender voller Erwerbsminderung) nach § 19 Abs. 1 SGB XII und im Alter oder bei dauerhafter voller Erwerbsminderung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XII (jeweils in der Fassung von Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003, BGBl I S. 3022). Jedoch hat der Gesetzgeber hier die sogenannte Einsatz- oder Einstandsgemeinschaft normiert. Auch sie dient dazu, das gemeinsame Wirtschaften im häuslichen Näheverhältnis zu berücksichtigen. Doch muss hier anders als in der Bedarfsgemeinschaft das eigene Einkommen und Vermögen nur insoweit für andere eingesetzt werden, wie dies den eigenen notwendigen Lebensunterhalt übersteigt. Dies wird als "vertikale Berechnungsmethode" bezeichnet.

11

Elterliches Einkommen wird bei - dem elterlichen Haushalt angehörenden - minderjährigen unverheirateten Kindern nur in der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch berücksichtigt und auch nur dann, wenn sie den notwendigen Lebensunterhalt aus ihrem Einkommen und Vermögen nicht selbst beschaffen können (zum Zeitpunkt des Ausgangsverfahrens nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB XII). Darüber hinaus ist elterliches Einkommen nur im Rahmen der Vermutungsregelung zur Bedarfsdeckung in der Haushaltsgemeinschaft nach dem damaligen § 36 Satz 1 SGB XII (heute § 39 Satz 1 SGB XII) zu berücksichtigen. Im Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch) findet eine Anrechnung elterlichen Einkommens nicht statt.

II.

12

Der Gesetzgeber hat die im vorliegenden Verfahren zentralen Regelungen im Jahr 2006 mit dem Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl I S. 558) in Kraft gesetzt. Seitdem sind nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 und 4 SGB II auch erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, die mit ihren Eltern zusammenleben, im System der Grundsicherung für Arbeitsuchende als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu betrachten. Dies führt nach der damals geltenden Fassung des § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II zur Absenkung ihrer Grundsicherungsleistungen auf 80 % der Regelleistung. Zudem hat der Gesetzgeber mit der Änderung von § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II die Anrechnung des elterlichen Einkommens und Vermögens auf ihren Bedarf vorgegeben.

13

Die der angegriffenen Entscheidung zugrundeliegenden und mittelbar angegriffenen Regelungen lauten in der damals geltenden Fassung des Art. 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2954), Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl I S. 558) und Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I S. 1706):

§ 7 SGB II

Berechtigte

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,

2. erwerbsfähig sind,

3. hilfebedürftig sind und

4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben

(erwerbsfähige Hilfebedürftige). […]

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. […]

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1. die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,

2. die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,

3. als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen

a) der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,

b) der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,

c) eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen,

4. die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

[…]

§ 9 SGB II

Hilfebedürftigkeit

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht

1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,

2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

(2) 1Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. 2Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen. 3Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

[…]

§ 20 SGB II

Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts

[…]

(2) 1Die monatliche Regelleistung beträgt für Personen, die allein stehend oder allein erziehend sind oder deren Partner minderjährig ist, 345 €. 2Die Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft beträgt 80 vom Hundert der Regelleistung nach Satz 1.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 erhalten Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Abs. 2a umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres 80 vom Hundert der Regelleistung.

(3) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, beträgt die Regelleistung jeweils 90 vom Hundert der Regelleistung nach Absatz 2.

[…]

§ 22 SGB II

Leistungen für Unterkunft und Heizung

[…]

(2a) 1Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden ihnen Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur erbracht, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. 2Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1. der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,

2. der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder

3. ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.

3Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen.

[…]

14

Diese Regelungen gehen auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zurück, der im Gesetzgebungsverfahren durch den Ausschuss des Deutschen Bundestages für Arbeit und Soziales vollständig neu gefasst wurde. Der Ausschuss hat zur Begründung ausgeführt, Kinder trügen keine zur allgemeinen Haushaltsführung gehörenden Aufwendungen wie für Versicherungen, Strom oder haushaltstechnische Geräte (Ausschuss für Arbeit und Soziales, Beschlussempfehlung und Bericht vom 15. Februar 2006, BTDrucks 16/688, S. 13 f. zu Nr. 2, Buchstabe b). Zudem sollten auch erwachsene Kinder nicht frühzeitig und ohne sozial hinreichende Sicherung ausziehen (ebd., S. 14 zu Nr. 6, Buchstabe a).

15

Die Regelungen wurden durch nachfolgende Gesetzgebung geschlechtergerecht gefasst und einzelne Absätze innerhalb der Vorschriften neu eingeordnet, bestehen jedoch inhaltlich im Wesentlichen fort. Den nach § 20 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB II geltenden Regelsatz, von dem die hier maßgeblichen Leistungen nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II abgeleitet sind, hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil des Ersten Senats vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1, 3, 4/09 - (BVerfGE 125, 175) für mit dem Grundgesetz unvereinbar, jedoch bis zu einer Neuregelung für weiter anwendbar erklärt. Die Regelsätze wurden wiederholt erhöht und erwiesen sich nach dem Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10, 12/12, 1 BvR 1691/13 - (BVerfGE 137, 34) in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl I S. 453) sowie der bis zu dieser Entscheidung ergangenen weiteren Fassungen und Nachfolgeregelungen als noch mit dem Grundgesetz vereinbar.

III.

16

1. Der im September 1985 geborene, ledige Beschwerdeführer, der über eine abgeschlossene Ausbildung verfügt, war in der Zeit von Juni bis September 2006 als Maler berufstätig und seitdem (erneut) arbeitslos. Im fachgerichtlich zunächst streitigen Zeitraum von Oktober 2006 bis März 2007 lebte er mit seiner ein Jahr jüngeren Schwester und seinem 1961 geborenen Vater zusammen. Der Vater bezog eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer in Höhe von monatlich 615,84 €.

17

a) Auf Antrag des Beschwerdeführers bewilligte der Träger der Grundsicherungsleistung ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für Oktober 2006 bis März 2007. Die Höhe der Leistungen berechnete er ab November 2006 mit monatlich 175,64 €. Dem Beschwerdeführer stünden im Ausgangspunkt 276 € als Regelleistung, 80 € als befristeter Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld gemäß dem damaligen § 24 SGB II und anteilige 10,92 € als Kosten der Unterkunft und Heizung zu. Er lebe jedoch mit dem Vater in einer Bedarfsgemeinschaft. Dieser gehöre die Schwester nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht an, da sie ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen bestreite. Der Vater sei zudem zwar aufgrund seiner Erwerbsunfähigkeit von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ausgeschlossen. Doch müsse der Anteil seiner Rente, der seinen dann fiktiv zu berechnenden Grundsicherungsbedarf nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R -, juris, Rn. 40) übersteige, bei der Berechnung des Anspruchs des Beschwerdeführers bedarfsmindernd berücksichtigt werden. Der (fiktive) Bedarf des Vaters liege bei 355,92 €, was sich aus 345 € Regelleistung und 10,92 € anteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung ergebe. Damit verbleibe dem Vater nach Bereinigung des monatlichen Rentenzahlbetrags ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 547,20 €. Dies übersteige seinen Bedarf um 191,28 €. Damit stünden dem Beschwerdeführer Leistungen in entsprechend verringerter Höhe zu.

18

b) Das Sozialgericht wies die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage des Beschwerdeführers und seines Vaters ab. Das Landessozialgericht wies die Berufung unter Nichtzulassung der Revision durch Beschluss zurück.

19

c) Das Bundessozialgericht wies die von ihm zugelassene Revision als unbegründet zurück. Der Vater des Beschwerdeführers sei nicht klagebefugt; dem Beschwerdeführer stehe im streitgegenständlichen, in der Revisionsinstanz auf November 2006 bis März 2007 begrenzten Zeitraum kein Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen zu. Es bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass ihm lediglich 80 % der Regelleistung eines Alleinstehenden zuerkannt worden seien. Die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II in der ab dem 1. Juli 2006 geltenden Fassung sei nicht verfassungswidrig. Der Beschwerdeführer weise zwar zu Recht darauf hin, dass angesichts der geringen Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente und dem Schutz des Selbstbehalts seines Vaters nach § 1603 Abs. 1 BGB wohl kein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch gegen diesen bestehe. Der fürsorgerechtliche Gesetzgeber dürfe jedoch bei der Frage, ob der Einsatz staatlicher Mittel gerechtfertigt sei, von den Regelungen des Unterhaltsrechts abweichen und typisierend unterstellen, dass in einem Haushalt zusammenlebende Familienangehörige sich unterstützten. Dies gelte zumal, wenn diese in gerader Linie verwandt seien. In der Wahl der Altersgrenze von 25 Jahren könne kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erkannt werden; dem Gesetzgeber komme hier ein weiter Ermessensspielraum zu. Die mit einem starren Stichtag verbundenen Härten seien grundsätzlich hinzunehmen. Überdies habe der Gesetzgeber mit der Einführung dieser Altersgrenze verfassungsrechtlich legitime Zwecke verfolgt. Er habe insbesondere verhindern wollen, dass Kinder, die im Haushalt der Eltern lebten, mit Erreichen der Volljährigkeit automatisch eine eigene Bedarfsgemeinschaft bildeten. Eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung sei auch nicht darin zu sehen, dass nur das Einkommen des Elternteils berücksichtigt werde, der mit dem erwachsenen Kind in einem Haushalt lebe, nicht hingegen das Einkommen eines dort nicht lebenden Elternteils.

20

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und von Art. 3 Abs. 1 GG.

21

Er wendet sich gegen zu niedrige Sozialleistungen aufgrund der Einbeziehung in die Bedarfsgemeinschaft mit seinem Vater und greift insbesondere die Revisionsentscheidung des Bundessozialgerichts an. Mittelbar richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen die im Ausgangsverfahren maßgeblichen Regelungen der § 7 Abs. 3 Nr. 2 und 4, § 9 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II; sie seien verfassungswidrig, soweit sie zu der Konstruktion einer Bedarfsgemeinschaft zwischen ihm und seinem Vater mit der Folge der Regelleistungskürzung aufgrund der Einkommensanrechnung führten. Sein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sei verletzt. Die ihm gewährten Leistungen seien evident unzureichend. Der Auszahlbetrag von 175,64 € bleibe noch hinter den Leistungen von 184,07 € zurück, die einer alleinstehenden hilfebedürftigen Person nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustünden. Er müsse einen Teil seines Bedarfs mit Mitteln seines Vaters decken, auf die er dem Grunde oder zumindest der Höhe nach keinen Anspruch habe, insbesondere nicht nach bürgerlich-rechtlichem Unterhaltsrecht. Der Rückgriff auf fremde Mittel für die Bedarfsdeckung könne nur dann zugelassen werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass diese Mittel ihm auch tatsächlich zur Verfügung stünden. Zudem sei die Höhe der Regelleistung für junge Erwachsene mit 80 % der Regelleistung von Alleinstehenden "gegriffen" und nicht mittels eines sachgerechten und transparenten Verfahrens ermittelt worden. Der Gesetzgeber habe den Bedarf junger Erwachsener und seine Deckung im Haushalt der Familie in keiner Form erfasst.

22

Es verstoße gegen den Gleichheitssatz, unter 25-jährige schlechter zu behandeln als ältere Personen. Die tatsächlichen Lebensverhältnisse änderten sich mit Erreichen dieser Altersgrenze nicht. Nicht einzusehen sei auch, weshalb der Bedarf nach Eintritt der Volljährigkeit bei Erwerbsfähigen geringer sein solle als bei Erwerbsunfähigen. Eine weitere, nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zeige sich im Vergleich zum Bereich der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Dort gebe es keine vergleichbare Anrechnungsregelung. Ein erwerbsgeminderter junger Erwachsener sei dort nicht Teil einer Bedarfsgemeinschaft mit seinen Eltern, obwohl eine allgemeine Fürsorgepflicht der Eltern sogar eher angenommen werden könne.

23

3. Der Vater des Beschwerdeführers hatte zeitgleich Verfassungsbeschwerde eingelegt, mit der er eine Verletzung von Art. 14 GG rügte. Durch die Anrechnung eines Teils seiner Rente auf den Bedarf seines Sohnes werde ihm die Rente insoweit entzogen. Die 3. Kammer des Ersten Senats hat diese Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 6. Dezember 2011 - 1 BvR 371/11 - nicht zur Entscheidung angenommen. Der Vater selbst beantragte im Ausgangsverfahren keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Sein Rentenzahlbetrag wurde ungemindert an ihn ausgezahlt.

IV.

24

Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für teilweise unzulässig, da der Beschwerdeführer nicht von allen mittelbar angegriffenen Regelungen betroffen und eine Grundrechtsverletzung nicht hinreichend substantiiert dargelegt sei. Jedenfalls sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet, denn die Höhe der Regelleistung in der Bedarfsgemeinschaft sei transparent und sachgerecht festgestellt worden; bessere Methoden gebe es nicht. Das Existenzminimum sei jedenfalls nicht evident unterschritten. Der Gesetzgeber dürfe im Fürsorgerecht vom Unterhaltsrecht abweichen, sich an der Lebenswirklichkeit orientieren und daher bei der Familiengemeinschaft von einem wechselseitigen Einstandswillen ausgehen. Fehle dieser, habe der Gesetzgeber mit § 22 Abs. 2a SGB II in der damals geltenden Fassung die Möglichkeit eingeräumt, eine eigene Bedarfsgemeinschaft außerhalb des Elternhauses zu begründen.

25

Die für Verfahren aus dem Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts haben mitgeteilt, dass die mittelbar angegriffenen Regelungen bisher von ihnen angewandt und nicht für verfassungswidrig gehalten worden seien.

26

Die Niedersächsische Landesregierung, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, der Deutsche Caritasverband, der Deutsche Familiengerichtstag, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Diakonie Deutschland - Evangelischer Bundesverband - und der Sozialverband Deutschland gehen davon aus, dass die Verfassungsbeschwerde zulässig und begründet ist. Durch die Erweiterung der Bedarfsgemeinschaft mit der Folge der reduzierten Regelleistung sowie der Anrechnung des elterlichen Einkommens seien das aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sowie der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

B.

27

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

I.

28

Das Vorbringen des Beschwerdeführers bedarf allerdings der Auslegung.

29

Das Bundesverfassungsgericht ist bei der Bestimmung des prozessualen Begehrens nicht an die wörtliche Fassung des Antrages gebunden. Bei dessen Auslegung ist insbesondere die Antragsbegründung zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 1, 14 <39>; 54, 53 <64 f.>; 68, 1 <68 f.>; 103, 242 <257>; 139, 194 <220 Rn. 97>).

30

Die Verfassungsbeschwerde zielt im Wesentlichen auf die Regelungen in § 7 Abs. 3 Nr. 2, § 9 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II zu den Grundsicherungsleistungen, wenn Eltern in die Bedarfsgemeinschaft mit ihren volljährigen Kindern einbezogen werden. Demgegenüber ist § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II zur Einbeziehung von Kindern in die Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern nicht Gegenstand des Verfahrens. Diese Regelung findet auf den Beschwerdeführer keine Anwendung und auf ihr beruht auch die unmittelbar angegriffene Entscheidung nicht.

II.

31

Die Verfassungsbeschwerde ist hinreichend substantiiert (zu den Substantiierungsanforderungen vgl. BVerfGE 130, 1 <21> m.w.N.). Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers erscheint es möglich, dass er in seinem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletzt ist. Dies kann sich daraus ergeben, dass die für ihn maßgebliche Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht gesondert berechnet wird, aber unter dem sonst für ihn anzusetzenden Regelleistungsbetrag für Alleinstehende liegt. Die Grundrechtsverletzung kann sich zudem daraus ergeben, dass die Grundsicherungsleistung zu Lasten des Beschwerdeführers in der Bedarfsgemeinschaft ungleich verteilt wird und dass ein Teil des Einkommens seines Vaters nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II auf seine Leistungen angerechnet wird, ohne dass ihm ein korrespondierender Unterhaltsanspruch zustünde.

C.

32

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Bedarfsgemeinschaft im Grundsicherungsrecht nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II auf volljährige Kinder zu erweitern, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist sowohl mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikels 20 Abs. 1 GG als auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Dies gilt - unabhängig von der Festlegung der Regelleistung selbst (zu § 20 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB II vgl. BVerfGE 125, 175 <221 ff.>) - jedenfalls bei einer aus zwei Personen bestehenden Bedarfsgemeinschaft für die Bestimmung der existenzsichernden Leistungen gemäß dem damals geltenden § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II, auch wenn bei dem erwachsenen Kind eine Regelleistung von 80 % der Regelleistung für Alleinstehende angesetzt und elterliches Einkommen und Vermögen nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II berücksichtigt wird, obwohl diesem kein Unterhaltsanspruch korrespondiert.

I.

33

Die mittelbar angegriffenen Regelungen und die auf ihnen beruhende Entscheidung des Bundessozialgerichts verletzen den Beschwerdeführer durch die Einbeziehung in eine Bedarfsgemeinschaft mit einem Elternteil nicht in seinem grundrechtlich gesicherten Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG.

34

1. Die im Ausgangsverfahren maßgebliche Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II genügt dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums allerdings insoweit nicht, als sie von der vollen Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung abgeleitet ist. Diese hat das Bundesverfassungsgericht für mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt (vgl. zur Ableitung der Regelleistung für in Bedarfsgemeinschaft zusammenlebende Partnerinnen und Partner BVerfGE 125, 175 <244 f.> sowie zum Sozialgeld a.a.O. <245>). Doch wurde die Vorgabe zur Bestimmung der Regelleistung in § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 9. Februar 2010 nicht für nichtig, sondern für übergangsweise weiter anwendbar erklärt, um die Anspruchsgrundlage für existenzsichernde Leistungen zu erhalten (vgl. BVerfGE 125, 175 <255 f.>). Sie war folglich im entscheidungserheblichen Zeitraum auch der Bestimmung der Höhe der existenzsichernden Leistungen für den Beschwerdeführer zugrunde zu legen. Davon geht auch der Beschwerdeführer selbst aus, der sich mit seiner Verfassungsbeschwerde ausdrücklich nicht gegen die Ableitung der Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Hilfebedürftige nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II von der bis zum 31. Dezember 2010 fortgeltenden vollen Regelleistung wendet.

35

2. Der Beschwerdeführer ist durch die Einbeziehung in die Bedarfsgemeinschaft mit einem Elternteil nicht in seinen Grundrechten verletzt.

36

a) Das Grundgesetz garantiert mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch; das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, ein menschenwürdiges Existenzminimum tatsächlich zu sichern. Das Grundrecht ist dem Grunde nach unverfügbar und muss durch einen Leistungsanspruch eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen im Hinblick auf die konkreten Bedarfe der Betroffenen auszurichten hat. Dem Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>; 132, 134 <159 Rn. 62>). Bei dessen Ausfüllung hat er auch völkerrechtliche Verpflichtungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 132, 134 <161 f. Rn. 68>; 137, 34 <72 Rn. 74>).

37

aa) Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf die unbedingt erforderlichen Mittel zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (vgl. BVerfGE 125, 175 <223>; 132, 134 <160 Rn. 64>; 137, 34 <72 Rn. 75>).

38

bb) Der Gesetzgeber muss bei der Ausgestaltung der Leistungen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums die entsprechenden Bedarfe der Hilfebedürftigen zeit- und realitätsgerecht erfassen. Ihm kommt ein Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung von Art und Höhe der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Er hat einen Entscheidungsspielraum bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie bei der wertenden Einschätzung des notwendigen Bedarfs, muss seine Entscheidung jedoch an den konkreten Bedarfen der Hilfebedürftigen ausrichten (vgl. BVerfGE 125, 175 <224 f.>; 132, 134 <160 f. Rn. 67>; 137, 34 <72 f. Rn. 76>) und die Leistungen zur Konkretisierung des grundrechtlich fundierten Anspruchs müssen tragfähig, also durch realitätsgerechte, schlüssige Berechnungen sachlich differenziert begründet werden können (vgl. BVerfGE 137, 34 <72 ff. Rn. 76 f.>). Die Anforderungen des Grundgesetzes, tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen, dürfen im Ergebnis nicht verfehlt werden (BVerfGE 137, 34 <73 f. Rn. 77>).

39

cc) Der Staat hat im Rahmen seines Auftrags zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrags dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins erfüllt werden, wenn einem Menschen die hierfür erforderlichen notwendigen materiellen Mittel weder aus seiner Erwerbstätigkeit noch aus seinem Vermögen oder durch Zuwendungen Dritter zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>). Auch der soziale Rechtsstaat ist darauf angewiesen, dass Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, nur in Fällen in Anspruch genommen werden, in denen wirkliche Bedürftigkeit vorliegt. Bei der Ermittlung der Bedürftigkeit kann daher grundsätzlich auch das Einkommen und Vermögen von Personen einbezogen werden, von denen in einer Gemeinschaft ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann (vgl. BVerfGE 87, 234 <264 f.>, auch BVerfGE 75, 382 <394 f.>). Das gilt jedenfalls im Rahmen einer Ehe oder einer Lebenspartnerschaft und im Verhältnis einander unterhaltspflichtiger Verwandter, soweit wechselseitige Unterhaltsansprüche bestehen (vgl. BVerfGE 75, 382 <394 f.>). Allerdings ist eine Anrechnung auch dann nicht ausgeschlossen, wenn zivilrechtlich kein (vgl. BVerfGE 9, 20 <30 ff.>) oder nur ein geringerer Unterhaltsanspruch (vgl. BVerfGE 71, 146 <155 f.>) besteht. Die Anrechnung darf nur nicht zu einer Benachteiligung von Ehe und Familie führen (Art. 6 Abs. 1 GG; vgl. BVerfGE 87, 234 <256 ff.>). Maßgebend sind aber insoweit nicht möglicherweise bestehende Rechtsansprüche, sondern die faktischen wirtschaftlichen Verhältnisse der Hilfebedürftigen, also das tatsächliche Wirtschaften "aus einem Topf" (vgl. BVerfGE 9, 20 <30 ff.>). Nicht angerechnet werden darf, was zu leisten die Verpflichteten außerstande sind (vgl. zum Unterhaltsrecht BVerfGE 28, 324 <352>) oder was sie ohne rechtliche Verpflichtungen erkennbar nicht zu leisten bereit sind (vgl. BVerfGE 71, 146 <156>; 87, 234 <256; 265>). Eine Grenze kann die Anrechnung auch in der Selbstbestimmung der Beteiligten (Art. 2 Abs. 1 GG) und der Freiheit in der Gestaltung des familiären Zusammenlebens (Art. 6 Abs. 1 GG) finden.

40

b) Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht.

41

aa) Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen vorgibt, beschränkt sich die materielle Kontrolle der Höhe von Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind (vgl. BVerfGE 125, 175 <225 f.>; 132, 134 <165 Rn. 78>; 137, 34 <75 Rn. 81>). Diese Kontrolle bezieht sich im Wege einer Gesamtschau (vgl. BVerfGE 130, 263 <295>) auf die Höhe der Leistungen insgesamt und nicht auf einzelne Berechnungselemente, die dazu dienen, diese Höhe zu bestimmen. Evident unzureichend sind Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich ist, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist (BVerfGE 137, 34 <75 Rn. 81>).

42

bb) Jenseits dieser Evidenzkontrolle überprüft das Bundesverfassungsgericht, ob Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen sind. Lassen sich die Leistungen nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen, stehen sie mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (vgl. BVerfGE 125, 175 <225 f.>; 132, 134 <165 f. Rn. 79>; 137, 34 <75 Rn. 82>).

43

c) Andere Grundrechte vermögen für die Bemessung des Existenzminimums im Sozialrecht grundsätzlich keine weiteren Maßstäbe zu setzen. Entscheidend ist zur Sicherung des nach Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gewährleisteten Existenzminimums von Verfassungs wegen allein, dass dieses für jede individuelle hilfebedürftige Person ausreichend bemessen ist (vgl. BVerfGE 125, 175 <227>).

44

3. Die angegriffene Entscheidung des Bundessozialgerichts und die mittelbar angegriffenen Regelungen zu den Grundsicherungsleistungen in einer Bedarfsgemeinschaft erwachsener Kinder mit einem Elternteil genügen diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen.

45

Mit den der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Regelungen nimmt der Gesetzgeber eine pauschale Bestimmung existenzsichernder Leistungen in Bedarfsgemeinschaften vor, indem er den Bedarf für einen Elternteil mit einem volljährigen, unter 25-jährigen Kind mit insgesamt 180 % des entsprechenden Bedarfs zweier Alleinstehender berechnet, hiervon 100 % auf den Elternteil und 80 % auf das Kind verteilt, zudem elterliches Vermögen berücksichtigt und elterliches Einkommen auf den Bedarf des Kindes anrechnet, auch wenn diesem kein Unterhaltsanspruch gegen den Elternteil zusteht. Damit ist die anerkannte Leistung zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz nicht evident unterschritten (a). Die Leistungen lassen sich auch nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen (b). Mit dem Grundgesetz ist es vereinbar, Sozialleistungen an der Bedürftigkeit der Betroffenen zu orientieren und insoweit Einsparungen zu berücksichtigen, die im familiären Zusammenleben typischerweise auftreten (aa). Desgleichen bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Entscheidung des Gesetzgebers, in eine solche Bedarfsgemeinschaft auch erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres einzubeziehen (bb). Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn elterliches Einkommen berücksichtigt wird, obwohl keine korrespondierende Unterhaltsverpflichtung besteht. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Elternteil tatsächlich zum Unterhalt beiträgt und das Kind deshalb in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen ist. Dasselbe gilt, wenn dem Kind anderenfalls ein Auszug aus der Wohnung ohne nachteilige Folgen ermöglicht wird (cc).

46

a) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die ihm monatlich ausgezahlten Leistungen in Höhe von 175,64 € seien evident unzureichend, überzeugt dies nicht.

47

aa) Evident unzureichend sind Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich ist, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist (BVerfGE 137, 34 <75 Rn. 81>; zu einer solchen Situation BVerfGE 132, 134 <166 ff. Rn. 80 ff.>).

48

bb) Anhaltspunkte für eine derartige oder eine vergleichbare Situation sind hier nicht erkennbar.

49

(1) Der Gesamtbetrag der Leistungen, die für die Existenzsicherung des Beschwerdeführers anerkannt wurden, unterschreitet das zu gewährleistende menschenwürdige Existenzminimum nicht evident. Im Ausgangspunkt wurde ein Bedarf in Höhe von 80 % der Regelleistung für Alleinstehende konkret in Höhe von 276 € anerkannt. Dazu kam der nach der damaligen Rechtslage nach § 24 SGB II anerkannte Zuschlag in Höhe von 80 €. Die Gesamtsumme ist damit höher als die damalige Regelleistung für Alleinstehende. Dass diese im entscheidungserheblichen Zeitraum nicht evident unzureichend war, hat der Senat bereits entschieden (vgl. BVerfGE 125, 175 <227>).

50

(2) Auch im Hinblick auf die Höhe der tatsächlich gewährten Leistungen ist eine evidente Unterdeckung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht ersichtlich. Zwar sind dem Beschwerdeführer nicht Leistungen in Höhe des im Ausgangspunkt anerkannten Bedarfs, sondern nur ein geringerer Betrag bewilligt worden. Diese Höhe der Leistungen folgt jedoch aus der teilweisen Anrechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente des Vaters auf den anerkannten Bedarf des Beschwerdeführers, weil der Gesetzgeber mit den angegriffenen Regelungen unterstellt, dass sein Bedarf durch entsprechende Zuwendungen des Vaters gedeckt ist. Die Berücksichtigung des Einkommens des Vaters betrifft insofern nicht die Anerkennung notwendiger Bedarfe zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz, sondern die Ausgestaltung der Leistungen mit Blick auf die Bedürftigkeit. Eine evidente Unterdeckung ist mit Blick auf derartige Anrechnungen nur denkbar, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass auch mit dem angerechneten Einkommen eine menschenwürdige Existenz überhaupt nicht zu sichern wäre. Dafür ist hier jedoch nichts ersichtlich. Der Vater verfügte jedenfalls tatsächlich über hinreichende Mittel, um zur Existenzsicherung seines Sohnes beizutragen. Die Tatsache, dass sein Einkommen die unterhaltsrechtlichen Freibeträge nicht übersteigt, ändert daran nichts, denn diese sind nicht auf das zur menschenwürdigen Existenz Notwendige beschränkt.

51

b) Auch jenseits evidenter Verfassungswidrigkeit kann ein Verfassungsverstoß nicht festgestellt werden, weil sich die Leistungen in ihrer Gesamthöhe nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen lassen.

52

aa) Die mittelbar angegriffene Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II, die der Entscheidung des Bundessozialgerichts zugrunde liegt, ist - unbeschadet ihrer Ableitung von einer mit der Verfassung nicht vereinbaren Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II (dazu unter A II, Rn. 15, und C I 1, Rn. 34; vgl. BVerfGE 125, 175) - mit den Anforderungen des Grundgesetzes vereinbar. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, zur Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz anerkannte Sozialleistungen in Orientierung an der Bedürftigkeit der Betroffenen pauschal um Einsparungen zu kürzen, die im familiären häuslichen Zusammenleben typisch sind.

53

(1) Die Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II führt im Ergebnis dazu, dass bei einer Bedarfsgemeinschaft aus einem Elternteil und einem erwachsenen Kind Sozialleistungen, die den existenznotwendigen Bedarf sichern, nur in Höhe von insgesamt 180 % der Regelleistung für Alleinstehende berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dies sei durch geringere Kosten und daraus resultierende Einsparungen aufgrund des gemeinsamen Wirtschaftens zu rechtfertigen. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist hinreichend plausibel, dass jedenfalls in einem Haushalt zusammenlebende Familienangehörige umfassend "aus einem Topf" wirtschaften. Das hat zur Folge, dass zwei in einem solchen Näheverhältnis zusammenlebende Personen einen finanziellen Mindestbedarf haben, der unter dem Doppelten des Bedarfs einer alleinwirtschaftenden Person liegt (vgl. BVerfGE 75, 382 <394>; 87, 234 <256>). Daher kann die familiäre Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft durchaus Anknüpfungspunkt für wirtschaftliche Rechtsfolgen sein, sofern damit keine Benachteiligung von Ehe oder Familie einhergeht, die mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht vereinbar wäre (vgl. BVerfGE 17, 210 <217>; 28, 324 <347>; 69, 188 <205 f.>; 75, 382 <393>). Eine solche Absenkung der Regelleistung aufgrund des gemeinsamen Wirtschaftens in häuslicher Gemeinschaft ist als Orientierung von Sozialleistungen an der Bedürftigkeit auch im Sinne des sozialen Rechtsstaats gerechtfertigt (vgl. BVerfGE 9, 20 <35>; 22, 100 <105>).

54

(2) Der Einwand des Beschwerdeführers, die Höhe der Regelleistung für junge Erwachsene sei mit 80 % der Regelleistung von Alleinstehenden schlicht gegriffen und nicht mittels eines sachgerechten und transparenten Verfahrens ermittelt worden, verkennt, dass die Verfassung keine besonderen Vorgaben für das Gesetzgebungsverfahren macht; verlangt ist vielmehr die sachlich differenzierende, im Ergebnis tragfähige Begründbarkeit der festgesetzten Beträge in ihrer Gesamthöhe (zuletzt BVerfGE 137, 34 <74 ff. Rn. 78 ff.>). Davon ist hier unter Berücksichtigung des Entscheidungsspielraumes des Gesetzgebers in der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse (vgl. BVerfGE 137, 34 <72 f. Rn. 76>) auszugehen.

55

Die Annahme, das Hinzutreten eines weiteren Erwachsenen zu einer Bedarfsgemeinschaft führe zu einer regelbedarfsrelevanten Einsparung von 20 %, kann sich zumindest für die Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft in der Gesamtbetrachtung auf eine ausreichende empirische Grundlage stützen. Das Bundesverfassungsgericht hat für Partnerinnen und Partner bereits ausdrücklich gebilligt, dass der Bedarf einer weiteren erwachsenen Person in einer Bedarfsgemeinschaft in einer Höhe von insgesamt 180 % für zwei Personen von dem statistisch ermittelten Bedarf der Alleinstehenden abgeleitet werden darf (vgl. BVerfGE 125, 175 <245>), da die Erhebung nach Haushalten geeignet sei, den tatsächlichen Bedarf auch für solche Lebenssituationen zu ermitteln. Insofern ist die Bestimmung des Regelbedarfs zweier zusammenlebender und gemeinsam wirtschaftender Erwachsener in Höhe von 90 % des im SGB II für eine alleinstehende Person geltenden Regelbedarfs nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 137, 34 <83 Rn. 100>). Nach wie vor fehlen zwar Daten zu den relevanten Haushalten, zum Verwandtschaftsverhältnis oder zum Konsumverhalten in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die der Gesetzgeber zur Bestimmung des existenzsichernden Bedarfs nutzt (vgl. BVerfGE 125, 175 <232 ff.>). Doch sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, warum ein erwachsenes Kind, das - wie der Beschwerdeführer - nur mit einem Elternteil zusammen lebt, einen höheren Bedarf haben soll als der hinzutretende Erwachsene in einem Paarhaushalt (vgl. Dudel/Garbuszus/Ott/Werdig, Überprüfung der bestehenden und Entwicklung neuer Verteilungsschlüssel zur Ermittlung von Regelbedarfen auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008, 2013, S. 286). Nicht zu entscheiden ist im vorliegenden Verfahren allerdings, ob und gegebenenfalls ab welcher Anzahl hinzutretender Personen eine Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht mehr gewährleistet ist, wenn für jede dieser weiteren Personen eine um 20 % geringere Regelleistung berechnet wird. Die Annahme, dass der familiäre Zweipersonenhaushalt Einsparungen ermöglicht, aufgrund derer eine menschenwürdige Existenz auch mit auf 180 % der Regelleistung verminderten Leistungen gesichert ist, bewegt sich jedenfalls in dem Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers.

56

(3) Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, die Leistungen in der Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft - abweichend von in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partnerinnen und Partnern (vgl. damals § 20 Abs. 3 SGB II) - ungleich zu verteilen. Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II werden in der Bedarfsgemeinschaft aus einem Elternteil und einem erwachsenen Kind diesem nur 80 % der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II gewährt, dem Elternteil hingegen die volle Regelleistung. Auch hier ist der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse und sein Gestaltungsspielraum bei der Art und Höhe der jeweiligen Leistungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 137, 34 <72 f. Rn. 76>). Es erscheint hinreichend plausibel, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Eltern in häuslicher Gemeinschaft auch mit einem erwachsenen Kind regelmäßig den überwiegenden Teil der Kosten von Wohnungsausstattung, Hausrat oder etwa einer Tageszeitung oder anderen Mediendienstleistungen tragen und auf genaue Abrechnungen wie unter Fremden verzichten (BTDrucks 16/688, S. 13 f. zu Nr. 2, Buchstabe b). Daher ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber in der Bedarfsgemeinschaft in § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II für ein Kind einen geringeren Existenzsicherungsbedarf ansetzt als für den Elternteil.

57

bb) Es ist mit den Anforderungen des Grundgesetzes auch vereinbar, dass der Gesetzgeber die Bedarfsgemeinschaft in § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II auf erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ausgeweitet und deren Leistungshöhe nach dem Lebensalter bestimmt hat. Entgegen dem zentralen Einwand des Beschwerdeführers bestehen gegen die Einbeziehung erwachsener Kinder in die Bedarfsgemeinschaft mit einem Elternteil keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

58

(1) Der Anspruch auf existenzsichernde Leistungen ist nach Maßgabe von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG so auszugestalten, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>; 91, 93 <111>; 99, 246 <261>; 120, 125 <155 und 166>; 125, 175 <224>; 137, 34 <73 f. Rn. 77>). Der Bedarf muss damit auch für Menschen unterschiedlichen Alters realitätsgerecht bestimmt werden. So dürfen etwa Kinder nicht pauschal als "kleine Erwachsene" behandelt werden, sondern ihr Bedarf ist orientiert an tragfähigen Erkenntnissen sachgerecht zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 125, 175 <245 f., 249 f.>; 137, 34 <93 Rn. 123 f.>). Ein schlichter Verweis auf die Lebenserfahrung genügt für Differenzierungen in der Leistungshöhe nicht. Vielmehr muss der Gesetzgeber, wenn er Sozialleistungen nach dem Lebensalter staffelt, auf die alterstypische Entwicklung (vgl. BVerfGE 40, 121 <135 f.>) Rücksicht nehmen. Dabei hat er auch zu berücksichtigen, dass mit zunehmendem Alter eines Kindes sein Recht auf Selbstbestimmung und Teilhabe an Gewicht zunimmt (vgl. BVerfGE 59, 360 <387 f.>; 88, 87 <97 ff.>); der Gesetzgeber kann die Ausgestaltung der Sozialleistungen insoweit auch dann an den tatsächlichen Umständen orientieren, wenn die Betroffenen die Volljährigkeit erreicht haben und diese Rechte uneingeschränkt genießen.

59

(2) Mit diesen Anforderungen ist die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II zu vereinbaren, wonach auch ein erwachsenes Kind bis zum vollendeten 25. Lebensjahr in einer Bedarfsgemeinschaft mit einem Elternteil geringere Leistungen erhält als ein über 25-jähriges Kind. Diese Altersgrenze der Einbeziehung von Kindern in die Bedarfsgemeinschaft ist sachlich begründbar. Der Gesetzgeber orientiert sich mit dem Ende des 25. Lebensjahres an einem häufigen, jedenfalls nicht untypischen Zeitpunkt des Erreichens ökonomischer Eigenständigkeit sowie am empirisch belegten längeren Verbleib von Kindern im Elternhaus (vgl. Statistisches Bundesamt, Datenreport 2006, Auszug aus Teil II "Lebenssituation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen", S. 545 ff. und "Frauen und Männer in verschiedenen Lebensphasen", 2010, S. 10). Zwar trifft der Einwand des Beschwerdeführers und der Verbände zu, dass sich mit Vollendung des 25. Lebensjahres die Eltern-Kind-Beziehung nicht automatisch wesentlich ändert. Doch gilt dies für jede - auch für die vormalige, auf 18 Jahre gesetzte - Altersgrenze; denn die leibliche und seelische Entwicklung ist nicht an das numerische Alter gebunden, sondern einem individuell sehr unterschiedlichen Prozess unterworfen. Auch trifft es zu, dass die berufliche Ausbildung nicht immer mit einem bestimmten Lebensalter in dem Sinne abgeschlossen ist, dass Menschen dann ökonomisch auf eigenen Füßen stünden (vgl. zur Volljährigkeitsgrenze von damals 21 Jahren BVerfGE 44, 1 <19 f.>). Doch liegt es im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, eine Regelung zur Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen in Orientierung an der konkreten Bedürftigkeit der Leistungsberechtigten auf diese typisierende Einschätzung der tatsächlichen Verhältnisse zu gründen, die auch im Übrigen nicht sachwidrig erscheint. So trägt der Gesetzgeber mit der Grenze der Vollendung des 25. Lebensjahres auch dem Einwand der Verbände Rechnung, dass der Einstandswille von Eltern mit dem Alter ihrer Kinder abnimmt.

60

cc) Die angegriffene Entscheidung des Bundessozialgerichts und die ihr zugrundeliegenden Regelungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums, soweit sie bei der Bestimmung der Leistungshöhe unterstellen, sein Vater werde ihn in der Bedarfsgemeinschaft unterhalten, auch wenn es an einem korrespondierenden, rechtlich durchsetzbaren Unterhaltsanspruch fehlt.

61

(1) Der Beschwerdeführer hat keinen Unterhaltsanspruch nach §§ 1601 ff. BGB gegen seinen Vater, weil er eine Ausbildung abgeschlossen hat und der Vater nicht über Mittel in für die Unterhaltspflicht maßgeblicher Höhe verfügt. Damit besteht das Risiko einer Unterdeckung in der familiären Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft, wenn der Vater sich ernsthaft weigert, zur Existenzsicherung des Kindes beizutragen, elterliches Einkommen und Vermögen aber gleichwohl nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II bedarfsmindernd berücksichtigt wird. Folglich hat der Einwand, der Beschwerdeführer könne nur auf Leistungen verwiesen werden, die ihm auch tatsächlich zur Verfügung stünden, durchaus Gewicht. Existenzsichernde Leistungen müssen durch einen Anspruch gesichert sein (vgl. BVerfGE 125, 175 <223 f.>) und der Gesetzgeber muss dafür Sorge tragen, dass der existenzielle Bedarf tatsächlich gesichert ist und so die Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz nicht verfehlt wird (vgl. BVerfGE 137, 34 <73 f. Rn. 77>). Daher müssen auftretende Unterdeckungen entweder ausgeglichen werden können oder es muss ein gesonderter Anspruch auf Ausgleich im Bedarfsfall bestehen (vgl. BVerfGE 137, 34 <76 Rn. 84>).

62

(2) Doch spricht es nicht grundsätzlich gegen die Anrechnung elterlichen Einkommens und Vermögens auf die Leistungen zur Sicherung der menschenwürdigen Existenz, dass das Kind nicht immer einen konkreten durchsetzbaren Unterhaltsanspruch in Höhe des angerechneten Einkommens hat. Die Anforderung, das Existenzminimum müsse durch einen Anspruch gesichert sein, bezieht sich auf das Erfordernis eines Parlamentsgesetzes zur Bestimmung der existenzsichernden Leistungen, weil diese nicht der freien Entscheidung der Verwaltung überlassen bleiben dürfen. Ein solches Gesetz ist hier mit dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und speziell mit den Regelungen in §§ 7, 9 und 20 SGB II vorhanden. Indem die gesetzlichen Bestimmungen zur Höhe des Anspruchs eine Anrechnung des elterlichen Einkommens vorsehen, wird der gesetzliche Anspruch auf Existenzsicherung nicht beseitigt, sondern nur der individuelle Leistungsanspruch gegen den Träger der Grundsicherung in Anknüpfung an die tatsächlichen Umstände beschränkt.

63

Dies begegnet auch in der Sache keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber ist zur Bereitstellung von Mitteln zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz nur in dem Umfang verpflichtet, in dem die hierfür erforderlichen materiellen Mittel nicht aus eigener Erwerbstätigkeit, eigenem Vermögen oder durch Zuwendungen Dritter zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>). Er geht hier plausibel begründbar davon aus, dass die (ergänzende) Existenzsicherung durch Grundsicherungsleistungen nur in einem Umfang erforderlich ist, in dem sie nicht durch Mitglieder einer häuslichen und familiären Gemeinschaft erfolgt, weil anzunehmen ist, dass diese in besonderer Weise füreinander einstehen und bereit sind, ihren Lebensunterhalt auch jenseits zwingender rechtlicher Verpflichtungen gegenseitig zu sichern. Im Verhältnis zwischen Eltern und (volljährigen) Kindern im gemeinsamen Haushalt wird der Beschwerdeführer also nicht auf im Belieben Dritter stehende Almosen verwiesen, sondern auf Mittel innerhalb der Familie, bei denen der Gesetzgeber davon ausgehen darf, dass sie in familiärer Verbundenheit und Solidarität tatsächlich erbracht werden. Diese Einkommensanrechnung verletzt auch nicht die durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden (vgl. BVerfGE 61, 319 <347>; 99, 216 <231>; 133, 59 <84>), denn der Gesetzgeber knüpft hier für wirtschaftliche Rechtsfolgen - ohne die Familie zu diskriminieren - lediglich an die familiäre Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft an (vgl. BVerfGE 17, 210 <217>; 28, 324 <347>; 69, 188 <205 f.>; 75, 382 <393>). Grundsätzlich bestimmt § 3 Abs. 3 SGB II, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur erbracht werden, wenn die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann. Hier kann der Gesetzgeber davon ausgehen, dass einander nahestehende Menschen zur Sicherung ihrer Existenz typischerweise ihre vorhandenen Mittel - wie hier die Erwerbsunfähigkeitsrente des Vaters - miteinander teilen (vgl. BVerfGE 87, 234 <264 f.>).

64

(3) Entscheidend ist damit, dass eine Unterdeckung tatsächlich verhindert wird. Das ist vorliegend der Fall, weil das Kind im Fall der Verweigerung der Existenzsicherung durch den Vater entweder nicht in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen und folglich kein Einkommen und Vermögen angerechnet wird, oder aber ein Auszug aus der häuslichen Gemeinschaft ohne leistungsrechtlich nachteilige Folge möglich ist.

65

(a) Stehen Eltern und Kinder im konkreten Fall tatsächlich nicht füreinander ein, greift die Fiktion einer Bedarfsgemeinschaft zwischen ihnen nicht. Zwar setzt die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft nach der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II ausdrücklich keinen Einstandswillen voraus; gefordert wird jedoch nicht etwa nur das bloße Zusammenwohnen, sondern die Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Haushalt. Von einer solchen kann nur ausgegangen werden, wenn Menschen tatsächlich füreinander einstehen. Der Gesetzgeber darf sich von der plausiblen Annahme leiten lassen, dass eine verwandtschaftliche Bindung in der Kernfamilie, also zwischen Eltern und Kindern, grundsätzlich so eng ist, dass ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann und regelmäßig "aus einem Topf" gewirtschaftet wird (vgl. BVerfGE 75, 382 <394>; 87, 234 <256; 265>). Weigern sich Eltern aber ernsthaft, für ihre nicht unterhaltsberechtigten Kinder einzustehen, fehlt es an einem gemeinsamen Haushalt und damit auch an der Voraussetzung einer Bedarfsgemeinschaft; eine Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II scheidet dann aus (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2012 - B 14 AS 17/11 R -, juris, Rn. 29).

66

(b) Das in der damals maßgeblichen Fassung des § 22 Abs. 2a SGB II (heute § 22 Abs. 5 SGB II) normierte Erfordernis, vor einem Umzug, mit dem ein Kind sich aus der Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern löst, die Zustimmung des Leistungsträgers zur Berücksichtigung der künftigen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung einzuholen, steht der Anrechnung elterlichen Einkommens ebenfalls nicht entgegen. Dabei ist hier nicht zu entscheiden, ob es verfassungsrechtlich zu rechtfertigen ist, Bedürftigen bei Auszug aus der Wohnung einer Bedarfsgemeinschaft ohne Zustimmung des Leistungsträgers weiter nur 80 % der existenzsichernden Regelleistung für Alleinstehende und keinerlei Kosten der Unterkunft und Heizung zu zahlen, obgleich der existenznotwendige Bedarf stets zu sichern ist (vgl. BVerfGE 137, 34 <73 f. Rn. 77>). Der Beschwerdeführer will ausdrücklich nicht ausziehen und hat diese Regelung auch nicht mittelbar angegriffen. Die Vorgabe des (damaligen) § 22 Abs. 2a SGB II ist aber insofern zu berücksichtigen, als sie Teil der hier mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen gesetzgeberischen Entscheidung ist, auch erwachsene Kinder als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern oder einem Elternteil zu betrachten, und damit die Möglichkeit eines Kindes beschränkt wird, die volle Regelleistung ohne Anrechnung elterlichen Einkommens und Vermögens zu erlangen. Die Erweiterung der Bedarfsgemeinschaft in § 7 Abs. 3 Nr. 2 und 4 SGB II auf volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres wurde zusammen mit dem Umzugsvorbehalt (damals) in § 22 Abs. 2a SGB II normiert, denn der Gesetzgeber wollte damit unerwünschte Anreizeffekte verhindern (vgl. BTDrucks 16/688, S. 14 zu Nr. 5, Buchstabe c und Nr. 6, Buchstabe a). Die Regelungen sollten ausweislich der Ausführungen des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Deutschen Bundestag den Anreiz vermindern, durch Auszug in eine eigene Wohnung einen Anspruch auf die Regelleistung in voller Höhe zu erlangen (BTDrucks 16/688, S. 13 f.). Der Gesetzgeber mutet es den Betroffenen daher zu, bei einem Umzug ohne Zusicherung des Leistungsträgers bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres auch in einem eigenen Haushalt lediglich 80 % der Regelleistung für Alleinstehende und keine Leistungen für Unterkunft und Heizung zu erhalten. Zur Begründung heißt es, dass der Leistungsausschluss regelmäßig nur von kürzerer Dauer sei, da Jugendliche nach § 3 Abs. 2 SGB II unverzüglich in eine Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit zu vermitteln seien (BTDrucks 16/688, S. 14).

67

Die Norm statuiert lediglich einen Vorbehalt, kein Verbot. In Fällen, in denen das Existenzminimum durch die Familie tatsächlich nicht gewährleistet wird, ist daher auch die Zustimmung zum Umzug im Wege der Zusicherung nach § 22 Abs. 2a SGB II - heute nach § 22 Abs. 5 SGB II - zu erteilen. Wenn es unüberbrückbare Zerwürfnisse zwischen Eltern und Kindern gibt oder die Eltern ernsthaft eine über die Unterhaltspflichten hinausgehende Unterstützung verweigern, trägt die Annahme wechselseitigen Einstehens füreinander offensichtlich nicht mehr. Die Vorschrift ist auch nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2012 - B 14 AS 17/11 R -, juris, Rn. 30; Berlit, in: Münder, SGB II, 5. Auflage 2013, § 22 Rn. 149 ff.; Luik, in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 186 ff.) so zu verstehen, dass an die Erteilung der Zusicherung auch unter angemessener Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts des erwachsenen Kindes keine übermäßigen Anforderungen gestellt werden dürfen. Damit wird die Möglichkeit, die Bedarfsgemeinschaft im Fall tatsächlich fehlender Unterstützung zu verlassen und dann Ansprüche auf Existenzsicherung in voller Höhe und auch hinsichtlich der Kosten für eine eigene Wohnung geltend zu machen, zwar erschwert, aber nicht verstellt. Verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen wäre das nur, wenn das Nachsuchen um die vorherige Zusicherung des Leistungsträgers unzumutbar wäre. Dafür ist nichts ersichtlich. Auch das Wissen um Missstände in Familien verwehrt es dem Gesetzgeber nicht, sich am Regelfall zu orientieren, dass Mitglieder einer Familie füreinander einstehen. Zudem kann der Verbleib im elterlichen Haushalt über die Volljährigkeit hinaus als Indiz für die dort erfahrene (auch finanzielle) Unterstützung verstanden werden (oben C I 3 b bb (2), Rn. 59). Schließlich ist das Zusicherungserfordernis, das dazu dient, die eigene Bedürftigkeit nicht zu vergrößern, wenn sie zumutbar geringer gehalten werden kann, als Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts des Kindes zu rechtfertigen.

II.

68

Die unterschiedliche Ausgestaltung der Leistungen zur Existenzsicherung für unter- und über 25-jährige Kinder in Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern oder einem Elternteil sowie zwischen im elterlichen Haushalt lebenden volljährigen Kindern im Zweiten Buch und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch ist mit den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

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1. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (stRspr; BVerfGE 139, 285 <309 Rn. 70 f.>). Ein solches Merkmal ist das Lebensalter (vgl. BVerfGE 60, 123 <133 f.>; 88, 87 <96 ff.>). Umgekehrt erweitern sich mit abnehmender Prüfungsstrenge die Gestaltungs- und Bewertungsspielräume des Gesetzgebers bei steigender "Typisierungstoleranz" (vgl. BVerfGE 133, 377 <413 Rn. 88>). Diese ist im Bereich der leistenden Massenverwaltung besonders groß.

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2. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts und die mittelbar angegriffenen Regelungen genügen diesen Anforderungen.

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a) Die mit der Verfassungsbeschwerde mittelbar angegriffene Regelung über die Zugehörigkeit von erwachsenen Kindern zur Bedarfsgemeinschaft ihrer Eltern oder eines Elternteils in § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II berührt das Selbstbestimmungsrecht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG und das Grundrecht auf freie Gestaltung des familiären Zusammenlebens aus Art. 6 Abs. 1 GG. Zudem knüpft der Gesetzgeber an das Lebensalter als individuell unverfügbares Merkmal an. Daher genügt zur Rechtfertigung der Unterscheidung zwischen unter- und über 25-jährigen Kindern nicht die schlichte Willkürfreiheit. Die Regelung hält jedoch auch strengeren Rechtfertigungsanforderungen stand. Sie verfolgt ein legitimes Ziel und ist zu dessen Erreichung geeignet, erforderlich und angemessen.

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Der Gesetzgeber bezieht erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres in die Bedarfsgemeinschaft ein, weil er damit das legitime Ziel verfolgt, Ansprüche auf Sozialleistungen in Schonung der Solidargemeinschaft an der konkreten Bedürftigkeit der leistungsberechtigten Personen auszurichten. Dafür ist die Orientierung am Zusammenleben und am Lebensalter geeignet, denn die Annahme, dass zusammenlebende Eltern und Kinder über das 18. Lebensjahr hinaus "aus einem Topf" wirtschaften, ist plausibel. Diese Berücksichtigung von Einsparungen durch gemeinsames Haushalten ist auch angezeigt, weil dies nicht notwendige Leistungen vermeidet. Ein milderes Mittel, das hier gleiche Effekte für die Schonung der Solidargemeinschaft erzielen könnte wie die Reduzierung der Regelleistung und die Berücksichtigung von Vermögen und Einkommen des Elternteils auf grundsätzlich anerkannte existenzsichernde Leistungen bis zu einer bestimmten Altersgrenze, ist nicht ersichtlich. Die Ungleichbehandlung zwischen über und unter 25-jährigen Kindern im elterlichen Haushalt ist auch zumutbar. Kommt es zu einer ernstlichen Verweigerung der Unterstützung, scheiden Kinder bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres aus der Bedarfsgemeinschaft mit der Folge aus, dass ihnen die volle Regelleistung zusteht und eine Einkommensanrechnung nicht stattfindet; sie dürfen dann ohne Anspruchsverluste ausziehen.

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b) Die Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers im Vergleich mit Personen, die Ansprüche aus anderen Sicherungssystemen haben, ist im Lichte der allgemeinen Anforderungen aus Art. 3 Abs. 1 GG ebenfalls zu rechtfertigen.

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Der Gesetzgeber hat Leistungen zur Existenzsicherung für Eltern und Kinder in unterschiedlichen Leistungssystemen unterschiedlich ausgestaltet. Er behandelt hier den Beschwerdeführer im System des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch mit den Regeln der Bedarfsgemeinschaft zu seinem Nachteil anders als ein volljähriges Kind in der Einstandsgemeinschaft, wie sie im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch normiert ist. Dort wird Einkommen und Vermögen nicht über das 18. Lebensjahr hinaus angerechnet. Die Zielgruppen der jeweiligen Sicherungssysteme unterscheiden sich in einem Maße voneinander, das es bereits fraglich erscheinen lässt, ob überhaupt vergleichbare Sachverhalte vorliegen; jedenfalls sind unterschiedliche Anrechnungsregeln sachlich gerechtfertigt. Das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch erfasst Hilfebedürftige, die entweder insbesondere vorübergehend (Drittes Kapitel) oder dauerhaft voll erwerbsgemindert (Viertes Kapitel), deren Möglichkeiten, sich selbst zu unterhalten, also deutlich eingeschränkt sind. Deshalb hat der Gesetzgeber entschieden, dass Einkommen der Eltern nicht auf Leistungen an entsprechend erwerbsgeminderte, volljährige Kinder anzurechnen ist, die noch bei ihren Eltern wohnen, um so ihre Selbstständigkeit zu stärken. Demgegenüber zielt das Zweite Buch Sozialgesetzbuch auf Bedürftige, die ihren Lebensunterhalt grundsätzlich selbst sichern könnten. Die Leistungen zur Existenzsicherung werden vorübergehend gewährt und sie werden durch Leistungen zur Vermittlung in Arbeit ergänzt. Diese Unterschiede genügen, um auch unterschiedliche Anrechnungsregeln sachlich zu begründen.

D.

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Soweit der angegriffene Satz von 80 % der Regelleistung (§ 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II) von der bis zum 31. Dezember 2010 fortgeltenden vollen Regelleistung abgeleitet ist, bezieht er sich zwar auf einen Ausgangspunkt, der den Anforderungen des Grundgesetzes nicht entsprach (vgl. BVerfGE 125, 175 <227 ff.>). Die volle Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II galt jedoch trotz Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz bis zur Neuregelung fort (vgl. BVerfGE 125, 175 <255 f.>). Das Bundessozialgericht musste die Vorschrift damit auch insoweit seiner Entscheidung zugrunde legen. Die dann rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft getretene volle Regelleistung ist verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 137, 34 <36 f.>).

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Im Übrigen sind die mittelbar angegriffenen Vorschriften der § 7 Abs. 3 Nr. 2, § 9 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 2 Satz 2 (heute § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2) SGB II mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG) und, soweit daneben von Bedeutung, dem Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar, soweit es sich um eine Bedarfsgemeinschaft aus einem Elternteil und einem Kind handelt, diese tatsächlich zusammen leben und wirtschaften und auch ein Auszug für erwachsene Kinder ohne nachteilige Folgen möglich ist, falls in der Gemeinschaft aufgrund ernsthafter Weigerung tatsächlich keine menschenwürdige Existenz gesichert ist. Die Verfassungsbeschwerde ist daher zurückzuweisen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.