Bundessozialgericht Urteil, 20. Jan. 2016 - B 14 AS 8/15 R

bei uns veröffentlicht am20.01.2016

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. September 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 30.6.2011 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung.

2

Bei dem 1962 geborenen, nicht erwerbstätigen Kläger ist ein Grad der Behinderung von 80 vH festgestellt. Er bezieht seit 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende von dem beklagten Jobcenter und lebte im streitgegenständlichen Zeitraum mit seiner 1964 geborenen erwerbsfähigen Lebensgefährtin E. in einer Wohnung. Weder der Kläger noch die E. verfügten im streitgegenständlichen Zeitraum über Einkommen oder zu berücksichtigendes Vermögen. Der Kläger litt an einer psychischen Zwangsstörung, aufgrund derer er ein bestimmtes Ernährungsverhalten entwickelt hatte. Er nahm weitgehend einzelne Bioprodukte von bestimmten Herstellern nach einem individuellen Vorkostverfahren zu sich. Seinen wesentlichen Energiebedarf deckte er durch mit "Kaba" angerührte Milch. Körperliche Nahrungsmittelunverträglichkeiten ließen sich nicht feststellen.

3

Nachdem der Beklagte dem Kläger seit 2005 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 25,56 Euro monatlich gezahlt hatte, war ein solcher in der Leistungsbewilligung ab 1.1.2011 bis zum 30.6.2011 nicht mehr enthalten (Bescheid vom 29.11.2010). Schon vorher hatte der Kläger einen Befundbericht des Chefarztes Dr. M. vom 6.7.2010 vorgelegt, mit dem ihm ein "komplexes Krankheitsbild mit ausgeprägter Chronifizierungstendenz" und eine "Multiple Chemical Sensitivity" (MCS) bescheinigt wurden. Der von dem Beklagten um gutachterliche Äußerung ersuchte Ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit erkannte in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 7.9.2010 keinen medizinisch begründeten Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung. Mit Änderungsbescheid vom 26.3.2011 bewilligte der Beklagte für den Leistungszeitraum wegen Erhöhung der Regelbedarfe jeweils um 5 Euro höhere Leistungen für den Kläger und E. Mit Bescheid vom 15.9.2011 berücksichtigte der Beklagte aufgrund einer einstweiligen Anordnung des SG Kiel einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 18,20 Euro.

4

Den Widerspruch des Klägers gegen den ursprünglichen Bescheid vom 29.11.2010 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.6.2011 unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit zurück. Der Kläger hat daraufhin seine bereits am 6.6.2011 beim SG erhobene Untätigkeitsklage in eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage umgestellt und ausgeführt, im streitgegenständlichen Zeitraum habe er einen durchschnittlichen monatlichen Bedarf an Nahrungsmitteln in Höhe von 292 Euro gehabt, der durch entsprechende Einkaufslisten belegt sei.

5

Das SG hat nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M.-L. und einer Auskunft der Verbraucherzentrale S. den Beklagten unter Änderung seiner Bescheide verurteilt, dem Kläger wegen eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs von insgesamt 42,82 Euro monatlich weitere Leistungen für die strittige Zeit zu zahlen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 23.7.2012). Der Kläger könne aufgrund seiner Erkrankung nur bestimmte Lebensmittel zu sich nehmen und es sei nicht möglich, dies kurzfristig zu ändern. Die nur vom Kläger eingelegte Berufung, mit der er einen Mehrbedarf von insgesamt 180 Euro monatlich begehrt, hat das Schleswig-Holsteinische LSG zurückgewiesen (Urteil vom 22.9.2014). Der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der gesundheitlichen Beeinträchtigung und der Notwendigkeit, sich in bestimmter Weise zu ernähren, sei bei einer Zwangserkrankung nicht herstellbar. Ob andere Erkrankungen oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten einen höheren Mehrbedarf rechtfertigen würden, könne nicht entschieden werden. Aufgrund der gutachterlichen Ausführungen lasse sich keine bestimmte Kostform ermitteln, die der Kläger zur Vermeidung negativer organischer Reaktionen einhalten müsse. Eine weitere Sachverhaltsermittlung sei nicht möglich, da der Kläger jegliche Untersuchung verweigere.

6

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 21 Abs 5 SGB II. Das LSG habe in unzulässiger Weise zwischen physischen und psychischen Erkrankungen differenziert. Im Übrigen verhüte die besondere Ernährung auch bei ihm eine Verschlimmerung seiner Krankheit, sodass es sich um medizinisch begründete Kosten handele, die in Höhe des geltend gemachten Mehrbedarfs zu zahlen seien.

7

Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 22. September 2014 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 23. Juli 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. September 2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm weiteres Arbeitslosengeld II in Höhe von 137,18 Euro pro Monat vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2011 zu zahlen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 SGG). Er hat keinen Anspruch auf weiteres Arbeitslosengeld II (Alg II) wegen eines höheren Mehrbedarfs.

10

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die beiden vorinstanzlichen Urteile sowie der Bescheid des Beklagten vom 15.9.2011, mit dem der Bescheid vom 29.11.2010 und der Änderungsbescheid vom 26.3.2011, der auf die Erhöhung der Regelbedarfe zu Beginn des Jahres 2011 reagierte, sowie der Widerspruchsbescheid vom 28.6.2011 ersetzt und das höchste Alg II für die hier allein streitgegenständliche Zeit vom 1.1.2011 bis zum 30.6.2011 bewilligt wurde (§ 39 Abs 2 SGB X, §§ 86, 96 SGG). In der Sache begehrt der Kläger höheres Alg II unter Berücksichtigung eines über den vom SG ausgeurteilten Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 42,82 Euro hinausgehenden Betrag von insgesamt 180 Euro, also von 137,18 Euro monatlich.

11

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel sind nicht zu erkennen. Der Kläger hat seine zunächst statthaft erhobene Untätigkeitsklage (§ 88 Abs 2 SGG) nach Erteilung des Widerspruchsbescheids vom 28.6.2011 in zulässiger Weise in eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG) umgestellt. Soweit der Kläger sinngemäß einen Verfahrensfehler in Form eines Verstoßes gegen Denkgesetze rügt, ist insoweit ein Verfahrensmangel zu verneinen, denn es fehlt an Tatsachen, aus denen nur eine Folgerung gezogen werden kann, die das LSG als allein denkbare Folgerung nicht gezogen hat (siehe ausführlich Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX. Kap, RdNr 334; vgl auch BSG SozR Nr 47 zu § 164 SGG; BSG SozR 1500 § 164 Nr 31).

12

3. Rechtsgrundlagen für das vom Kläger begehrte höhere Alg II sind §§ 7 und 19 ff SGB II(in der durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 idF der Neubekanntmachung vom 13.5.2011 rückwirkend zum 1.1.2011 erfolgten Anpassung). Ob der Kläger die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II für den Bezug von Alg II alle erfüllt - das LSG hat Zweifel daran geäußert, ob er nach Maßgabe des § 8 Abs 1 SGB II als erwerbsfähig angesehen werden könne -, kann dahingestellt bleiben, weil er zumindest keinen Anspruch auf höhere Leistungen hat.

13

Denn sein Regelbedarf (§ 20 Abs 4 SGB II)wurde zutreffend ermittelt und die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung wurde kopfteilig in voller Höhe übernommen (§ 22 SGB II). Die Voraussetzungen für weitere Ansprüche, insbesondere einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II(dazu 4.) oder einen Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB II(dazu 5.) sind nicht zu erkennen, zumal das SG ihm einen weiteren Betrag von 42,82 Euro wegen eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung monatlich zugesprochen hat, gegen den der Beklagte keine Berufung eingelegt hat.

14

4. Dem Kläger steht kein höheres Alg II unter Berücksichtigung eines höheren Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 21 Abs 5 SGB II zu. Nach dieser Vorschrift wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

15

Ausgehend von der Konkretisierung des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in Relation zum Regelbedarf ist kostenaufwändiger iS des § 21 Abs 5 SGB II eine Ernährung, die von dem im Regelbedarf umfassten typisierten Bedarf abweicht und von diesem nicht gedeckt wird(BSG Urteil vom 20.2.2014 - B 14 AS 65/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 17 RdNr 19 mwN). Voraussetzung für diesen Mehrbedarf ist ein medizinisch begründetes besonderes Ernährungsbedürfnis (BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 12). Ein solches liegt vor, wenn mit der Regelernährung bestimmte Inhaltsstoffe nicht vermieden werden können, sodass aus physiologischen Gründen ein objektiver Bedarf an einer besonderen Ernährung bedingt ist, die auf einer spezifischen Ernährungsempfehlung beruht (BSG Urteil vom 14.2.2013, aaO, RdNr 15; BSG Urteil vom 20.2.2014, aaO, RdNr 19, 29). Das objektive Erfordernis einer besonderen Kostform aus physiologischen Gründen ist zu unterscheiden von einem bestimmten Ernährungsverhalten oder einem Umgang mit Lebensmitteln, dem keine spezifische, physiologisch bestimmte Kostform zugrunde liegt.

16

Ausgehend von den genannten Grundsätzen besteht vorliegend kein objektiver Bedarf an einer bestimmten Ernährung. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen, für den Senat bindenden Feststellungen des LSG, lassen sich bei dem Kläger Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die dazu führen, dass es bei dem Konsum bestimmter Lebensmittel zu negativen organischen Folgewirkungen kommt, nicht feststellen. Das LSG hat vielmehr ein besonderes Ernährungsverhalten des Klägers festgestellt, bei dem er zum Teil hochpreisige Nahrungsmittel kauft, diese nach einem bestimmten Vorkostsystem aussortiert, um sie sodann in größerem Umfang ungenutzt wegzuwerfen. Die Mehrausgaben des Klägers für Lebensmittel ergeben sich somit nicht aus einem objektiven Erfordernis an einer bestimmten Ernährung, sondern aus seinem Kaufverhalten und seinem Umgang mit Lebensmitteln.

17

Mit dem vom LSG teilweise wiedergegebenen und in Bezug genommenen Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. M.-L. wird die dargelegte Beurteilung bestätigt, weil der Sachverständige einerseits ein genau definiertes organisches Krankheitsbild, das eine konkrete Kostform zwingend nach sich zieht, verneint hat, während er andererseits aufgrund der Angst- und Zwangssymptomatik beim Kläger eine von der Vollkost abweichende Ernährungsform empfohlen hat. Dies spricht gegen einen objektiv notwendigen, physischen Bedarf an einer besonderen Ernährung seitens des Klägers und für ein spezifisches Verhalten im Umgang mit Lebensmitteln. Aus dem vom LSG ebenfalls in Bezug genommenen Befundbericht des Psychiaters Dr. M. folgt nichts anderes, weil dieser schon keine Fachkompetenz in Fragen von Nahrungsmittelunverträglichkeiten hat und solche auch nicht mit entsprechenden eigenen Befunderhebungen begründet.

18

Nach den vorstehenden Ausführungen kommt es auf die vom LSG erörterten Fragen des Ursachenzusammenhangs zwischen medizinischen Gründen und besonderem Ernährungsbedarf nicht an, weil letzterer schon nicht gegeben ist.

19

5. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf höheres Alg II aufgrund eines Härtefallmehrbedarfs nach § 21 Abs 6 SGB II. Nach dieser Vorschrift wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht; der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

20

Wie der Senat zuletzt zusammenfassend aufgeführt hat (BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 8/14 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4200 § 21 Nr 22, RdNr 22), ist mit der Einführung des Härtefallmehrbedarfs der Gesetzgeber nach Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der im Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) getroffenen Vorgabe nachgekommen, im SGB II selbst sicherzustellen, dass auch in atypischen Bedarfslagen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erbracht werden (vgl BT-Drucks 17/1465 S 8). Damit soll gewährleistet werden, dass über die typisierten Mehrbedarfe nach § 21 Abs 2 bis 5 SGB II hinaus und jenseits der Möglichkeit, vorübergehende Spitzen besonderen Bedarfs durch ein Darlehen aufzufangen, solche Bedarfe im System des SGB II gedeckt werden, die entweder der Art oder der Höhe nach bei der Bemessung des Regelbedarfs nicht berücksichtigt sind(BVerfG, aaO, SozR RdNr 207 f).

21

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs 6 SGB II sind nicht erfüllt. Es fehlt jedenfalls an dem Merkmal der Unabweisbarkeit. Unabweisbar im Sinne des Grundsicherungsrechts kann wegen der Subsidiarität dieses Leistungssystems ein medizinischer Bedarf grundsätzlich nur dann sein, wenn nicht die gesetzliche Krankenversicherung oder Dritte zur Leistungserbringung, also zur Bedarfsdeckung, verpflichtet sind (BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - BSGE 115, 77 = SozR 4-4200 § 21 Nr 16, RdNr 22). Angesichts der psychischen Erkrankung des Klägers ist eine Krankenbehandlung nach § 11 Abs 1 Nr 4, § 27 Abs 1 Nr 1 SGB V eine vorrangige und zumutbare Alternative, sodass es an der Unabweisbarkeit fehlt. Das gilt selbst dann, falls für die Erkrankung des Klägers organische Ursachen vorliegen sollten, denn solange er sich nicht untersuchen oder behandeln lässt, unterbindet er eine mögliche Hilfe durch Dritte.

22

Selbst wenn von der vor dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. M.-L. bejahten Angst- und Zwangssymptomatik des Klägers und von einer Übergangszeit während einer Behandlung ausgegangen wird (vgl zu Beratungspflichten des Beklagten nur BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 8/14 R - vorgesehen für BSGE, SozR 4-4200 § 21 Nr 22, RdNr 27), scheidet ein feststellbarer, unabweisbarer Bedarf des Klägers hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen für seine Lebensmitteleinkäufe in der strittigen Zeit aus. Denn der Bedarf des Klägers müsste nämlich nicht nur hinsichtlich seines Grundes, sondern auch seiner Höhe nach objektiviert werden, was entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Erkrankung des Klägers und deren Auswirkungen voraussetzt. Zudem müssten Erkenntnisse über mögliche Behandlungen solcher Erkrankungen in die Beurteilung einfließen, ehe eine Unabweisbarkeit der entstehenden Kosten zu bejahen ist.

23

Gegen die Unabweisbarkeit des geltend gemachten Betrags im vorliegenden Einzelfall spricht im Übrigen der Umstand, dass der Kläger von 2005 bis 2010 einen monatlichen Mehrbedarf für Ernährung in Höhe von 25,56 Euro erhielt, der anscheinend jahrelang ausreichte, sodass es nicht nachvollziehbar ist, warum der vom SG zugesprochene höhere Betrag von 42,82 Euro nun nicht genügen und ein Betrag von insgesamt 180 Euro benötigt werden soll. Mangels entsprechender Rügen und Substantiierungen im Revisionsverfahren scheidet eine Zurückverweisung zur Aufklärung dieser Frage aus, da dem LSG nur eine Ermittlung "ins Blaue hinein" angesonnen würde (vgl nur BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R - RdNr 26; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 1 KR 8/13 R - SozR 4-2500 § 60 Nr 7 RdNr 23).

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Le

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(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt 1. Ärztliche Behandlung einsc

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(1) Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten Bürgergeld. Nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten Bürgergeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach

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(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (2) Im Sinne von Absatz 1 kön

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Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen.

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(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(2) Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, daß als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben; eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils soll beigefügt werden, sofern dies nicht schon nach § 160a Abs. 1 Satz 3 geschehen ist. Satz 2 zweiter Halbsatz gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Im Sinne von Absatz 1 können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 des Aufenthaltsgesetzes aufzunehmen, ist ausreichend.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt vom beklagten Jobcenter höheres Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 aufgrund eines geltend gemachten Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung.

2

Die im Jahr 1955 geborene, alleinlebende Klägerin bezieht seit dem 1.1.2005 Alg II. Nachdem ihr Hausarzt das Vorliegen einer Eisenmangelanämie bescheinigt hatte, bewilligte ihr der Beklagte bis zum 31.3.2009 einen monatlichen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 30,68 Euro, im anschließenden Bewilligungsabschnitt jedoch nicht mehr. Für die Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin Alg II in Höhe von monatlich 359 Euro Regelleistung und 564,80 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung, lehnte aber einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung ab, weil sie aufgrund der Eisenmangelanämie Vollkost benötige, die nach neueren medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen und unter Berücksichtigung der neuen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 (kurz: Mehrbedarfsempfehlungen 2008 ) nur eine ausgewogene Ernährung erfordere, die aus dem Ernährungsanteil in der Regelleistung finanziert werden könne (Bescheid vom 22.9.2009, Widerspruchsbescheid vom 15.10.2009).

3

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Mainz (SG) hat dieses verschiedene ärztliche Unterlagen sowie ein ärztliches Gutachten von Dr. S, nach dem bei der Klägerin insbesondere eine Sprue, die eine glutenfreie Kost erfordere, sowie eine Eisenmangelanämie vorliegen, beigezogen. Das SG hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 72,00 Euro monatlich zu gewähren, und im Übrigen die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.12.2011). Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) das Urteil des SG geändert und die Klage insgesamt ab- sowie die Anschlussberufung der Klägerin, mit der sie einen höheren Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung begehrt hatte, zurückgewiesen (Urteil vom 26.6.2012). Ein Mehrbedarfsanspruch wegen kostenaufwändiger Ernährung bestehe trotz der Erkrankungen an Zöliakie/Sprue und Eisenmangelanämie nicht, obwohl die Zöliakie/Sprue durch das Gutachten von Dr. S vom 10.9.2010 und den Befundbericht von Dr. K vom 30.5.2010 eindeutig belegt sei. Wegen der Zöliakie/Sprue bestehe schon deshalb kein Anspruch, weil sie der Klägerin während des streitgegenständlichen Zeitraums nicht bekannt gewesen sei und eine durch sie veranlasste besondere und kostenaufwändige Ernährung nicht stattgefunden habe. Die rückwirkende Anerkennung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II komme nicht in Betracht. Eine krankheitsangemessene besondere Ernährung könne nicht für die Vergangenheit nachgeholt werden. Der Umstand, dass die Klägerin wegen ihrer gesundheitlichen Leiden auf ihre Ernährung geachtet und höherpreisige Lebensmittel konsumiert habe, begründe keinen Mehrbedarf. Die Ernährungsweise der Klägerin sei in der strittigen Zeit nicht auf ihre Erkrankung abgestimmt gewesen, weil zu dieser Zeit noch keine zutreffende Krankheitsdiagnose vorgelegen habe und die Besserung der Symptome erst eingetreten sei, als sie, ernährungsmedizinisch geschult, später zu speziell glutenfreier Kost übergegangen sei. Wegen der Eisenmangelanämie, an der die Klägerin leide und bereits im streitgegenständlichen Zeitraum gelitten habe, habe keine Notwendigkeit einer besonderen, kostenaufwändigen Ernährung bestanden.

4

Mit ihrer Revision macht die Klägerin die Verletzung von § 21 Abs 5 SGB II geltend. Ein Mehrbedarfsanspruch bestehe auch dann, wenn der Leistungsberechtigte zwar keine Kenntnis von der konkreten Krankheit habe, sich aber aufgrund krankheitsbedingter Beschwerden kostenaufwändiger ernähre und erst später eine Krankheit diagnostiziert werde, deren Heilung bzw Linderung der damit einhergehenden Beschwerden eine kostenaufwändige Ernährung erfordere. Der Wortlaut der Norm setze keine subjektive Kenntnis des Leistungsberechtigten von der den Mehrbedarf auslösenden Erkrankung im Zeitpunkt der Antragstellung voraus. Es sei allein sein objektiver Gesundheitszustand maßgeblich und daher auch die erst nach Antragstellung erkannte Krankheit anspruchsauslösend. Die Argumentation des LSG, dass die krankheitsbedingte Ernährung nicht nachgeholt werden könne, gehe fehl, da bei ihr - der Klägerin - ernährungsbedingte Kosten aufgelaufen seien. Sie habe nicht nur eine Vollwert-Diät-Kost eingehalten, sondern sich auch eiweißhaltig, eisen- und vitaminreich ernährt und aufgrund der andauernden Beschwerden verschiedenste kostenaufwändige Diäten eingehalten. Da der Regelsatz an der untersten Schwelle des Existenzminimums angesiedelt sei und demzufolge jegliche Mehrbelastung der Leistungsberechtigten zu einer Unterschreitung des Existenzminimums führe, müsse auch eine fälschlicherweise, aber nachvollziehbar angenommene Belastung ausgeglichen werden. Die Kausalität zwischen der Zöliakie/Sprue und der eingehaltenen kostenaufwändigen Ernährung habe vorgelegen, da diese Erkrankung letztlich für ihre Beschwerden im streitigen Bewilligungszeitraum verantwortlich gewesen sei. Die Unsicherheit, aufgrund welcher Erkrankung letztlich ein ernährungsbedingter Mehrbedarf vorliege, könne nicht zu Lasten des Leistungsberechtigten gehen. Bei Vorlage eines ärztlichen Attestes, in dem eine bestimmte Erkrankung genannt werde, die nicht in den Mehrbedarfsempfehlungen 2008 enthalten ist, sei der Leistungsträger zur weiteren Amtsermittlung durch individuelle Begutachtung sowohl bezüglich der Erkrankung als auch des durch sie ausgelösten Ernährungsbedarfs und dessen Kosten verpflichtet.

5

Die Klägerin beantragt,
 das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 16. Dezember 2011 zurückzuweisen.

6

Der Beklagte beantragt,
 die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat zu Recht auf die Berufung des beklagten Jobcenters das Urteil des SG geändert und die Klage insgesamt abgewiesen, denn die Klägerin hat für den strittigen Zeitraum keinen Anspruch auf höheres Alg II wegen eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II.

8

Prozessrechtliche Hindernisse stehen einer Entscheidung nicht entgegen. Die Klägerin hat zu Recht eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 22.9.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2009 erhoben, weil der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Mehrbedarf nach §§ 19, 21 Abs 5 SGB II(in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Modernisierung des Arbeitsmarktes vom 24.12.2003, BGBl I 2954, zuletzt geändert durch Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2.3.2009, BGBl I 416; im Folgenden SGB II aF) kein eigenständiger Streitgegenstand im Rahmen der Bewilligung von Alg II ist (stRspr: BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290-295 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 12; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48-57 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 9; BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - RdNr 11 f).

9

1. Rechtsgrundlagen für den von der Klägerin geltend gemachten und vom LSG verneinten Anspruch auf höheres Alg II aufgrund eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung sind § 19 Satz 1, §§ 7, 21 Abs 5 SGB II aF. Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

10

Zwar erfüllte die Klägerin im streitigen Zeitraum vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 die Grundvoraussetzungen nach § 7 SGB II, um Leistungen nach dem SGB II zu erhalten, auch hatte sie rechtzeitig einen Fortzahlungsantrag auf Alg II gemäß § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II aF gestellt, jedoch sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs 5 SGB II aF für einen Anspruch auf Mehrbedarf nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG nicht gegeben, wie sich aus dem Zusammenhang des Mehrbedarfs mit dem Regelbedarf(dazu 2.) und den Voraussetzungen des Mehrbedarfs im Einzelnen (dazu 3.) ergibt.

11

Nach § 21 Abs 5 SGB II aF erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Die seit dem 1.1.2011 geltende Neufassung des § 21 Abs 5 SGB II, nach der bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt wird, beinhaltet, wie sich aus dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung ergibt, keine inhaltliche Änderung, sondern nur eine redaktionelle Anpassung(BT-Drucks 17/3404 S 97).

12

2. Die Konkretisierung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II muss im Zusammenhang mit § 20 SGB II erfolgen, der den Regelbedarf, früher Regelleistung, in Form einer pauschalierten Leistung vorsieht. Denn § 20 SGB II umfasst die für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wesentlichen und üblichen Bedarfslagen und Bedürfnisse des täglichen Lebens, wie sich aus der nicht abschließenden Aufzählung in seinem Abs 1 - "insbesondere" Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, einen Teil der Haushaltsenergie sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens - ergibt. Grundlage für die Ermittlung der regelbedarfsrelevanten Anteile der einzelnen Bedarfsabteilungen und damit der Höhe des Regelbedarfs insgesamt sind die statistisch ermittelten Ausgaben und das Verbrauchsverhalten von Haushalten in unteren Einkommensgruppen auf der Datengrundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Die typisierend anerkannten Bedarfe gelten mit den in den Absätzen 2 bis 3 (aF) bzw bis 4 (nF) vorgesehenen Pauschalen als befriedigt (vgl § 3 Abs 3 Halbs 2 SGB II). Die Typisierung von existenzsichernden Bedarfen sowie deren Deckung durch einen pauschalen Festbetrag ist vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als verfassungskonform bestätigt worden (vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 41 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175, RdNr 205).

13

Der notwendige Bedarf für Ernährung ist als ein Teil dieses Regelbedarfs typisierend zuerkannt worden, wobei von der Deckung der laufenden Kosten eines typischen Leistungsberechtigten im Rahmen eines soziokulturellen Existenzminimums für eine ausreichende ausgewogene Ernährung im Sinne einer ausreichenden Zufuhr von Proteinen, Fetten, Kohlehydraten, Mineralstoffen und Vitaminen ausgegangen wurde (vgl Saitzek in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 20 RdNr 44; Busse in MEDSACH 2009, 142, 142; Adolph in Adolph/Linhart, SGB II/SGB XII, Stand 8/2013, § 21 RdNr 56). Damit gilt im Ergebnis eine Vollkosternährung als vom Regelbedarf gedeckt, weil es sich hierbei um eine ausgewogene Ernährungsweise handelt, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nimmt (vgl Mehrbedarfsempfehlungen 2008, S 19, auf die das BVerfG in seinem Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 31 BvL 3/09, 1 BvL 41 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 RdNr 152 verweist; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 25, 26; Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 2014, § 21 SGB II RdNr 34; von Boetticher/Münder in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 21 RdNr 24).

14

Nach dem Ziel der Pauschalierung soll der Leistungsberechtigte über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen eigenverantwortlich entscheiden (vgl § 20 Abs 1 S 4 SGB II nF sowie zur alten Rechtslage bereits § 1 Abs 2 S 1 SGB II aF)und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen ausgleichen, was ihm auch zumutbar ist (vgl BVerfG, aaO). Zudem ist es dem Leistungsberechtigten zumutbar, in unregelmäßigen Abständen entstehende Bedarfe - zB für Bekleidung, langlebige Gebrauchsgüter usw - vom Regelbedarf zu decken (vgl hierzu nun ausdrücklich § 20 Abs 1 S 4 SGB II nF) und dies bei seinem individuellen Verbrauchsverhalten, zB durch Ansparungen, zu berücksichtigen.

15

Da § 20 SGB II keine im Einzelfall abweichende Bedarfsermittlung und -festsetzung zulässt, soll nach § 21 SGB II für bestimmte, laufende, aufgrund besonderer Lebensumstände bestehende Bedarfe, die nicht (ggf ausreichend) vom Regelbedarf abgedeckt sind, Zugang zu zusätzlichen Leistungen eröffnet werden(§ 21 Abs 1 SGB II; BT-Drucks 15/1516 S 57). Als einer dieser Mehrbedarfe soll der wegen kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen nach § 21 Abs 5 SGB II helfen, im Hinblick auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums eine Ernährung zu finanzieren, mit der der Verlauf einer (bestehenden) gesundheitlichen Beeinträchtigung durch Abmilderung von deren Folgen, Verhinderung oder Hinauszögern einer Verschlechterung oder deren (drohenden) Eintretens beeinflusst werden kann(vgl BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 20; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 52).

16

3. Unter Berücksichtigung dieses Zusammenhangs setzt der Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB II zunächst eine erwerbsfähige, hilfebedürftige - heute eine leistungsberechtigte - Person voraus(vgl für Sozialgeldbezieher § 28 SGB II aF bzw § 19 Abs 1 Satz 2, 3, § 23 SGB II nF), was nach dem oben Gesagten vorliegend erfüllt ist. Weitere Voraussetzungen sind medizinische Gründe, womit gesundheitliche Beeinträchtigungen gemeint sind (dazu a), eine kostenaufwändige Ernährung (dazu b), ein Ursachenzusammenhang zwischen den medizinischen Gründen und der kostenaufwändigen Ernährung (dazu c), ohne dass es auf deren Einhaltung ankommt (dazu d); hinzu kommt die Kenntnis der betreffenden Person von diesem medizinisch bedingten besonderen Ernährungsbedürfnis, die im Unterschied zu den zuvor genannten anderen Voraussetzungen hier fehlte (dazu e) (vgl zu den ersten Voraussetzungen: BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 17 bis 20; Behrend in jurisPK-SGB II, Online-Ausgabe, § 21 RdNr 55, Stand Einzelkommentierung 11/2013; von Boetticher/Münder in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 21 RdNr 24; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 52; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 5/2011, K § 21 RdNr 60; O. Loose in Hohm, GK-SGB II, Stand 11/2009, § 21 RdNr 34; Busse, MEDSACH 2009, 142).

17

a) Die Voraussetzung "medizinische Gründe" lag vor, weil die bei der Klägerin nach den bindenden Feststellungen des LSG im streitgegenständlichen Zeitraum bestehende Eisenmangelanämie eine Krankheit ist und damit eine gesundheitliche Beeinträchtigung iS des § 21 Abs 5 SGB II gegeben war. Hinsichtlich der Zöliakie/Sprue hat das LSG keine klaren Feststellungen getroffen, ist aber davon ausgegangen, dass diese Erkrankung zwar unerkannt war, aber "anscheinend tatsächlich" bei der Klägerin im streitigen Zeitraum vorhanden war. Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits zur Aufklärung dieser Frage scheidet aus, weil die Entscheidung des LSG sich im Hinblick auf die Verneinung der Voraussetzung "Kenntnis" als zutreffend erweist (vgl § 170 Abs 1 Satz 2 SGG). Für die Prüfung der weiteren Voraussetzungen ist aber zugunsten der Klägerin vom objektiven Vorliegen auch dieser Erkrankung im strittigen Zeitraum auszugehen.

18

b) Eine glutenfreie Ernährung - als hier in Betracht kommende, besondere Kostform - ist, wie die Klägerin zu Recht geltend macht, eine kostenaufwändige Ernährung iS des § 21 Abs 5 SGB II, für eine Vollkosternährung gilt dies aber nicht(siehe oben 2.).

19

Ausgehend von der Konkretisierung des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung in Relation zum Regelbedarf ist kostenaufwändiger iS des § 21 Abs 5 SGB II eine Ernährung, die von dem im Regelbedarf umfassten typisierten Bedarf abweicht und von diesem nicht gedeckt ist(so im Ergebnis auch BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12). Da die Vollkosternährung vom Regelbedarf gedeckt ist, besteht eine kostenaufwändige Ernährung iS des § 21 Abs 5 SGB II grundsätzlich nur bei einer besonderen, von der Vollkost abweichenden Ernährung(sform). Dass eine glutenfreie Kost eine solche kostenaufwändige Ernährung ist, folgt aus den Mehrbedarfsempfehlungen 2008. Bei diesen handelt es sich zwar nicht um ein antizipiertes Sachverständigengutachten, das normähnlich angewandt werden kann, sie können jedoch als Orientierungshilfe herangezogen werden, von der fachlich begründet abgewichen werden darf (vgl ausführlich BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14 RdNr 18 ff; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15 RdNr 16; von Boetticher/Münder in Münder-LPK, SGB II, 5. Aufl 2013, § 21 RdNr 25; Herold-Tews in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl 2011, § 21 RdNr 30; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 57). Anhaltspunkte für eine Abweichung sind vorliegend nicht zu erkennen.

20

Eine andere in Betracht kommende kostenaufwändigere Ernährung der Klägerin als eine glutenfreie hat das LSG nicht festgestellt. Es hat lediglich ausgeführt, dass die Klägerin wegen gesundheitlicher Leiden auf ihre Ernährung geachtet und höherpreisige Lebensmittel konsumiert habe. Dies beinhaltet jedoch nicht die Feststellung einer besonderen, von der Vollkosternährung abweichenden Ernährung. Aufklärungsrügen wurden von der Klägerin im Revisionsverfahren nicht erhoben. Aus dem Vorbringen der Revision, der Beklagte habe seine Amtsermittlungspflichten verletzt, folgt nichts anderes, weil es nicht Aufgabe des Jobcenters ist, der leistungsberechtigten Person Kenntnis von ihrem konkreten Ernährungsbedarf zu verschaffen.

21

c) Der Ursachenzusammenhang zwischen einer Zöliakie/Sprue und einer glutenfreien Ernährung ergibt sich aus den Feststellungen des LSG, die ihrerseits auf den Mehrbedarfsempfehlungen 2008 beruhen.

22

Diese aus dem Wortlaut der Norm ("aus ... Gründen") folgende und in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 15/1516 S 57) bestätigte Voraussetzung des Ursachenzusammenhangs ist - wie auch sonst im Sozialrecht - nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilen (vgl zB BSG Urteil vom 9.5.2012 - B 5 R 68/11 R - SozR 4-2600 § 43 Nr 18; BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 14/06 R - SozR 4-4100 § 128 Nr 6; zusammenfassend BSG Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 17 ff) und muss zwischen einem medizinischen Grund und der besonderen, kostenaufwändigen Ernährung bestehen (BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 16; Behrend in jurisPK-SGB II, Online-Ausgabe, § 21 RdNr 64.1, Stand Einzelkommentierung 11/2013; O. Loose in Hohm, GK-SGB II, Stand 11/2009, § 21 RdNr 34).

23

d) Die tatsächliche Einhaltung einer solchen Ernährung oder ggf der Nachweis tatsächlicher Mehraufwendungen seitens des Anspruchstellers ist keine Anspruchsvoraussetzung. Auch wenn § 21 Abs 5 SGB II anders als die übrigen in den Absätzen 2 bis 4 und 7 geregelten typisierten Mehrbedarfe keine prozentual am Regelbedarf orientierte pauschalierte Höhe des Mehrbedarfs vorsieht(so auch Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 2014, § 21 SGB II RdNr 29; Gerenkamp in Mergler/Zink, SGB II, Band 2, Stand April 2013, § 21 RdNr 6; O. Loose in Hohm-GK-SGB II, Stand 7/2012, § 21 RdNr 3), hat der Gesetzgeber das Erfordernis eines zweckentsprechenden Einsatzes der konkreten Leistung in § 21 SGB II nicht normiert, obwohl ihm die Möglichkeit einer solchen Regelung bekannt war(vgl § 29 Abs 4 SGB II nF, § 24a S 4 SGB II aF).

24

Vielmehr sind die bislang geprüften Voraussetzungen des § 21 Abs 5 SGB II bereits beim Vorliegen der objektiven Bedarfslage erfüllt, zumal das Jobcenter im Entscheidungszeitpunkt vor oder bei Beginn des Bewilligungsabschnittes allein die objektive Bedarfslage beurteilen kann und nicht auch die Frage, ob tatsächlich - in dem in der Zukunft liegenden Bewilligungsabschnitt - eine kostenaufwändige Ernährung durchgeführt werden wird. Bei einer Entscheidung über einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum kann nichts anderes gelten, wenn die mit der Antragstellung begehrte Leistung rechtswidrigerweise abgelehnt wurde, der Leistungsberechtigte innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Rechtsbehelf eingelegt und sich im Rechtsbehelfsverfahren der Mehrbedarf bestätigt hat, er mithin bis dahin bereits wegen fehlender Geldmittel nicht gedeckt werden konnte. Zwar kann bei einer durch das Gericht nach Ablauf des streitgegenständlichen Bewilligungsabschnitts und damit den Leistungsträger nachträglich verpflichtenden Gewährung des Mehrbedarfs dessen Zweck nicht mehr erreicht werden, da die besondere Ernährung für diesen Zeitraum nicht mehr nachholbar und damit auch die Einflussnahme auf die gesundheitliche Beeinträchtigung nicht mehr möglich ist (vgl LSG Hamburg Urteil vom 27.6.2013 - L 4 AS 287/10 - Juris RdNr 23; Hessisches LSG Urteil vom 21.3.2013 - L 6 AS 665/10 - Juris RdNr 30). In diesen Fällen ist aber dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Grundgesetz) Vorrang zu geben, da andernfalls der Sozialleistungsträger durch unberechtigtes Bestreiten des Anspruchs den Beginn der Leistung oder gar den ab Antragstellung entstandenen Anspruch vereiteln könnte und so die Einklagbarkeit abgelehnter Leistungen nicht effektiv wäre (vgl bereits BVerwG Urteil vom 14.9.1972 - V C 62.72, V B 35.72 - BVerwGE 40, 343; BVerwG Urteil vom 30.4.1992 - 5 C 12/87 - BVerwGE 90, 154). Die Entscheidung des 8. Senats des BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R (BSGE 104, 213 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20, RdNr 17) steht hierzu nicht im Widerspruch, weil diese im Kontext der Anwendbarkeit von § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch im Sozialhilferecht zu sehen ist.

25

e) Der Anspruch der Klägerin scheitert daran, dass sie nach den unangegriffenen und für den Senat bindenden Feststellungen des LSG im streitgegenständlichen Zeitraum bis zum 31.3.2010 keine Kenntnis von ihrem Bedarf an glutenfreier und damit kostenaufwändiger Ernährung hatte.

26

Zwar ist dem Wortlaut des § 21 Abs 5 SGB II nicht ausdrücklich die Kenntnis der betreffenden Person von ihrem objektiv bestehenden und medizinisch begründeten besonderen Ernährungsbedarf zu entnehmen, diese weitere Voraussetzung folgt jedoch aus dem subjektive Elemente beinhaltenden Wort "bedürfen", der Zusammenschau mit den anderen Mehrbedarfen und den Sonderbedarfen sowie dem Sinn und Zweck des ernährungsbedingten Mehrbedarfs.

27

Wie sich aus dem Wortlaut des § 21 Abs 5 SGB II ergibt, muss die betreffende Person der kostenaufwändigen Ernährung "bedürfen". Dieses Tatbestandsmerkmal knüpft zunächst an eine objektive Bedarfslage an, die sich aus einer wertenden Berücksichtigung des aktuellen Stands der jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklung zur Sicherung des physischen Existenzminimums ergibt und daran orientiert, was hiernach als notwendig betrachtet wird, wie etwa das Ersetzen von allergenhaltigen durch allergenfreie Nahrungsmittel oder der ersatzlose Verzicht auf allergenhaltige Nahrungsmittel. Diese Wertungen fließen in der Bundesrepublik Deutschland aktuell etwa in die vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge zusammen mit Ernährungsmedizinern erarbeiteten Mehrbedarfsempfehlungen 2008 ein, nach denen bei einer Zöliakie/Sprue eine glutenfreie, spezielle Kost notwendig ist. Darüber hinaus enthält der Begriff des "Bedürfens" auch ein subjektives Element, das auf die Handlungsnotwendigkeiten des jeweiligen Anspruchstellers verweist.

28

Für die Mehrbedarfe nach § 21 Abs 2 bis 4 SGB II und § 21 Abs 6 und 7 SGB II nF hingegen ist allein die objektive Bedarfslage anspruchsauslösend, da lediglich an den objektiven Umstand der Schwangerschaft(Abs 2), des Zusammenlebens mit und die Alleinerziehung von minderjährigen Kindern (Abs 3), der Erbringung bestimmter Leistungen für erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte (Abs 4), des im Einzelfall unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfes (Abs 6) und der Warmwassererzeugung durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen (Abs 7) als Tatbestandsvoraussetzung angeknüpft wird. Gleiches gilt für die Sonderbedarfe in Form der Einmalleistungen nach § 23 Abs 3 SGB II aF(Erstausstattungen und mehrtägige Klassenfahrten) bzw § 24 Abs 3 SGB II nF(Erstausstattungen und Anschaffung/Reparatur orthopädischer Schuhe, Reparatur/Miete von therapeutischen Geräten, Reparatur von therapeutischen Ausrüstungen) und die Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 28 SGB II nF. Hiervon grenzt sich § 21 Abs 5 SGB II ab, in dem er nicht allein auf den "Bedarf" für kostenaufwändige Ernährung abstellt, sondern auch darauf, dass die betreffenden Personen dieser Ernährung "bedürfen", womit auf ein subjektives Element abgestellt wird.

29

Im Gegensatz zu Leistungsberechtigten mit den zuvor genannten objektiv bestehenden Bedarfslagen muss der gesundheitlich beeinträchtigten Person der objektiv bestehende besondere, jedenfalls von der ausgewogenen Ernährung in Form der Vollkost und damit vom Regelbedarf abweichende Ernährungsbedarf bekannt sein. Ohne Kenntnis des Zusammenhangs zwischen den gesundheitlichen Einschränkungen und einer bestimmten Ernährungsempfehlung, also der bedarfsauslösenden Umstände, besteht kein "Bedürfnis" der Person, eine besondere Kostform einzuhalten und hierfür höhere Beträge als im Regelbedarf eingepreist aufzuwenden, weil sie um die Handlungsnotwendigkeiten nicht weiß, der zu folgen der Mehrbedarf ermöglichen soll. Dies erfordert kein Wissen des Leistungsberechtigten um die genaue medizinische Ursache im Sinne einer zutreffenden Diagnose, wohl aber um die aus medizinischen Gründen einzuhaltende besondere - zB glutenfreie - Ernährung. Der Sinn und Zweck des Mehrbedarfsanspruchs würde leer laufen, wenn dem Leistungsberechtigten trotz fehlender Kenntnis seines objektiv bestehenden besonderen medizinisch begründeten Ernährungsbedarfs die Mehrbedarfsleistung gewährt würde, weil die bezweckte Möglichkeit, auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch eine besondere Ernährung Einfluss zu nehmen und damit den objektiven Bedarf zu decken, bei fehlender Kenntnis nicht umgesetzt werden kann.

30

Dass der Klägerin in der strittigen Zeit vom 1.10.2009 bis zum 31.3.2010 nicht bekannt war, dass sie an Zöliakie/Sprue litt, hat das LSG ausführlich begründet unter Hinweis auf die eingeholten ärztlichen Unterlagen, einschließlich des Gutachtens von Dr. S vom 10.9.2010, sowie die mündliche Anhörung der Klägerin vor dem Senat. Von Seiten der Klägerin wurden insofern keine Rügen erhoben.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Januar 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Freiburg zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.10.2010 bis 31.3.2011 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung wegen einer Laktoseintoleranz.

2

Bei der 1998 geborenen Klägerin, die mit ihrer 1970 geborenen Mutter in einer Wohnung lebt und wie diese Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezieht, besteht eine Laktoseintoleranz. Am 27.12.2010 beantragte sie unter Vorlage eines ärztlichen Attests beim beklagten Jobcenter die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung. Sie dürfe wegen der Laktoseintoleranz Milch und Milchprodukte nicht bzw nur in sehr kleinen Mengen zu sich nehmen und sei auf laktosefreie Diätnahrung angewiesen, die teurer sei als normale Milchprodukte. Der Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die angegebene Krankheit keinen nach § 21 Abs 5 SGB II unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts darstelle und nicht im Katalog der Mehrbedarfe für eine kostenaufwändige Ernährung enthalten sei. Bei einer Laktoseintoleranz seien laktosehaltige Nahrungsmittel zu meiden oder zu reduzieren, wodurch keine gravierend höheren Kosten entstünden (Bescheid vom 7.1.2011; Widerspruchsbescheid vom 2.3.2011).

3

Hiergegen haben die Klägerin und ihre Mutter Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben und geltend gemacht, die Laktoseintoleranz führe zu höheren Kosten für Ernährung und damit zu einem Anspruch auf die Gewährung ernährungsbedingten Mehrbedarfs; das SG Bremen beziffere diesen Bedarf auf 53 Euro. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13.1.2012). Die Klage der Mutter sei unzulässig, weil diese durch die Ablehnung nicht beschwert sei. Die Klage der Klägerin sei unbegründet. Sie leide zwar nachgewiesenermaßen an einer Laktoseintoleranz, diese Krankheit bringe jedoch keinen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung mit sich. Der Milchzuckerunverträglichkeit könne durch die Vermeidung von laktosehaltiger Kost begegnet werden. Alle anderen Grundnahrungsmittel könnten konsumiert werden. Als Orientierungshilfe für einen etwaigen Mehrbedarf seien die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge vom 1.10.2008 heranzuziehen. Dort werde ein Mehrbedarf für Erkrankungen, die keiner spezifischen Diät, sondern sogenannter Vollkost bedürften, verneint. Etwas anderes gelte nur für die aufgeführten verzehrenden Erkrankungen. Damit sei die Laktoseunverträglichkeit nicht vergleichbar, es handele sich um eine weit verbreitete Lebensmittelunverträglichkeit, bei der lediglich auf ausreichende Zufuhr von Kalzium durch andere Lebensmittel geachtet werden müsse. Im Übrigen böten wegen der weiten Verbreitung der Erkrankung auch viele Discounter zu günstigen Preisen laktosefreie Milchprodukte an. Die Klägerin habe keine Besonderheiten, insbesondere auch keine von den Empfehlungen abweichende Bedarfe substanziiert geltend gemacht, weshalb von weiteren Ermittlungen vorliegend abgesehen werden könne. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass die Klägerin minderjährig sei, denn die Regelsätze für Kinder und Jugendliche seien bei der Neuberechnung der Regelsätze auf der Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 neu ermittelt und kinderspezifische Bedarfe berücksichtigt worden. Damit sei für den vorliegend einschlägigen Zeitraum auch für Kinder und Jugendliche eine verlässliche Bezugsgröße vorhanden.

4

Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision macht nur noch die Klägerin eine Verletzung von § 21 Abs 5 SGB II geltend. Das SG habe die Klage aufgrund unzutreffender tatsächlicher Annahmen abgewiesen. Es handele sich hier ausnahmsweise um Tatsachen, die der Beurteilung des Revisionsgerichts unterlägen. Die unzutreffenden tatbestandlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts hinsichtlich der Frage, ob die Ernährung mit laktosefreier Kost kostenaufwändiger sei als laktosehaltige Nahrung, beruhe zwar auf verfahrensfehlerhafter Ermittlung, die vorliegend nicht gerügt werden könne. Allerdings seien die Mehrkosten am Nahrungsmittelmarkt keine individuelle Tatsache, sondern eine Rechtstatsache, die für die Auslegung, dh die Bestimmung des Inhalts des § 21 Abs 5 SGB II benötigt werde, weshalb die unzutreffenden Feststellungen des SG in Bezug auf die Kosten laktosefreier Ernährung der revisionsgerichtlichen Kontrolle nicht entzogen seien.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Januar 2012 und den Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. März 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. März 2011 höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen medizinisch erforderlicher kostenaufwändiger Ernährung zu gewähren.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält das Urteil des SG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Sprungrevision ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des SG und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz > ) begründet. Soweit die Klägerin die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.10.2010 bis 31.3.2011 geltend macht, kann auf Grundlage der Feststellungen des SG nicht abschließend entschieden werden, ob ihr ein weitergehender Anspruch zusteht.

9

1. Streitgegenstand im Revisionsverfahren ist noch das Begehren der Klägerin, für die Zeit vom 1.10.2010 bis zum 31.3.2011 höheres Sozialgeld zu erhalten. Ihre Mutter hat die von ihr ursprünglich eingelegte Revision zurückgenommen. Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung, auf den sie ihr Begehren in der Sache stützt, kann entgegen der Auffassung des SG nicht in zulässiger Weise zum isolierten Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens bestimmt werden. Zudem kann eine ablehnende Entscheidung hinsichtlich eines bestimmten Bedarfs wegen der in § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II vorgeschriebenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für zukünftige Bewilligungsabschnitte entfalten(vgl nur BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R - BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, RdNr 14 f mwN). Dem hat die Klägerin Rechnung getragen und im Revisionsverfahren höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen besonders kostenaufwändiger Ernährung allein noch für den Zeitraum vom 1.10.2010 bis 31.3.2011 beantragt. Offen bleiben kann, ob auch unter Neufassung der §§ 19 bis 22 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz) vom 24.3.2011 (BGBl I 453) zum 1.1.2011 die Höhe von Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung weiterhin in prozessual zulässiger Weise getrennt von der Höhe der Leistungen für Regelbedarfe und Mehrbedarfe geltend gemacht werden kann; für eine solche Einschränkung gibt der Vortrag der Klägerin keinen Anhalt.

10

Gegenstand des Verfahrens sind neben dem Bescheid vom 7.1.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2.3.2011 auch die Bewilligungsbescheide, die für die Klägerin die Höhe des Sozialgelds im streitigen Bewilligungszeitraum regeln. Neben dem Bescheid, der zum 1.10.2010 ergangen ist, ist auch ein ggf mit Inkrafttreten des RBEG zum 1.1.2011 ergangener Änderungsbescheid für die Zeit vom 1.1.2011 bis zum 31.3.2011 Gegenstand des Verfahrens geworden. Das SG wird diese Bescheide, die bislang nicht aktenkundig sind, in seine Prüfung einzubeziehen haben. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Klägerin den Mehrbedarf zwar erst am 27.12.2010 beim Beklagten geltend gemacht hat, sich aus ihrem weitergehenden Vortrag aber ergibt, dass dieser aus ihrer Sicht seit Oktober 2010 bestanden hat. Da ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nicht nur auf gesonderten Antrag hin gewährt wird (vgl nur Urteil des Senats vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 14 mwN),ist vom SG zu überprüfen, ob im Zeitpunkt der Geltendmachung des Bedarfs bereits bestandskräftig gewordene Bescheide unter dem Blickwinkel der §§ 44, 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch zu ändern sind.

11

2. Die Revision ist auch im Übrigen zulässig. Mit ihrer Rüge, das SG sei fehlerhaft zu dem Schluss gekommen, bei einer Laktoseintoleranz handele es sich nicht um eine Erkrankung, die einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung auslösen könne, macht die Klägerin nicht nur einen Verfahrensmangel geltend. Sie behauptet damit zwar auch, das SG habe den Sachverhalt im Einzelfall, nämlich bezogen auf die Auswirkungen der Erkrankung bei ihr, nicht zutreffend ermittelt (§ 103 SGG; zur Verpflichtung zur Amtsermittlung im Hinblick auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB II vgl BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14 RdNr 17). Mit einer solchen Rüge ist sie im Fall der Sprungrevision ausgeschlossen (vgl § 161 Abs 4 SGG). Sie hat aber ausreichend iS des § 164 Abs 2 SGG dargelegt, dass sich die Feststellungen des SG zu den ernährungsbedingten Einschränkungen wegen einer Laktoseintoleranz nicht auf den Einzelfall beschränkten, sondern vom Gericht (unzutreffend) als generelle Tatsachen (Rechtstatsachen) aufgrund des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes bei der Anwendung von § 21 Abs 5 SGB II unterstellt worden seien. Verstöße gegen das Prozessrecht (hier die unzureichende Aufklärung des Sachverhalts nach § 103 SGG), die sich nur als prozessuale Konsequenz aus der fehlerhaften Anwendung des materiellen Rechts ergeben, bleiben auch mit der Sprungrevision rügbar(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 161 RdNr 10b; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX. Kap, RdNr 344). Ob die dabei von der Klägerin aufgeworfenen Fragen zum ernährungsbedingten Mehrbedarf wegen Laktoseintoleranz angesichts der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu anderen Erkrankungen (dazu sogleich) noch grundsätzliche Bedeutung haben, kann dahin stehen, denn der Senat ist an die Zulassung der Sprungrevision durch das SG gebunden.

12

3. Nach § 21 Abs 5 SGB II erhalten Leistungsberechtigte, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Voraussetzung für den Rechtsanspruch auf einen Mehrbedarf ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine besondere Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher ("aufwändiger") sind als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist (vgl BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10 RdNr 21; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 100/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 12 RdNr 16; BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14 RdNr 15, jeweils mwN). Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder einer drohenden Erkrankung oder Behinderung und der Notwendigkeit einer besonderen Ernährung vorliegen und diese besondere "Krankenkost" muss gegenüber der in der Bevölkerung üblichen, im Regelbedarf zum Ausdruck kommenden Ernährung kostenaufwändiger sein.

13

a) Die bei der Klägerin festgestellte Laktoseintoleranz (vgl ICD-10-GM E73) stellt eine gesundheitliche Beeinträchtigung iS des § 21 Abs 5 SGB II, nämlich eine Krankheit im Sinne eines regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustands dar. Unerheblich für den Begriff der gesundheitlichen Störung ist die Frage, wie verbreitet dieser krankhafte Zustand in der Bevölkerung ist, solange es sich um einen für sich genommen regelwidrigen Zustand handelt. Die von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem SG angesprochene weite Verbreitung der Laktoseintoleranz (insbesondere in asiatischen Ländern) kann allenfalls Anlass für die Prüfung geben, ob und in welchen Fällen durch die gesundheitliche Beeinträchtigung und das damit medizinisch begründete besondere Ernährungsbedürfnis auch höhere Kosten anfallen.

14

b) Ob die bei der Klägerin bestehende Laktoseintoleranz ein besonderes, medizinisch begründetes Ernährungsbedürfnis mit sich bringt, lässt sich auf Grundlage der Feststellungen des SG nicht beurteilen. Die Annahme des SG, eine Laktoseintoleranz begründe von vornherein keinen Mehrbedarf, weil lediglich bestimmte Nahrungsmittel vermieden und durch andere, vom Regelbedarf abgedeckte Grundnahrungsmittel ersetzt werden müssten, vermengt die bereits dargestellten Prüfungsschritte in unzutreffender Weise mit einander; insoweit hat das SG die Maßstäbe des § 21 Abs 5 SGB II verkannt.

15

Wie die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate bereits entschieden haben, haben die Gerichte einen streitig gebliebenen krankheitsbedingten Mehrbedarf im Einzelfall aufzuklären (so bereits BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 32/06 R - BSGE 100, 83 = SozR 4-4200 § 20 Nr 6 und BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/11b AS 3/07 R; vgl zur Laktoseintoleranz auch BSG Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R - Juris RdNr 24). Dazu ist zunächst zu überprüfen, welches besondere Ernährungsbedürfnis medizinisch, dh durch die Erkrankung, begründet ist. Insbesondere wenn ein besonderes Ernährungsbedürfnis abhängig von der Schwere der Erkrankung ausgelöst wird, sind die Erfordernisse an die besondere Ernährung im jeweiligen Einzelfall zu überprüfen. Erst wenn feststeht, welches medizinisch begründete Ernährungsbedürfnis im Einzelfall besteht, kommt es darauf an, ob hierdurch auch höhere Kosten entstehen (dazu unter c). Die erforderlichen Prüfungsschritte wird das SG nach Zurückverweisung ausgehend von dem vorgelegten Attest nachzuholen haben.

16

Bei der Prüfung eines besonderen, medizinisch begründeten Ernährungsbedürfnisses lässt nicht schon die fehlende Auflistung der entsprechenden Erkrankung in den Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 1.10.2008 ( Mehrbedarfsempfehlungen 2008) den Schluss zu, dass es sich nicht um eine Erkrankung handelt, die einen Mehrbedarf auslösen kann. Der Senat schließt sich der Auffassung des 4. Senats an, wonach die Mehrbedarfsempfehlungen 2008 weder nach ihrer Konzeption noch nach ihrer Entstehungsgeschichte die Anforderungen an antizipierte Sachverständigengutachten erfüllen, die von den Gerichten in normähnlicher Weise angewandt werden könnten (vgl BSG Urteil vom 22.11.2011 - B 4 AS 138/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 14). Wenn weit verbreitete Erkrankungen wie die Laktoseintoleranz in den Mehrbedarfsempfehlungen 2008 nicht genannt sind, kann dieser Umstand damit nur eine Orientierungshilfe sein, die den Umfang der Ermittlungen im Einzelfall steuert.

17

c) Auch wegen der Kosten, die aus einem besonderen, medizinisch begründeten Ernährungsbedürfnis entstehen, stellt § 21 Abs 5 SGB II erkennbar auf die Umstände des Einzelfalles ab. Dies lässt sich schon daraus ersehen, dass - abweichend von den in § 21 Abs 1 bis 4 SGB II genannten Fallgruppen eines Mehrbedarfs - keine Pauschalen für die entstehenden Bedarfe normiert sind. Im Anwendungsbereich des § 21 Abs 5 SGB II sind deshalb Fälle kaum denkbar, in denen sich für eine bestimmte Erkrankung, die - wie die Laktoseintoleranz - Einfluss auf die Ernährung haben, ein besonderer Kostenaufwand abschließend als generelle Tatsache (Rechtstatsache) mit Gültigkeit für jeden Einzelfall verneinen lässt(vgl bereits BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10). Ohnehin lassen die Ausführungen des SG, eine Laktoseintoleranz sei in allen denkbaren Fällen ohne höheren Kostenaufwand zu kompensieren, in keiner Weise erkennen, worauf es diese Schlussfolgerung stützt. Für das von ihm genannte Gutachten eines "Prof. Dr. H." lässt sich eine Quelle nicht finden; auch im Übrigen lassen sich die von dem SG getroffenen Schlüsse nicht auf allgemeinkundige Tatsachen zurückführen. Zwar ist denkbar, dass mit zunehmendem Alter eines Kindes sich Nahrungsmittel, die Milchzucker enthalten, besser vermeiden lassen. Je weiter außerdem eine Erkrankung, die eine besondere Ernährung erfordert, verbreitet ist, umso mehr wird dies das Ernährungsverhalten der gesamten Bevölkerung beeinflussen. Dies mag zu günstigeren Preisen für Ersatz- oder Ergänzungsnahrungsmittel (wie etwa die vom SG genannten laktosefreien Milchprodukte) führen und - sofern ein bestimmtes Ernährungsverhalten allgemein üblich wird - ggf auch die Höhe des Regelbedarfs mitbestimmen. Ob der Klägerin im Einzelfall nicht gleichwohl ein Mehrbedarf zusteht, lässt sich aber allein mit solchen Annahmen nicht ausschließen.

18

Das SG wird außerdem über die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu entscheiden haben.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. September 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit stehen höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) unter Berücksichtigung von Krankenbehandlungskosten, die in den Selbstbehalt der privaten Krankenversicherung (PKV) der Klägerin gefallen sind.

2

Die 1978 geborene, bis zur krankheitsbedingten Berufsaufgabe selbstständig tätig gewesene Klägerin ist privat krankenversichert. Zunächst unterhielt sie einen Krankenversicherungsvertrag mit jährlichen Selbstbehalten von 750 Euro (2010) bzw 800 Euro (2011) bei monatlichen Beiträgen von 130,09 Euro (2010) bzw 165,70 Euro (2011) sowie zusätzlichen Beiträgen für die private Pflegeversicherung (PPV) von 19,69 Euro (2010) bzw 19,47 Euro (2011). 2012 wechselte sie in den Basistarif mit reduziertem Beitrag während der Dauer des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II ohne Selbstbeteiligung, wofür monatliche Gesamtbeiträge von 307,19 Euro anfielen.

3

Nach stationärer Krankenhausaufnahme im Juli 2010 beantragte die Klägerin Ende Juli 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Einschluss der Beiträge zur PKV und PPV. Im September 2010 legte sie ergänzend Rechnungen über medizinische Versorgungen aus 2010 vor, die aufgrund des Selbstbehalts nicht erstattet worden waren, und beantragte deren Übernahme in Höhe von 750 Euro.

4

Das beklagte Jobcenter bewilligte für den Zeitraum vom 1.8.2010 bis 31.1.2011 (unter Hinweis auf das ungeklärte Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit vorläufig) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Einschluss des Zuschusses zur PKV und PPV in Höhe von zuletzt monatlich 1059,32 Euro bzw 1099,93 Euro (1.8.2010 bis 31.12.2010: Regelleistung 359 Euro, Unterkunft und Heizung 550,76 Euro, Krankenversicherung 129,87 Euro, Pflegeversicherung 19,69 Euro, Bescheid vom 1.9.2010 und zuletzt Änderungsbescheid vom 11.5.2011; 1.1. bis 31.1.2011: Regelleistung 364 Euro, Unterkunft und Heizung 550,76 Euro, Krankenversicherung 165,70 Euro, Pflegeversicherung 19,47 Euro, Bescheid vom 1.9.2010 und zuletzt Änderungsbescheid vom 11.5.2011). Die Übernahme von Behandlungskosten lehnte es dagegen ab, weil der Eigenanteil zur PKV von der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht umfasst sei (Bescheid vom 9.9.2010 mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2010 und Bescheid vom 2.11.2011). Übernommen würden bei einem Wechsel in den Basistarif die tatsächlichen Kosten bis zu einem Betrag von 287,72 Euro, jedoch sei "zu überlegen, wie wirtschaftlich der Wechsel in den Basistarif ist" (Schreiben vom 9.12.2011).

5

Die Klage auf Gewährung weiterer Leistungen in Höhe von 427 Euro für anteiligen Selbstbehalt im Jahr 2010 sowie von 800 Euro für Januar 2011 ist erfolglos geblieben (Urteile des Sozialgerichts vom 20.6.2012 und des Landessozialgerichts vom 26.9.2013): Ansprüche nach § 26 Abs 2 SGB II bestünden nicht, weil die geltend gemachten Beträge keine Beiträge zur PKV, sondern Kosten seien, für die kein Kostenerstattungsanspruch bestehe. Ansprüchen nach § 21 Abs 6 Satz 1 SGB II stünde entgegen, dass der sich aus dem Selbstbehalt ergebende Bedarf nicht unabweisbar sei. Die Wahl eines Tarifs mit Selbstbehalt beruhe auf einem Gestaltungsrecht der Klägerin und könne durch einen Wechsel in den Basistarif ohne Selbstbehalt jederzeit geändert werden. Wegen der Vergleichbarkeit der Leistungen mit denen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei ein solcher Wechsel auch dann zumutbar, wenn damit im Einzelfall Leistungsverschlechterungen verbunden seien.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Aus § 26 SGB II ergebe sich nicht, dass damit nur der reguläre monatliche Krankenversicherungsbeitrag gemeint sei. Nach § 12 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) habe der Grundsicherungsträger den Beitrag zu zahlen, der auch für Bezieher von Arbeitslosengeld II (Alg II) in der GKV aufzubringen sei. Wie er sich zusammensetze, also als Zuschuss in einer Summe oder zusammengesetzt aus einem niedrigen Versicherungsbeitrag und einem weiteren Beitrag bei Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen, sei nicht vorgegeben. Im Hinblick auf ihre schwere Erkrankung sei es für sie vorteilhaft gewesen, einen qualitativ besser ausgestalteten Versicherungsschutz in der PKV zu haben.

7

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. September 2013 und des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Juni 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 11. Mai 2011 zu verurteilen, sie hinsichtlich Krankenbehandlungskosten von 427,00 Euro für 2010 und von 800,00 Euro für Januar 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

8

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Ob der Klägerin Anspruch auf höheres Alg II wegen ungedeckter Krankenversorgungskosten zusteht, kann nach den Feststellungen des LSG nicht abschließend entschieden werden. Zutreffend ist es zwar davon ausgegangen, dass solche Aufwendungen keine Beiträge iS von § 26 SGB II darstellen(dazu unter 2.). Jedoch kommt eine Berücksichtigung bis zur Höhe des entsprechenden Aufwands in der GKV als Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB II übergangsweise bis zu dem Zeitpunkt in Betracht, zu dem die Klägerin nach Beratung durch den Beklagten über die Möglichkeit eines Wechsels in den PKV-Basistarif und über die Folgen eines Verbleibs im Selbstbehaltstarif erstmals in den Basistarif wechseln konnte(dazu unter 3.). Ob eine solche Beratung erfolgt ist und die geltend gemachten Kosten in der GKV ebenso angefallen wären, kann den Feststellungen des LSG nicht entnommen werden, weshalb der Rechtsstreit zurückzuverweisen ist.

10

1. Gegenstand des Verfahrens ist (nur noch) der Bescheid vom 11.5.2011, mit dem der Beklagte während des schon laufenden Klageverfahrens nochmals (aber weiterhin vorläufig) eine vollständige Regelung über den Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.8.2010 bis 31.1.2011 getroffen und dabei die Übernahme der streitbefangenen Behandlungskosten wiederum abgelehnt hat. Dadurch ist der Bescheid vom 1.9.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2010 als ursprünglicher Klagegegenstand seinem Inhalt nach ungeachtet der Bezeichnung als "Änderungsbescheid" vollständig ersetzt worden (§ 39 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) und der Bescheid vom 11.5.2011 alleiniger Verfahrensgegenstand geworden (§ 96 Abs 1 SGG), was vom Revisionsgericht als Prozessvoraussetzung von Amts wegen zu beachten ist, obwohl das Berufungsgericht Feststellungen zum Inhalt dieses Bescheides nicht getroffen hat (zur Prüfung in der Revisionsinstanz fortwirkender Sachentscheidungsvoraussetzungen vgl nur Bundessozialgericht Urteil vom 29.6.1995 - 11 RAr 57/94 - BSGE 76, 178, 180 = SozR 3-4100 § 58 Nr 7 S 30).

11

Zu entscheiden ist darüber im Hinblick auf die Vorläufigkeit der im Streit stehenden Bewilligung im Wege der Verpflichtungsklage auf Erlass eines neuen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (vgl BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 139/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 38 RdNr 16 mwN), dem Betrag nach begrenzt durch den erstinstanzlich gestellten Antrag, für das Jahr 2010 weitere 427 Euro und das Jahr 2011 weitere 800 Euro an Leistungen zu erhalten. Nicht Streitgegenstand ist dagegen nach dem Klagevorbringen die Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung, die von der Klägerin nicht infrage gestellt werden; insofern handelt es sich nach der Rechtsprechung des BSG bei den Verfügungen in Bezug auf die Regelleistung einerseits und die Unterkunfts- sowie Heizkosten andererseits um abtrennbare Verfügungen (zuletzt dazu zur alten und neuen Rechtslage BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78, RdNr 11 mwN).

12

Eine weitergehende Begrenzung des Streitgegenstands auf einzelne Alg II-Bestandteile findet hingegen nicht statt. Insbesondere ist der Streitstoff nicht auf die Krankenbehandlungskosten der Klägerin beschränkt. Vielmehr bildet sowohl der hier in Betracht zu ziehende Anspruch auf Leistungen nach § 21 Abs 6 SGB II ebenso wie der Anspruch auf einen Zuschuss nach § 26 SGB II nach der Rechtsprechung des BSG keinen eigenständigen und von der Höhe der Regelleistung (ab 1.1.2011: Regelbedarf) abtrennbaren Streitgegenstand (zu § 21 Abs 6 SGB II: BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 21 Nr 18 vorgesehen, RdNr 12; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 21 Nr 19 vorgesehen, RdNr 10; zu § 26 SGB II: BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R - BSGE 107, 217 = SozR 4-4200 § 26 Nr 1, RdNr 13 mwN; BSG Urteil vom 16.10.2012 - B 14 AS 11/12 R - SozR 4-4200 § 26 Nr 3 RdNr 10).

13

2. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass sich der Zuschuss zum Versicherungsbeitrag bei PKV nach § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II(hier in der am 1.1.2009 in Kraft getretenen und bis zum 31.3.2011 fortgeltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378; im Folgenden: § 26 Abs 2 Nr 1 SGB II aF)nicht auf Aufwendungen zur medizinischen Versorgung erstreckt, die in den Selbstbehalt von SGB II-Leistungsbeziehern fallen.

14

a) Soweit Bezieher von Alg II nicht versicherungspflichtig in der GKV sind - wie die Klägerin wegen ihres Status als PKV-Versicherte vor dem Alg II-Bezug (§ 5 Abs 5a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, hier idF des GKV-WSG) - und auch nicht familienversichert sind, sondern für den Fall der Krankheit Versicherungsschutz bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen unterhalten, richten sich ihre Ansprüche zur Krankenversorgung seit Inkrafttreten des GKV-WSG gemäß § 26 Abs 2 Nr 1 SGB II aF nach dem VAG in der ab dem 1.1.2009 geltenden Fassung des GKV-WSG. Demgemäß "gilt" in solchen Fällen § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG, wonach als Teil der in § 12 VAG getroffenen Vorschriften zur substitutiven Krankenversicherung Ansprüche ua gegenüber den SGB II-Trägern für den Fall begründet sind, dass SGB II-Leistungsbezieher die Mittel auch für einen nach § 12 Abs 1c VAG reduzierten Versicherungsbeitrag nicht selbst aufbringen können.

15

Hiernach bestimmt zunächst § 12 Abs 1a VAG(ebenfalls eingefügt durch das GKV-WSG), dass Versicherungsunternehmen mit Sitz im Inland, welche eine substitutive Krankenversicherung betreiben (Verweis auf § 12 Abs 1 Satz 1 Halbs 1 VAG idF des GKV-WSG), einen branchenweit einheitlichen Basistarif anzubieten haben, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe den gesetzlich vorgegebenen GKV-Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB V jeweils vergleichbar sind. Dessen Beitragshöhe ist durch § 12 Abs 1c Satz 1 VAG bei einem Basistarif ohne Selbstbehalt und in allen Selbstbehaltsstufen dahin begrenzt, dass er den Höchstbeitrag der GKV nicht übersteigen darf. Zusätzlich vermindert er sich für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte, wenn allein durch die Zahlung des Beitrags ua nach § 12 Abs 1c Satz 1 VAG Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) entsteht(§ 12 Abs 1c Satz 4 Halbs 1 VAG). Besteht gleichwohl auch bei einem danach verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII, beteiligt sich der zuständige Träger nach dem SGB II oder SGB XII auf Antrag des Versicherten im erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird (§ 12 Abs 1c Satz 5 Halbs 1 VAG). Besteht hingegen Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II oder SGB XII unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags, ist zunächst die entsprechende Geltung von Satz 4 angeordnet (§ 12 Abs 1c Satz 6 Halbs 1 VAG). Sodann heißt es weiter: Der zuständige Träger zahlt den "Betrag", der auch für einen Bezieher von Alg II in der GKV zu tragen ist (§ 12 Abs 1c Satz 6 Halbs 2 VAG).

16

b) Maßgebend für den hiernach von dem SGB II-Träger zu zahlenden "Betrag" ist schon nach Wortlaut und Systematik ausschließlich der Beitrag, den die hiernach anspruchsberechtigten Alg II-Bezieher ihrem Versicherungsunternehmen zu entrichten haben. Grundsicherungsrechtlich verweist darauf bereits die amtliche Überschrift von § 26 SGB II, wonach die Regelung seit der Änderung durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706, im Folgenden: GSiFoG) Ansprüche auf einen Zuschuss zu Versicherungs"beiträgen" begründet (vgl Art 1 Nr 1 Buchst d) GSiFoG). Ebenso knüpfen die gestaffelten Rechtsfolgen, auf die § 26 Abs 2 Nr 1 SGB II aF verweist, gemäß § 12 Abs 1c Satz 4 und 6 VAG an die Höhe (ausschließlich) des PKV-Beitrags und die Möglichkeit an, ihn trotz Hilfebedürftigkeit aufbringen zu können. So werden die hier nach § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II aF ua einschlägigen Ansprüche im Fall von § 12 Abs 1c Satz 5 VAG nur ausgelöst, wenn auch bei einem nach § 12 Abs 1c Satz 4 VAG auf die Hälfte des Basistarifs reduzierten Beitrag weiterhin Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII besteht. Entsprechend richten sie sich darauf, dass sich der zuständige Träger im erforderlichen Umfang "beteiligt" (§ 12 Abs 1c Satz 5 Halbs 2 VAG), also den die Hilfebedürftigkeit auslösenden Teil des herabgesetzten Beitrags zahlt. Nicht anders kann vor diesem Hintergrund schon sprachlich der Bezugspunkt von § 12 Abs 1c Satz 6 VAG verstanden werden, der die Gruppe der Hilfebedürftigen betrifft, bei denen "unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags" Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II oder SGB XII besteht. Das bestätigen schließlich auch die Materialien, wonach die Regelungen von § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG sicherstellen sollen, dass die Betroffenen durch die Zahlung des "Beitrags" zur PKV nicht überfordert werden(vgl BT-Drucks 16/3100 S 207).

17

c) In diese Richtung weist auch die Rechtsentwicklung von § 26 SGB II bis zur Neufassung durch das GKV-WSG. Bis dahin war der Anspruch auf SGB II-Leistungen bei PKV in § 26 SGB II selbst geregelt, nämlich in dessen Abs 2 Satz 1 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl 2954). Danach erhielten Bezieher von Alg II, die ua nach § 8 Abs 1 Nr 1a SGB V(in der durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt eingeführten und durch das GKV-WSG insoweit geänderten Fassung) von der Versicherungspflicht befreit waren, "einen Zuschuss zu den Beiträgen, die für die Dauer des Leistungsbezugs für eine Versicherung gegen Krankheit oder Pflegebedürftigkeit an ein privates Krankenversicherungsunternehmen gezahlt werden". Dieser Anspruch ist nach den Materialien nur deshalb aus dem SGB II herausgelöst worden, damit die Leistungen bei Hilfebedürftigkeit im Zusammenhang mit dem PKV-Basistarif aus Gründen der Rechtsklarheit im VAG konzentriert sind (vgl BT-Drucks 16/4247 S 60). Dass damit abweichend von der bis dahin geltenden Rechtslage ein Anspruch auf einen Zuschuss bei PKV auch für Aufwendungen im Rahmen von Selbstbehalten begründet werden sollte, kann danach nicht angenommen werden. Im Gegenteil verdeutlicht die frühere Regelung, dass der Zuschuss zur PKV nach § 26 Abs 2 Nr 1 SGB II aF iVm § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG nur zu erbringen ist im Hinblick auf den Beitrag, den Bezieher von Alg II (unmittelbar) an ein privates Krankenversicherungsunternehmen zu zahlen haben.

18

d) Bestätigt wird dies schließlich zuletzt durch die weitere Rechtsentwicklung mit der zum 1.4.2012 in § 26 SGB II eingefügten Neuregelung des Abs 4(idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011, BGBl I 3057). Hiernach gilt seither, dass der nunmehr in § 26 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II(idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453; im Folgenden: RBEG) verankerte, ansonsten aber inhaltlich unveränderte Zuschuss zur PKV "an das Versicherungsunternehmen zu zahlen ist, bei dem die leistungsberechtigte Person versichert ist". Damit soll ua das Beitragszahlungsverfahren bei privat krankenversicherten Leistungsbeziehenden nach dem SGB II vereinfacht werden (vgl BT-Drucks 17/7991 S 15 zu Nr 2). Das verdeutlicht ebenfalls, dass § 26 SGB II in der ansonsten unveränderten gesetzlichen Konzeption eine Rechtsgrundlage ausschließlich für die Beteiligung der SGB II-Träger an Versicherungsbeiträgen bildet, nicht hingegen für die Tragung von Krankenversorgungskosten im Rahmen vertraglich vereinbarter Selbstbehalte.

19

3. Selbstbehaltskosten bilden allerdings bis zum Zeitpunkt eines möglichen Wechsels in den PKV-Basistarif nach Beratung des Grundsicherungsträgers über diese Möglichkeit und die Folgen eines Verbleibs im Selbstbehaltstarif bis zur Höhe eines entsprechenden Aufwands in der GKV übergangsweise einen Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB II.

20

a) Nach § 21 Abs 6 SGB II(für den Zeitraum vom 1.8.2010 bis 31.12.2010 idF des Gesetzes zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 27.5.2010, BGBl I 671; ab dem 1.1.2011 inhaltlich deckungsgleich idF des RBEG) gilt in der Fassung seit dem 1.1.2011: Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht (Satz 1). Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (Satz 2). So liegt es bei den im Streit stehenden Kosten der medizinischen Versorgung ausnahmsweise, solange es an einer ausreichenden Beratung des zuständigen Grundsicherungsträgers über die Möglichkeiten des Wechsels in den PKV-Basistarif gefehlt hat und der Wechsel deshalb zunächst unterblieben ist (dazu unter c) bis e) und soweit in der GKV Kosten in entsprechender Höhe angefallen wären (dazu unter f).

21

b) Grundsätzlich allerdings sind in einen Selbstbehalt fallende Kosten der medizinischen Versorgung nach dem mit der Einführung des PKV-Basistarifs verfolgten Regelungskonzept ab dem Zeitpunkt nicht mehr iS von § 21 Abs 6 SGB II unabweisbar, ab dem einem privat krankenversicherten Leistungsberechtigten der Wechsel in den PKV-Basistarif ohne Selbstbehalt zumutbar möglich ist; jedenfalls insoweit ist dem LSG zu folgen.

22

Mit der Einführung des Härtefallmehrbedarfs ist der Gesetzgeber nach Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) getroffenen Vorgabe nachgekommen, im SGB II selbst sicherzustellen, dass auch in atypischen Bedarfslagen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erbracht werden (vgl BT-Drucks 17/1465 S 8). Damit soll gewährleistet werden, dass über die typisierten Mehrbedarfe nach § 21 Abs 2 bis 5 SGB II hinaus und jenseits der Möglichkeit, vorübergehende Spitzen besonderen Bedarfs durch ein Darlehen aufzufangen, solche Bedarfe im System des SGB II gedeckt werden, die entweder der Art oder der Höhe nach bei der Bemessung des Regelbedarfs nicht berücksichtigt sind(BVerfG ebenda, RdNr 207 f).

23

Eine solche atypische Bedarfslage bildet die Belastung mit Krankenbehandlungskosten, die wegen eines Selbstbehalts nicht von der PKV getragen werden, dauerhaft nicht. Atypische Umstände im Sinne der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 können nur bei Bedarfen bestehen, die nach dem SGB II in der Gesamtheit seiner Regelungen nicht zu decken sind (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 207). So verhält es sich bei den Kosten der medizinischen Versorgung privat Krankenversicherter grundsätzlich ebenso wenig wie bei gesetzlich Krankenversicherten (vgl hierzu aus der Rspr des erkennenden Senats BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R - BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, RdNr 23 f; aus der des 4. Senats BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 16 sowie vorgesehen für BSGE, RdNr 22). Flankiert von den dargelegten (vgl oben unter 2. a) Vorschriften zur Herabsetzung und Tragung der Beitragslast bei Hilfebedürftigkeit im Sinne von SGB II oder SGB XII zielt das Regelungskonzept des SGB II vielmehr seit der Neuausrichtung durch das GKV-WSG in nicht zu beanstandender Weise darauf, nicht gesetzlich Krankenversicherten die notwendige und mit dem Versorgungsniveau in der GKV übereinstimmende medizinische Versorgung im Rahmen des Basistarifs in der PKV nach denselben Bedingungen grundsätzlich kostenfrei (von der in der GKV vorgegebenen Selbstbeteiligung also abgesehen) zu gewährleisten wie GKV-Versicherten.

24

Eine atypische Lage derart, dass ohne Inanspruchnahme medizinischer Hilfe auf eigene Kosten eine Beeinträchtigung des vom menschenwürdigen Existenzminimum aus Art 1 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm Art 20 Abs 1 GG umfassten Anspruchs auf eine ausreichende medizinische Versorgung (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 135; BSG Urteil vom 22.4.2008 - B 1 KR 10/07 R - BSGE 100, 221 = SozR 4-2500 § 62 Nr 6, RdNr 31; BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R - BSGE 107, 217 = SozR 4-4200 § 26 Nr 1, RdNr 33) drohen könnte, ist unter diesen Umständen bei einem Wechsel in den PKV-Basistarif ohne Selbstbehalt ausgeschlossen (ebenso Krauß in Hauck/Noftz, SGB II K § 26, RdNr 78, Stand Mai 2014); und zwar entgegen ihrer Auffassung auch bei Krankheitsbildern wie dem der Klägerin, denn den gebotenen Standard muss auch die GKV gewährleisten (vgl zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen insoweit nur BVerfG Beschluss vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5). Demgemäß hat der erkennende Senat bereits darauf erkannt, dass Alg II-Beziehern der Wechsel in den PKV-Basistarif zumutbar ist (BSG Urteil vom 16.10.2012 - B 14 AS 11/12 R - SozR 4-4200 § 26 Nr 3 RdNr 24).

25

c) Diese Rechtslage zutreffend einzuschätzen und deshalb schon aus eigener Initiative in einen PKV-Basistarif ohne Selbstbeteiligung zu wechseln, ist von den Betroffenen beim erstmaligen Angewiesensein auf existenzsichernde Leistungen indes regelmäßig nicht zu verlangen; diese vom LSG unausgesprochen zugrunde gelegte Annahme teilt der erkennende Senat nicht. Dagegen spricht bereits, dass der Verbleib im Selbstbehaltstarif aus Sicht von Alg II-Beziehern vielfach auch für den Grundsicherungsträger wirtschaftlicher erscheinen wird als der Übergang in den Basistarif (darauf zutreffend ebenso verweisend Krauß in Hauck/Noftz, SGB II K § 26, RdNr 78, Stand Mai 2014). Das zeigt sich deutlich auch hier: Denn während sich die monatlichen Belastungen der Klägerin in den Jahren 2010 und 2011 selbst bei voller Ausschöpfung der Selbstbehalte im Krankheitsfall aus Versicherungsbeiträgen (130,09 Euro bzw 165,70 Euro) und anteiligem monatlichem Selbstbehalt (62,50 Euro bzw 66,67 Euro) nur auf 192,59 Euro bzw 232,37 Euro beliefen, musste sie 2012 für den hälftigen Basistarif 287,72 Euro aufbringen, worauf nicht zuletzt der Beklagte mit Schreiben vom 9.12.2011 hingewiesen und dadurch mittelbar selbst Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Wechsels in den PKV-Basistarif geweckt hatte.

26

Weitere Unsicherheiten können sich aus der Frage ergeben, ob der regelmäßig höhere hälftige Beitrag im Basistarif bei einem Wechsel in diesen Tarif vom Grundsicherungsträger voll übernommen werden wird und der Wechsel deshalb eine Versorgung auf GKV-Niveau ohne eigene Mehrkosten gewährleistet. Zwar steht das nach der Rechtsprechung des BSG nunmehr fest (vgl BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R - BSGE 107, 217 = SozR 4-4200 § 26 Nr 1; dem folgend BSG Urteil vom 16.10.2012 - B 14 AS 11/12 R - SozR 4-4200 § 26 Nr 3 RdNr 22). Dass diese Kenntnis vorausgesetzt und Betroffenen deshalb schon aus eigenem Antrieb eine Änderung ihres Krankenversicherungsschutzes zugemutet werden kann, kann indes angesichts der schwer überschaubaren Rechtslage mit ihren Verweisen vom SGB II auf das VAG und von dort auf das SGB V sowie das Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) kaum angenommen werden (vgl zur Wendung "der zuständige Träger zahlt den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist" in § 12 Abs 1c Satz 6 Halbs 2 AVG und der hierdurch bewirkten Inbezugnahme von SGB V sowie SGB IV nur Krauß, ebenda RdNr 72 ff und RdNr 53).

27

d) Diese Kenntnislücke zu füllen, obliegt vielmehr dem zuständigen Grundsicherungsträger. Ihm erwächst auch insoweit aus dem Sozialrechtsverhältnis (§ 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) zwischen den Hilfebedürftigen und den Leistungsträgern eine Verpflichtung zu Beratung und Hilfestellung, wie sie der erkennende Senat bereits in verschiedener Hinsicht angenommen hat (BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 53 RdNr 17 ff; BSG Urteil vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - RdNr 27). Denn solange sich den Betroffenen nicht aufdrängt, dass der Wechsel in den Basistarif vom Gesetzgeber trotz uU höherer Beitragslasten im Hinblick auf die damit verbundene Entlastung des Verwaltungsaufwands erwünscht ist und auch die höheren Beiträge voll übernommen werden, sind sie auf eine hinreichende Belehrung der Träger angewiesen, die sie in die Lage versetzt, Mehrkosten der medizinischen Versorgung zu vermeiden (zutreffend Krauß in Hauck/Noftz, SGB II K § 26, RdNr 78, Stand Mai 2014). Dies gilt umso mehr, als die Schutzlücke für die Träger bei Antragstellung regelmäßig ohne Weiteres erkennbar ist - wie im Fall hier auch - und die Absicherung von Krankheitsrisiken elementare Schutzbedürfnisse betrifft, sodass Beratungspflichten ohnehin in gesteigerter Weise bestehen.

28

e) Solange es an einer solchen Beratung fehlt und ein Wechsel in den Basistarif daher (und nicht aus anderen Gründen, wie bei der Klägerin uU wegen erwarteter Versorgungsvorteile im ursprünglichen Tarif) noch unterblieben ist, bilden die wegen eines fortbestehenden Selbstbehalts in der PKV ungedeckten Kosten der medizinischen Versorgung einen besonderen Bedarf iS von § 21 Abs 6 SGB II. Prägend für ihn ist nach der Rechtsprechung des BSG, dass eine andere, weitergehende Bedarfslage vorliegt als bei typischen Empfängern von Grundsicherungsleistungen (vgl BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 18 RdNr 20, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, in Fortführung der Ausgangsentscheidung des 7b Senats vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 22; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - RdNr 16, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 27/14 R - RdNr 17 zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Es muss daher ein Mehrbedarf im Verhältnis zum "normalen" Regelbedarf gegeben sein (BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - RdNr 16, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, mwN).

29

Ein solcher Mehrbedarf fällt an bei der Belastung durch Kosten der Krankheitsversorgung, die in der GKV oder nach einem Wechsel in den PKV-Basistarif vergleichbar nicht bestünden. Ohne Bedeutung dafür ist, ob dieser Bedarf nach der gesetzlichen Konzeption schon im Ansatz nicht bestehen dürfte oder ob er entstanden ist, weil der Grundsicherungsträger einer ihm obliegenden Beratungspflicht nicht nachgekommen ist und der Leistungsberechtigte daher von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Kostenentlastung (noch) keinen Gebrauch gemacht hat. Denn auch unter diesen Umständen ist der Zugang zu der gesetzlich vorgesehenen Form der Gesundheitsversorgung im Rahmen des Existenzminimums aus Gründen versperrt, die von dem Leistungsberechtigten nicht zu vertreten sind.

30

In dieser aus Sicht der gesetzlichen Konzeption ebenfalls atypischen Lage besteht ein Mehrbedarfsanspruch nach § 21 Abs 6 SGB II, soweit die übrigen Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen. Fehlt es nämlich an der Beratung über den nach der Vorstellung des Gesetzgebers gegebenen Weg zur ausreichenden medizinischen Versorgung, dann kann einem Leistungsberechtigten nicht zugemutet werden, die Mittel für die dann auf andere Weise zu erlangenden Leistungen zur Krankenbehandlung aus dem Regelbedarf zu bestreiten oder hierfür ein Darlehen aufzunehmen. Insoweit liegt es ähnlich wie bei der Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V, wo die rechtswidrige Leistungsversagung zur ansonsten nicht vorgesehenen Selbstbeschaffung berechtigt und einen Kostenerstattungsanspruch im System der GKV begründet(vgl dazu nur Hauck in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2013, § 13 SGB V RdNr 233 ff). Jedenfalls bei Selbstbeschaffungen über einen Zeitraum von - wie hier - sechs Monaten handelt es sich dabei auch um einen regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen Bedarf (dazu eingehend S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 67 und 68; zur Frage, ob der Mehrbedarf regelmäßig und in kürzeren Abständen auftreten muss, siehe auch von Boetticher/Münder in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 21 RdNr 42 sowie jüngst BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 19, vorgesehen auch für BSGE, RdNr 17).

31

f) Begrenzt ist der Anspruch - vergleichbar auch insoweit der Situation in der GKV - im Hinblick auf das von der Klägerin geltend gemachte Interesse an einer im Vergleich zum GKV-Standard hochwertigeren Behandlung allerdings unter dem Gesichtspunkt der Unabweisbarkeit, wenn und soweit die Abrechnungen eine medizinische Versorgung betreffen, die vom Leistungskatalog des SGB V nicht umfasst war. Insoweit erstreckt sich der Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB II nicht auf Kosten, die auch nach der Konzeption des SGB V von den Versicherten selbst zu tragen sind(so bereits BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - BSGE 115, 77 = SozR 4-4200 § 21 Nr 16, RdNr 26).

32

4. Ob die Klägerin von dem Beklagten über die Möglichkeit eines Wechsels in den Basistarif und die Folgen des Verbleibs in einem Tarif mit Selbstbehalt beraten worden ist und ob die von ihr geltend gemachten Aufwendungen für medizinische Versorgungen angefallen sind, die in der GKV ebenso hätten beansprucht werden können, hat das LSG - nach seinem rechtlichen Standpunkt zu Recht - nicht geprüft, was im wieder eröffneten Berufungsverfahren festzustellen sein wird.

33

Sollte sich dabei ergeben, dass die Klägerin vom Beklagten über die Möglichkeit eines Wechsels in den PKV-Basistarif hinreichend beraten worden ist und/oder einzelne Kosten Versorgungen betreffen, auf die auch in der GKV kein Anspruch bestünde, kann weiter zu prüfen sein, ob danach grundsätzlich von ihr selbst zu tragende Aufwendungen der medizinischen Versorgung ausnahmsweise unter Beachtung der Maßstäbe zu krankheitsbedingten Mehrbedarfen bei GKV-Versicherten zu berücksichtigen sein können. Soweit gesetzlich Krankenversicherte einen Härtefallmehrbedarf wegen gesundheitsbedingter Aufwendungen geltend machen können, die vom Leistungskatalog des SGB V nicht umfasst sind, besteht ein solcher Anspruch für PKV-Versicherte nach Art 3 Abs 1 GG in gleicher Weise. In diese Richtung hat der erkennende Senat einen solchen Anspruch bejaht insbesondere für den Hygienemehrbedarf bei Aids-Erkrankung (BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 3). Der 4. Senat des BSG hat erwogen, dass ein solcher Anspruch bestehen könnte, wenn dem Leistungsberechtigten durch eine medizinisch notwendige Behandlung deswegen regelmäßig Kosten entstehen, weil Leistungen der Krankenversicherung etwa wegen ihres geringen Abgabepreises, aus sonstigen Kostengründen oder aus systematischen/sozialpolitischen Gründen von der Versorgung nach dem SGB V ausgenommen werden (BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 16 sowie vorgesehen für BSGE, RdNr 22).

34

5. Über die Kosten des Revisionsverfahrens wird das LSG ebenfalls zu befinden haben.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. August 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Zeitraum ab dem 18.1. bis 31.5.2010 unter Berücksichtigung eines Anspruchs auf Mehrbedarfsleistungen für Aufwendungen aufgrund einer kieferorthopädischen Behandlung, die nicht durch die gesetzliche Krankenversicherung getragen werden, in Höhe von nunmehr noch 928,11 Euro als Zuschuss.

2

Die 1996 geborene Klägerin, die zwischen dem 1.12.2009 und Ende Mai 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von dem Beklagten bezog (Leistungsbezug insgesamt von 2007 bis Ende Mai 2012), beantragte am 13.1.2010 die Gewährung einer Mehrbedarfsleistung für die Finanzierung einer kieferorthopädischen Behandlung. Die zuständige gesetzliche Krankenkasse hatte am 18.11.2009 eine Kostenzusage auf Grundlage eines Behandlungsplans des behandelnden Kieferorthopäden vom 22.9.2009 in Höhe von zunächst 1783,06 Euro erteilt. Darin enthalten seien alle medizinisch notwendigen Leistungen. Der darüber hinaus zu erbringende 20 prozentige Eigenanteil werde erstattet, wenn der Erfolg der Behandlung nachgewiesen werde. Der Kieferorthopäde erstellte darüber hinaus einen ergänzenden Heil- und Kostenplan (6.10.2009) wegen zusätzlicher Behandlungsmaßnahmen, verbunden mit einem voraussichtlichen weiteren Honorar in Höhe von 871,11 Euro und Labor- und Materialkosten in Höhe von 57 Euro. Ergänzend führte er hierzu am 30.11.2009 aus, dass diese Behandlungsmaßnahmen im Rahmen der geplanten umfassenden kieferorthopädischen Behandlung notwendig seien, jedoch nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst würden. Die Behandlung wurde am 18.1.2010 aufgenommen.

3

Den zunächst von der Klägerin geltend gemachten Betrag von 1079,59 Euro reduzierte sie in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG auf einen Betrag von 928,11 Euro. Auf die darlehensweise Leistungsgewährung für den Eigenanteil in Höhe von 445,77 Euro verzichtete sie niederschriftlich. Zugleich legte die Klägerin Rechnungen des behandelnden Kieferorthopäden vor, betreffend sowohl die Forderungen für seine ergänzenden Behandlungsmaßnahmen, als auch ihren jeweiligen Eigenanteil.

4

Durch Bescheid vom 15.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.2.2010 lehnte der Beklagte die Gewährung einer Mehrbedarfsleistung für die Aufwendungen durch die kieferorthopädische Versorgung ab. Das SG hat die Klage hiergegen durch Gerichtsbescheid vom 7.2.2011 zurückgewiesen. Das Urteil des LSG vom 16.6.2011, mit dem dieses die Berufung als unzulässig verworfen hat, hat das BSG auf die Beschwerde der Klägerin durch Beschluss vom 20.12.2011 aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen (B 4 AS 161/11 B). Das LSG hat die Berufung alsdann durch Urteil vom 9.8.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es an einer Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin mangele. § 21 Abs 6 SGB II scheide insoweit aus, denn es handele sich vorliegend weder um einen laufenden Bedarf, noch sei ein besonderer Bedarf im Sinne dieser Vorschrift gegeben. Schließlich sei der Bedarf auch nicht unabweisbar. Die medizinisch notwendige Versorgung werde von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. Die Klägerin unterfalle den vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegten Indikationsgruppen, sodass die Kostenübernahme bei Beleg des Erfolgs der Behandlung 100 % betrage. So habe die Krankenversicherung im vorliegenden Fall auch eine Kostenzusage erteilt. Die zusätzlichen Leistungen beträfen nur die Qualität der verwendeten Materialien und des Instrumentariums sowie zusätzliche Dienstleistungen, die nicht geeignet erschienen, die Qualität der Maßnahme zu erhöhen. Auch ohne sie wäre die Behandlung erfolgreich durchzuführen gewesen. Anhaltspunkte für eine nur unzureichende Erbringung von Leistungen durch die Krankenversicherung seien im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Der geltend gemachte Anspruch könne auch nicht auf § 73 SGB XII gestützt werden.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, dass es sich hier durchaus um einen laufenden Bedarf handele, denn sie habe mehrfach im Jahr Rechnungen des Kieferorthopäden zu begleichen gehabt. Auch sei der Bedarf, gemessen an dem, was in den Regelsatz für Gesundheitspflege eingestellt worden sei, atypisch. Der Bedarf sei auch unabweisbar, denn es handele sich um medizinisch notwendige Leistungen, die gleichwohl nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst seien. Sie könnten andererseits nicht durch die Regelleistung gedeckt werden. Nur wer über ein hinreichendes Einkommen verfüge, könne derartige Leistungen finanzieren, nicht jedoch derjenige, der Leistungen nach dem SGB II beziehe. Für Gesundheitspflege sei bei der Berechnung des Regelsatzes lediglich ein pauschalierter Bedarfsanteil von 4 % bzw 4,27 % vorgesehen. Dies ergebe einen Betrag von rund 10 Euro monatlich. Im Gegensatz dazu habe die Klägerin durchschnittliche monatliche Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung von 42,37 Euro, wenn man die Gesamtaufwendungen auf 36 Kalendermonate verteile. Die zusätzlichen Kosten seien auch durch die überdurchschnittlichen Schwierigkeiten bei der Umformung des Kiefers der Klägerin bedingt und erforderlich, um einen nachhaltigen Behandlungserfolg sicher zu stellen. Bei Zweifeln an der medizinischen Notwendigkeit hätte das LSG ihrem Antrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens hierzu folgen müssen. Anspruchsgrundlage für die begehrte Leistung sei bis zum Inkrafttreten des § 21 Abs 6 SGB II am 3.6.2010 die Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12).

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. August 2012, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 7. Februar 2011 und den Bescheid des Beklagten vom 15. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2010 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, ihr höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Zuschusses für die Kosten ihrer kieferorthopädischen Behandlung in Höhe von 928,11 Euro zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

10

Der Senat vermochte nicht abschließend darüber zu befinden, ob die Klägerin in dem hier streitigen Bewilligungsabschnitt einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat. Streitgegenstand ist nicht allein eine Leistung für Mehrbedarf durch die kieferorthopädische Behandlung der Klägerin ab dem 18.1.2010. Zu befinden war vielmehr über die Höhe der Regelleistung insgesamt, allerdings ohne Leistungen für Unterkunft und Heizung, im Bewilligungszeitraum ab dem 1.12.2009 bis 31.5.2010. Ob die Klägerin ohne die Mehrbedarfsleistung einen Anspruch auf eine höhere Regelleistung gehabt hätte, kann der Senat in Ermangelung von Feststellungen des LSG hierzu nicht beurteilen. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Mehrbedarfsleistung wegen einer Härte auf Grundlage der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - waren im hier streitigen Zeitraum jedoch nicht gegeben. Der Bedarf durch die Aufwendungen für die ergänzenden kieferorthopädischen Behandlungsmaßnahmen ist nicht unabweisbar.

11

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1.12.2009 bis 31.5.2010 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für die kieferorthopädische Versorgung der Klägerin. Der Beklagte hatte die Regelleistung durch bestandskräftigen Bescheid vom 24.8.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 1.10.2009 für diesen Zeitraum bewilligt und den die Regelleistung erhöhenden Mehrbedarf durch den hier streitbefangenen Bescheid vom 15.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.2.2010 abgelehnt. Der erkennende Senat folgt dem LSG insoweit, als dieses durch seine Eingrenzung des Streitgegenstandes auf Leistungen für Mehrbedarf zum Ausdruck bringt, dass zumindest Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht im Streit stehen (zur Eigenständig- und Abtrennbarkeit der Kosten der Unterkunft als Streitgegenstand für die Zeit vor dem Inkrafttreten des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG zum 1.1.2011, BGBl I 453, vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff; s auch BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11). Die weiteren Regelungen in diesen Bescheiden betreffend die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können jedoch nicht rechtlich zulässig in unterschiedliche Streitgegenstände aufgespalten werden (vgl BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R -, aaO). Dieses gilt auch für eine Leistung für Mehrbedarf, die nach der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist (vgl nur BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 54/08 R - BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 29/09 R - BSGE 105, 279 = SozR 4-1100 Art 1 Nr 7, RdNr 11; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 48/12 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 15, RdNr 9 ff). Ebenso wenig stellt der Anspruch auf eine Leistung nach § 21 Abs 6 SGB II oder soweit hier ein Härtebedarf geltend gemacht wird, nach den Vorgaben der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 204, 220), einen eigenständigen und von der Höhe der Regelleistung abtrennbaren Streitgegenstand dar (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 50/07 R - BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 12). Die Höhe der weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist somit unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu überprüfen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des erkennenden Senats vom 10.9.2013 (B 4 AS 12/13 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 8). Der Senat hat dort die Frage nach der Möglichkeit der selbstständigen Geltendmachung von Mehrbedarfsleistungen nach § 21 Abs 6 SGB II ausdrücklich dahinstehen lassen(BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 12/13 R - RdNr 26), denn er hat einen Anspruch auf Grundlage dieser Vorschrift von vornherein verneint. Die dort begehrte Übernahme der Leihgebühren für ein schulisch genutztes Cello war eine selbstständig geltend zu machende Teilhabeleistung, also ein Streitgegenstand unabhängig von dem Regelbedarfsanspruch. Das Begehren ist insoweit lediglich auf eine weitere Anspruchsgrundlage hin vom Senat untersucht worden.

12

Auch wenn die Klägerin hier einen Gesamtbedarf für die kieferorthopädische Behandlung geltend macht, der sich prognostisch über einen längeren Zeitraum als den im Bescheid vom 24.8.2009 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 1.10.2010 geregelten Bewilligungszeitraum vom 1.12.2009 bis 31.5.2010 erstreckt und der Bescheid des Beklagten vom 15.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.2.2010 keine ausdrückliche Bezugnahme auf einen bestimmten Bewilligungsabschnitt erkennen lässt, sind die weiteren Bewilligungsabschnitte bis zum Ausscheiden der Klägerin aus dem Leistungsbezug hier nicht ebenfalls Gegenstand des Verfahrens geworden. Lediglich sofern der Träger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gänzlich ablehnt, können zulässiger Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens - je nach Klageantrag - Leistungen für den gesamten bis zur Entscheidung verstrichenen Zeitraum sein (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 30). Ist dagegen - wie soeben dargelegt - nur die Höhe der laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts streitig, kann einer Entscheidung des Trägers der Grundsicherung wegen der in § 41 Abs 1 S 4 SGB II vorgesehenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für künftige Bewilligungsabschnitte zukommen(so ausdrücklich zum Mehrbedarf BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 16). Da der Beklagte hier die Erhöhung der Regelleistung durch eine Mehrbedarfsleistung gänzlich abgelehnt hat, bedurfte es aus seiner Sicht auch keiner Entscheidung für weitere Zeiträume. Zu dieser wäre er, ohne die konkrete Höhe oder den Zeitpunkt des Anfalls des geltend gemachten Bedarfs zu kennen und wegen der in § 41 Abs 1 S 4 SGB II vorgesehenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen, auch nicht berechtigt gewesen(vgl hierzu BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 10 RdNr 14). Dies war als Wille der Behörde für einen verständigen Beteiligten auch zu erkennen (BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11). Vernünftigerweise ergibt sich für den Bescheidempfänger in einem solchen Fall, dass eine (ablehnende) Regelung des Beklagten über eine höhere Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung des geltend gemachten Mehrbedarfs nur für solche Bewilligungsabschnitte erfolgt, die im Zeitpunkt der Behördenentscheidung in der Vergangenheit lagen bzw in der Gegenwart liegen.

13

Da die Klägerin im Hinblick auf die Höhe der Regelleistung einschließlich der Mehrbedarfe die Bewilligungsbescheide für die weiteren Abschnitte zudem nicht fristgerecht mit einem Rechtsbehelf angegriffen hat, sind sie nach Aktenlage zumindest bezüglich der Höhe der Regelleistung bestandskräftig geworden (vgl § 77 SGG). Ihre Einbeziehung in das laufende Klage- bzw Berufungsverfahren im Wege der Klageänderung (§ 99 SGG) scheidet daher ebenfalls aus. In zeitlicher Hinsicht kann sich die Leistungsklage der Klägerin damit zulässigerweise nur auf höhere laufende Leistungen für den Bewilligungsabschnitt vom 1.12.2009 bis zum 31.5.2010 ab der geltend gemachten Änderung der Verhältnisse (hier ab dem 18.1.2010) richten.

14

2. Ob der Klägerin in dem streitbefangenen Zeitraum höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zustehen, kann der Senat wegen fehlender Feststellungen des LSG nicht beurteilen. Die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist - wie schon dargelegt - unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 9 mwN). Die Entscheidung des LSG befasst sich jedoch nicht mit anderen Bedarfen der Klägerin als dem Mehrbedarf wegen der Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung, die möglicherweise zu einer Erhöhung des Sozialgeldes nach § 28 Abs 1 S 2 iVm § 19 Abs 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I 2917 mWv 1.1.2009) führen könnten. Feststellungen hierzu wird das LSG im wieder eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

15

3. Einen Anspruch auf eine Mehrbedarfsleistung wegen der Aufwendungen für die ergänzenden kieferorthopädischen Behandlungsmaßnahmen hatte die Klägerin im streitigen Zeitraum jedoch nicht. Als Anspruchsgrundlagen hierfür kommen für den Zeitraum bis zur Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - § 73 SGB XII und danach die Vorgaben des BVerfG in dieser Entscheidung in Betracht(zur Frage der Rückwirkung der Entscheidung des BVerfG s BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 3 RdNr 23).

16

Da der Klägerin jedoch für den Zeitraum vom 18.1.2010 - dem Beginn der kieferorthopädischen Behandlung - bis zum 30.3.2010 unter Zugrundelegung der von ihr in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG vorgelegten Rechnungen keine Aufwendungen durch die ergänzenden Behandlungsmaßnahmen des Kieferorthopäden entstanden sind, konnte der Senat davon absehen, den geltend gemachten Anspruch auf der Grundlage von § 73 SGB XII zu überprüfen. Die beiden Rechnungen vom 23.12.2009 und 31.2.2010 betreffen den Versicherten- oder Eigenanteil, der nicht mehr im Streit steht.

17

Das BVerfG hatte den Gesetzgeber verpflichtet, bis spätestens zum 31.12.2010 eine Regelung im SGB II zu schaffen, die sicherstellt, dass besonderer Bedarf gedeckt wird. Zugleich hat das BVerfG bestimmt, dass die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten, bei denen ein derartiger besonderer Bedarf vorliegt, auch vor der Neuregelung im Hinblick auf den Gewährleistungsanspruch aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG die erforderlichen Sach- oder Geldleistungen erhalten müssen. Deshalb war in der Übergangszeit bis zur Einführung einer entsprechenden Härtefallklausel die verfassungswidrige Lücke für die Zeit ab der Verkündung des Urteils durch eine entsprechende Anordnung zu schließen, mit einem Anspruch zu Lasten des Bundes. Materiell-rechtlich orientiert sich der Anspruch auf eine Mehrbedarfsleistung im Härtefall nach der Entscheidung des BVerfG an den Voraussetzungen des § 73 SGB XII, wie sie in der Rechtsprechung des BSG ihre Ausformung gefunden haben(BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 22; BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 3 RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 11/10 R - SozR 4-4200 § 44 Nr 2 RdNr 16). Das BVerfG konkretisiert den Härtebedarf als einen zur Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen, unabweisbaren Bedarf. Einen derartigen Bedarf hat die Klägerin im Hinblick auf die Aufwendungen durch die ergänzende kieferorthopädische Versorgung - soweit sie nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden - nicht geltend gemacht.

18

Zwar fehlt es in der Entscheidung des LSG an einer umfassenden Feststellung des Zeitpunkts der Entstehung und der Höhe der Bedarfe der Klägerin durch die Aufwendungen für die ergänzende kieferorthopädische Versorgung im Bewilligungszeitraum. Für die Leistungsgewährung reicht - im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin - ein rein prognostischer Bedarf, wie hier aufgrund eines Heil- und Kostenplans für eine für mehrere Jahre geplante Behandlung, nicht. Dass der Bedarf prognostisch auch in Zukunft wiederkehren muss, damit es sich um einen laufenden Bedarf handelt, ändert nichts daran, dass er sich im Zeitpunkt der Leistungsgewährung selbst bereits realisiert haben muss. Dies folgt für die Zeit vor dem Inkrafttreten des § 21 Abs 6 SGB II aus dem Leistungssystem des SGB II und seit dem Inkrafttreten des § 21 Abs 6 SGB II am 3.6.2010 (s Art 4 Abs 2 des Gesetzes zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 27.5.2010, BGBl I 671) ausdrücklich aus dem Wortlaut der Vorschrift. Nach dessen Satz 1 muss der Bedarf bestehen.

19

Im vorliegenden Fall entsteht der Bedarf, der durch SGB II-Leistungen zu decken sein könnte, erst mit den Rechnungsstellungen durch den behandelnden Kieferorthopäden. Die Leistungsberechtigte muss der Forderung tatsächlich ausgesetzt sein; sie darf nicht erst zukünftig entstehen. Dies gilt auch, wenn sie ihre Grundlage in einer vertraglichen Beziehung hat. Nach Aktenlage ist für den hier streitigen Bewilligungszeitraum lediglich erkennbar, dass der Kieferorthopäde am 31.3.2010 gegenüber der Klägerin eine Forderung in Höhe von 133,46 Euro geltend gemacht hat. Daher scheitert der Anspruch auf die begehrte Leistung im vorliegenden Fall nicht bereits daran, dass noch gar kein Bedarf entstanden war.

20

Die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen aus den oben dargelegten Vorgaben des BVerfG sind jedoch nicht erfüllt. Der von der Klägerin geltend gemachte Bedarf ist zumindest nicht unabweisbar. Es kann daher dahinstehen, ob es sich im konkreten Fall um einen laufenden und besonderen Bedarf handelt.

21

Nach der Kodifizierung der Härteleistung durch § 21 Abs 6 SGB II wird Unabweisbarkeit ua als gegeben angesehen, wenn der Bedarf insbesondere nicht durch Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist. Die Voraussetzungen für eine Härteleistung vor der Kodifizierung waren insoweit keine anderen. Die Subsidiarität der Leistungserbringung nach dem SGB II folgt bereits aus § 5 Abs 1 S 1 SGB II. Insbesondere die Leistungen anderer Sozialleistungsträger sind danach zur Bedarfsdeckung in Anspruch zu nehmen. § 3 Abs 3 S 1 Halbs 1 SGB II stellt den allgemeinen Grundsatz auf, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur erbracht werden dürfen, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann, also auch nicht durch den Einsatz eigener Mittel des Leistungsberechtigten oder die Dritter.

22

Unabweisbar im Sinne des Grundsicherungsrechts kann wegen der Subsidiarität dieses Leistungssystems ein medizinischer Bedarf demnach grundsätzlich nur dann sein, wenn nicht die gesetzliche Krankenversicherung oder Dritte zur Leistungserbringung, also zur Bedarfsdeckung, verpflichtet sind (vgl Behrend in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 21 RdNr 111, Stand 12.11.2013; Düring in Gagel, SGB II/SGB III, § 21 SGB II, RdNr 49, Stand 11/2013; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 74; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 21 RdNr 88, Stand 05/2011). Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem Fall, in dem der Ausfall der Bedarfsdeckung durch die gesetzliche Krankenversicherung aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung des Versicherten zur Zuzahlung oder vorläufigen/endgültigen Tragung eines Eigenanteils, wie etwa nach § 29 Abs 2 SGB V für die kieferorthopädische Versorgung, erfolgt und dem Fall, dass dem Leistungsberechtigten durch eine medizinisch notwendige Behandlung deswegen regelmäßig Kosten entstehen, weil Leistungen der Krankenversicherung etwa wegen ihres geringen Abgabepreises, aus sonstigen Kostengründen oder aus systematischen/sozialpolitischen Gründen von der Versorgung nach dem SGB V ausgenommen werden(vgl Behrend in jurisPK-SGB II, aaO, § 21 RdNr 114 ff, Stand 12.11.2013; S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 74). In ersterem Fall sieht § 62 SGB V auch für Bezieher von Alg II eine Zuzahlung bis zur Belastungsgrenze vor und § 29 Abs 2 SGB V fordert den Eigenanteil an der kieferorthopädischen Versorgung als Vorleistung des Versicherten bis zum endgültigen Abschluss der Behandlung ohne Ausnahme. SGB II-Empfänger haben demnach Zuzahlungen und die Vorleistung des Eigenanteils aus dem Regelbedarf zu erbringen. Ob wegen eines ggf über mehrere Jahre zu zahlenden Eigenanteils nach § 29 Abs 2 SGB V SGB II-Leistungen zu erbringen sind - eventuell eine darlehensweise Übernahme des hierfür erforderlichen Betrags(vgl hierzu Scheibe, SozSich 2011, 352, 357 f) -, konnte hier dahinstehen. Der ursprünglich auch geltend gemachte Eigenanteil nach § 29 Abs 2 SGB V ist im vorliegenden Fall nicht mehr streitig. Werden, wie im zweiten Fall, Aufwendungen für eine medizinisch notwendige Behandlung aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, kann grundsätzlich ein Anspruch auf eine Mehrbedarfsleistung entstehen (vgl BSG Urteil vom 6.3.2012 - B 1 KR 24/10 R - BSGE 110, 183 = SozR 4-2500 § 34 Nr 9, Leitsatz 3; s auch BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R - BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, RdNr 24). Unter welchen Voraussetzungen dies zu erfolgen hat, ist bisher noch nicht abschließend geklärt. Jedenfalls scheidet eine Leistungsgewährung aus, wenn der Leistungsberechtigte wegen der Erkrankungen keine Kosten geltend macht, die über das hinausgehen, was für die übrigen Kosten für Gesundheitspflege im Regelbedarf vorgesehen ist (Bagatellgrenze; BSG Urteil vom 26.5.2011, aaO, RdNr 25 - 26) und wenn die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten einer medizinisch notwendigen Behandlung trägt.

23

Vorliegend kann aufgrund der Feststellungen des LSG zwar nicht beurteilt werden, ob die gesetzliche Krankenkasse überhaupt die Übernahme der Kosten für die Behandlungsmaßnahmen aus dem ergänzenden Heil- und Kostenplan abgelehnt hat. Fest steht nur, dass die gesetzliche Krankenversicherung den ihr vorgelegten Behandlungsplan "genehmigt" und auf dessen Grundlage eine Kostenzusage erteilt hat. Ob der ergänzende Heil- und Kostenplan des Kieferorthopäden vom 6.10.2010, der die Grundlage für die hier geltend gemachte Forderung bildet, der gesetzlichen Krankenversicherung vorgelegt worden ist, sodass diese darüber befinden konnte, ob die von dem Kieferorthopäden darin als "medizinisch notwendig" benannten weiteren Behandlungsmaßnahmen im Rahmen der §§ 27, 29 SGB V zu übernehmen gewesen wären, ist fraglich. Die Aussage des Kieferorthopäden im Schreiben vom 30.11.2009, dass die im ergänzenden Behandlungsplan aufgeführten Behandlungsmaßnahmen nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst seien, reicht insoweit nicht aus.

24

An dem Fehlen der Unabweisbarkeit des hier geltend gemachten Bedarfs ändert es jedoch auch nichts, wenn die gesetzliche Krankenkasse ihre Leistungsverpflichtung nach dem SGB V für die Behandlungsmaßnahmen aufgrund des ergänzenden Heil- und Kostenplans verneint hätte. Eine Unabweisbarkeit des Bedarfs könnte nur dann in Betracht zu ziehen sein, wenn das SGB V einen Leistungsausschluss für eine medizinisch notwendige kieferorthopädische Versorgung in der konkreten Fallgestaltung vorsähe. Zwar kennt das SGB V auch bei der kieferorthopädischen Versorgung Leistungsbeschränkungen. Wenn jedoch die gesetzliche Krankenversicherung kieferorthopädische Versorgung erbringt, leistet sie auch die medizinisch notwendige Behandlung. So liegt der Fall hier.

25

Nach § 27 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, also Anspruch auf die medizinisch notwendige Behandlung. Von der durch die gesetzliche Krankenversicherung zu erbringenden kieferorthopädischen Versorgung teilweise oder ganz ausgeschlossen sind nach dem SGB V zwei Fallgruppen. Es sind zum einen die über 18-jährigen und diejenigen, bei denen keine Indikation zur kieferorthopädischen Behandlung gegeben ist. Nach § 28 Abs 2 S 6 und 7 SGB V erhalten Versicherte keine kieferorthopädische Behandlung, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben, es sei denn, bei ihnen liegen schwere Kieferanomalien vor, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen dennoch erfordert (s auch BT-Drucks 12/3608 - Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung, S 79 zu § 28; BSG Urteil vom 9.12.1997 - 1 RK 11/97 - BSGE 81, 245 = SozR 3-2500 § 28 Nr 3). Die Klägerin war zu Beginn der Behandlung noch nicht volljährig, sodass sie insoweit keiner Beschränkung der Versorgung unterlag. Daher bedurfte es hier auch keiner weiteren Ausführungen dazu, ob überhaupt Fallgestaltungen denkbar sind, in denen volljährigen Versicherten Grundsicherungsleistungen zu erbringen wären, weil die notwendige kieferorthopädische medizinische Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung versagt wird. Für minderjährige Versicherte besteht nach § 29 Abs 1 S 1 SGB V ein Anspruch auf kieferorthopädische Versorgung in medizinisch begründeten Indikationsgruppen, die nach § 29 Abs 4 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien gemäß § 92 Abs 1 SGB V befundbezogen festgelegt werden und die objektiv überprüfbar sind. Medizinisch begründete Indikationen zur kieferorthopädischen Behandlung liegen nach § 28 Abs 1 SGB V vor, wenn eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung gegeben ist, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht. Einzuhaltende Standards zur kieferorthopädischen Befunderhebung und Diagnostik werden in den Richtlinien vorgegeben. Zwar trägt die Anspruchsbegründung in Abhängigkeit von den in den Richtlinien näher umschriebenen Indikationen zur kieferorthopädischen Behandlung, insbesondere dem Wirtschaftlichkeitsgebot, Rechnung. Allerdings erfolgt insoweit eine Beschränkung nur, als rein kosmetische Korrekturen von der Leistungspflicht ausgenommen werden (vgl Wagner in Krauskopf, SGB V, § 29 RdNr 9, Stand 09/2013). Von diesen Beschränkungen der Versorgung wird die Klägerin im vorliegenden Fall jedoch nicht erfasst. § 29 Abs 1 S 1 SGB V regelt nur die Beschränkung des "Zugangs" zu einer entsprechenden Behandlung. Dieser ist hier nicht streitig. Die Indikation zur vertragsärztlichen kieferorthopädischen Behandlung der Klägerin ist durch die gesetzliche Krankenkasse anerkannt worden, sodass sie - wie dargelegt - auch die medizinisch notwendige Versorgung iS des § 27 SGB V durch die gesetzliche Krankenversicherung erhält. Damit wird der Bedarf der Klägerin wegen der kieferorthopädischen Behandlung jedoch zugleich auch im Sinne des Grundsicherungsrechts gedeckt.

26

Soweit die Klägerin vorbringt, dass es sich bei den vom Kieferorthopäden darüber hinaus vorgeschlagenen Maßnahmen um medizinisch notwendige handele, sind diese nach den Feststellungen des LSG Mehrleistungen. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass sie medizinisch indiziert sein können. Sie gehen jedoch über die notwendige Versorgung hinaus und sind daher nach der Grundkonzeption des SGB V vom Versicherten selbst zu tragen (Fahlbusch in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 29 RdNr 43; s auch Blöcher in Hauck/Noftz, SGB V, K § 29 RdNr 29, Stand 09/2012; BT-Drucks 11/2237 S 171). Hieraus folgt bereits, dass sie auch nicht durch SGB II-Leistungen zu decken sind. Daher kann die Klägerin ebenfalls nicht damit gehört werden, dass die vom Kieferorthopäden in den Behandlungsplan eingestellten Maßnahmen, die nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst seien, der nachhaltigen Sicherstellung des Behandlungserfolgs dienten und der Notwendigkeit einer Wiederholung der Behandlung im Erwachsenenalter vorbeugten. Dies gilt auch für die Argumentation der Klägerin, die über die gesetzlich vorgesehenen Leistungen hinausgehenden Behandlungsmaßnahmen seien durch den Schwierigkeitsgrad der Behandlung wegen der Umformung des Kiefers begründet. So hat diese Abweichung vom "Normalzustand" - wie zuvor dargelegt - überhaupt erst dazu geführt, dass der Klägerin Leistungen der kieferorthopädischen Versorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung zugesagt worden sind. Sie haben ihren Niederschlag in der Zuordnung zu einer der Indikationsgruppen gefunden und sind damit Bestandteil der von der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmenden Behandlungsmaßnahme geworden. Die Indikationen der Kieferorthopädie-Richtlinien sind befundbezogen. Genau dadurch jedoch wird eine Grenzziehung in der Übergangszone zwischen Befunden mit eindeutiger medizinischer Behandlungsnotwendigkeit und medizinisch nicht ausreichend begründeter Behandlungsnotwendigkeit gewährleistet (BT-Drucks 14/1245 S 65 - Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 - GKV-Gesundheitsreform 2000). Die Behandlungsnotwendigkeit steht hier jedoch nicht im Streit. Einer Beweiserhebung zur medizinischen Notwendigkeit der zusätzlichen Maßnahmen des Kieferorthopäden bedurfte es daher nicht.

27

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Versicherte haben nach den folgenden Vorschriften Anspruch auf Leistungen

1.
bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§§ 24c bis 24i),
2.
zur Verhütung von Krankheiten und von deren Verschlimmerung sowie zur Empfängnisverhütung, bei Sterilisation und bei Schwangerschaftsabbruch (§§ 20 bis 24b),
3.
zur Erfassung von gesundheitlichen Risiken und Früherkennung von Krankheiten (§§ 25 und 26),
4.
zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52),
5.
des Persönlichen Budgets nach § 29 des Neunten Buches.

(2) Versicherte haben auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Leistungen der aktivierenden Pflege nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit werden von den Pflegekassen erbracht. Die Leistungen nach Satz 1 werden unter Beachtung des Neunten Buches erbracht, soweit in diesem Buch nichts anderes bestimmt ist.

(3) Bei stationärer Behandlung umfassen die Leistungen auch die aus medizinischen Gründen notwendige Mitaufnahme einer Begleitperson des Versicherten oder bei stationärer Behandlung in einem Krankenhaus nach § 108 oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung nach § 107 Absatz 2 die Mitaufnahme einer Pflegekraft, soweit Versicherte ihre Pflege nach § 63b Absatz 6 Satz 1 des Zwölften Buches durch von ihnen beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstellen. Ist bei stationärer Behandlung die Anwesenheit einer Begleitperson aus medizinischen Gründen notwendig, eine Mitaufnahme in die stationäre Einrichtung jedoch nicht möglich, kann die Unterbringung der Begleitperson auch außerhalb des Krankenhauses oder der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung erfolgen. Die Krankenkasse bestimmt nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art und Dauer der Leistungen für eine Unterbringung nach Satz 2 nach pflichtgemäßem Ermessen; die Kosten dieser Leistungen dürfen nicht höher sein als die für eine Mitaufnahme der Begleitperson in die stationäre Einrichtung nach Satz 1 anfallenden Kosten.

(4) Versicherte haben Anspruch auf ein Versorgungsmanagement insbesondere zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche; dies umfasst auch die fachärztliche Anschlussversorgung. Die betroffenen Leistungserbringer sorgen für eine sachgerechte Anschlussversorgung des Versicherten und übermitteln sich gegenseitig die erforderlichen Informationen. Sie sind zur Erfüllung dieser Aufgabe von den Krankenkassen zu unterstützen. In das Versorgungsmanagement sind die Pflegeeinrichtungen einzubeziehen; dabei ist eine enge Zusammenarbeit mit Pflegeberatern und Pflegeberaterinnen nach § 7a des Elften Buches zu gewährleisten. Das Versorgungsmanagement und eine dazu erforderliche Übermittlung von Daten darf nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Soweit in Verträgen nach § 140a nicht bereits entsprechende Regelungen vereinbart sind, ist das Nähere im Rahmen von Verträgen mit sonstigen Leistungserbringern der gesetzlichen Krankenversicherung und mit Leistungserbringern nach dem Elften Buch sowie mit den Pflegekassen zu regeln.

(5) Auf Leistungen besteht kein Anspruch, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Dies gilt auch in Fällen des § 12a des Siebten Buches.

(6) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung zusätzliche vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht ausgeschlossene Leistungen in der fachlich gebotenen Qualität im Bereich der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation (§§ 23, 40), der Leistungen von Hebammen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 24d), der künstlichen Befruchtung (§ 27a), der zahnärztlichen Behandlung ohne die Versorgung mit Zahnersatz (§ 28 Absatz 2), bei der Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen apothekenpflichtigen Arzneimitteln (§ 34 Absatz 1 Satz 1), mit Heilmitteln (§ 32), mit Hilfsmitteln (§ 33) und mit digitalen Gesundheitsanwendungen (§ 33a), im Bereich der häuslichen Krankenpflege (§ 37) und der Haushaltshilfe (§ 38) sowie Leistungen von nicht zugelassenen Leistungserbringern vorsehen. Die Satzung muss insbesondere die Art, die Dauer und den Umfang der Leistung bestimmen; sie hat hinreichende Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung zu regeln. Die zusätzlichen Leistungen sind von den Krankenkassen in ihrer Rechnungslegung gesondert auszuweisen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. September 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit stehen höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) unter Berücksichtigung von Krankenbehandlungskosten, die in den Selbstbehalt der privaten Krankenversicherung (PKV) der Klägerin gefallen sind.

2

Die 1978 geborene, bis zur krankheitsbedingten Berufsaufgabe selbstständig tätig gewesene Klägerin ist privat krankenversichert. Zunächst unterhielt sie einen Krankenversicherungsvertrag mit jährlichen Selbstbehalten von 750 Euro (2010) bzw 800 Euro (2011) bei monatlichen Beiträgen von 130,09 Euro (2010) bzw 165,70 Euro (2011) sowie zusätzlichen Beiträgen für die private Pflegeversicherung (PPV) von 19,69 Euro (2010) bzw 19,47 Euro (2011). 2012 wechselte sie in den Basistarif mit reduziertem Beitrag während der Dauer des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II ohne Selbstbeteiligung, wofür monatliche Gesamtbeiträge von 307,19 Euro anfielen.

3

Nach stationärer Krankenhausaufnahme im Juli 2010 beantragte die Klägerin Ende Juli 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Einschluss der Beiträge zur PKV und PPV. Im September 2010 legte sie ergänzend Rechnungen über medizinische Versorgungen aus 2010 vor, die aufgrund des Selbstbehalts nicht erstattet worden waren, und beantragte deren Übernahme in Höhe von 750 Euro.

4

Das beklagte Jobcenter bewilligte für den Zeitraum vom 1.8.2010 bis 31.1.2011 (unter Hinweis auf das ungeklärte Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit vorläufig) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Einschluss des Zuschusses zur PKV und PPV in Höhe von zuletzt monatlich 1059,32 Euro bzw 1099,93 Euro (1.8.2010 bis 31.12.2010: Regelleistung 359 Euro, Unterkunft und Heizung 550,76 Euro, Krankenversicherung 129,87 Euro, Pflegeversicherung 19,69 Euro, Bescheid vom 1.9.2010 und zuletzt Änderungsbescheid vom 11.5.2011; 1.1. bis 31.1.2011: Regelleistung 364 Euro, Unterkunft und Heizung 550,76 Euro, Krankenversicherung 165,70 Euro, Pflegeversicherung 19,47 Euro, Bescheid vom 1.9.2010 und zuletzt Änderungsbescheid vom 11.5.2011). Die Übernahme von Behandlungskosten lehnte es dagegen ab, weil der Eigenanteil zur PKV von der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht umfasst sei (Bescheid vom 9.9.2010 mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2010 und Bescheid vom 2.11.2011). Übernommen würden bei einem Wechsel in den Basistarif die tatsächlichen Kosten bis zu einem Betrag von 287,72 Euro, jedoch sei "zu überlegen, wie wirtschaftlich der Wechsel in den Basistarif ist" (Schreiben vom 9.12.2011).

5

Die Klage auf Gewährung weiterer Leistungen in Höhe von 427 Euro für anteiligen Selbstbehalt im Jahr 2010 sowie von 800 Euro für Januar 2011 ist erfolglos geblieben (Urteile des Sozialgerichts vom 20.6.2012 und des Landessozialgerichts vom 26.9.2013): Ansprüche nach § 26 Abs 2 SGB II bestünden nicht, weil die geltend gemachten Beträge keine Beiträge zur PKV, sondern Kosten seien, für die kein Kostenerstattungsanspruch bestehe. Ansprüchen nach § 21 Abs 6 Satz 1 SGB II stünde entgegen, dass der sich aus dem Selbstbehalt ergebende Bedarf nicht unabweisbar sei. Die Wahl eines Tarifs mit Selbstbehalt beruhe auf einem Gestaltungsrecht der Klägerin und könne durch einen Wechsel in den Basistarif ohne Selbstbehalt jederzeit geändert werden. Wegen der Vergleichbarkeit der Leistungen mit denen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei ein solcher Wechsel auch dann zumutbar, wenn damit im Einzelfall Leistungsverschlechterungen verbunden seien.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Aus § 26 SGB II ergebe sich nicht, dass damit nur der reguläre monatliche Krankenversicherungsbeitrag gemeint sei. Nach § 12 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) habe der Grundsicherungsträger den Beitrag zu zahlen, der auch für Bezieher von Arbeitslosengeld II (Alg II) in der GKV aufzubringen sei. Wie er sich zusammensetze, also als Zuschuss in einer Summe oder zusammengesetzt aus einem niedrigen Versicherungsbeitrag und einem weiteren Beitrag bei Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen, sei nicht vorgegeben. Im Hinblick auf ihre schwere Erkrankung sei es für sie vorteilhaft gewesen, einen qualitativ besser ausgestalteten Versicherungsschutz in der PKV zu haben.

7

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. September 2013 und des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Juni 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 11. Mai 2011 zu verurteilen, sie hinsichtlich Krankenbehandlungskosten von 427,00 Euro für 2010 und von 800,00 Euro für Januar 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

8

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Ob der Klägerin Anspruch auf höheres Alg II wegen ungedeckter Krankenversorgungskosten zusteht, kann nach den Feststellungen des LSG nicht abschließend entschieden werden. Zutreffend ist es zwar davon ausgegangen, dass solche Aufwendungen keine Beiträge iS von § 26 SGB II darstellen(dazu unter 2.). Jedoch kommt eine Berücksichtigung bis zur Höhe des entsprechenden Aufwands in der GKV als Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB II übergangsweise bis zu dem Zeitpunkt in Betracht, zu dem die Klägerin nach Beratung durch den Beklagten über die Möglichkeit eines Wechsels in den PKV-Basistarif und über die Folgen eines Verbleibs im Selbstbehaltstarif erstmals in den Basistarif wechseln konnte(dazu unter 3.). Ob eine solche Beratung erfolgt ist und die geltend gemachten Kosten in der GKV ebenso angefallen wären, kann den Feststellungen des LSG nicht entnommen werden, weshalb der Rechtsstreit zurückzuverweisen ist.

10

1. Gegenstand des Verfahrens ist (nur noch) der Bescheid vom 11.5.2011, mit dem der Beklagte während des schon laufenden Klageverfahrens nochmals (aber weiterhin vorläufig) eine vollständige Regelung über den Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.8.2010 bis 31.1.2011 getroffen und dabei die Übernahme der streitbefangenen Behandlungskosten wiederum abgelehnt hat. Dadurch ist der Bescheid vom 1.9.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2010 als ursprünglicher Klagegegenstand seinem Inhalt nach ungeachtet der Bezeichnung als "Änderungsbescheid" vollständig ersetzt worden (§ 39 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) und der Bescheid vom 11.5.2011 alleiniger Verfahrensgegenstand geworden (§ 96 Abs 1 SGG), was vom Revisionsgericht als Prozessvoraussetzung von Amts wegen zu beachten ist, obwohl das Berufungsgericht Feststellungen zum Inhalt dieses Bescheides nicht getroffen hat (zur Prüfung in der Revisionsinstanz fortwirkender Sachentscheidungsvoraussetzungen vgl nur Bundessozialgericht Urteil vom 29.6.1995 - 11 RAr 57/94 - BSGE 76, 178, 180 = SozR 3-4100 § 58 Nr 7 S 30).

11

Zu entscheiden ist darüber im Hinblick auf die Vorläufigkeit der im Streit stehenden Bewilligung im Wege der Verpflichtungsklage auf Erlass eines neuen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (vgl BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 139/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 38 RdNr 16 mwN), dem Betrag nach begrenzt durch den erstinstanzlich gestellten Antrag, für das Jahr 2010 weitere 427 Euro und das Jahr 2011 weitere 800 Euro an Leistungen zu erhalten. Nicht Streitgegenstand ist dagegen nach dem Klagevorbringen die Höhe der vorläufig bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung, die von der Klägerin nicht infrage gestellt werden; insofern handelt es sich nach der Rechtsprechung des BSG bei den Verfügungen in Bezug auf die Regelleistung einerseits und die Unterkunfts- sowie Heizkosten andererseits um abtrennbare Verfügungen (zuletzt dazu zur alten und neuen Rechtslage BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78, RdNr 11 mwN).

12

Eine weitergehende Begrenzung des Streitgegenstands auf einzelne Alg II-Bestandteile findet hingegen nicht statt. Insbesondere ist der Streitstoff nicht auf die Krankenbehandlungskosten der Klägerin beschränkt. Vielmehr bildet sowohl der hier in Betracht zu ziehende Anspruch auf Leistungen nach § 21 Abs 6 SGB II ebenso wie der Anspruch auf einen Zuschuss nach § 26 SGB II nach der Rechtsprechung des BSG keinen eigenständigen und von der Höhe der Regelleistung (ab 1.1.2011: Regelbedarf) abtrennbaren Streitgegenstand (zu § 21 Abs 6 SGB II: BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 21 Nr 18 vorgesehen, RdNr 12; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 21 Nr 19 vorgesehen, RdNr 10; zu § 26 SGB II: BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R - BSGE 107, 217 = SozR 4-4200 § 26 Nr 1, RdNr 13 mwN; BSG Urteil vom 16.10.2012 - B 14 AS 11/12 R - SozR 4-4200 § 26 Nr 3 RdNr 10).

13

2. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass sich der Zuschuss zum Versicherungsbeitrag bei PKV nach § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II(hier in der am 1.1.2009 in Kraft getretenen und bis zum 31.3.2011 fortgeltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378; im Folgenden: § 26 Abs 2 Nr 1 SGB II aF)nicht auf Aufwendungen zur medizinischen Versorgung erstreckt, die in den Selbstbehalt von SGB II-Leistungsbeziehern fallen.

14

a) Soweit Bezieher von Alg II nicht versicherungspflichtig in der GKV sind - wie die Klägerin wegen ihres Status als PKV-Versicherte vor dem Alg II-Bezug (§ 5 Abs 5a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, hier idF des GKV-WSG) - und auch nicht familienversichert sind, sondern für den Fall der Krankheit Versicherungsschutz bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen unterhalten, richten sich ihre Ansprüche zur Krankenversorgung seit Inkrafttreten des GKV-WSG gemäß § 26 Abs 2 Nr 1 SGB II aF nach dem VAG in der ab dem 1.1.2009 geltenden Fassung des GKV-WSG. Demgemäß "gilt" in solchen Fällen § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG, wonach als Teil der in § 12 VAG getroffenen Vorschriften zur substitutiven Krankenversicherung Ansprüche ua gegenüber den SGB II-Trägern für den Fall begründet sind, dass SGB II-Leistungsbezieher die Mittel auch für einen nach § 12 Abs 1c VAG reduzierten Versicherungsbeitrag nicht selbst aufbringen können.

15

Hiernach bestimmt zunächst § 12 Abs 1a VAG(ebenfalls eingefügt durch das GKV-WSG), dass Versicherungsunternehmen mit Sitz im Inland, welche eine substitutive Krankenversicherung betreiben (Verweis auf § 12 Abs 1 Satz 1 Halbs 1 VAG idF des GKV-WSG), einen branchenweit einheitlichen Basistarif anzubieten haben, dessen Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe den gesetzlich vorgegebenen GKV-Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB V jeweils vergleichbar sind. Dessen Beitragshöhe ist durch § 12 Abs 1c Satz 1 VAG bei einem Basistarif ohne Selbstbehalt und in allen Selbstbehaltsstufen dahin begrenzt, dass er den Höchstbeitrag der GKV nicht übersteigen darf. Zusätzlich vermindert er sich für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte, wenn allein durch die Zahlung des Beitrags ua nach § 12 Abs 1c Satz 1 VAG Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) entsteht(§ 12 Abs 1c Satz 4 Halbs 1 VAG). Besteht gleichwohl auch bei einem danach verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII, beteiligt sich der zuständige Träger nach dem SGB II oder SGB XII auf Antrag des Versicherten im erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird (§ 12 Abs 1c Satz 5 Halbs 1 VAG). Besteht hingegen Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II oder SGB XII unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags, ist zunächst die entsprechende Geltung von Satz 4 angeordnet (§ 12 Abs 1c Satz 6 Halbs 1 VAG). Sodann heißt es weiter: Der zuständige Träger zahlt den "Betrag", der auch für einen Bezieher von Alg II in der GKV zu tragen ist (§ 12 Abs 1c Satz 6 Halbs 2 VAG).

16

b) Maßgebend für den hiernach von dem SGB II-Träger zu zahlenden "Betrag" ist schon nach Wortlaut und Systematik ausschließlich der Beitrag, den die hiernach anspruchsberechtigten Alg II-Bezieher ihrem Versicherungsunternehmen zu entrichten haben. Grundsicherungsrechtlich verweist darauf bereits die amtliche Überschrift von § 26 SGB II, wonach die Regelung seit der Änderung durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706, im Folgenden: GSiFoG) Ansprüche auf einen Zuschuss zu Versicherungs"beiträgen" begründet (vgl Art 1 Nr 1 Buchst d) GSiFoG). Ebenso knüpfen die gestaffelten Rechtsfolgen, auf die § 26 Abs 2 Nr 1 SGB II aF verweist, gemäß § 12 Abs 1c Satz 4 und 6 VAG an die Höhe (ausschließlich) des PKV-Beitrags und die Möglichkeit an, ihn trotz Hilfebedürftigkeit aufbringen zu können. So werden die hier nach § 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II aF ua einschlägigen Ansprüche im Fall von § 12 Abs 1c Satz 5 VAG nur ausgelöst, wenn auch bei einem nach § 12 Abs 1c Satz 4 VAG auf die Hälfte des Basistarifs reduzierten Beitrag weiterhin Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII besteht. Entsprechend richten sie sich darauf, dass sich der zuständige Träger im erforderlichen Umfang "beteiligt" (§ 12 Abs 1c Satz 5 Halbs 2 VAG), also den die Hilfebedürftigkeit auslösenden Teil des herabgesetzten Beitrags zahlt. Nicht anders kann vor diesem Hintergrund schon sprachlich der Bezugspunkt von § 12 Abs 1c Satz 6 VAG verstanden werden, der die Gruppe der Hilfebedürftigen betrifft, bei denen "unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags" Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II oder SGB XII besteht. Das bestätigen schließlich auch die Materialien, wonach die Regelungen von § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG sicherstellen sollen, dass die Betroffenen durch die Zahlung des "Beitrags" zur PKV nicht überfordert werden(vgl BT-Drucks 16/3100 S 207).

17

c) In diese Richtung weist auch die Rechtsentwicklung von § 26 SGB II bis zur Neufassung durch das GKV-WSG. Bis dahin war der Anspruch auf SGB II-Leistungen bei PKV in § 26 SGB II selbst geregelt, nämlich in dessen Abs 2 Satz 1 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl 2954). Danach erhielten Bezieher von Alg II, die ua nach § 8 Abs 1 Nr 1a SGB V(in der durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt eingeführten und durch das GKV-WSG insoweit geänderten Fassung) von der Versicherungspflicht befreit waren, "einen Zuschuss zu den Beiträgen, die für die Dauer des Leistungsbezugs für eine Versicherung gegen Krankheit oder Pflegebedürftigkeit an ein privates Krankenversicherungsunternehmen gezahlt werden". Dieser Anspruch ist nach den Materialien nur deshalb aus dem SGB II herausgelöst worden, damit die Leistungen bei Hilfebedürftigkeit im Zusammenhang mit dem PKV-Basistarif aus Gründen der Rechtsklarheit im VAG konzentriert sind (vgl BT-Drucks 16/4247 S 60). Dass damit abweichend von der bis dahin geltenden Rechtslage ein Anspruch auf einen Zuschuss bei PKV auch für Aufwendungen im Rahmen von Selbstbehalten begründet werden sollte, kann danach nicht angenommen werden. Im Gegenteil verdeutlicht die frühere Regelung, dass der Zuschuss zur PKV nach § 26 Abs 2 Nr 1 SGB II aF iVm § 12 Abs 1c Satz 5 und 6 VAG nur zu erbringen ist im Hinblick auf den Beitrag, den Bezieher von Alg II (unmittelbar) an ein privates Krankenversicherungsunternehmen zu zahlen haben.

18

d) Bestätigt wird dies schließlich zuletzt durch die weitere Rechtsentwicklung mit der zum 1.4.2012 in § 26 SGB II eingefügten Neuregelung des Abs 4(idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011, BGBl I 3057). Hiernach gilt seither, dass der nunmehr in § 26 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II(idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453; im Folgenden: RBEG) verankerte, ansonsten aber inhaltlich unveränderte Zuschuss zur PKV "an das Versicherungsunternehmen zu zahlen ist, bei dem die leistungsberechtigte Person versichert ist". Damit soll ua das Beitragszahlungsverfahren bei privat krankenversicherten Leistungsbeziehenden nach dem SGB II vereinfacht werden (vgl BT-Drucks 17/7991 S 15 zu Nr 2). Das verdeutlicht ebenfalls, dass § 26 SGB II in der ansonsten unveränderten gesetzlichen Konzeption eine Rechtsgrundlage ausschließlich für die Beteiligung der SGB II-Träger an Versicherungsbeiträgen bildet, nicht hingegen für die Tragung von Krankenversorgungskosten im Rahmen vertraglich vereinbarter Selbstbehalte.

19

3. Selbstbehaltskosten bilden allerdings bis zum Zeitpunkt eines möglichen Wechsels in den PKV-Basistarif nach Beratung des Grundsicherungsträgers über diese Möglichkeit und die Folgen eines Verbleibs im Selbstbehaltstarif bis zur Höhe eines entsprechenden Aufwands in der GKV übergangsweise einen Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB II.

20

a) Nach § 21 Abs 6 SGB II(für den Zeitraum vom 1.8.2010 bis 31.12.2010 idF des Gesetzes zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 27.5.2010, BGBl I 671; ab dem 1.1.2011 inhaltlich deckungsgleich idF des RBEG) gilt in der Fassung seit dem 1.1.2011: Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht (Satz 1). Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (Satz 2). So liegt es bei den im Streit stehenden Kosten der medizinischen Versorgung ausnahmsweise, solange es an einer ausreichenden Beratung des zuständigen Grundsicherungsträgers über die Möglichkeiten des Wechsels in den PKV-Basistarif gefehlt hat und der Wechsel deshalb zunächst unterblieben ist (dazu unter c) bis e) und soweit in der GKV Kosten in entsprechender Höhe angefallen wären (dazu unter f).

21

b) Grundsätzlich allerdings sind in einen Selbstbehalt fallende Kosten der medizinischen Versorgung nach dem mit der Einführung des PKV-Basistarifs verfolgten Regelungskonzept ab dem Zeitpunkt nicht mehr iS von § 21 Abs 6 SGB II unabweisbar, ab dem einem privat krankenversicherten Leistungsberechtigten der Wechsel in den PKV-Basistarif ohne Selbstbehalt zumutbar möglich ist; jedenfalls insoweit ist dem LSG zu folgen.

22

Mit der Einführung des Härtefallmehrbedarfs ist der Gesetzgeber nach Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) getroffenen Vorgabe nachgekommen, im SGB II selbst sicherzustellen, dass auch in atypischen Bedarfslagen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erbracht werden (vgl BT-Drucks 17/1465 S 8). Damit soll gewährleistet werden, dass über die typisierten Mehrbedarfe nach § 21 Abs 2 bis 5 SGB II hinaus und jenseits der Möglichkeit, vorübergehende Spitzen besonderen Bedarfs durch ein Darlehen aufzufangen, solche Bedarfe im System des SGB II gedeckt werden, die entweder der Art oder der Höhe nach bei der Bemessung des Regelbedarfs nicht berücksichtigt sind(BVerfG ebenda, RdNr 207 f).

23

Eine solche atypische Bedarfslage bildet die Belastung mit Krankenbehandlungskosten, die wegen eines Selbstbehalts nicht von der PKV getragen werden, dauerhaft nicht. Atypische Umstände im Sinne der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 können nur bei Bedarfen bestehen, die nach dem SGB II in der Gesamtheit seiner Regelungen nicht zu decken sind (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 207). So verhält es sich bei den Kosten der medizinischen Versorgung privat Krankenversicherter grundsätzlich ebenso wenig wie bei gesetzlich Krankenversicherten (vgl hierzu aus der Rspr des erkennenden Senats BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 14 AS 146/10 R - BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, RdNr 23 f; aus der des 4. Senats BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 16 sowie vorgesehen für BSGE, RdNr 22). Flankiert von den dargelegten (vgl oben unter 2. a) Vorschriften zur Herabsetzung und Tragung der Beitragslast bei Hilfebedürftigkeit im Sinne von SGB II oder SGB XII zielt das Regelungskonzept des SGB II vielmehr seit der Neuausrichtung durch das GKV-WSG in nicht zu beanstandender Weise darauf, nicht gesetzlich Krankenversicherten die notwendige und mit dem Versorgungsniveau in der GKV übereinstimmende medizinische Versorgung im Rahmen des Basistarifs in der PKV nach denselben Bedingungen grundsätzlich kostenfrei (von der in der GKV vorgegebenen Selbstbeteiligung also abgesehen) zu gewährleisten wie GKV-Versicherten.

24

Eine atypische Lage derart, dass ohne Inanspruchnahme medizinischer Hilfe auf eigene Kosten eine Beeinträchtigung des vom menschenwürdigen Existenzminimum aus Art 1 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm Art 20 Abs 1 GG umfassten Anspruchs auf eine ausreichende medizinische Versorgung (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 135; BSG Urteil vom 22.4.2008 - B 1 KR 10/07 R - BSGE 100, 221 = SozR 4-2500 § 62 Nr 6, RdNr 31; BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R - BSGE 107, 217 = SozR 4-4200 § 26 Nr 1, RdNr 33) drohen könnte, ist unter diesen Umständen bei einem Wechsel in den PKV-Basistarif ohne Selbstbehalt ausgeschlossen (ebenso Krauß in Hauck/Noftz, SGB II K § 26, RdNr 78, Stand Mai 2014); und zwar entgegen ihrer Auffassung auch bei Krankheitsbildern wie dem der Klägerin, denn den gebotenen Standard muss auch die GKV gewährleisten (vgl zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen insoweit nur BVerfG Beschluss vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5). Demgemäß hat der erkennende Senat bereits darauf erkannt, dass Alg II-Beziehern der Wechsel in den PKV-Basistarif zumutbar ist (BSG Urteil vom 16.10.2012 - B 14 AS 11/12 R - SozR 4-4200 § 26 Nr 3 RdNr 24).

25

c) Diese Rechtslage zutreffend einzuschätzen und deshalb schon aus eigener Initiative in einen PKV-Basistarif ohne Selbstbeteiligung zu wechseln, ist von den Betroffenen beim erstmaligen Angewiesensein auf existenzsichernde Leistungen indes regelmäßig nicht zu verlangen; diese vom LSG unausgesprochen zugrunde gelegte Annahme teilt der erkennende Senat nicht. Dagegen spricht bereits, dass der Verbleib im Selbstbehaltstarif aus Sicht von Alg II-Beziehern vielfach auch für den Grundsicherungsträger wirtschaftlicher erscheinen wird als der Übergang in den Basistarif (darauf zutreffend ebenso verweisend Krauß in Hauck/Noftz, SGB II K § 26, RdNr 78, Stand Mai 2014). Das zeigt sich deutlich auch hier: Denn während sich die monatlichen Belastungen der Klägerin in den Jahren 2010 und 2011 selbst bei voller Ausschöpfung der Selbstbehalte im Krankheitsfall aus Versicherungsbeiträgen (130,09 Euro bzw 165,70 Euro) und anteiligem monatlichem Selbstbehalt (62,50 Euro bzw 66,67 Euro) nur auf 192,59 Euro bzw 232,37 Euro beliefen, musste sie 2012 für den hälftigen Basistarif 287,72 Euro aufbringen, worauf nicht zuletzt der Beklagte mit Schreiben vom 9.12.2011 hingewiesen und dadurch mittelbar selbst Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Wechsels in den PKV-Basistarif geweckt hatte.

26

Weitere Unsicherheiten können sich aus der Frage ergeben, ob der regelmäßig höhere hälftige Beitrag im Basistarif bei einem Wechsel in diesen Tarif vom Grundsicherungsträger voll übernommen werden wird und der Wechsel deshalb eine Versorgung auf GKV-Niveau ohne eigene Mehrkosten gewährleistet. Zwar steht das nach der Rechtsprechung des BSG nunmehr fest (vgl BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R - BSGE 107, 217 = SozR 4-4200 § 26 Nr 1; dem folgend BSG Urteil vom 16.10.2012 - B 14 AS 11/12 R - SozR 4-4200 § 26 Nr 3 RdNr 22). Dass diese Kenntnis vorausgesetzt und Betroffenen deshalb schon aus eigenem Antrieb eine Änderung ihres Krankenversicherungsschutzes zugemutet werden kann, kann indes angesichts der schwer überschaubaren Rechtslage mit ihren Verweisen vom SGB II auf das VAG und von dort auf das SGB V sowie das Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) kaum angenommen werden (vgl zur Wendung "der zuständige Träger zahlt den Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist" in § 12 Abs 1c Satz 6 Halbs 2 AVG und der hierdurch bewirkten Inbezugnahme von SGB V sowie SGB IV nur Krauß, ebenda RdNr 72 ff und RdNr 53).

27

d) Diese Kenntnislücke zu füllen, obliegt vielmehr dem zuständigen Grundsicherungsträger. Ihm erwächst auch insoweit aus dem Sozialrechtsverhältnis (§ 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) zwischen den Hilfebedürftigen und den Leistungsträgern eine Verpflichtung zu Beratung und Hilfestellung, wie sie der erkennende Senat bereits in verschiedener Hinsicht angenommen hat (BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 53 RdNr 17 ff; BSG Urteil vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - RdNr 27). Denn solange sich den Betroffenen nicht aufdrängt, dass der Wechsel in den Basistarif vom Gesetzgeber trotz uU höherer Beitragslasten im Hinblick auf die damit verbundene Entlastung des Verwaltungsaufwands erwünscht ist und auch die höheren Beiträge voll übernommen werden, sind sie auf eine hinreichende Belehrung der Träger angewiesen, die sie in die Lage versetzt, Mehrkosten der medizinischen Versorgung zu vermeiden (zutreffend Krauß in Hauck/Noftz, SGB II K § 26, RdNr 78, Stand Mai 2014). Dies gilt umso mehr, als die Schutzlücke für die Träger bei Antragstellung regelmäßig ohne Weiteres erkennbar ist - wie im Fall hier auch - und die Absicherung von Krankheitsrisiken elementare Schutzbedürfnisse betrifft, sodass Beratungspflichten ohnehin in gesteigerter Weise bestehen.

28

e) Solange es an einer solchen Beratung fehlt und ein Wechsel in den Basistarif daher (und nicht aus anderen Gründen, wie bei der Klägerin uU wegen erwarteter Versorgungsvorteile im ursprünglichen Tarif) noch unterblieben ist, bilden die wegen eines fortbestehenden Selbstbehalts in der PKV ungedeckten Kosten der medizinischen Versorgung einen besonderen Bedarf iS von § 21 Abs 6 SGB II. Prägend für ihn ist nach der Rechtsprechung des BSG, dass eine andere, weitergehende Bedarfslage vorliegt als bei typischen Empfängern von Grundsicherungsleistungen (vgl BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 30/13 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 18 RdNr 20, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen, in Fortführung der Ausgangsentscheidung des 7b Senats vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 22; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - RdNr 16, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 4 AS 27/14 R - RdNr 17 zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Es muss daher ein Mehrbedarf im Verhältnis zum "normalen" Regelbedarf gegeben sein (BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - RdNr 16, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, mwN).

29

Ein solcher Mehrbedarf fällt an bei der Belastung durch Kosten der Krankheitsversorgung, die in der GKV oder nach einem Wechsel in den PKV-Basistarif vergleichbar nicht bestünden. Ohne Bedeutung dafür ist, ob dieser Bedarf nach der gesetzlichen Konzeption schon im Ansatz nicht bestehen dürfte oder ob er entstanden ist, weil der Grundsicherungsträger einer ihm obliegenden Beratungspflicht nicht nachgekommen ist und der Leistungsberechtigte daher von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Kostenentlastung (noch) keinen Gebrauch gemacht hat. Denn auch unter diesen Umständen ist der Zugang zu der gesetzlich vorgesehenen Form der Gesundheitsversorgung im Rahmen des Existenzminimums aus Gründen versperrt, die von dem Leistungsberechtigten nicht zu vertreten sind.

30

In dieser aus Sicht der gesetzlichen Konzeption ebenfalls atypischen Lage besteht ein Mehrbedarfsanspruch nach § 21 Abs 6 SGB II, soweit die übrigen Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen. Fehlt es nämlich an der Beratung über den nach der Vorstellung des Gesetzgebers gegebenen Weg zur ausreichenden medizinischen Versorgung, dann kann einem Leistungsberechtigten nicht zugemutet werden, die Mittel für die dann auf andere Weise zu erlangenden Leistungen zur Krankenbehandlung aus dem Regelbedarf zu bestreiten oder hierfür ein Darlehen aufzunehmen. Insoweit liegt es ähnlich wie bei der Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V, wo die rechtswidrige Leistungsversagung zur ansonsten nicht vorgesehenen Selbstbeschaffung berechtigt und einen Kostenerstattungsanspruch im System der GKV begründet(vgl dazu nur Hauck in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2013, § 13 SGB V RdNr 233 ff). Jedenfalls bei Selbstbeschaffungen über einen Zeitraum von - wie hier - sechs Monaten handelt es sich dabei auch um einen regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen Bedarf (dazu eingehend S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 21 RdNr 67 und 68; zur Frage, ob der Mehrbedarf regelmäßig und in kürzeren Abständen auftreten muss, siehe auch von Boetticher/Münder in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 21 RdNr 42 sowie jüngst BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 19, vorgesehen auch für BSGE, RdNr 17).

31

f) Begrenzt ist der Anspruch - vergleichbar auch insoweit der Situation in der GKV - im Hinblick auf das von der Klägerin geltend gemachte Interesse an einer im Vergleich zum GKV-Standard hochwertigeren Behandlung allerdings unter dem Gesichtspunkt der Unabweisbarkeit, wenn und soweit die Abrechnungen eine medizinische Versorgung betreffen, die vom Leistungskatalog des SGB V nicht umfasst war. Insoweit erstreckt sich der Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs 6 SGB II nicht auf Kosten, die auch nach der Konzeption des SGB V von den Versicherten selbst zu tragen sind(so bereits BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - BSGE 115, 77 = SozR 4-4200 § 21 Nr 16, RdNr 26).

32

4. Ob die Klägerin von dem Beklagten über die Möglichkeit eines Wechsels in den Basistarif und die Folgen des Verbleibs in einem Tarif mit Selbstbehalt beraten worden ist und ob die von ihr geltend gemachten Aufwendungen für medizinische Versorgungen angefallen sind, die in der GKV ebenso hätten beansprucht werden können, hat das LSG - nach seinem rechtlichen Standpunkt zu Recht - nicht geprüft, was im wieder eröffneten Berufungsverfahren festzustellen sein wird.

33

Sollte sich dabei ergeben, dass die Klägerin vom Beklagten über die Möglichkeit eines Wechsels in den PKV-Basistarif hinreichend beraten worden ist und/oder einzelne Kosten Versorgungen betreffen, auf die auch in der GKV kein Anspruch bestünde, kann weiter zu prüfen sein, ob danach grundsätzlich von ihr selbst zu tragende Aufwendungen der medizinischen Versorgung ausnahmsweise unter Beachtung der Maßstäbe zu krankheitsbedingten Mehrbedarfen bei GKV-Versicherten zu berücksichtigen sein können. Soweit gesetzlich Krankenversicherte einen Härtefallmehrbedarf wegen gesundheitsbedingter Aufwendungen geltend machen können, die vom Leistungskatalog des SGB V nicht umfasst sind, besteht ein solcher Anspruch für PKV-Versicherte nach Art 3 Abs 1 GG in gleicher Weise. In diese Richtung hat der erkennende Senat einen solchen Anspruch bejaht insbesondere für den Hygienemehrbedarf bei Aids-Erkrankung (BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 3). Der 4. Senat des BSG hat erwogen, dass ein solcher Anspruch bestehen könnte, wenn dem Leistungsberechtigten durch eine medizinisch notwendige Behandlung deswegen regelmäßig Kosten entstehen, weil Leistungen der Krankenversicherung etwa wegen ihres geringen Abgabepreises, aus sonstigen Kostengründen oder aus systematischen/sozialpolitischen Gründen von der Versorgung nach dem SGB V ausgenommen werden (BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 16 sowie vorgesehen für BSGE, RdNr 22).

34

5. Über die Kosten des Revisionsverfahrens wird das LSG ebenfalls zu befinden haben.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 27. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Witwenrente.

2

Die 1939 geborene Klägerin war mit dem im selben Jahr geborenen W. S. (Versicherter) bereits (von 1986 bis zur Scheidung im Jahr 1993) verheiratet; in diese Ehe hatte sie zwei Kinder aus einer vorangegangenen Ehe mitgebracht.

3

Im Mai 2002 wurde bei dem Versicherten ein Hirntumor diagnostiziert. Nach einer Strahlentherapie bis September 2003 nahm er an einer onkologischen Rehabilitationsmaßnahme teil. Zu dieser Zeit litt er an gelegentlichem Schwindel, einer leichten Gangunsicherheit bei deutlicher allgemeiner Schwäche, Gedächtnisstörungen und einer leichten Aphasie (Sprachstörung). Die Befunde besserten sich nicht wesentlich. Eine am 26.4.2004 durchgeführte Magnetresonanztomographie des Kopfes belegte eine Persistenz des Tumorgeschehens. Ab Oktober 2004 verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Versicherten zunehmend. Er wurde mehrfach stationär behandelt und erhielt ab November 2004 Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III.

4

Seit Juni 2003 wohnte der Versicherte wieder bei der Klägerin; im Dezember 2003 bezogen sie gemeinsam eine neue Wohnung. Die Klägerin bezieht seit Februar 2004 eine Rente aus eigener Versicherung. Der Versicherte und sie meldeten am 4.5.2004 beim Standesamt die Eheschließung an, die dort am 11.5.2004 erfolgte. Am 16.4.2005 verstarb der Versicherte.

5

Den Antrag der Klägerin vom 4.5.2005 auf Gewährung einer großen Witwenrente lehnte die Beklagte ab, weil die Ehe kein volles Jahr gedauert und die Klägerin die Vermutung einer Versorgungsehe nicht widerlegt habe (Bescheid vom 26.7.2005, Widerspruchsbescheid vom 30.11.2006).

6

Das SG hat nach Beiziehung von Pflegegutachten des MDK Schleswig-Holstein vom November und Dezember 2004 sowie des Gutachtens einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie die Klage mit Urteil vom 16.12.2008 abgewiesen. Die besonderen Umstände des Falls stünden einer Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe entgegen. Die Sachverständige habe bestätigt, dass sich die Tumorerkrankung bereits bis zur Eheschließung wesentlich verschlimmert habe. Die am 26.4.2004 durchgeführte Magnetresonanztomographie habe eindeutig eine Persistenz des Tumorgeschehens belegt. Es hätten weiterhin generalisierte Anfälle und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine deutlich wahrnehmbare Sprachstörung bestanden. Der Versicherte und die Klägerin hätten daher nicht annehmen können, dass der Tumor durch die Therapien zurückgedrängt worden sei. Zudem hätten sie sich erst zu einem Zeitpunkt zur Heirat entschlossen, als ihnen die Verschlechterung des Gesundheitszustands des Versicherten und die schlechte Prognose bereits bekannt gewesen seien.

7

Das LSG hat in der mündlichen Verhandlung vom 27.1.2011 die Klägerin persönlich angehört sowie den Sohn der Klägerin aus erster Ehe und eine gemeinsame Freundin der Klägerin und des Versicherten als Zeugen vernommen. Die ebenfalls als Zeugin geladene Tochter der Klägerin aus erster Ehe hat von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.

8

Mit Urteil vom selben Tage hat das LSG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide und des Urteils des SG verurteilt, der Klägerin Witwenrente aus der Versicherung des Verstorbenen zu gewähren. Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs 2a SGB VI sei nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens widerlegt, weil zur Überzeugung des Senats die erneute Eheschließung am 11.5.2004 nicht ausschließlich oder überwiegend von Versorgungsgedanken der Ehepartner motiviert gewesen sei. Nach den glaubhaften Einlassungen der Klägerin und der Zeugen stehe fest, dass bei beiden Ehepartnern von finanziellen Erwägungen unabhängige bzw diesen zumindest gleichwertige emotionale Beweggründe für die Heirat vorgelegen hätten, die aus der langjährigen inneren Verbundenheit sowie von dem Wunsch nach Beistand und Unterstützung des Versicherten in dessen schwerer Lebensphase getragen gewesen seien. Dies seien besondere Umstände iS des § 46 Abs 2a SGB VI, die die Annahme zuließen, dass die Eheschließung nicht bzw nicht überwiegend zum Zwecke der Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung erfolgt sei.

9

Der Senat habe sich nicht gedrängt gefühlt, dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag der Beklagten zu folgen und "den damals zuständigen Standesbeamten hinsichtlich der Durchführung der Heirat des Verstorbenen mit der Klägerin, insbesondere dem Inhalt der Vorgespräche, die Daten der Bestellung des Aufgebots, die Motivation zur Heirat zu vernehmen". Das von der Beklagten unter Beweis gestellte Datum der Bestellung des Aufgebots sei bereits bekannt. Soweit sie die Vernehmung des Standesbeamten zu den weiteren Umständen der Eheschließung, insbesondere zum Inhalt der Vorgespräche und der Motivation der Eheleute beantragt habe, begehre sie Ermittlungen "ins Blaue hinein", zu denen der Amtsermittlungsgrundsatz nicht verpflichte. Der Beweisantrag ziele auf eine unzulässige Ausforschung ab, weil noch nicht einmal eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass sich die Eheleute dem Standesbeamten gegenüber zu den Motiven der Eheschließung geäußert haben könnten. Denn es sei kein Grund für die Annahme ersichtlich, ein Standesbeamter, der eine reguläre Eheschließung im Standesamt vornehme, könne sich zu Eheentschließungsmotiven äußern. Dass die schwerwiegende Erkrankung des Versicherten gegenüber dem Standesbeamten thematisiert worden sei, liege auch deshalb fern, weil an der anschließenden Hochzeitsfeier ca 20 Gäste teilgenommen hätten, die gemeinsam mit dem Brautpaar in einer Gaststätte das Essen eingenommen hätten.

10

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 103, 128 SGG. Das LSG hätte sich gedrängt fühlen müssen, ihrem Beweisantrag, den zuständigen Standesbeamten zu vernehmen, nachzugehen. Dies gelte nicht nur für den Fall einer Nottrauung am Krankenbett (Hinweis auf das Senatsurteil vom 6.5.2010 - B 13 R 134/08 R - veröffentlicht in Juris), sondern auch für den hier vorliegenden besonderen Umstand, dass zwischen der Anmeldung der Eheschließung beim Standesamt kurz nach einer ärztlichen Untersuchung, bei der eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustands dokumentiert worden sei, und der Vornahme der Trauung lediglich sechs Tage gelegen hätten. Der Beweisantrag ziele nicht auf eine unzulässige Ausforschung ab. Vielmehr sei die Vernehmung des Standesbeamten zur Objektivierung der gewonnenen Erkenntnisse geboten gewesen. Denn dessen Aussage hätte Anhaltspunkte zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben der Klägerin und weitere Erkenntnisse zu den Beweggründen beider Eheleute ergeben können. Indem das LSG die Vernehmung des Standesbeamten mit der Begründung abgelehnt habe, es sei fernliegend, dass die schwerwiegende Erkrankung des Versicherten gegenüber dem Standesbeamten thematisiert worden sei, habe es die Beweiswürdigung unzulässig vorweggenommen.

11

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 27. Januar 2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

12

Die Klägerin beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

13

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

14

Nach Einlegung der Revision hat die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 10.5.2011 "aufgrund des Urteils vom 27.01.2011" große Witwenrente ab 1.5.2005 bewilligt. Diesen hat sie nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 31.8.2011 zurückgenommen.

15

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

16

A. Die statthafte Revision der Beklagten ist zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt sowie begründet worden (§ 164 Abs 1 Satz 1, Abs 2 SGG).

17

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Revision nicht durch den Rentenbescheid vom 10.5.2011 unzulässig geworden. Der - nach der am 18.3.2011 eingelegten Revision erlassene - Bescheid ist ausdrücklich "aufgrund des Urteils vom 27.01.2011" ergangen. Allein in dem Erlass eines solchen Ausführungsbescheids liegt kein durch die Beklagte erfolgtes Anerkenntnis des Witwenrentenanspruchs der Klägerin in dem vom LSG festgestellten Umfang (vgl Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, § 154 RdNr 16, Stand: Einzelkommentierung März 1996).

18

B. Die Revision der Beklagten ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht der von der Vorinstanz bereits zugesprochene Anspruch auf große Witwenrente gemäß § 46 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI ab 1.5.2005 zu (§ 99 Abs 2 Satz 1 SGB VI).

19

1. Der Leistungsausschlussgrund des § 46 Abs 2a SGB VI(hierzu im Einzelnen Senatsurteil vom 5.5.2009 - B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6, RdNr 18 ff)liegt bei der Klägerin nicht vor. Nach dieser Vorschrift haben zwar Witwen keinen Anspruch auf Witwenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat (Regeltatbestand); die Klägerin erfüllt jedoch den Ausnahmetatbestand, "dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen".

20

Das LSG hat aufgrund der Beweisaufnahme, insbesondere der Zeugenvernehmung und der persönlichen Anhörung der Klägerin festgestellt, dass bei ihrer Heirat mit dem Versicherten nicht allein oder überwiegend der Zweck verfolgt wurde, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Im Vordergrund standen vielmehr von finanziellen Erwägungen unabhängige bzw diesen zumindest gleichwertige emotionale Beweggründe für die Heirat, die aus der langjährigen inneren Verbundenheit sowie von dem Wunsch nach Beistand und Unterstützung des Versicherten in dessen schwerer Lebensphase getragen waren.

21

2. Das Berufungsgericht hat ausreichende Einzeltatsachen festgestellt, aus denen es die vorgenannten Schlussfolgerungen gezogen hat. Das BSG ist an die vom LSG getroffenen klaren und einander nicht widersprechenden Feststellungen gebunden. Denn die Beklagte hat in Bezug auf diese keine zulässige und begründete Revisionsrüge vorgebracht (§ 163 SGG).

22

Der Senat hat zuletzt in seiner Entscheidung vom 6.5.2010 (B 13 R 134/08 R) darauf hingewiesen, dass der Frage, ob besondere (innere und äußere) Umstände im Sinne des Ausnahmetatbestands vorliegen, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen, anhand aller Ermittlungsmöglichkeiten (§ 103 SGG) nachzugehen ist. Sie ist in erster Linie auf tatsächlicher Ebene zu beantworten. Somit obliegt es zuvörderst den Tatsacheninstanzen, sich nach Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen und unter Würdigung aller Tatsachen bzw Indizien eine Überzeugung davon zu verschaffen, ob im Einzelfall die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass die Erlangung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war. Ein Rentenversicherungsträger, der vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit seine Annahme, dass eine Versorgungsehe vorliege, verteidigen will, kann deshalb durch das Stellen von Beweisanträgen darauf hinwirken, dass alle Umstände - auch die für eine Versorgungsehe sprechenden Tatsachen bzw Indizien - in die Beweiswürdigung des Gerichts einbezogen werden (aaO - Juris RdNr 19). Im Übrigen hat er bereits im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren (zeitnah) entsprechende eigene Ermittlungen durchzuführen (§ 20 SGB X).

23

3. Die auf § 103 Satz 1 SGG gestützte Verfahrensrüge der Beklagten greift nicht durch. Das LSG musste sich, ausgehend von seiner Rechtsansicht, nach den Umständen des vorliegenden Falls nicht gedrängt fühlen, weiter zu ermitteln. Insbesondere musste es nicht dem von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag nachgehen, "den damals zuständigen Standesbeamten hinsichtlich der Durchführung der Heirat des Verstorbenen mit der Klägerin, insbesondere dem Inhalt der Vorgespräche, die Daten der Bestellung des Aufgebots, die Motivation zur Heirat zu vernehmen". Es konnte auf die Vernehmung des Zeugen verzichten, ohne gegen das Verbot einer Vorwegnahme der Beweiswürdigung zu verstoßen.

24

a) Das Gericht muss im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen. Von einer Beweisaufnahme darf es nur dann absehen bzw einen Beweisantrag nur dann ablehnen, wenn es auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn sie also als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (vgl BSG vom 6.2.2007 - SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 10; BSG vom 28.5.2008 - B 12 KR 2/07 B - Juris RdNr 11; Senatsurteil vom 6.5.2010 - B 13 R 134/08 R - Juris RdNr 21; BSG vom 7.4.2011 - B 9 SB 47/10 B - Juris RdNr 4; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 103 RdNr 8, jeweils mwN). Ferner ist das Gericht nicht verpflichtet, unsubstantiierten Beweisanträgen nachzugehen (vgl BFH vom 1.2.2007 - VI B 118/04 - Juris RdNr 5; BVerwG vom 13.6.2007 - 4 BN 6/07 - Juris RdNr 10). Unsubstantiiert sind nicht nur Beweisanträge, die das Beweisthema nicht hinreichend konkretisieren, sondern auch Beweisanträge, die dazu dienen, unsubstantiierte Behauptungen zu stützen, etwa solche, die ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen bestimmter Tatsachen aufgestellt worden sind (vgl BVerwG vom 29.3.1995 - Buchholz 310 § 86 Abs 1 VwGO Nr 266; Greger in Zöller, ZPO, 28. Aufl 2010, Vor § 284 RdNr 5; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl 2011, Einf § 284 RdNr 27).

25

b) Zwar darf eine Tatsachenbehauptung nicht schon dann als unsubstantiiert oder unerheblich behandelt werden, wenn sie nicht auf dem Wissen des Behauptenden, sondern auf einer Vermutung beruht. Denn ein Prozessbeteiligter wird häufig von einer entscheidungserheblichen Tatsache, die sich ihm als möglich oder wahrscheinlich darstellt, keine genaue Kenntnis haben, wozu auch innere Tatsachen (also Vorgänge des Seelenlebens, zB Beweggründe, Überlegungen, Willensrichtungen; vgl hierzu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, Einf § 284 RdNr 20) bei einer anderen Person zählen (vgl BVerwG vom 29.3.1995 - aaO; BGH vom 25.4.1995 - NJW 1995, 2111, 2112; Greger, aaO, Vor § 284 RdNr 5). Daher steht es ihm - insbesondere wenn er von dieser Person keine wahrheitsgemäße Aussage erwartet - frei, andere Zeugen, denen gegenüber die betreffende Person sich über ihre Absichten und Motive geäußert hat, zu benennen und so einen mittelbaren Beweis der inneren Tatsache anzustreben (vgl BGH vom 4.5.1983 - NJW 1983, 2034, 2035; BGH vom 11.2.1992 - NJW 1992, 1899, 1900; BGH vom 30.4.1992 - NJW 1992, 2489). Allerdings muss dann regelmäßig auch dargelegt werden, wie der Zeuge die innere Tatsache bei der anderen Person erfahren hat, die in sein Wissen gestellt wird (vgl BGH vom 30.4.1992 - aaO; Greger, aaO, Vor § 284 RdNr 5). Ausnahmen hiervon sind allerdings denkbar, wenn zB nach der Lebenserfahrung naheliegt, dass eine Person regelmäßig Kenntnis von den bei einer anderen Person eingetretenen inneren Tatsachen hat - etwa im Verhältnis von Ehegatten (vgl BGH vom 4.5.1983 - NJW 1983, 2034, 2035 f).

26

c) Einer "aufs Geratewohl" gemachten oder "ins Blaue hinein" aufgestellten Tatsachenbehauptung braucht das Gericht jedoch nicht nachzugehen (vgl BSG vom 19.9.1979 - 11 RA 84/78 - Urteilsumdruck S 5 - in Juris nur als Kurztext veröffentlicht; Senatsbeschluss vom 19.11.2009 - B 13 R 303/09 B - Juris RdNr 12; BVerwG vom 29.3.1995 - aaO; BVerwG vom 12.3.2010 - 8 B 90/09 - Juris RdNr 21; BGH vom 3.5.2011 - XI ZR 374/08 - Juris RdNr 66; Greger, aaO, Vor § 284 RdNr 5; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, Einf § 284 RdNr 29). Beweisanträge, die so unbestimmt bzw unsubstantiiert sind, dass im Grunde erst die Beweisaufnahme selbst die entscheidungs- und damit beweiserheblichen Tatsachen aufdecken soll bzw die allein den Zweck haben, dem Beweisführer, der nicht genügend Anhaltspunkte für seine Behauptungen angibt, erst die Grundlage für substantiierte Tatsachenbehauptungen zu verschaffen, brauchen dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahezulegen (vgl BSG vom 19.9.1979 - aaO; Senatsbeschluss vom 19.11.2009 - aaO; BVerwG vom 29.3.1995 - aaO; BAG vom 12.7.2007 - AP Nr 168 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, aaO, Einf § 284 RdNr 27; vgl auch BVerfG vom 18.6.1993 - DVBl 1993, 1002, 1003); sie sind als Beweisausforschungs- bzw -ermittlungsanträge auch im vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägten sozialgerichtlichen Verfahren unzulässig.

27

Dies ist vorliegend der Fall. Denn soweit die Beklagte die Vernehmung des damals zuständigen Standesbeamten "insbesondere" zum Inhalt der Vorgespräche und der Motivation der Eheleute beantragt hat, hat sie keine in das Wissen des Standesbeamten gestellten Tatsachen benannt, die belegen könnten, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, für die Klägerin einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung aus der Versicherung des Verstorbenen zu begründen.

28

d) Zu Unrecht bezieht sich die Beklagte auf das Senatsurteil vom 6.5.2010 (B 13 R 134/08 R). Wenn der Senat damals als Verfahrensfehler gewertet hat, dass das LSG den zuständigen Standesbeamten zu den Umständen der Eheschließung nicht vernommen hat, lag dies darin begründet, dass dort die Eheschließung nicht routinemäßig in der neutralen Umgebung des Standesamts, sondern als sogenannte Nottrauung gemäß § 7 Personenstandsgesetz (PersStdG) aF(ab 1.1.2009: § 13 Abs 3 PersStdG) auf einer Krankenstation erfolgte (aaO - Juris RdNr 22 f). Denn durch eine solche Nottrauung soll den Verlobten auch die Möglichkeit eröffnet werden, dem überlebenden Verlobten die mit der Ehe verbundenen materiellen Vorteile zu sichern (vgl Hepting/Gaaz, Personenstandsrecht, Komm Bd 1, Stand Februar 2009, 42. Lieferung, § 5 RdNr 50; Gaaz in Gaaz/Bornhofen, Personenstandsgesetz, Handkomm, 2. Aufl 2010, § 13 RdNr 29; vgl auch BGH vom 13.7.1989 - NJW 1990, 505; OLG Düsseldorf vom 15.10.2003 - FamRZ 2004, 703, 704; Sprau in Palandt, BGB, 70. Aufl 2011, § 839 RdNr 141; hiernach obliegt dem Standesbeamten gegenüber den Verlobten die Amtspflicht, ihnen in Fällen dringender Todesgefahr eine unverzügliche Eheschließung zu ermöglichen. Bei schuldhafter Verletzung dieser Amtspflicht und dem Eintritt eines wirtschaftlichen Schadens haftet er dem Hinterbliebenen nach § 839 BGB iVm Art 34 GG). Schon deshalb ist in derartigen Fällen nicht auszuschließen, dass bei einer solchen Trauung etwaige Versorgungsgesichtspunkte bzw finanzielle Motive zwischen dem Standesbeamten und den Verlobten zur Sprache kommen können.

29

e) Demgegenüber lag hier kein Fall einer Nottrauung vor. Denn die Heirat zwischen der Klägerin und dem Versicherten erfolgte im Standesamt. Hier aber ist kein Grund für die Annahme ersichtlich, der als Zeuge benannte Standesbeamte könne sich zu den Heiratsmotiven des Versicherten und der Klägerin äußern. Auch hat die Beklagte keine konkreten (greifbaren) Anhaltspunkte dargelegt, woraus sie ihre Annahme herleiten will, die Aussage des damals zuständigen Standesbeamten könne - auch nach einem zeitlichen Abstand von über 6 ½ Jahren zwischen Trauung und Beweisantrag - (weitere) Erkenntnisse zu den Motiven des Versicherten und der Klägerin für die Heirat erbringen.

30

aa) Zutreffend hat das LSG darauf hingewiesen, dass das PersStdG vom 4.5.1998 (BGBl I 833) in der hier maßgeblichen bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (aF) den Standesbeamten nicht dazu verpflichtet, die Heiratsmotive zu ermitteln. Vielmehr hat er gemäß § 5 Abs 2 Satz 1 PersStdG aF(vgl ab 1.1.2009: § 13 Abs 1 Satz 1 PersStdG) lediglich zu prüfen, ob der Eheschließung ein materiell-rechtliches Ehehindernis entgegensteht. Ein solches liegt vor, wenn eine der Voraussetzungen für die Eheschließung nicht erfüllt ist, dh die Ehefähigkeit (§ 1303 BGB und § 1304 BGB) nicht gegeben ist oder ein Eheverbot (§ 1306 BGB, § 1307 BGB und § 1308 BGB) vorliegt. Ferner muss der Standesbeamte gemäß § 1310 Abs 1 Satz 2 Halbs 2 BGB seine Mitwirkung an der Eheschließung verweigern, wenn offenkundig ist, dass die Ehe aus einem der in § 1314 Abs 2 BGB genannten Gründe aufhebbar wäre(Nr 1 aaO: Bewusstlosigkeit oder vorübergehende Störung der Geistestätigkeit iS des § 105 Abs 2 BGB eines Ehegatten bei der Erschließung; Nr 2 aaO: Unkenntnis, dass es sich um eine Eheschließung gehandelt hat; Nr 3 aaO: Eingehung der Eheschließung durch arglistige Täuschung; Nr 4 aaO: Herbeiführung der Eheschließung durch Drohung; Nr 5 aaO: Eingehung einer sog "Scheinehe"). All dies war hier nicht einschlägig (zum Verhältnis von Scheinehe und Versorgungsehe vgl Senatsurteil vom 5.5.2009 - BSGE 103, 91 = SozR 4-2600 § 46 Nr 5, RdNr 25, 43 mwN; vgl auch Hepting/Gaaz, Personenstandsrecht, Komm Bd 1, Stand Februar 2009, 42. Lieferung, § 5 RdNr 47). Anhaltspunkte dafür, dass die Eheleute ihre Heiratsmotive dem Standesbeamten ungefragt offenbart haben, sind nicht ersichtlich.

31

bb) Soweit die Beklagte meint, dass sich im hier zu beurteilenden Fall "besondere Umstände" daraus ergäben, dass zwischen der Anmeldung der Eheschließung beim Standesamt kurz nach einer ärztlichen Untersuchung, bei der eine - weitere - Verschlechterung des Gesundheitszustands des Versicherten dokumentiert worden sei, und der Vornahme der Trauung lediglich "sechs Tage" gelegen hätten, ist dies nicht zutreffend.

32

Zwar mag der Versicherte zur Zeit der Anmeldung der Eheschließung und Trauung äußerlich bereits von der Krankheit gezeichnet gewesen sein. Jedoch ist weder ersichtlich, dass der zuständige Standesbeamte von einer aktuellen Verschlechterung des Gesundheitszustands oder gar von einer lebensgefährlichen Erkrankung des Versicherten Kenntnis gehabt hätte, noch, dass aus einer solchen etwaigen Kenntnis etwas zum entscheidungserheblichen Beweisthema hätte folgen können.

33

Zwar war der Abstand zwischen Anmeldung beim Standesamt (4.5.2004) und Eheschließung (11.5.2004) kurz; eine gesetzliche Mindest- oder Regelfrist wurde damit aber nicht unterschritten. Denn nach dem 2004 geltenden Personenstandsrecht war eine bestimmte Aufgebotsfrist gesetzlich nicht (mehr) vorgegeben. Aus § 6 Abs 1 Satz 2 PersStdG aF ergab sich lediglich, dass die Anmeldung frühestens sechs Monate vor der Eheschließung erfolgen durfte. Im Übrigen wäre aber selbst die bis zum 30.6.1998 noch geltende (kürzbare) (Mindest-)Aufgebotsfrist von einer Woche (vgl § 3 Satz 2 und 3 PersStdG in der bis dahin geltenden Fassung) nicht unterschritten worden. Denn die Eheschließung am 11.5. erfolgte eine Woche nach deren Anmeldung beim Standesamt am 4.5., sodass selbst nach der bis zum 30.6.1998 geltenden Rechtslage kein (besonderer) Ausnahmefall vorgelegen hätte.

34

4. Nach allem durfte das LSG zu Recht den von der Beklagten gestellten Beweisantrag ablehnen, ohne gegen § 103 SGG zu verstoßen. Anhaltspunkte dafür, dass das LSG die Grenzen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG; vgl hierzu BSG vom 8.11.2005 - SozR 4-2500 § 44 Nr 7 RdNr 16; Senatsurteil vom 27.8.2009 - B 13 R 101/08 R - Juris RdNr 15; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 128 RdNr 10 ff) überschritten hat, bestehen nicht.

35

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für Fahrten zu strahlentherapeutischen Behandlungen.

2

Der 2009 verstorbene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versichert gewesene K.
 (Versicherter) erhielt in der Zeit von März 2006 bis Juni 2006 wegen einer Tumorerkrankung Bestrahlungen. Er beantragte mündlich vor Beginn der Strahlentherapie bei der Beklagten erfolglos, die entstehenden Fahrkosten zu übernehmen (mündlich vor März 2006 erteilter Bescheid). Er führte die Fahrten zum Behandlungsort (47 Behandlungstermine, Entfernung vom Wohnort zum Behandlungsort 14,39 km) mit einem PKW durch, den die mit dem Versicherten in einem gemeinsamen Haushalt lebende Ehefrau, die Klägerin, steuerte. Einen nach der Behandlung gestellten erneuten Antrag, die Fahrkosten zu erstatten, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 26.8.2008; Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008). Die Klage auf Kostenerstattung ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des SG vom 18.11.2011). Das LSG hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen: Die gemäß § 60 Abs 1 S 3 iVm § 61 S 1 SGB V pro Fahrt zu leistende Zuzahlung überschreite den Erstattungsbetrag. Die Voraussetzungen des § 60 Abs 2 S 1 Nr 4 SGB V, dessen Formulierung auf eine Zuzahlungspflicht lediglich für die erste und die letzte Fahrt hindeute, lägen nicht vor. Bei dem Versicherten sei eine stationäre Behandlung nicht erforderlich gewesen (Urteil vom 17.1.2013).

3

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß eine Verletzung des § 60 SGB V und macht einen Verstoß gegen § 103 SGG geltend.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Januar 2013 aufzuheben sowie das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18. November 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den mündlich erteilten Ablehnungsbescheid zurückzunehmen und der Klägerin 260,72 Euro zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat zu Recht ihre Berufung gegen das SG-Urteil zurückgewiesen. Die Klägerin ist seit dem Tod des Versicherten als seine Sonderrechtsnachfolgerin, nicht aber als Erbin prozessführungsbefugt (zum Begriff vgl BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 15 mwN), den Erstattungsanspruch des Versicherten gerichtlich geltend zu machen (dazu 1.). Sie hat aber keinen Anspruch gegen die beklagte KK auf Erstattung von Fahrkosten. Die Beklagte hat es rechtmäßig abgelehnt, dem Versicherten 260,72 Euro zu zahlen. Verfassungsrecht gebietet nicht die Übernahme der Fahrkosten (dazu 2.).

8

1. Die Klägerin ist prozessführungsbefugt, weil sie Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten hinsichtlich des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist. Das folgt aus § 56 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB I. Danach stehen beim Tode des Berechtigten fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen an erster Stelle dem Ehegatten zu, wenn dieser mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. So lag es bei der Klägerin. Der geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten war fällig und auf laufende Geldleistungen gerichtet.

9

Zwar handelt es sich beim Krankentransport in der Regel um eine Naturalleistung, auch wenn § 60 SGB V selbst von der Übernahme von "Kosten" spricht(vgl BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 3 RdNr 10 mwN; BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 2 RdNr 10 mwN). Der Gesetzgeber hatte bei dieser Konstruktion allerdings offensichtlich solche Krankentransporte im Blick, die ihrer Art nach eine KK als grundsätzlich dem Naturalleistungsprinzip unterliegender Leistungsträger (vgl § 2 Abs 2 S 1 SGB V) typischerweise als Sach- oder Dienstleistung erbringen (lassen) kann (zB Rettungsfahrten, Rettungsflüge, Fahrten mit speziellen Krankenkraftwagen). Für Transporte demgegenüber, die einer KK bei wirklichkeitsnaher Betrachtung von vornherein nicht als "eigene" bzw eigenorganisierte Naturalleistung zugerechnet werden können (zB Fahrten des Versicherten im privaten PKW oder Benutzung öffentlicher Nahverkehrsmittel), kann dies indessen nicht gleichermaßen gelten. In diesen Fällen ist der Anspruch des Versicherten aus § 60 SGB V vielmehr auf die "Kosten" als Ausgleich der entstandenen notwendigen finanziellen Aufwendungen selbst gerichtet. Zwar ist auch insoweit ein Anspruch auf Vorab-Freistellung von Fahrkosten in Form von Naturalleistungen denkbar (zB bei Verschaffung einer Fahrkarte oder deren Vorfinanzierung durch einen Fahrgutschein). Hat der Versicherte aber Kosten für eigeninitiierte und durchgeführte Fahrten bereits aufgewandt, erschiene die Annahme einer gleichwohl dabei stattfindenden Naturalleistungsgewährung der KK gekünstelt; der mit dem Sachleistungsprinzip ua verbundene Schutzgedanke, dass Versicherte aus Kostengründen nicht von der Inanspruchnahme notwendiger Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgehalten werden sollen (vgl dazu zB BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 7 S 31 mwN), ist hier nicht einschlägig. In derartigen Fällen ist daher schon der Anspruch aus § 60 SGB V selbst auf Erstattung der Kosten gerichtet und ein Rückgriff auf die Regelungen über die naturalleistungsersetzende Kostenerstattung(§ 13 Abs 3 SGB V) entbehrlich (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 5 RdNr 16). Bestand ein Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten, war er mit seinem Entstehen fällig (§ 41 SGB I).

10

Der Anspruch ist bei fortlaufenden Fahrten, die - wie hier - auf einer Grunderkrankung beruhen, die eine hohe Behandlungsfrequenz aufweist, auch auf "laufende" Geldleistungen gerichtet. § 56 SGB I ist in diesem Sinne auszulegen. Den Begriff der laufenden Geldleistungen, dem der Begriff der "einmaligen" Geldleistung gegenübersteht, definiert das Gesetz nicht. Nach den Gesetzesmaterialien (Entwurf der Bundesregierung zum SGB I, BT-Drucks 7/868 S 31 zu § 48) handelt es sich um Leistungen, die regelmäßig wiederkehrend für bestimmte Zeitabschnitte gezahlt werden; sie verlieren ihren Charakter nicht dadurch, dass sie verspätet oder als zusammenfassende Zahlung für mehrere Zeitabschnitte geleistet werden (eingehend BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, RdNr 11 ff zum Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V). Das kommt auch für die Erstattung von Fahrkosten nach § 60 SGB V in Betracht und wird dem Zweck der Sonderrechtsnachfolge in § 56 SGB I in besonderem Maße gerecht.

11

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme des mündlich erteilten Ablehnungsbescheides, Fahrkosten zu übernehmen (§ 44 Abs 1 S 1 SGB X). Denn der Versicherte hatte nach § 60 SGB V keinen Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten. Er konnte Fahrkosten weder nach § 60 Abs 1 S 3 SGB V(dazu a) noch nach § 60 Abs 2 S 1 Nr 4 SGB V(dazu b) noch aufgrund dessen erweiternder oder analogen Anwendung (dazu c) beanspruchen.

12

a) Im Rahmen des § 60 SGB V(in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung von Art 1 Nr 37 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 , BGBl I 2190), der Ansprüche auf Fahrkosten abschließend regelt (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 5 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 2 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 1 RdNr 9), kommt als Anspruchsgrundlage für die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten § 60 Abs 1 S 3 SGB V in Betracht. Danach "übernimmt" die KK die "Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung" unter Abzug des sich nach § 61 S 1 SGB V ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in den Richtlinien (RL) nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 12 SGB V festgelegt hat.

13

Bei dem Versicherten lag ein besonderer Ausnahmefall iS von § 60 Abs 1 S 3 SGB V vor. Nach § 8 Abs 2 der Richtlinien des GBA über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten(Krankentransport-Richtlinien, in der Fassung vom 22.1.2004 - BAnz 2004 Nr 18 S 1342, zuletzt geändert am 21.12.2004 - BAnz 2005 Nr 41 S 2937 - mWv 2.3.2005) liegt ein besonderer Ausnahmefall vor, wenn der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist, und diese Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Die Anlage 2 Krankentransport-Richtlinien führt hierzu (nicht abschließend) Regelbeispiele auf, zu denen auch die - hier vorliegende - onkologische Strahlentherapie zählt. Einer vertragsärztlichen Verordnung der Krankenbeförderungsleistung bedurfte es nicht. Gemäß § 2 Abs 3, § 7 Abs 4 Krankentransport-Richtlinien ist bei Fahrten mit dem privaten Kraftfahrzeug oder mit einem öffentlichen Verkehrsmittel eine Verordnung nicht erforderlich.

14

Der Anspruch scheitert nicht daran, dass es an einer vorherigen Genehmigung durch die KK fehlt. Der Versicherte hatte nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) vor Beginn der Behandlung bei der Beklagten im Rahmen einer mündlichen Unterredung einen Antrag auf Übernahme der entstehenden Fahrkosten gestellt, der mündlich abgelehnt worden ist. Beansprucht ein Versicherter von seiner KK vor Beginn der Behandlung die Übernahme der Fahrkosten nach § 60 SGB V, darf ihm das Fehlen der vorherigen Genehmigung nicht entgegengehalten werden, soweit und solange die KK die Übernahme der Kosten zu Unrecht ablehnt(vgl auch BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 5 RdNr 22).

15

Ein Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten bestand aber nicht, weil schon die vom Versicherten zu leistenden Zuzahlungen die Fahrkosten überstiegen. Die Übernahme der Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung erfolgt nach § 60 Abs 1 S 3 SGB V nur unter Abzug des sich nach § 61 S 1 SGB V ergebenden Zuzahlungsbetrags. Zuzahlungen, die Versicherte zu leisten haben, betragen gemäß § 61 S 1 SGB V zehn vH des Abgabepreises, mindestens jedoch fünf Euro und höchstens zehn Euro. Bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs richtet sich die den Zuzahlungen gegenüberzustellende Höhe der erstattungsfähigen Fahrkosten für jeden gefahrenen Kilometer nach dem jeweils aufgrund des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) festgesetzten Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung, höchstens jedoch nach der Höhe der Kosten, die bei Inanspruchnahme des nach § 60 Abs 3 Nr 1 bis 3 SGB V erforderlichen Transportmittels entstanden wären(§ 60 Abs 3 Nr 4 SGB V). Gemäß § 5 Abs 1 S 2 BRKG beträgt die Wegstreckenentschädigung bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeugs 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke. Für die Einzelfahrt (Hinfahrt zur und Rückfahrt von der ambulanten Strahlentherapie jeweils eine Fahrt) sind danach erstattungsfähige Kosten in Höhe von 2,88 Euro entstanden (0,20 Euro x 14,39 km). Diese Kosten unterschreiten die zu leistende Zuzahlung von fünf Euro. Dass der Versicherte die Belastungsgrenze (§ 62 Abs 1 SGB V) vor der Strahlenbehandlung erreicht hatte, behauptet die Klägerin nicht. Hierfür bestehen auch keine Anhaltspunkte.

16

Bei mehrmals erforderlich werdenden ambulanten Behandlungsterminen innerhalb eines Leistungsfalls, zB bei einer ambulanten Serienbehandlung, ist die Eigenbeteiligung der Versicherten nicht auf die erste und letzte Fahrt beschränkt. Zu Recht verweist das LSG darauf, dass sich für eine solche Auslegung im Gesetz keine Stütze findet. Der Gesetzgeber wollte die Eigenbeteiligung ausschließlich für Fälle der Ersetzung von Krankenhausbehandlung (§ 60 Abs 2 S 1 Nr 4 SGB V) auf die erste und letzte Fahrt begrenzen. Die Gesetzesentwicklung bestätigt dies. Im Rahmen der Einfügung des § 60 Abs 2 Nr 4 SGB V durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) wurde in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit die Ergänzung des § 60 Abs 2 Nr 4 SGB V des Entwurfswortlauts(BT-Drucks 12/3608 S 8) mit dem Halbsatz "wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung" vorgeschlagen (BT-Drucks 12/3930 S 17). In der Begründung des Ausschussberichts (BT-Drucks 12/3937 S 12) wird dazu ausgeführt: "Durch die Gleichstellung mit stationärer Krankenhausbehandlung wird klargestellt, daß bei mehrmals erforderlichen Behandlungsterminen innerhalb eines Leistungsfalles (z.B. Serienbehandlung) die Eigenbeteiligung des Versicherten auf die erste und die letzte Fahrt beschränkt ist. Für Leistungen, die grundsätzlich ambulant erbracht werden (z.B. Dialysebehandlungen), bringt diese Vorschrift keine Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht, da bei solchen Behandlungen stationäre oder teilstationäre Krankenhauspflege nicht erforderlich ist und damit auch nicht 'vermieden' werden kann."

17

Die Gleichstellung mit stationärer Krankenhausbehandlung gilt - wie schon die Begründung des Ausschussberichts zeigt - ausschließlich für den in § 60 Abs 2 Nr 4 SGB V genannten Fall ambulanter Krankenbehandlung, nicht aber für Fahrten zu ambulanten Behandlungen in den vom GBA in den Richtlinien festzulegenden Ausnahmefällen des § 60 Abs 1 S 3 SGB V. Denn bei den Sondertatbeständen des § 60 Abs 1 S 1 iVm Abs 2 SGB V und den Fahrten zu ambulanten Behandlungen nach GBA-RL(§ 60 Abs 1 S 3 SGB V iVm den Krankentransport-Richtlinien) handelt es sich um zwei grundsätzlich verschieden geregelte Fallgruppen der Kostenübernahme für Fahrkosten (vgl zum Regelungssystem BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 2 Juris RdNr 13; zum Prüfungsgang BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 4 RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 12.9.2012 - B 3 KR 17/11 R - RdNr 27). Sie enthalten jeweils eigenständige, abschließende Regelungen. Nicht nur die Anspruchsvoraussetzungen, auch die Rechtsfolgen für Transporte zur Vermeidung von Krankenhausbehandlung (§ 60 Abs 2 Nr 4 SGB V)dürfen nicht in die Regelung für Fahrten zu ambulanten Behandlungen nach GBA-RL (§ 60 Abs 1 S 3 SGB V) hineingelesen werden.

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b) Die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs nach § 60 Abs 2 S 1 Nr 4 SGB V sind ebenfalls nicht erfüllt. Danach übernimmt die KK die Fahrkosten in Höhe des sich nach § 61 S 1 SGB V ergebenden Betrages je Fahrt übersteigenden Betrages bei Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung sowie zu einer Behandlung nach § 115a oder § 115b SGB V, wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung(§ 39 SGB V) vermieden oder verkürzt wird oder diese nicht ausführbar ist, wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung. Vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten war nämlich nach den nicht mit durchgreifenden Rügen angegriffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)nicht an sich geboten.

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Vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung ist im Rechtssinne "an sich geboten", wenn sie aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Erfasst werden sollen nur Ausnahmefälle, in denen eine aus allein medizinischer Sicht eigentlich notwendige stationäre Behandlung aus besonderen Gründen ambulant vorgenommen wird (noch offengelassen in BSG SozR 3-2500 § 60 Nr 1 S 2). Der Begriff "geboten" entspricht nicht nur nach seinem Wortlaut dem Begriff "erforderlich" iS des § 39 Abs 1 S 2 SGB V(vgl dazu Großer Senat BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 16). Dafür sprechen neben der bereits oben aufgezeigten Gesetzesentwicklung zudem auch Regelungssystem und -zweck. Nach dem Regelungssystem geht es um Transporte für Krankenhausbehandlung ersetzende Behandlungen (vgl BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 2 RdNr 13). Der Regelungszweck ist darauf gerichtet, die Fahrkosten für Versicherte zu übernehmen, die eigentlich aus medizinischen Gründen Krankenhausbehandlung benötigen. Sie sollen dadurch, dass sie sich anstelle von notwendiger Krankenhausbehandlung für ein kostengünstigeres "Minus" entscheiden, hinsichtlich der Fahrkostenübernahme nicht schlechter behandelt werden. Sie werden dementsprechend bezüglich der Fahrkosten den Versicherten gleichgestellt, bei denen es um Transporte zwecks stationärer Leistungen geht (vgl § 60 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V). So liegt es insbesondere, wenn Versicherte im Rahmen ihrer Patientenautonomie (vgl dazu Hauck, SGb 2014, 8 ff) entscheiden, nicht von der Möglichkeit voll- oder teilstationärer Krankenhausbehandlung zu Lasten der GKV Gebrauch zu machen, sondern stattdessen ambulante Krankenbehandlung, vor- oder nachstationäre Behandlung (§ 115a SGB V und dazu BSG SozR 4-2500 § 115a Nr 2 und 4, beide auch für BSGE vorgesehen)oder ambulante Operationen oder stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus (§ 115b SGB V) in Anspruch zu nehmen.

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Krankenhausbehandlung ist dementsprechend im Rechtssinne grundsätzlich nur dann erforderlich (§ 39 Abs 1 S 2 SGB V), wenn die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und notwendig ist (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 2 Nr 4 RdNr 14 f mwN, auch für BSGE vorgesehen). Vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung ist entgegen der Auffassung der Klägerin dagegen nicht schon dann "an sich geboten", wenn eine stationäre Krankenhausbehandlung notwendig wäre, falls die durchgeführte ambulante Behandlung unterbliebe. Ein solches Verständnis würde im Ergebnis die Regelung entgegen Wortlaut, Entwicklungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck auf alle Fälle ausdehnen, in denen es überhaupt ärztlicher Behandlung bedarf.

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Das LSG hat - ausgehend von einem zutreffenden Normverständnis - festgestellt, dass für die Strahlentherapie des Versicherten voll- oder teilstationäre Krankenhausbehandlung nicht an sich geboten iS von medizinisch erforderlich war. Es hat sich hierfür auf den Befundbericht des behandelnden Strahlentherapeuten gestützt. Der erkennende Senat ist an diese getroffene Feststellung gebunden, denn die Klägerin hat diesbezüglich keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vorgebracht (vgl § 163 SGG). Soweit sie mit der Revision geltend macht, das LSG habe es unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) unterlassen, diese Annahme zu überprüfen, hat sie iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG nicht alle Tatsachen bezeichnet, die den Mangel ergeben sollen(vgl § 164 Abs 2 S 3 SGG; näher BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 68 ff, insoweit in BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1 nicht abgedruckt; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 27 f mwN).

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Notwendig hierfür ist eine Darlegung, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31 S 49). Bei einem Verstoß gegen die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, muss der Revisionskläger deshalb die Tatsachen bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 28; BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 69 mwN, insoweit in BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1 nicht abgedruckt; BSG SozR 1500 § 160a Nr 34 S 50; BSG SozR Nr 40 zu § 103 SGG; BSG SozR Nr 7 zu § 103 SGG). Hierzu gehört auch die Benennung konkreter Beweismittel, deren Erhebung sich dem LSG hätte aufdrängen müssen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 12a; Zeihe, SGG, Stand 1.7.2014, § 164 SGG Anm 34d). Es ist ferner darzulegen, zu welchem Ergebnis nach Auffassung des Revisionsklägers die für erforderlich gehaltenen Ermittlungen geführt hätten (vgl BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 28; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 30).

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Hieran fehlt es. Die Klägerin hat nicht die gebotenen Tatsachen aufgezeigt. Angesichts des Befundberichts des behandelnden Strahlentherapeuten hatte das LSG keinen Anlass, ins Blaue hinein ein Gutachten nach Aktenlage zu der Frage einzuholen, ob entgegen dem Inhalt des Befundberichts doch Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorlag. Die Klägerin hat auch selbst keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen dargelegt. Weder hat sie einen Beweisantrag gestellt noch die Aussage des Strahlentherapeuten in seinem Befundbericht in Zweifel gezogen. Im Gegenteil, sie hat - möglicherweise in Verkennung der Anspruchsvoraussetzungen - nach Einholen des Befundberichts sogar selbst darauf hingewiesen, dass durch den Befundbericht "klar gemacht" worden sei, dass "ambulante Therapien in dieser Behandlungsform üblich sind". Soweit die Klägerin - wie sie vorträgt - Zweifel an der Rechtsauffassung des LSG zur Auslegung des § 60 Abs 2 Nr 4 SGB V geäußert haben sollte, wäre dies - anders als sie meint - kein Grund dafür, dass das LSG sich zu einer weiteren Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen zu der Frage, "ob die beim Versicherten durchgeführte ambulante Behandlung eine stationäre Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt hat". Das Äußern einer vom LSG abweichenden Auffassung zum materiellen Recht löst keine Amtsermittlungspflicht des LSG aus.

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c) § 60 Abs 1 SGB V ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch keiner erweiterten Auslegung oder gar Analogie im Sinne einer entsprechenden Heranziehung der Fahrkostenregelung für stationsersetzende Behandlung aufgrund einfachen oder ranghöheren Rechts zugänglich. Er benennt vielmehr abschließend die Hauptleistungen, für die eine Beförderung des Versicherten aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sein muss (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 2 RdNr 13). Wie der Senat entschieden hat, sollte die Regelung die Möglichkeit für KKn ausschließen, Fahrkosten zur ambulanten Behandlung generell in Härtefällen zu übernehmen (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 4 RdNr 27). Dies ist von Gesetzes und von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Denn die GKV stellt den Versicherten Leistungen nur nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 4 RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 1 RdNr 12 ff; vgl auch BVerfGE 115, 25, 45 f = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 26). Nur das, was in diesen Leistungskatalog fällt, hat die GKV ihren Versicherten zu leisten. Dazu gehört die Übernahme von Fahrkosten aus finanziellen Gründen gerade nicht (BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 1 RdNr 14).

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.