Bundessozialgericht Urteil, 20. Juli 2017 - B 12 KR 14/15 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:200717UB12KR1415R0
bei uns veröffentlicht am20.07.2017

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Juni 2010 geändert.

Die Bescheide der Beklagten vom 3. Februar 2004 und der Widerspruchsbescheid vom 1. November 2006 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

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Die Kläger sind verheiratete Eltern ihrer 1990, 1993 und 1996 geborenen Kinder. Die Klägerin ist bei der Beigeladenen zu 4. als Krankenschwester teilzeit-, der Kläger ist beim Beigeladenen zu 3. als Gemeindereferent beschäftigt. Sie sind bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert. Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Krankenkasse, der Kläger war dort bis Ende 2010 Mitglied, danach war er in der GKV versicherungsfrei.

3

Am 28.1.2004 beantragten die Kläger bei der Beklagten auf die Erhebung von Beiträgen zur GRV zu verzichten, hilfsweise einen Beitragsnachlass zur gewähren. Mit Bescheiden vom 3.2.2004 lehnte die Beklagte gegenüber den Klägern die Anträge ab. Hiergegen legten die Kläger am 25.2.2004 Widerspruch ein und verwiesen zur Begründung auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) und auf die Begründung in den Verfahren, die am 23.9.2003 vor dem BSG verhandelt wurden (B 12 RA 7/01 R ua). Gleichzeitig erklärten sie ihr Einverständnis mit einem Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des BSG, worauf die Beklagte den Widerspruch zunächst nicht weiterbearbeitete. Am 25.7.2006 erhoben die Kläger beim SG Untätigkeitsklage. Hierauf wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 1.11.2006 Bezug nehmend auch auf einen Antrag der Kläger vom 17.12.2005 den Widerspruch gegen die Bescheide vom 3.2.2004 zurück.

4

Daraufhin nahmen die Kläger die Untätigkeitsklage zurück, erhoben jedoch gleichzeitig beim SG Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 1.11.2006. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 17.6.2010).

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Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen (Urteil vom 27.1.2012). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem Gesetz zur Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung (Kinder-Berücksichtigungsgesetz ) zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2) - davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen.

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Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795, Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

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Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt. Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die geforderte Mindestgeschlossenheit sei ebenso gegeben, wie die Absehbarkeit fehlender generativer Beiträge. In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI) kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Neben der GRV müsse aber auch in der GKV ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

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Im Schriftsatz vom 20.7.2016 führen die Kläger ua ergänzend aus, die konkrete Beitragshöhe sei zwischen den Beteiligten bekannt und als gesetzeskonform völlig unstreitig; streitig sei nur die Frage, ob die Gesetzesgrundlage verfassungskonform sei. Für die vorliegende Konstellation einer Normenkontrolle gehe die Senatsrechtsprechung (Hinweis auf BSG Urteile vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R ua - und 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R -) ins Leere. Es könne nicht Aufgabe der Rechtsprechung sein, den Beteiligten einen völlig sinnlosen Arbeitsaufwand abzuverlangen, der letztlich wiederum nur die längst bekannten und völlig unstreitigen Ergebnisse zu Tage fördern könne und ohne jeglichen Belang für die zu entscheidende Rechtsfrage sei.

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Im Schriftsatz vom 10.8.2016 tragen die Kläger in Kenntnis des Senatsurteils vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - (BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) ua ergänzend vor: Der Senat habe zwar die von den Klägern umschriebenen Voraussetzungen seiner damaligen Entscheidung zugrunde gelegt, das sPV-Urteil des BVerfG "nach wie vor marginalisiert" bzw es in "zum Teil sinnentstellender Weise" interpretiert. Der Revision gehe es um eine Sozialversicherung, die alle unabhängig davon schütze, wie sie leben, und wie die Lasten, die durch dieses Schutzversprechen ausgelöst würden, gleichmäßig verteilt würden. Dies sei nur möglich, wenn damit begonnen würde, den "historischen Konstruktionsfehler einer voremanzipatorischen Struktur zu korrigieren", die geprägt sei von der Alleinverdienerehe. Im Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - (BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) habe der Senat die Mindestgeschlossenheit im System der GRV "in einer geradezu abenteuerlichen Argumentation" verneint. Die GRV spiegele konzeptionell den Lebenslängsschnitt. Demgegenüber habe das BSG lediglich eine Querschnittsbetrachtung vorgenommen. Es müsse bei der Frage der Mindestgeschlossenheit auf Versicherte und nicht auf Beitragszahler abgestellt werden. So habe das BVerfG im sPV-Urteil nicht auf Beitragszahler, sondern auf Versicherte abgestellt und im Urteil zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung auf den Versichertengrad verwiesen. Für die "breitbasige allgemeine Rentenversicherung" trage nicht der Einwand, dass Kinder von Versicherten möglicherweise später keine Mitglieder würden. Eine fehlende Mindestgeschlossenheit ließe sich nur bejahen, wenn man das sPV-Urteil des BVerfG in Frage stellen würde. Der Senat habe sich schon im Ausgangspunkt außerhalb der verfassungsrechtlichen Grundrechtsdogmatik positioniert, indem er nach der durch das sPV-Urteil des BVerfG vorgegebenen gleichheitsrechtlichen Prüfung eine zweite Prüfung von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vorgenommen habe. Der Senat habe zu Unrecht das eigentliche "Referenzurteil" trotz § 31 Abs 1, Abs 2 S 2 BVerfGG schlicht abgelehnt. Die Aussage, der Gesetzgeber habe die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen, würde auch durch ihre ständige Wiederholung nicht richtig. Gemäß dem sPV-Urteil des BVerfG sei vielmehr ein Vorteilsausgleich im Beitragsrecht erforderlich. Anderenfalls missachte man den "grundlegenden Paradigmenwechsel" zwischen dem Trümmerfrauenurteil und dem sPV-Urteil des BVerfG. Zu Unrecht habe der Senat versucht, die These des sPV-Urteils von der Gleichwertigkeit des monetären und des "generativen" Beitrags zu erschüttern. Gleiches gelte für die Hinweise auf die gesamtgesellschaftliche Aufgabenstellung und die Möglichkeit neuer Verwerfungen. Zur GKV habe der Senat in seinem Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - (BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) "überraschend" ausgeführt, dass der überwiegende Teil der Gesamtkosten in der Generation der Erwerbstätigen auftrete und nicht wie vom BVerfG in dessen sPV-Urteil gefordert "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Dem läge ein grundlegender methodischer Fehler zugrunde, weil die beiden Vergleichsgruppen unterschiedlich groß seien. Zu Unrecht habe der Senat auch in der GKV auf einen "obskuren" weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext zurückgegriffen. Die Heranziehung der beitragsfreien Familienversicherung als eines von mehreren familienfördernden Elementen sei nach den Vorgaben im sPV-Urteil ausgeschlossen. Der Hinweis auf die Ungewissheit des Eintritts des in der GKV versicherten Risikos sei unverständlich, weil dies für jede Versicherung gelte. Zur sPV habe sich der Senat in seinem Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - (BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) zu Unrecht auf das KiBG und eine dem Gesetzgeber zukommende Befugnis, typisierende Regelungen zu schaffen, gestützt. Es sei sehr wohl verfassungsrechtlich und nach den Vorgaben des BVerfG geboten, nach der Zahl der Kinder zu differenzieren.

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In einem weiteren Schriftsatz vom 17.8.2016 befassen sich die Kläger mit zwei im Nachgang zum Urteil des Senats vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - (BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) verfassten sozialrechtlichen Aufsätzen (Ruland, NZS 2016, 361; Seiler, NZS 2016, 641). Mit Telefax vom 18.7.2017 übersandten die Kläger den Entwurf einer Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung sowie eine Stellungnahme zu einem weiteren sozialrechtlichen Aufsatz (Kaltenstein, SGb 2017, 301).

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Die Kläger haben wiederholt umfangreiche Unterlagen vorgelegt: Mit Schriftsätzen vom 20.7.2016 und 10.8.2016 ua Stellungnahmen von Prof. Dr. Werding vom 9.3.2016 sowie weitere Schriftstücke, ua die Abschrift einer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Senats vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - (BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77). Mit Schriftsatz vom 18.2.2017 wurde eine weitere Stellungnahme von Prof. Dr. Werding vom 9.1.2017 vorgelegt. Mit Telefax vom 18.7.2017 übersandten die Kläger einen Schriftwechsel aus den Jahren 1988/1989 sowie eine Abhandlung des Deutschen Familienverbands zum "Horizontalen Vergleich 2017". In einem Telefax vom 19.7.2017 gaben die Kläger eine Stellungnahme von Prof. Birg wieder.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 26 bis 99, Blatt 182 bis 240, Blatt 242 bis 337, Blatt 378 bis 383, Blatt 392 bis 396, Blatt 412 bis 441 und Blatt 473 bis 474 der Revisionsakte verwiesen.

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Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Juni 2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 3. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. November 2006 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Januar 2005 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,
hilfsweise
festzustellen, dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,
weiter hilfsweise
festzustellen, dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,
hilfsweise
den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind.

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Die Beigeladene zu 2. beantragt,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

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Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
dir Revision zurückzuweisen.

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Die Beigeladenen zu 1., 3. und 4. stellen keine Anträge.

18

Durch Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 4.7.2014 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass erstmals im Widerspruchsverfahren über das Begehren der Kläger in Bezug auf die Beitragsbemessung in der GKV und sPV entschieden wurde. Dies werfe Fragen der funktionellen und sachlichen Zuständigkeit auf. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG könne sich eine Auseinandersetzung mit den zur Entscheidung gestellten materiell-rechtlichen Fragen möglicherweise erübrigen. Durch Beschluss vom 21.8.2014 wurde das Ruhen des Verfahrens und durch Beschluss vom 5.11.2015 die Fortsetzung des Verfahrens angeordnet.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Kläger ist zulässig.

21

Das LSG hat die Revision gegen sein Urteil vom 27.1.2012 in vollem Umfang zugelassen. Zwar hat es zur Begründung ausgeführt, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sei deshalb gegeben, weil es zur GKV noch keine Rechtsprechung des BSG zu der Frage der Freistellung von der Beitragspflicht für Kinder erziehende Versicherte gebe. Weder dieser Begründung noch dem Tenor des LSG-Urteils ("Die Revision wird zugelassen.") kann jedoch eine Beschränkung der Rechtsmittelzulassung auf die GKV entnommen werden.

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Die Revision ist allerdings im Wesentlichen unbegründet.

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1. Gegenstand des Rechtsstreits sind die mit der Anfechtungsklage angegriffenen Bescheide der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 3.2.2004 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 1.11.2006, in denen sie die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung abgelehnt hat, weil es hierfür keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag.

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Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV für den Zeitraum vom 1.1.2004 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 27.1.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 55 RdNr 21).

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2. Statthafte Klageart für das klägerische Begehren ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff).

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3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

27

Mit den Ausgangsbescheiden vom 3.2.2004 und dem Widerspruchsbescheid vom 1.11.2006 hat die Beklagte entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung in der Sozialversicherung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung selbst entschieden (vgl hierzu ausführlich BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 26 mwN sowie Urteil vom 20.7.2017 - B 12 KR 13/15 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Da der Widerspruchsbescheid vom 1.11.2006 schon aus diesem Grund rechtswidrig ist, kommt es auf die Frage einer darüber hinausgehenden Rechtswidrigkeit aufgrund der erstmaligen Entscheidung zur Beitragserhebung in der GKV und sPV im Widerspruchsverfahren (vgl zu dieser Problematik BSG Urteil vom 20.7.2010 - B 2 U 19/09 R - RdNr 15, Juris mwN) nicht an.

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4. Die neben der erfolgreichen Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist nur hinsichtlich der GRV zulässig. Die Feststellungsklage ist unzulässig, soweit sie die Beitragserhebung in der GKV und sPV betrifft. Insoweit fehlt es an einer Verwaltungsentscheidung der zuständigen Behörde über einen entsprechenden Feststellungsantrag.

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Solange die sachlich zuständige Ausgangsbehörde der Beklagten nicht über den erhobenen Feststellungsanspruch entschieden hat, kann ein Versicherter, außer bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde, kein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung haben (vgl BSG Urteil vom 20.7.2010 - B 2 U 19/09 R - RdNr 12, Juris mwN; vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 55 RdNr 3b mwN). Deshalb ist in der Regel eine Feststellungsklage ohne vorangegangenes Verwaltungsverfahren unzulässig (vgl Groß/Castendiek in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl 2017, § 55 RdNr 26). Dies gilt in besonderem Maße, wenn um die Beitragshöhe gestritten wird. Die Einzugsstelle ist gehalten, streitige Beitragsforderungen jedenfalls gegenüber Beitragsschuldnern, die natürliche Personen oder juristische Personen des Privatrechts sind, durch Verwaltungsakt geltend zu machen; diese Personen können auf eine solche Beitragskonkretisierung mittels Verwaltungsakt nicht dadurch verzichten, dass sie unmittelbar auf Feststellung klagen. Entsprechend sind auch Arbeitgeber und Versicherte selbst zunächst auf ein Verwaltungsverfahren zu verweisen (BSG Urteil vom 22.5.1985 - 12 RK 30/84 - BSGE 58, 150, 152 = SozR 1500 § 55 Nr 27 S 22). Etwas anderes gilt nur, wenn nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens die Feststellungsklage im Vergleich zur Anfechtungsklage eine umfassendere Klärung des Rechtsverhältnisses ermöglicht oder wenn nur noch die mit der Anfechtungsklage verbundene Feststellungsklage eine Entscheidung in der Sache zulässt (BSG Urteil vom 9.10.1984 - 12 RK 18/83 - BSGE 57, 184, 186 = SozR 2200 § 385 Nr 10 S 40 mwN). - Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Vorliegend haben die Kläger ihre ursprünglichen Anträge vom 26.1.2004 allein auf die Beitragserhebung in der GRV bezogen. Hierüber hat die Beklagte in ihren Ausgangsbescheiden vom 3.2.2004 entschieden. Erst im Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses der Beklagten vom 1.11.2006 waren die Regelungen des KiBG und damit - zumindest konkludent - die Beitragserhebung in der sPV gegenständlich. Zwar wird darin auch ein Schreiben der Kläger vom 17.12.2005 erwähnt. Das Schreiben befindet sich jedoch nicht in der Verwaltungsakte der Beklagten und hat diese - ausweislich eines Schreibens des SG Freiburg im Verfahren S 5 KR 3636/06 vom 12.9.2006 auch gar nicht erreicht. Jedenfalls vermag eine Ausdehnung des Begehrens der Kläger im Hinblick auf eine "Beitragsreduzierung" in der GKV und sPV die insoweit fehlende Entscheidung der Ausgangsbehörde durch einen Verwaltungsakt nicht zu ersetzen. Auch angesichts der bisherigen Verfahrensdauer ist ausnahmsweise ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Kläger hinsichtlich der GKV und sPV nicht anzuerkennen, weil sich ihr ursprünglicher Antrag ausdrücklich nur auf einen Beitragsverzicht bzw eine Beitragsreduzierung in der GRV bezogen hat. Erst im Laufe des (zunächst ruhenden) Widerspruchs- und späteren Klageverfahrens, vor allem aber im Berufungsverfahren haben die Kläger ihre Anträge - soweit der erste erweiternde Antrag dem Widerspruchsausschuss der Beklagten überhaupt vorlag - auch auf die GKV und sPV ausgedehnt und präzisiert. Damit fehlt es vorliegend hinsichtlich der Beitragserhebung in der GKV und sPV an einem berechtigten Feststellungsinteresse der Kläger.

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5. Die hinsichtlich der GRV zulässige Feststellungsklage hat im Haupt- sowie hinsichtlich aller Hilfsanträge keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger in der GRV den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV entspricht.

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Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung in der GRV stehen einfachrechtlich betrachtet in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften. Dies sind ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.1.2004 bis 27.1.2012 geltenden Fassungen. Danach ergibt sich der Beitrag, indem der jeweils gültige Beitragssatz mit der Beitragsbemessungsgrundlage, regelmäßig dem Bruttoarbeitsentgelt, vervielfacht wird. Freibeträge, insbesondere Kinderfreibeträge, mindern die Beitragsbemessungsgrundlage nicht. Die Beiträge werden von den Versicherten und ihren Arbeitgebern je zur Hälfte getragen. Eine Beitragsreduzierung für Versicherte mit Kindern oder erhöhte Beiträge für Versicherung ohne Kinder sind nicht vorgesehen.

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Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand. Streitig ist allein die Verfassungsmäßigkeit dieser beitragsrechtlichen Bestimmungen.

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6. Die gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV sowie ihre Anwendung im konkreten Einzelfall sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff BVerfGG bedurfte es daher nicht. Der Senat ist wie bereits in den früheren Entscheidungen aus den Jahren 2006 (ua BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1) und 2015 (BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder (dazu b) in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu c).

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a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die Versicherte neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

35

b) Die Kläger weisen zutreffend darauf hin, dass Versicherte mit Kindern im Vergleich zu Versicherten ohne Kinder im Allgemeinen in ganz besonderem Maße zur Leistungsfähigkeit des Systems der GRV und dessen Nachhaltigkeit beitragen. Das umlagefinanzierte System der GRV funktioniert dauerhaft nur dann, wenn es stets genügend leistungsfähige Beitragszahler gibt, die für die Renten der jeweiligen Rentnergeneration aufkommen können. Ein nachhaltig gestaltetes System der Altersvorsorge setzt voraus, dass der gegenwärtige und zukünftige Sozialaufwand, der für die Gewährung rechtlich verbürgter Sozialleistungen wie Renten erforderlich ist, aus dem zum jeweiligen Zeitpunkt erwirtschaftete Volkseinkommen aufgebracht werden kann. Dies setzt voraus, dass es auch in Zukunft hinreichend viele Erwerbstätige und die Möglichkeit zu produktivem Erwerbsverhalten gibt. Die heute geborenen Kinder müssen - soll das System funktionieren - auch in Zukunft arbeiten können, arbeiten wollen und ausreichend produktive Arbeitsplätze oder sonstige sozialversicherungspflichtige Erwerbsmöglichkeiten vorfinden. Werden nicht ausreichend viele Kinder geboren und wird nicht in ausreichendem Maße für ihr künftiges Erwerbspotential vorgesorgt (Erziehung, Bildung, Infrastruktur, produktive Arbeitsplätze etc), ist die Stabilität des Systems gefährdet. Versicherte mit Kindern leisten insoweit bei typisierender Betrachtung im Allgemeinen mehr für die Nachhaltigkeit des Systems als Versicherte ohne Kinder, denn Versicherte mit Kindern und Versicherte ohne Kinder finanzieren durch ihre monetären Beiträge zwar die aktuellen Renten mit. Versicherte mit Kindern sorgen aber in besonderer Weise dafür, dass es auch künftig Beitragszahler gibt, die künftige Renten finanzieren können. Sie leisten damit zusätzlich zu ihren monetären Beiträgen einen generativen Beitrag. Unbestreitbar ist auch, dass Versicherte mit Kindern und dem damit verbundenen Betreuungs- und Erziehungsaufwand - bei wiederum typisierender Betrachtung - regelmäßig Einschränkungen persönlicher und finanzieller Art unterliegen, denen Versicherte ohne Kinder nicht unterliegen.

36

Zwischen Versicherten mit und ohne Kinder(n) bestehen erhebliche Unterschiede. Und obwohl Versicherte mit Kindern einen sog generativen Beitrag leisten, sind sie nach denselben Vorschriften zur Beitragszahlung in der GRV verpflichtet wie Versicherte ohne Kinder.

37

c) Die Kläger können jedoch nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen. Der Senat ist - was den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeht - im vorliegenden Fall nicht strikt und ausschließlich an die Maßstäbe im sPV-Urteil des BVerfG gebunden (dazu aa). Vielmehr sind die von den Klägern beanstandeten Regelungen des Beitragsrechts der GRV unter Beachtung der Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in erster Linie anhand der vom BVerfG zum allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG - dazu bb) iVm mit dem Familienförderungsgebot des Art 6 GG (Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG - dazu cc) zu prüfen. Eine Verfassungswidrigkeit kann der Senat dabei auch in Kenntnis des zwischenzeitlichen umfangreichen Vorbringens der Kläger, der vorgelegten Stellungnahmen und der zum Senatsurteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - (BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) veröffentlichten sozialrechtlichen Literatur (vgl ua Blüggel, jurisPR-SozR 11/2016 Anm 2; Lenze, NVwZ 2015, 1658; Lenze, SGb 2017, 130; Ruland, NZS 2016, 361; Seiler, NZS 2016, 641; Wenner, SozSich 2015, 344) nicht erkennen.

38

aa) Das BVerfG hat im sPV-Urteil im Tenor ausgeführt, dass die beitragsrechtlichen Regelungen der sPV mit dem GG nicht vereinbar sind, "soweit Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden". Es bleibe dem Gesetzgeber überlassen, wie er die Betreuungs- und Erziehungsleistung bei der Beitragsbemessung von beitragspflichtigen Versicherten mit Kindern berücksichtige. Spätestens bis zum 31.12.2004 habe der Gesetzgeber eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Bei der Bemessung der Frist sei berücksichtigt worden, dass die Bedeutung des vorliegenden Urteils auch für andere Zweige der Sozialversicherung zu prüfen sein werde (BVerfG sPV-Urteil, Juris RdNr 69).

39

Das sPV-Urteil des BVerfG ist auf das Beitragsrecht der GRV nicht "1 : 1" übertragbar. Zwar kommt den Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 1 BVerfGG Gesetzeskraft und nach § 31 Abs 1 BVerfGG Bindungswirkung zu. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - (BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) dargelegt, dass das sPV-Urteil auf das Beitragsrecht der GRV nicht im Wege der den Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG zukommenden Gesetzeskraft und der ihnen nach § 31 Abs 1 BVerfGG zukommenden Bindungswirkung "übertragbar" ist, weil es ausweislich des Tenors nur zur Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen ergangen ist(BSG aaO RdNr 33). Hieran hält der Senat fest.

40

Hinzu kommt, dass die GRV in ihren wesentlichen Strukturprinzipien nicht den Anforderungen entspricht, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat. Insbesondere hatte das BVerfG im sPV-Urteil darauf abgestellt, dass eine Berücksichtigung des generativen Beitrags im Leistungsrecht der Pflegeversicherung nicht in Betracht kommt (BVerfG sPV-Urteil RdNr 71). In der GRV ist dies strukturell bereits anders (hierzu bb) (e)).

41

bb) Der allgemeine Gleichheitssatz in Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl zB BVerfGE 112, 268, 279; stRspr). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl BVerfGE 79, 1, 17; 126, 400, 416 mwN). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (BVerfGE 129, 49, 68; 133, 1, 13 RdNr 44). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 110, 274, 291; stRspr). Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl BVerfGE 75, 108, 157 = SozR 5425 § 1 Nr 1 S 11; BVerfGE 93, 319, 348 f; 107, 27, 46; 126, 400, 416; 129, 49, 69; 132, 179, 188 RdNr 30). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für den Einzelnen verfügbar sind (vgl BVerfGE 88, 87, 96; 129, 49, 69; 130, 240, 254 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 42) oder je mehr sie sich denen des Art 3 Abs 3 GG annähern (vgl BVerfGE 88, 87, 96; 124, 199, 220; 129, 49, 69; 130, 240, 254 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 42). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl BVerfGE 88, 87, 96; 111, 176, 184 = SozR 4-7833 § 1 Nr 4 RdNr 26; BVerfGE 129, 49, 69; 130, 240, 254 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 42).

42

Vorliegend geht es um die Frage, ob der Gesetzgeber im Beitragsrecht der GRV wesentlich Ungleiches ohne hinreichende sachliche Gründe gleichbehandelt. Denn das Beitragsrecht sieht für Versicherte ohne Kinder und für Versicherte mit Kindern keine unterschiedlichen Regelungen vor; weder erhalten Versicherte mit Kindern einen - wie auch immer gearteten - Beitragsrabatt noch werden ihre Beiträge nach einer niedrigeren Bemessungsgrundlage oder einem geringeren Beitragssatz als bei Versicherten ohne Kinder berechnet.

43

Der Senat legt seiner Prüfung einen strengen Prüfungsmaßstab zugrunde, denn den Versicherten steht es nicht frei, an dem die GRV prägenden Umlageverfahren teilzunehmen. Vielmehr ordnet das Gesetz ua für abhängig Beschäftigte, zu denen die Kläger gehören, Versicherungs- und Beitragspflicht an. Dies ist verfassungsrechtlich betrachtet ein Eingriff in die durch Art 2 Abs 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit (vgl BVerfG Beschluss vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 18 = Juris RdNr 49, mwN). Danach ist das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit betroffen, wenn der Gesetzgeber Personen der Pflichtversicherung in einem System der sozialen Sicherheit unterwirft.

44

Auch unter Zugrundelegung eines strengen, am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierten Prüfungsmaßstabs ist es gerechtfertigt und verfassungsrechtlich nicht geboten, dass der Gesetzgeber im Beitragsrecht der GRV zwischen Versicherten mit und ohne Kinder(n) in der Weise differenziert, dass Versicherte ohne Kinder geringere Beiträge als Versicherte mit Kindern zu zahlen haben. Dabei verkennt der Senat nicht, dass Versicherte mit Kindern in der GRV - ebenso wie in der sPV - anders als Versicherte ohne Kinder nicht nur einen pekuniären, sondern - wie bereits ausgeführt wurde - auch einen generativen Beitrag leisten, der für das Funktionieren des Umlageverfahrens unabdingbar ist.

45

Für die fehlende Differenzierung im Beitragsrecht der GRV gibt es hinreichende sachliche Gründe. Der Gesetzgeber hat insoweit die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt.

46

(a) Das Gesetz berücksichtigt den generativen Beitrag von Versicherten mit Kindern und allgemeinen Familienlasten zwar nicht im Beitragsrecht der GRV. Entgegen der Auffassung der Kläger ist aber eine alleinige Fokussierung auf das Beitragsrecht der GRV nicht durch das sPV-Urteil des BVerfG vorgegeben (vgl hierzu BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 49, 60).

47

(b) Das Recht der GRV berücksichtigt die generative Leistung in Form verschiedener familienfördernder Elemente zugunsten Versicherter mit Kindern in erster Linie innerhalb der GRV im Leistungsrecht, darüber hinaus aber auch in anderen Zweigen der Sozialversicherung, in weiteren Bereichen des Sozialrechts sowie in sonstigen Rechtsgebieten wie etwa dem Steuerrecht oder in Form kostenloser Schul-, Fachschul- und Hochschulausbildung. Der Senat verkennt dabei nicht, dass auch Versicherte mit Kindern mit ihren Steuern und Beiträgen ihrerseits in erheblichem Umfang selbst zur Finanzierung von familienfördernden Leistungen beitragen.

48

Im Leistungsrecht gerade der GRV erhalten Versicherte mit Kindern für die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile einen systemimmanenten Ausgleich zB durch Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI), Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung im Umfang von zwei - bzw ab Jahrgang 1992 drei - Jahren für jedes Kind (§ 57 SGB VI), Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI), Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI), Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI), große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI), Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI; vgl ausführlich Buntenbach, Leistungen der Rentenversicherung für Kindererziehung, DRV-Schriften, Band 108, S 19).

49

(c) Der Senat ist davon überzeugt, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums gesellschaftliche Entwicklungen gerade auch mit Blick auf Familien und deren Bedürfnisse berücksichtigt. Er gewährleistet durch die Gewährung von Leistungen vor allem in der GRV eine verfassungsgemäße Behandlung auch der Versicherten mit Kindern. Dass Versicherte mit Kindern durch familienfördernde Leistungen durch den Gesetzgeber "auf Euro und Cent" so gestellt werden müssten, als hätten sie keine Kinder, ist Wortlaut, Sinn und Zweck der einschlägigen Vorschriften des Grundgesetzes (hier insbesondere Art 3 Abs 1 und 3 GG) ebenso wenig zu entnehmen, wie der Rechtsprechung des BVerfG hierzu.

50

Das BVerfG hat im sPV-Urteil ausgeführt, bei der Bemessung der Umsetzungsfrist habe der Senat berücksichtigt, dass die Bedeutung des vorliegenden Urteils auch für andere Zweige der Sozialversicherung zu prüfen sei (BVerfG sPV-Urteil RdNr 69). Die Bundesregierung hat diesen sich aus dem sPV-Urteil des BVerfG ergebenden Prüfauftrag angenommen (siehe BT-Drucks 14/6099 und BT-Drucks 15/4375). Sie hat im November 2002 in Gestalt des damaligen Ministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung die Kommission "Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme" eingerichtet. Diese hat sich ua auch dieser Thematik angenommen und gelangte zu dem Ergebnis, dass der vom Gesetzgeber beschrittene Weg, Kindererziehung auf der Leistungsseite zu honorieren, sachgerecht sei.

51

Der Gesetzgeber hat zur Beseitigung der verfassungswidrigen Lage in der sPV den Pflegeversicherungsbeitrag für Versicherte ohne Kinder erhöht. Der Gesetzgeber hat indessen davon abgesehen, den generativen Beitrag auch in der GRV in entsprechender Weise zu berücksichtigen. Er überschreitet damit nach Überzeugung des Senats in der GRV die sich aus Art 3 Abs 1 GG ergebenden Grenzen seines Gestaltungsspielraums nicht.

52

(d) Vor allem wird durch das geltende Recht ein Eingriff in das Beitragsrecht der GRV und der die GRV prinzipiell prägenden Beziehung von erbrachter Beitragsleistung und späterer (Renten-)Leistung verhindert. Rentenleistungen sind hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Dieses Prinzip fördert, weil es für jedermann ohne Weiteres nachvollziehbar ist, die Akzeptanz des Vorsorgesystems GRV.

53

(e) Zudem unterscheidet sich hierdurch das Leistungsrecht der GRV auch strukturell wesentlich von demjenigen der sPV: Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern bedarfsbezogen. Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV - anders als in der GRV geschehen - von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Entgegen der Auffassung der Kläger hält der Senat daran fest, dass es keine verfassungsrechtliche Verpflichtung gibt, den von den Klägern erstrebten Nachteilsausgleich allein im Beitragsrecht der GRV bzw kumulativ beitrags- und leistungsrechtlich in der GRV zu verwirklichen (so bereits BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 47, 49). Soweit angenommen wird, das BVerfG habe demgegenüber in seinem sPV-Urteil diesbezüglich einen "qualitativen Sprung" (so Lenze, SGb 2017, 130, 133) zu den Ausführungen im Trümmerfrauenurteil (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) gemacht bzw - so die Kläger - einen "grundlegenden Paradigmenwechsel" vorgenommen, teilt der Senat diese Ansicht erneut nicht (vgl insoweit BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 60). Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern bedarfsbezogen. Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell, weil danach Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig sind (vgl § 63 SGB VI).

54

(f) Es ist nicht Sache des Revisionsgerichts darüber zu befinden, ob der Gesetzgeber seiner Pflicht, Versicherte mit Kindern mit Blick auf das Familienförderungsgebot "besser" durch Entlastungen der Versicherten auf der Beitragsseite statt - wie zB durch den Ausbau von Kindererziehungszeiten - auf der Leistungsseite nachgekommen wäre, ob der Gesetzgeber - mit anderen Worten - "die beste Lösung" gewählt hat. Eine zulässige Vorlage an das BVerfG kommt nur dann in Betracht, wenn das vorlegende Gericht von der Unvereinbarkeit der zur Prüfung gestellten Regelung mit der Verfassung ausgeht (vgl ua BVerfG Urteil vom 17.12.2014 - 1 BvL 21/12 - BVerfGE 138, 136 RdNr 93 mwN). Bloße Zweifel sind nicht ausreichend. Erst recht würde es für eine zulässige Vorlage nach Art 100 Abs 1 GG nicht ausreichen, wenn das Gericht lediglich eine andere, stärker familienfördernde gesetzliche Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV bzw der Sozialversicherung insgesamt für sozialpolitisch wünschenswert halten würde. Dies gilt auch hinsichtlich der von den Klägern thematisierten sozial- und gesellschaftspolitisch zukunftsgerichteten Angemessenheit der GRV aus volkswirtschaftlich/ökonomischer Sicht. Demzufolge bedarf ua die Frage, ob bei der Prüfung der Mindestgeschlossenheit der GRV (hierzu BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 36 ff) eine Quer- oder Längsschnittbetrachtung ökonomisch sinnvoller wäre (hierzu Stellungnahme Werding vom 9.3.2016 S 3 f), keiner Entscheidung. Es ist Aufgabe des dazu berufenen parlamentarischen Gesetzgebers, gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Entwicklungen zu beobachten und aus ihrer wissenschaftlichen Analyse Rückschlüsse für die künftige Ausgestaltung des Sozialversicherungssystems zu ziehen. Der Senat verkennt dabei nicht, dass Versicherte mit Kindern insoweit - aus ihrer subjektiven Sicht verständlich - weitergehende rechts- und familienpolitische Forderungen stellen. Deren Erfüllung ist verfassungsrechtlich jedoch nicht zwingend geboten.

55

cc) Die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen auch nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG iVm Art 3 GG. Denn der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie auch nicht gehalten, gerade die Beitragslast von Versicherten mit Kindern auszugleichen. Der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ist zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich zu entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl hierzu BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 35 mwN).

56

Im Übrigen ist festzustellen, dass das Gesetz zahlreiche derartige Leistungen vorsieht. Zu nennen sind ua familienfördernde und familienentlastende Leistungen in anderen Bereichen des Sozialversicherungsrechts, des Sozialrechts und in anderen Rechtsbereichen zB die Gewährung von Versicherungspflichtzeiten im Arbeitsförderungsrecht für die Zeit der Kindererziehung (§ 26 Abs 2a SGB III), die Gewährung von Elterngeld und zuvor Erziehungsgeld (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, zuvor Bundeserziehungsgeldgesetz) oder die Gewährung von Kindergeld (Bundeskindergeldgesetz) oder bzw Kinderfreibeträgen im Steuerrecht (Einkommensteuergesetz).

57

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 226 Beitragspflichtige Einnahmen versicherungspflichtig Beschäftigter


(1) Bei versicherungspflichtig Beschäftigten werden der Beitragsbemessung zugrunde gelegt1.das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung,2.der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung,3.der Zahlbetrag der der Ren

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Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 57 Beitragspflichtige Einnahmen


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(1) Die Beiträge sind für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt. (2) Die Beiträge werden nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Für die Berechnung ist die Woche zu

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 63 Grundsätze


(1) Die Höhe einer Rente richtet sich vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. (2) Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 13


Das Bundesverfassungsgericht entscheidet 1. über die Verwirkung von Grundrechten (Artikel 18 des Grundgesetzes),2. über die Verfassungswidrigkeit von Parteien (Artikel 21 Abs. 2 des Grundgesetzes),2a. über den Ausschluss von Parteien von staatlicher

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 249 Beitragszeiten wegen Kindererziehung


(1) Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet 30 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. (2) Bei der Anrechnung einer Kindererziehungszeit steht der Erziehung im Inland die Erziehung im jeweiligen Gelt

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 162 Beitragspflichtige Einnahmen Beschäftigter


Beitragspflichtige Einnahmen sind 1. bei Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden, das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung, jedoch bei Personen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden, mindestens eins

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 160 Verordnungsermächtigung


Die Bundesregierung hat durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates 1. die Beitragssätze in der Rentenversicherung,2. in Ergänzung der Anlage 2 die Beitragsbemessungsgrenzenfestzusetzen.

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 57 Berücksichtigungszeiten


Die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr ist bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen. Dies gilt fü

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 54 Grundsatz


(1) Die Mittel für die Pflegeversicherung werden durch Beiträge sowie sonstige Einnahmen gedeckt. (2) Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgren

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 158 Beitragssätze


(1) Der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung ist vom 1. Januar eines Jahres an zu verändern, wenn am 31. Dezember dieses Jahres bei Beibehaltung des bisherigen Beitragssatzes die Mittel der Nachhaltigkeitsrücklage 1. das 0,2fache der du

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 47 Erziehungsrente


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Erziehungsrente, wenn 1. ihre Ehe nach dem 30. Juni 1977 geschieden und ihr geschiedener Ehegatte gestorben ist,2. sie ein eigenes Kind oder ein Kind des geschiedenen Ehegatte

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 243 Witwenrente und Witwerrente an vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten


(1) Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente besteht ohne Beschränkung auf 24 Kalendermonate auch für geschiedene Ehegatten, 1. deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist,2. die weder wieder geheiratet noch eine Lebenspartnerschaft

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 161 Grundsatz


(1) Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen. (2) Beitragsbemessungsgrundlage für freiwillig Versicherte ist jeder Betrag zwischen der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage (§ 167) und der Beitra

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 157 Grundsatz


Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird.

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 177 Beitragszahlung für Kindererziehungszeiten


(1) Die Beiträge für Kindererziehungszeiten werden vom Bund gezahlt. (2) Der Bund zahlt zur pauschalen Abgeltung für die Beitragszahlung für Kindererziehungszeiten an die allgemeine Rentenversicherung für das Jahr 2000 einen Betrag in Höhe von 22

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 249a Beitragszeiten wegen Kindererziehung im Beitrittsgebiet


(1) Elternteile, die am 18. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten, sind von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen, wenn sie vor dem 1. Januar 1927 geboren sind. (2) Ist ein Elternteil bis zum 31. Deze

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 78a Zuschlag bei Witwenrenten und Witwerrenten


(1) Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten bei Witwenrenten und Witwerrenten richtet sich nach der Dauer der Erziehung von Kindern bis zur Vollendung ihres dritten Lebensjahres. Die Dauer ergibt sich aus der Summe der Anzahl an Kalendermonaten m

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 153 Umlageverfahren


(1) In der Rentenversicherung werden die Ausgaben eines Kalenderjahres durch die Einnahmen des gleichen Kalenderjahres und, soweit erforderlich, durch Entnahmen aus der Nachhaltigkeitsrücklage gedeckt. (2) Einnahmen der allgemeinen Rentenversiche

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 243a Rente wegen Todes an vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten im Beitrittsgebiet


Bestimmt sich der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach dem Recht, das im Beitrittsgebiet gegolten hat, ist § 243 nicht anzuwenden. In diesen Fällen besteht Anspruch auf Erziehungsrente bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch, w

Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012 | § 1 Beitragssätze in der Rentenversicherung


Der Beitragssatz für das Jahr 2012 beträgt in der allgemeinen Rentenversicherung 19,6 Prozent und in der knappschaftlichen Rentenversicherung 26,0 Prozent.

Referenzen - Urteile

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Bundessozialgericht Urteil, 20. Juli 2017 - B 12 KR 14/15 R zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundessozialgericht Urteil, 20. Juli 2017 - B 12 KR 14/15 R zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 20. Juli 2017 - B 12 KR 13/15 R

bei uns veröffentlicht am 20.07.2017

Tenor Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Juni 2010 aufgehoben.

Bundessozialgericht Urteil, 30. Sept. 2015 - B 12 KR 15/12 R

bei uns veröffentlicht am 30.09.2015

Tenor Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Bundesverfassungsgericht Urteil, 17. Dez. 2014 - 1 BvL 21/12

bei uns veröffentlicht am 17.12.2014

Tenor 1. Mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes sind seit dem Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes zum 1. Januar 2009 unvereinbar § 13a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes

Bundessozialgericht Urteil, 20. Juli 2010 - B 2 U 19/09 R

bei uns veröffentlicht am 20.07.2010

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Mai 2009 wird zurückgewiesen, soweit ihre Berufung gegen die Aufhebung der Ablehnung eines Anspr
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Urteil, 20. Juli 2017 - B 12 KR 14/15 R.

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 28. Feb. 2018 - L 2 U 200/15

bei uns veröffentlicht am 28.02.2018

Tenor I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 07.04.2015 wird zurückgewiesen. II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin. III. Die Revision wird zugelassen. IV. Der S

Bundessozialgericht Urteil, 28. Juni 2018 - B 5 R 12/17 R

bei uns veröffentlicht am 28.06.2018

Tenor Die Revision wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatt

Bundessozialgericht Urteil, 21. März 2018 - B 13 R 19/14 R

bei uns veröffentlicht am 21.03.2018

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. März 2013 wird zurückgewiesen.

Referenzen

Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird.

(1) Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen.

(2) Beitragsbemessungsgrundlage für freiwillig Versicherte ist jeder Betrag zwischen der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage (§ 167) und der Beitragsbemessungsgrenze.

Beitragspflichtige Einnahmen sind

1.
bei Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden, das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung, jedoch bei Personen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden, mindestens eins vom Hundert der Bezugsgröße,
2.
bei behinderten Menschen das Arbeitsentgelt, mindestens 80 vom Hundert der Bezugsgröße,
2a.
bei behinderten Menschen, die im Anschluss an eine Beschäftigung in einer nach dem Neunten Buch anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder nach einer Beschäftigung bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches in einem Inklusionsbetrieb (§ 215 des Neunten Buches) beschäftigt sind, das Arbeitsentgelt, mindestens 80 vom Hundert der Bezugsgröße,
3.
bei Personen, die für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen oder im Rahmen einer Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches individuell betrieblich qualifiziert werden, ein Arbeitsentgelt in Höhe von 20 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße,
3a.
(weggefallen)
4.
bei Mitgliedern geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörigen ähnlicher Gemeinschaften die Geld- und Sachbezüge, die sie persönlich erhalten, jedoch bei Mitgliedern, denen nach Beendigung ihrer Ausbildung eine Anwartschaft auf die in der Gemeinschaft übliche Versorgung nicht gewährleistet oder für die die Gewährleistung nicht gesichert ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3), mindestens 40 vom Hundert der Bezugsgröße,
5.
bei Personen, deren Beschäftigung nach dem Einkommensteuerrecht als selbständige Tätigkeit bewertet wird, ein Einkommen in Höhe der Bezugsgröße, bei Nachweis eines niedrigeren oder höheren Einkommens jedoch dieses Einkommen, mindestens jedoch das Zwölffache der Geringfügigkeitsgrenze. § 165 Abs. 1 Satz 2 bis 10 gilt entsprechend.

Versicherungspflichtig sind

1.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind; während des Bezuges von Kurzarbeitergeld nach dem Dritten Buch besteht die Versicherungspflicht fort,
2.
behinderte Menschen, die
a)
in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind,
b)
in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung,
3.
Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe oder in Berufsbildungswerken oder ähnlichen Einrichtungen für behinderte Menschen für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen; dies gilt auch für Personen während der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches,
3a.
(weggefallen)
4.
Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften während ihres Dienstes für die Gemeinschaft und während der Zeit ihrer außerschulischen Ausbildung.
Personen, die Wehrdienst leisten und nicht in einem Dienstverhältnis als Berufssoldat oder Soldat auf Zeit stehen, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Satz 1 Nr. 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienstleistende im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 oder 2a und Satz 4. Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft sind in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, nicht versicherungspflichtig beschäftigt, wobei Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes als ein Unternehmen gelten. Die in Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten Personen gelten als Beschäftigte im Sinne des Rechts der Rentenversicherung. Die folgenden Personen stehen den Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 gleich:
1.
Auszubildende, die in einer außerbetrieblichen Einrichtung im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz ausgebildet werden,
2.
Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(1) Die Beiträge sind für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt.

(2) Die Beiträge werden nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Für die Berechnung ist die Woche zu sieben, der Monat zu dreißig und das Jahr zu dreihundertsechzig Tagen anzusetzen.

(3) Beitragspflichtige Einnahmen sind bis zu einem Betrag von einem Dreihundertsechzigstel der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 für den Kalendertag zu berücksichtigen (Beitragsbemessungsgrenze). Einnahmen, die diesen Betrag übersteigen, bleiben außer Ansatz, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt.

(1) Bei versicherungspflichtig Beschäftigten werden der Beitragsbemessung zugrunde gelegt

1.
das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung,
2.
der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung,
3.
der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge),
4.
das Arbeitseinkommen, soweit es neben einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder Versorgungsbezügen erzielt wird.
Dem Arbeitsentgelt steht das Vorruhestandsgeld gleich. Bei Auszubildenden, die in einer außerbetrieblichen Einrichtung im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz ausgebildet werden, steht die Ausbildungsvergütung dem Arbeitsentgelt gleich.

(2) Die nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu bemessenden Beiträge sind nur zu entrichten, wenn die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 insgesamt ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches übersteigen. Überschreiten die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 insgesamt ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches, ist von den monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach § 229 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 ein Freibetrag in Höhe von einem Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches abzuziehen; der abzuziehende Freibetrag ist der Höhe nach begrenzt auf die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach § 229 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5; bis zum 31. Dezember 2020 ist § 27 Absatz 1 des Vierten Buches nicht anzuwenden. Für die Beitragsbemessung nach dem Arbeitseinkommen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 gilt § 240 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 4a entsprechend.

(3) Für Schwangere, deren Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 2 erhalten bleibt, gelten die Bestimmungen der Satzung.

(4) Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die gegen ein monatliches Arbeitsentgelt bis zum oberen Grenzbetrag des Übergangsbereichs (§ 20 Absatz 2 des Vierten Buches) mehr als geringfügig beschäftigt sind, bestimmt sich die beitragspflichtige Einnahme nach § 20 Absatz 2a Satz 1 des Vierten Buches.

(5) Für Personen, für die § 7 Absatz 2 Anwendung findet, bestimmt sich die beitragspflichtige Einnahme nach § 134 des Vierten Buches.

(1) Die Mittel für die Pflegeversicherung werden durch Beiträge sowie sonstige Einnahmen gedeckt.

(2) Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55) erhoben. Die Beiträge sind für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt. Für die Berechnung der Beiträge ist die Woche zu sieben, der Monat zu 30 und das Jahr zu 360 Tagen anzusetzen.

(3) Die Vorschriften des Zwölften Kapitels des Fünften Buches gelten entsprechend.

(1) Bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, gelten für die Beitragsbemessung § 226 Absatz 1, 2 Satz 1 und 3, Absatz 3 bis 5 sowie die §§ 227 bis 232a, 233 bis 238 und § 244 des Fünften Buches sowie die §§ 23a und 23b Abs. 2 bis 4 des Vierten Buches. Bei Personen, die Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches beziehen, ist abweichend von § 232a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Fünften Buches das 0,2266fache der monatlichen Bezugsgröße zugrunde zu legen und sind abweichend von § 54 Absatz 2 Satz 2 die Beiträge für jeden Kalendermonat, in dem mindestens für einen Tag eine Mitgliedschaft besteht, zu zahlen; § 232a Absatz 1a des Fünften Buches gilt entsprechend.

(2) Bei Beziehern von Krankengeld gilt als beitragspflichtige Einnahmen 80 vom Hundert des Arbeitsentgelts, das der Bemessung des Krankengeldes zugrundeliegt. Dies gilt auch für den Krankengeldbezug eines rentenversicherungspflichtigen mitarbeitenden Familienangehörigen eines landwirtschaftlichen Unternehmers. Beim Krankengeldbezug eines nicht rentenversicherungspflichtigen mitarbeitenden Familienangehörigen ist der Zahlbetrag der Leistung der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Bei Personen, die Krankengeld nach § 44a des Fünften Buches beziehen, wird das der Leistung zugrunde liegende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde gelegt; wird dieses Krankengeld nach § 47b des Fünften Buches gezahlt, gelten die Sätze 1 bis 3. Bei Personen, die Leistungen für den Ausfall von Arbeitseinkünften von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen, von einem Beihilfeträger des Bundes, von einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Träger von Kosten in Krankheitsfällen auf Bundesebene, von dem Träger der Heilfürsorge im Bereich des Bundes, von dem Träger der truppenärztlichen Versorgung oder von einem öffentlich-rechtlichen Träger von Kosten in Krankheitsfällen auf Landesebene, soweit Landesrecht dies vorsieht, im Zusammenhang mit einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen erhalten, wird das diesen Leistungen zugrunde liegende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde gelegt. Bei Personen, die Krankengeld nach § 45 Absatz 1 des Fünften Buches beziehen, gelten als beitragspflichtige Einnahmen 80 Prozent des während der Freistellung ausgefallenen, laufenden Arbeitsentgelts oder des der Leistung zugrunde liegenden Arbeitseinkommens.

(3) Für die Beitragsbemessung der in § 20 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 genannten Altenteiler gilt § 45 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte.

(4) Bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung und bei Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, ist für die Beitragsbemessung § 240 des Fünften Buches entsprechend anzuwenden. Für die Beitragsbemessung der in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Rentenantragsteller und freiwillig versicherten Rentner finden darüber hinaus die §§ 238a und 239 des Fünften Buches entsprechende Anwendung. Abweichend von Satz 1 ist bei Mitgliedern nach § 20 Abs. 1 Nr. 10, die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert sind, § 236 des Fünften Buches entsprechend anzuwenden; als beitragspflichtige Einnahmen der satzungsmäßigen Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und ähnlicher Personen, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, sind der Wert für gewährte Sachbezüge oder das ihnen zur Beschaffung der unmittelbaren Lebensbedürfnisse an Wohnung, Verpflegung, Kleidung und dergleichen gezahlte Entgelt zugrunde zu legen. Bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung, die von einem Rehabilitationsträger Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld erhalten, gilt für die Beitragsbemessung § 235 Abs. 2 des Fünften Buches entsprechend; für die in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherten gilt § 46 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte.

(5) Der Beitragsberechnung von Personen, die nach § 26 Abs. 2 weiterversichert sind, werden für den Kalendertag der 180. Teil der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zugrunde gelegt.

(1) Bei versicherungspflichtig Beschäftigten werden der Beitragsbemessung zugrunde gelegt

1.
das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung,
2.
der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung,
3.
der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge),
4.
das Arbeitseinkommen, soweit es neben einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder Versorgungsbezügen erzielt wird.
Dem Arbeitsentgelt steht das Vorruhestandsgeld gleich. Bei Auszubildenden, die in einer außerbetrieblichen Einrichtung im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz ausgebildet werden, steht die Ausbildungsvergütung dem Arbeitsentgelt gleich.

(2) Die nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu bemessenden Beiträge sind nur zu entrichten, wenn die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 insgesamt ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches übersteigen. Überschreiten die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 insgesamt ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches, ist von den monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach § 229 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 ein Freibetrag in Höhe von einem Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches abzuziehen; der abzuziehende Freibetrag ist der Höhe nach begrenzt auf die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach § 229 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5; bis zum 31. Dezember 2020 ist § 27 Absatz 1 des Vierten Buches nicht anzuwenden. Für die Beitragsbemessung nach dem Arbeitseinkommen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 gilt § 240 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 4a entsprechend.

(3) Für Schwangere, deren Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 2 erhalten bleibt, gelten die Bestimmungen der Satzung.

(4) Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die gegen ein monatliches Arbeitsentgelt bis zum oberen Grenzbetrag des Übergangsbereichs (§ 20 Absatz 2 des Vierten Buches) mehr als geringfügig beschäftigt sind, bestimmt sich die beitragspflichtige Einnahme nach § 20 Absatz 2a Satz 1 des Vierten Buches.

(5) Für Personen, für die § 7 Absatz 2 Anwendung findet, bestimmt sich die beitragspflichtige Einnahme nach § 134 des Vierten Buches.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

(1) Die Beiträge für Kindererziehungszeiten werden vom Bund gezahlt.

(2) Der Bund zahlt zur pauschalen Abgeltung für die Beitragszahlung für Kindererziehungszeiten an die allgemeine Rentenversicherung für das Jahr 2000 einen Betrag in Höhe von 22,4 Milliarden Deutsche Mark. Dieser Betrag verändert sich im jeweils folgenden Kalenderjahr in dem Verhältnis, in dem

1.
die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Abs. 2 Satz 1) im vergangenen Kalenderjahr zu den entsprechenden Bruttolöhnen und -gehältern im vorvergangenen Kalenderjahr stehen,
2.
bei Veränderungen des Beitragssatzes der Beitragssatz des Jahres, für das er bestimmt wird, zum Beitragssatz des laufenden Kalenderjahres steht,
3.
die Anzahl der unter Dreijährigen im vorvergangenen Kalenderjahr zur entsprechenden Anzahl der unter Dreijährigen in dem dem vorvergangenen vorausgehenden Kalenderjahr steht.

(3) Bei der Bestimmung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer sind für das vergangene Kalenderjahr und für das vorvergangene Kalenderjahr die Daten zugrunde zu legen, die dem Statistischen Bundesamt zu Beginn des Kalenderjahres, in dem die Bestimmung erfolgt, vorliegen. Bei der Anzahl der unter Dreijährigen in einem Kalenderjahr sind die für das jeweilige Kalenderjahr zum Jahresende vorliegenden Daten des Statistischen Bundesamtes zugrunde zu legen.

(4) Die Beitragszahlung des Bundes erfolgt in zwölf gleichen Monatsraten. Die Festsetzung und Auszahlung der Monatsraten sowie die Abrechnung führt das Bundesamt für Soziale Sicherung entsprechend den haushaltsrechtlichen Vorschriften durch.

(1) Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn

1.
die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,
2.
die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und
3.
der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

(2) Eine Erziehungszeit ist dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet. Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist. Die Zuordnung kann auf einen Teil der Erziehungszeit beschränkt werden. Die übereinstimmende Erklärung der Eltern ist mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben. Die Zuordnung kann rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung erfolgen, es sei denn, für einen Elternteil ist unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine Leistung bindend festgestellt, ein Versorgungsausgleich oder ein Rentensplitting durchgeführt. Für die Abgabe der Erklärung gilt § 16 des Ersten Buches über die Antragstellung entsprechend. Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, wird die Erziehungszeit dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter, bei gleichgeschlechtlichen Elternteilen zum Elternteil nach den §§ 1591 oder 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, oder wenn es einen solchen nicht gibt, zu demjenigen Elternteil, der seine Elternstellung zuerst erlangt hat. Ist eine Zuordnung nach den Sätzen 8 und 9 nicht möglich, werden die Erziehungszeiten zu gleichen Teilen im kalendermonatlichen Wechsel zwischen den Elternteilen aufgeteilt, wobei der erste Kalendermonat dem älteren Elternteil zuzuordnen ist.

(3) Eine Erziehung ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war.

(4) Elternteile sind von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie

1.
während der Erziehungszeit oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt haben, die aufgrund
a)
einer zeitlich begrenzten Entsendung in dieses Gebiet (§ 5 Viertes Buch) oder
b)
einer Regelung des zwischen- oder überstaatlichen Rechts oder einer für Bedienstete internationaler Organisationen getroffenen Regelung (§ 6 Viertes Buch)
den Vorschriften über die Versicherungspflicht nicht unterliegt,
2.
während der Erziehungszeit zu den in § 5 Absatz 4 genannten Personen gehören oder
3.
während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach diesem Buch; als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig gilt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen.

(5) Die Kindererziehungszeit beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Wird während dieses Zeitraums vom erziehenden Elternteil ein weiteres Kind erzogen, für das ihm eine Kindererziehungszeit anzurechnen ist, wird die Kindererziehungszeit für dieses und jedes weitere Kind um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Erziehung verlängert.

(1) Versichert sind der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern sowie die Kinder von familienversicherten Kindern, wenn diese Familienangehörigen

1.
ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben,
2.
nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, 2, 2a, 3 bis 8, 11 bis 12 oder nicht freiwillig versichert sind,
3.
nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit sind; dabei bleibt die Versicherungsfreiheit nach § 7 außer Betracht,
4.
nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und
5.
kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches überschreitet; bei Abfindungen, Entschädigungen oder ähnlichen Leistungen (Entlassungsentschädigungen), die wegen der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses in Form nicht monatlich wiederkehrender Leistungen gezahlt werden, wird das zuletzt erzielte monatliche Arbeitsentgelt für die der Auszahlung der Entlassungsentschädigung folgenden Monate bis zu dem Monat berücksichtigt, in dem im Fall der Fortzahlung des Arbeitsentgelts die Höhe der gezahlten Entlassungsentschädigung erreicht worden wäre; bei Renten wird der Zahlbetrag ohne den auf Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten entfallenden Teil berücksichtigt; für Familienangehörige, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a des Vierten Buches in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, ist ein regelmäßiges monatliches Gesamteinkommen bis zur Geringfügigkeitsgrenze zulässig.
Eine hauptberufliche selbständige Tätigkeit im Sinne des Satzes 1 Nr. 4 ist nicht deshalb anzunehmen, weil eine Versicherung nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte vom 29. Juli 1994 (BGBl. I S. 1890, 1891) besteht. Ehegatten und Lebenspartner sind für die Dauer der Schutzfristen nach § 3 des Mutterschutzgesetzes sowie der Elternzeit nicht versichert, wenn sie zuletzt vor diesen Zeiträumen nicht gesetzlich krankenversichert waren.

(2) Kinder sind versichert

1.
bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres,
2.
bis zur Vollendung des dreiundzwanzigsten Lebensjahres, wenn sie nicht erwerbstätig sind,
3.
bis zur Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder ein freiwilliges soziales Jahr oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes leisten; wird die Schul- oder Berufsausbildung durch Erfüllung einer gesetzlichen Dienstpflicht des Kindes unterbrochen oder verzögert, besteht die Versicherung auch für einen der Dauer dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum über das fünfundzwanzigste Lebensjahr hinaus; dies gilt auch bei einer Unterbrechung oder Verzögerung durch den freiwilligen Wehrdienst nach § 58b des Soldatengesetzes, einen Freiwilligendienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz, dem Jugendfreiwilligendienstegesetz oder einen vergleichbaren anerkannten Freiwilligendienst oder durch eine Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes für die Dauer von höchstens zwölf Monaten; wird als Berufsausbildung ein Studium an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule abgeschlossen, besteht die Versicherung bis zum Ablauf des Semesters fort, längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres; § 186 Absatz 7 Satz 2 und 3 gilt entsprechend,
4.
ohne Altersgrenze, wenn sie als Menschen mit Behinderungen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches) außerstande sind, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, daß die Behinderung zu einem Zeitpunkt vorlag, in dem das Kind innerhalb der Altersgrenzen nach den Nummern 1, 2 oder 3 familienversichert war oder die Familienversicherung nur wegen einer Vorrangversicherung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ausgeschlossen war.

(3) Kinder sind nicht versichert, wenn der mit den Kindern verwandte Ehegatte oder Lebenspartner des Mitglieds nicht Mitglied einer Krankenkasse ist und sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt und regelmäßig höher als das Gesamteinkommen des Mitglieds ist; bei Renten wird der Zahlbetrag berücksichtigt.

(4) Als Kinder im Sinne der Absätze 1 bis 3 gelten auch Stiefkinder und Enkel, die das Mitglied überwiegend unterhält oder in seinen Haushalt aufgenommen hat, sowie Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches). Kinder, die mit dem Ziel der Annahme als Kind in die Obhut des Annehmenden aufgenommen sind und für die die zur Annahme erforderliche Einwilligung der Eltern erteilt ist, gelten als Kinder des Annehmenden und nicht mehr als Kinder der leiblichen Eltern. Stiefkinder im Sinne des Satzes 1 sind auch die Kinder des Lebenspartners eines Mitglieds.

(5) Sind die Voraussetzungen der Absätze 1 bis 4 mehrfach erfüllt, wählt das Mitglied die Krankenkasse.

(6) Das Mitglied hat die nach den Absätzen 1 bis 4 Versicherten mit den für die Durchführung der Familienversicherung notwendigen Angaben sowie die Änderung dieser Angaben an die zuständige Krankenkasse zu melden. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen legt für die Meldung nach Satz 1 ein einheitliches Verfahren und einheitliche Meldevordrucke fest.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

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Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

94

Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

94

Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird.

(1) Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen.

(2) Beitragsbemessungsgrundlage für freiwillig Versicherte ist jeder Betrag zwischen der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage (§ 167) und der Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Beiträge sind für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt.

(2) Die Beiträge werden nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Für die Berechnung ist die Woche zu sieben, der Monat zu dreißig und das Jahr zu dreihundertsechzig Tagen anzusetzen.

(3) Beitragspflichtige Einnahmen sind bis zu einem Betrag von einem Dreihundertsechzigstel der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 für den Kalendertag zu berücksichtigen (Beitragsbemessungsgrenze). Einnahmen, die diesen Betrag übersteigen, bleiben außer Ansatz, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt.

(1) Die Mittel für die Pflegeversicherung werden durch Beiträge sowie sonstige Einnahmen gedeckt.

(2) Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55) erhoben. Die Beiträge sind für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt. Für die Berechnung der Beiträge ist die Woche zu sieben, der Monat zu 30 und das Jahr zu 360 Tagen anzusetzen.

(3) Die Vorschriften des Zwölften Kapitels des Fünften Buches gelten entsprechend.

(1) Bei versicherungspflichtig Beschäftigten werden der Beitragsbemessung zugrunde gelegt

1.
das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung,
2.
der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung,
3.
der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge),
4.
das Arbeitseinkommen, soweit es neben einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder Versorgungsbezügen erzielt wird.
Dem Arbeitsentgelt steht das Vorruhestandsgeld gleich. Bei Auszubildenden, die in einer außerbetrieblichen Einrichtung im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz ausgebildet werden, steht die Ausbildungsvergütung dem Arbeitsentgelt gleich.

(2) Die nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu bemessenden Beiträge sind nur zu entrichten, wenn die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 insgesamt ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches übersteigen. Überschreiten die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 insgesamt ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches, ist von den monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach § 229 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 ein Freibetrag in Höhe von einem Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches abzuziehen; der abzuziehende Freibetrag ist der Höhe nach begrenzt auf die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach § 229 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5; bis zum 31. Dezember 2020 ist § 27 Absatz 1 des Vierten Buches nicht anzuwenden. Für die Beitragsbemessung nach dem Arbeitseinkommen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 gilt § 240 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 4a entsprechend.

(3) Für Schwangere, deren Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 2 erhalten bleibt, gelten die Bestimmungen der Satzung.

(4) Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die gegen ein monatliches Arbeitsentgelt bis zum oberen Grenzbetrag des Übergangsbereichs (§ 20 Absatz 2 des Vierten Buches) mehr als geringfügig beschäftigt sind, bestimmt sich die beitragspflichtige Einnahme nach § 20 Absatz 2a Satz 1 des Vierten Buches.

(5) Für Personen, für die § 7 Absatz 2 Anwendung findet, bestimmt sich die beitragspflichtige Einnahme nach § 134 des Vierten Buches.

(1) Mit der Klage kann begehrt werden

1.
die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,
2.
die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,
3.
die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist,
4.
die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts,
wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

(2) Unter Absatz 1 Nr. 1 fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind.

(3) Mit Klagen, die sich gegen Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch richten, kann die Feststellung begehrt werden, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

94

Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Juni 2010 aufgehoben.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 29. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Februar 2008 verpflichtet, ihren Bescheid vom 21. Juli 2006 zurückzunehmen.

Die Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern mit mehreren Kindern im Hinblick auf einen höheren Betreuungs- und Erziehungsaufwand, ggf gestaffelt nach Kinderzahl, zu mindern sind.

2

Der Kläger und die Klägerin - verheiratete Eltern ihrer beiden 1993 und 1996 geborenen Kinder - waren bei den Beigeladenen zu 3. und 4. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglieder der beklagten Krankenkasse sowie der beigeladenen Pflegekasse (Beigeladene zu 2.). Sie sind bei dem beigeladenen Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 1.) rentenversichert. Beiträge zu den genannten Versicherungszweigen wurden in gesetzlicher Höhe entrichtet.

3

Im Juli 2006 stellten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Hinweis auf das Urteil des BVerfG zur sPV vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2; im folgenden sPV-Urteil) den Antrag, bei der Beitragserhebung zu den genannten Versicherungszweigen den Unterhalt für ihre beiden Kinder und die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für diese mindernd zu berücksichtigen. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21.7.2006 eine Herabsetzung unter Hinweis darauf ab, dass der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448) umfassend nachgekommen sei und die Versicherungsträger an diese gesetzlichen Vorgaben gebunden seien.

4

Den hiergegen erhobenen, verspätet eingegangenen Widerspruch sah die Beklagte als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X an. Mit an die Kläger gerichtetem Bescheid vom 29.11.2007 und Widerspruchsbescheid vom 29.2.2008 lehnte sie die Rücknahme ihres Bescheides vom 21.7.2006 ab; eine Reduzierung der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge (Arbeitnehmeranteile) für die Zeit ab Juli 2006 und eine Beitragserstattung könnten nicht beansprucht werden.

5

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 30.6.2010). Im Berufungsverfahren haben die Kläger ihre Klageanträge "präzisiert" und unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und der entgegenstehenden Bescheide die Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme ihres Bescheides vom 21.7.2006 insoweit begehrt, als darin Sozialversicherungsbeiträge nach einer "die Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung" übersteigenden Summe erhoben wurden. Hilfsweise haben sie die Verpflichtung zur Rücknahme insoweit erstrebt, als die Beitragsbemessung ohne vorherigen Abzug eines Betrages von 833 Euro je Kind und Monat erfolgt ist, bzw (weiter) hilfsweise insoweit, als ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums nach § 32 Abs 6 Einkommensteuergesetz (EStG) von der Beitragsbemessungsgrundlage nicht abgezogen wurde.

6

Das LSG hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe die Rücknahme ihres früheren Bescheides zu Recht abgelehnt. Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Eine Reduzierung der Beiträge zur GRV, GKV und sPV könnten die Kläger wegen der Erziehung ihrer beiden Kinder und der sich hieraus ergebenden Unterhaltslast nicht beanspruchen. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige, insbesondere die GRV, übertragen, sondern sei davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus diesem Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet (BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1). Einer weiteren Beweiserhebung habe es bei alledem - etwa unter dem Gesichtspunkt der Amtsermittlungspflicht - nicht bedurft (Urteil vom 27.1.2012).

7

Mit ihrer Revision rügen die Kläger im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung in der GRV, GKV und sPV gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden, also keine Beitragsermäßigung erhielten:

8

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragenerationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt. Das sPV-Urteil sei auf die GRV und die GKV zu übertragen. GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems, und zwar auf der Beitragsseite ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung.

10

Mit späterem Schriftsatz vom 20.7.2016 und weiteren Schriftsätzen haben die Kläger ua vorgelegt: Schriftsätze aus dem Revisionsverfahren B 12 KR 15/12 R, den Text einer "Sammel-Verfassungsbeschwerde" (1 BvR 3135/15), den Text einer Anhörungsrüge gegen das Urteil des Senats vom 30.9.2015 in dem Revisionsverfahren B 12 KR 15/12 R, den Text der gegen dieses Urteil erhobenen Verfassungsbeschwerde sowie mehrere gutachtliche Stellungnahmen von W.

11

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Juni 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Bescheid vom 21. Juli 2006 zurückzunehmen, soweit darin die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung erhoben worden sind,

hilfsweise zur Rücknahme zu verpflichten, soweit die monatlichen Beiträge ab 1. Juli 2006 ohne einen Abzug von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben worden sind,

weiter hilfsweise zur Rücknahme zu verpflichten, soweit die monatlichen Beiträge ab 1. Juli 2006 ohne Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben worden sind,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 1, 226 Abs 1 S 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 S 1, 55 Abs 1 und 3 S 1, 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3. April 2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind.

12

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

13

Die Beigeladene zu 1. beantragt,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

14

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

15

Die Beigeladenen zu 3. und 4. stellen keine Anträge.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Revision der Kläger ist begründet.

18

Zu Unrecht hat das LSG die Berufung der Kläger gegen das ihre Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen, im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X ergangenen Bescheide der beklagten Krankenkasse als Beitragseinzugsstelle(Bescheid vom 29.11.2007 und Widerspruchsbescheid vom 29.2.2008) sind rechtswidrig. Die Beklagte ist unter Aufhebung dieser Bescheide zu verpflichten, auf den Überprüfungsantrag der Kläger den bestandskräftigen Bescheid vom 21.7.2006, der die Beitragserhebung zu den Versicherungszweigen der GRV, GKV und sPV ab 1.7.2006 betrifft, zurückzunehmen.

19

1. Im vorliegenden Rechtsstreit zu überprüfen sind ausschließlich der mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage angegriffene Bescheid der Beklagten vom 29.11.2007 und ihr Widerspruchsbescheid vom 29.2.2008, mit denen sie es im Überprüfungsverfahren nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X abgelehnt hat, den die Beitragserhebung zu den genannten Versicherungszweigen ab Juli 2006 (bis 27.1.2012 = Tag der mündlichen Verhandlung vor dem LSG) regelnden (Beitrags)Bescheid vom 21.7.2006 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

20

Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist demgegenüber, ob den Klägern für den Fall eines Erfolgs der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ein Anspruch auf Beitragserstattung zusteht. Die Kläger hatten eine solche seinerzeit bei der Beklagten nicht beantragt; über eine Beitragserstattung haben SG und LSG auch nicht befunden.

21

Nicht zu entscheiden ist schließlich über eine Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG). Weder haben die Kläger vor den Instanzgerichten eine zusätzliche Feststellungsklage erhoben noch haben jene über ein Feststellungsbegehren entschieden (dazu a). Wäre eine Feststellungsklage erhoben, müsste sie jedenfalls als unzulässig angesehen werden (dazu b).

22

a) In der Ausgangssituation eines gerichtlichen Verfahrens zur Überprüfung der Ergebnisse eines Korrekturverfahrens der Verwaltung nach § 44 SGB X kann ein - hier ausdrücklich nicht formuliertes - Feststellungsbegehren (neben dem Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren) im Wege der Auslegung des Vortrags der Kläger nur ermittelt werden, wenn hierfür besondere Umstände vorliegen. Allein der klägerseitige Wunsch, im Verfahren möge eine bestimmte Rechtsfrage gerichtlich beantwortet werden, reicht insoweit nicht aus. Klägern geht es in Fällen wie dem vorliegenden nach ihrem verfahrensrechtlichen Ziel um die Kassation der Überprüfungsbescheide auf Anfechtungsklage und die gerichtliche Verpflichtung der Verwaltung zur Rücknahme des bestandskräftigen Ausgangsbescheides; dieses Begehren kennzeichnet den Verfahrensgegenstand. Bei der Frage, ob der bestandskräftige Bescheid zurückzunehmen ist, muss dann geprüft werden, ob und ggf aus welchen Gründen dieser rechtswidrig (und belastend) ist. Rechtliche Fragen sollen infolgedessen nach ihrer erkennbaren Zielrichtung vom Gericht einzig im Wege dieser Kontrolle des Ausgangsbescheides beantwortet werden. So liegt der Fall auch hier.

23

b) Eine neben der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhobene Klage auf Feststellung wäre jedenfalls unzulässig.

24

aa) Der Senat kann offenlassen, ob eine auf das Ziel der "Beitragsreduzierung" gerichtete, zusätzlich erhobene Feststellungsklage überhaupt statthaft wäre, würde mit ihr doch (nur) die Feststellung bloßer (Beitrags)Berechnungs- oder Begründungselemente bzw von Vorfragen eines Beitragsrechtsverhältnisses begehrt, die nach ständiger Senatsrechtsprechung zum Beitragsrecht - weil es insoweit an einem selbstständigen Rechtsverhältnis fehlt - grundsätzlich nicht isoliert feststellungsfähig sind (vgl zum Ganzen etwa Berchtold in Berchtold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2. Aufl 2016, § 6 RdNr 386 und § 12 RdNr 106, jeweils mwN; auch Ulmer in Hennig, SGG, Stand Juni 2017, § 55 RdNr 73a, und Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 55 RdNr 6). Eine "Beitragsreduzierung", ggf gestaffelt nach Kinderzahl, könnte nämlich nur über eine Veränderung des Berechnungselements "Beitragssatz" oder - wie es die Kläger verlangen - über das Berechnungselement "Bemessungsgrundlage" erfolgen. Zwar ist die generelle Beitragspflicht einer Einnahme - iS einer qualitativen Betrachtung - ausnahmsweise einer isolierten Feststellung zugänglich (vgl - für das Verwaltungsverfahren - BSG Urteil vom 29.2.2012 - B 12 KR 19/09 R - Juris RdNr 18), nicht aber, wie viele Teile einer Einnahme (nur 50 vH der gegenwärtigen Bemessung, nur der Teil nach Abzug von 833 Euro je Kind und Monat oder der Teil nach Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind), an deren genereller Beitragspflicht keine Zweifel bestehen, der Beitragsbemessung unterliegen.

25

Die Urteile des Senats vom 5.7.2006 (B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1) und 15.7.2009 (B 12 KR 14/08 R - SozR 4-2500 § 7 Nr 1) veranlassen hier nicht zu einer anderen Bewertung. So hatte der Kläger in dem erstgenannten Verfahren mit seinem Hauptantrag schon keine (unzulässige) Elementenfeststellungsklage, sondern eine zulässige Klage auf Feststellung erhoben, dass er im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder (überhaupt) keinen Beitrag tragen müsse (SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 13, 37, 39). In der Entscheidung vom 15.7.2009 war zu beurteilen, ob eine Krankenkasse als Einzugsstelle bei ihrer feststellenden (Verwaltungs)Entscheidung über die Beitragspflicht einzelne Berechnungselemente als feststellungsfähig erachten durfte (SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17; vgl hierzu Berchtold, aaO, § 12 RdNr 89 f); ein Begehren dahin, Beiträge mit "null" festzustellen, war danach nicht ausgeschlossen (SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 25).

26

bb) Würde eine Feststellungsklage als erhoben angesehen, wäre sie jedenfalls unzulässig, weil sie im Hinblick auf die Besonderheiten des für die Überprüfung von Ergebnissen eines Korrekturverfahrens der Verwaltung nach § 44 SGB X zur Verfügung gestellten gerichtlichen Verfahrens, letztlich also wegen des Grundsatzes der Subsidiarität der Feststellungsklage, der auch im sozialgerichtlichen Verfahren Bedeutung hat(vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 55 RdNr 19 mwN), ausgeschlossen ist.

27

Eine solche Feststellungsklage verfolgte nämlich das Ziel, ein unanfechtbar abgeschlossenes, durch die Einzugsstelle konkretisiertes Beitragsrechtsverhältnis für eine weitere inhaltliche Überprüfung zu "öffnen". Für die Überprüfung stehen indessen nach dem Willen des Gesetzgebers nur die besonderen abschließenden Aufhebungsregeln des SGB X (§§ 44 ff SGB X)und die hieran anknüpfende (eingeschränkte) gerichtliche Kontrolle über Anfechtungs- und Verpflichtungsklage als vorrangiger Rechtsschutz zur Verfügung. Dieser würde bei Zulassung einer Feststellungsklage zur weiteren inhaltlichen Überprüfung des konkretisierten Beitragsrechtsverhältnisses unterlaufen, etwa dann, wenn das auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklage hin durchgeführte gerichtliche Verfahren für den Kläger nicht zum Erfolg führt.

28

Die Beklagte hatte mit (Beitrags)Bescheid vom 21.7.2006 (als Dauerverwaltungsakt) die Beitragserhebung zu den einzelnen Versicherungszweigen ab 1.7.2006 - für die Zukunft - bzw das Beitragsrechtsverhältnis für diese Zeit geregelt, dh konkretisiert. Die rechtlichen Fragen, die von den Klägern in den Vordergrund gestellt werden ("Beitragsreduzierung im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder, ggf gestaffelt nach Kinderzahl) können hier vom Gericht - mindestens im gleichen Umfang und mit gleicher Effektivität wie bei einer Feststellungsklage, also gleichwertig - im Wege der gerichtlichen Überprüfung des bestandskräftigen (Beitrags)Bescheides vom 21.7.2006 beantwortet werden. Hält das Gericht im Rahmen der Überprüfung der Ergebnisse eines Korrekturverfahrens der Verwaltung nach § 44 SGB X einen bestandskräftigen belastenden (Beitrags)Verwaltungsakt - wie hier(dazu unten 2. a) - aus einem bestimmten Grund für rechtswidrig und daher von der Einzugsstelle wegen dieses Rechtswidrigkeitsgrundes aufzuheben, so können Kläger, die auf diesem Wege im Anfechtungs- und Verpflichtungsrechtsstreit obsiegen, also mit der Kassation des bestandskräftigen (Beitrags)Verwaltungsaktes durch die Einzugsstelle bekommen, was sie im vorgeschriebenen Verfahren maximal erreichen können, nicht noch mit einer Feststellungsklage verlangen, dass sich das Gericht mit einem anderen (weiteren), nämlich dem von ihnen in den Vordergrund gestellten Rechtswidrigkeitsgrund befasst, dh diesen ebenfalls prüft (und annimmt).

29

Ein Fall, in dem Feststellungsklagen im Beitragsrecht ausnahmsweise als nicht subsidiär neben einer Gestaltungsklage zuzulassen sind, liegt hier nicht vor. Entsprechendes ergibt sich nicht etwa aus früherer Senatsrechtsprechung. Der Senat hat in der Vergangenheit bei Streitigkeiten über die richtige Berechnung von Beiträgen eine - an sich unzulässige - (Elementen)Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG für statthaft gehalten, wenn ein Verwaltungsverfahren stattgefunden, die Anfechtungsklage aber nicht zu einer Sachentscheidung geführt hat(BSG Urteil vom 22.5.1985 - 12 RK 15/83 - BSGE 58, 134, 136 = SozR 2200 § 385 Nr 14 S 56 f, unter Hinweis auf BSG Urteil vom 9.10.1984 - 12 RK 18/83 - BSGE 57, 184, 186 = SozR 2200 § 385 Nr 10 S 40; ferner BSG Urteil vom 30.3.2000 - B 12 KR 13/99 R - SozR 3-2500 § 308 Nr 1 S 3). Ein vergleichbarer Sachverhalt ist vorliegend nicht gegeben. Zum einen betrafen diese Entscheidungen nicht - wie hier - den Fall der gerichtlichen Überprüfung von Ergebnissen eines Korrekturverfahrens der Verwaltung nach § 44 SGB X. Zum anderen führen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage vorliegend - anders als die Anfechtungsklage in den genannten Fällen - zu einer Entscheidung in der Sache, weil der (Beitrags)Bescheid vom 21.7.2006 wegen des Verstoßes der beklagten Beitragseinzugsstelle gegen ihre (materiell-rechtlichen) Befugnisse, feststellende Verwaltungsakte zu erlassen, für materiell rechtswidrig zu halten ist (vgl dazu unten 2. b).

30

cc) Kann das unanfechtbar abgeschlossene, durch die beklagte Einzugsstelle mit (Beitrags)Bescheid vom 21.7.2006 konkretisierte Beitragsrechtsverhältnis über eine Feststellungsklage nicht für weitere inhaltliche Überprüfungen "geöffnet" werden, so könnte sich eine zusätzlich erhobene (dann: vorbeugende) Feststellungsklage hier nur noch darauf richten, die Klärung rechtlicher Fragen im Rahmen des abstrakten "(Beitrags)Rechtsverhältnisses" über Beitragspflicht zu erreichen. Hiermit ist die abstrakte Beitragsrechtsbeziehung gemeint, die sich - ohne schon durch (Beitrags)Bescheid konkretisiert zu sein - allein als gesetzlich angeordnete Folge aus dem Bestehen eines (jeden) Versicherungspflichtverhältnisses ergibt.

31

Eine solche abstrakte Beitragsrechtsbeziehung - als bloßer "Rechtszustand" - erfüllt bereits nicht die Anforderungen, die die Rechtsprechung an die Feststellungsfähigkeit eines einer Feststellungsklage zugänglichen Rechtsverhältnisses (im prozessualen Sinn) stellt (vgl hierzu im Einzelnen Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 55 RdNr 4 ff, mwN). Eine entsprechende Feststellungsklage wäre unstatthaft und damit unzulässig. Soweit ein Beitragsrechtsverhältnis nicht schon in der oben genannten Weise "verdichtet" ist, ist es nicht hinreichend konkret, sodass der notwendige Fallbezug fehlt und eine (vorbeugende) Feststellungsklage lediglich darauf gerichtet wäre, die gerichtliche Klärung einer abstrakten Rechtsfrage bzw die Abgabe eines (verbindlichen) Rechtsgutachtens zu erreichen (vgl hierzu Pietzker in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2016, § 43 RdNr 17 ff, mwN). Eine Feststellungsklage ist nicht zulässig, um Rechtsfragen vom Gericht um ihrer selbst willen - gleichsam theoretisch - beantworten zu lassen. Nichts anderes aber wird begehrt, wenn gerichtlich (vorbeugend) festgestellt werden soll, ob in einem abstrakten "(Beitrags)Rechtsverhältnis" über Beitragspflicht, dh in (einzelnen) zukünftigen Beitragsrechtsverhältnissen, deren Konturen noch unklar sind, Beiträge im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder, ggf gestaffelt nach Kinderzahl, zu mindern wären. Eine solche Feststellungsklage könnte außerdem spätere Streitigkeiten im Rahmen einzelner (dann) konkretisierter Beitragsrechtsverhältnisse aufgrund von Sachverhaltsbesonderheiten oder Veränderungen bei anderen (Beitrags)Berechnungselementen nicht ausschließen.

32

2. Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 S 1 SGB X sind in Bezug auf den (Beitrags)Bescheid der Beklagten vom 21.7.2006 erfüllt.

33

Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

34

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beklagte hat bei Erlass ihres (Beitrags)Bescheides vom 21.7.2006 das Recht unrichtig angewandt (dazu a). Hierauf beruht die Erhebung der Beiträge der Kläger zur GRV, GKV und sPV ab 1.7.2006 (dazu b).

35

a) Mit ihrem Bescheid vom 21.7.2006 hat die Beklagte entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitrags(tragungs)pflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise ("Erläuterungen") zur Bemessung bzw zu Berechnungselementen und zur Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden und diese festgesetzt (vgl auch schon zu einem vergleichbaren Fall BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 24 ff).

36

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Beitragseinzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG Urteil vom 1.7.1999 - B 12 KR 2/99 R - SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber pflichtversicherten Beschäftigten muss die Einzugsstelle bei der Entscheidung über die Beiträge die von ihnen zu tragenden Beitragsanteile konkret festsetzen. Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz oder allgemeine rechtliche Hinweise hierzu - sind für sich genommen nur reine Berechnungs- oder Begründungselemente und regelmäßig durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) nicht isoliert feststellungsfähig. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 f; BSG Urteil vom 15.7.2009 - B 12 KR 14/08 R - SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17; ferner zu einem vergleichbaren Fall schon BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 24 ff).

37

b) Auch die weitere Voraussetzung des Tatbestandes des § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist erfüllt, sodass der (Beitrags)Bescheid vom 21.7.2006 zurückzunehmen ist.

38

Voraussetzung für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes ist nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X außerdem ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem als rechtswidrig erachteten Verwaltungsakt und der Erhebung von Beiträgen ("… und soweit deshalb …"). Dazu ist eine regelnde Wirkung des Verwaltungsaktes für die fragliche Beitragsposition erforderlich, die ua gegeben ist, wenn durch den Verwaltungsakt oder aufgrund des Verwaltungsaktes eine Beitragszahlungspflicht festgestellt wird; materiell-rechtlich muss dann eine auf dieser Feststellung beruhende Beitragserhebung hinzukommen (BSG Urteil vom 8.10.2014 - B 3 KS 6/13 R - SozR 4-5425 § 24 Nr 14 RdNr 13, unter Hinweis auf Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, RdNr 16, und BSG Urteil vom 30.1.2001 - B 3 KR 1/00 R - SozR 3-5425 § 2 Nr 11).

39

In diesem Sinne beruht die Erhebung der Beiträge der Kläger zur GRV, GKV und sPV ab 1.7.2006 materiell auf dem Bescheid vom 21.7.2006, weil sich dieser mindestens im Ergebnis (vgl hierzu Schütze, aaO, § 44 RdNr 17; ferner - zum Begriff der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes iS von § 44 Abs 1 S 1 SGB X - Steinwedel in KasselerKomm, Stand Juli 2017, § 44 RdNr 33 ff) auf die Beitragserhebung ab diesem Zeitpunkt auswirkte. Die unzutreffende Bewertung ihrer (materiell-rechtlichen) Befugnis, welche Umstände sie im Rahmen einer Entscheidung als Einzugsstelle über die Beitragshöhe als feststellungsfähig erachten darf und welche nicht, stellt einen Verstoß der Beklagten gegen das materielle Recht dar. Gegen die Annahme eines solchen ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Bescheid vom 21.7.2006 und der Erhebung der Beiträge ab 1.7.2006 kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, der Bescheid könne wegen seiner Beschränkung auf allgemeine rechtliche Hinweise zur Beitragsbemessung bzw zu Berechnungselementen nicht die - geforderte - regelnde Wirkung entfalten. Denn aus dem Bescheid vom 21.7.2006 und den Umständen seines Erlasses war für die Kläger jedenfalls objektiv erkennbar, dass eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung über die ab 1.7.2006 zu entrichtenden Beiträge zur GRV, GKV und sPV (= vollumfängliche Beitragszahlungspflicht) von der Beklagten gewollt war. Allein hierauf kommt es für die Annahme einer beitragsregelnden Wirkung und infolgedessen eines Kausalzusammenhangs zwischen rechtswidrigem (Beitrags)Bescheid und Beitragserhebung im Kontext des § 44 Abs 1 S 1 SGB X an(vgl schon - zu den Rechtswirkungen eines Bescheides des Rentenversicherungsträgers über einzelne Voraussetzungen der Rentenversicherungspflicht - BSG Urteil vom 24.11.2005 - B 12 KR 18/04 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 16 ff; auch BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 36, und BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77 RdNr 23).

40

3. Nach alledem hat die Revision der Kläger Erfolg, weil die im Überprüfungsverfahren ergangenen Bescheide der Beklagten aufzuheben sind und die Beklagte verpflichtet ist, ihren Bescheid vom 21.7.2006 zurückzunehmen. Er war insoweit (bereits) deshalb rechtswidrig, weil sich die Beklagte darin nicht auf allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung bzw zu Berechnungselementen und zur Tragung der Sozialversicherungsbeiträge beschränken durfte, sondern über die (konkrete) Beitragshöhe entscheiden musste.

41

Die von den Klägern aufgeworfenen - verfassungsrechtlichen - Fragen der Beitragserhebung bei Eltern mit mehreren Kindern im Hinblick auf einen hierdurch bedingten höheren Betreuungs- und Erziehungsaufwand, ggf gestaffelt nach Kinderzahl, kann und darf der Senat hier infolgedessen nicht (mehr) beantworten. Darauf, dass eine rechtliche Überprüfung im vorliegenden Rechtsstreit wegen der Einbindung in ein Überprüfungsverfahren nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X nicht in vollem Umfang, dh nicht in jeder Hinsicht, gewährleistet sein könnte, sind die Kläger bereits mit Aufklärungsverfügungen des (früheren) Senatsvorsitzenden vom 3.7.2014 und 7.11.2016 hingewiesen worden.

42

Die hierzu vom Senat vertretene Auffassung verletzt nicht das in Art 19 Abs 4 GG enthaltene Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Der aus Art 19 Abs 4 GG folgenden Pflicht, angefochtene Verwaltungsentscheidungen vollständig nachzuprüfen (vgl zuletzt etwa BVerfG Beschluss vom 31.5.2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1, 20 mwN), kommt der Senat im Rahmen der Prüfungsvorgaben, die ihm der Gesetzgeber für die Durchführung der Rechtskontrolle bei im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X ergangenen Verwaltungsentscheidungen zur Verfügung gestellt hat und die ihrerseits verfassungsmäßig sind, nach.

43

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Mai 2009 wird zurückgewiesen, soweit ihre Berufung gegen die Aufhebung der Ablehnung eines Anspruchs auf Anerkennung einer PTBS als Wie-BK im Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2000 im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 25. Oktober 2005 zurückgewiesen wurde. Im Übrigen werden diese Urteile aufgehoben und die Feststellungsklage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als Wie-Berufskrankheit (Wie-BK) streitig.

2

Der 1943 geborene Kläger ist von Beruf Diplom-Sozialarbeiter. Er nahm 1968 eine Beschäftigung als hauptamtlicher Mitarbeiter in der Entwicklungshilfe auf. Dort war er von März 1968 bis Juni 1973 auf Madagaskar und von Juli 1973 bis Juli 1975 in Mali eingesetzt. Von August 1975 bis Dezember 1978 war er beim Deutschen Entwicklungsdienst (DED) im Inland beschäftigt. Für diese Organisation war er von Januar 1979 bis Januar 1983 in Niger, von Februar 1983 bis Juni 1987 in Berlin, von August 1987 bis Juli 1995 in Togo sowie von September 1995 bis Februar 1999 als Referatsleiter "Westafrika" wieder in Berlin eingesetzt. In der zuletzt genannten Funktion unternahm er mehrere Reisen in westafrikanische Länder.

3

Unter dem 1.2.1999 zeigte der DED der Beklagten eine mögliche Berufskrankheit an. Der Kläger leide nach jahrelangem Aufenthalt in Krisengebieten an PTBS. Die Beklagte lehnte die Anerkennung einer PTBS als "Berufskrankheit nach der Berufskrankheiten-Verordnung" (BKV) ab (Bescheid vom 8.2.2000). Der Kläger erhob dagegen Widerspruch und machte außerdem geltend, die Erkrankung sei als Wie-BK anzuerkennen. Die Beklagte wies den Widerspruch durch den Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 25.7.2000 zurück. Darin wurde erstmals erklärt, die PTBS sei nicht nach § 9 Abs 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit anzuerkennen, da neue medizinische Erkenntnisse hierzu nicht vorlägen.

4

Der Kläger hat beim SG Freiburg die Aufhebung der den Anspruch auf Anerkennung einer Wie-BK ablehnenden Entscheidung und die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung sowie ihre Verurteilung zur Entschädigung begehrt. Das SG hat den "Bescheid der Beklagten vom 08.02.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25.07.2000" aufgehoben und diese verurteilt, die PTBS als Wie-BK anzuerkennen und ihm die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren (Urteil vom 25.10.2005).

5

Die Beklagte hat gegen das Urteil des SG Berufung eingelegt und die Auffassung vertreten, neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über das Entstehen der Erkrankung PTBS bei der Gruppe der hauptberuflich in der Entwicklungshilfe tätigen Personen lägen nicht vor. Das LSG hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die beim Kläger vorliegende PTBS wie eine BK zu "entschädigen" ist. Die hauptamtlich in der Entwicklungshilfe tätigen Personen und die Entwicklungshelfer seien zu einer Gruppe zusammenzufassen. Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sei die Personengruppe bei ihrer Tätigkeit Einwirkungen ausgesetzt, die geeignet seien, PTBS hervorzurufen. Auch die individuellen Voraussetzungen für die Feststellung einer Wie-BK seien gegeben.

6

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 9 Abs 2 SGB VII sowie § 551 Abs 2 RVO und einen Verstoß gegen die Grenzen freier richterlicher Beweiswürdigung. Für die Anerkennung einer Wie-BK seien ua besondere Einwirkungen zu fordern, denen der Kläger als Mitglied einer bestimmten Personengruppe in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sei. Zudem müssten neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft belegen, dass die Einwirkungen generell geeignet seien, PTBS zu verursachen. Bei den Feststellungen habe das LSG die Gruppe der Entwicklungshelfer iS des Entwicklungshelfer-Gesetzes von der Gruppe der als Landesbeauftragten eines Entwicklungshilfedienstes Beschäftigten abgrenzen müssen. Bei Beachtung dieser Unterscheidung zeige sich, dass Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die Verursachung einer PTBS nicht für die Gruppe der hauptamtlichen Landesbeauftragten gegeben seien. Für die Gruppe der hauptamtlich tätigen Verwaltungsbeauftragten lasse sich eine gruppenspezifische Risikoerhöhung nicht feststellen. Notwendig sei eine epidemiologische Bestätigung des Kausalzusammenhangs, die es nicht gebe.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 14. Mai 2009 sowie das Urteil des SG Freiburg vom 25. Oktober 2005 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist teilweise begründet.

10

Da die Beklagte Revision eingelegt hat, sind nur die vom LSG bestätigte Aufhebung der Ablehnung der Feststellung einer Listen-BK im Bescheid vom 8.2.2000 und im Widerspruchsbescheid vom 25.7.2000 und die Aufhebung der in diesem zudem enthaltenen Ablehnung der Anerkennung einer Wie-BK sowie die Verurteilung zur Entschädigung einer PTBS als Wie-BK Gegenstände der Revision. Diese ist begründet, soweit das LSG die Berufung der Beklagten gegen die Aufhebung des die Anerkennung einer Listen-BK ablehnenden Bescheids vom 8.2.2000 und nur insoweit in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.7.2000 zurückgewiesen und das Urteil des SG mit der Maßgabe bestätigt hat, dass eine PTBS als Wie-BK festzustellen sei.

11

1. Gegen die Ablehnung eines Anspruchs auf Feststellung einer Listen-BK im Bescheid vom 8.2.2000 und die Zurückweisung seines Widerspruchs gegen diese Regelung im Widerspruchsbescheid hat der Kläger vor dem SG keine Klage erhoben. Er hat die Feststellung einer Listen-BK vor dem SG von Anfang an nicht begehrt. Der Verwaltungsakt vom 8.2.2000, der nur diese Regelung enthält, und der Widerspruchsbescheid vom 25.7.2000, soweit er den Widerspruch gegen diese Verfügung zurückweist, sind vom Kläger nicht angegriffen worden und durften schon deshalb nicht aufgehoben werden.

12

2. Die Feststellung einer PTBS als zu entschädigende Wie-BK, die das SG ausgesprochen hat, hätte das LSG nicht bestätigen dürfen. Die hierauf gerichtete Feststellungsklage ist unzulässig gewesen, denn insoweit fehlte es an einer Verwaltungsentscheidung der zuständigen Behörde über den Feststellungsantrag. Solange die sachlich zuständige Ausgangsbehörde des Unfallversicherungsträgers nicht über den erhobenen Feststellungsanspruch entschieden hat, kann der Versicherte, außer bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde, kein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung haben.

13

3. Dagegen ist die Revision unbegründet, soweit das LSG die Berufung der Beklagten gegen die Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 25.7.2000 zurückgewiesen hat, soweit darin erstmals der Antrag auf Anerkennung der PTBS als Wie-BK abgelehnt worden ist. Das SG hat den Widerspruchsbescheid auf die Anfechtungsklage des Klägers gegen die Ablehnung des Anspruchs auf Feststellung einer Wie-BK im Ergebnis zu Recht aufgehoben.

14

Soweit die Widerspruchsstelle den Widerspruch gegen die im Ausgangsbescheid verfügte Ablehnung der Feststellung einer Listen-BK zurückgewiesen hat, hat der Widerspruchsbescheid - wie gesagt - Bestand, denn er ist insoweit nicht angefochten worden. Soweit aber die Widerspruchsstelle erstmals die Feststellung einer Wie-BK abgelehnt hat, hat sie eine Entscheidung über ein anderes Recht des Klägers getroffen, denn der Anspruch auf Feststellung einer Listen-BK einerseits und derjenige auf Feststellung einer Wie-BK andererseits sind grundsätzlich zu unterscheiden (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 3/07 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 13).

15

Die Feststellung der Widerspruchsstelle, der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung einer Wie-BK, ist rechtswidrig und verletzt diesen schon in seinem verfahrensrechtlichen Recht auf Entscheidung durch die funktional und sachlich zuständige Behörde des Leistungsträgers (§ 42 Satz 1 SGB X). Denn die Widerspruchsstelle ist funktional und sachlich nicht zuständig, an Stelle der Ausgangsbehörde des Trägers - hier des Rentenausschusses - über ein erstmals im Widerspruchsverfahren geltend gemachtes Recht zu entscheiden (vgl § 36a Abs 1 Satz 1 SGB IV iVm der Satzung der Beklagten; dazu BSG SozR 3-1500 § 87 Nr 1 S 5 f; BSG vom 30.3.2004 - B 4 RA 48/01 R, veröffentlicht in JURIS; BSG vom 18.10.2005 - B 4 RA 21/05 R; stRspr). Der Verfahrensfehler ist iS von § 62 Halbs 2, § 42 Satz 1 SGB X beachtlich und begründet einen Aufhebungsanspruch.

16

Aufgrund des Antrags auf Feststellung einer Wie-BK, den der Kläger mit seiner Widerspruchsbegründung gestellt hat, muss jetzt die sachlich zuständige Behörde der Beklagten das Verwaltungsverfahren durchführen.

17

4. Der Senat sieht sich im Hinblick auf die bisherige Dauer des Verfahrens und den zeitlichen Aspekt, den die grundgesetzliche Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) hat, veranlasst, auf Folgendes hinzuweisen:

18

Maßgebend für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs dürfte das SGB VII (§ 212 SGB VII)sein. Zwar könnte die streitige Erkrankung seit Mitte 1996 eingetreten sein. Es ist aber anzunehmen, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Einwirkungs-Verursachungs-beziehung - wenn überhaupt, dann - aus der Zeit nach dem Jahr 2000 stammen. Der Versicherungsfall dürfte daher nach Inkrafttreten des SGB VII eingetreten sein (BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 1/08 U R - BSGE 102, 121, 126 = SozR 4-2700 § 9 Nr 12, RdNr 22).

19

Für die Feststellung einer Wie-BK genügt es nicht, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl BSG vom 30.1.1986 - 2 RU 80/84 - BSGE 59, 295 = SozR 2200 § 551 Nr 27), denn die Regelung des § 9 Abs 2 SGB VII beinhaltet keinen Auffangtatbestand und keine allgemeine Härteklausel(vgl BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 17 RdNr 31 mwN). Vielmehr darf die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber sie also als neue Listen-BK in die BKV einfügen dürfte, aber noch nicht tätig geworden ist (vgl BT-Drucks 13/2204, 77 f).

20

           

Nach § 9 Abs 2 SGB VII müssen für die Feststellung der Wie-BK folgende Voraussetzungen erfüllt sein (zu den einzelnen Prüfungsschritten nachfolgend):

(1) Ein "Versicherter" muss die Feststellung einer bestimmten Krankheit als Wie-BK beanspruchen.

(2) Die Voraussetzungen einer in der Anlage 1 zur BKV bezeichneten Krankheit dürfen nicht erfüllt sein.

(3) Die Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als Listen-BK durch den Verordnungsgeber nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII müssen vorliegen; es muss eine bestimmte Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit besonderen Einwirkungen in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt (gewesen) sein (3.1), und es müssen medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über das Bestehen einer Einwirkungs- und Verursachungsbeziehung vorliegen (3.2).

(4) Diese medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen neu sein.

(5) Im Einzelfall müssen die abstrakten Voraussetzungen der Wie-BK konkret erfüllt sein.

21

ad (1) Der Kläger dürfte als hauptamtlich Beschäftigter des DED bei seinen Auslandseinsätzen nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII, § 4 Abs 1 SGB IV versichert gewesen sein, denn während seiner Auslandseinsätze bestand im Inland ein Beschäftigungsverhältnis zum DED, in dessen Rahmen er vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt im Ausland tätig war. Er hat mit der PTBS eine bestimmte Krankheit benannt, deren Anerkennung als Wie-BK er begehrt.

22

ad (2) Die Merkmale einer Listen-BK sind nicht erfüllt.

23

ad (3) Nach § 9 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 2 Halbs 1 SGB VII setzt die Feststellung einer Wie-BK voraus, dass eine bestimmte Personengruppe durch die Art der versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist (3.1). Die Personengruppe darf nicht vorab nach gesetzesfremden Merkmalen bestimmt werden, sondern ergibt sich durch die nachgenannten Prüfungen. Zuerst ist die Art der Einwirkungen zu ermitteln, die im Blick auf die vom Versicherten geltend gemachte Krankheit abstrakt-generell als Ursachen in Betracht kommen können. Dann ist zu klären, ob diese abstrakt-generell einer bestimmten Art einer vom Versicherten verrichteten versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind. Erst aus dieser Verbindung von krankheitsbezogenen Einwirkungen und versicherten Tätigkeiten ergibt sich die abstrakt-generelle Personengruppe, die sich von der Allgemeinbevölkerung unterscheidet. Als Einwirkungen kommt praktisch alles in Betracht, was auf Menschen einwirkt. Daher ist es - auch wenn es (noch) keine Listen-BK gibt - möglich, auf rein psychische Einwirkungen abzustellen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Verordnungsgeber eine entsprechende Listen-BK einführen kann. An die bestimmte Personengruppe sind keine besonderen Anforderungen hinsichtlich ihrer Größe (vgl BSG vom 29.10.1981 - 8/8a RU 82/80 - BSGE 52, 272, 275 = SozR 2200 § 551 Nr 20) oder sonstiger charakterisierender Merkmale zu stellen (zB nicht gemeinsamer Beruf, vgl Becker in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII-Kommentar, Stand Mai 2010, § 9 RdNr 55).

24

(3.2) Die Einwirkungen, denen die Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit ausgesetzt ist, müssen abstrakt-generell nach dem Stand der Wissenschaft die wesentliche Ursache einer Erkrankung der geltend gemachten Art sein. Denn für die Beurteilung des generellen Ursachenzusammenhangs gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17). Vor der rechtlichen Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursachenart selbst muss auch hier die naturwissenschaftliche/naturphilosophische Kausalitätsprüfung erfolgen. Dabei ist zu klären, ob nach wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen belegt ist, dass bestimmte Einwirkungen generell bestimmte Krankheiten der vom Versicherten geltend gemachten Art verursachen. Das ist anzunehmen, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf den jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt (zweifelnd zum Vorliegen solcher Erkenntnisse für die PTBS: Becker, ASUmed 2006, 304, 306; Knickrehm, SGb 2010, 381, 385). Bei der Erstellung und der gerichtlichen Überprüfung der Gutachten, die zur Ermittlung des Stands der Wissenschaft einzuholen sind, können zB auch Erkenntnisse der "militärischen" Forschung (Knickrehm, SGb 2010, 381, 388; Biesold, MedSach 2010, 23 ff) und die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften herangezogen werden (vgl BSG vom 9.5.2006, aaO, jeweils RdNr 26 mwN).

25

ad (4) Falls solche Erkenntnisse zur PTBS vorliegen, dürften diese neu iS des § 9 Abs 2 SGB VII sein (so auch das Urteil des LSG), weil sie bei der letzten Änderung der BKV vom Verordnungsgeber nicht geprüft und nicht beachtet wurden.

26

ad (5) Zur Beurteilung der Frage, ob auch die individuellen Voraussetzungen für die Anerkennung einer psychischen Erkrankung als Wie-BK vorliegen, ergeben sich aus dem Urteil des Senats vom 9.5.2006 (aaO, jeweils RdNr 24 f) Hinweise, auch wenn es die psychischen Folgen eines Arbeitsunfalls betraf. Danach ist, wenn der Versicherte nicht selbst von Einwirkungen betroffen war, sondern Einwirkungen auf Dritte beobachtete, als Anknüpfungspunkt für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs ein enger personaler Bezug zu verlangen (vgl BSG vom 8.8.2001 - B 9 VG 1/00 R - BSGE 88, 240 = SozR 3-3800 § 1 Nr 20).

27

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG. Der Senat schätzt den Anteil des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens auf jeweils die Hälfte.

Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird.

(1) Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen.

(2) Beitragsbemessungsgrundlage für freiwillig Versicherte ist jeder Betrag zwischen der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage (§ 167) und der Beitragsbemessungsgrenze.

Beitragspflichtige Einnahmen sind

1.
bei Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden, das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung, jedoch bei Personen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden, mindestens eins vom Hundert der Bezugsgröße,
2.
bei behinderten Menschen das Arbeitsentgelt, mindestens 80 vom Hundert der Bezugsgröße,
2a.
bei behinderten Menschen, die im Anschluss an eine Beschäftigung in einer nach dem Neunten Buch anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder nach einer Beschäftigung bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches in einem Inklusionsbetrieb (§ 215 des Neunten Buches) beschäftigt sind, das Arbeitsentgelt, mindestens 80 vom Hundert der Bezugsgröße,
3.
bei Personen, die für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen oder im Rahmen einer Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches individuell betrieblich qualifiziert werden, ein Arbeitsentgelt in Höhe von 20 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße,
3a.
(weggefallen)
4.
bei Mitgliedern geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörigen ähnlicher Gemeinschaften die Geld- und Sachbezüge, die sie persönlich erhalten, jedoch bei Mitgliedern, denen nach Beendigung ihrer Ausbildung eine Anwartschaft auf die in der Gemeinschaft übliche Versorgung nicht gewährleistet oder für die die Gewährleistung nicht gesichert ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3), mindestens 40 vom Hundert der Bezugsgröße,
5.
bei Personen, deren Beschäftigung nach dem Einkommensteuerrecht als selbständige Tätigkeit bewertet wird, ein Einkommen in Höhe der Bezugsgröße, bei Nachweis eines niedrigeren oder höheren Einkommens jedoch dieses Einkommen, mindestens jedoch das Zwölffache der Geringfügigkeitsgrenze. § 165 Abs. 1 Satz 2 bis 10 gilt entsprechend.

Der Beitragssatz für das Jahr 2012 beträgt in der allgemeinen Rentenversicherung 19,6 Prozent und in der knappschaftlichen Rentenversicherung 26,0 Prozent.

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet

1.
über die Verwirkung von Grundrechten (Artikel 18 des Grundgesetzes),
2.
über die Verfassungswidrigkeit von Parteien (Artikel 21 Abs. 2 des Grundgesetzes),
2a.
über den Ausschluss von Parteien von staatlicher Finanzierung (Artikel 21 Absatz 3 des Grundgesetzes),
3.
über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundestages, die die Gültigkeit einer Wahl oder den Erwerb oder Verlust der Mitgliedschaft eines Abgeordneten beim Bundestag betreffen (Artikel 41 Abs. 2 des Grundgesetzes),
3a.
über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Bundestag (Artikel 93 Absatz 1 Nummer 4c des Grundgesetzes),
4.
über Anklagen des Bundestages oder des Bundesrates gegen den Bundespräsidenten (Artikel 61 des Grundgesetzes),
5.
über die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch das Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind (Artikel 93 Abs. 1 Nr. 1 des Grundgesetzes),
6.
bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche oder sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrecht auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages (Artikel 93 Abs. 1 Nr. 2 des Grundgesetzes),
6a.
bei Meinungsverschiedenheiten, ob ein Gesetz den Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 des Grundgesetzes entspricht, auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes (Artikel 93 Abs. 1 Nr. 2a des Grundgesetzes),
6b.
darüber, ob im Falle des Artikels 72 Abs. 4 die Erforderlichkeit für eine bundesgesetzliche Regelung nach Artikel 72 Abs. 2 nicht mehr besteht oder Bundesrecht in den Fällen des Artikels 125a Abs. 2 Satz 1 nicht mehr erlassen werden könnte, auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes (Artikel 93 Abs. 2 des Grundgesetzes),
7.
bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder, insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht (Artikel 93 Abs. 1 Nr. 3 und Artikel 84 Abs. 4 Satz 2 des Grundgesetzes),
8.
in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern, zwischen verschiedenen Ländern oder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist (Artikel 93 Abs. 1 Nr. 4 des Grundgesetzes),
8a.
über Verfassungsbeschwerden (Artikel 93 Abs. 1 Nr. 4a und 4b des Grundgesetzes),
9.
über Richteranklagen gegen Bundesrichter und Landesrichter (Artikel 98 Abs. 2 und 5 des Grundgesetzes),
10.
über Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes, wenn diese Entscheidung durch Landesgesetz dem Bundesverfassungsgericht zugewiesen ist (Artikel 99 des Grundgesetzes),
11.
über die Vereinbarkeit eines Bundesgesetzes oder eines Landesgesetzes mit dem Grundgesetz oder die Vereinbarkeit eines Landesgesetzes oder sonstigen Landesrechts mit einem Bundesgesetz auf Antrag eines Gerichts (Artikel 100 Abs. 1 des Grundgesetzes),
11a.
über die Vereinbarkeit eines Beschlusses des Deutschen Bundestages zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit dem Grundgesetz auf Vorlage nach § 36 Abs. 2 des Untersuchungsausschussgesetzes,
12.
bei Zweifeln darüber, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den einzelnen erzeugt, auf Antrag des Gerichts (Artikel 100 Abs. 2 des Grundgesetzes),
13.
wenn das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Verfassungsgerichts eines anderen Landes abweichen will, auf Antrag dieses Verfassungsgerichts (Artikel 100 Abs. 3 des Grundgesetzes),
14.
bei Meinungsverschiedenheiten über das Fortgelten von Recht als Bundesrecht (Artikel 126 des Grundgesetzes),
15.
in den ihm sonst durch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen (Artikel 93 Abs. 3 des Grundgesetzes).

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

94

Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

(1) In der Rentenversicherung werden die Ausgaben eines Kalenderjahres durch die Einnahmen des gleichen Kalenderjahres und, soweit erforderlich, durch Entnahmen aus der Nachhaltigkeitsrücklage gedeckt.

(2) Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes, Einnahmen der knappschaftlichen Rentenversicherung sind insbesondere die Beiträge und die Mittel des Bundes zum Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben.

(3) Nach § 7f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Vierten Buches übertragene Wertguthaben sind nicht Teil des Umlageverfahrens. Insbesondere sind die aus der Übertragung und Verwendung von Wertguthaben fließenden und zu verwaltenden Mittel keine Einnahmen, Ausgaben oder Zahlungsverpflichtungen der allgemeinen Rentenversicherung.

Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird.

(1) Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen.

(2) Beitragsbemessungsgrundlage für freiwillig Versicherte ist jeder Betrag zwischen der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage (§ 167) und der Beitragsbemessungsgrenze.

Beitragspflichtige Einnahmen sind

1.
bei Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden, das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung, jedoch bei Personen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden, mindestens eins vom Hundert der Bezugsgröße,
2.
bei behinderten Menschen das Arbeitsentgelt, mindestens 80 vom Hundert der Bezugsgröße,
2a.
bei behinderten Menschen, die im Anschluss an eine Beschäftigung in einer nach dem Neunten Buch anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen oder nach einer Beschäftigung bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches in einem Inklusionsbetrieb (§ 215 des Neunten Buches) beschäftigt sind, das Arbeitsentgelt, mindestens 80 vom Hundert der Bezugsgröße,
3.
bei Personen, die für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen oder im Rahmen einer Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches individuell betrieblich qualifiziert werden, ein Arbeitsentgelt in Höhe von 20 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße,
3a.
(weggefallen)
4.
bei Mitgliedern geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörigen ähnlicher Gemeinschaften die Geld- und Sachbezüge, die sie persönlich erhalten, jedoch bei Mitgliedern, denen nach Beendigung ihrer Ausbildung eine Anwartschaft auf die in der Gemeinschaft übliche Versorgung nicht gewährleistet oder für die die Gewährleistung nicht gesichert ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3), mindestens 40 vom Hundert der Bezugsgröße,
5.
bei Personen, deren Beschäftigung nach dem Einkommensteuerrecht als selbständige Tätigkeit bewertet wird, ein Einkommen in Höhe der Bezugsgröße, bei Nachweis eines niedrigeren oder höheren Einkommens jedoch dieses Einkommen, mindestens jedoch das Zwölffache der Geringfügigkeitsgrenze. § 165 Abs. 1 Satz 2 bis 10 gilt entsprechend.

Die Bundesregierung hat durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
die Beitragssätze in der Rentenversicherung,
2.
in Ergänzung der Anlage 2 die Beitragsbemessungsgrenzen
festzusetzen.

(1) Der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung ist vom 1. Januar eines Jahres an zu verändern, wenn am 31. Dezember dieses Jahres bei Beibehaltung des bisherigen Beitragssatzes die Mittel der Nachhaltigkeitsrücklage

1.
das 0,2fache der durchschnittlichen Ausgaben zu eigenen Lasten der Träger der allgemeinen Rentenversicherung für einen Kalendermonat (Mindestrücklage) voraussichtlich unterschreiten oder
2.
das 1,5fache der in Nummer 1 genannten Ausgaben für einen Kalendermonat (Höchstnachhaltigkeitsrücklage) voraussichtlich übersteigen.
Ausgaben zu eigenen Lasten sind alle Ausgaben nach Abzug des Bundeszuschusses nach § 213 Abs. 2, der Erstattungen und der empfangenen Ausgleichszahlungen.

(2) Der Beitragssatz ist so neu festzusetzen, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Abs. 2 Satz 1) und der Zahl der Pflichtversicherten zusammen mit den Zuschüssen des Bundes und den sonstigen Einnahmen unter Berücksichtigung von Entnahmen aus der Nachhaltigkeitsrücklage ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben in dem auf die Festsetzung folgenden Kalenderjahr zu decken und sicherzustellen, dass die Mittel der Nachhaltigkeitsrücklage am Ende dieses Kalenderjahres

1.
im Falle von Absatz 1 Nr. 1 dem Betrag der Mindestrücklage oder
2.
im Falle von Absatz 1 Nr. 2 dem Betrag der Höchstnachhaltigkeitsrücklage
voraussichtlich entsprechen. Der Beitragssatz ist auf eine Dezimalstelle aufzurunden.

(3) Der Beitragssatz in der knappschaftlichen Rentenversicherung wird jeweils in dem Verhältnis verändert, in dem er sich in der allgemeinen Rentenversicherung ändert; der Beitragssatz ist nur für das jeweilige Kalenderjahr auf eine Dezimalstelle aufzurunden.

(4) Wird der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung vom 1. Januar des Jahres an nicht verändert, macht das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Bundesgesetzblatt das Weitergelten der Beitragssätze bekannt.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

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Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

94

Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

94

Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

94

Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit,

1.
für die ihnen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind (§ 56),
1a.
in der sie eine oder mehrere pflegebedürftige Personen mit mindestens Pflegegrad 2 wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche, in ihrer häuslichen Umgebung nicht erwerbsmäßig pflegen (nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen), wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung oder einer privaten Pflege-Pflichtversicherung hat,
2.
in der sie aufgrund gesetzlicher Pflicht Wehrdienst oder Zivildienst leisten,
2a.
in der sie sich in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes befinden, wenn sich der Einsatzunfall während einer Zeit ereignet hat, in der sie nach Nummer 2 versicherungspflichtig waren; sind zwischen dem Einsatzunfall und der Einstellung in ein Wehrdienstverhältnis besonderer Art nicht mehr als sechs Wochen vergangen, gilt das Wehrdienstverhältnis besonderer Art als mit dem Tag nach Ende einer Versicherungspflicht nach Nummer 2 begonnen,
2b.
in der sie als ehemalige Soldaten auf Zeit Übergangsgebührnisse beziehen, es sei denn, sie sind für die Zeiten als Soldaten auf Zeit nach § 186 nachversichert worden,
3.
für die sie von einem Leistungsträger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder von der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung Pflegeunterstützungsgeld beziehen, wenn sie im letzten Jahr vor Beginn der Leistung zuletzt versicherungspflichtig waren; der Zeitraum von einem Jahr verlängert sich um Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches,
3a.
für die sie von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen, von einem Beihilfeträger des Bundes, von einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Träger von Kosten in Krankheitsfällen auf Bundesebene, von dem Träger der Heilfürsorge im Bereich des Bundes, von dem Träger der truppenärztlichen Versorgung oder von einem öffentlich-rechtlichen Träger von Kosten in Krankheitsfällen auf Landesebene, soweit das Landesrecht dies vorsieht, Leistungen für den Ausfall von Arbeitseinkünften im Zusammenhang mit einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen beziehen, wenn sie im letzten Jahr vor Beginn dieser Zahlung zuletzt versicherungspflichtig waren; der Zeitraum von einem Jahr verlängert sich um Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches,
4.
für die sie Vorruhestandsgeld beziehen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren.
Pflegepersonen, die für ihre Tätigkeit von dem oder den Pflegebedürftigen ein Arbeitsentgelt erhalten, das das dem Umfang der jeweiligen Pflegetätigkeit entsprechende Pflegegeld im Sinne des § 37 des Elften Buches nicht übersteigt, gelten als nicht erwerbsmäßig tätig; sie sind insoweit nicht nach § 1 Satz 1 Nr. 1 versicherungspflichtig. Nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen, die daneben regelmäßig mehr als 30 Stunden wöchentlich beschäftigt oder selbständig tätig sind, sind nicht nach Satz 1 Nr. 1a versicherungspflichtig. Wehrdienstleistende oder Zivildienstleistende, die für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weitererhalten oder Leistungen an Selbständige nach § 6 des Unterhaltssicherungsgesetzes erhalten, sind nicht nach Satz 1 Nr. 2 versicherungspflichtig; die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit gilt in diesen Fällen als nicht unterbrochen. Trifft eine Versicherungspflicht nach Satz 1 Nr. 3 im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit einer Versicherungspflicht nach § 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3 zusammen, geht die Versicherungspflicht vor, nach der die höheren Beiträge zu zahlen sind. Die Versicherungspflicht nach Satz 1 Nummer 2b bis 4 erstreckt sich auch auf Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben.

(1) Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn

1.
die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,
2.
die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und
3.
der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

(2) Eine Erziehungszeit ist dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet. Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist. Die Zuordnung kann auf einen Teil der Erziehungszeit beschränkt werden. Die übereinstimmende Erklärung der Eltern ist mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben. Die Zuordnung kann rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung erfolgen, es sei denn, für einen Elternteil ist unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine Leistung bindend festgestellt, ein Versorgungsausgleich oder ein Rentensplitting durchgeführt. Für die Abgabe der Erklärung gilt § 16 des Ersten Buches über die Antragstellung entsprechend. Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, wird die Erziehungszeit dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter, bei gleichgeschlechtlichen Elternteilen zum Elternteil nach den §§ 1591 oder 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, oder wenn es einen solchen nicht gibt, zu demjenigen Elternteil, der seine Elternstellung zuerst erlangt hat. Ist eine Zuordnung nach den Sätzen 8 und 9 nicht möglich, werden die Erziehungszeiten zu gleichen Teilen im kalendermonatlichen Wechsel zwischen den Elternteilen aufgeteilt, wobei der erste Kalendermonat dem älteren Elternteil zuzuordnen ist.

(3) Eine Erziehung ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war.

(4) Elternteile sind von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie

1.
während der Erziehungszeit oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt haben, die aufgrund
a)
einer zeitlich begrenzten Entsendung in dieses Gebiet (§ 5 Viertes Buch) oder
b)
einer Regelung des zwischen- oder überstaatlichen Rechts oder einer für Bedienstete internationaler Organisationen getroffenen Regelung (§ 6 Viertes Buch)
den Vorschriften über die Versicherungspflicht nicht unterliegt,
2.
während der Erziehungszeit zu den in § 5 Absatz 4 genannten Personen gehören oder
3.
während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach diesem Buch; als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig gilt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen.

(5) Die Kindererziehungszeit beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Wird während dieses Zeitraums vom erziehenden Elternteil ein weiteres Kind erzogen, für das ihm eine Kindererziehungszeit anzurechnen ist, wird die Kindererziehungszeit für dieses und jedes weitere Kind um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Erziehung verlängert.

(1) Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet 30 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.

(2) Bei der Anrechnung einer Kindererziehungszeit steht der Erziehung im Inland die Erziehung im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gleich. Dies gilt nicht, wenn Beitragszeiten während desselben Zeitraums aufgrund einer Versicherungslastregelung mit einem anderen Staat nicht in die Versicherungslast der Bundesrepublik Deutschland fallen würden.

(3) (weggefallen)

(4) Ein Elternteil ist von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen, wenn er vor dem 1. Januar 1921 geboren ist.

(5) Für die Feststellung der Tatsachen, die für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten vor dem 1. Januar 1986 erheblich sind, genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht sind.

(6) Ist die Mutter vor dem 1. Januar 1986 gestorben, wird die Kindererziehungszeit insgesamt dem Vater zugeordnet.

(7) Bei Folgerenten, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllen und für die ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigen ist, endet die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. Die Kindererziehungszeit endet 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn ausschließlich ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 3 oder ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1a zu berücksichtigen ist. Eine Kindererziehungszeit wird für den maßgeblichen Zeitraum, für den ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 5 berücksichtigt wurde, nicht angerechnet.

(8) Die Anrechnung einer Kindererziehungszeit nach Absatz 1 ist ausgeschlossen

1.
ab dem 13. bis zum 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn für die versicherte Person für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigen ist,
2.
ab dem 25. bis zum 30. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn für die versicherte Person für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 3 oder nach § 307d Absatz 1a zu berücksichtigen ist.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn für andere Versicherte oder Hinterbliebene für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen ist oder zu berücksichtigen war.

(1) Elternteile, die am 18. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten, sind von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen, wenn sie vor dem 1. Januar 1927 geboren sind.

(2) Ist ein Elternteil bis zum 31. Dezember 1996 gestorben, wird die Kindererziehungszeit im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 insgesamt der Mutter zugeordnet, es sei denn, es wurde eine wirksame Erklärung zugunsten des Vaters abgegeben.

Die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr ist bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen. Dies gilt für Zeiten einer mehr als geringfügig ausgeübten selbständigen Tätigkeit nur, soweit diese Zeiten auch Pflichtbeitragszeiten sind.

(1) Anrechnungszeiten sind Zeiten, in denen Versicherte

1.
wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten haben,
1a.
nach dem vollendeten 17. und vor dem vollendeten 25. Lebensjahr mindestens einen Kalendermonat krank gewesen sind, soweit die Zeiten nicht mit anderen rentenrechtlichen Zeiten belegt sind,
2.
wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft während der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht ausgeübt haben,
3.
wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit oder einem zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a des Zweiten Buches als Arbeitsuchende gemeldet waren und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben,
3a.
nach dem vollendeten 17. Lebensjahr mindestens einen Kalendermonat bei einer deutschen Agentur für Arbeit oder einem zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a des Zweiten Buches als Ausbildungsuchende gemeldet waren, soweit die Zeiten nicht mit anderen rentenrechtlichen Zeiten belegt sind,
4.
nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme im Sinne des Rechts der Arbeitsförderung teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren, oder
5.
eine Rente bezogen haben, soweit diese Zeiten auch als Zurechnungszeit in der Rente berücksichtigt waren, und die vor dem Beginn dieser Rente liegende Zurechnungszeit,
6.
Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches bezogen haben; dies gilt nicht für Empfänger der Leistung,
a)
die Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches nur darlehensweise oder
b)
nur Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 des Zweiten Buches bezogen haben.
Zeiten, in denen Versicherte nach Vollendung des 25. Lebensjahres wegen des Bezugs von Sozialleistungen versicherungspflichtig waren, sind nicht Anrechnungszeiten nach Satz 1 Nummer 1 und 3. Nach Vollendung des 25. Lebensjahres schließen Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit aus.

(2) Anrechnungszeiten nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 bis 3a liegen nur vor, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit oder ein versicherter Wehrdienst oder Zivildienst oder ein versichertes Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes unterbrochen ist; dies gilt nicht für Zeiten nach Vollendung des 17. und vor Vollendung des 25. Lebensjahres. Eine selbständige Tätigkeit ist nur dann unterbrochen, wenn sie ohne die Mitarbeit des Versicherten nicht weiter ausgeübt werden kann.

(3) Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit oder der Ausführung der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben liegen bei Versicherten, die nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 versicherungspflichtig werden konnten, erst nach Ablauf der auf Antrag begründeten Versicherungspflicht vor.

(4) Anrechnungszeiten liegen bei Beziehern von Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld nicht vor, wenn die Bundesagentur für Arbeit für sie Beiträge an eine Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung, an ein Versicherungsunternehmen oder an sie selbst gezahlt haben.

(4a) Zeiten der schulischen Ausbildung neben einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind nur Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung, wenn der Zeitaufwand für die schulische Ausbildung unter Berücksichtigung des Zeitaufwands für die Beschäftigung oder Tätigkeit überwiegt.

(5) Anrechnungszeiten sind nicht für die Zeit der Leistung einer Rente wegen Alters zu berücksichtigen.

(1) Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten bei Witwenrenten und Witwerrenten richtet sich nach der Dauer der Erziehung von Kindern bis zur Vollendung ihres dritten Lebensjahres. Die Dauer ergibt sich aus der Summe der Anzahl an Kalendermonaten mit Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung, die der Witwe oder dem Witwer zugeordnet worden sind, beginnend nach Ablauf des Monats der Geburt, bei Geburten am Ersten eines Monats jedoch vom Monat der Geburt an. Für die ersten 36 Kalendermonate sind jeweils 0,1010 Entgeltpunkte, für jeden weiteren Kalendermonat 0,0505 Entgeltpunkte zugrunde zu legen. Witwenrenten und Witwerrenten werden nicht um einen Zuschlag erhöht, solange der Rentenartfaktor mindestens 1,0 beträgt.

(1a) Absatz 1 gilt entsprechend, soweit Berücksichtigungszeiten nur deshalb nicht angerechnet werden, weil

1.
die Voraussetzungen des § 56 Absatz 4 vorliegen,
2.
die Voraussetzung nach § 56 Absatz 3 oder § 57 Satz 2 nicht erfüllt wird oder
3.
sie auf Grund einer Beitragserstattung nach § 210 untergegangen sind.

(2) Sterben Versicherte vor der Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes, wird mindestens der Zeitraum zugrunde gelegt, der zum Zeitpunkt des Todes an der Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes fehlt. Sterben Versicherte vor der Geburt des Kindes, werden 36 Kalendermonate zugrunde gelegt, wenn das Kind innerhalb von 300 Tagen nach dem Tod geboren wird. Wird das Kind nach Ablauf dieser Frist geboren, erfolgt der Zuschlag mit Beginn des Monats, der auf den letzten Monat der zu berücksichtigenden Kindererziehung folgt.

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn eine Leistung, die dem Zuschlag gleichwertig ist, nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder nach entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen erbracht wird.

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

(1) Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente besteht ohne Beschränkung auf 24 Kalendermonate auch für geschiedene Ehegatten,

1.
deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist,
2.
die weder wieder geheiratet noch eine Lebenspartnerschaft begründet haben und
3.
die im letzten Jahr vor dem Tod des geschiedenen Ehegatten (Versicherter) Unterhalt von diesem erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf hatten,
wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30. April 1942 gestorben ist.

(2) Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente besteht auch für geschiedene Ehegatten,

1.
deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist,
2.
die weder wieder geheiratet noch eine Lebenspartnerschaft begründet haben und
3.
die im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten Unterhalt von diesem erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf hatten und
4.
die entweder
a)
ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erziehen (§ 46 Abs. 2),
b)
das 45. Lebensjahr vollendet haben,
c)
erwerbsgemindert sind,
d)
vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig (§ 240 Abs. 2) sind oder
e)
am 31. Dezember 2000 bereits berufsunfähig oder erwerbsunfähig waren und dies ununterbrochen sind,
wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30. April 1942 gestorben ist.

(3) Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente besteht auch ohne Vorliegen der in Absatz 2 Nr. 3 genannten Unterhaltsvoraussetzungen für geschiedene Ehegatten, die

1.
einen Unterhaltsanspruch nach Absatz 2 Nr. 3 wegen eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens aus eigener Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit oder entsprechender Ersatzleistungen oder wegen des Gesamteinkommens des Versicherten nicht hatten und
2.
zum Zeitpunkt der Scheidung entweder
a)
ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erzogen haben (§ 46 Abs. 2) oder
b)
das 45. Lebensjahr vollendet hatten und
3.
entweder
a)
ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erziehen (§ 46 Abs. 2),
b)
erwerbsgemindert sind,
c)
vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig (§ 240 Abs. 2) sind,
d)
am 31. Dezember 2000 bereits berufsunfähig oder erwerbsunfähig waren und dies ununterbrochen sind oder
e)
das 60. Lebensjahr vollendet haben,
wenn auch vor Anwendung der Vorschriften über die Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes weder ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente für eine Witwe oder einen Witwer noch für einen überlebenden Lebenspartner des Versicherten aus dessen Rentenanwartschaften besteht. Wenn der Versicherte nach dem 31. Dezember 2011 verstorben ist, wird die Altersgrenze von 60 Jahren wie folgt angehoben:

Todesjahr
des Versicherten
Anhebung
um Monate
auf Alter
JahrMonat
20121601
20132602
20143603
20154604
20165605
20176606
20187607
20198608
20209609
2021106010
2022116011
202312610
202414612
202516614
202618616
202720618
2028226110
ab 202924620.

(4) Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten besteht unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 3 auch für geschiedene Ehegatten, die wieder geheiratet haben, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist oder wenn eine Lebenspartnerschaft begründet und diese wieder aufgehoben oder aufgelöst ist.

(5) Geschiedenen Ehegatten stehen Ehegatten gleich, deren Ehe für nichtig erklärt oder aufgehoben ist.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Erziehungsrente, wenn

1.
ihre Ehe nach dem 30. Juni 1977 geschieden und ihr geschiedener Ehegatte gestorben ist,
2.
sie ein eigenes Kind oder ein Kind des geschiedenen Ehegatten erziehen (§ 46 Abs. 2),
3.
sie nicht wieder geheiratet haben und
4.
sie bis zum Tod des geschiedenen Ehegatten die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

(2) Geschiedenen Ehegatten stehen Ehegatten gleich, deren Ehe für nichtig erklärt oder aufgehoben ist.

(3) Anspruch auf Erziehungsrente besteht bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch für verwitwete Ehegatten, für die ein Rentensplitting durchgeführt wurde, wenn

1.
sie ein eigenes Kind oder ein Kind des verstorbenen Ehegatten erziehen (§ 46 Abs. 2),
2.
sie nicht wieder geheiratet haben und
3.
sie bis zum Tod des Ehegatten die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

(4) Für einen Anspruch auf Erziehungsrente gelten als Scheidung einer Ehe auch die Aufhebung einer Lebenspartnerschaft, als geschiedener Ehegatte auch der frühere Lebenspartner, als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als verwitweter Ehegatte auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch der Lebenspartner.

Bestimmt sich der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach dem Recht, das im Beitrittsgebiet gegolten hat, ist § 243 nicht anzuwenden. In diesen Fällen besteht Anspruch auf Erziehungsrente bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch, wenn die Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist.

(1) Die Höhe einer Rente richtet sich vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen.

(2) Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen wird in Entgeltpunkte umgerechnet. Die Versicherung eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens in Höhe des Durchschnittsentgelts eines Kalenderjahres (Anlage 1) ergibt einen vollen Entgeltpunkt.

(3) Für beitragsfreie Zeiten werden Entgeltpunkte angerechnet, deren Höhe von der Höhe der in der übrigen Zeit versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen abhängig ist.

(4) Das Sicherungsziel der jeweiligen Rentenart im Verhältnis zu einer Altersrente wird durch den Rentenartfaktor bestimmt.

(5) Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer werden durch einen Zugangsfaktor vermieden.

(6) Der Monatsbetrag einer Rente ergibt sich, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte mit dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert vervielfältigt werden.

(7) Der aktuelle Rentenwert wird entsprechend der Entwicklung des Durchschnittsentgelts unter Berücksichtigung der Veränderung des Beitragssatzes zur allgemeinen Rentenversicherung jährlich angepasst.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

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Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

94

Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

(1) Die Höhe einer Rente richtet sich vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen.

(2) Das in den einzelnen Kalenderjahren durch Beiträge versicherte Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen wird in Entgeltpunkte umgerechnet. Die Versicherung eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens in Höhe des Durchschnittsentgelts eines Kalenderjahres (Anlage 1) ergibt einen vollen Entgeltpunkt.

(3) Für beitragsfreie Zeiten werden Entgeltpunkte angerechnet, deren Höhe von der Höhe der in der übrigen Zeit versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen abhängig ist.

(4) Das Sicherungsziel der jeweiligen Rentenart im Verhältnis zu einer Altersrente wird durch den Rentenartfaktor bestimmt.

(5) Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer werden durch einen Zugangsfaktor vermieden.

(6) Der Monatsbetrag einer Rente ergibt sich, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte mit dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert vervielfältigt werden.

(7) Der aktuelle Rentenwert wird entsprechend der Entwicklung des Durchschnittsentgelts unter Berücksichtigung der Veränderung des Beitragssatzes zur allgemeinen Rentenversicherung jährlich angepasst.

Tenor

1. Mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes sind seit dem Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes zum 1. Januar 2009 unvereinbar § 13a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) vom 22. Dezember 2009 (Bundesgesetzblatt I Seite 3950) und § 13b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz) vom 24. Dezember 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 3018) jeweils in Verbindung mit § 19 Absatz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997 (Bundesgesetzblatt I Seite 378), auch in den seither geltenden Fassungen.

2. Das bisherige Recht ist bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 30. Juni 2016 zu treffen.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob die Bestimmungen über die Befreiung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer für Betriebsvermögen, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften in §§ 13a und 13b des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in Verbindung mit der Tarifvorschrift des § 19 Abs. 1 ErbStG in ihrer im Jahre 2009 maßgeblichen Fassung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.

I.

2

1. a) Die Erbschaft- und Schenkungsteuer belastet gemäß §§ 1, 3, 7 und 8 ErbStG Erwerbe von Todes wegen, Schenkungen unter Lebenden, Zweckzuwendungen und Familienstiftungen. Als steuerpflichtiger Erwerb gilt gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbenden, soweit sie nicht steuerfrei ist. Auf die nach den Grundsätzen des § 10 ErbStG ermittelte Bemessungsgrundlage gelangt der in § 19 Abs. 1 ErbStG geregelte Steuertarif zur Anwendung. § 19 Abs. 1 ErbStG sieht unabhängig davon, aus welchen Vermögensarten sich Nachlass oder Schenkung zusammensetzen, für alle steuerpflichtigen Erwerbe einheitliche Steuersätze zwischen 7 % und 50 % vor, wobei sich die Höhe des jeweils anzuwendenden Steuersatzes zum einen nach der Höhe des Werts des steuerpflichtigen Erwerbs im Sinne von § 10 ErbStG und zum anderen nach der anzuwendenden Steuerklasse (§ 15 ErbStG) richtet, die ihrerseits vom persönlichen Verhältnis des Erwerbenden zum Zuwendenden, insbesondere als Ehegatte oder Lebenspartner oder nach dem Grad der Verwandtschaft, abhängt.

3

b) Im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz sind aus verschiedenen Gründen vollständige oder begrenzte Befreiungen von der Erbschaft- und Schenkungsteuer geregelt. Persönliche Freibeträge stehen jedem Erwerbenden zu, der deren Voraussetzungen in eigener Person erfüllt (vgl. §§ 16, 17 ErbStG); sachliche Befreiungen werden nach Maßgabe der jeweiligen Voraussetzungen der Befreiungsnorm gewährt (so insbesondere §§ 13, 13a und 13b ErbStG).

4

c) Die Vorlage betrifft die im Jahr 2009 geltende Fassung des § 19 Abs. 1 ErbStG sowie der §§ 13a und 13b ErbStG, die sie zunächst durch das am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz - ErbStRG) vom 24. Dezember 2008 (BGBl I S. 3018) erhalten haben. Durch den am 1. Januar 2010 in Kraft getretenen Artikel 6 des Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) vom 22. Dezember 2009 (BGBl I S. 3950) wurde § 13a ErbStG rückwirkend für Erwerbe geändert, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 2008 entstanden ist.

5

d) Aus dem durch das Erbschaftsteuerreformgesetz neugefassten § 13a ErbStG und dem neu in das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz eingefügten § 13b ergibt sich eine Verschonung des betrieblichen Vermögens. Die für das hier maßgebliche Jahr 2009 geltende, später durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz in einzelnen Punkten großzügiger gestaltete Gesetzesfassung sieht vor, dass nach § 13b ErbStG als begünstigungsfähig anerkanntes Vermögen zu 85 % (Regelverschonung) oder zu 100 % (Optionsverschonung) von der Erbschaft- oder Schenkungsteuer befreit sein kann, wenn bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich der Zusammensetzung des übergegangenen Vermögens, seines Fortbestands in der Hand des Erwerbers und des Erhalts der mit ihm verbundenen Arbeitsplätze erfüllt werden.

6

aa) Bei der Regelverschonung bleibt der Wert des begünstigten Vermögens in Höhe eines Verschonungsabschlags von 85 % außer Ansatz (§ 13a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 13b Abs. 4 ErbStG). Steuerlich belastet werden somit nur 15 % des übergegangenen Vermögenswerts.

7

Der Gesetzgeber sieht in dem Verschonungsabschlag in Höhe von 85 % eine pauschalierte Festlegung des begünstigten Betriebsvermögens. Er will damit Schwierigkeiten bei der Einordnung von ererbten oder geschenkten Vermögensgegenständen als begünstigungswürdig vermeiden, die sich aus der durch das Einkommensteuerrecht eröffneten Möglichkeit ergeben, Vermögensgegenstände zu gewillkürtem Betriebsvermögen zu erklären (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 36).

8

Für den Anteil des nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigten Vermögens, der nicht vom Verschonungsabschlag erfasst wird, ist gemäß § 13a Abs. 2 ErbStG eine zusätzliche Verschonung durch einen degressiv ausgestalteten Abzugsbetrag von maximal 150.000 Euro vorgesehen. Nach der Gesetzesbegründung soll durch ihn eine Wertermittlung und Überwachung bei Klein- und Kleinstfällen entbehrlich werden (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 33 f.). Nach § 13a Abs. 2 Satz 3 ErbStG kann er innerhalb von zehn Jahren für von derselben Person anfallende Erwerbe nur einmal berücksichtigt werden.

9

bb) Zu dem nach §§ 13a und 13b ErbStG begünstigten Vermögen gehören land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Betriebsvermögen sowie Anteile an Kapitalgesellschaften, an deren Nennkapital Erblasser oder Schenker zu mehr als 25 % unmittelbar beteiligt waren.

10

Das nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigte Vermögen bleibt jedoch von der steuerlichen Verschonung ausgenommen, wenn das land- und forstwirtschaftliche Vermögen oder das Betriebsvermögen der Betriebe oder der Gesellschaften zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht (§ 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG).

11

In diesem Fall ist der Erwerb des gesamten Vermögens steuerpflichtig. Liegt der Anteil des Verwaltungsvermögens dagegen bei höchstens 50 %, wird der gesamte Erwerb einschließlich des Verwaltungsvermögens begünstigt. Auch wenn die Verwaltungsvermögensgrenze eingehalten wird, ist nach § 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG gleichwohl solches Verwaltungsvermögen von der Begünstigung ausgeschlossen, welches im Besteuerungszeitpunkt dem Betrieb weniger als zwei Jahre zuzurechnen war (junges Verwaltungsvermögen).

12

Nach der Begründung des Regierungsentwurfs (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 35 f.) sollten durch die Verwaltungsvermögensregelung überwiegend vermögensverwaltende Betriebe von den Verschonungen ausgenommen bleiben. Wegen der nach dem Einkommensteuerrecht bestehenden Möglichkeit, Vermögensgegenstände zu gewillkürtem Betriebsvermögen zu erklären, könnten praktisch alle Gegenstände, die üblicherweise der privaten Vermögensverwaltung zuzurechnen seien (vermietete und verpachtete Grundstücke und Gebäude, Minderbeteiligungen an Kapitalgesellschaften, Wertpapiere), auch in Form eines Gewerbebetriebs gehalten werden. Vermögen, das in erster Linie der weitgehend risikolosen Renditeerzielung diene und in der Regel weder Arbeitsplätze schaffe noch zusätzliche volkswirtschaftliche Leistungen hervorbringe, solle daher nicht begünstigt werden.

13

Die Wirtschaftsgüter, die zum Verwaltungsvermögen gehören, sind in § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG abschließend aufgeführt. Im Grundsatz zählen hierzu nach der im Vorlageverfahren maßgeblichen Gesetzesfassung des Jahres 2009 Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ErbStG), Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital dieser Gesellschaften 25 % oder weniger beträgt (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ErbStG), Beteiligungen an Personengesellschaften und Kapitalgesellschaftsanteile von mehr als 25 %, wenn bei diesen Gesellschaften das Verwaltungsvermögen mehr als 50 % beträgt (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG), Wertpapiere und vergleichbare Forderungen (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ErbStG) sowie Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive, Münzen, Edelmetalle und Edelsteine (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 ErbStG).

14

cc) Voraussetzung für die steuerliche Begünstigung nach §§ 13a und 13b ErbStG ist - wie es auch in den vorangegangenen Fassungen des § 13a ErbStG der Fall war (s. unten I. 3. b) -, dass der Erwerbende den Betrieb während eines bestimmten Mindestzeitraums fortführt. Der Verschonungsabschlag (§ 13a Abs. 1 ErbStG) und der Abzugsbetrag (§ 13a Abs. 2 ErbStG) fallen gemäß § 13a Abs. 5 Satz 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber innerhalb der Behaltensfrist von fünf Jahren in der in den § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 5 ErbStG beschriebenen (schädlichen) Weise über das begünstigte Vermögen verfügt (etwa durch Veräußerung oder Aufgabe des Gewerbebetriebs oder von Teilen hiervon). Die Gründe für die Verfügung sind unbeachtlich.

15

Der Wegfall der steuerlichen Verschonung löst eine begrenzte Nachversteuerung des bisher begünstigten Vermögens aus: Betrifft die schädliche Verfügung nur einen Teil des begünstigten Vermögens, fällt auch nur der auf diesen Vermögensanteil bezogene Verschonungsabschlag und Abzugsbetrag weg. Verwirklicht der Erwerber bestimmte Nachsteuertatbestände während des Laufes der Fünfjahresfrist, entfällt nach § 13a Abs. 5 Satz 2 ErbStG der Abzugsbetrag (§ 13a Abs. 2 ErbStG) insgesamt, während der Verschonungsabschlag für die Jahre erhalten bleibt, in denen keine schädliche Verfügung vorlag (vgl. Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 13a Rn. 25).

16

dd) Als weitere Bedingung für die steuerliche Begünstigung nach §§ 13a und 13b ErbStG wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz eine Lohnsummenregelung in § 13a ErbStG eingefügt, deren Vorgaben der Gesetzgeber als Reaktion auf die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise (vgl. BTDrucks 17/15, S. 20 f.) mit Artikel 6 Nr. 1 des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes weiter zugunsten der Steuerpflichtigen mit Wirkung für Steuerentstehungszeitpunkte nach dem 31. Dezember 2008 geändert hat.

17

Unter Berücksichtigung dieser insoweit auf den 1. Januar 2009 rückwirkenden und damit für die hier zu beurteilende Rechtslage maßgeblichen Regelung gilt danach im Hinblick auf die Lohnsumme Folgendes: Bei Betrieben mit mehr als 20 - anstelle von zuvor mehr als zehn - Beschäftigten entfällt der Verschonungsabschlag wieder, wenn im Falle der Regelverschonung nicht innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb (Lohnsummenfrist) insgesamt 400 % der Ausgangslohnsumme erreicht werden (vgl. § 13a Abs. 1 Sätze 2 und 3 sowie Abs. 4 ErbStG). Es kommt danach also nicht auf die Anzahl der Beschäftigten, sondern auf die Entwicklung der Lohnsumme an. Unterschreitet die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen innerhalb der Lohnsummenfrist die Mindestlohnsumme (400 % der Ausgangslohnsumme, § 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG), vermindert sich gemäß § 13a Abs. 1 Satz 5 ErbStG der nach § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG zu gewährende Verschonungsabschlag mit Wirkung für die Vergangenheit in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird.

18

Der Gesetzgeber sah die Lohnsumme, also die Summe der im Unternehmen gezahlten Löhne und Gehälter in Form eines Durchschnittsbetrags über die dem Unternehmensübergang vorangegangenen fünf Jahre, als geeigneten Indikator für die Unternehmensfortführung und die Erhaltung von Arbeitsplätzen an (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 33). Mit der Lohnsummenregelung bleibe den Unternehmen ein hohes Maß an Flexibilität erhalten, da ein Abbau niedrig entlohnter Tätigkeit ohne Auswirkung auf die Begünstigungsregelung möglich bleibe, wenn zugleich produktivere, besser bezahlte Arbeitsplätze geschaffen würden (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 33; 16/11107, S. 9).

19

Durch Art. 6 Nr. 1 und Nr. 4 des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes wurde die Beschäftigtenzahl, bis zu der die Lohnsummenregelung keine Anwendung findet, von den ursprünglich in Anlehnung an § 23 Abs. 1 Satz 3 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) als Freistellungsgrenze festgelegten zehn Beschäftigten (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 33) rückwirkend zum 1. Januar 2009 auf 20 erhöht. Nach § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG in der für das Vorlageverfahren maßgeblichen Fassung sind deshalb Betriebe mit nicht mehr als 20 Beschäftigten von der Lohnsummenregelung ausgenommen. Das gleiche gilt für Betriebe mit einer Ausgangslohnsumme von 0 Euro. Sie erlangen den Verschonungsabschlag bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen unabhängig von der Erhaltung von Arbeitsplätzen. Der Gesetzgeber führte für die Erhöhung der Beschäftigtenzahl durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz keinen besonderen Grund an, sondern verwies allgemein auf das Erfordernis, die Bedingungen für die Unternehmensnachfolge angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise krisenfest und mittelstandsfreundlicher auszugestalten (vgl. BTDrucks 17/15, S. 20).

20

ee) Der Erwerber begünstigten Vermögens hat nach § 13a Abs. 8 ErbStG die Option, anstelle der Regelverschonung in Höhe von 85 % einen Verschonungsabschlag von 100 % und damit die völlige Steuerfreiheit des Erwerbs zu erreichen (Optionsverschonung; vgl. § 13a Abs. 8 Nr. 4 ErbStG). Er muss hierzu unwiderruflich erklären, dass die Steuerbefreiung nach § 13a Abs. 1 bis 7 ErbStG in Verbindung mit § 13b ErbStG nach folgender Maßgabe gewährt wird: Die Lohnsummenfrist wird auf sieben Jahre erweitert und die Lohnsumme auf 700 % erhöht. Die Behaltensfrist wird auf sieben Jahre verlängert. Das begünstigte Vermögen darf zu nicht mehr als 10 % aus Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG bestehen.

21

e) §§ 13a, 13b und § 19 ErbStG lauten in der für das Vorlageverfahren im Jahre 2009 maßgeblichen Fassung auszugsweise wie folgt:

§ 13a

Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften

(1) Der Wert von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 13b Abs. 4 bleibt insgesamt außer Ansatz (Verschonungsabschlag). Voraussetzung ist, dass die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen (Absatz 4) des Betriebs, bei Beteiligungen an einer Personengesellschaft oder Anteilen an einer Kapitalgesellschaft des Betriebs der jeweiligen Gesellschaft, innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb (Lohnsummenfrist) insgesamt 400 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet (Mindestlohnsumme). Ausgangslohnsumme ist die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer endenden Wirtschaftsjahre. Satz 2 ist nicht anzuwenden, wenn die Ausgangslohnsumme 0 Euro beträgt oder der Betrieb nicht mehr als 20 Beschäftigte hat. Unterschreitet die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen die Mindestlohnsumme, vermindert sich der nach Satz 1 zu gewährende Verschonungsabschlag mit Wirkung für die Vergangenheit in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird.

(2) Der nicht unter § 13b Abs. 4 fallende Teil des Vermögens im Sinne des § 13b Abs. 1 bleibt vorbehaltlich des Satzes 3 außer Ansatz, soweit der Wert dieses Vermögens insgesamt 150 000 Euro nicht übersteigt (Abzugsbetrag). Der Abzugsbetrag von 150 000 Euro verringert sich, wenn der Wert dieses Vermögens insgesamt die Wertgrenze von 150 000 Euro übersteigt, um 50 Prozent des diese Wertgrenze übersteigenden Betrags. Der Abzugsbetrag kann innerhalb von zehn Jahren für von derselben Person anfallende Erwerbe nur einmal berücksichtigt werden.

(3) …

(4) Die Lohnsumme umfasst alle Vergütungen (Löhne und Gehälter und andere Bezüge und Vorteile), die im maßgebenden Wirtschaftsjahr an die auf den Lohn- und Gehaltslisten erfassten Beschäftigten gezahlt werden; außer Ansatz bleiben Vergütungen an solche Arbeitnehmer, die nicht ausschließlich oder überwiegend in dem Betrieb tätig sind. Zu den Vergütungen zählen alle Geld- oder Sachleistungen für die von den Beschäftigten erbrachte Arbeit, unabhängig davon, wie diese Leistungen bezeichnet werden und ob es sich um regelmäßige oder unregelmäßige Zahlungen handelt. Zu den Löhnen und Gehältern gehören auch alle von den Beschäftigten zu entrichtenden Sozialbeiträge, Einkommensteuern und Zuschlagsteuern auch dann, wenn sie vom Arbeitgeber einbehalten und von ihm im Namen des Beschäftigten direkt an den Sozialversicherungsträger und die Steuerbehörde abgeführt werden. Zu den Löhnen und Gehältern zählen alle vom Beschäftigten empfangenen Sondervergütungen, Prämien, Gratifikationen, Abfindungen, Zuschüsse zu Lebenshaltungskosten, Familienzulagen, Provisionen, Teilnehmergebühren und vergleichbare Vergütungen. Gehören zum Betriebsvermögen des Betriebs, bei Beteiligungen an einer Personengesellschaft und Anteilen an einer Kapitalgesellschaft des Betriebs der jeweiligen Gesellschaft, unmittelbar oder mittelbar Beteiligungen an Personengesellschaften, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums haben, oder Anteile an Kapitalgesellschaften, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums haben, wenn die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung mehr als 25 Prozent beträgt, sind die Lohnsummen dieser Gesellschaften einzubeziehen zu dem Anteil, zu dem die unmittelbare und mittelbare Beteiligung besteht.

(5) Der Verschonungsabschlag (Absatz 1) und der Abzugsbetrag (Absatz 2) fallen nach Maßgabe des Satzes 2 mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren (Behaltensfrist)

1. einen Gewerbebetrieb oder einen Teilbetrieb, einen Anteil an einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes, einen Anteil eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien oder einen Anteil daran veräußert; als Veräußerung gilt auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs. Gleiches gilt, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen eines Gewerbebetriebs veräußert oder in das Privatvermögen überführt oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden oder wenn Anteile an einer Kapitalgesellschaft veräußert werden, die der Veräußerer durch eine Sacheinlage (§ 20 Abs. 1 des Umwandlungssteuergesetzes vom 7. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2782, 2791), geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 14. August 2007 (BGBl. I S. 1912), in der jeweils geltenden Fassung) aus dem Betriebsvermögen im Sinne des § 13b erworben hat oder ein Anteil an einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes oder ein Anteil daran veräußert wird, den der Veräußerer durch eine Einbringung des Betriebsvermögens im Sinne des § 13b in eine Personengesellschaft (§ 24 Abs. 1 des Umwandlungssteuergesetzes) erworben hat;

2. das land- und forstwirtschaftliche Vermögen im Sinne des § 168 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes und selbst bewirtschaftete Grundstücke im Sinne des § 159 des Bewertungsgesetzes veräußert. Gleiches gilt, wenn das land- und forstwirtschaftliche Vermögen dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nicht mehr dauernd zu dienen bestimmt ist oder wenn der bisherige Betrieb innerhalb der Behaltensfrist als Stückländerei zu qualifizieren wäre oder Grundstücke im Sinne des § 159 des Bewertungsgesetzes nicht mehr selbst bewirtschaftet werden;

3. als Inhaber eines Gewerbebetriebs, Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes oder persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien bis zum Ende des letzten in die Fünfjahresfrist fallenden Wirtschaftsjahres Entnahmen tätigt, die die Summe seiner Einlagen und der ihm zuzurechnenden Gewinne oder Gewinnanteile seit dem Erwerb um mehr als 150 000 Euro übersteigen; Verluste bleiben unberücksichtigt. Gleiches gilt für Inhaber eines begünstigten Betriebs der Land- und Forstwirtschaft oder eines Teilbetriebs oder eines Anteils an einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft. Bei Ausschüttungen an Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft ist sinngemäß zu verfahren;

4. Anteile an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 13b ganz oder teilweise veräußert; eine verdeckte Einlage der Anteile in eine Kapitalgesellschaft steht der Veräußerung der Anteile gleich. Gleiches gilt, wenn die Kapitalgesellschaft innerhalb der Frist aufgelöst oder ihr Nennkapital herabgesetzt wird, wenn diese wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert und das Vermögen an die Gesellschafter verteilt wird; Satz 1 Nr. 1 Satz 2 gilt entsprechend;

5. im Fall des § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 die Verfügungsbeschränkung oder die Stimmrechtsbündelung aufgehoben wird.

Der Wegfall des Verschonungsabschlags beschränkt sich in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1, 2, 4 und 5 auf den Teil, der dem Verhältnis der im Zeitpunkt der schädlichen Verfügung verbleibenden Behaltensfrist einschließlich des Jahres, in dem die Verfügung erfolgt, zur gesamten Behaltensfrist ergibt. In den Fällen des Satzes 1 Nr. 1, 2 und 4 ist von einer Nachversteuerung abzusehen, wenn der Veräußerungserlös innerhalb der nach § 13b Abs. 1 begünstigten Vermögensart verbleibt. Hiervon ist auszugehen, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten in entsprechendes Vermögen investiert wird, das nicht zum Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 gehört.

(6) - (7) …

(8) Der Erwerber kann unwiderruflich erklären, dass die Steuerbefreiung nach den Absätzen 1 bis 7 in Verbindung mit § 13b nach folgender Maßgabe gewährt wird:

1. In Absatz 1 Satz 2 tritt an die Stelle der Lohnsummenfrist von fünf Jahren eine Lohnsummenfrist von sieben Jahren und an die Stelle der maßgebenden Lohnsumme von 400 Prozent eine maßgebende Lohnsumme von 700 Prozent;

2. in Absatz 5 tritt an die Stelle der Behaltensfrist von fünf Jahren eine Behaltensfrist von sieben Jahren;

3. in § 13b Abs. 2 Satz 1 tritt an die Stelle des Prozentsatzes für das Verwaltungsvermögen von 50 Prozent ein Prozentsatz von 10 Prozent;

4. in § 13b Abs. 4 tritt an die Stelle des Prozentsatzes für die Begünstigung von 85 Prozent ein Prozentsatz von 100 Prozent.

(9) …

§ 13b

Begünstigtes Vermögen

(1) Zum begünstigten Vermögen gehören vorbehaltlich Absatz 2

1. der inländische Wirtschaftsteil des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (§ 168 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes) mit Ausnahme der Stückländereien (§ 168 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes) und selbst bewirtschaftete Grundstücke im Sinne des § 159 des Bewertungsgesetzes sowie entsprechendes land- und forstwirtschaftliches Vermögen, das einer Betriebsstätte in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums dient;

2. inländisches Betriebsvermögen (§§ 95 bis 97 des Bewertungsgesetzes) beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs, eines Anteils an einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes, eines Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien oder eines Anteils daran und entsprechendes Betriebsvermögen, das einer Betriebsstätte in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums dient;

3. Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die Kapitalgesellschaft zur Zeit der Entstehung der Steuer Sitz oder Geschäftsleitung im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums hat und der Erblasser oder Schenker am Nennkapital dieser Gesellschaft zu mehr als 25 Prozent unmittelbar beteiligt war (Mindestbeteiligung). Ob der Erblasser oder Schenker die Mindestbeteiligung erfüllt, ist nach der Summe der dem Erblasser oder Schenker unmittelbar zuzurechnenden Anteile und der Anteile weiterer Gesellschafter zu bestimmen, wenn der Erblasser oder Schenker und die weiteren Gesellschafter untereinander verpflichtet sind, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen und das Stimmrecht gegenüber nichtgebundenen Gesellschaftern einheitlich auszuüben.

(2) Ausgenommen bleibt Vermögen im Sinne des Absatzes 1, wenn das land- und forstwirtschaftliche Vermögen oder das Betriebsvermögen der Betriebe oder der Gesellschaften zu mehr als 50 Prozent aus Verwaltungsvermögen besteht. Zum Verwaltungsvermögen gehören

1. Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten. Eine Nutzungsüberlassung an Dritte ist nicht anzunehmen, wenn

a) der Erblasser oder Schenker sowohl im überlassenden Betrieb als auch im nutzenden Betrieb allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen konnte oder als Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes den Vermögensgegenstand der Gesellschaft zur Nutzung überlassen hatte, und diese Rechtsstellung auf den Erwerber übergegangen ist, soweit keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten erfolgt;

b) die Nutzungsüberlassung im Rahmen der Verpachtung eines ganzen Betriebs erfolgt, welche beim Verpächter zu Einkünften nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 bis 3 des Einkommensteuergesetzes führt und

aa) der Verpächter des Betriebs im Zusammenhang mit einer unbefristeten Verpachtung den Pächter durch eine letztwillige Verfügung oder eine rechtsgeschäftliche Verfügung als Erben eingesetzt hat oder

bb) die Verpachtung an einen Dritten erfolgt, weil der Beschenkte im Zeitpunkt der Steuerentstehung den Betrieb noch nicht führen kann, und die Verpachtung auf höchstens zehn Jahre befristet ist; hat der Beschenkte das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet, beginnt die Frist mit der Vollendung des 18. Lebensjahres.

Dies gilt nicht für verpachtete Betriebe, die vor ihrer Verpachtung die Voraussetzungen als begünstigtes Vermögen nach Absatz 1 und Satz 1 nicht erfüllt haben und für verpachtete Betriebe, deren Hauptzweck in der Überlassung von Grundstücken, Grundstücksteilen, grundstücksgleichen Rechten und Bauten an Dritte zur Nutzung besteht, die nicht unter Buchstabe d fallen;

c) sowohl der überlassende Betrieb als auch der nutzende Betrieb zu einem Konzern im Sinne des § 4h des Einkommensteuergesetzes gehören, soweit keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten erfolgt;

d) die überlassenen Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten zum Betriebsvermögen, zum gesamthänderisch gebundenen Betriebsvermögen einer Personengesellschaft oder zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehören und der Hauptzweck des Betriebs in der Vermietung von Wohnungen im Sinne des § 181 Abs. 9 des Bewertungsgesetzes besteht, dessen Erfüllung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 der Abgabenordnung) erfordert;

e) Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten an Dritte zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung überlassen werden;

2. Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital dieser Gesellschaften 25 Prozent oder weniger beträgt und sie nicht dem Hauptzweck des Gewerbebetriebs eines Kreditinstitutes oder eines Finanzdienstleistungsinstitutes im Sinne des § 1 Abs. 1 und 1a des Kreditwesengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2776), das zuletzt durch Artikel 24 des Gesetzes vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026) geändert worden ist, oder eines Versicherungsunternehmens, das der Aufsicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1992 (BGBl. 1993 I S. 2), das zuletzt durch Artikel 6 Abs. 2 des Gesetzes vom 17. Oktober 2008 (BGBl. I S. 1982) geändert worden ist, unterliegt, zuzurechnen sind. Ob diese Grenze unterschritten wird, ist nach der Summe der dem Betrieb unmittelbar zuzurechnenden Anteile und der Anteile weiterer Gesellschafter zu bestimmen, wenn die Gesellschafter untereinander verpflichtet sind, über die Anteile nur einheitlich zu verfügen oder sie ausschließlich auf andere derselben Verpflichtung unterliegende Anteilseigner zu übertragen und das Stimmrecht gegenüber nichtgebundenen Gesellschaftern nur einheitlich ausüben;

3. Beteiligungen an Gesellschaften im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes und an entsprechenden Gesellschaften im Ausland sowie Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht unter Nummer 2 fallen, wenn bei diesen Gesellschaften das Verwaltungsvermögen mehr als 50 Prozent beträgt;

4. Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen, wenn sie nicht dem Hauptzweck des Gewerbebetriebs eines Kreditinstitutes oder eines Finanzdienstleistungsinstitutes im Sinne des § 1 Abs. 1 und 1a des Kreditwesengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2776), das zuletzt durch Artikel 24 des Gesetzes vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026) geändert worden ist, oder eines Versicherungsunternehmens, das der Aufsicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1992 (BGBl. 1993 I S. 2), das zuletzt durch Artikel 6 Abs. 2 des Gesetzes vom 17. Oktober 2008 (BGBl. I S. 1982) geändert worden ist, unterliegt, zuzurechnen sind;

5. Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive, Münzen, Edelmetalle und Edelsteine, wenn der Handel mit diesen Gegenständen oder deren Verarbeitung nicht der Hauptzweck des Gewerbebetriebs ist.

Kommt Satz 1 nicht zur Anwendung, gehört solches Verwaltungsvermögen im Sinne des Satzes 2 Nr. 1 bis 5 nicht zum begünstigten Vermögen im Sinne des Absatzes 1, welches dem Betrieb im Besteuerungszeitpunkt weniger als zwei Jahre zuzurechnen war. Der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert des Betriebs bestimmt sich nach dem Verhältnis der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens zum gemeinen Wert des Betriebs; für Grundstücksteile des Verwaltungsvermögens ist der ihnen entsprechende Anteil am gemeinen Wert des Grundstücks anzusetzen. Bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft ist als Vergleichsmaßstab der Wert des Wirtschaftsteils (§ 168 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes) anzuwenden.

(3) …

(4) Begünstigt sind 85 Prozent des in Absatz 1 genannten Vermögens.

§ 19

Steuersätze

(1) Die Erbschaftsteuer wird nach folgenden Prozentsätzen erhoben:

Wert des steuerpflichtigen Erwerbs (§ 10) bis einschließlich … Euro

Prozentsatz in der Steuerklasse

I

II

III

75 000

7

30

30

300 000

11

30

30

600 000

15

30

30

6 000 000

19

30

30

13 000 000

23

50

50

26 000 000

27

50

50

über 26 000 000

30

50

50

(2) - (3) …

22

2. Neben §§ 13a und 13b ErbStG ist in § 19a ErbStG als weitere Privilegierung für das betriebliche Vermögen eine Tarifbegrenzung für Erwerber der Steuerklassen II und III geregelt, die darauf abzielt, beim Erwerb von Betriebsvermögen, von Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und von Anteilen an Kapitalgesellschaften die Steuersätze der Steuerklasse I anzuwenden. Folglich wird der Teil des begünstigten Vermögens, der nach Verschonungsabschlag und Abzugsbetrag verbleibt, nach Maßgabe des § 19a ErbStG nach der günstigeren Steuerklasse I besteuert, auch wenn der Erwerb ansonsten nach Steuerklasse II oder III zu versteuern wäre (vgl. Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 19a Rn. 2).

23

Gehört zum Erwerb Betriebsvermögen oder land- und forstwirtschaftliches Vermögen, ist dem Erwerber nach § 28 ErbStG die darauf entfallende Erbschaftsteuer auf Antrag bis zu zehn Jahren (bei Erwerben von Todes wegen zinslos) zu stunden. Voraussetzung für eine Stundung ist, dass sie zur Erhaltung des Betriebs notwendig ist. Der Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist nach § 28 ErbStG nicht begünstigt.

24

3. a) Das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht kennt Vergünstigungen beim Erwerb betrieblichen Vermögens im Wesentlichen seit Anfang der 1990er Jahre. Mit dem Gesetz zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze (Steueränderungsgesetz 1992 - StÄndG 1992) vom 25. Februar 1992 (BGBl I S. 297) ordnete der Gesetzgeber die weitgehende Übernahme der Steuerbilanzwerte zur Bewertung des Betriebsvermögens für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer an (vgl. BVerfGE 117, 1 <4>). Der Gesetzesentwurf geht davon aus, dass der Steuerbilanzwertansatz gegenüber den bis dahin geltenden Bewertungsgrundsätzen zu vielfach niedrigeren Besteuerungswerten führen würde. Die dadurch bewirkte Entlastung bei der Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung sei insbesondere für mittelständische Personenunternehmen wichtig. Zur Sicherung der Unternehmen solle vermieden werden, dass diesen zur Begleichung der Steuerschuld über Gebühr Mittel entzogen werden müssten (vgl. BTDrucks 12/1108, S. 37).

25

Ebenfalls durch das Steueränderungsgesetz 1992 wurde die Stundungsregelung in § 28 ErbStG auf Betriebsvermögen erstreckt, nach der zuvor nur bei land- und forstwirtschaftlichem Vermögen ein Anspruch auf Stundung (auf bis zu sieben Jahre) der Steuerschuld bestand, wenn dies zur Erhaltung des Betriebs notwendig war. Zusätzlich wurde für Erwerbe von Todes wegen angeordnet, dass die Stundung zinslos zu erfolgen habe (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 ErbStG). Mit dem Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I S. 1250) wurde der maximale Stundungszeitraum auf zehn Jahre ausgedehnt.

26

b) Durch das Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen Binnenmarkt (Standortsicherungsgesetz - StandOG) vom 13. September 1993 (BGBl I S. 1569) führte der Gesetzgeber mit dem neu eingefügten § 13 Abs. 2a ErbStG erstmals einen sachbezogenen Freibetrag für durch Erbanfall oder im Weg der vorweggenommenen Erbfolge (seit 23. Dezember 2001 allgemein durch Schenkung unter Lebenden; vgl. Art. 16 des Steueränderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001, BGBl I S. 3794) erworbenes Betriebsvermögen in Höhe von 500.000 DM ein (ab 1. Januar 2002: 256.000 Euro; ab 1. Januar 2004: 225.000 Euro). Dieser war an eine Behaltensfrist von fünf Jahren gekoppelt. Wurde innerhalb dieses Zeitraums die Fortführung des Betriebs beendet oder das begünstigte Vermögen weitergegeben, kam es zur Nachversteuerung (vgl. BVerfGE 117, 1 <5>).

27

Die Bundesregierung begründete den Freibetrag für Betriebsvermögen damit, dass insbesondere die Erben kleiner und mittlerer Betriebe (Einzelunternehmen und Personengesellschaften) von der Erbschaftsteuer entlastet werden sollten, um ihnen die Fortführung ihrer Betriebe zu erleichtern. Die Erben müssten dem Betriebsvermögen nur noch in entsprechend gemindertem Umfang liquide Mittel für die Zahlung der Erbschaftsteuer entnehmen. Auf diese Weise würden auch Wettbewerbsverzerrungen zugunsten von Publikumsgesellschaften im Streubesitz verringert. Im Übrigen seien steuerliche Vergünstigungen für das Betriebsvermögen auch wegen seiner verhältnismäßig geringen Fungibilität, der erhöhten Sozialverpflichtung (Erhaltung von Arbeitsplätzen) und des höheren Risikos notwendig und gerechtfertigt (vgl. BTDrucks 12/4487, S. 24 und 47).

28

c) Mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl I S. 2049) erweiterte der Gesetzgeber nochmals den Vergünstigungsumfang für betriebliches Vermögen durch den neu in das Gesetz eingefügten § 13a ErbStG.

29

Die Regelung sah nunmehr einen Bewertungsabschlag von 40 % (ab 1. Januar 2004: 35 %) auf den nach Abzug des Freibetrags verbleibenden Wert des Vermögens vor, der wie der Freibetrag innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb unter einem Nachversteuerungsvorbehalt stand (vgl. auch BVerfGE 117, 1 <5>). Dadurch sollte eine weitere Verringerung der steuerlichen Belastung für die Unternehmensnachfolge, vor allem von mittelständischen Unternehmen, erreicht (vgl. BTDrucks 13/901, S. 157) und dem Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 (BVerfGE 93, 165) Rechnung getragen werden (vgl. BTDrucks 13/4839, S. 67 f.).

30

Außerdem wurden neben Betriebsvermögen nunmehr auch land- und forstwirtschaftliches Vermögen und Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften, an deren Nennkapital der Erblasser oder Schenker zu mehr als einem Viertel unmittelbar beteiligt war, in die steuerliche Begünstigung einbezogen (vgl. dazu BVerfGE 117, 1 <10, 12>). Der Gesetzgeber zielte hiermit auf die Erleichterung des Generationenwechsels in den Betrieben der Land- und Forstwirtschaft, indem bäuerliche Familienbetriebe regelmäßig ohne Belastung mit Erbschaft- und Schenkungsteuer übergehen sollten (vgl. BTDrucks 13/4839, S. 67 f.). Daneben wollte er "familienbezogene" (vgl. BTDrucks 13/901, S. 157; 13/4839, S. 67) Kapitalgesellschaften fördern. Die Einführung einer Mindestbeteiligungsgrenze sei zur Verhinderung von missbräuchlichen Gestaltungen geboten; sie sei Indiz dafür, dass der Anteilseigner unternehmerisch in die Gesellschaft eingebunden sei und nicht nur als Kapitalanleger auftrete. Insgesamt werde mit dieser zusätzlichen Regelung dem für diese Gesellschaften typischen "unternehmerischen Risiko" im weiteren Sinne auf der Seite der Anteilseigner Rechnung getragen (vgl. BTDrucks 13/901, S. 158).

31

Außerdem wurde mit dem Jahressteuergesetz 1997 die Tarifbegrenzung des § 19a in das ErbStG eingefügt, nach der auch bei eigentlich den ungünstigeren Steuerklassen II und III des § 15 Abs. 1, Abs. 1a ErbStG angehörenden Erwerbern von Betriebsvermögen die Erbschaftsteuer nach der Steuerklasse I berechnet wird (vgl. BVerfGE 117, 1 <6>).

32

d) aa) Nachdem das Bundesverfassungsgericht auf die Vorlage des Bundesfinanzhofs vom 22. Mai 2002 (BFHE 198, 342) die Tarifnorm des § 19 Abs. 1 ErbStG wegen Gleichheitswidrigkeit der maßgeblichen Bewertungsbestimmungen durch Beschluss vom 7. November 2006 (BVerfGE 117, 1) für verfassungswidrig erklärt hatte, änderte der Bundesgesetzgeber mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz nicht nur die Bewertungsgrundsätze für erbschaft- und schenkungsteuerrechtliche Zwecke, sondern gestaltete auch die Verschonung betrieblichen Vermögens durch §§ 13a und 13b ErbStG inhaltlich neu und erweiterte sie.

33

Die §§ 13a und 13b ErbStG in der Fassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes sahen gegenüber der für das Vorlageverfahren maßgeblichen Gesetzesfassung durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz (vgl. hierzu oben I. 1. c) erhöhte Voraussetzungen für die Steuerbefreiungen vor. Die Inanspruchnahme des Verschonungsabschlags war nach § 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG noch davon abhängig, dass die Summe der jährlichen Lohnsummen des Betriebs während einer siebenjährigen Lohnsummenfrist 650 % der Ausgangslohnsumme erreicht. Eine Befreiung von der Lohnsummenregelung war nach § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG lediglich bis zu einer Grenze von zehn Beschäftigten vorgesehen, und die Behaltensfrist nach § 13a Abs. 5 ErbStG betrug noch sieben Jahre. Dementsprechend waren auch die Anforderungen nach § 13a Abs. 8 ErbStG für die Erlangung einer vollständigen Verschonung strenger, da hierfür eine Lohnsummenfrist von zehn Jahren eingehalten werden musste, von einer maßgebenden Lohnsumme von 1.000 % ausgegangen wurde und eine Behaltensfrist von zehn Jahren vorgesehen war.

34

Bei der Neuregelung der erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen Begünstigung betrieblichen Vermögens durch das Erbschaftsteuerreformgesetz ließ sich der Gesetzgeber davon leiten, dass Betriebsvermögen gegenüber anderen Vermögensarten Besonderheiten aufweise, die eine differenzierte Behandlung im Rahmen der Erbschaftsteuer erforderten. Diese Vermögensart bilde eine Basis für Wertschöpfung und Beschäftigung und für den Erhalt von Arbeitsplätzen (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 33).

35

In vielen Betrieben sei beträchtliches Kapital für Produktionszwecke gebunden. Die im Erbfall trotz Begünstigung anfallende Erbschaftsteuer sei oft nicht aus liquidem Vermögen oder aus laufenden Erträgen zu begleichen. Um die Erhaltung von Arbeitsplätzen nicht zu gefährden, müssten Betriebe vor kurzfristigen hohen Belastungen geschützt werden. Liquiditätsreserven und Investitionsfähigkeit sollten durch staatliche Ansprüche nicht erschöpft werden. Gerade Zeiten des Betriebsübergangs brauchten stabile Rahmenbedingungen, weil sie oft Umstrukturierungen und Neuinvestitionen erforderlich machten. Deshalb werde allen Betrieben eine Verschonung angeboten, die ihre Liquidität schütze, Investitionen nicht verhindere und so Arbeitsplätze sichere (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 33). Voraussetzung der Verschonung sei, dass die Unternehmensnachfolge nachhaltig sei und die Arbeitsplätze erhalten würden (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 23).

36

Die klein- und mittelständisch geprägte Unternehmenslandschaft sei für die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb von Vorteil. Regional vernetzte Familienbetriebe seien notwendige Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und damit für die Schaffung wettbewerbsfähiger Arbeits- und Ausbildungsplätze in Deutschland. Klein- und mittelständische Betriebe stünden für offene Märkte und hohe Wettbewerbsintensität (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 33). Gemeinwohlgründe sprächen nicht nur für eine steuerliche Privilegierung der Unternehmen, sondern auch für Verschonungsregelungen für land- und forstwirtschaftliches Vermögen, dessen Bedeutung vor dem Hintergrund des gewachsenen ökologischen Bewusstseins deutlich werde (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 23).

37

bb) Durch Artikel 1 Nr. 17 des Erbschaftsteuerreformgesetzes kam es auch zu einer Änderung der Tarifstruktur in § 19 Abs. 1 ErbStG. Für Erwerber der Steuerklassen II und III galten dieselben Steuersätze mit nur noch zwei unterschiedlichen Prozentsätzen (30 und 50 %).

38

e) Artikel 6 Nr. 1 und Nr. 4 des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes änderte § 13a ErbStG zugunsten der Steuerpflichtigen rückwirkend. Daneben wurde durch Artikel 6 Nr. 2 und Nr. 4 des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes die Änderung des § 19 Abs. 1 ErbStG durch das Erbschaftsteuerreformgesetz (vgl. oben 3. d bb) mit Wirkung für Steuerentstehungszeitpunkte nach dem 31. Dezember 2009 wieder zurückgenommen (BGBl I S. 3950 <3954>). Danach sah § 19 Abs. 1 ErbStG für Erwerber der Steuerklasse II wieder Steuersätze von 15 bis 43 % vor, die von einer einzelnen Ausnahme abgesehen zwischen den Steuersätzen für Erwerber der Steuerklasse I und III liegen.

39

4. §§ 13a und 13b ErbStG haben durch das Jahressteuergesetz 2010 (JStG 2010) vom 8. Dezember 2010 (BGBl I S. 1768) und das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011 (BGBl I S. 2131) Änderungen erfahren, die jedoch die Vorlagefrage nicht berühren. Erneut geändert wurden die §§ 13a und 13b ErbStG mit Wirkung für Steuerentstehungszeitpunkte nach dem 6. Juni 2013 durch Artikel 30 des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz - AmtshilfeRLUmsG) vom 26. Juni 2013 (BGBl I S. 1809 <1842>). Mit diesen Änderungen reagierte der Gesetzgeber auf die vom Bundesfinanzhof aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten bei der Anwendung der §§ 13a und 13b ErbStG (vgl. BRDrucks 302/12 [Beschluss], S. 112 ff.; BTDrucks 17/10604, S. 38 f.; BRDrucks 157/13 [Beschluss], S. 2) und entzog einigen von ihnen insbesondere durch die Einfügung einer neuen Nr. 4a in § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG die Grundlage. Danach gehört nunmehr zum nicht begünstigten Verwaltungsvermögen auch der nach Abzug der Schulden verbleibende Bestand an Finanzmitteln wie Geldforderungen oder Geschäftsguthaben, soweit er 20 % des anzusetzenden Werts des Betriebsvermögens des Betriebs oder der Gesellschaft übersteigt. Soweit der Liquiditätsbestand die 20 %-Grenze nicht überschreitet, ist er nach §§ 13a und 13b ErbStG weiterhin begünstigt.

40

5. Das Aufkommen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer steht nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG den Ländern zu. Im Jahr 2009, in dem das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24. Dezember 2008 in Kraft getreten ist, lagen die Einnahmen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer bei rund 4,5 Milliarden Euro, im Jahr 2012 bei rund 4,3 Milliarden Euro und im Jahr 2013 bei knapp über 4,6 Milliarden Euro. Schon seit 2004 waren jährliche Erbschaft- und Schenkungsteueraufkommen in dieser Größenordnung erzielt worden (vgl. zur Entwicklung seit 1990 BVerfGE 117, 1 <12>).

41

Nach den vom Bundesministerium der Finanzen dem Bundesverfassungsgericht vorgelegten statistischen Auswertungen hat sich der Steuerwert des durch Erwerbe von Todes wegen und Schenkungen übertragenen Vermögens in den Jahren von 2007 bis 2012 mehr als verdoppelt (2007: 33,7 Milliarden Euro; 2008: 35,3 Milliarden Euro; 2009: 37,5 Milliarden Euro; 2010: 40,7 Milliarden Euro; 2011: 54 Milliarden Euro; 2012: 74,2 Milliarden Euro). Durch die §§ 13a und 13b ErbStG wurden von diesen Steuerwerten nach den Angaben des Bundesministeriums der Finanzen im Jahr 2009 3,4 Milliarden Euro, im Jahr 2010 7,2 Milliarden Euro, im Jahr 2011 20 Milliarden Euro und im Jahr 2012 40,2 Milliarden Euro steuerfrei gestellt. Diese statistischen Angaben, auch die zu den Gesamtjahreswerten unentgeltlich übertragenen Vermögens, beziehen sich allerdings nur auf die von den Finanzbehörden erfassten Fälle. Das Bundesministerium der Finanzen hat zur tatsächlichen Belastung erbschaftsteuerbarer Sachverhalte mit Erbschaftsteuer mitgeteilt, es habe im Jahr 2010 insgesamt 858.768 Sterbefälle gegeben, von denen 807.278 (94 %) von der Finanzverwaltung hinsichtlich der Erbschaftsteuer nicht aufgegriffen worden seien, weil von vornherein erkennbar gewesen sei, dass insbesondere aufgrund der Höhe und Zusammensetzung des Vermögens und des Umfangs der persönlichen Freibeträge eine Steuerbelastung nicht entstehe. Lediglich in den verbleibenden 51.490 Sterbefällen sei eine Erbschaftsteuerveranlagung durchgeführt worden. Ein Verschonungsabschlag nach § 13a ErbStG, der den steuerpflichtigen Erwerb reduziert oder ganz auf null abgesenkt habe, sei dabei in 2.440 Sterbefällen gewährt worden.

II.

42

1. Im Ausgangsverfahren geht es um die steuertarifliche Gleichstellung von Erwerbern der Steuerklassen II und III im Jahr 2009.

43

Der Kläger ist zu 1/4 Miterbe des 2009 verstorbenen Bruders seines Vaters. Der Nachlass setzte sich aus Guthaben bei Kreditinstituten und einem Steuererstattungsanspruch zusammen. Der Wert des auf den Kläger entfallenden Anteils belief sich auf 51.266 Euro. Nach Berücksichtigung des für Personen der Steuerklasse II im maßgeblichen Zeitraum vorgesehenen Freibetrags von 20.000 Euro und nach Abrundung verblieb ein steuerpflichtiger Erwerb von 31.200 Euro. Für ihn setzte das Finanzamt die Erbschaftsteuer unter Anwendung des für die Steuerklasse II bei Erwerben mit einem solchen Wert im Jahr 2009 geltenden Steuersatzes von 30 % auf 9.360 Euro fest.

44

Einspruch und Klage, mit denen der Kläger eine Herabsetzung der Steuer auf 4.680 Euro erreichen wollte, blieben erfolglos. Der Kläger machte geltend, die auf der Änderung des § 19 Abs. 1 ErbStG durch das Erbschafsteuerreformgesetz beruhende und auf das Jahr 2009 beschränkte Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und III sei nicht mit Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren.

45

2. Im Revisionsverfahren hat der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 27. September 2012 (BFHE 238, 241) das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt,

ob § 19 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der im Jahr 2009 geltenden Fassung (ErbStG) in Verbindung mit §§ 13a und 13b ErbStG wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) verfassungswidrig ist.

46

a) Die im Jahr 2009 in § 19 Abs. 1 ErbStG normierte Gleichstellung von Personen der Steuerklassen II und III sei allerdings verfassungsrechtlich hinzunehmen. Denn zum einen sei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, Erwerber der Steuerklasse II besser zu stellen als Erwerber der Steuerklasse III. Zum anderen sei es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Erwerber der Steuerklasse II nur für das Jahr 2009 den Erwerbern der Steuerklasse III gleichgestellt worden seien, während sie in den Jahren zuvor und danach besser als diese behandelt würden.

47

b) § 19 Abs. 1 ErbStG in Verbindung mit §§ 13a und 13b ErbStG sei jedoch gleichheitswidrig, weil die in §§ 13a und 13b ErbStG vorgesehenen Steuervergünstigungen in wesentlichen Teilbereichen von großer finanzieller Tragweite über das verfassungsrechtlich gerechtfertigte Maß hinausgingen und dadurch die Steuerpflichtigen, die die Vergünstigungen nicht beanspruchen könnten, in ihrem Recht auf eine gleichmäßige, der Leistungsfähigkeit entsprechende und folgerichtige Besteuerung verletzt würden.

48

aa) Die weitgehende oder vollständige steuerliche Verschonung des Erwerbs von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften stelle eine nicht durch ausreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigte und damit verfassungswidrige Überprivilegierung dar, jedenfalls insoweit, als die Gewährung der Steuervergünstigungen nicht von der Lohnsummenregelung und somit von der Erhaltung von Arbeitsplätzen abhänge.

49

(1) Es gehe weit über das verfassungsrechtlich Gebotene und Zulässige hinaus, betriebliches Vermögen ohne Rücksicht auf den Wert des Erwerbs und die Leistungsfähigkeit des Erwerbers freizustellen, und zwar auch dann, wenn die für eine Erbschaftsteuerzahlung erforderlichen liquiden Mittel vorhanden seien oder - gegebenenfalls im Rahmen einer Stundung der Steuer - ohne weiteres beschafft werden könnten. Da auch Erwerber großer und größter Unternehmen von den Steuervergünstigungen profitierten, begünstigten die Steuervorteile die Konzentration von Unternehmensvermögen bei vergleichsweise wenigen Personen.

50

Dass die erbschaft- und schenkungsteuerliche Belastung typischerweise die Betriebsfortführung gefährde, könne auch im Hinblick auf die Ausführungen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen in seinem zur Begünstigung des Unternehmensvermögens in der Erbschaftsteuer erstatteten Gutachten 01/2012 nicht unterstellt werden.

51

Beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften fehle es für die pauschale Entlastung der Erwerber von der Steuer an einem ausreichenden sachlichen Grund. Ein solcher sei nicht in der Gleichstellung der Anteile an Kapitalgesellschaften mit Betriebsvermögen oder den Anteilen an Personengesellschaften zu sehen. Die Belastung mit Erbschaftsteuer treffe beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften in der Regel lediglich die private Vermögenssphäre des Erwerbers.

52

(2) Die Regelungen über die Lohnsummen, die in den Jahren nach dem Erwerb erreicht werden müssten, um den vollen Verschonungsabschlag zu erhalten, spielten im Regelfall für die Verschonung keine entscheidende Rolle, weil weit mehr als 90 % aller Betriebe nicht mehr als 20 Beschäftigte aufwiesen.

53

Zusätzlich erweise sich der Begünstigungsgrund "Arbeitsplatzerhalt" auch deshalb als nicht tragfähig, weil das Gesetz Gestaltungen zulasse, die es in vielen Fällen auf einfache Art und Weise ermöglichten, dass es für die Gewährung des Verschonungsabschlags auch bei Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten nicht auf die Entwicklung der Lohnsummen und somit auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen in dem Zeitraum nach dem Erwerb ankomme. Das könne durch Betriebsaufspaltungen erreicht werden, indem ein Betrieb mit mehr als 20 Beschäftigten vor der Verwirklichung des Steuertatbestandes bei gleichen Beteiligungsverhältnissen in eine Besitzgesellschaft, die nicht mehr als 20 Beschäftigte habe und bei der das Betriebsvermögen konzentriert werde, und in eine Betriebsgesellschaft, deren Betriebsvermögen nach Berücksichtigung der Verbindlichkeiten keinen oder nur einen geringen Steuerwert habe und die eine beliebige Zahl von Beschäftigten haben könne, aufgespalten werde.

54

Dass Betriebe mit nicht mehr als 20 Beschäftigten den Verschonungsabschlag ohne Rücksicht auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen beanspruchen könnten, sei nicht mit einer Verringerung des Bürokratieaufwands für Unternehmen und Verwaltung zu begründen.

55

(3) Die weitgehende oder vollständige Freistellung von der Steuer nach §§ 13a und 13b ErbStG setze die Beachtung der Behaltensregeln des § 13a Abs. 5 ErbStG lediglich für einen Zeitraum von fünf beziehungsweise sieben Jahren voraus. Dieser Zeitraum sei im Hinblick auf die Höhe der Steuervergünstigungen unverhältnismäßig kurz, zumal ein Verstoß gegen die Behaltensregeln den Verschonungsabschlag meist nur teilweise entfallen lasse. Den Steuerpflichtigen wären längere Bindungsfristen zumutbar, ohne die vom Gesetzgeber mit den Steuervergünstigungen angestrebte Betriebsfortführung zu gefährden.

56

bb) §§ 13a und 13b ErbStG wiesen ferner einen verfassungswidrigen Begünstigungsüberhang auf, da sie es Steuerpflichtigen ermöglichten, durch rechtliche Gestaltungen nicht betriebsnotwendiges Vermögen, das den Begünstigungszweck nicht erfülle, in unbegrenzter Höhe ohne oder mit nur geringer Steuerbelastung zu erwerben. Insbesondere seien die Ausgestaltung und Wirkungen der Verwaltungsvermögensregelung nicht geeignet, risikobehaftetes und deshalb zu begünstigendes Betriebsvermögen von weitgehend risikolosem und daher nicht begünstigungswürdigem Betriebsvermögen abzugrenzen.

57

(1) Ein gleichheitswidriger Begünstigungsüberhang der Betriebsvermögensverschonung nach §§ 13a und 13b ErbStG liege bereits darin, dass nach § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG bei der Regelverschonung das Betriebsvermögen bis zu 50 % aus nicht betriebsnotwendigem Vermögen (unschädlichem Verwaltungsvermögen) bestehen könne. Das Gesetz nehme somit von vornherein in Kauf, dass Wirtschaftsgüter der privaten Vermögensverwaltung bis zum Wert des "echten" Betriebsvermögens von der Verschonungsregelung erfasst würden.

58

Die Festlegung des unschädlichen Verwaltungsvermögens mit bis zu 50 % des gesamten Betriebsvermögens überschreite die Grenze zulässiger Typisierung. Es sei nicht zu erkennen, dass Betriebe aus Gründen der Liquidität, zur Absicherung von Krediten oder auch zur Stärkung der Eigenkapitalbasis typischerweise bis zu 50 % über nicht unmittelbar dem Betrieb dienende Wirtschaftsgüter verfügten oder verfügen müssten.

59

(2) Zu einem verfassungswidrigen Begünstigungsüberhang führe auch, dass sich durch eine mehrstufige Konzernstruktur, die nicht als missbräuchlich im Sinne des § 42 der Abgabenordnung (AO) angesehen werden könne, der unter die Verschonungsregelung fallende Anteil des Verwaltungsvermögens am Betriebsvermögen mit jeder weiteren Beteiligungsstufe gemessen am Konzernvermögen deutlich erhöhen könne, ohne dass dies der Gewährung der Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG entgegenstehe.

60

Aus § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG ergebe sich nämlich, dass Beteiligungen an Gesellschaften im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder an entsprechenden Gesellschaften im Ausland sowie Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht unter § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ErbStG fielen, nicht zum Verwaltungsvermögen gehörten, wenn das Verwaltungsvermögen bei diesen nicht mehr als 50 % betrage. Derartige Anteile zählten deshalb bei der Prüfung, ob das Verwaltungsvermögen bei dem übergeordneten Unternehmen nicht mehr als 50 % ausmache, in vollem Umfang zum begünstigten Betriebsvermögen, obwohl 50 % ihres Vermögens aus Verwaltungsvermögen bestehen könne.

61

(3) Ein weiterer, dem Gleichheitssatz widersprechender Überhang der Verschonungsregelungen für das Betriebsvermögen ergebe sich daraus, dass Geldforderungen wie etwa Sichteinlagen, Sparanlagen und Festgeldkonten bei Kreditinstituten sowie Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sowie Forderungen an verbundene Unternehmen nicht zum Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 ErbStG gehörten.

62

Anteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, deren Vermögen ausschließlich aus solchen Forderungen bestünden, könnten deshalb durch freigebige Zuwendung oder von Todes wegen steuerbegünstigt nach §§ 13a und 13b ErbStG erworben werden, ohne dass darin eine missbräuchliche Gestaltung im Sinne des § 42 AO gesehen werden könne. Dieses Besteuerungsergebnis könne auch nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 13b Abs. 2 ErbStG dahingehend vermieden werden, dass Bankguthaben und Festgelder schädliches Verwaltungsvermögen seien. Eine solche Norminterpretation sei weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch mit deren Sinn und Zweck, dem systematischen Zusammenhang und der Entstehungsgeschichte vereinbar.

63

Gewichtige Gründe, wie etwa Typisierungserwägungen, die die völlige Freistellung des Erwerbs eines Anteils an einer Gesellschaft, deren Vermögen ausschließlich aus Guthaben bei Kreditinstituten oder sonstigen Geldforderungen bestehe, die nicht zum Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 ErbStG gehörten, aus verfassungsrechtlicher Sicht rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich.

64

(4) Außerdem ergebe sich ein Begünstigungsüberhang bei der Betriebsvermögensverschonung aus der Möglichkeit, durch Gestaltungen aus begünstigungsschädlichem Verwaltungsvermögen begünstigtes Betriebsvermögen zu machen. Da Geldforderungen nicht zum Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG gehörten, könne auch für Gesellschaften, deren Vermögen ausschließlich oder zu einem hohen Anteil aus Verwaltungsvermögen bestehe, durch die Bildung sogenannter Forderungsgesellschaften erreicht werden, dass der Verschonungsabschlag von 100 % zu gewähren sei.

65

cc) §§ 13a und 13b ErbStG ließen es zu, dass es weitgehend der Dispositionsfreiheit des Erblassers oder Schenkers unterliege, Vermögensgegenstände, die ihrer Natur nach im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung gehalten würden, zu steuerbegünstigtem Betriebsvermögen zu machen. Die Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG knüpften an den Begriff des ertragsteuerrechtlichen Betriebsvermögens an und ermöglichten es so, durch Schaffung gewillkürten Betriebsvermögens und weitere Gestaltungen selbst beim Erwerb größter Vermögen von Todes wegen oder durch freigebige Zuwendung die Höhe der Steuerbelastung zu vermindern oder das Entstehen von Steuer zu vermeiden, ohne dass dies verfassungsrechtlich gerechtfertigt sei.

66

dd) Mit den Anforderungen an eine gleichmäßige Besteuerung sei es schließlich auch nicht zu vereinbaren, dass die Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG zusammen mit zahlreichen anderen Verschonungen (etwa die Tarifbegrenzung nach § 19a ErbStG oder die in § 13 Abs. 1 Nr. 4a und 4b ErbStG vorgesehenen Steuerbefreiungen im Zusammenhang mit Familienheimen) und den Freibeträgen des § 16 ErbStG dazu führten, dass nur ein geringer Teil der im Grundsatz nach §§ 1, 2, 3 und 7 ErbStG steuerbaren Sachverhalte tatsächlich mit Steuer belastet werde.

67

ee) Für die Entscheidung des Streitfalles komme es auf die Gültigkeit des § 19 Abs. 1 ErbStG an. Wenn diese Vorschrift verfassungsgemäß sei, wäre die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen. Wenn sie nicht verfassungsgemäß sei, wäre die Vorentscheidung auf die Revision des Klägers aufzuheben und der Klage stattzugeben, weil das Fehlen einer den Steuersatz festlegenden Regelung die Festsetzung von Erbschaftsteuer nicht zulassen würde, oder das Verfahren müsste gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber ausgesetzt werden.

68

Sollte das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass die weitgehende oder vollständige Verschonung des Erwerbs von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften oder von Anteilen daran von der Erbschaft- und Schenkungsteuer mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar sei, wäre der Gesetzgeber weder aus Rechtsgründen noch aus offenkundigen tatsächlichen Gründen gehindert, auch für den Erwerb von Privatvermögen unter noch zu bestimmenden Voraussetzungen den §§ 13a und 13b ErbStG vergleichbare Steuervergünstigungen einzuführen.

69

Der Entscheidungserheblichkeit der Frage, ob § 19 Abs. 1 ErbStG verfassungsgemäß sei, stehe nicht entgegen, dass die in die verfassungsrechtliche Prüfung einbezogenen §§ 13a und 13b ErbStG keinen unmittelbaren Anknüpfungspunkt im Ausgangssachverhalt hätten. Es bestehe von Verfassungs wegen keine Notwendigkeit, die Zulässigkeit einer Richtervorlage auf den Vergleich mit einer bestimmten, im Ausgangsfall betroffenen Vermögensart beziehungsweise einer bestimmten Verschonungsregelung zu beschränken. § 19 Abs. 1 ErbStG sei nämlich eine "Klammernorm", über die Verstöße gegen den Gleichheitssatz, die in den Bewertungs- und Verschonungsvorschriften angelegt seien, erst ihre Wirkung entfalteten. Dabei gehe es nicht um verfassungswidrige Ungleichbehandlungen, die in einzelnen Vorschriften enthalten seien. Vielmehr wirkten sich die gerügten Verfassungsverstöße teils für sich allein, teils aber auch in ihrer Kumulation auf alle Teile des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes aus und führten zu einer durchgehenden, das gesamte Gesetz erfassenden verfassungswidrigen Fehlbesteuerung.

III.

70

1. Von Seiten des Bundes und der Länder haben das Bundesministerium der Finanzen für die Bundesregierung, das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen für die Landesregierung Nordrhein-Westfalen und die Niedersächsische Landesregierung Stellung genommen.

71

a) Das Bundesministerium der Finanzen hält die Vorlage weder für zulässig noch in der Sache für berechtigt. Es fehle schon an der Entscheidungserheblichkeit der §§ 13a und 13b ErbStG für den Ausgangsstreit. Diese lasse sich auch nicht unter Bezugnahme auf den § 19 Abs. 1 ErbStG als Klammernorm begründen. Die §§ 13a und 13b ErbStG seien hinsichtlich ihres Zwecks, die Unternehmensfortführung zu sichern und Arbeitsplätze zu erhalten, folgerichtig ausgestaltet. Im Übrigen seien Verschonungsregelungen für Unternehmensvermögen international üblich. Auch könne der Gesetzgeber Gestaltungen zur Steuerumgehung nie gänzlich vermeiden.

72

b) Das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen erachtet die Vorlage als unzulässig, da das Verständnis des Bundesfinanzhofs von § 19 Abs. 1 ErbStG als Klammernorm nicht überzeuge; ansonsten könnten auf diesem Weg sämtliche Befreiungs- und Begünstigungstatbestände zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellt werden. Auch seien von der Besteuerung nach §§ 13a und 13b ErbStG nach der Zahl der betroffenen Steuerpflichtigen sowie gemessen an der wirtschaftlichen Bedeutung gerade nicht wesentliche Teilbereiche des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes betroffen. Die Vorlage nehme außerdem zu Unrecht die Verfassungswidrigkeit der beanstandeten Vorschriften an. Sie zeige zwar auf, dass Einzelregelungen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes, für das die Gesetzgebungskompetenz beim Bund liege, steuerpolitisch verfehlt seien, diese Mängel führten aber nicht zu einer Verfassungswidrigkeit der Erbschaftsbesteuerung.

73

c) Die Niedersächsische Landesregierung hält die Vorlage für zulässig und die vorgelegten Normen für verfassungswidrig. Der Gesetzgeber habe verkannt, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 22. Juni 1995 (BVerfGE 93, 165) nicht gefordert habe, betriebliches Vermögen so weitgehend durch Verschonungstatbestände wie §§ 13a und 13b ErbStG zu begünstigen, dass hierdurch eine realitätsgerechte Bewertung konterkariert werde. Ferner lasse sich aus dem vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen in seinem zur Begünstigung des Unternehmensvermögens in der Erbschaftsteuer erstatteten Gutachten 01/2012 der Schluss ziehen, eine Bedrohung von Unternehmen durch die Erbschaftsteuer sei nicht sehr wahrscheinlich. Falls eine erbschaftsteuerbedingte Existenzgefährdung ausnahmsweise doch vorliegen könne, halte das geltende Recht mit der Stundungsregelung in § 28 ErbStG eine ökonomisch wirksame Alternative zu den §§ 13a und 13b ErbStG bereit.

74

2. Zur Vorlage haben - schriftlich oder in der mündlichen Verhandlung - der Bundesverband der Deutschen Industrie, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, der Zentralverband des Deutschen Handwerks, die Stiftung Familienunternehmen sowie Die Familienunternehmer - ASU Stellungnahmen abgegeben. Sie äußern hinsichtlich der Zulässigkeit der Vorlage Bedenken, halten die Verschonungsregelungen aber für verfassungsgemäß.

75

Die Stellungnahmen beurteilen die §§ 13a und 13b ErbStG als gleichheitsgerecht; nur vereinzelt wird eine fehlende Zielgenauigkeit einzelner Regelungen (etwa bei § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG) angenommen. Die §§ 13a und 13b ErbStG verfolgten mit dem Erhalt von Unternehmen und Arbeitsplätzen ein legitimes Ziel. Sie seien schon deshalb erforderlich, um die höhere Belastung aufgrund der durch das Erbschaftsteuerreformgesetz eingeführten verkehrswertorientierten Bewertung auszugleichen. Bei der Bewertung von Familienunternehmen werde nicht berücksichtigt, dass bei ihnen regelmäßig - vielfach auch gesellschaftsvertraglich festgelegte - Veräußerungs- und Gewinnentnahmehindernisse bestünden, die zur Bestandssicherung und Finanzierung solcher Betriebe notwendig seien.

76

Soweit der Bundesfinanzhof darauf verweise, dass die Verschonungsregelungen nicht ausreichend berücksichtigten, ob freie Mittel im privaten Vermögen des Unternehmers zur Begleichung der Steuerlast vorhanden seien, verkenne er, dass Unternehmer, die expandierten und investierten, ihre Liquidität im und nicht außerhalb des Unternehmens anlegten. In vielen Fällen sei deshalb bei Betriebsübergang private Liquidität zur Finanzierung der Erbschaftsteuer nicht vorhanden.

77

Die Verschonung nach §§ 13a und 13b ErbStG trage den Empfehlungen der Europäischen Kommission Rechnung, wonach die Übertragung von Familienunternehmen erbschaftsteuerlich begünstigt werden solle. Die Erbschaftsteuer bilde einen erheblichen Standort- und Wettbewerbsfaktor. Im Vergleich mit anderen Ländern sei die Erbschaftsteuerbelastung in Deutschland auch deshalb relativ hoch, weil in Deutschland Vermögensübergänge an Ehegatten und Kinder besteuert würden.

78

Der Bundesfinanzhof habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass Verwaltungsvermögen nicht grundsätzlich als negativ anzusehen sei, es stärke nämlich die Eigenkapitalausstattung eines Unternehmens und hafte vollumfänglich für betriebliche Verpflichtungen.

79

Die dem Gesetz zugrunde liegende Annahme, die erbschaft- oder schenkungsteuerliche Belastung gefährde typischerweise die Betriebsfortführung, könne deshalb nicht verifiziert werden, weil es zu einer geplanten Betriebsnachfolge gar nicht komme, wenn sich bei ihrer Vorbereitung herausstelle, dass sie mit existenzgefährdenden Steuerbelastungen verbunden sein könne. Sei der Erhalt des Unternehmens in Familienhand aufgrund einer drohenden Existenzgefährdung durch die Belastung mit Erbschaft- oder Schenkungsteuer nicht möglich, so stelle sich der Verkauf eines Handwerkbetriebs als schwierig dar, da es - auch im Hinblick auf die regionale Verwurzelung des Betriebs - oftmals an Kaufinteressenten fehle.

80

Die Stundungsregelung des § 28 ErbStG sei nicht geeignet, den Erhalt des Betriebs zu sichern. In der Praxis seien nämlich für den Nachweis der Existenzgefährdung als Stundungsvoraussetzung Bankauskünfte erforderlich, und die Banken kündigten dann bei Kenntnis von Liquiditätsengpässen die Kredite. Dies würde insbesondere kleine und mittlere Betriebe in der Existenz bedrohen, da diese auf eine Fremdfinanzierung in besonderem Maße angewiesen seien.

81

3. Zur Vorlage haben sich darüber hinaus der Deutsche Bauernverband, die Bundessteuerberaterkammer, der Deutsche Steuerberaterverband, der Deutsche Notarverein, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Anwaltverein, das Institut der Wirtschaftsprüfer und die Deutsche Steuer-Gewerkschaft geäußert.

82

a) Der Deutsche Bauernverband äußert Zweifel an der Zulässigkeit der Vorlage, hält die Verschonungsregelungen insbesondere für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen aber jedenfalls durch ausreichende Gemeinwohlgründe für gerechtfertigt. In der Land- und Forstwirtschaft sei es in der Regel nicht möglich, ausreichend finanzielle Vorsorge für den Erbschaft- oder Schenkungsteuerfall zu treffen. Eine Besteuerung des Übergangs land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ohne Verschonung würde den Strukturwandel in der Land- und Forstwirtschaft noch weiter verstärken.

83

b) Die Bundessteuerberaterkammer geht zwar von einer Verfassungswidrigkeit der §§ 13a und 13b ErbStG aus, weist allerdings auf die grundsätzliche Notwendigkeit einer steuerlichen Verschonung des Betriebsvermögens hin. Es dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Erbschaftsteuer Liquiditätsprobleme auslösen könne. Im Übrigen sei auch die Auffassung des Bundesfinanzhofs problematisch, wonach bei den von ihm angeführten Gestaltungen § 42 AO nicht zur Anwendung gelangen soll.

84

c) Der Deutsche Steuerberaterverband hält die Vorlage für zulässig, die Normen aber für verfassungsgemäß. Es bestehe durchaus die Möglichkeit, dass es aufgrund der Erbschaftsteuerbelastung zu Betriebseinstellungen oder -übertragungen kommen könne. Bei der Besteuerung des Betriebsvermögens sei zu berücksichtigen, dass es in deutlich höherem Maße wirtschaftlichen Entwicklungen unterworfen sei als das Grundvermögen.

85

d) Der Deutsche Notarverein teilt nicht die Auffassung des Bundesfinanzhofs, wonach wenig dafür spreche, dass eine Verschonung des Betriebsvermögens zum Erhalt von Arbeitsplätzen geboten sei. Denn der Ausstieg einer Familie aus "ihrem" Unternehmen und die Veräußerung des Unternehmens an eine Beteiligungsgesellschaft oder einen Konzern führten regelmäßig zu Arbeitsplatzverlusten.

86

e) Die Bundesrechtsanwaltskammer hält den Vorlagebeschluss trotz verbleibender Bedenken gegen seine Zulässigkeit im Ergebnis für in der Sache berechtigt. Von der Berechtigung der Vorlage geht auch der Deutsche Anwaltverein aus.

87

f) Das Institut der Wirtschaftsprüfer kritisiert die Ausführungen des Bundesfinanzhofs zur Klammerwirkung der Tarifnorm und geht im Übrigen von der Verfassungsmäßigkeit der Verschonungsregelungen aus. Ohne eine besondere erbschaftsteuerliche Verschonung von Betriebsvermögen führe die Erbschaftsteuer zu einem Entzug von Liquidität aus dem Unternehmen, was sich gesamtwirtschaftlich sowohl auf Beschäftigung als auch auf Wachstum negativ auswirke. Die Erbschaftsteuer belaste die Liquiditätsreserven und die Investitionstätigkeit. Der Gesetzgeber habe mit den Behaltensregeln in § 13a Abs. 5 ErbStG eine zutreffende Typisierungsentscheidung getroffen, wenngleich aus unternehmerischer Sicht fünf bis sieben Jahre in der Regel ein langer Zeitraum seien.

88

g) Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft hält die vorgelegten Normen für verfassungswidrig. In der Praxis bewirkten die Verschonungsregelungen vielfach gerade nicht den Erhalt von Arbeitsplätzen. So werde ein Erbe eines wirtschaftlich gefährdeten Unternehmens, dessen Rettung nur mit dem Abbau personeller Ressourcen erfolgen könne, trotz des wirtschaftlich notwendigen Schrumpfungsprozesses zusätzlich mit der Zahlung der Erbschaftsteuer belastet, während der Erbe eines wirtschaftlich soliden Betriebes aufgrund gleichbleibender Lohnsumme erbschaftsteuerlich verschont würde, obwohl nach der eigentlichen Intention des Gesetzgebers dieser Unternehmenserbe keiner steuerlichen Begünstigung bedürfe.

89

4. Der Kläger des Ausgangsverfahrens zweifelt an der Zulässigkeit der Vorlage, da sich die vom Bundesfinanzhof aufgeworfenen Fragen im Ausgangsrechtsstreit nicht stellten.

90

5. Als sachkundige Auskunftspersonen haben sich in der mündlichen Verhandlung Professor Dr. Christoph Spengel vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, Professor Dr. Ralf Maiterth von der Humboldt-Universität zu Berlin und Professor Dr. Roman Seer von der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft geäußert.

B.

91

Die Vorlage des Bundesfinanzhofs ist im Wesentlichen zulässig (I.). §§ 13a und 13b ErbStG erweisen sich in formeller Hinsicht als verfassungsgemäß (II.). Die Bestimmungen verstoßen jedoch teilweise gegen den Gleichheitssatz und sind insoweit verfassungswidrig (III.).

I.

92

1. Eine Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist nur zulässig, wenn das vorgelegte Gesetz für das von dem vorlegenden Gericht zu entscheidende Verfahren entscheidungserheblich ist (vgl. BVerfGE 129, 186 <200>). Das ist die zur Prüfung gestellte Norm nur, wenn es für die Endentscheidung auf den Bestand der Regelung ankommt (vgl. BVerfGE 104, 74 <82>). Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muss das vorlegende Gericht daher darlegen, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm abhängt (vgl. BVerfGE 105, 48 <56>; 133, 1 <10 f.>). Dazu muss der Vorlagebeschluss mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der in Frage gestellten Vorschrift zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie das Gericht dieses Ergebnis begründen würde (vgl. BVerfGE 105, 61 <67>). Für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist dabei grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 2, 181 <190 f.>; 105, 61 <67>; 129, 186 <203>; 133, 1 <11>).

93

Für eine zulässige Vorlage muss das Fachgericht ferner deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt. Hierzu bedarf es eingehender, Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehender Darlegungen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 89, 329 <337>; 129, 186 <205>).

94

2. Gemessen an diesen Voraussetzungen erweist sich die Vorlage als zulässig im Hinblick auf §§ 13a und 13b ErbStG in der für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008 (BGBl I S. 3018), rückwirkend zum 1. Januar 2009 geändert durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22. Dezember 2009 (BGBl I S. 3950). Zwar kommt es für das Ausgangsverfahren nicht unmittelbar auf die Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften an (a). Dennoch durfte der Bundesfinanzhof hier von ihrer Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren ausgehen (b).

95

a) Besteuerungsgegenstand des Ausgangsverfahrens sind nichtbetriebliche Guthaben bei Kreditinstituten und ein Steuererstattungsanspruch (vgl. oben A. II. 1.). Fragen der erbschaftsteuerlichen Begünstigung betrieblichen Vermögens im Sinne von §§ 13a und 13b ErbStG stellen sich daher in diesem Fall aus einfachrechtlicher Sicht nicht.

96

b) Der Bundesfinanzhof durfte hier gleichwohl annehmen, dass die Verfassungswidrigkeit der §§ 13a und 13b ErbStG, von der er überzeugt ist, ausnahmsweise auf die erbschaftsteuerliche Belastung des Klägers durchschlägt, weil sie die gleichheitsgerechte Erhebung der Erbschaftsteuer insgesamt in Frage stelle und diese Vorschriften deshalb auch für das Ausgangsverfahren entscheidungserheblich seien. Er hat dies auch ausreichend dargelegt.

97

aa) Im Steuerrecht wird eine Regelung, auf die es für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens an sich nicht ankommt, nicht allein dadurch entscheidungserheblich, dass sie Steuerpflichtigen eine Vergünstigung einräumt, die dem Kläger des Ausgangsverfahrens nicht zusteht. Der allgemeine Gleichheitssatz ist grundsätzlich kein Instrument, der es einem Steuerpflichtigen erlaubt, die einem anderen eingeräumte, seine eigene Steuerpflicht nicht betreffende Steuervergünstigung zu bekämpfen und so auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen zu lassen (vgl. auch BVerfGE 110, 274 <303>). Art. 3 Abs. 1 GG verleiht dem einzelnen Steuerpflichtigen keinen Anspruch auf die verfassungsrechtliche Kontrolle eines Steuergesetzes im Hinblick auf solche Regelungen, die das eigene Steuerverhältnis nicht betreffen. Auch das vorlegende Gericht ist nicht befugt, dem Bundesverfassungsgericht Normen eines Gesetzes zur verfassungsgerichtlichen Kontrolle zu unterbreiten, die Dritte womöglich gleichheitswidrig begünstigen, nicht aber die Beteiligten des Ausgangsverfahrens betreffen (vgl. BVerfGE 67, 239 <243 f.>).

98

Anderes gilt jedoch dann, wenn die Dritten gewährten Steuervergünstigungen für eine gleichheitsgerechte Belastung durch die betreffende Steuer insgesamt übergreifende Bedeutung haben. Dies ist der Fall, wenn die nur einer Gruppe gewährten Vergünstigungen nach Zahl oder Umfang ein solches Ausmaß erreichen oder nach ihrer strukturellen Bedeutung für die Steuer solches Gewicht haben, dass im Falle der Verfassungswidrigkeit der Privilegierungsnorm die lastengleiche Besteuerung auch derjenigen in Frage gestellt ist, die von dieser Privilegierungsnorm an sich nicht erfasst werden.

99

Hiervon kann im Fall der §§ 13a und 13b ErbStG ausgegangen werden. Die vom Bundesfinanzhof geltend gemachten Gleichheitsverstöße im Anwendungsbereich der §§ 13a und 13b ErbStG sind so erheblich, dass sie die erbschaftsteuerrechtliche Begünstigung für betriebliches Vermögen insgesamt erfassen. Die in den §§ 13a und 13b ErbStG vorgesehene Privilegierung betrieblichen Vermögens ist wiederum für die Besteuerung des ererbten oder geschenkten Vermögens insgesamt von solchem Gewicht, dass im Falle ihrer Verfassungswidrigkeit die Besteuerung des unentgeltlichen Erwerbs nichtbetrieblichen Vermögens davon nicht unberührt bleiben könnte.

100

Nach den vom Bundesministerium der Finanzen in diesem Verfahren vorgelegten Auswertungen der Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik betrug der Steuerwert des in den Jahren 2009 bis 2012 unentgeltlich übergegangenen Vermögens, soweit es von den Finanzämtern erfasst wurde (s. oben A. I. 5.), insgesamt 206,4 Milliarden Euro (2009: 37,5 Milliarden Euro; 2010: 40,7 Milliarden Euro; 2011: 54 Milliarden Euro; 2012: 74,2 Milliarden Euro). Von diesem Steuerwert wurden in den Jahren 2009 bis 2012 insgesamt 70,8 Milliarden Euro (2009: 3,4 Milliarden Euro; 2010: 7,2 Milliarden Euro; 2011: 20 Milliarden Euro; 2012: 40,2 Milliarden Euro) über die Regelungen in §§ 13a und 13b ErbStG von der Erbschaft- oder Schenkungsteuer befreit.

101

Wären, wie vom Bundesfinanzhof substantiiert dargelegt, die Regelungen über die Besteuerung des entgeltlosen Erwerbs betrieblichen Vermögens wegen übermäßiger und widersprüchlicher Ausgestaltung der Verschonungsbestimmungen insgesamt verfassungswidrig, könnte die Besteuerung des Erwerbs nichtbetrieblichen Vermögens durch Erbschaft oder Schenkung daneben vor Art. 3 Abs. 1 GG keinen Bestand haben. Entfielen die §§ 13a und 13b ErbStG, könnten nicht stattdessen die allgemeinen Regeln über den erbschaftsteuerlichen Zugriff auf Erbe oder Schenkung auch für den Übergang von Betrieben Anwendung finden, weil dies dem in den §§ 13a und 13b ErbStG zweifelsfrei zum Ausdruck gekommenen - und im Grundsatz verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstandenden (s. dazu unten III. 2.) - Willen des Gesetzgebers offensichtlich widerspräche. Auf der anderen Seite fehlte es für einen völligen Verzicht auf die Besteuerung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen Vermögens im Falle der Verfassungswidrigkeit von §§ 13a und 13b ErbStG an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage wie auch an einem hinreichenden Rechtfertigungsgrund für eine derart umfassende Steuerbefreiung. Ohne eine tragfähige Besteuerungsregelung für Unternehmensübergänge würde die lastengerechte Erhebung der Erbschaftsteuer im Übrigen ebenfalls in Frage gestellt.

102

In solchen Fällen, in denen die substantiiert behauptete Verfassungswidrigkeit von Steuervergünstigungen eines Steuergesetzes an anderer Stelle nicht nur isolierbare Einzelpunkte eines Teilbereichs der Steuer betrifft, sondern die gerechte Erhebung der Steuer insgesamt aushebelt, ist für einen Steuerpflichtigen, der durch einen für sich genommen nicht verfassungswidrigen Tatbestand dieser Steuer betroffen ist, die Verfassungswidrigkeit der anderen Norm entscheidungserheblich, da sie auch seiner Besteuerung die Grundlage entzieht.

103

bb) Ob die Entscheidungserheblichkeit der §§ 13a und 13b ErbStG daneben auch unter Rückgriff auf § 19 Abs. 1 ErbStG als Klammernorm begründet werden kann, wie es der Bundesfinanzhof unter Berufung auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2006 (BVerfGE 117, 1 <28 f.>) versucht hat, bedarf hier keiner Vertiefung. Jedenfalls würde eine auf das Gesamtsystem der Erbschaftsteuer ausstrahlende Verfassungswidrigkeit der Besteuerung betrieblichen Vermögens die Tarifnorm des § 19 Abs. 1 ErbStG auch insoweit erfassen, als in einem solchen Fall auch der unentgeltliche Erwerb privaten Vermögens nicht mehr gleichheitsgerecht besteuert würde (s. dazu unten C. I. 2.).

104

cc) Den vom Bundesfinanzhof als verfassungswidrig vorgelegten §§ 13a und 13b ErbStG fehlt auch nicht deshalb die Entscheidungserheblichkeit, weil im Falle ihrer Verfassungswidrigkeit das Ausgangsverfahren keinen dem Kläger günstigeren Ausgang nehmen könnte, als wenn sich diese Normen als verfassungsgemäß erwiesen. Wären die §§ 13a und 13b ErbStG mit der Verfassung unvereinbar, müsste das Ausgangsverfahren zumindest gemäß § 74 FGO ausgesetzt werden, bis der Gesetzgeber eine Neuregelung anstelle der dann fehlenden gesetzlichen Grundlage für eine Besteuerung getroffen hätte. Auch dies wäre eine andere Entscheidung als im Falle der Gültigkeit des Gesetzes (vgl. BVerfGE 66, 1 <17>; 93, 121 <130 f.>). Dabei spielt es für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage keine Rolle, dass im Falle einer Unvereinbarkeitserklärung das Bundesverfassungsgericht gemäß § 35 BVerfGG die weitere Anwendung des bisherigen Rechts anordnen kann (vgl. BVerfGE 87, 153 <180>; 93, 121 <131>).

105

3. Die Vorlage ist unzulässig, sofern der Bundesfinanzhof auch die Bestimmung des § 19 Abs. 1 ErbStG über die Gestaltung der Steuersätze einer eigenständigen Verfassungsprüfung zuführen wollte. Es ist nicht eindeutig, ob der Bundesfinanzhof überhaupt eine Vorlage dieser Norm als solcher nach Art. 100 Abs. 1 GG beabsichtigt, oder sie lediglich zur Begründung der Zulässigkeit der Normenkontrolle im Hinblick auf die §§ 13a und 13b ErbStG erwähnt hat. Eine eigenständige Vorlage des § 19 Abs. 1 ErbStG wäre jedenfalls unzulässig. Denn der Bundesfinanzhof ist insofern gerade nicht von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeugt, wie es Art. 100 Abs. 1 GG voraussetzt. Er hat vielmehr in seinem Vorlagebeschluss näher begründet, weshalb er die vom Kläger beanstandeten gleich hohen Steuersätze in den Steuerklassen II und III nach der für das Jahr 2009 maßgeblichen Fassung des § 19 Abs. 1 ErbStG für verfassungsgemäß hält.

II.

106

Die vorgelegten Normen sind in formeller Hinsicht mit der Verfassung vereinbar. Für sie besteht insbesondere eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes.

107

1. Nach Art. 105 Abs. 2 GG hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für Steuergesetze, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen. Das Aufkommen der Erbschaftsteuer steht zwar vollständig den Ländern zu (Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG). Für den Bereich der Erbschaftsteuer besitzt der Bund die Gesetzgebungskompetenz gleichwohl deshalb, weil die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht (Art. 72 Abs. 2 GG). Die Frage, ob die Neuregelung der §§ 13a und 13b ErbStG durch das Erbschaftsteuerreformgesetz noch von der Kompetenzprolongation in Art. 125a Abs. 2 Satz 1 GG gedeckt wäre, stellt sich daher nicht.

108

a) Die allgemeinen Grundsätze des Art. 72 Abs. 2 GG zur Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung im gesamtstaatlichen Interesse gelten auch für die Steuergesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 125, 141 <154>).

109

Eine bundesgesetzliche Regelung ist zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich, wenn und soweit die mit ihr erzielbare Einheitlichkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen Voraussetzung für die Vermeidung einer Rechtszersplitterung mit problematischen Folgen ist, die im Interesse sowohl des Bundes als auch der Länder nicht hingenommen werden kann (vgl. BVerfGE 125, 141 <155>). Sie ist zur Wahrung der Wirtschaftseinheit erforderlich, wenn und soweit sie Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsraums der Bundesrepublik ist, wenn also unterschiedliche Landesregelungen oder das Untätigbleiben der Länder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft mit sich brächten (vgl. BVerfGE 106, 62 <146 f.>; 112, 226 <248 f.>). Die Gesichtspunkte der Wahrung der Rechts- und der Wirtschaftseinheit können sich überschneiden, weisen aber unterschiedliche Schwerpunkte auf (vgl. BVerfGE 106, 62 <146>). Während die Wahrung der Rechtseinheit in erster Linie auf die Vermeidung einer Rechtszersplitterung zielt (vgl. BVerfGE 106, 62 <145>), geht es bei der Wahrung der Wirtschaftseinheit im Schwerpunkt darum, Schranken und Hindernisse für den wirtschaftlichen Verkehr im Bundesgebiet zu beseitigen (vgl. BVerfGE 106, 62 <146 f.>; 125, 141 <155 f.>).

110

Das Merkmal der Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung zur Erreichung der in Art. 72 Abs. 2 GG genannten Zwecke wird durch den Bezug auf das "gesamtstaatliche Interesse" in besonderer Weise geprägt. Die Regelung durch Bundesgesetz muss danach nicht unerlässlich für die Rechts- oder Wirtschaftseinheit in dem normierten Bereich sein. Es genügt vielmehr, dass der Bundesgesetzgeber andernfalls nicht unerheblich problematische Entwicklungen in Bezug auf die Rechts- und Wirtschaftseinheit erwarten darf.

111

Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hat das Bundesverfassungsgericht zu überprüfen. Insoweit besteht kein von verfassungsgerichtlicher Kontrolle freier gesetzgeberischer Beurteilungsspielraum (vgl. im Anschluss an BVerfGE 106, 62 <135>; 110, 141 <175>). Im Rahmen der danach eröffneten verfassungsgerichtlichen Kontrolle steht dem Gesetzgeber im Hinblick auf die allein zulässigen Zwecke einer bundesgesetzlichen Regelung und deren Erforderlichkeit im gesamtstaatlichen Interesse im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG jedoch eine Einschätzungsprärogative zu (vgl. BVerfGE 110, 141 <174 f.>; 111, 226 <255>; 125, 141 <154>; 128, 1 <34>; BVerfG, Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12 u.a. -, juris, Rn. 115).

112

b) Gemessen hieran verfügt der Bund über die Gesetzgebungskompetenz für die vorgelegten Regelungen des Erbschaftsteuerrechts. Dabei bedarf es keiner Unterscheidung zwischen der Rechts- und der Wirtschaftseinheit, da die Gründe für eine Bundesregelung beiden Voraussetzungen genügen.

113

aa) Die §§ 13a und 13b ErbStG gewähren in erheblichem Umfang Befreiungen von der Erbschaft- und Schenkungsteuer beim unentgeltlichen Übergang betrieblichen Vermögens, da ansonsten aus Sicht des Gesetzgebers unangemessene Belastungen für die Unternehmen bei der Betriebsnachfolge drohen könnten (dazu bb). Hierzu nennt das Gesetz bestimmte vom Erwerber einzuhaltende Bedingungen (Lohnsummenklausel, Haltefrist) und versucht, förderungswürdiges von nicht förderungswürdigem betrieblichen Vermögen näher abzugrenzen.

114

bb) Der Bundesgesetzgeber durfte davon ausgehen, dass eine nicht hinnehmbare Rechtszersplitterung mit nicht unerheblichen Nachteilen und Erschwernissen für Erblasser und Erwerber betrieblichen Vermögens wie auch für die Finanzverwaltung zu befürchten wäre, bliebe es den Ländern überlassen, ob, in welchem Umfang und in welcher Ausgestaltung im Einzelnen sie Regeln für die erbschaftsteuerliche Begünstigung des Betriebsübergangs schaffen wollen (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 25 zum Entwurf eines Erbschaftsteuerreformgesetzes sowie zu späteren Novellen mit vergleichbarer Begründung BTDrucks 17/2249, S. 36 und 17/13082, S. 9 sowie BRDrucks 253/11, S. 49).

115

Gerade bei dem unentgeltlichen Übergang von betrieblichem Vermögen könnte es bei unterschiedlichen Landesregelungen je nach Wohnsitz von Erblasser oder Schenker und möglicherweise mehreren Erben oder Beschenkten und je nach Betriebssitz oder Belegenheit der Sache zu konkurrierenden Steueransprüchen mehrerer Länder kommen. Dies erforderte Vereinbarungen zwischen den einzelnen Ländern, um eine Mehrfachbelastung zu vermeiden. Der damit verbundene Koordinierungs- und Administrierungsaufwand wäre erheblich.

116

Unterschiedliche landesrechtliche Regelungen zur Befreiung von betrieblichem Vermögen hätten zur Folge, dass die Beantwortung der für die Planung der Unternehmensnachfolge wichtigen Frage, mit welcher Steuerbelastung ein Betriebsübergang verbunden ist, vom Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt des Erben oder Beschenkten beziehungsweise vom Sitz der betrieblichen Einheit abhängig wäre. Wäre Gegenstand des Erwerbs ein Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten im ganzen Bundesgebiet oder mehreren selbständigen betrieblichen Einheiten in verschiedenen Ländern oder wären auf Erwerberseite mehrere Personen mit über das Bundesgebiet verteilten Wohnorten beteiligt, würden sich schwierige Abgrenzungsfragen ergeben, welche die bereits bestehende Komplexität der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Förderung unternehmerischen Vermögens noch weiter steigern und damit die rechtliche Planungssicherheit erheblich einschränken würden.

117

2. Die Wirksamkeit der Zustimmung des Landes Hessen im Bundesrat zum Erbschaftsteuerreformgesetz steht trotz der seinerzeit dort nur geschäftsführenden Regierung außer Frage. Auch die geschäftsführende Landesregierung ist Landesregierung im Sinne von Art. 51 GG.

III.

118

Die erbschaftsteuerliche Begünstigung des Übergangs betrieblichen und land- und forstwirtschaftlichen Vermögens sowie von Anteilen an Kapitalgesellschaften ist von Verfassungs wegen im Grundsatz nicht zu beanstanden, erweist sich in Teilen ihrer Ausgestaltung durch die §§ 13a und 13b ErbStG aber als gleichheitswidrig.

119

Der allgemeine Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Verschonungsregelungen auch im Erbschaftsteuerrecht im Ausgangspunkt erheblichen Spielraum, der allerdings mit Rücksicht auf betroffene Freiheitsrechte und auf das Ausmaß der Ungleichbehandlung Einschränkungen bis hin zu einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterliegen kann (1.). Gemessen daran erweist sich die Verschonung nach §§ 13a und 13b ErbStG zwar im Grundsatz als verfassungsgemäß, bedarf aber der Korrektur bei der Begünstigung der Übertragung großer Unternehmensvermögen (2.). Auch die nähere Ausgestaltung der Verschonungsregelung verstößt in einzelnen Punkten - insbesondere im Hinblick auf Lohnsumme und Verwaltungsvermögen - gegen Art. 3 Abs. 1 GG (3.).

120

1. Die Verschonungsregelungen der §§ 13a und 13b ErbStG sind an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Sie verschonen den Erwerb bestimmter Vermögensarten von der Erbschaft- und Schenkungsteuer und führen so in verschiedenerlei Hinsicht zu Ungleichbehandlungen. Hingegen begründen die Bestimmungen von vornherein keine übermäßige, die Erbrechtsgarantie (dazu BVerfGE 93, 165 <173 f.>) in Frage stellende steuerliche Belastung.

121

a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfGE 121, 108 <119>; 121, 317 <370>; 126, 400 <416>). Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. BVerfGE 116, 164 <180>; 121, 108 <119>; 121, 317 <370>; 126, 400 <416>). Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfGE 75, 108 <157>; 93, 319 <348 f.>; 107, 27 <46>; 126, 400 <416>; 129, 49 <69>; 132, 179 <188 Rn. 30>).

122

Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 122, 1 <23>; 126, 400 <416>; 129, 49 <68>). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 111, 176 <184>; 129, 49 <69>). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 129, 49 <69>) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 88, 87 <96>; 124, 199 <220>; 129, 49 <69>; 130, 240 <254>; 132, 179 <188 f. Rn. 31>).

123

b) Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 121, 108 <120>; 126, 400 <417>). Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes (vgl. BVerfGE 123, 1 <19>; stRspr). Abweichungen von der mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich indessen ihrerseits am Gleichheitssatz messen lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands, vgl. BVerfGE 117, 1 <30 f.>; 120, 1 <29>; 121, 108 <120>; 126, 400 <417>). Demgemäß bedürfen sie eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfGE 117, 1 <31>; 120, 1 <29>; 126, 400 <417>; 132, 179 <189 Rn. 32>), der die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag. Dabei steigen die Anforderungen an den Rechtfertigungsgrund mit Umfang und Ausmaß der Abweichung (vgl. dazu BVerfGE 117, 1 <32>).

124

c) Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, mit Hilfe des Steuerrechts außerfiskalische Förder- und Lenkungsziele zu verfolgen (vgl. BVerfGE 93, 121 <147>; 99, 280 <296>; 105, 73 <112>; 110, 274 <292>; stRspr). Führt ein Steuergesetz zu einer steuerlichen Verschonung, die einer gleichmäßigen Belastung der jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart widerspricht, so kann eine solche Steuerentlastung vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber das Verhalten der Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will (vgl. BVerfGE 93, 121 <147>).

125

In der Entscheidung darüber, welche Sachverhalte, Personen oder Unternehmen gefördert werden sollen, ist der Gesetzgeber weitgehend frei (vgl. BVerfGE 17, 210 <216>; 93, 319 <350>; 110, 274 <293>). Insbesondere verfügt er über einen großen Spielraum bei der Einschätzung, welche Ziele er für förderungswürdig hält. Er darf Verschonungen von der Steuer vorsehen, sofern er ansonsten unerwünschte, dem Gemeinwohl unzuträgliche Effekte einer uneingeschränkten Steuererhebung befürchtet. Allerdings bleibt er auch hier an den Gleichheitssatz gebunden. Das bedeutet zunächst aber nur, dass er seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen darf. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen ihm in weitem Umfang zu Gebote, solange die Regelung sich nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Umstände stützt und insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist (vgl. BVerfGE 17, 210 <216> unter Bezugnahme auf BVerfGE 12, 354 <367 f.>; 110, 274 <293>; 117, 1 <32>).

126

Der große Spielraum, über den der Gesetzgeber bei der Entscheidung darüber verfügt, ob und welche Sachverhalte, Personen oder Unternehmen er durch eine Verschonung von einer bestimmten Steuer fördern und welche Gemeinwohlziele er damit verfolgen will, schließt allerdings nicht aus, dass die nähere Ausgestaltung solcher Verschonungsregelungen einer strengeren verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Neben den bereits genannten Merkmalen der Verfügbarkeit, der freiheitsrechtlichen Relevanz oder der Nähe des Differenzierungsgrundes zu Art. 3 Abs. 3 GG kann die Freiheit des Gesetzgebers im Steuerrecht durch das Ausmaß der mit der Steuerverschonung bewirkten Ungleichbehandlung und durch deren Auswirkung auf die gleichheitsgerechte Erhebung dieser Steuer insgesamt eingeschränkt sein. Je nach Intensität der Ungleichbehandlung kann dies zu einer strengeren Kontrolle der Förderziele durch das Bundesverfassungsgericht führen.

127

2. Die Verschonungsregelungen in §§ 13a und 13b ErbStG führen zu einer Besserstellung der Erwerber unternehmerischen Vermögens gegenüber den Erwerbern sonstigen Vermögens, die im Grundsatz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, im Bereich des Übergangs großer Unternehmensvermögen aber der Korrektur bedarf. Die durch die Verschonungsregelungen bewirkte Ungleichbehandlung zwischen Erwerbern begünstigten und sonstigen Vermögens ist enorm (a). Der Gesetzgeber unterliegt insoweit einer über eine bloße Willkürprüfung hinausgehenden strengeren Kontrolle am Maßstab der Verhältnismäßigkeit (b). Durch die steuerliche Verschonung nach §§ 13a und 13b ErbStG sollen namentlich Unternehmen, die durch einen besonderen personalen Bezug des Schenkers oder Erblassers oder auch des Erwerbers zum Unternehmen geprägt sind, vor Liquiditätsproblemen durch die erbschaft- oder schenkungsteuerliche Belastung des Unternehmensübergangs bewahrt und so deren Bestand und der Erhalt der Arbeitsplätze bei der Unternehmensnachfolge gesichert werden (c). Die Verschonungsregelung der §§ 13a und 13b ErbStG ist zur Erreichung dieser Ziele geeignet (d) und erforderlich (e). Sie erweist sich im Grundsatz auch als verhältnismäßig im engeren Sinne; nicht jedoch, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen (f).

128

a) Die Verschonungsregelung führt zu Ungleichbehandlungen der Erwerber betrieblichen und nichtbetrieblichen Vermögens, die ein enormes Ausmaß erreichen können. Nach §§ 13a und 13b ErbStG bleibt der Wert von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und von bestimmten Anteilen an Kapitalgesellschaften in Höhe von 85 % oder 100 % bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Erbschaft- und Schenkungsteuer außer Ansatz, wenn die im Gesetz hierfür vorgesehenen weiteren Voraussetzungen hinsichtlich des Umfangs des Verwaltungsvermögens und der Beachtung von Lohnsummen- und Behaltensregelung erfüllt werden. Hinzu kommen - sofern nicht ohnehin die vollständige Befreiung von 100 % greift - Abschläge gemäß § 13a Abs. 2 ErbStG sowie die generelle Anwendung der günstigeren Steuerklasse gemäß § 19a ErbStG. Der Erwerb sonstiger Vermögensgegenstände wird nicht in vergleichbarer Weise von der Erbschaft- und Schenkungsteuer freigestellt. Ausgehend von einer einheitlichen Orientierung am gemeinen Wert bei der Bewertung des geerbten oder durch Schenkung erlangten Vermögenszuwachses und gleichmäßiger Anwendung der Steuersätze gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG hat die steuerliche Verschonung nach §§ 13a und 13b ErbStG zur Folge, dass die Erwerber begünstigten Vermögens und die Erwerber nicht begünstigten Vermögens in ganz erheblichem Maße ungleich besteuert werden. Das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, das an die Vermögensmehrung beim Empfänger anknüpft (vgl. BVerfGE 93, 165 <167>; 117, 1 <33>; 126, 400 <421>), besteuert insoweit die bei den Erwerbern eingetretene Bereicherung unterschiedlich.

129

Zwar kennt das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz persönliche Steuerbefreiungen, wie etwa den Freibetrag für Ehegatten und Lebenspartner in Höhe von 500.000 Euro und für Kinder in Höhe von 400.000 Euro (vgl. § 16 Abs. 1 ErbStG), die dem Erwerber unabhängig von der Art des übergegangenen Vermögens gewährt werden, und daneben sachliche Befreiungstatbestände, die wegen des besonderen Gegenstands (etwa Familienwohnheime gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4a - 4c ErbStG) oder Zwecks der Zuwendung (etwa Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen gem. § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchstabe b ErbStG) gewährt werden. Jenseits dieser Befreiungen und Freibeträge, beim unentgeltlichen Erwerb größerer Vermögen also, kann die Ungleichbehandlung zwischen unternehmerischem Vermögen, das nach §§ 13a und 13b ErbStG unabhängig von seinem Wert zu 85 % oder 100 % steuerfrei gestellt wird, und sonstigem Vermögen, das in vollem Umfang einem Steuersatz von bis zu 50 % unterliegen kann, ein enormes Ausmaß erreichen.

130

b) Die Verfassungsmäßigkeit der Ungleichbehandlung der verschiedenen Vermögensarten durch §§ 13a und 13b ErbStG setzt einen hinreichend tragfähigen Differenzierungsgrund voraus, der einer über eine bloße Willkürkontrolle hinausgehenden, strengeren Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält.

131

Bereits das erhebliche Ausmaß, das die erbschaft- und schenkungsteuerliche Ungleichbehandlung zwischen den einzelnen Fällen der begünstigten und nicht begünstigten Vermögensarten erreichen kann, und die nicht nur atypische Einzelfälle betrifft, sondern in der Gesetzessystematik als Regelfall angelegt ist, erfordert eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Differenzierung, die jedenfalls deutlich über eine bloße Willkürprüfung hinausreicht. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass die Unterscheidung zwischen begünstigtem unternehmerischen und nicht begünstigtem sonstigen Vermögen die Erhebung der Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht nur in einem Randbereich erfasst, sondern zu einer strukturellen Zweiteilung dieser Steuer führt. Nach den vom Bundesministerium der Finanzen in diesem Verfahren vorgelegten Auswertungen der amtlichen Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistik wurden von dem Steuerwert des in den Jahren 2009 bis 2012 insgesamt unentgeltlich übertragenen Vermögens mehr als ein Drittel über §§ 13a und 13b ErbStG von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit (vgl. im Einzelnen oben I. 2. b aa).

132

Soweit sich die Strenge der Prüfung vom Gesetzgeber vorgenommener Differenzierungen an der Verfügbarkeit der Unterscheidungskriterien, dem Einfluss auf die Wahrnehmung von Freiheitsrechten und der Nähe zu den Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 GG orientiert (s. oben 1. a), kommt für den vorliegenden Sachverhalt nur die Verfügbarkeit der Unterscheidung nach den Vermögensarten in Betracht. Auch dieser Gesichtspunkt führt zu einer eher strengen Prüfung des gesetzgeberischen Differenzierungsspielraums. Dabei kann die Frage, ob ein Differenzierungskriterium für den von der Ungleichbehandlung Betroffenen verfügbar ist, nur aus der Sicht des jeweils durch diese Ungleichbehandlung Benachteiligten, nicht hingegen aus der des Bevorzugten beantwortet werden. Für die hier zu prüfende Ungleichbehandlung zwischen Erwerbern betrieblichen und Erwerbern nichtbetrieblichen Vermögens kommt es danach auf die Einflussmöglichkeiten der Erwerber nichtbetrieblichen Vermögens an, die nicht in den Genuss des Verschonungsabschlags gelangen. Diese haben vielfach nur geringen Einfluss darauf, ob das ihnen geschenkte oder von ihnen ererbte Vermögen den Kategorien förderungswürdigen betrieblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Vermögens oder Anteilen an Kapitalgesellschaften von über 25 % angehört (vgl. § 13b Abs. 1 ErbStG) oder nicht verschontem Vermögen zuzuordnen ist.

133

c) Die durch §§ 13a und 13b ErbStG begründeten Ungleichbehandlungen dienen legitimen Zielen. Die steuerliche Verschonung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen Vermögens soll Unternehmen vor Liquiditätsproblemen bewahren, die durch erbschaft- oder schenkungsteuerliche Belastung des Unternehmensübergangs entstehen können. Die Verschonungsregelung soll vor allem Unternehmen schützen, die durch einen besonderen personalen Bezug des Erblassers oder auch des Erben zum Unternehmen geprägt sind, wie es namentlich für Familienunternehmen typisch ist. Steuerlich begünstigt werden soll das produktive Vermögen dieser Unternehmen mit dem Ziel, bei der Unternehmensnachfolge den Bestand des Unternehmens und der mit ihm verbundenen Arbeitsplätze nicht zu gefährden. Dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien (aa) und der Systematik der Verschonungsregelung (bb). An der Legitimität dieser Zielsetzung bestehen aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Zweifel (cc).

134

aa) Die Begründung des Regierungsentwurfs eines Erbschaftsteuerreformgesetzes gibt als allgemeines Ziel der Verschonungsregelung an, die Unternehmensnachfolge bei Erbschaften oder Schenkungen zu erleichtern (BTDrucks 16/7918, S. 1), weil unternehmerisches Vermögen eine Basis für Wertschöpfung und Beschäftigung und für den Erhalt von Arbeitsplätzen bilde (BTDrucks 16/7918, S. 33). Dabei hebt die Begründung des Entwurfs die besondere Bedeutung der klein- und mittelständisch geprägten Unternehmenslandschaft für die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettbewerb hervor (s. auch oben A. I. 3. d aa). Regional vernetzte Familienbetriebe seien notwendige Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und damit für die Schaffung wettbewerbsfähiger Arbeits- und Ausbildungsplätze in Deutschland (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 33). Deshalb will die Neuregelung diejenigen Unternehmensübergänge privilegieren, bei denen sichergestellt ist, dass die Unternehmensnachfolge nachhaltig ist und die Arbeitsplätze erhalten werden (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 23). Mit dieser Zielsetzung liegt die Neuregelung durch das Erbschaftsteuerreformgesetz auf der Linie der bereits seit 1992 in unterschiedlichen Ausprägungen bestehenden Vergünstigungen für betriebliches Vermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer zur Liquiditätssicherung mittelständischer Unternehmen (vgl. BTDrucks 12/1108, S. 37; 12/4487, S. 25 und 47; s. auch BVerfGE 93, 165 <175> und BRDrucks 778/06, S. 13 und zur Entwicklung oben A. I. 3.).

135

bb) Die Ausgestaltung der Verschonungsregelung lässt die Intention der Liquiditätssicherung klar erkennen. Das Ziel, unternehmerisches und land- und forstwirtschaftliches Vermögen beim unentgeltlichen Übergang durch Erbschaft oder Schenkung von steuerlichen Belastungen weitgehend frei zu halten und so die Liquidität der Betriebe zu schonen, kommt unmissverständlich in der hohen Freistellungsquote von 85 % (§ 13b Abs. 4 ErbStG) oder gar 100 % (§ 13a Abs. 8 Nr. 4 ErbStG) des ansonsten der Besteuerung zugrunde zu legenden Werts des betrieblichen Vermögens zum Ausdruck. Mit der Behaltensfrist von fünf oder sieben Jahren (§ 13a Abs. 5 und 8 Nr. 2 ErbStG) soll der Bestand der übergegangenen Unternehmen über einen längeren Zeitraum in der Hand des Erwerbers gesichert werden; die Lohnsummenklausel (§ 13a Abs. 1, 4, 8 Nr. 1 ErbStG) soll dem Erhalt der Arbeitsplätze dienen.

136

Eine Begrenzung der steuerlichen Förderung auf kleine und mittlere Familienunternehmen ergibt sich hingegen nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz. Die Freistellung förderungswürdigen betrieblichen Vermögens ist nach den §§ 13a und 13b ErbStG in der Höhe nicht begrenzt und auch nicht auf bestimmte Betriebstypen oder Gesellschaftsformen beschränkt. Die in der Begründung des Regierungsentwurfs zum Erbschaftsteuerreformgesetz erklärte Absicht, vornehmlich kleine und mittelständische Unternehmen zu fördern, findet jedoch zum einen Anklang in der Regelung über den Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG. Der Abzugsbetrag ist Teil der Verschonungsregelung, da durch ihn noch der nach Anwendung des Verschonungsabschlags in Höhe von 85 % verbleibende Teil des begünstigten Vermögens, das an sich zu versteuern wäre, steuerlich entlastet wird. Er stellt einen Festbetrag von 150.000 Euro steuerfrei, der aber mit zunehmender Höhe eines über 150.000 Euro hinausgehenden, der Besteuerung unterliegenden Erwerbs abgeschmolzen wird (§ 13a Abs. 2 Satz 2 ErbStG); insofern enthält er ein Element der gezielten Förderung kleinerer Unternehmen.

137

Die Konzentration der Verschonung auf Betriebe, in denen typischerweise vom Erblasser oder Schenker unternehmerische Verantwortung wahrgenommen wurde, zeigt sich zum anderen in § 13b Abs. 1 ErbStG. Während der Übergang betrieblichen Vermögens von Einzelunternehmen und Personengesellschaften nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG als uneingeschränkt förderungswürdig angesehen wird, gilt dies für Anteile an Kapitalgesellschaften nur, wenn der Erblasser oder der Schenker am Nennkapital dieser Gesellschaft zu mehr als 25 % unmittelbar beteiligt war (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG). In dieser Mindestbeteiligung von 25 % sieht der Gesetzgeber ein Indiz dafür, dass der Anteilseigner unternehmerisch in die Gesellschaft eingebunden ist und nicht nur als Kapitalanleger auftritt (BTDrucks 16/7918, S. 35; ebenso bereits die Begründung für eine entsprechende Mindestbeteiligungsklausel im Entwurf eines Jahressteuergesetzes 1996: BTDrucks 13/901, S. 158, s. oben A. I. 3. c).

138

cc) Der Gesetzgeber ist bei der Auswahl der Ziele weitgehend frei, die er durch Verschonung von einer steuerlichen Belastung erreichen oder zumindest fördern will. Er stößt an Grenzen, wenn er vom Grundgesetz missbilligte Ziele (vgl. die entsprechende Einschränkung bei Enteignungen tragenden Gemeinwohlzielen in BVerfGE 134, 242 <292 f. Rn. 172>) verfolgt oder sich mit seinen Förderzwecken in unauflösbaren Widerspruch zu anderweitigen gesetzlichen Festlegungen setzt. Die Förderung und der Erhalt einer für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands vom Gesetzgeber als besonders wertvoll eingeschätzten Unternehmensstruktur, die er in kleinen und mittelständischen, durch personale Führungsverantwortung geprägten Unternehmen - insbesondere in Familienunternehmen - sieht, und der Erhalt von Arbeitsplätzen durch den Schutz vor allem solcher Unternehmen vor steuerlich bedingten Liquiditätsproblemen stellen danach legitime Ziele von erheblichem Gewicht dar (vgl. auch BVerfGE 93, 165 <175 f.>).

139

d) Die §§ 13a und 13b ErbStG sind geeignet, die mit ihnen verfolgten Ziele zu erreichen. Das verfassungsrechtliche Geeignetheitsgebot verlangt keine vollständige Zielerreichung durch die in Frage stehende Regelung oder Maßnahme - hier die Verschonungsregelung -, die zu der beanstandeten Ungleichbehandlung führt, sondern lediglich eine Eignung zur Förderung des Ziels (vgl. BVerfGE 115, 276 <308>; 130, 151 <188>; vgl. auch die Nachweise bei BVerfGE 106, 62 <149>); die bloße Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (vgl. BVerfGE 67, 157 <175>; 121, 317 <354>). Dass die weitgehende oder vollständige Freistellung der begünstigten Unternehmensübergänge von der Erbschaft- und Schenkungsteuer grundsätzlich (zu Einzelheiten der Ausgestaltung, insbesondere im Hinblick auf Lohnsumme und Verwaltungsvermögen, s. unter 3.) geeignet ist, ansonsten drohende Liquiditätsprobleme für diese Unternehmen zu vermeiden, liegt auf der Hand und bedarf keiner näheren Begründung.

140

e) Die Verschonungsregelung ist im Grundsatz auch erforderlich. Der Gesetzgeber durfte von andernfalls drohenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Unternehmen ausgehen. Sieht man von den Einzelheiten der Ausgestaltung der Verschonungsregelung ab, ist kein Weg erkennbar, auf dem die Schonung der Liquidität ererbter oder unentgeltlich übertragener Unternehmen oder Unternehmensteile und damit der Erhalt der Arbeitsplätze gleich wirksam, zugleich aber unter geringerer Benachteiligung der Erwerber nicht begünstigten Vermögens erreicht werden könnte.

141

Die Erforderlichkeit der vom Gesetzgeber getroffenen Maßnahme unterliegt auch im Rahmen der Gleichheitsprüfung einem großzügigen verfassungsrechtlichen Kontrollmaßstab (aa). Danach ist die Annahme des Gesetzgebers, die Verschonung der unentgeltlichen Unternehmensübergänge von der Erbschaft- und Schenkungsteuer sei regelmäßig geboten, um die Unternehmen vor Liquiditätsproblemen zu bewahren (bb), und dürfe auch ohne individuelle Bedürfnisprüfung erfolgen (cc), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Verweisung auf die Möglichkeit einer Stundung (dd) erweist sich nicht als gleich wirksames milderes Mittel.

142

aa) Die weitgehende oder vollständige Freistellung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen Vermögens von der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist dann erforderlich, wenn kein anderes Mittel zur Verfügung steht, mit dem der Gesetzgeber unter Bewirkung geringerer Ungleichheiten das angestrebte Regelungsziel gleich wirksam erreichen oder fördern kann (entsprechend für Eingriffskonstellationen vgl. BVerfGE 80, 1 <30>; 117, 163 <189>; 121, 317 <354>). Der Gesetzgeber verfügt hier über einen weiten Einschätzungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfGE 117, 163 <189>; 120, 224 <240>; 121, 317 <354>).

143

bb) Der Gesetzgeber durfte eine Gefährdung der Liquidität von Unternehmen durch eine ohne Verschonung drohende Belastung mit der Erbschaft- und Schenkungsteuer annehmen und eine Verschonungsregelung daher grundsätzlich für erforderlich halten.

144

(1) Es liegt im Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers, bei einer nicht eindeutig geklärten und auch nicht ohne Weiteres aufklärbaren Sachlage seinen Entscheidungen über zu ergreifende Maßnahmen eine Gefährdungsprognose zugrunde zu legen. Dabei darf er sich allerdings nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebenssachverhalte stützen (vgl. BVerfGE 110, 274 <293>; 117, 1 <32>). Im Hinblick auf diese gesetzgeberische Einschätzungsprärogative ist es ausreichend, dass der Gesetzgeber eine ernsthafte Gefahr von Liquiditätsproblemen bei der Besteuerung des unentgeltlichen Übergangs von Unternehmen vertretbar und plausibel diagnostiziert hat. Es bedarf insbesondere aus verfassungsrechtlicher Sicht keines empirischen Nachweises, dass von der Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht nur in Ausnahmefällen Schwierigkeiten für die Fortführung von Unternehmen bis hin zur Bedrohung ihrer Existenz und des Verlusts von Arbeitsplätzen ausgeht. Es erscheint ohnehin fraglich, wie exakt die Wirkungen eines Liquiditätsentzugs durch die Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuer in einem Unternehmen "gemessen" werden können. Die Insolvenz eines Unternehmens wird immer mehrere Ursachen haben, von denen eine die Belastung durch die Erbschaftsteuer sein kann. Noch weniger lassen sich die Folgen einer steuerlichen Belastung für den künftigen Fortbestand eines Unternehmens vorhersehen.

145

(2) Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nicht, dass dem Gesetzgeber bei der Einführung der §§ 13a und 13b ErbStG durch das Erbschaftsteuerreformgesetz gefestigte empirische Erkenntnisse darüber vorlagen, wonach die Besteuerung des unentgeltlichen Erwerbs von Betriebsvermögen den Erben oder Beschenkten regelmäßig dazu zwingen würde, zur Finanzierung der Steuerlast dem Betrieb Kapital zu entziehen, was wiederum zumindest den Verlust von Investitionskraft zur Folge haben könnte und die Gefahr des Abbaus von Arbeitsplätzen oder gar die Notwendigkeit des Betriebsverkaufs. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen weist in seinem Gutachten zur Begünstigung des Unternehmensvermögens in der Erbschaftsteuer 01/2012 vielmehr darauf hin, es gebe praktisch keine konkreten empirischen Belege dafür, dass ein Betrieb aufgrund der Erbschaftsteuer habe aufgegeben oder veräußert werden müssen oder zahlungsunfähig geworden sei (vgl. S. 30 des Gutachtens unter Hinweis auf die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage einiger Abgeordneter und der Bundestagsfraktion Die Linke vom 28. April 2006, BTDrucks 16/1350, S. 5). Dies allein berechtigt allerdings nicht zu dem die Gefährdungsanalyse des Gesetzgebers widerlegenden Gegenschluss, dass keine Notwendigkeit für die beanstandete Verschonungsregelung bestehe, weil eine dem geltenden Recht entsprechende Steuerbelastung des unentgeltlichen Unternehmensübergangs ohne solche Steuerbefreiungen die Unternehmen nicht ernsthaft beschwerte. Denn mit Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes zum 1. Januar 2009 wurde mit den generell erhöhten, realitätsnäheren Wertansätzen und der damit drohenden höheren Steuerbelastung auch für Unternehmensübergänge zugleich das neue Verschonungskonzept nach §§ 13a und 13b ErbStG eingeführt. Soweit - auch aus den vom Bundesministerium der Finanzen in diesem Verfahren vorgelegten Daten - erkennbar, wurden diese Befreiungsvorschriften von Beginn an durch die betroffenen Unternehmen umfassend genutzt. Eine hohe Steuerbelastung ohne die Möglichkeit der Entlastung durch Verschonungsregelungen bestand für die unentgeltliche Übertragung von Unternehmen und Unternehmensteilen mithin zu keinem Zeitpunkt. Aus dem Fehlen von Referenzfällen für Unternehmensgefährdungen kann daher nicht auf das Fehlen einer solchen Gefahr überhaupt geschlossen werden.

146

Entsprechendes gilt für die Zeit vor 2009. Auch das vorher geltende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht sah in verschiedener Form und Intensität seit Anfang der 1990er Jahre Entlastungen für die Besteuerung der Übertragung betrieblichen Vermögens vor (s. oben A. I. 3.). Fehlende konkrete Erkenntnisse aus dieser Zeit über nennenswerte Belastungen von Unternehmen durch die Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuer können die Gefährdungseinschätzung des Gesetzgebers daher ebenfalls nicht widerlegen.

147

(3) Die Annahme des Gesetzgebers, dass die durch das Erbschaftsteuerreformgesetz zu erwartende gewachsene Steuerlast für unentgeltliche Unternehmensübertragungen ohne Verschonungsregelung eine Höhe erreichen werde, die nicht nur im Ausnahmefall, sondern häufig vom Erben oder Beschenkten nur unter Rückgriff auf das Betriebsvermögen getragen werden kann, ist nachvollziehbar und nicht fern liegend. Ohne die Verschonungsregelungen und ohne die damit zusammenhängende Tarifbegrenzung des § 19a ErbStG wäre der unentgeltliche Erwerb von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und auch von Anteilen an Kapitalgesellschaften in vollem Umfang je nach Wert bei nächsten Verwandten mit einem Steuersatz von bis zu 30 % und ansonsten schon bei mittleren Vermögensgrößen mit bei 25 % beginnenden und bei großen Vermögen in der Spitze bis zu 50 % reichenden Steuersätzen belastet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die früheren Vergünstigungen durch eine niedrige Bewertung der Unternehmen entfallen sind und heute in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2006 (BVerfGE 117, 1) ein realitätsnäherer Ansatz zugrunde gelegt wird. Nach der im vorliegenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht geäußerten Einschätzung des Bundesministeriums der Finanzen hat die höhere Bewertung des Betriebsvermögens in etwa zu einer Verdoppelung des Steuerwerts geführt. Die Annahme, dass ein Erbe oder Beschenkter auch bei geringeren Steuersätzen entsprechende Steuerforderungen nicht aus dem eigenen Vermögen wird begleichen können, sondern hierzu auf das erworbene Betriebsvermögen zugreifen muss und das Unternehmen bei diesen Größenordnungen unter Umständen auch wird verkaufen müssen, ist plausibel.

148

Diese Gefährdungsprognose des Gesetzgebers deckt sich mit der Einschätzung der Europäischen Kommission zur Belastung von familieninternen Unternehmensübertragungen mit Erbschaft- und Schenkungsteuern. Die Kommission sieht als eines der größten Hindernisse für solche Betriebsübergaben die damit verbundene Steuerbelastung. Nach ihrer Auffassung kann die Entrichtung von Erbschaft- oder Schenkungsteuern das finanzielle Gleichgewicht des Unternehmens gefährden und dadurch seinen Fortbestand sowie die Existenz der damit verbundenen Arbeitsplätze in Frage stellen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 7. Dezember 1994 zur Übertragung von kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. L 385 vom 31. Dezember 1994, S. 15; siehe auch Der "Small Business Act" für Europa, KOM [2008] 394 endgültig, S. 6 f.).

149

(4) Die Plausibilität der Gefährdungsprognose des Gesetzgebers des Erbschaftsteuerreformgesetzes wird weder durch das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen zur Begünstigung des Unternehmensvermögens in der Erbschaftsteuer 01/2012 noch durch das Jahresgutachten 2008/09 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung widerlegt. Der Wissenschaftliche Beirat bestätigt vielmehr, dass ein steuerbedingter Liquiditätsverlust zu einer Verringerung von Investitionen führen könne, und dass ungünstige Liquiditätseffekte der Erbschaftsteuer nicht auszuschließen seien, was sich dann ungünstig auf die Beschäftigungssituation auswirken könne (vgl. S. 28 ff. des Gutachtens). Auch der Sachverständigenrat hält es für unstreitig, dass die Erbschaftsteuer einen erheblichen Mittelentzug beim Erben bewirken könne; es sei nicht unwahrscheinlich, dass dieser Geldbedarf nicht ohne weiteres auf dem Kapitalmarkt würde gedeckt werden können (vgl. S. 221 f. des Gutachtens). Dass beide wissenschaftlichen Stellungnahmen im Ergebnis gleichwohl die Verschonungslösung ablehnen, liegt zum Teil an konzeptionell anderen Ansätzen und für vorzugswürdig gehaltenen Alternativlösungen. So befürwortet der Sachverständigenrat eine großzügige Stundungsregel für besonders liquiditätsbeschränkte Vermögen bei gleichzeitiger Senkung der Steuersätze in der Steuerklasse I, die dann einheitlich auf alle Vermögensarten Anwendung finden sollen (vgl. S. 227 des Jahresgutachtens 2008/09; siehe auch S. 192 des Jahresgutachtens 2009/10 sowie S. 211 des Jahresgutachtens 2012/2013). Der Wissenschaftliche Beirat lehnt die Verschonungsregelung ab, weil er erhebliche ökonomische Fehlsteuerungen durch dieses Instrument befürchtet, und schlägt stattdessen vor, die Steuersätze zu senken, die Bemessungsgrundlage zu verbreitern und die Stundungsregelung zu verbessern (S. 33 ff. des Gutachtens). Auch die von Professor Dr. Maiterth in der mündlichen Verhandlung als sachkundiger Dritter abgegebene Stellungnahme bestätigt das Fehlen empirischer Belege zur Frage von Existenzgefährdungen durch die Erbschaft- und Schenkungsteuer und räumt zugleich ein, dass sich das Arbeitsplatzargument nicht gänzlich entkräften lasse.

150

cc) Es stellt die Erforderlichkeit der Ungleichbehandlung nicht grundsätzlich in Frage, dass die Verschonung ohne Bedürfnisprüfung im Sinne der Prüfung eines konkreten Verschonungsbedarfs im Einzelfall gewährt wird.

151

Nach §§ 13a und 13b ErbStG bleibt der Wert des gemäß § 13b Abs. 1 ErbStG förderungswürdigen Vermögens zu 85 % oder zu 100 % außer Ansatz, wenn die Bedingungen des Verwaltungsvermögenstests (§ 13b Abs. 2 ErbStG), der Lohnsummenklausel (§ 13a Abs. 1, 4 und 8 Nr. 1 ErbStG) und der Behaltensfrist (§ 13a Abs. 5 und 8 Nr. 2 ErbStG) erfüllt werden. Eine Bedürfnisprüfung sieht das Gesetz nicht vor. Der die Verschonung in Anspruch nehmende Erbe oder Beschenkte muss nicht dartun oder belegen, dass der erworbene Betrieb ohne eine solche Entlastung des Betriebsübergangs von der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Schwierigkeiten käme. Das Gesetz macht auch nicht zur Voraussetzung, dass der Erwerber nicht in der Lage sein darf, aus sonstigem Vermögen oder aus mit der Erbschaft oder Schenkung zugleich übergegangenen anderen Vermögensteilen die Steuerschuld zu begleichen. Dies hat die zuständige Finanzbehörde daher nach geltender Rechtslage auch nicht zu prüfen.

152

Durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass in nicht nur seltenen Fällen eine Belastung der Unternehmensnachfolge mit Erbschaft- und Schenkungsteuer die Betriebe in Liquiditätsschwierigkeiten bringen kann und letztlich Arbeitsplätze gefährdet (siehe vorstehend (1)), liegt es auch im Rahmen seines Gestaltungsspielraums, die Verschonung ohne individuelle Bedürfnisprüfung zu gewähren. Eine solche Prüfung wäre kein gleich wirksames milderes Mittel, um Betriebs- und Arbeitsplatzerhalt zu sichern. Zwar würde sich das Maß der Ungleichbehandlung gegenüber den Erwerbern nicht privilegierter Vermögensarten verringern, wenn einzelne Verschonungen nicht gewährt würden, etwa weil die Einzelfallprüfung ergeben hat, dass ein übertragenes Unternehmen über hinreichende Liquiditätsreserven verfügt, auf die der Erwerber zur Befriedigung der gegen ihn gerichteten Steuerforderung zurückgreifen könnte. Eine solche Lösung brächte jedoch zum einen erhebliche Erschwernisse bei der Erhebung der Erbschaft- und Schenkungsteuer mit sich, wenn nun grundsätzlich überprüft werden müsste, ob die Leistungsfähigkeit eines übertragenen Betriebs auch die Begleichung der aus der Übertragung erwachsenen Steuerschuld seines Erwerbers ermöglicht, verbunden mit all den damit typischerweise einhergehenden Bewertungsfragen. Schon deshalb stellt sich die Verschonung mit Einzelfallprüfung nicht als milderes Mittel dar.

153

Eine Ausdehnung der Bedürfnisprüfung auf das bereits vorhandene Vermögen des Erben oder Beschenkten stünde außerdem in erheblichem Widerspruch zur Systematik des Erbschaftsteuerrechts, das für die Bemessung der Steuer allein auf die Bereicherung durch das durch den Erbfall oder die Schenkung Erworbene abstellt und auch sonst Befreiungen ohne Rücksicht auf die Bedürftigkeit des Erwerbers im Übrigen gewährt.

154

dd) Die in § 28 ErbStG vorgesehene Möglichkeit einer Stundung der Erbschaftsteuer beim Erwerb von Betriebsvermögen oder land- und forstwirtschaftlichem Vermögen steht der Erforderlichkeit der Verschonungsregelung zur Erreichung des vom Gesetzgeber verfolgten Förderzwecks nicht entgegen. Eine Stundung bewirkt keine ebenso effektive Entlastung wie eine Befreiung. Zwar würde eine Beschränkung der Begünstigung des Erwerbs betrieblichen Vermögens auf die Stundung nach § 28 ErbStG die Ungleichbehandlung gegenüber den Erwerbern nicht begünstigten Vermögens praktisch beseitigen. Sie erweist sich jedoch als nicht gleich wirksam wie die Verschonungsregelung, um den Erhalt der übergegangenen Betriebe und der Arbeitsplätze zu sichern. Abgesehen davon, dass sie den Erwerber über bis zu zehn Jahre mit Rückzahlungsverpflichtungen belastet, verlangt sie einen individuellen Bedürftigkeitsnachweis. Im Verfahren vor dem Senat ist von Seiten mehrerer Wirtschafts- und Unternehmensverbände plausibel vorgetragen worden, dass gerade kleine und mittelständische Unternehmen die Offenlegung von Liquiditätsproblemen vor den Banken möglichst vermeiden wollen, selbst wenn sie allein aus einer Erbschaftsteuerbelastung resultieren, weil sie sonst Schwierigkeiten in Bezug auf ihre Kreditwürdigkeit befürchten. Außerdem sieht § 28 Abs. 1 ErbStG keine Stundung für den Fall des Erwerbs von Anteilen an Kapitalgesellschaften vor. Sofern der Bundesfinanzhof im Rahmen seiner Kritik an der fehlenden Bedürfnisprüfung offenbar eine gegenüber dem § 28 Abs. 1 ErbStG wesentlich großzügigere Stundungsregelung vor Augen hat, ändert dies nichts an der Erforderlichkeit der §§ 13a und 13b ErbStG im Rahmen des geltenden Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts.

155

f) Die durch §§ 13a und 13b ErbStG bewirkten Ungleichbehandlungen sind nicht durchgehend verhältnismäßig im engeren Sinne. Die durch die Verschonung betrieblichen und land- und forstwirtschaftlichen Vermögens und von Anteilen an Kapitalgesellschaften bewirkte Ungleichbehandlung gegenüber nichtbetrieblichem Vermögen erweist sich im Grundsatz als verhältnismäßig im engeren Sinne (aa - cc), nicht jedoch, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen (dd).

156

aa) Die ungleiche Besteuerung des unentgeltlichen Erwerbs der verschiedenen Vermögensarten ist verhältnismäßig, wenn das Maß der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Privilegierung betrieblichen Vermögens im Sinne des § 13b Abs. 1 ErbStG und dementsprechend der Schlechterstellung nicht betrieblichen Vermögens in angemessenem Verhältnis zur Bedeutung des mit der Differenzierung verfolgten Ziels und zu dem Ausmaß und Grad der Zielerreichung steht.

157

bb) Die mit der Verschonung des Erwerbs begünstigten Vermögens einhergehende Ungleichbehandlung gegenüber nicht begünstigtem Vermögen ist enorm (s. bereits oben 2. a). Mit einem Abschlag von 100 %, zumindest aber 85 % des Erwerbs - im letzteren Fall verbunden mit den weiteren Vergünstigungen in § 13a Abs. 2, § 19a ErbStG - ist bereits die relative Freistellung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer umfassend oder doch weitreichend, kann aber auch in absoluten Zahlen sehr hoch sein, da der Begünstigungsumfang zahlenmäßig nicht begrenzt ist. Die Erwerber nicht begünstigten Vermögens unterliegen dagegen einer uneingeschränkten Besteuerung des Erwerbs mit Steuersätzen bis zu 50 %, soweit er den Wert der persönlichen Freibeträge (vgl. §§ 16, 17 ErbStG) übersteigt und nicht anderweitig von der Steuer befreit ist (vgl. §§ 5, 13, 13c, 18 ErbStG).

158

Allerdings wird das Ziel der Förderung, den unentgeltlichen Übergang von unternehmerischem Vermögen ohne steuerverursachtes Liquiditätsrisiko zu ermöglichen, bei der 100%igen Verschonung uneingeschränkt und bei der 85%igen Regelverschonung weitgehend erreicht.

159

cc) Ausgehend hiervon erweist sich das Verschonungskonzept der §§ 13a und 13b ErbStG als im Grundsatz verhältnismäßig. Es liegt im Rahmen der Einschätzungsprärogative und des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers, dem Erhalt vornehmlich klein- und mittelständischer Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden (s. dazu oben 2. c), einen so hohen Stellenwert einzuräumen, dass sie zur Sicherung ihres Bestands und damit auch zum Zwecke des Erhalts der Arbeitsplätze von der Erbschaft- und Schenkungsteuer weitgehend oder vollständig freigestellt werden.

160

(1) Mit dem Ziel, durch die Verschonung namentlich kleiner und mittelständischer Familienunternehmen von der Erbschaft- und Schenkungsteuer diese Betriebe vor möglichen Liquiditätsproblemen zu bewahren und so den Bestand dieser Unternehmen und der mit ihnen verbundenen Arbeitsplätze zu sichern, verfolgt der Gesetzgeber gewichtige Gemeinwohlgründe. Wie schon mit entsprechenden Begünstigungsnormen in den Jahren vor dem Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes hat der Gesetzgeber auch mit der Neuregelung der §§ 13a und 13b ErbStG in erster Linie die Förderung und den Schutz der kleinen und mittelständischen Familienunternehmen im Blick (s. dazu oben 2. c). Die Unternehmensnachfolge bei diesen Betrieben soll nicht durch die Erbschaft- und Schenkungsteuer in einer Weise belastet werden, die die Erwerber in ihrer Investitionskraft hemmt oder gar zum Verkauf oder zur Auflösung der Betriebe zwingt (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 33).

161

In der mittelständisch geprägten Unternehmenslandschaft sieht der Gesetzgeber eine Stärke der deutschen Wirtschaft, die er für vorteilhaft gerade auch im internationalen Wettbewerb hält (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 23, 33, ferner BTDrucks 17/15, S. 20). Diese Einschätzung spiegelt die Auffassung verschiedener Bundesregierungen zur Bedeutung des Mittelstands wider. Auch die Europäische Kommission betont die Wichtigkeit kleinerer und mittlerer Unternehmen für die Schaffung von Arbeitsplätzen (vgl. etwa Der "Small Business Act" für Europa, KOM [2008] 394 endgültig, S. 2 sowie Aktionsplan Unternehmertum 2020, KOM [2012] 795 endgültig, S. 4). Die Einschätzung vom spezifischen Wert einer ausgeprägten Kultur klein- und mittelständischer Unternehmen für die deutsche Wirtschaft wird auch in den in diesem Verfahren abgegebenen Stellungnahmen des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, des Zentralverbands des Deutschen Handwerks und des Bundesverbands der Deutschen Industrie geteilt.

162

Hinzu kommen spezifische Vorzüge, die der Gesetzgeber bei Wirtschaftsunternehmen annimmt, die durch eine in personaler Verantwortung liegende Führung geprägt werden, wie sie für Familienunternehmen typisch sind (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 33; siehe auch schon BTDrucks 13/901, S. 157 und 13/4839, S. 67, wonach der Gesetzgeber bei der Einbeziehung der Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen in die erbschaft- und schenkungsteuerliche Begünstigung unternehmerischen Vermögens ausdrücklich auf die Förderung "familienbezogener" Kapitalgesellschaften abstellte). Die gesetzgeberische Einschätzung von der besonderen Bedeutung der familiengeführten Unternehmen für die deutsche Wirtschaft wird in den zu diesem Verfahren abgegebenen Stellungnahmen durchgängig geteilt. Familiengeführten Unternehmen wird dabei vor allem eine langfristigere Unternehmensstrategie zugeschrieben, die nicht in gleicher Weise unmittelbar renditeorientiert ausgerichtet sein soll, wie dies bei anderen Unternehmen der Fall ist. Dadurch sollen sie tendenziell zurückhaltender auf Krisensituationen reagieren, standort- und arbeitsplatzorientierter operieren als andere Unternehmen und so vor allem Arbeitnehmer regelmäßig länger im Betrieb halten.

163

Mit dem Ziel, die vorhandene Struktur kleiner und mittelständischer Familienunternehmen und damit auch deren Arbeitsplätze zur erhalten und zu stärken, verfolgt der Gesetzgeber danach ein Gemeinwohlziel, dem er einen hohen Stellenwert zuordnen durfte.

164

(2) Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung wurde bereits festgestellt, dass die Annahme des Gesetzgebers, eine uneingeschränkte Steuerbelastung der Unternehmensnachfolge werde nicht nur in Ausnahmefällen die Unternehmen in ihrer Investitionsfähigkeit, unter Umständen auch in ihrem Bestand gefährden, keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Einwänden ausgesetzt ist (s. oben 2. e bb).

165

(3) Die Verschonungsregelung der §§ 13a und 13b ErbStG ist so ausgestaltet, dass sie regelmäßig einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung des Förderziels zu leisten vermag. Ohne dass es an dieser Stelle auf die sach- und gleichheitsgerechte Ausgestaltung der vom Gesetzgeber gewählten Steuerungsinstrumente der Verschonung im Einzelnen ankommt (dazu unter 3.), erweisen sich die Lohnsummenregelung und die Bestimmungen über die Haltefrist jedenfalls im Grundsatz als geeignet, den Erhalt des übertragenen Unternehmens in der Hand des Erwerbers und den Bestand an Arbeitsplätzen zu sichern (s. dazu bereits oben 2. d). Die Vorschriften über das Verwaltungsvermögen zielen darauf, die Freistellung förderungsunwürdigen, nicht produktiven Vermögens zu verhindern und so eine zielgenaue Begünstigung sicherzustellen. Zwar fehlt den §§ 13a und 13b ErbStG mangels Obergrenze eine klare normative Beschränkung der Förderung auf kleine und mittlere Unternehmen; die Abschmelzung des Abzugsbetrags nach § 13a Abs. 2 ErbStG bei einem der Besteuerung unterliegenden begünstigten Vermögen von mehr als 150.000 Euro zeigt jedoch zumindest im Ansatz die Ausrichtung der Verschonungsregelung auf kleinere Unternehmen. Soweit Anteile an Kapitalgesellschaften vererbt werden, kommt die bei Familienunternehmen typische personale Verantwortung für unternehmerische Entscheidungen dadurch zum Ausdruck, dass eine Mindestbeteiligung von über 25 % Voraussetzung für die Förderungswürdigkeit ist.

166

In dieser Ausgestaltung ist die Verschonungsregelung im Grundsatz angemessen. Der Gesetzgeber hält sich mit diesem Konzept im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit. Das Gewicht der mit der Verschonung verfolgten Gemeinwohlbelange steht auch unter Berücksichtigung des Grades der zu erwartenden Zielerreichung nicht außer Verhältnis zu der erheblichen Ungleichbehandlung zu Lasten der Erwerber sonstigen Vermögens. Mit den für dieses Ergebnis maßgeblichen Gewichtungen der gegeneinander stehenden Ziele und Positionen bewegt sich der Gesetzgeber innerhalb des ihm auch insoweit zukommenden Einschätzungs- und Bewertungsspielraums.

167

(4) Die vom Gesetzgeber seinem Förderkonzept beigegebenen Bedingungen für eine Verschonung sind für die Angemessenheit der Gesamtregelung allerdings unverzichtbar. Zwar lässt sich aus dem Gleichheitssatz nicht im Einzelnen ableiten, dass der Gesetzgeber die Verschonung mit gerade einer Lohnsummenregelung und einer Haltefrist eingrenzen und durch den Ausschluss von Verwaltungsvermögen auf produktives Vermögen beschränken musste. Die hier erfolgte umfängliche Begünstigung betrieblichen Vermögens ist aber nur dann angemessen, wenn durch begleitende gesetzliche Regelungen hinreichend sichergestellt ist, dass mit der Verschonung das angestrebte Förderziel auch tatsächlich erreicht wird und die Begünstigung zuverlässig auf förderungswürdiges Vermögen begrenzt ist. Der Gesetzgeber ist auch hier weitgehend frei in seiner Entscheidung, welche Instrumente er dafür einsetzt, um eine hinreichend normenklare und zielgenaue Förderung sicherzustellen (vgl. BVerfGE 117, 1 <32 f.>; vgl. ferner 110, 274 <293> und 116, 164 <182>). Dass überhaupt hierfür geeignete Maßgaben getroffen werden, ist jedoch zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Verschonungsregelung von Verfassungs wegen geboten. In Anbetracht des erheblichen Ausmaßes der Ungleichbehandlung stünde es nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG in Einklang, eine umfassende Verschonung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen Vermögens ohne jegliche Bedingungen und Förderungssicherungsmaßnahmen zu gewähren.

168

(5) Die durch das Optionsmodell nach § 13a Abs. 8 ErbStG eröffnete Möglichkeit, eine Steuerverschonung von 100 % zu erlangen, ist nicht allein wegen des Umstandes der Vollverschonung verfassungswidrig. Für jedes Maß der Steuerverschonung benötigt der Gesetzgeber tragfähige Rechtfertigungsgründe (vgl. BVerfGE 117, 1 <32>); für eine vollständige Steuerfreistellung bestimmter Besteuerungsobjekte - wie sie im Übrigen aus zahlreichen Befreiungsvorschriften des Steuerrechts bekannt ist - gilt insofern nichts kategorial Anderes als bei Freistellungen geringeren Umfangs. Stets bedarf es zur Rechtfertigung der mit der Freistellung einhergehenden Ungleichbehandlung eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes.

169

Sofern die in einer Steuerart vorgesehenen Ausnahmen, Befreiungen, Verschonungen und Freibeträge - insbesondere aus Gründen der Lenkung und Förderung - je für sich sachlich gerechtfertigt und in sich gleichheitsgerecht ausgestaltet sind, erweisen sie sich auch in ihrem Zusammenwirken nicht allein deshalb als gleichheitswidrig, weil sie dazu führen, dass eine Steuer in großem Umfang nicht greift. Für den erbschaftsteuerlichen Zugriff bei Familienangehörigen sowie kleinen und mittelständischen Betrieben hat der Gesetzgeber mit den spezifisch erbschaft- und schenkungsteuerlichen Befreiungen und Verschonungen in weitem Umfang Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter anderem aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung getragen (vgl. BVerfGE 93, 165 <174 f.>). Die vom Bundesfinanzhof in seinem Vorlagebeschluss unter Berufung auf die Erbschaft- und Schenkungsteuerstatistiken 2010 und 2011 des Statistischen Bundesamts erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass die Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG zusammen mit zahlreichen anderen Verschonungen und Befreiungen dazu führten, dass nur ein geringer Teil der im Grundsatz nach §§ 1, 2, 3 und 7 ErbStG steuerbaren Sachverhalte tatsächlich mit Steuer belastet werde, die Steuerbefreiung also die Regel und die tatsächliche Besteuerung die Ausnahme sei (vgl. BFHE 238, 241 <278 Rn. 156> unter Verweisung auf damit übereinstimmende Äußerungen im Schrifttum), begründen danach allein für sich nicht die Unverhältnismäßigkeit der Erbschaft- und Schenkungsteuer.

170

dd) Unverhältnismäßig ist die Ungleichbehandlung zwischen begünstigtem unternehmerischen und nicht begünstigtem sonstigen Vermögen aber insoweit, als der unentgeltliche Erwerb betrieblichen und land- und forstwirtschaftlichen Vermögens und von Anteilen an Kapitalgesellschaften ohne Bedürfnisprüfung weitgehend oder vollständig von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit wird und es sich dabei um Erwerbe von Unternehmen handelt, welche die Größe kleiner und mittlerer Unternehmen überschreiten.

171

(1) Das Maß der Ungleichbehandlung ist umso größer, je umfangreicher der steuerbefreite Erwerb ist. Da die §§ 13a und 13b ErbStG keine Obergrenze in Bezug auf das begünstigungsfähige Vermögen vorsehen, können bei Einhaltung der Verschonungsbedingungen auch Betriebe mit Unternehmenswerten von mehreren Hundertmillionen oder auch mehreren Milliarden Euro erbschaft- und schenkungsteuerfrei übertragen werden. Es ist freilich nicht auszuschließen, dass auch sehr große Unternehmen durch eine dann entsprechend hohe Erbschaft- oder Schenkungsteuerlast der Erwerber in finanzielle Schwierigkeiten geraten und an Investitionskraft verlieren könnten, Arbeitsplätze abbauen, verkauft oder sogar aufgelöst werden müssten. Die damit verbundenen gemeinwohlschädlichen Lasten wären dann entsprechend größer. Diese Risiken können im Ergebnis auch die Steuerverschonung sehr großer Unternehmen rechtfertigen, erfordern dann aber mit Rücksicht auf den Grundsatz der Lastengleichheit besondere Vorkehrungen zur Erreichung der mit der Befreiung verfolgten Ziele.

172

Je umfangreicher die Steuerverschonung und je größer deshalb andererseits das Maß der Ungleichbehandlung gegenüber den Erwerbern nicht begünstigten Vermögens ist, desto anspruchsvoller wird die Rechtfertigungslast hierfür. Die steuerliche Privilegierung unternehmerischen Vermögens ist nicht gerechtfertigt, weil der einzelne Erwerber verschont werden soll. Um die Begrenzung der Besteuerung durch die verfassungsrechtliche Erbrechtsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG vor einer übermäßigen Belastung, welche die dem Erben zugewachsenen Vermögenswerte grundlegend beeinträchtigt (vgl. BVerfGE 93, 165 <172>; 63, 312 <327>), geht es dabei in diesem Zusammenhang nicht. Der die Ungleichbehandlung rechtfertigende Gemeinwohlgrund liegt vielmehr allein im Schutz der übertragenen Unternehmen und der damit verbundenen Arbeitsplätze. Während die Ungleichbehandlung zwischen nicht verschonten Erwerbern sonstigen Vermögens und den Erwerbern unternehmerischen Vermögens bei der Übertragung kleiner und mittlerer Unternehmen im Grundsatz noch gerechtfertigt ist, ohne dass die Gefährdung der Unternehmen, vor der die Verschonung bewahren soll, im Einzelfall festgestellt wird, kann diese unwiderlegliche Gefährdungsvermutung bei der Übertragung größerer Unternehmen nicht mehr hingenommen werden. Hier erreicht die Ungleichbehandlung schon wegen der Größe der steuerbefreiten Beträge ein Maß, das ohne die konkrete Feststellung der Verschonungsbedürftigkeit des erworbenen Unternehmens mit den Anforderungen an eine gleichheitsgerechte Besteuerung nicht mehr in Einklang zu bringen ist.

173

Hinzu kommt bei der Übertragung von Unternehmen dieser Größenordnung, dass deren Schutz und Erhalt nicht mehr von dem Ziel der Verschonungsregelung getragen wird, die vorhandene Unternehmensstruktur kleiner und mittelständischer Betriebe zu erhalten. Dies ist zwar nicht das einzige Gemeinwohlziel, das die Verschonungsregelung verfolgt; sein Wegfall schwächt aber auch ihr Rechtfertigungspotenzial und bestätigt damit die Notwendigkeit einer individuellen Bedürfnisprüfung.

174

(2) Die Grenze zwischen kleinen und mittleren Unternehmen einerseits und Großunternehmen andererseits ist für den Bereich des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts gesetzlich nicht vorgegeben. Auch nach verfassungsrechtlichen Maßstäben lässt sich nicht eindeutig bestimmen, ab wann genau die aus der Steuerverschonung des unentgeltlichen Erwerbs unternehmerischen Vermögens folgende Ungleichbehandlung nicht mehr verhältnismäßig ist, wenn die Steuerverschonung an keine Bedürfnisprüfung geknüpft ist. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Berücksichtigung der mit der Privilegierung verfolgten Gemeinwohlziele präzise und handhabbare Kriterien für die Bestimmung dieser Grenze festzulegen. Dabei bleibt es ihm aus verfassungsrechtlicher Sicht unbenommen, sich etwa auch an der Empfehlung der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (2003/361/EG, ABl. L 124/36 vom 20. Mai 2003) zu orientieren. Darin werden zu den kleinen und mittleren Unternehmen solche gezählt, die weniger als 250 Arbeitnehmer beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Millionen Euro erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43 Millionen Euro beläuft (a.a.O., Art. 2 Abs. 1 des Anhangs).

175

Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen allerdings nicht verpflichtet, die Angemessenheit der Ungleichbehandlung zwischen begünstigten und nicht begünstigten Vermögensübertragungen durch die exakte Bestimmung des Kreises kleiner und mittelständischer Unternehmen und durch die Begrenzung der Verschonung ohne Bedürfnisprüfung auf diese sicherzustellen. Er könnte auch eine absolute Obergrenze festlegen, wie dies im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Unternehmensnachfolge vom 30. Mai 2005 (vgl. BTDrucks 15/5555, S. 10) mit einer Förderungshöchstgrenze von 100 Millionen Euro beabsichtigt war, jenseits derer die Steuerverschonung endet und steuerbedingten Gefährdungen von Unternehmensübergängen etwa durch eine möglicherweise neu gestaltete Stundungsregelung begegnet wird. Hält er auch bei der Übertragung größerer Unternehmen am Steuerverschonungsmodell fest, wird er zu erwägen haben, ob in die dann in diesem Bereich gebotene Prüfung der Verschonungsbedürftigkeit von Erwerbern solcher Unternehmen auch durch die Erbschaft oder Schenkung miterworbenes, nicht begünstigtes Vermögen oder unter Umständen schon vor dem Erwerb vorhandenes eigenes Vermögen mit einbezogen werden soll, mit der Folge, dass der Erwerber dies zur Begleichung einer Steuerschuld aus dem Unternehmensübergang einzusetzen hätte.

176

3. Die Verschonungsregelungen der §§ 13a und 13b ErbStG verstoßen auch in Teilen ihrer Ausgestaltung im Einzelnen gegen Art. 3 Abs. 1 GG, sowohl im Hinblick auf die Ungleichbehandlung gegenüber den Erwerbern nicht begünstigter Vermögensarten als auch wegen nicht zu rechtfertigender Ungleichbehandlungen im Binnenvergleich der Erwerber begünstigter Vermögensarten. Letztlich nicht zu beanstanden ist allerdings die Festlegung der begünstigten Vermögensarten in § 13b Abs. 1 ErbStG (a) und im Grundsatz die Bestimmung über die Behaltensfrist in § 13a Abs. 5 ErbStG (c). Als gleichheitswidrig erweisen sich jedoch die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Arbeitnehmern von der Lohnsummenpflicht gemäß § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG (b) und die Regelung zum Umfang des begünstigungsschädlichen Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG (d). Außerdem lassen die §§ 13a und 13b ErbStG in einzelnen Konstellationen zu großzügig steuerliche Gestaltungen zu, die nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlungen verursachen (e).

177

a) Die Festlegung der begünstigen Vermögensarten in § 13b Abs. 1 ErbStG ist verfassungsgemäß. Mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist die Bestimmung des durch den Verschonungsabschlag begünstigungsfähigen Vermögens in § 13b Abs. 1 ErbStG sowohl im Verhältnis zu nicht betrieblichem Vermögen als auch im Binnenvergleich zu nicht begünstigtem sonstigen betrieblichen Vermögen.

178

Ziel des Erbschaftsteuerreformgesetzes war es unter anderem sicherzustellen, dass bei der Unternehmensnachfolge insbesondere kleine und mittlere Betriebe, die in personaler Verantwortung geführt werden, nicht wegen der Besteuerung dieses Erwerbs in Liquiditätsschwierigkeiten geraten (s. oben 2. c). Die Beschränkung der Förderung auf kleine und mittlere Betriebe ist trotz der degressiven Ausgestaltung des Abzugsbetrags nach § 13a Abs. 2 ErbStG und des Ausschlusses von Minderbeteiligungen an großen Publikums-Aktiengesellschaften aus dem Kreis förderungswürdigen Vermögens in § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nur begrenzt gelungen und führt deshalb bei größeren Unternehmen zu einem verfassungsrechtlichen Vorbehalt im Hinblick auf die Erforderlichkeit einer Bedürfnisprüfung (s. oben 2. f dd). Ansonsten sichert die Umschreibung des begünstigten Vermögens in § 13b Abs. 1 ErbStG die Begrenzung der Verschonung auf unternehmerisches Vermögen, das typischerweise in personaler Verantwortung gehalten wird. Namentlich die Mindestbeteiligungsklausel für Kapitalgesellschaften von über 25 % in § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG scheidet Unternehmensbeteiligungen aus der Förderung aus, die der bloßen Geldanlage dienen. Die damit in verschiedene Richtungen einhergehenden Ungleichbehandlungen sind gerechtfertigt (aa). Dies gilt auch für die Privilegierungen betrieblichen Vermögens im Sinne von § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (bb) und land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nach § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG (cc).

179

aa) Die Begünstigung des Erwerbs von Kapitalgesellschaftsanteilen im Sinne des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG Anteile an Kapitalgesellschaften ab einer Mindestbeteiligung des Erblassers oder Schenkers von über 25 % am Nennkapital der Gesellschaft zu förderungswürdigem unternehmerischem Vermögen zählt. Die damit verbundene Besserstellung des Erwerbs von Anteilsinhabern, die diese Mindestquote erfüllen, gegenüber dem Erwerb von Erblassern oder Schenkern von sonstigem, nicht betrieblichem Vermögen auf der einen und gegenüber dem Erwerb von Inhabern geringerer Anteile an Kapitalgesellschaften - auch im Streubesitz - auf der anderen Seite, die der Gesetzgeber damit wie nicht betriebliches Vermögen behandelt, ist von Verfassungs wegen im Ergebnis nicht zu beanstanden.

180

(1) Mit den durch die Begünstigung von Kapitalgesellschaftsanteilen im Sinne des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG begründeten Ungleichbehandlungen verfolgt der Gesetzgeber legitime Ziele. Durch die Einbeziehung großer Anteile an Kapitalgesellschaften in die Verschonungsregelung wollte der Gesetzgeber die Übertragung solcher Unternehmensanteile steuerlich verschonen, bei denen der Anteilsinhaber nicht nur als Kapitalanleger auftritt, sondern selbst unternehmerisch in die Gesellschaft eingebunden ist. Die Übertragung von lediglich als Form der Kapitalanlage gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften soll hingegen nicht in den Genuss der Verschonungsregelungen gelangen. Die geforderte Beteiligung von über 25 % soll ein Indiz für diese unternehmerische Einbindung sein (BTDrucks 16/7918, S. 35).

181

Hinter der Privilegierung des Übergangs großer Anteile an Kapitalgesellschaften gegenüber sonstigem Vermögen steht danach zum einen die Überlegung, dass diese Anteilseigner ihre Anteile an einer Kapitalgesellschaft nicht nur aus Gründen der Kapitalanlage halten, sondern ein unternehmerisches Eigeninteresse am Wohl und Wehe des Unternehmens haben, das es im Rahmen der Nachfolge insbesondere durch gesetzliche Behaltensanreize zu sichern gilt. Zum anderen bestünden bei einem Verzicht auf jegliche erbschaftsteuerliche Begünstigung der Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften erhebliche Gleichheitsbedenken gegenüber anderen, durch die Verschonungsregelung privilegierten Vermögensarten, insbesondere gegenüber der Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften. Der strikte Verschonungsausschluss von Anteilen an Kapitalgesellschaften ließe sich jedenfalls in Bereichen, in denen unternehmerische Organisationsformen von Kapitalgesellschaften (insbes. als GmbH) und solche von Personengesellschaften (insbes. als GmbH & Co. KG) weitgehend austauschbar sind, in der Sache kaum hinreichend tragfähig begründen. Dies führte zu einer vielfach nur schwer zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung nach der Rechtsform, in der die Unternehmen organisiert sind, und würde das gesetzgeberische Ziel der Förderung kleinerer und mittlerer Betriebe in weiten Bereichen verfehlen, die häufig die Organisationsform einer Kapitalgesellschaft wählen.

182

(2) Die Differenzierung zwischen förderungswürdigen Anteilen an einer Kapitalgesellschaft und nicht förderungswürdigen anhand der Mindestbeteiligungsquote ist geeignet, die Erreichung des Ziels dieser Unterscheidung zu befördern. Die Beschränkung der Verschonung auf den Erwerb von Anteilseignern mit einer Mindestquote von über 25 % ermöglicht es, bei der Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nur jene zu erfassen, bei denen die Annahme einer unternehmerischen Einbindung des übertragenden Anteilsinhabers in den Betrieb vertretbar erscheint. Die Vermutung einer unternehmerischen Verantwortung bei Anteilseignern ab einer Mindestbeteiligungsquote von 25 % liegt im Rahmen des gesetzgeberischen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums. Die Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Streubesitz hingegen unterscheidet sich nicht wesentlich von der unentgeltlichen Übertragung sonstigen Vermögens, die nicht von der Steuer verschont wird. Der Bestand eines Betriebs, seine Bonität und die Sicherheit seiner Arbeitsplätze sind in diesen Fällen regelmäßig nicht von der Person des Anteilsinhabers abhängig (so auch BTDrucks 16/7918, S. 35), der seine nur zu Zwecken der Kapitalanlage erfolgte Beteiligung - falls zur Begleichung der Steuerschuld geboten - ohne Gefährdung des Betriebs verkaufen kann.

183

(3) Zur Erreichung der gesetzlichen Ziele ist die Mindestbeteiligungsquote erforderlich. Es ist nicht erkennbar, dass ohne die 25 %-Regel eine gleich wirkungsvolle und zugleich mit einer geringeren Ungleichbehandlung belastete Unterscheidung zwischen förderungswürdigem und nicht förderungswürdigem Vermögen im Bereich der Kapitalgesellschaftsanteile erreicht werden könnte.

184

Ein Verzicht auf jegliche erbschaft- und schenkungsteuerliche Begünstigung der Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften ersparte zwar die Suche nach einer gleichheitsgerechten Differenzierung zwischen förderungswürdigen und nicht förderungswürdigen Anteilen an Kapitalgesellschaften, wie sie jetzt § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG vornimmt, und würde so zu einer vollständigen Gleichstellung dieser Vermögensart mit nicht betrieblichem Vermögen führen, hätte aber die oben (unter (1)) beschriebene Ungleichbehandlung gegenüber sonstigem betrieblichen Vermögen nach der Rechtsform zur Folge und könnte auch nicht das gesetzgeberische Ziel erreichen, in unternehmerischer Verantwortung gehaltene Anteile an Kapitalgesellschaften in die Verschonung mit einzubeziehen.

185

(4) Die Mindestbeteiligungsquote ist verhältnismäßig im engeren Sinne. Die als Differenzierungsgrund für die Besserstellung vermuteten Vorteile der unternehmerischen Einbindung der Anteilseigner ab einer Mindestquote von über 25 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft haben hinreichendes Gewicht, um die Ungleichbehandlung sowohl gegenüber den Inhabern nicht betrieblichen Vermögens als auch gegenüber den Inhabern von Anteilen an Kapitalgesellschaften unterhalb dieser Quote zu rechtfertigen.

186

(a) Bei einer Mindestbeteiligungsquote von über 25 % durfte der Gesetzgeber von einer unternehmerischen Einbindung des Anteilseigners in den Betrieb und damit von begünstigtem Vermögen ausgehen.

187

Der allgemein maßgebliche Rechtfertigungsgrund für die Steuerverschonung bei der Unternehmensnachfolge - die ansonsten befürchtete Gefährdung der betroffenen Betriebe durch Liquiditätsprobleme und damit auch die Gefährdung von Arbeitsplätzen - greift allerdings nicht ohne weiteres in allen Fällen der Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Insbesondere werden jedenfalls Minderheitsgesellschafter in aller Regel keinen maßgeblichen Einfluss auf die Ausschüttung von Gewinnanteilen allein zum Zwecke der Begleichung von Steuerschulden der Gesellschafter nehmen und daher insofern auch keine Betriebsgefährdung auslösen können. Namentlich bei der Übertragung von Anteilen an Publikumsgesellschaften ist die generelle Befürchtung solcher Gefährdungen ohnehin nicht berechtigt. Es entspricht außerdem dem allgemeinen Förderzweck der Verschonungsregelung, Anteile an Kapitalgesellschaften, die der bloßen Kapitalanlage dienen, von der Privilegierung auszunehmen. Dies wird auch durch die Bestimmungen über das Verwaltungsvermögen in § 13b Abs. 2 ErbStG deutlich, die eine Konzentration der Steuerverschonung auf produktives, mit unternehmerischem Risiko behaftetes Vermögen sicherzustellen suchen (s. dazu nachfolgend d).

188

Die Annahme, ab einer Anteilsquote von über 25 % des Nennkapitals bestehe regelmäßig eine unternehmerische Einbindung des Anteilseigners in den Betrieb, ist vom Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt (oben (2)). Bei Anteilseignern, die mehr als ein Viertel der Anteile einer Kapitalgesellschaft halten, darf der Gesetzgeber davon ausgehen, dass sie sich nicht nur aus Gründen der Kapitalanlage engagieren, sondern ein unternehmerisches Eigeninteresse an Bestand und Erfolg des Unternehmens haben (oben (1)).

189

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem Beschluss vom 7. November 2006 die entsprechende Annahme des Gesetzgebers von der unternehmerischen Einbindung des Anteilseigners bei der Vorgängerregelung als "nicht unplausibel" bezeichnet, zumal Anteilsinhaber nach dem Aktiengesetz und dem GmbH-Gesetz erst bei der geforderten Quote von mehr als 25 % über eine Sperrminorität bei satzungsändernden Beschlüssen verfügten (vgl. BVerfGE 117, 1 <63>).

190

Im Übrigen ist die Festlegung auf die Mindestquote von über 25 % durch die Typisierungs- und Vereinfachungsbefugnis des Gesetzgebers (vgl. dazu BVerfGE 120, 1 <30>; 122, 210 <231 ff.>; 126, 268 <278 f.>) gedeckt. Seine Annahme, dass die andernfalls erforderliche konkrete Feststellung der unternehmerischen Relevanz geringerer Beteiligungsanteile nicht nur die Finanzämter, sondern auch die Gesellschaften mit einem unverhältnismäßigen Aufwand belasten würde (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 35), ist nicht unvertretbar (a. A. Grolig, Folgerichtigkeitsgebot und Erbschaftsteuer, 2013, S. 185 ff., 190; mit grundsätzlicher Kritik an der 25 %-Regelung auch Piltz, DStR 2013, S. 228 <231>).

191

Schließlich hat die mit der 25 %-Regelung verbundene Erwägung Gewicht, dass ab diesem Beteiligungsanteil eine Gleichbehandlung von Kapitalanlagevermögen mit der Beteiligung an Personengesellschaften erfolgen soll, um deren sonst insoweit nur schwierig zu rechtfertigende Besserstellung zu vermeiden.

192

(b) Die pauschalierende Annahme der 25 %-Grenze für die unternehmerische Einbindung des Anteilseigners wird nicht durch den Einwand widerlegt, dass auch schon bei niedrigeren Beteiligungsquoten ein unternehmerisches Engagement des Inhabers von Kapitalgesellschaftsanteilen denkbar sei. Es ist zwar in der Tat nicht auszuschließen, dass unterhalb einer Beteiligung von 25 % ein tatsächlicher und rechtlicher Bezug eines Anteilseigners zu dem Unternehmen besteht, der weit über eine bloße Kapitalanlage hinausgeht und dessen uneingeschränkte Belastung mit der Erbschaft- und Schenkungsteuer zudem Schwierigkeiten für das Unternehmen mit sich bringen könnte. So ist es insbesondere, wie in der mündlichen Verhandlung in verschiedenen Stellungnahmen bestätigt wurde, in familiengeführten Unternehmen üblich, dass sich im Wege der Generationenfolge der Anteilsumfang pro Person verringern kann, diesem reduzierten Anteil aber durch gesellschaftsvertragliche Klauseln, welche die Übertragbarkeit des Anteils oder Möglichkeiten der Gewinnausschüttung einschränken, mit dem Ziel eines einheitlichen unternehmerischen Handelns Rechnung getragen wird. Diesen Umstand berücksichtigt das geltende Recht jedoch bereits dadurch, dass § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG die Möglichkeit eines sogenannten Pooling vorsieht, welches die Anteile eines Erblassers oder Schenkers an einer Kapitalgesellschaft, der nicht die 25 %-Quote erreicht, gleichwohl als begünstigtes Vermögen behandelt, wenn er zusammen mit anderen Gesellschaftern, mit denen er vertragliche Bindungen hinsichtlich der Anteilsverfügung und Stimmrechtsausübung eingegangen ist, diese Grenze erreicht.

193

(c) Die Mindestbeteiligungsquote von über 25 % ist auch nicht deshalb durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt, weil das Gesetz den Mindestbestand an Anteilen zwar auf Seiten des Erblassers oder Schenkers voraussetzt, nicht aber verlangt, dass für die Verschonung auch die Übertragung des Unternehmensanteils in einem Umfang von über 25 % erfolgen oder jedenfalls der Erwerber über 25 % der Anteile der Kapitalgesellschaft verfügen muss.

194

Das Abstellen allein auf die Verhältnisse beim Erblasser oder Schenker zur Bestimmung der Begünstigungsfähigkeit von Vermögensarten und Vermögensteilen (zum Beispiel auch im Hinblick auf den sogenannten Verwaltungsvermögenstest nach § 13b Abs. 2 ErbStG - dazu s. unten d) wie auch in Bezug auf sonstige Verschonungsvoraussetzungen (etwa die Zahl der Arbeitnehmer für die Freistellung von der Lohnsummenpflicht nach § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG - näher dazu unter b) liegt dem gesamten System der Verschonungsregelung zugrunde. Ob der übertragene Unternehmensteil oder die Verhältnisse beim Erwerber diese Voraussetzungen erfüllen, ist hingegen unerheblich. Dies hat zur Folge, dass bei der Übertragung von Unternehmensteilen eine Verschonung auch dann in Betracht kommt, wenn der Erbe oder Beschenkte keinen, jedenfalls keinen rechtlich zwingenden Einfluss auf die Einhaltung von Lohnsumme und Haltefrist und auch sonst nicht auf operative und strategische Entscheidungen des Unternehmens hat. Darauf kommt es nach der Konzeption der gesetzlichen Bestimmung der Begünstigungsfähigkeit der verschiedenen Vermögensarten auch nicht an, denn es geht insoweit allein um die Abschichtung förderungswürdigen unternehmerischen Vermögens von nicht förderungswürdigem privaten Vermögen, insbesondere von bloßem Geldanlagevermögen (s. oben (a) und (b)). Das Gesetz lässt es insoweit genügen, dass im Ergebnis auf der Erwerberebene die weiteren Verschonungsvoraussetzungen (insbesondere Lohnsummenregelung, Haltefrist und Verwaltungsvermögenstest) eingehalten werden und dadurch das Ziel der Verschonung erreicht wird - unabhängig davon, inwieweit der Erwerber darauf Einfluss nehmen konnte oder nicht. Dies ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Entscheidend ist, dass die Einhaltung der Verschonungsbedingungen sichergestellt ist. Das ist der Fall; nur bei Einhaltung von Lohnsumme und Haltefrist sowie zuvor bestandenem Verwaltungsvermögenstest werden Verschonungsabschlag (§ 13a Abs. 1 ErbStG) und Abzugsbetrag (§ 13a Abs. 2 ErbStG) gewährt, ohne dass es darauf ankommt, ob der Erblasser oder Schenker oder der Erwerber entscheidenden Einfluss darauf genommen haben.

195

Vor diesem Hintergrund bestehen im Ergebnis keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, für die Beschränkung der Anteilsmindestquote von 25 % an die Situation auf Seiten der Erblasser und Schenker anzuknüpfen. Allerdings wird damit auch die Übertragung von nur einem Bruchteil dieser Mindestquote von Anteilen auf den Nachfolger steuerlich begünstigt, selbst wenn er weit unter 25 % des Nennwerts liegt. Die Steuerverschonung greift also auch dann, wenn auf der Erwerberseite kein personaler Einfluss auf das Unternehmen mehr gewährleistet ist und für den Begünstigten der erworbene Anteil nurmehr die Bedeutung einer Kapitalanlage hat. Der Gesetzgeber verzichtet so darauf, das Ziel der personalen Fortführung des Unternehmens auch zukunftsgerichtet unmittelbar für den Erwerber abzusichern. Dies ist jedoch von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber ist insoweit nicht zu einer Regelung verpflichtet, die alle Möglichkeiten zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele optimal ausnutzt, sondern hat einen weiten Gestaltungsspielraum. Dabei darf er sich auch von dem Gesichtspunkt leiten lassen, an einer übergreifenden Systematik, die insgesamt gute Gründe hat und funktional ausgerichtet ist, dort festzuhalten, wo auf andere Weise weitergehende Lösungen möglich sind. Im Übrigen wird das Ziel des Gesetzes durch die Regelung zumindest insoweit erreicht, als es die Übertragung von Gesellschaftsanteilen, die bereits auf der Erblasser- oder Schenkerseite der bloßen Kapitalanlage dienten, von der Verschonung ausschließt. Auch setzt die Regelung - worauf die Vertreter der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung maßgeblich abgestellt haben - über die 25 %-Mindestquote in § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG einen Anreiz, auf der Nachfolgerebene erneut eine Zusammenführung einzelner Anteilspakete bis zum Umfang der Mindestquote anzustreben oder insoweit jedenfalls die Voraussetzungen der Poolingregelung (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG) zu erreichen. Der Gesetzgeber wird, falls sich diese Erwartung nicht erfüllt, zu erwägen haben, inwieweit daraus Konsequenzen für die Begünstigungsfähigkeit von Anteilen an Kapitalgesellschaften zu ziehen sind, insbesondere im Hinblick auf die Forderung nach einer Mindestquote auch auf Erwerberseite.

196

bb) Die Begünstigung des Betriebsvermögens in § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar, auch soweit der Erwerb von Anteilen an Personengesellschaften ohne Mindestbeteiligungsquote privilegiert wird.

197

Dadurch, dass § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG die Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften in jeder Größe und unabhängig vom Umfang des Anteilsbesitzes des Erblassers oder Schenkers begünstigt, werden die Anteilseigner von Personengesellschaften besser gestellt als jene von Kapitalgesellschaften, bei denen Anteilsübertragungen an einen Nachfolger erst in den Genuss des Verschonungsabschlags kommen können, wenn der Schenker oder Erblasser über mehr als 25 % der Anteile der Gesellschaft verfügt (s. vorstehend unter aa). Diese Privilegierung der Anteile an Personengesellschaften ist gerechtfertigt.

198

Durch den Verzicht auf eine entsprechende Mindestquote als Voraussetzung für die Förderungswürdigkeit der unentgeltlichen Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass er bei diesen jegliche Gesellschaftsbeteiligung, unabhängig vom Umfang der jeweils gehaltenen Gesellschaftsanteile, als förderungswürdiges unternehmerisches Vermögen und nicht als bloße Geldanlage ansieht. Mit dieser Annahme bewegt sich der Gesetzgeber im Rahmen des ihm bei der Regelung solch komplexer Sachverhalte zustehenden Einschätzungs- und Typisierungsspielraums. Sie findet ihre Grundlage in der unterschiedlichen zivilrechtlichen Behandlung des Vermögens der Personengesellschaft einerseits und der Kapitalgesellschaft andererseits: Bei Personengesellschaften wird das Gesellschaftsvermögen den Gesellschaftern zugerechnet (vgl. § 718 BGB i.V.m. § 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 HGB), hingegen ist das Vermögen der Kapitalgesellschaften gegenüber dem Vermögen ihrer Gesellschafter selbständig. Es liegt angesichts dieser stärker personalisierten Struktur der Personengesellschaft im Rahmen der gesetzgeberischen Typisierungsbefugnis, für Zwecke der Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung der Unternehmensnachfolge auf die in der Rechtsform der Personengesellschaft regelmäßig höhere unternehmerische Einflussnahme und Haftung abzustellen (vgl. Jachmann, in: Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 154 f.). Der Gesetzgeber durfte typisierend davon ausgehen, dass die Einbindung eines Inhabers von Anteilen an einer Personengesellschaft in das Unternehmen, zumindest seine Nähe zu den jeweils anstehenden unternehmerischen Entscheidungen, dem Regelfall entspricht.

199

cc) Die generelle Begünstigung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens in § 13b Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist im Hinblick auf die Besonderheiten von Land- und Fortwirtschaft verfassungsgemäß.

200

Der Gesetzgeber durfte mit Rücksicht darauf, dass land- und forstwirtschaftliche Betriebe, wie der Deutsche Bauernverband in seiner in diesem Verfahren abgegebenen Stellungnahme substantiiert und plausibel dargelegt hat, nach wie vor in besonders hohem Maße als Familienbetriebe ohne größere Kapitaldecke geführt werden, ohne weiteres von einer unternehmerischen Einbindung jeglicher Beteiligung an einem solchen Betrieb ausgehen. Hinzu kommen die bekannten strukturellen Besonderheiten, welche die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe aufweisen (vgl. BVerfGE 91, 346 <364>) und die eine Beteiligung daran allein zum Zwecke der Geldanlage eher fernliegend erscheinen lassen. Der Gesetzgeber durfte daher land- und forstwirtschaftliches Vermögen dem betrieblichen Vermögen im Hinblick auf die generelle Förderungswürdigkeit gleichstellen und dadurch insoweit besser behandeln als nicht betriebliches Vermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften unterhalb der Mindestbeteiligungsgrenze. Die erbschaft- und schenkungsteuerliche Verschonung des Übergangs von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben wird im Übrigen neben dem generellen Förderziel, sie vor Gefährdungen durch Liquiditätsentzug zu bewahren und dadurch Arbeitsplätze zu sichern, zusätzlich durch den ökologischen Beitrag dieser Betriebe (vgl. auch BTDrucks 16/7918, S. 23) - jedenfalls derer, die die in § 5 Abs. 2 BNatSchG vorgeschriebenen "Grundsätze der guten fachlichen Praxis" beachten - legitimiert.

201

b) Die in verschiedenen Absätzen des § 13a ErbStG ausgestaltete Lohnsummenregelung ist im Grundsatz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (aa), nicht jedoch die Freistellung bei Betrieben mit nicht mehr als 20 Beschäftigten (bb).

202

aa) Die Lohnsummenregelung des § 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist verfassungsgemäß.

203

(1) Die Lohnsummenregelung begründet eine Ungleichbehandlung. Die Prüfung, ob sie gerechtfertigt ist, beschränkt sich nicht auf eine bloße Willkürkontrolle.

204

Die Einhaltung der Mindestlohnsumme ist eine Bedingung für die Erlangung des Verschonungsabschlags. Nach § 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist Voraussetzung für die Verschonung, dass die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen des Betriebs innerhalb von fünf Jahren (bei Vollverschonung gemäß § 13a Abs. 8 Nr. 1 ErbStG innerhalb von sieben Jahren) nach dem Erwerb insgesamt 400 % (bei Vollverschonung gemäß § 13a Abs. 8 Nr. 1 ErbStG 700 %) der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet. Erreicht die Lohnsumme nicht dieses Ziel, vermindert sich der Verschonungsabschlag entsprechend dem Maß der Unterschreitung (§ 13a Abs. 1 Satz 5 ErbStG). Die Einhaltung der Lohnsumme unterscheidet danach bei begünstigtem Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 1 ErbStG, wer die Verschonung erhält und wer nicht oder nur zum Teil. Damit führt die Lohnsummenregelung zu einer Binnendifferenzierung zwischen den Erwerbern begünstigten Vermögens. Zugleich gestaltet sie die Rahmenbedingungen der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Erwerbern nicht betrieblichen und begünstigten Vermögens im Sinne des § 13b Abs. 1 ErbStG.

205

Der Maßstab für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Ungleichbehandlung ist strenger als der einer bloßen Willkürprüfung und entspricht dem oben für die Unterscheidung zwischen betrieblichem und nicht betrieblichem Vermögen herangezogenen. Die Lohnsummenklausel beeinflusst gezielt die freie unternehmerische Entscheidung über die Personalstruktur des Betriebs. Vor allem aber kann die Nichteinhaltung der Mindestlohnsumme bis hin zum völligen Wegfall des Verschonungsabschlags führen und so im Hinblick auf die fehlende Obergrenze für den Verschonungsabschlag zu erheblichen Ungleichheiten gegenüber jenen führen, die die Lohnsumme einhalten.

206

(2) Die durch die Lohnsummenregelung begründete Ungleichbehandlung verfolgt ein legitimes Ziel. Das Mittel der Mindestlohnsumme dient dem Zweck, die Erwerber betrieblichen Vermögens zur Erhaltung der Arbeitsplätze zu veranlassen, und kennzeichnet jene Betriebe, die mit der Einhaltung der Lohnsumme den Nachweis des Arbeitsplatzerhalts erbracht haben. Mit dieser Funktion verfolgt die Mindestlohnsumme einen legitimen Zweck und ist wesentlich für das übergeordnete zentrale Ziel der Verschonungsregelung, den unentgeltlichen Übergang von in personaler Verantwortung geführten Betrieben vor Liquiditätsproblemen zu bewahren, um deren Bestand und damit auch die Arbeitsplätze zu erhalten. Dass ein Instrument wie die Mindestlohnsumme von Verfassungs wegen dem Grunde nach geboten ist, um die Angemessenheit der Verschonung im Grundsatz sicherzustellen, wurde bereits festgestellt (s. oben 2. f cc (4)), beantwortet aber noch nicht die Frage, ob dieses Instrument in seiner konkreten Ausgestaltung gleichheitsgerecht ist. Dies bedarf einer gesonderten Prüfung.

207

(3) Die Bindung der Verschonung an die Einhaltung der Lohnsumme ist grundsätzlich geeignet, diesen Zweck zu erreichen, denn sie fördert angesichts des erheblichen Verschonungspotenzials zumindest für einen mittelfristigen Zeitraum die Erhaltung der Arbeitsplätze in einem Betrieb, der ganz oder in Teilen auf den Nachfolger übertragen wurde. Ein milderes Mittel, um den mit der Verschonungsregelung angestrebten Arbeitsplatzerhalt gleich wirksam zu sichern und nachzuweisen, ist nicht ersichtlich. Die Haltefrist (§ 13a Abs. 5 ErbStG) allein kann diese Aufgabe nicht erfüllen.

208

(4) Die Lohnsummenregelung genügt auch mit Blick auf die durch sie bewirkte Ungleichbehandlung den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.

209

Die Lohnsummenregelung ist - abgesehen von der zu großzügigen Freistellungsklausel (dazu sogleich unter bb) - angemessen. Sie trägt dazu bei, dass Erwerber betrieblichen Vermögens gegenüber Erwerbern nicht betrieblichen Vermögens nicht überprivilegiert werden, wenn sie bei Einhaltung ihrer Vorgaben in den Genuss des Verschonungsabschlags gelangen. Die Lohnsummenregelung genügt im Grundsatz der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit, den unentgeltlichen Erwerb von Betrieben nicht ohne hinreichend gewichtigen Rechtfertigungsgrund und nicht ohne anspruchsvolle Nachweise zur Einhaltung dieser Rechtfertigung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu befreien (s. oben 2. f cc (4)).

210

Dementsprechend werden diejenigen, welche die Mindestlohnsumme nicht einhalten, nicht unangemessen benachteiligt gegenüber jenen, denen dies gelingt, wenn sie infolgedessen trotz des Erwerbs begünstigten Vermögens keinen oder nur einen anteiligen Verschonungsabschlag erhalten. Die Lohnsummenregelung eröffnet den Erwerbern begünstigten Vermögens weder zu leicht und unkontrolliert den Weg zu einer umfänglichen Steuerverschonung, noch verlangt sie die Einhaltung untauglicher Vorgaben für das angestrebte Ziel des Arbeitsplatzerhalts, und führt so auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Benachteiligung der Erwerber begünstigten Vermögens, die mangels Einhaltung der Mindestlohnsumme die Verschonung ganz oder teilweise verlieren.

211

(a) Die Entscheidung des Gesetzgebers für die Lohnsummenlösung anstelle einer strikten Bindung an den Erhalt der konkret vorhandenen Arbeitsplätze in dem übertragenen Betrieb liegt innerhalb seines insoweit weiten Gestaltungsspielraums. Zwar verlangt das enorme, bis zu einer völligen Freistellung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer reichende Verschonungspotenzial des § 13a ErbStG die Bindung des Begünstigten an hinreichend strenge Prüfkriterien, welche die Erreichung der Verschonungsziele sicherstellen und dokumentieren (s. oben 2. f cc (4)). Der Spielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung dieser Bedingungen ist jedoch groß. Es ist von Verfassungs wegen daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber in der die Unternehmensführung flexibler als eine starre Arbeitsplatzklausel anleitenden Lohnsumme einen hinreichend zuverlässigen Indikator für den Arbeitsplatzerhalt gesehen hat (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 33, 16/11107, S. 9). Dass § 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG bei der Lohnsumme auf eine über den gesamten Lohnsummenzeitraum kumulierte und nicht auf eine jährliche Betrachtung abstellt, unterstreicht die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers für eine die unternehmerische Dispositionsbefugnis schonende Regelung, die ihr gleichwohl die Eignung belässt, den Erhalt der Arbeitsplätze in der Summe zu sichern. Diese flexible Ausgestaltung lässt dem Unternehmer Spielraum, um auf betriebliche Bedürfnisse auch in Krisensituationen angemessen reagieren zu können. Sie begegnet so den Einwänden, die der Lohnsumme die Eignung zum Arbeitsplatzerhalt absprechen, weil dieses Instrument betriebsnotwendige Modernisierungs- und Rationalisierungsprozesse verhindere und so kontraproduktiv wirke. Hinzu kommt, dass die Einhaltung der Lohnsumme lediglich Bedingung für die Verschonungsgewährung ist, dem Betriebsinhaber aber nicht die Freiheit der Entscheidung nimmt, ganz oder teilweise (vgl. § 13a Abs. 1 Satz 5 ErbStG) darauf zu verzichten und einer etwaigen Betriebsgefährdung durch die Erbschaft- oder Schenkungsteuer dann gegebenenfalls mit einem Stundungsantrag nach § 28 ErbStG zu begegnen.

212

(b) Weitere Einwände gegen die Berechnungs- und Nachweismodalitäten der Lohnsummenregelung vermögen ihre Verfassungsmäßigkeit ebenfalls nicht in Frage zu stellen, da sie den Gestaltungs- und Typisierungsspielraum verkennen, der dem Gesetzgeber hier zusteht. Die Berechnung der Ausgangslohnsumme aus dem Durchschnitt der letzten fünf vor dem Zeitpunkt der Steuerentstehung endenden Wirtschaftsjahre (vgl. § 13a Abs. 1 Satz 3 ErbStG) soll konjunkturelle Schwankungen ausgleichen (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 33) und Manipulationen vermeiden (vgl. Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rn. 22 ; Meincke, ErbStG, 16. Aufl. 2012, § 13a Rn. 22) und ist damit sachlich gerechtfertigt.

213

bb) Die Freistellung aller Betriebe mit nicht mehr als 20 Beschäftigten vom Verschonungserfordernis der Lohnsummeneinhaltung verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

214

(1) Die Unterscheidung zwischen Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten und anderen Betrieben bewirkt Ungleichbehandlungen in zweifacher Hinsicht.

215

Nach § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG ist die Einhaltung der Mindestlohnsumme zur Erlangung des Verschonungsabschlags dann nicht geboten, wenn der Betrieb nicht mehr als 20 Beschäftigte hat. Diese Freistellung von der Lohnsummenpflicht privilegiert Erwerber von Betrieben mit wenig Beschäftigten zum einen gegenüber den Erwerbern von Betrieben oder Anteilen davon, die über 20 Arbeitnehmer beschäftigen und deshalb uneingeschränkt an die Lohnsumme gebunden sind, wenn sie den Verschonungsabschlag erhalten wollen. Zum anderen verschärft die Freistellung das Maß der Ungleichbehandlung der dadurch Privilegierten gegenüber den Erwerbern nicht betrieblichen Vermögens, da die durch § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG Begünstigten ohne die einschränkende Verpflichtung zur Einhaltung einer Mindestlohnsumme die Verschonung in Anspruch nehmen können, sofern sie die übrigen Bedingungen erfüllen.

216

(2) Die Privilegierung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten verfolgt insbesondere das Ziel der Verwaltungsvereinfachung; sie ist hierfür geeignet und erforderlich.

217

Die Freistellung von der Lohnsummenpflicht soll in erster Linie der Verwaltungsvereinfachung dienen. Nachdem in der Begründung des Regierungsentwurfs zum Erbschaftsteuerreformgesetz für die damals noch auf Betriebe mit nicht mehr als zehn Beschäftigten beschränkte Ausnahme von der Lohnsummenpflicht auf die Harmonisierung mit dem Kündigungsschutzrecht abgehoben worden war (vgl. dazu BTDrucks 16/7918, S. 33), wurde im weiteren Gesetzgebungsverfahren zum Erbschaftsteuerreformgesetz der Verzicht auf die Lohnsummenprüfung mit einer Vermeidung des Bürokratieaufwands für Bürger und Verwaltung begründet (vgl. Empfehlungen der Ausschüsse BRDrucks 4/1/08, S. 3 und S. 4; vgl. auch BRDrucks 4/08 [Beschluss], S. 1). Bei der dann rückwirkend zum 1. Januar 2009 eingeführten Änderung der Freistellungsklausel durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz wurde die Erhöhung auf nicht mehr als 20 Beschäftigte mit einem Hinweis auf die Folgen der weltweiten Wirtschaftskrise begründet, weshalb die Bedingungen der Verschonungsregelung "krisenfest und mittelstandsfreundlicher" ausgestaltet werden sollten, damit diese Betriebe "situationsgerecht auf die jeweilige Marktlage reagieren" könnten (vgl. BTDrucks 17/15, S. 20).

218

Sowohl die Verwaltungsvereinfachung für Behörden und Unternehmen als auch die Flexibilisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe sind legitime Ziele. Sie zu verfolgen, steht dem Gesetzgeber frei, ohne dass er mit verfassungsrechtlichen Wertungen oder Vorgaben in Konflikt geriete. Die Erweiterung der Ausnahme von der Lohnsummenpflicht auf Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten ist offensichtlich auch geeignet, dieses Ziel zu erreichen; ein gleich wirksames, zu geringeren Ungleichbehandlungen als beschrieben (s. oben (1)) führendes Mittel ist nicht ersichtlich.

219

(3) Die Regelung genügt jedoch nicht den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Erwerber von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten werden durch die Freistellung von der Einhaltung der Mindestlohnsumme gegenüber den Erwerbern nicht begünstigten Vermögens unverhältnismäßig privilegiert. Die Regelung benachteiligt zudem unverhältnismäßig die Erwerber begünstigten Vermögens mit mehr als 20 Beschäftigten in den übertragenen Betrieben, welche die Mindestlohnsumme einhalten müssen, um den Verschonungsabschlag zu erlangen.

220

(a) Der Bundesfinanzhof hat in seinem Vorlagebeschluss eine Überprivilegierung der Erwerber begünstigten Vermögens gegenüber den Erwerbern nicht betrieblichen Vermögens vor allem deshalb angenommen, weil weit über 90 % aller Betriebe in Deutschland nicht mehr als 20 Beschäftigte aufwiesen und damit die Lohnsummenregelung im Regelfall für die steuerliche Verschonung nach §§ 13a und 13b ErbStG keine Rolle spiele. Dem wird, auch in verschiedenen in diesem Verfahren abgegebenen Stellungnahmen, entgegengehalten, dass über 80 % der Beschäftigten im Jahr 2008 in Betrieben tätig gewesen seien, für welche die Lohnsummenregelung Anwendung finde, und dass außerdem die größten Unternehmen, die weniger als 1 % aller Unternehmen ausmachten, rund 65 % der gesamten steuerbaren Unternehmensumsätze erwirtschafteten. Dieser Einwand geht an der Regelungskonzeption der §§ 13a und 13b ErbStG vorbei, indem er bei der Lohnsummenregelung statt der vom Gesetz vorgegebenen unternehmensbezogenen eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung einnimmt. Die Verschonungsregelung soll für den Erwerber eines konkreten Unternehmens einen Anreiz setzen, die Arbeitsplätze in diesem Unternehmen zu erhalten. Dementsprechend kommt es auf die Verhältnisse in den konkreten Unternehmen und die Zahl der durch die Lohnsummenregelung erfassten Unternehmen, nicht hingegen auf den Anteil der dort Beschäftigten an der Gesamtzahl aller Beschäftigten an.

221

(b) Mit der Freistellung von der Einhaltung der Lohnsumme in § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG verzichtet der Gesetzgeber auf ein wesentliches Instrument zur Sicherstellung des für die Legitimierung der Verschonungsregelung elementaren Förderzwecks, nämlich den Erhalt der Arbeitsplätze. Die Erreichung dieses Ziels mit hinreichend wirkungsvollen Mitteln zu gewährleisten, ist der Gesetzgeber angesichts des Umfangs möglicher Verschonung von Verfassungs wegen verpflichtet (s. oben 2. f cc (4)).

222

In den Fällen, in denen der Betriebsnachfolger die Lohnsummen nach § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG nicht einhalten muss, um in den Genuss der Erbschaftsteuerverschonung zu gelangen, ist das Erreichen eines der zentralen Ziele der Verschonungsregelung jedenfalls nicht normativ abgesichert. Zwar müssen die Betriebsnachfolger auch ohne Lohnsummenbindung die Behaltensfrist nach § 13a Abs. 5 oder Abs. 8 Nr. 2 ErbStG einhalten, um den Verschonungsabschlag zu erhalten. Dies mag in vielen Fällen auch den Erhalt der Arbeitsplätze in den fortgeführten Betrieben sichern. Der Arbeitsplatzabbau ist in diesen Fällen aber jedenfalls nicht durch den Wegfall der Verschonung rechtlich sanktioniert.

223

Der Verzicht auf die Arbeitsplatzsicherung durch die Lohnsummenklausel in einer so großen Zahl von Fällen, wie sie durch die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten erreicht wird, schwächt die rechtliche Absicherung zur Erreichung des Ziels der Arbeitsplatzerhaltung in ganz erheblichem Umfang. Hinreichend tragfähige Gründe, die es rechtfertigen könnten, von der Lohnsummenregel in einem solchen Ausmaß abzusehen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere vermögen die mit der Freistellungsklausel verfolgten Ziele der Verwaltungsvereinfachung und Flexibilisierung diese Rechtfertigungsleistung ebenso wenig zu erbringen wie die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers.

224

(aa) Das gesetzgeberische Ziel, Unternehmen und Finanzverwaltung von dem Verwaltungsaufwand zu entlasten, der mit dem Nachweis der Einhaltung der Mindestlohnsumme, zumal über den beträchtlichen Zeitraum von fünf oder sieben Jahren, und ihrer Kontrolle nicht unerheblich ist, vermag zwar Ungleichbehandlungen in gewissem Umfang zu rechtfertigen. Die Freistellung von über 90 % aller Betriebe von der Verpflichtung zur Einhaltung der Mindestlohnsumme entzieht der Verschonungsregelung jedoch ihrerseits ein zentrales Rechtfertigungselement mit weitreichenden Folgen. Betriebe können danach fast flächendeckend den Verschonungsabschlag ohne Rücksicht auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen beanspruchen. Auf der anderen Seite ist der mit dem Nachweis und der Kontrolle der Mindestlohnsumme verbundene Verwaltungsaufwand nicht so hoch, wie teilweise geltend gemacht. Betriebe mit Arbeitnehmern müssen - wie auch der Bundesfinanzhof in dem Vorlagebeschluss hervorhebt - bereits unabhängig von Verpflichtungen oder Obliegenheiten aus dem Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht unter anderem aus arbeits-, ertragsteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Gründen eine Lohnbuchhaltung führen. Ein Nachweis der Entwicklung der Lohnsummen dürfte danach auch kleineren Unternehmen ohne größeren zusätzlichen Aufwand möglich und damit zumutbar sein. Die Finanzämter müssen die Entwicklung der Betriebe bereits im Hinblick auf die Behaltensregelungen in § 13a Abs. 5 ErbStG überwachen. Eine zusätzliche Überwachung der Entwicklung der Lohnsummen dürfte keine verfassungsrechtlich erhebliche Steigerung des Bürokratieaufwands bei den Finanzämtern mit sich bringen. Gemessen an der großen Zahl der betroffenen Betriebe und der erheblichen Bedeutung des Verzichts auf das Einhalten der Mindestlohnsumme im Rahmen des Verschonungsabschlags überschreitet der Gesetzgeber mit der Freistellungsklausel in § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG seinen Gestaltungsspielraum.

225

(bb) Die großzügige Freistellung von der Lohnsummenpflicht kann auch nicht mit dem in den Gesetzesmaterialien ursprünglich dafür ins Feld geführten Bestreben gerechtfertigt werden, eine Harmonisierung mit den Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes herbeizuführen, das für Betriebe mit bis zu zehn Arbeitnehmern nach dessen § 23 Abs. 1 Satz 3 in wesentlichen Teilen nicht gilt. Es entbehrt zwar nicht einer gewissen Plausibilität, dass die mit der Freistellung kleiner Betriebe von Beschränkungen durch das Kündigungsschutzgesetz beabsichtigte Entlastung nicht durch den von der Lohnsummenregelung ausgehenden mittelbaren Zwang, Arbeitnehmer im Betrieb zu halten, konterkariert werden soll. Da es aber gerade eines der erklärten und zentralen Ziele der Verschonungsregelung ist, über die Lohnsummenbindung den Beschäftigtenstand eines Betriebs in der Summe zu halten, muss dieses Ziel nicht allein deswegen zurücktreten, um einen Gleichklang mit der Freistellung von den Bindungen des Kündigungsschutzgesetzes zu erhalten, zumal die Lohnsummenregelung ohnehin Kündigungen nicht ausschließt. Mit der Erweiterung der Befreiung des § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG auf Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten wurde die Anknüpfung an das Kündigungsschutzgesetz schließlich völlig aufgegeben. Es bleibt ausweislich der Begründung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags (s. oben (2)) allein das Ziel, die Flexibilität dieser Betriebe zu erhalten. Eine Privilegierung des beschriebenen Ausmaßes kann damit nicht gerechtfertigt werden.

226

(cc) Auch die Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnisse des Gesetzgebers rechtfertigen die großzügige Befreiung von der Lohnsummenpflicht nicht.

227

Das Bundesverfassungsgericht erkennt zwar in ständiger Rechtsprechung als besondere sachliche Gründe für Ungleichbehandlungen im Rahmen steuergesetzlicher Be- und Entlastungsentscheidungen Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse an (vgl. nur BVerfGE 127, 224 <246> m.w.N.). Die Grenze einer zulässigen Typisierung ist aber dann überschritten, wenn die typisierende Vereinfachungsregelung dazu führt, dass die vom Gesetzgeber getroffene Entlastungsentscheidung in ihrem Regel-Ausnahme-Verhältnis in ihr Gegenteil verkehrt wird.

228

Das ist hier der Fall. Die Anwendung des § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG hat zur Konsequenz, dass die Lohnsummenregelung nur noch bei einem sehr geringen Teil der erbschaft- und schenkungsteuerbaren Unternehmensübergänge anwendbar ist. Es ist also nur noch ausnahmsweise bei einem Betriebsübergang die steuerliche Verschonung vom Arbeitsplatzerhalt abhängig. Der Arbeitsplatzerhalt sollte aber die wesentliche Bedingung für die Steuerbefreiung darstellen (s. oben 2. f cc (4)).

229

(c) Eine Freistellung von der Einhaltung der Mindestlohnsumme kann allerdings gerechtfertigt sein, soweit sie auf eine relativ kleine Gruppe von Betriebsübergängen begrenzt und diese Gruppe zudem so umschrieben wird, dass das Bedürfnis für eine solche Freistellung ein besonderes Gewicht besitzt. Das mag insbesondere dann der Fall sein, wenn die betroffenen Betriebe über eine so geringe Zahl an Beschäftigten verfügen, dass schon einzelne unkalkulierbare Wechsel in der Belegschaft - die sich über einen so langen Zeitraum, wie ihn die Lohnsummenfrist vorsieht, kaum völlig vermeiden lassen - die Einhaltung der Mindestlohnsumme ausschließen oder weitgehend unmöglich machen. Sofern der Gesetzgeber bei der Behebung der auch in anderem Zusammenhang festgestellten Gleichheitsverstöße im Grundsatz an dem gegenwärtigen Verschonungskonzept für die Besteuerung der Unternehmensnachfolge festhält, wird er die Freistellung von der Lohnsummenpflicht auf Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten begrenzen müssen.

230

c) Die Bestimmung über die Behaltensfrist in § 13a Abs. 5 ErbStG (im Falle der Vollverschonung § 13a Abs. 8 Nr. 2 ErbStG) ist im Grundsatz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Der Senat teilt insoweit nicht die Auffassung des Bundesfinanzhofs, der die Behaltensfrist von fünf Jahren und im Falle der Vollverschonung von sieben Jahren angesichts des potentiellen Verschonungsumfangs für unangemessen kurz und den nur anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags bei vorzeitiger Betriebsveräußerung für zu großzügig hält. Der Gesetzgeber bewegt sich mit den beschriebenen Behaltensfristen im Rahmen seines Gestaltungsspielraums, zumal die Behaltensfrist in der Regel durch Lohnsummenregelung und Verwaltungsvermögenstest angemessen anspruchsvoll ergänzt wird. Unzulänglichkeiten in der Ausgestaltung dieser Instrumente führen jeweils dort zu Unvereinbarkeiten mit Art. 3 Abs. 1 GG (s. oben b bb und nachfolgend d), lassen aber die Verfassungsmäßigkeit der Behaltensfrist selbst unberührt. Einzelheiten zur Bestimmung schädlicher Verfügungen über das übergegangene unternehmerische Vermögen im Sinne des § 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 5 ErbStG wurden vom Bundesfinanzhof nicht für verfassungswidrig gehalten; der Senat sieht keinen Anlass, sie gleichwohl einer gesonderten verfassungsgerichtlichen Kontrolle zu unterziehen.

231

d) Die Regelung über das Verwaltungsvermögen in § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG ist nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, weil sie bei Vorliegen der übrigen Förderbedingungen die Erwerber von begünstigtem Vermögen selbst dann insgesamt in den Genuss des Verschonungsabschlags gelangen lässt, wenn es bis zu 50 % aus vom Gesetz als grundsätzlich nicht förderungswürdig angesehenem Verwaltungsvermögen besteht, ohne dass hierfür ein hinreichend tragfähiger Rechtfertigungsgrund erkennbar ist.

232

aa) Die Bestimmung über das Verwaltungsvermögen führt zu Ungleichbehandlungen in verschiedener Hinsicht.

233

(1) Die Inanspruchnahme des Verschonungsabschlags für begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 1 ErbStG setzt neben der Einhaltung von Mindestlohnsumme und Behaltensfrist voraus, dass das erworbene Vermögen zu nicht mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht (§ 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG).

234

Nach der gesetzlichen Grundentscheidung - also abgesehen von den mehrfach vorhandenen tatbestandlichen Erweiterungen, Ausnahmen und Gegenausnahmen - gehören zum Verwaltungsvermögen Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Kapitalgesellschaftsanteile unterhalb der Mindestbeteiligungsgrenze, Beteiligungen an gewerblichen oder freiberuflichen Personengesellschaften sowie Kapitalgesellschaftsanteile oberhalb der Mindestbeteiligungsgrenze, wenn bei diesen Gesellschaften das Verwaltungsvermögen mehr als 50 % beträgt, Wertpapiere und vergleichbare Forderungen sowie schließlich Kunstgegenstände und andere primär nicht betrieblich genutzte Objekte (vgl. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 5 ErbStG; s. auch oben A. I. 1. d bb). Finanzmittel wie Geld oder Geschäftsguthaben zählten in dem für das Ausgangsverfahren des Vorlagebeschlusses maßgeblichen Jahr 2009 nach der Auslegung des Bundesfinanzhofs nicht zum Verwaltungsvermögen (zur Neuregelung im Jahr 2013 s. unten e dd).

235

Besteht an sich begünstigtes Vermögen zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen (bei der optionalen Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 Nr. 3 ErbStG zu mehr als 10 %), dann ist gemäß § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG der Erwerb insgesamt nicht begünstigt und zwar auch nicht insoweit, als das Vermögen nicht aus Verwaltungsvermögen besteht. Es kommt dann keine der Begünstigungen zur Anwendung; weder der Verschonungsabschlag nach § 13a Abs. 1 ErbStG, noch der Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG und auch nicht die Tarifermäßigung nach § 19a ErbStG können beansprucht werden. Liegt der Anteil des Verwaltungsvermögens am begünstigungsfähigen Vermögen dagegen bei höchstens 50 %, ist der gesamte Erwerb, einschließlich des Verwaltungsvermögens, begünstigt. In diesem Fall ist allerdings noch in einem weiteren Schritt gemäß § 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG zu prüfen, ob im Verwaltungsvermögen auch "junges Verwaltungsvermögen" enthalten ist, das dem Betrieb zum Besteuerungszeitpunkt weniger als zwei Jahre zugehört (§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG). Es ist für sich genommen nicht begünstigungsfähig, beeinträchtigt aber nicht die Verschonungsvoraussetzungen für das übrige begünstigungsfähige Vermögen. Überschreitet also das Verwaltungsvermögen einschließlich des jungen Verwaltungsvermögens insgesamt nicht den Anteil von 50 % am gemeinen Wert des Betriebs, liegt nur hinsichtlich des jungen Verwaltungsvermögens nicht begünstigtes Vermögen vor.

236

(2) Diese Regelung über das Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 2 ErbStG führt zum einen zu einer Ungleichbehandlung zwischen Erwerbern von begünstigtem Vermögen, das bis zu 50 % aus eigentlich nicht begünstigungswürdigem Verwaltungsvermögen besteht und gleichwohl mit einem vollen Verschonungsabschlag bedacht wird, und den Erwerbern begünstigten Vermögens, das zu über 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht und überhaupt nicht begünstigt wird. Zum anderen verschärft die Regelung über das Verwaltungsvermögen die hinter der Verschonung stehende Grundunterscheidung zwischen begünstigtem betrieblichen und nicht begünstigtem nichtbetrieblichen Vermögen dadurch, dass beim Übergang grundsätzlich begünstigten (Betriebs-)Vermögens in erheblichem Umfang nach dieser Grundentscheidung eigentlich nicht begünstigungsfähiges Vermögen wie betriebliches gefördert wird.

237

bb) Die Kontrolle dieser gesetzgeberischen Differenzierung anhand des Art. 3 Abs. 1 GG folgt einem im Grundsatz großzügigen Maßstab, ohne jedoch bei einer bloßen Willkürkontrolle stehen zu bleiben. Die Bestimmung betrifft Einzelheiten der erbschaftsteuerlichen Behandlung des unentgeltlichen Unternehmensübergangs, bei der dem Gesetzgeber ein großer Ausgestaltungsspielraum zukommt. Andererseits kann die durch die 50 %-Regel des § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG bewirkte Ungleichbehandlung ein jeweils sehr erhebliches Ausmaß erreichen, weil der bei Einhaltung der Grenze geförderte Anteil von Verwaltungsvermögen am begünstigten Vermögen einerseits und der bei Überschreiten dieser Grenze nicht geförderte Anteil an eigentlich begünstigungsfähigem Vermögen andererseits mit jeweils bis zu 50 % in seiner Relation zum Gesamtbetriebsvermögen sehr groß und in der absoluten Höhe nicht begrenzt ist. Die Ungleichbehandlung ist danach potentiell gravierend, was einen großzügigeren Kontrollmaßstab ausschließt.

238

cc) Die sich aus der Verwaltungsvermögensregelung ergebenden Ungleichbehandlungen dienen legitimen Zielen. Mit der Bestimmung über das Verwaltungsvermögen will der Gesetzgeber überwiegend vermögensverwaltende Betriebe von der Verschonung ausnehmen, weil "Vermögen, das in erster Linie der weitgehend risikolosen Renditeerzielung dient und in der Regel weder die Schaffung von Arbeitsplätzen noch zusätzliche volkswirtschaftliche Leistungen bewirkt," nicht begünstigt werden soll (Begründung des Regierungsentwurfs zum Erbschaftsteuerreformgesetz BTDrucks 16/7918, S. 35 f.). Durch die nähere Umschreibung des danach als nicht förderungswürdig angesehenen Verwaltungsvermögens in § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG sollen zudem steuerliche Gestaltungen nach Möglichkeit ausgeschlossen werden, mit denen Steuerpflichtige Gegenstände, die üblicherweise in Form der privaten Vermögensverwaltung gehalten werden, wie etwa vermietete und verpachtete Grundstücke und Gebäude, Minderbeteiligungen an Kapitalgesellschaften oder Wertpapiere, ihrem Gewerbebetrieb als begünstigtes Betriebsvermögen zuordnen (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 35).

239

Die mit den Bestimmungen über das Verwaltungsvermögen verfolgten Ziele, grundsätzlich nur produktives Vermögen in dem dort umschriebenen Sinn zu fördern und Umgehungsstrategien zu unterbinden, sind legitim. Sie stehen im Einklang mit den Hauptzielen der Verschonungsregelung, den Bestand von in personaler Verantwortung geführten Betrieben in Deutschland zu erhalten und Arbeitsplätze trotz eines erbfallbedingten Wechsels des Betriebsinhabers zu sichern, und helfen zugleich, die Steuerentlastung hierauf zu konzentrieren, indem sie die Förderung nicht förderungswürdigen Vermögens zu vermindern suchen. Damit dient die Regelung über das Verwaltungsvermögen auch der Rechtfertigung der Grundunterscheidung zwischen begünstigtem und nicht begünstigtem Vermögen.

240

dd) Die Verwaltungsvermögensregelung ist zur Erreichung der vom Gesetzgeber verfolgten Ziele geeignet und erforderlich. Die Bestimmungen über das Verwaltungsvermögen sind im Grundsatz - ohne dass es insoweit auf Einzelheiten der Zuordnung bestimmter Vermögensbestandteile zum Verwaltungsvermögen im Sinne von § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG ankommt - geeignet, die damit verfolgten Ziele zu fördern. Mit der genauen normativen Umschreibung des Verwaltungsvermögens legt der Gesetzgeber fest, welche Vermögensbestandteile eines Betriebs er trotz Betriebszugehörigkeit für nicht förderungswürdig - weil nicht produktiv - und damit im Sinne eines der zentralen Ziele der Verschonungsregelung für nicht arbeitsplatzerhaltend hält. Hierbei steht ihm ein weiter Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu. Indem der Gesetzgeber betriebliches Vermögen ab einem gewissen Anteil von Verwaltungsvermögen nicht mehr als förderungswürdig ansieht, auch wenn es Teil von begünstigtem Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 1 ErbStG ist, wirkt er steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten und der vom Bundesfinanzhof in seinem Vorlagebeschluss kritisierten Privilegierung von Betriebsinhabern gegenüber Personen, die keine Betriebe besitzen, entgegen, die darin liegt, dass nur sie dazu in der Lage sind, der privaten Lebensführung dienende Vermögensgegenstände in Betriebsvermögen zu überführen (vgl. auch BTDrucks 16/7918, S. 35).

241

ee) Der Verwaltungsvermögensregelung fehlt es jedoch an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.

242

(1) Die mit dem Ausschluss des Verwaltungsvermögens von der Erbschaftsteuerverschonung verbundene Ungleichbehandlung gegenüber der Privilegierung begünstigten Vermögens ist allerdings im Grundsatz angemessen. Die Beschränkung der Steuerverschonung auf vom Gesetzgeber als förderungswürdig, weil produktiv und arbeitsplatzerhaltend angesehenes Vermögen und dessen präzise Festlegung zur Vermeidung unerwünschter steuerlicher Gestaltungen ruht im Ausgangspunkt auf hinreichend tragfähigen Rechtfertigungsgründen. Es ist nicht unangemessen, sondern dient im Gegenteil einer gerechten Differenzierung, das vom Gesetzgeber im Rahmen seines insoweit großen Einschätzungsspielraums als - gemessen an den Zielen der Verschonungsregelung - nicht förderungswürdig erkannte Vermögen von der steuerlichen Begünstigung auszunehmen.

243

(2) Die durch die Regelung über das Verwaltungsvermögen geschaffene Ungleichbehandlung ist jedoch unverhältnismäßig, soweit sie begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 1 ErbStG mit einem Anteil von bis zu 50 % Verwaltungsvermögen insgesamt in den Genuss von Verschonungsabschlag, Abzugsbetrag (§ 13a Abs. 2 ErbStG) und Tarifbegrenzung (§ 19a ErbStG) gelangen lässt. Dadurch werden die Erwerber von begünstigtem Vermögen, das zu über 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht und damit insgesamt aus der steuerlichen Verschonung herausfällt, unangemessen schlechter gestellt. Ein hinreichend tragfähiger Rechtfertigungsgrund für eine derart großzügige Einbeziehung vom Gesetz selbst als eigentlich nicht förderungswürdig angesehener Vermögensbestandteile ist vom Gesetzgeber nicht aufgezeigt und auch nicht erkennbar. Entsprechend führt die umfängliche Einbeziehung von bis zu 50 % Verwaltungsvermögen in die steuerliche Förderung im Vergleich zu den Erwerbern von Vermögen, das nicht begünstigt und generell vom Verschonungsabschlag ausgenommenen ist - also von nichtbetrieblichem Vermögen im weiteren Sinne - zu einer unverhältnismäßigen Privilegierung der Erwerber begünstigten Vermögens mit einem so hohen Anteil an Verwaltungsvermögen.

244

(a) Ausgehend davon, dass der Gesetzgeber das in § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG umschriebene Verwaltungsvermögen für grundsätzlich nicht förderungswürdig hält, ist nicht erkennbar, inwieweit die überschießende Wirkung der 50 %-Regelung des § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG dem Ziel dienen kann, die Verschonung auf förderungswürdiges Vermögen zu begrenzen und nicht förderungswürdiges Vermögen davon auszuschließen. Die Verschonung von 50 % an sich nicht begünstigungsfähigem Verwaltungsvermögen, weil dessen Anteil am Gesamtbetriebsvermögen nicht mehr als die Hälfte beträgt, ist ebenso wenig plausibel wie die Nichtverschonung bis zur Hälfte an sich begünstigungsfähigen betrieblichen Vermögens, weil das Gesamtbetriebsvermögen zu über 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht. Allein der erklärte Wille des Gesetzgebers, dass "überwiegend vermögensverwaltende Betriebe … allgemein von den Verschonungen ausgenommen bleiben" sollten (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 35), vermag diese Diskrepanz sachlich nicht zu begründen. Das gesetzgeberische Ziel, Verwaltungsvermögen grundsätzlich von der Verschonung auszunehmen und steuerliche Gestaltungen zu unterbinden, wäre mit der Begrenzung des Förderungsausschlusses auf den jeweils festgestellten Anteil an Verwaltungsvermögen ohne solche Verwerfungen zu erreichen. Hinweise darauf, weshalb der Gesetzgeber billigend in Kauf nimmt, dass Verwaltungsvermögen, welches nach der Zielrichtung des Gesetzes gerade nicht begünstigt sein soll, dann doch in diesem Umfang privilegiert wird, finden sich in den Gesetzesmaterialien nicht.

245

Die Regelung in § 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG über das sogenannte junge Verwaltungsvermögen vermag zwar den Effekt der unangemessenen Überbegünstigung von Verwaltungsvermögen zu vermindern, schließt ihn aber, weil älteres Verwaltungsvermögen davon nicht erfasst wird, nicht aus. An der unverhältnismäßigen Schlechterstellung an sich förderungswürdigen Vermögens im Sinne des § 13b Abs. 1 ErbStG bei Überschreitung der 50 %-Schwelle durch Verwaltungsvermögen ändert die Klausel über junges Verwaltungsvermögen ohnehin nichts.

246

(b) Soweit die Regelung zum Verwaltungsvermögen das Ziel verfolgt, steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf die Verlagerung von Vermögensgegenständen von der privaten in die betriebliche Vermögenssphäre zu unterbinden, vermag die 50 %-Regel dieses Ziel nur ungenügend zu fördern. Jedenfalls soweit ein Verwaltungsvermögensanteil von bis zu 50 % am Gesamtbetriebsvermögen begünstigt wird, schränkt die Bestimmung steuerliche Gestaltungen nicht ein. Die ausdrückliche Berücksichtigung von Verwaltungsvermögen bei der Verschonung in diesem doch erheblichen Umfang dürfte im Gegenteil die Verlagerung von privatem in betriebliches Vermögen innerhalb dieses 50 %-Sektors eher begünstigen. Erst jenseits der 50 %-Grenze unterbindet das Gesetz steuerliche Gestaltungen effektiv.

247

Die Regelung über junges Verwaltungsvermögen in § 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG dämpft zwar den Anreiz solcher Vermögensverlagerungen, indem kurzfristige Vermögensverschiebungen in das Betriebsvermögen in jedem Fall von den Begünstigungen ausgeschlossen sind. An der Unzulänglichkeit der 50 %-Regel im Hinblick auf steuerliche Gestaltungen im Übrigen ändert dies allerdings nichts.

248

(c) Die 50 %-Regel kann schließlich auch nicht mit Typisierungs- oder Pauschalierungserwägungen gerechtfertigt werden, zumal sie in einem Wertungswiderspruch zu der in § 13b Abs. 4 ErbStG angeordneten 15 %-Typisierung steht.

249

Ein spürbarer Verwaltungsvereinfachungseffekt durch die in der Festlegung zum Ausdruck kommende Typisierung, dass bei der Regelverschonung das begünstigte betriebliche Vermögen bis zu 50 % aus nicht betriebsnotwendigem Vermögen bestehen kann, ist nicht erkennbar. Zur Beantwortung der nach § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG maßgeblichen Frage, ob das begünstigte Vermögen zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht, ist der Anteil des Verwaltungsvermögens am begünstigungsfähigen Vermögen ohnehin zu ermitteln (vgl. die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Anwendung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts R E 13b.8 Abs. 1 ErbStR 2011).

250

Auch soweit der 50 %-Regel in § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG ein gewisser Verwaltungsvereinfachungseffekt dergestalt zugebilligt werden kann, dass bei eindeutig unterhalb der 50 %-Grenze liegenden Verwaltungsvermögensanteilen keine genauere rechnerische Zuordnung zu den konkreten Verwaltungsvermögenskategorien erfolgen muss, geht die damit verbundene Typisierung über das Maß an Ungleichbehandlung hinaus, das eine Typisierung im Grundsatz rechtfertigen kann. Steuergesetze betreffen in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei in weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (vgl. BVerfGE 120, 1 <30>; 122, 210 <231 ff.>; 126, 268 <278 f.>; 127, 224 <246>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668/10 und 2104/10 -, juris, Rn. 50).

251

Gemessen daran erweist sich die mit der 50 %-Typisierung verbundene Ungleichbehandlung als unverhältnismäßig. Die Regelung führt einerseits dazu, dass begünstigtes Vermögen, das nur bis zu einem Anteil von knapp unter 50 % die Begünstigungsvoraussetzungen erfüllt, insgesamt nicht steuerlich privilegiert wird. Andererseits lässt sie zu, dass in erheblichem Umfang Gegenstände der privaten Vermögensverwaltung dem begünstigten Vermögen "gewillkürt" zugeordnet werden können, welche dann nach Ablauf von zwei Jahren bis zum Wert des "echten" Betriebsvermögens ebenfalls begünstigt sind. Diese in ihrem prozentualen Umfang massiven und in der absoluten Höhe nicht begrenzten Ungleichheiten können nicht mit dem Hinweis auf verwaltungsvereinfachende Zuordnungserleichterungen gerechtfertigt werden, zumal nicht erkennbar ist, weshalb ein solcher Vereinfachungseffekt eine Pauschalierung in dieser Größenordnung erfordert.

252

Schließlich ist die in der 50 %-Regel des § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG zum Ausdruck kommende Typisierung nicht mit der in § 13b Abs. 4 ErbStG erfolgten Typisierungsentscheidung des Gesetzgebers in Einklang zu bringen. Der Bestimmung des § 13b Abs. 4 ErbStG liegt die Annahme zugrunde, dass jedes Unternehmen über nicht begünstigungsfähiges Verwaltungsvermögen im Umfang von 15 % des gesamten Betriebsvermögens verfügt. Die Begründung des Regierungsentwurfs zum Erbschaftsteuerreformgesetz spricht insoweit ausdrücklich von einer typisierenden pauschalierten Festlegung des begünstigten Betriebsvermögens auf 85 %. Sie geht davon aus, dass in den zu übertragenden Betrieben regelmäßig Vermögenspositionen vorhanden sein werden, die nicht dem originär betrieblichen Bereich zuzuordnen sind (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 36). Mit dieser Typisierungsentscheidung des Gesetzgebers in § 13b Abs. 4 ErbStG ist die 50 %-Typisierung in § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG nicht vereinbar. Geht der Gesetzgeber in § 13b Abs. 4 ErbStG davon aus, dass jedes Unternehmen nicht begünstigungsfähiges Verwaltungsvermögen im Umfang von 15 % des gesamten Betriebsvermögens hat, welches von der Begünstigung ausgeschlossen sein soll, dann ist es nicht erklärbar, weshalb nach § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG auch noch mehr als der dreifache Wert ohne weiteres als Folge einer Typisierungsregelung begünstigungsunschädlich übertragen werden kann (vgl. auch Blum, Bewertungsgleichmaß und Verschonungsregelungen, 2012, S. 211). Es erschließt sich zudem nicht, aus welchem Sachgrund der Gesetzgeber bei der optionalen Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 Nr. 4 ErbStG seine pauschalierte Annahme aufgibt, dass in jedem Betrieb ein Verwaltungsvermögensanteil von 15 % vorhanden ist und vollständig auf eine Besteuerung verzichtet.

253

e) Soweit das Gesetz besondere steuerliche Gestaltungen zulässt, die zu nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlungen führen, verstößt schon die gesetzliche Regelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG (aa). Dies ist insbesondere der Fall bei Gestaltungen zur Ausnutzung der Befreiung von der Lohnsummenpflicht (bb), bei der Nutzung der 50 %-Regel des § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG für das Verwaltungsvermögen in Konzernstrukturen (cc) und bei Gestaltungen mit sogenannten Cash-Gesellschaften (dd).

254

aa) Steuergesetze, die entgegen ihrer Zwecksetzung steuermindernde Gestaltungen in erheblichem Umfang zulassen, können von Anfang an verfassungswidrig sein. Lässt ein Steuergesetz Gestaltungen durch den Steuerpflichtigen zu, die zu Steuerminderbelastungen führen, wie sie vom Gesetz erkennbar nicht bezweckt und gleichheitsrechtlich nicht zu rechtfertigen sind, erweist es sich insoweit als von Anfang an verfassungswidrig. Gerade im Steuerrecht ist das Bestreben verbreitet und im Grundsatz auch hinzunehmen (vgl. BVerfGE 9, 237 <249 f.>), die eigenen Rechtsverhältnisse im Rahmen der Privatautonomie so auszugestalten, dass Steuererleichterungen durch entsprechende Gestaltung der relevanten Tatbestandsmerkmale nach Möglichkeit in Anspruch genommen, oder in entsprechender Weise Steuerbelastungen vermieden werden. Sofern solche Gestaltungen keinen Missbrauch im Sinne von § 42 AO darstellen, sind sie zulässig und zu berücksichtigen. Sie können allerdings die Wirkung der jeweiligen gesetzlichen Regelung, die Anlass und Ziel dieser Gestaltung ist, in einer Weise einengen - bei steuerbegründenden Normen - oder ausdehnen - bei Steuerbefreiungen -, dass der Gesetzeszweck seine Tauglichkeit als Rechtfertigungsgrund einer Ungleichbehandlung verliert. Relevanz für die Gültigkeit einer Norm erlangen steuerliche Gestaltungen allerdings nur, wenn sie nicht ersichtlich auf den atypischen Einzelfall beschränkt sind; unerwünschte, wenn auch nicht rechtsmissbräuchliche Gestaltungen im Einzelfall berühren die Verfassungsmäßigkeit einer Norm nicht.

255

Ob der Gesetzgeber diese nach der Intention des Gesetzes unerwünschten Gestaltungen vorhersehen konnte, ist dabei unerheblich. Sofern sie durch die Fachgerichte nicht als missbräuchliche Gestaltungen im Sinne des § 42 AO sanktioniert werden, ist das Gesetz auch unter Berücksichtigung solcher Anwendungsmöglichkeiten Gegenstand verfassungsgerichtlicher Überprüfung. Die Finanzgerichte sind allerdings bei der Auslegung und Anwendung des § 42 AO nach Möglichkeit gehalten, mit Hilfe dieser Bestimmung über den Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Steuerrecht solchen Gestaltungspraktiken entgegen zu wirken, die sonst zur Verfassungswidrigkeit einer Norm führen (vgl. BVerfGE 22, 156 <161>; 29, 104 <118>). Die Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit derartiger zur Verfassungswidrigkeit der Norm führender Gestaltungen kann allerdings bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Folgen des festgestellten Verfassungsverstoßes, insbesondere im Hinblick auf die Anordnung einer zeitweisen Weitergeltung der Regelung berücksichtigt werden.

256

bb) §§ 13a und 13b ErbStG sind gleichheitswidrig, soweit sie die vom Bundesfinanzhof beanstandete Gestaltung zur Umgehung der Lohnsummenpflicht zulassen. Indem § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG es zulässt, dass durch vorherige Teilung des durch Schenkung oder Vererbung übertragenen Betriebs die Bindung an die Lohnsumme umgangen wird, obwohl der Betrieb ursprünglich über 20 Beschäftigte hatte, verstößt die Vorschrift gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

257

Bereits die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Pflicht zur Einhaltung der Mindestlohnsumme hat sich als unverhältnismäßige Privilegierung erwiesen (s. oben b bb (3)). Dies gilt erst recht, soweit § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG Gestaltungen zulässt, welche die unentgeltliche Übertragung von Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten ohne Einhaltung der Lohnsummenvorschrift ermöglichen. Dadurch wird die bereits für den gesetzlichen Regelfall festgestellte Unangemessenheit der Benachteiligung von Erwerbern betrieblichen Vermögens, die an die Lohnsumme gebunden sind, und von Erwerbern nicht begünstigten Vermögens verstärkt, deren Belastung mit der Erbschaftsteuer im Verhältnis zu den davon Verschonten noch weniger gerechtfertigt ist, wenn diese ohne hinreichende Rechtfertigung von der Einhaltung der Lohnsummenvorschrift freigestellt werden.

258

Der Bundesfinanzhof beanstandet in seinem Vorlagebeschluss, dass das Gesetz Gestaltungen offen stehe, die es in vielen Fällen ermöglichten, den Verschonungsabschlag auch bei Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten zu erhalten, ohne dass es für sie auf die Entwicklung der Lohnsummen und damit auch nicht auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen in dem Zeitraum nach dem Erwerb ankomme (vgl. BFHE 238, 241 <276 Rn. 145 ff.>). Er führt dazu als Gestaltungsbeispiel an, dass ein Betrieb mit mehr als 20 Beschäftigten vor der Verwirklichung des Steuertatbestands bei gleichen Beteiligungsverhältnissen in eine Besitzgesellschaft mit nicht mehr als 20 Beschäftigten, bei der das Betriebsvermögen konzentriert wird, und in eine Betriebsgesellschaft, deren Betriebsvermögen nach Berücksichtigung der Verbindlichkeiten keinen oder einen nur sehr geringen Steuerwert hat und die eine beliebige Zahl von Beschäftigten haben kann, aufgespalten wird. Die Anforderungen an die Entwicklung der Lohnsumme spielten dann bei der Besitzgesellschaft keine Rolle. Auch im Hinblick auf die Betriebsgesellschaft sei die Lohnsummenregelung mangels der Übertragung von werthaltigem Betriebsvermögen im Ergebnis unbeachtlich. Nach den Angaben des Bundesministeriums der Finanzen liegt die Zahl solcher Gestaltungsfälle jedenfalls über der für eine Beeinflussung der Gesetzeslage relevanten Bagatellgrenze.

259

cc) §§ 13a und 13b ErbStG sind gleichheitswidrig, soweit sie die vom Bundesfinanzhof beanstandeten Gestaltungen in Konzernstrukturen zur Umgehung der Verwaltungsvermögensgrenzwerte zulassen. Indem § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG bei mehrstöckigen Gesellschaftsbeteiligungen Gestaltungen zulässt, nach denen in solchen Konzernstrukturen trotz eines Gesamtanteils von über 50 % an Verwaltungsvermögen oder von über 10 % im Falle der Vollverschonung aus den verschiedenen Beteiligungsebenen ein Verschonungsabschlag gewährt wird, verstößt die Regelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

260

(1) Zum Verwaltungsvermögen gehören gemäß § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG unter anderem auch Beteiligungen an Gesellschaften im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 EStG sowie Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht unter Nummer 2 fallen, wenn bei diesen Gesellschaften das Verwaltungsvermögen mehr als 50 % beträgt.

261

Danach werden Beteiligungen an dem durch Erbschaft oder Schenkung erworbenen Vermögen an (in- und ausländischen) Personen- und Kapitalgesellschaften - wenn bei letzteren die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital mehr als 25 % beträgt - dem Verwaltungsvermögen zugeordnet, sofern auf der Ebene der Beteiligungsgesellschaft das Verwaltungsvermögen mehr als 50 % beträgt. Der Umfang der Beteiligung ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Die Beurteilung der Frage, ob bei einer Beteiligung die schädliche 50 %-Grenze des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG überschritten ist, hat für jede Beteiligungsebene gesondert zu erfolgen. Da der Verwaltungsvermögenstest auf Ebene der Beteiligungsgesellschaften jeweils dem "Alles-oder-Nichts-Prinzip" folgt, ist die Beteiligung an einer Gesellschaft insgesamt nicht dem Verwaltungsvermögen zuzuordnen, wenn dort der Anteil an Verwaltungsvermögen 50 % oder weniger beträgt. Die Prüfung hat jeweils an der untersten Beteiligungsstufe zu beginnen. Bei mehrstufigen Konzernstrukturen kann dies zu einem Kaskadeneffekt führen. Als Folge der Einordnung einer Beteiligung auf unterer Stufe mit einem Verwaltungsvermögensanteil von bis zu 50 % entsteht insgesamt begünstigtes Vermögen, das auf der nächsthöheren Beteiligungsstufe vollständig als begünstigtes Vermögen gewertet wird, obwohl bei einer Gesamtbetrachtung des Konzerns der Verwaltungsvermögensanteil überwiegt.

262

Der Grenzwert von maximal 50 % Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG auf der Ebene von Untergesellschaften gilt auch dann in dieser Höhe, wenn der Steuerpflichtige die vollständige Steuerbefreiung nach § 13a Abs. 8 ErbStG gewählt hat. Zwar darf bei der Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 Nr. 3 ErbStG in Verbindung mit § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG das Verwaltungsvermögen nicht mehr als 10 % betragen. Dieser Grenzwert bezieht sich allerdings nur auf die unmittelbar erworbenen wirtschaftlichen Einheiten des begünstigten Vermögens. Wenn in einer solchen wirtschaftlichen Einheit Anteile an Kapitalgesellschaften von mehr als 25 % oder Beteiligungen an Personengesellschaften (Untergesellschaften) gehalten werden, findet auf diese dagegen der höhere Grenzwert von 50 % für das Verwaltungsvermögen Anwendung (vgl. Weinmann, in: Moench/Weinmann, ErbStG, BewG, § 13b ErbStG Rn. 185 ; Hannes/Onderka, ZEV 2009, S. 11 <13 f.>; Hannes/Steger, ErbStB 2009, S. 113 <119>; Schulte/Birnbaum/Hinkers, BB 2009, S. 300 <302 f.>).

263

(2) Der Bundesfinanzhof hat in seinem Vorlagebeschluss unter Hinweis auf diese Regelungszusammenhänge beanstandet, dass der nach seiner Auffassung ohnehin schon verfassungswidrige Begünstigungsüberhang durch die Verwaltungsvermögensgrenze in Höhe von 50 % dadurch erweitert werde, dass sich durch eine einfache, durchaus verbreitete, mehrstufige Konzernstruktur der unter die Verschonungsregelung fallende Anteil des Verwaltungsvermögens am Konzernvermögen mit jeder weiteren Beteiligungsstufe deutlich erhöhen lasse, ohne dass dies der Gewährung der Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG entgegenstehe (vgl. BFHE 238, 241 <266 Rn. 102 ff.>). Danach wird ein Beteiligungserwerb noch steuerlich gefördert, bei dem im Ergebnis der Gesamtwert des auf allen Ebenen vorhandenen Verwaltungsvermögens den des "echten" Betriebsvermögens um das Fünfzehnfache übersteigt (vgl. BFHE 238, 241 <267 Rn. 112>), oder - in der Gestaltungsvariante - eine Vollverschonung auch noch bei einem Anteil von über 90 % Verwaltungsvermögen im Gesamtbetrieb gewährt wird (vgl. BFHE 238, 241 <267 Rn. 114>). Selbst wenn der Erblasser oder Schenker bewusst solche dem Erwerber steuergünstige Konzernstrukturen herbei führt, sieht der Bundesfinanzhof darin keine missbräuchlichen Gestaltungen im Sinne von § 42 AO, sondern die Folgen einer verfehlten Gesetzestechnik (vgl. BFHE 238, 241 <268 Rn. 116>).

264

(3) Indem § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG es zulässt, dass auch Vermögen mit einem Verwaltungsvermögensanteil von im Ergebnis weit über 50 % nach §§ 13a und 13b ErbStG begünstigt wird, verstärkt die Vorschrift den ohnehin bereits im Hinblick auf die Grundform der 50 %-Regel in § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG festgestellten Gleichheitsverstoß.

265

(a) Im Ausgangspunkt ist das hinter § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG stehende Anliegen allerdings berechtigt, zur Bestimmung des förderungswürdigen Vermögens auch den durch Erbschaft oder Schenkung erworbenen Beteiligungsbesitz bei der Ermittlung des Verwaltungsvermögensanteils in den Blick zu nehmen. Dies ist erforderlich, um das Ziel des Gesetzgebers, nur überwiegend produktives Vermögen in den Genuss des Verschonungsabschlags gelangen zu lassen (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 35 und dazu bereits oben 3. d aa), vor Umgehungen zu bewahren, die es ansonsten gerade in Konzernstrukturen besonders leicht ermöglichten, Verwaltungsvermögen in Tochtergesellschaften auszugliedern.

266

(b) Dass Erben oder Beschenkte von Gesellschaftsbeteiligungen im Sinne von § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG bei entsprechender Beteiligungsstaffelung Betriebsvermögen zu 85 % oder sogar zu 100 % steuerbegünstigt erwerben können, obwohl es bei einer Gesamtbetrachtung zu weit über 50 % (oder bei der Optionsverschonung zu weit über 10 %) aus Verwaltungsvermögen besteht, führt zu einer gravierenden Ungleichbehandlung gegenüber jenen, die außerhalb einer solchen Beteiligungsstaffelung bei einer Überschreitung der 50 %- oder 10 %-Grenze ansonsten nicht in den Genuss einer Steuerverschonung kommen. Die Vorschrift verstärkt zudem die in der Grundregel über das Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG angelegte Ungleichbehandlung zwischen begünstigtem und nicht begünstigtem Vermögen, weil sie zulässt, dass beim Übergang grundsätzlich begünstigten Vermögens in noch größerem Umfang, als nach dieser Grundentscheidung vorgesehen, eigentlich nicht begünstigungsfähiges Vermögen zum begünstigten gezählt wird (s. dazu bereits oben 3. d bb).

267

(c) Die Privilegierung gegenüber jenen Erben von grundsätzlich begünstigtem Vermögen, die zur Erlangung der Steuerverschonung strikt an die 50 %-Regel des § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG gebunden sind, ist nicht gerechtfertigt, weil die solchen Gestaltungen offene Norm damit keines der mit der Differenzierung zwischen produktivem und nicht produktivem Vermögen verfolgten legitimen Ziele in einem Maße fördert, das diese Ungleichbehandlungen aufwiegen könnte.

268

(aa) Sie sind hier noch weniger als bei der 50 %-Regel des § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG (s. oben 3. d ee (2)) durch das mit dem Ausschluss des Verwaltungsvermögens verfolgte Regelungsziel gerechtfertigt, die Verschonung auf förderungswürdiges Vermögen zu begrenzen und nicht förderungswürdiges Vermögen davon auszuschließen. Ausgehend davon, dass der Gesetzgeber das in § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG umschriebene Verwaltungsvermögen für grundsätzlich nicht förderungswürdig hält und sich dieses auch der Sache nach nicht von nicht begünstigten nichtbetrieblichen Vermögen unterscheidet, ist in den von § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG erfassten Beteiligungsfällen bei Konzernstrukturen noch weniger als im Grundfall der 50 %-Regelung des § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG (s. oben 3. d ee (2) (a)) erkennbar, inwieweit das hiernach mögliche Ergebnis, demzufolge erworbene Beteiligungen mit einem Gesamtanteil von weit über 50 % Verwaltungsvermögen begünstigt werden können, dem Ziel zu dienen vermag, die Verschonung auf förderungswürdiges Vermögen zu begrenzen. Ebenso wenig zu rechtfertigen ist im Übrigen das Ergebnis eines nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG nicht auszuschließenden gegenteiligen Kaskadeneffekts, der - insoweit allerdings nicht als Folge einer steuerlichen Gestaltung sondern ungewollt - dazu führen kann, dass in mehrfach gestuften Beteiligungsverhältnissen sich auf der für die Inanspruchnahme des Verschonungsabschlags maßgeblichen obersten Gesellschaftsstufe ein Verwaltungsvermögensanteil von über 50 % ergibt, obwohl der Anteil an solchem nicht förderungswürdigen Vermögen in der Summe aller Beteiligungen weit unter 50 % liegt.

269

(bb) Es liegt auf der Hand, dass die aufgezeigten schwerwiegenden Ungleichbehandlungen, die namentlich durch steuerliche Gestaltungen auf der Grundlage von § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG herbeigeführt werden können (vgl. BTDrucks 16/8547, S. 5 f. und BRDrucks 318/10, S. 152), auch nicht mit dem ursprünglichen Ziel dieser Bestimmung gerechtfertigt werden können, steuerliche Umgehungsgestaltungen in Bezug auf den Verwaltungsvermögenstest zu vermeiden. In der vorliegenden Form lädt die Norm zu solchen Gestaltungen geradezu ein (ähnlich bereits zu § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG oben 3. d ee (2) (b)).

270

(cc) Die durch § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG eröffneten Möglichkeiten, den zulässigen Verwaltungsvermögensanteil durch entsprechende Konzerngestaltungen zu erhöhen, sind weder unter Pauschalierungsgesichtspunkten noch durch Gründe der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt. Die Verwaltungsvermögensquote muss, schon um § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ErbStG ordnungsgemäß anzuwenden, ohnehin auf der Ebene jeder Beteiligungsgesellschaft gesondert ermittelt werden. Selbst wenn eine Vereinfachung darin gesehen werden könnte, dass es nach der geltenden Rechtslage in eindeutigen Fällen, in denen ein Unter- oder Überschreiten der 50 %-Grenze des § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG offensichtlich ist, keiner genaueren Bestimmung der konkreten Verwaltungsvermögensquote bedarf, hätte sie doch kein solches Gewicht, das die erhebliche Besserstellung der Verschonung von Erwerben mit in der Summe weit über 50 % - oder bei der Vollverschonung weit über 10 % - Verwaltungsvermögen rechtfertigen könnte.

271

dd) §§ 13a und 13b ErbStG sind gleichheitswidrig, soweit sie die Begünstigung der vom Bundesfinanzhof angeführten "Cash-Gesellschaften" zulassen. Die Bestimmungen des § 13b Abs. 1 und 2 ErbStG in der bis zum Inkrafttreten des neu durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26. Juni 2013 (BGBl I S. 1809) eingefügten § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG geltenden Fassung über die Abgrenzung zwischen begünstigtem Vermögen und nicht begünstigtem Verwaltungsvermögen verstoßen gegen Art. 3 Abs. 1 GG, indem sie rein vermögensverwaltende Gesellschaften, deren Vermögen ausschließlich aus Geldforderungen besteht - wie die sogenannte Cash-GmbH -, zum begünstigten Vermögen zählen.

272

(1) Unter einer "Cash-GmbH" ist nach der Darstellung des Bundesfinanzhofs in seinem Vorlagebeschluss eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu verstehen, deren Vermögen ausschließlich aus nicht zum Verwaltungsvermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 ErbStG gehörenden Geldforderungen besteht (vgl. BFHE 238, 241 <268 Rn. 117>). Gemäß § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ErbStG zählen zwar Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen zum Verwaltungsvermögen, wenn sie nicht dem Hauptzweck des Gewerbebetriebs, eines Kreditinstitutes, eines Finanzdienstleistungsinstitutes oder eines Versicherungsunternehmens zuzurechnen sind. Geldforderungen wie etwa Sichteinlagen, Sparanlagen und Festgeldkonten bei Kreditinstituten sowie Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und Forderungen an verbundene Unternehmen sowie Bargeld gehören nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFHE 238, 241 <248 Rn. 38, 268 Rn. 117 und 271 Rn. 127>), die insoweit mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum (s. dazu die Nachweise in BFHE 238, 241 <248 Rn. 38>) und der Praxis der Finanzverwaltung (vgl. R E 13b.17 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2011 und insbesondere H E 13b.17 der Hinweise zu den ErbStR 2011) übereinstimmt, nicht zu den Wertpapieren und sonstigen vergleichbaren Forderungen und sind somit kein Verwaltungsvermögen.

273

Damit konnten bis zum Wirksamwerden der Neuregelung des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG zum 7. Juni 2013 - mithin in dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum - Anteile an einer zu mehr als 25 % vom Erblasser oder Schenker gehaltenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG), deren Vermögen ausschließlich aus Geldforderungen bestand, bei Beachtung der Behaltensregelung des § 13a Abs. 5 ErbStG weitgehend oder vollständig steuerfrei übertragen werden. Die für junges Verwaltungsvermögen nach § 13b Abs. 2 Satz 3 ErbStG vorgesehene Vorbesitzzeit galt für dieses Geldvermögen nicht, da gerade kein Verwaltungsvermögen vorlag. Der Bundesfinanzhof weist zudem darauf hin, dass es bei der Übertragung solcher GmbH-Anteile auf die Erreichung bestimmter Lohnsummen und somit die Erhaltung von Arbeitsplätzen nach dem Erwerb regelmäßig nicht ankomme, weil eine "Cash-GmbH" kaum je mehr als 20 Beschäftigte habe (vgl. BFHE 238, 241 <268 Rn. 117>). Dasselbe Ergebnis wie bei einer "Cash-GmbH" konnte nach den Ausführungen des Bundesfinanzhofs auch über eine lediglich vermögensverwaltende, aber gewerblich geprägte Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG erreicht werden (vgl. BFHE 238, 241 <269 Rn. 119> unter Hinweis auf § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).

274

(2) Soweit die durch das Gesetz eröffnete Gestaltungsmöglichkeit dazu eingesetzt wird, durch Einbringung an sich nicht begünstigten privaten Geldvermögens in eine "Cash-Gesellschaft" begünstigtes Betriebs- oder Gesellschaftsvermögen zu schaffen, begründet das eine Besserstellung dieses Geldvermögens gegenüber sonstigem nicht begünstigten, weil nicht betrieblichem Geldvermögen wie auch gegenüber sonstigem Verwaltungsvermögen. Die Zulassung von "Cash-Gesellschaften" verschärft zudem die Ungleichbehandlung zwischen begünstigtem und nicht begünstigtem Vermögen entsprechend der Grundunterscheidung der Verschonungsregelung, indem der Bereich begünstigten Vermögens insoweit unter Verzicht auf die eingrenzende Wirkung der Lohnsummenregelung ausgedehnt wird.

275

(3) Für die steuerliche Privilegierung von Geldvermögen in einer ausschließlich vermögensverwaltenden "Cash-Gesellschaft" sprechen offensichtlich keine Gründe von solchem Gewicht, dass sie die damit verbundene erhebliche - weil in Bezug auf das betroffene Geldvermögen vollständige und in der Höhe unbegrenzte - Besserstellung gegenüber sonstigem nicht betrieblichem Geldvermögen oder sonstigem Verwaltungsvermögen tragen könnten. Auf die Frage der Eignung oder Erforderlichkeit dieser Differenzierung kommt es daher nicht an.

276

Die mit den Bestimmungen über das Verwaltungsvermögen verfolgten legitimen Ziele, grundsätzlich nur produktives Vermögen in dem dort umschriebenen Sinn zu fördern und Umgehungsstrategien zu verhindern (s. oben 3. d cc), werden mit der gesetzlich nicht unterbundenen Zuordnung der "Cash-Gesellschaften" zum begünstigten Vermögen gerade nicht gefördert. Indem über die Figur der "Cash-Gesellschaften" das gesamte Geldvermögen dieser Unternehmen als steuerlich begünstigt behandelt wird, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um für die Liquidität des Betriebs notwendige Finanzmittel handelt, wird dieses Geldvermögen gegenüber sonstigem, nicht in einen Betrieb eingebrachtem Geldvermögen wie auch gegenüber Verwaltungsvermögen ohne sachlichen Rechtfertigungsgrund substantiell besser gestellt. In eine ausschließlich vermögensverwaltende "Cash-Gesellschaft" eingebrachtes Geldvermögen ist im Allgemeinen ebenso wenig risikobehaftetes, produktives Betriebsvermögen wie das sonstige in § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG als grundsätzlich nicht förderungswürdig angesehene Verwaltungsvermögen. Der Erhalt solcher "Cash-Gesellschaften" dient in aller Regel auch nicht der Sicherung von Arbeitsplätzen, weil solche dort typischerweise nicht in nennenswerter Zahl vorhanden sind und deshalb bei deren Erwerb auch keine Bindung an die Lohnsummenregel besteht. Deshalb gibt es keine Rechtfertigung, sie dem Erwerb sonstigen begünstigten Vermögens gleich zu behandeln, dessen Verschonung von der Erbschaftsteuer dem Erhalt der Arbeitsplätze und dem Bestand von in personaler Verantwortung geführten Betrieben in Deutschland dienen soll (s. oben 2. c).

277

Die Gleichheitswidrigkeit der undifferenzierten und unbegrenzten steuerlichen Förderung von Geldvermögen, sofern es in einen als Personen- oder Kapitalgesellschaft organisierten Betrieb eingebracht ist, steht einer Ausgestaltung der Verschonungsregelung nicht entgegen, die der grundsätzlich für jeden Betrieb bestehenden Notwendigkeit liquider Mittel angemessen Rechnung trägt. Dies näher zu bestimmen, ist Aufgabe des Gesetzgebers, welcher dieser nunmehr mit dem neuen § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG nachgekommen ist, der allerdings nicht Gegenstand der Vorlage ist. Dabei steht ihm ein beträchtlicher Einschätzungs- und Typisierungsspielraum zu, der aber eben nicht die vollständige Freistellung jeglichen Geldvermögens in unbegrenzter Höhe und ohne Rücksicht auf möglicherweise auch nur typisierend angenommene betriebliche Erfordernisse trägt.

C.

I.

278

1. Die Bestimmungen über die Verschonung des unentgeltlichen Erwerbs begünstigten Vermögens von der Schenkung- und Erbschaftsteuer in §§ 13a und 13b ErbStG sind mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen.

279

Gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen außerdem die Freistellung von der Pflicht zur Einhaltung der Lohnsummenregelung nach § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG als Voraussetzung der Verschonung, soweit sie für Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten gilt, und die Regelung über das Verwaltungsvermögen in § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG, soweit sie bei Vorliegen der übrigen Förderbedingungen begünstigtes Vermögen (vgl. § 13b Abs. 1 ErbStG) selbst dann insgesamt in den Genuss des Verschonungsabschlags gelangen lässt, wenn es bis zu 50 % aus vom Gesetz als grundsätzlich nicht förderungswürdig angesehenem Verwaltungsvermögen besteht.

280

§§ 13a und 13b ErbStG sind schließlich nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, soweit sie zu nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen führende steuerliche Gestaltungen zulassen oder jedenfalls bis zum 6. Juni 2013 zuließen, nämlich die exzessive Ausnutzung der Befreiung von der Lohnsummenpflicht durch die Aufspaltung in Besitz- und Betriebsgesellschaft, die Umgehung der 50 %-Regel des § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG für Verwaltungsvermögen durch Nutzung von Konzernstrukturen und die Begünstigung von Geldvermögen durch die Schaffung von "Cash-Gesellschaften".

281

2. Die festgestellten Verfassungsverstöße betreffen für sich genommen die §§ 13a und 13b ErbStG zwar jeweils nur in Teilbereichen, erfassen damit aber die gesamte Verschonungsregelung in ihrem Kern. Die Bestimmung über die Lohnsumme ist ein wesentlicher Baustein in dem Verschonungskonzept, mit dem der Gesetzgeber das Ziel des Arbeitsplatzerhalts sicherstellen will. Die Sicherung der Arbeitsplätze ist neben dem Schutz der in personaler Verantwortung geführten Betriebe in Deutschland der zentrale Rechtfertigungsgrund für die umfassende Steuerfreistellung betrieblichen Vermögens. Auch die Bestimmungen über das Verwaltungsvermögen sind ein wesentlicher Bestandteil der vom Gesetzgeber mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz geschaffenen Verschonungsregelung für die unentgeltliche Betriebsübertragung. Die Notwendigkeit, zumindest eine Bedürfnisprüfung ab einer bestimmten Größenordnung übertragenen Vermögens einzuführen, um die Verhältnismäßigkeit der Ungleichbehandlung begünstigten Vermögens gegenüber nicht begünstigtem Vermögen zu wahren, betrifft die Verschonungsregelung für einen Teilbereich schließlich in ihrer Grundstruktur.

282

Mit den festgestellten Gleichheitsverstößen erweisen sich wichtige Bausteine der Gesamtregelung als verfassungswidrig. Ohne sie können die restlichen - nicht beanstandeten - Regelungsbestandteile der §§ 13a und 13b ErbStG nicht sinnvoll angewandt werden. Jedenfalls würde dies zu Ergebnissen führen, die vom Gesetzgeber so nicht gewollt sind (vgl. BVerfGE 8, 274 <301>). Ein verfassungsgemäßer Zustand kann daher nur durch eine umfassende Nachbesserung oder grundsätzliche Neukonzeption der Gesamtverschonungsregelung herbeigeführt werden. Die festgestellten Gleichheitsverstöße erfassen folglich die §§ 13a und 13b ErbStG insgesamt. Dies gilt für die Vorschriften in ihrer Ursprungsfassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008 (BGBl I S. 3018), darüber hinaus aber auch für die Folgefassungen. Denn die Schließung der Gesetzeslücke betreffend die "Cash-Gesellschaften" durch den mit dem Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26. Juni 2013 eingefügten § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG hat diesen Mangel zwar beseitigt, die Verfassungswidrigkeit der anderen Gestaltungsmöglichkeiten, der uneingeschränkten Begünstigung sehr großer Vermögen, der Lohnsummenregelung und der Verwaltungsvermögensgrenze im Übrigen aber unberührt gelassen.

283

Die Gesamtverfassungswidrigkeit der Besteuerung des Unternehmensübergangs nach Maßgabe der §§ 13a und 13b ErbStG bei Erbschaft und Schenkung erfasst notwendig auch die Besteuerung des unentgeltlichen Übergangs von nicht begünstigtem (Privat-)Vermögen. Entfallen nämlich die steuerbegünstigenden Vorschriften der §§ 13a und 13b ErbStG, könnten nicht stattdessen die allgemeinen Regeln über den erbschaftsteuerlichen Zugriff auf Erbe oder Schenkung auch für den Übergang von Betrieben Anwendung finden. Eine Belastung aller Unternehmensübergänge nach den allgemeinen erbschaftsteuerrechtlichen Grundsätzen ohne unternehmensspezifische Privilegierungen widerspräche offensichtlich dem in dem Steuerverschonungskonzept der §§ 13a und 13b ErbStG zum Ausdruck gekommenen - und im Grundsatz verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstandenden (dazu B. III. 2.) - Willen des Gesetzgebers. Auf der anderen Seite fehlt es für einen völligen Verzicht auf die Besteuerung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen Vermögens im Falle der Verfassungswidrigkeit von §§ 13a und 13b ErbStG an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage wie auch an einem hinreichenden Rechtfertigungsgrund für eine derart umfassende Steuerbefreiung. Ohne eine vom Willen des Gesetzgebers getragene Besteuerungsregelung für Unternehmensübergänge ist eine lastengerechte Erhebung der Erbschaftsteuer in den übrigen Fällen jedoch ebenfalls nicht ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG möglich.

284

Dem wird durch die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des vom Bundesfinanzhof vorgelegten § 19 Abs. 1 ErbStG Rechnung getragen. Diese Regelung, welche die Besteuerung begünstigten wie nicht begünstigten Vermögens gleichermaßen betrifft, ist daher ebenfalls für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG zu erklären. Damit ist die Erhebung der Erbschaftsteuer auch für den Übergang von Privatvermögen blockiert.

II.

285

Allerdings bleibt es hier bei der bloßen Feststellung der Unvereinbarkeit der §§ 13a und 13b und des § 19 Abs. 1 ErbStG mit Art. 3 Abs. 1 GG. Zugleich wird die begrenzte Fortgeltung dieser Normen angeordnet und dem Gesetzgeber die Neuregelung binnen einer angemessenen Frist aufgegeben.

286

1. Die bloße Unvereinbarkeitserklärung einer verfassungswidrigen Norm ist regelmäßig geboten, wenn der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den Verfassungsverstoß zu beseitigen. Das ist grundsätzlich bei Verletzungen des Gleichheitssatzes der Fall (vgl. BVerfGE 99, 280 <298>; 105, 73 <133>; 107, 27 <57>; 117, 1 <69>; 122, 210 <245>; 126, 400 <431>; stRspr). Stellt das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit einer Norm mit Art. 3 Abs. 1 GG fest, folgt daraus in der Regel die Verpflichtung des Gesetzgebers, rückwirkend, bezogen auf den in der gerichtlichen Feststellung genannten Zeitpunkt, die Rechtslage verfassungsgemäß umzugestalten (vgl. etwa BVerfGE 105, 73 <133 f.> m.w.N.). Hierzu kann das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Frist setzen (vgl. BVerfGE 117, 1 <70>). Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen die Norm im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen (vgl. BVerfGE 73, 40 <101>; 105, 73 <134>; 126, 400 <431>).

287

Im Interesse einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs für Zeiträume einer weitgehend schon abgeschlossenen Veranlagung hat das Bundesverfassungsgericht allerdings wiederholt die weitere Anwendbarkeit verfassungswidriger Normen für gerechtfertigt erklärt und dem Gesetzgeber eine Frist eingeräumt, um binnen angemessener Zeit verfassungsgemäße Regelungen zu erlassen (vgl. etwa BVerfGE 87, 153 <178>; 93, 121 <148 f.>; 123, 1 <38>; 125, 175 <258>).

288

2. a) Der Senat hält es danach für geboten, die §§ 13a und 13b in Verbindung mit § 19 Abs. 1 ErbStG lediglich für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG zu erklären und zugleich deren Fortgeltung anzuordnen.

289

Die aus einem solchen Ausspruch folgende Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen, verbunden mit der Pflicht des Gesetzgebers zur - bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Senats - rückwirkenden Neuregelung brächte erhebliche haushaltswirtschaftliche Unsicherheiten und nach einer solchen Neuregelung gravierende verwaltungstechnische Probleme bei der dann gebotenen Rückabwicklung mit sich. Während der in diesem Fall regellosen Übergangszeit bis zur Neugestaltung der Bestimmungen könnten Erb- und Schenkungsfälle steuerrechtlich nicht abgewickelt werden.

290

Mangels gültiger Regelung bliebe während der Übergangszeit auch das Aufkommen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer nach Grund und Umfang im Unklaren. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer leistet zwar nur einen untergeordneten Beitrag zum Gesamtsteueraufkommen. Als Steuer, deren Aufkommen ausschließlich den Ländern zufließt (Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG), kommt ihr aber für die finanzielle Ausstattung der Länder erhebliche Bedeutung zu; in den Jahren 2012 und 2013 machte sie annähernd 30 % des Aufkommens an Ländersteuern aus (vgl. Tabellarische Übersicht der kassenmäßigen Steuereinnahmen nach Steuerarten und Gebietskörperschaften in den Kalenderjahren 2010 bis 2013 des Bundesministeriums der Finanzen).

291

Schwer erträglich wäre die Ungewissheit über den Inhalt der künftigen, dann mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Verkündung des Urteils in Kraft zu setzenden Regeln des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts aber vor allem für die Inhaber von Unternehmen und ihre künftigen Erben oder sonstigen Nachfolger. Sie haben ein berechtigtes Interesse an einer verlässlichen Rechtsgrundlage für die Nachfolgeplanung auch in steuerrechtlicher Hinsicht.

292

b) Mit Rücksicht auf die vorstehenden Erwägungen ordnet der Senat die Fortgeltung der für gleichheitswidrig befundenen Normen bis zu einer Neuregelung an. Die Fortgeltung der beanstandeten Vorschriften ist auch deshalb hinnehmbar, weil der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4a ErbStG durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26. Juni 2013 eine der Hauptlücken für unerwünschte steuerliche Gestaltungen durch "Cash-Gesellschaften" weitgehend geschlossen hat. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Anordnung der Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen keinen Vertrauensschutz gegen eine auf den Zeitpunkt der Verkündung dieses Urteils bezogene rückwirkende Neuregelung begründet, die einer exzessiven Ausnutzung gerade der als gleichheitswidrig befundenen Ausgestaltungen der §§ 13a und 13b ErbStG die Anerkennung versagt.

293

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine Neuregelung spätestens bis zum 30. Juni 2016 zu treffen.

294

Die Entscheidung ist im Ergebnis und in der Begründung einstimmig ergangen; die weitere Begründung, die drei Mitglieder des Senats in ihrer abweichenden Meinung der Entscheidung beigefügt haben, bleibt hiervon unberührt.

Abw. Meinung

1

Wir stimmen der Entscheidung zu, sind aber der Ansicht, dass zu ihrer Begründung ein weiteres Element gehört: Das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Die Beurteilung der mit den angegriffenen Vorschriften bewirkten Ungleichbehandlungen im Lichte des Sozialstaatsprinzips sichert die Entscheidung weiter ab und macht ihre Gerechtigkeitsdimension erst voll sichtbar.

2

1. Die Erbschaftsteuer ist ein Beitrag zur Herstellung sozialer Chancengleichheit, die sich in einer freien Ordnung nicht von selbst herstellt. Die freie Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik beruht auf der für den modernen Staat selbstverständlichen Annahme der rechtlichen Freiheit und Gleichheit aller Bürger. Mit dieser durch die Verfassung gewährleisteten Grundlegung des Gemeinwesens in der Freiheit und Besonderheit des Einzelnen werden gesellschaftliche Ordnungsbildung und Entwicklung weitgehend dem freien Spiel der Konkurrenz und sich hierbei bildender Unterscheidungen überlassen. Die rechtliche Gleichheit verbunden mit der individuellen Handlungs- und Erwerbsfreiheit und der Garantie des Eigentums entbindet eine weitreichende Dynamik und führt unweigerlich zur Entstehung materieller Ungleichheit unter den Bürgern. Dies ist gewollt und elementarer Inhalt einer freiheitlichen Rechtsordnung. Insoweit bedarf es aber eines Ausgleichs. Dies gilt insbesondere für die Eigentumsordnung, denn im Eigentum gerinnt die Ungleichheit der freigesetzten Gesellschaft zur Materie und wird Ausgangspunkt neuer Ungleichheiten (vgl. Sondervotum Böckenförde zur Vermögensteuer, BVerfGE 93, 149 <162 f.>).

3

Das Grundgesetz hat mit seiner Verpflichtung aller öffentlicher Gewalt auf das Sozialstaatsprinzip die Ausrichtung auf soziale Gerechtigkeit zu einem leitenden Prinzip aller staatlichen Maßnahmen erhoben (vgl. BVerfGE 5, 85 <198>, auch BVerfGE 52, 303 <348>; 134, 1 <14 f. Rn. 41 f.>). Die Erbschaftsteuer dient deshalb nicht nur der Erzielung von Steuereinnahmen, sondern ist zugleich ein Instrument des Sozialstaats, um zu verhindern, dass Reichtum in der Folge der Generationen in den Händen weniger kumuliert und allein aufgrund von Herkunft oder persönlicher Verbundenheit unverhältnismäßig anwächst. Dass hier auch in Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit eine Herausforderung liegt, zeigt die Entwicklung der tatsächlichen Vermögensverteilung. Verwies schon Böckenförde in seinem Sondervotum für das Jahr 1993 darauf, dass 18,4 % der privaten Haushalte über 60 % des gesamten Nettogeldvermögens verfügten (BVerfGE 93, 149 <164>), lag dieser Anteil bereits im Jahr 2007 in den Händen von nur noch 10 % (vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Lebenslagen in Deutschland - Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung, Aktualisierung der Berichterstattung über die Verteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland, Endbericht, 2011, S. 138). Gerade die Konzentration des Vermögens im obersten Dezil ist im vergangenen Jahrzehnt stark gestiegen, wobei das wahre Ausmaß an Ungleichheit bei der Verteilung des Vermögens auch mit diesen Zahlen noch nicht voll erfasst ist, weil die Haushalte mit dem besonders großen Vermögen mangels von den Betroffenen zu erlangender Zahlen nicht berücksichtigt werden konnten (Nachweise in: DIW Wochenbericht 9 [2014], S. 151 <154 f.>). Demgegenüber verfügten rund 28 % der erwachsenen Bevölkerung im Jahr 2012 über kein beziehungsweise ein negatives Vermögen, wobei dieser Anteil seit dem Jahr 2002 ebenfalls signifikant angestiegen ist (vgl. DIW Wochenbericht 9 [2014], S. 151 <153>). Der für die Vermögensverteilung international herangezogene Gini-Koeffizient ist entsprechend von 0,62 im Jahr 1993 auf 0,78 im Jahr 2012 gestiegen, sodass Deutschland gegenwärtig innerhalb der Eurozone den höchsten Grad an Ungleichheit bei der Verteilung des Vermögens aufweist. Als Ursache für die wachsende Ungleichheit lässt sich nach der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ausmachen, dass gerade die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen im Vergleich zu den Arbeitnehmerentgelten überdurchschnittlich gestiegen sind (vgl. DIW Wochenbericht 9 [2014], S. 151 <157 f.>).

4

Die Erbschaftsteuer bestimmt und beschränkt in Blick hierauf den Inhalt des in Art. 14 Abs. 1 GG garantierten Erbrechts. Sie wirkt damit der Gefahr entgegen, dass durch eine zunehmende Ungleichverteilung von Mitteln die Chancen auf gesellschaftliche wie politische Teilhabe auseinanderdriften und sich so letztlich Einfluss und Macht zunehmend unabhängig von individueller Leistung verfestigen und an Herkunft gebunden sind. Mit diesem Zweck ist die Erbschaftsteuer ein Instrument, mit dem der Staat ungleichen Lebenschancen entgegenwirkt. Der mit ihr ins Werk gesetzte Ausgleich trägt dazu bei, dass persönliche Freiheitswahrnehmung und Fähigkeiten nicht nur abstrakt, sondern real die Grundlage unserer Ordnung bleiben und sich so Freiheit und Gleichheit auch in der Lebenswirklichkeit verbinden.

5

2. Die Schaffung eines Ausgleichs sich sonst verfestigender Ungleichheiten liegt in der Verantwortung der Politik - nicht aber in ihrem Belieben. Mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG nimmt das Grundgesetz den Gesetzgeber in die Pflicht, für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen (vgl. BVerfGE 22, 180 <204>). Ungeachtet der hier nicht zu entscheidenden Frage, ob beziehungsweise unter welchen Umständen der Gesetzgeber auf die Erhebung einer Erbschaftsteuer verzichten könnte, trägt er dieser Pflicht mit der Erbschaftsteuer jedenfalls im Rahmen des geltenden Steuer- und Sozialsystems Rechnung. Dies wirkt sich auch auf die Anforderungen an deren Ausgestaltung aus. Begründet er durch Befreiungen, wie sie im vorliegenden Verfahren zu beurteilen sind, Ungleichbehandlungen, unterliegen diese einer umso größeren Rechtfertigungslast, je mehr sie geeignet sind, soziale Ungleichheiten zu verfestigen.

6

Wie der Senat schon für die Gleichheitsprüfung betont, belässt die Verfassung dem Gesetzgeber dabei freilich einen weiten Spielraum. Der Gesetzgeber ist insoweit aber auch aufgrund seiner Bindung an Art. 20 Abs. 1 GG nicht nur berechtigt, Ererbtes und Schenkungen steuerlich zu belasten, sondern auch besonderen Rechtfertigungsanforderungen unterworfen, je mehr von dieser Belastung jene ausgenommen werden, die unter marktwirtschaftlichen Bedingungen leistungsfähiger sind als andere. Die vom Senat entwickelten Rechtfertigungsanforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG für die privilegierende Befreiung von unternehmerischen Vermögen von der Erbschaftsteuer erhalten hierdurch eine weitere verfassungsrechtliche Grundierung. So hat es auch eine sozialstaatliche Dimension, wenn - wie in der Entscheidung im Einzelnen dargelegt - Verschonungsregeln so gestaltet sein müssen, dass mit ihrer Hilfe nicht zugleich auch im großen Umfang nicht unternehmerisches Privatvermögen der Erbschaftsteuer entzogen werden kann oder durch Gestaltungsmöglichkeiten die gemeinnützigen wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Ziele der Befreiungen umgangen werden können. Eine solche sozialstaatliche Dimension hat vor allem aber auch der vom Senat anerkannte zunehmende Rechtfertigungsbedarf in Abhängigkeit von dem Maß der Ungleichbehandlung und damit dem Umfang des verschonten Vermögens. Werden gerade diejenigen verschont, die als erfolgreiche Unternehmer über die größten Vermögen und damit auch über erheblichen Einfluss auf das Gemeinwesen verfügen, und wird gerade ihnen ermöglicht, dieses Vermögen unter Befreiung der sonst nach Leistungsfähigkeit auferlegten Lasten an Dritte, insbesondere an Familienmitglieder, weiterzureichen, ohne dass diese hierfür eigene Leistung oder Fähigkeiten eingebracht hätten, verfestigt und verstärkt dies die ökonomische Ungleichheit. Die in der Entscheidung entwickelten Maßgaben tragen demgegenüber dazu bei, dass Verschonungsregelungen nicht zur Anhäufung und Konzentration größter Vermögen in den Händen Weniger führen.

7

Zu Recht allerdings hebt die Entscheidung hervor, dass auch bei dem Erwerb sehr großer und größter Vermögen Steuerbefreiungen gerechtfertigt sein können. Dies verlangt aber, dass die Verschonung im Einzelfall zur Erhaltung von Arbeitsplätzen oder sonst zum gemeinen Wohl und damit zur Verwirklichung des Sozialstaates tatsächlich erforderlich ist. Nur dann ist die durch sie begründete Ungleichbehandlung gerechtfertigt. Das Sozialstaatsprinzip strahlt so in den Gleichheitssatz hinein.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

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Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

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8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

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Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

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Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

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Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

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9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

(1) Versicherungspflichtig sind

1.
Jugendliche, die in Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation nach § 51 des Neunten Buches Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten, die ihnen eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen sollen, sowie Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen,
2.
Personen, die nach Maßgabe des Wehrpflichtgesetzes, des § 58b des Soldatengesetzes oder des Zivildienstgesetzes Wehrdienst oder Zivildienst leisten und während dieser Zeit nicht als Beschäftigte versicherungspflichtig sind,
3.
(weggefallen)
3a.
(weggefallen)
4.
Gefangene, die Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Ausfallentschädigung (§§ 43 bis 45, 176 und 177 des Strafvollzugsgesetzes) erhalten oder Ausbildungsbeihilfe nur wegen des Vorrangs von Leistungen zur Förderung der Berufsausbildung nach diesem Buch nicht erhalten; das Versicherungspflichtverhältnis gilt während arbeitsfreier Sonnabende, Sonntage und gesetzlicher Feiertage als fortbestehend, wenn diese Tage innerhalb eines zusammenhängenden Arbeits- oder Ausbildungsabschnittes liegen. Gefangene im Sinne dieses Buches sind Personen, die im Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung oder einstweilig nach § 126a Abs. 1 der Strafprozeßordnung untergebracht sind,
5.
Personen, die als nicht satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften oder ähnlicher religiöser Gemeinschaften für den Dienst in einer solchen Genossenschaft oder ähnlichen religiösen Gemeinschaft außerschulisch ausgebildet werden.

(2) Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit, für die sie

1.
von einem Leistungsträger Mutterschaftsgeld, Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld oder von einem Träger der medizinischen Rehabilitation Übergangsgeld beziehen,
2.
von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen Krankentagegeld beziehen,
2a.
von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen, von einem Beihilfeträger des Bundes, von einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Träger von Kosten in Krankheitsfällen auf Bundesebene, von dem Träger der Heilfürsorge im Bereich des Bundes, von dem Träger der truppenärztlichen Versorgung oder von einem öffentlich-rechtlichen Träger von Kosten in Krankheitsfällen auf Landesebene, soweit Landesrecht dies vorsieht, Leistungen für den Ausfall von Arbeitseinkünften im Zusammenhang mit einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen beziehen,
2b.
von einer Pflegekasse, einem privaten Versicherungsunternehmen, der Festsetzungsstelle für die Beihilfe oder dem Dienstherrn Pflegeunterstützungsgeld beziehen oder
3.
von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehen,
wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren oder Anspruch auf eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatten.

(2a) Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit, in der sie ein Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, wenn sie

1.
unmittelbar vor der Kindererziehung versicherungspflichtig waren oder Anspruch auf eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatten und
2.
sich mit dem Kind im Inland gewöhnlich aufhalten oder bei Aufenthalt im Ausland Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder Bundeskindergeldgesetz haben oder ohne die Anwendung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes oder des § 3 oder § 4 des Bundeskindergeldgesetzes haben würden.
Satz 1 gilt nur für Kinder
1.
der oder des Erziehenden,
2.
seiner nicht dauernd getrennt lebenden Ehegattin oder ihres nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder
3.
ihrer nicht dauernd getrennt lebenden Lebenspartnerin oder seines nicht dauernd getrennt lebenden Lebenspartners.
Haben mehrere Personen ein Kind gemeinsam erzogen, besteht Versicherungspflicht nur für die Person, der nach den Regelungen des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung die Erziehungszeit zuzuordnen ist (§ 56 Abs. 2 des Sechsten Buches).

(2b) Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit, in der sie als Pflegeperson einen Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne des Elften Buches, der Leistungen aus der Pflegeversicherung nach dem Elften Buch oder Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch oder gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften bezieht, nicht erwerbsmäßig wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche, in seiner häuslichen Umgebung pflegen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Pflegetätigkeit versicherungspflichtig waren oder Anspruch auf eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatten. Versicherungspflicht besteht auch, wenn die Voraussetzungen durch die Pflege mehrerer Pflegebedürftiger erfüllt werden.

(3) Nach Absatz 1 Nr. 1 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach § 25 Abs. 1 versicherungspflichtig ist. Nach Absatz 1 Nr. 4 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach anderen Vorschriften dieses Buches versicherungspflichtig ist. Versicherungspflichtig wegen des Bezuges von Mutterschaftsgeld nach Absatz 2 Nr. 1 ist nicht, wer nach Absatz 2a versicherungspflichtig ist. Nach Absatz 2 Nr. 2 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 2 Nr. 1 versicherungspflichtig ist oder während des Bezugs von Krankentagegeld Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat. Nach Absatz 2a und 2b ist nicht versicherungspflichtig, wer nach anderen Vorschriften dieses Buches versicherungspflichtig ist oder während der Zeit der Erziehung oder Pflege Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach diesem Buch hat; Satz 3 bleibt unberührt. Trifft eine Versicherungspflicht nach Absatz 2a mit einer Versicherungspflicht nach Absatz 2b zusammen, geht die Versicherungspflicht nach Absatz 2a vor.

(4) (weggefallen)

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.