Bundessozialgericht Urteil, 20. Juli 2017 - B 12 KR 13/15 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:200717UB12KR1315R0
bei uns veröffentlicht am20.07.2017

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Juni 2010 aufgehoben.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 29. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Februar 2008 verpflichtet, ihren Bescheid vom 21. Juli 2006 zurückzunehmen.

Die Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern mit mehreren Kindern im Hinblick auf einen höheren Betreuungs- und Erziehungsaufwand, ggf gestaffelt nach Kinderzahl, zu mindern sind.

2

Der Kläger und die Klägerin - verheiratete Eltern ihrer beiden 1993 und 1996 geborenen Kinder - waren bei den Beigeladenen zu 3. und 4. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglieder der beklagten Krankenkasse sowie der beigeladenen Pflegekasse (Beigeladene zu 2.). Sie sind bei dem beigeladenen Rentenversicherungsträger (Beigeladene zu 1.) rentenversichert. Beiträge zu den genannten Versicherungszweigen wurden in gesetzlicher Höhe entrichtet.

3

Im Juli 2006 stellten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Hinweis auf das Urteil des BVerfG zur sPV vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2; im folgenden sPV-Urteil) den Antrag, bei der Beitragserhebung zu den genannten Versicherungszweigen den Unterhalt für ihre beiden Kinder und die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für diese mindernd zu berücksichtigen. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21.7.2006 eine Herabsetzung unter Hinweis darauf ab, dass der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448) umfassend nachgekommen sei und die Versicherungsträger an diese gesetzlichen Vorgaben gebunden seien.

4

Den hiergegen erhobenen, verspätet eingegangenen Widerspruch sah die Beklagte als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X an. Mit an die Kläger gerichtetem Bescheid vom 29.11.2007 und Widerspruchsbescheid vom 29.2.2008 lehnte sie die Rücknahme ihres Bescheides vom 21.7.2006 ab; eine Reduzierung der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge (Arbeitnehmeranteile) für die Zeit ab Juli 2006 und eine Beitragserstattung könnten nicht beansprucht werden.

5

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 30.6.2010). Im Berufungsverfahren haben die Kläger ihre Klageanträge "präzisiert" und unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und der entgegenstehenden Bescheide die Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme ihres Bescheides vom 21.7.2006 insoweit begehrt, als darin Sozialversicherungsbeiträge nach einer "die Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung" übersteigenden Summe erhoben wurden. Hilfsweise haben sie die Verpflichtung zur Rücknahme insoweit erstrebt, als die Beitragsbemessung ohne vorherigen Abzug eines Betrages von 833 Euro je Kind und Monat erfolgt ist, bzw (weiter) hilfsweise insoweit, als ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums nach § 32 Abs 6 Einkommensteuergesetz (EStG) von der Beitragsbemessungsgrundlage nicht abgezogen wurde.

6

Das LSG hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe die Rücknahme ihres früheren Bescheides zu Recht abgelehnt. Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Eine Reduzierung der Beiträge zur GRV, GKV und sPV könnten die Kläger wegen der Erziehung ihrer beiden Kinder und der sich hieraus ergebenden Unterhaltslast nicht beanspruchen. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige, insbesondere die GRV, übertragen, sondern sei davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus diesem Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet (BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1). Einer weiteren Beweiserhebung habe es bei alledem - etwa unter dem Gesichtspunkt der Amtsermittlungspflicht - nicht bedurft (Urteil vom 27.1.2012).

7

Mit ihrer Revision rügen die Kläger im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung in der GRV, GKV und sPV gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden, also keine Beitragsermäßigung erhielten:

8

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragenerationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt. Das sPV-Urteil sei auf die GRV und die GKV zu übertragen. GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems, und zwar auf der Beitragsseite ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung.

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Mit späterem Schriftsatz vom 20.7.2016 und weiteren Schriftsätzen haben die Kläger ua vorgelegt: Schriftsätze aus dem Revisionsverfahren B 12 KR 15/12 R, den Text einer "Sammel-Verfassungsbeschwerde" (1 BvR 3135/15), den Text einer Anhörungsrüge gegen das Urteil des Senats vom 30.9.2015 in dem Revisionsverfahren B 12 KR 15/12 R, den Text der gegen dieses Urteil erhobenen Verfassungsbeschwerde sowie mehrere gutachtliche Stellungnahmen von W.

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Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Juni 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Bescheid vom 21. Juli 2006 zurückzunehmen, soweit darin die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung erhoben worden sind,

hilfsweise zur Rücknahme zu verpflichten, soweit die monatlichen Beiträge ab 1. Juli 2006 ohne einen Abzug von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben worden sind,

weiter hilfsweise zur Rücknahme zu verpflichten, soweit die monatlichen Beiträge ab 1. Juli 2006 ohne Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben worden sind,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 1, 226 Abs 1 S 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 S 1, 55 Abs 1 und 3 S 1, 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3. April 2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind.

12

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

13

Die Beigeladene zu 1. beantragt,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

14

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

15

Die Beigeladenen zu 3. und 4. stellen keine Anträge.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Revision der Kläger ist begründet.

18

Zu Unrecht hat das LSG die Berufung der Kläger gegen das ihre Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen, im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X ergangenen Bescheide der beklagten Krankenkasse als Beitragseinzugsstelle(Bescheid vom 29.11.2007 und Widerspruchsbescheid vom 29.2.2008) sind rechtswidrig. Die Beklagte ist unter Aufhebung dieser Bescheide zu verpflichten, auf den Überprüfungsantrag der Kläger den bestandskräftigen Bescheid vom 21.7.2006, der die Beitragserhebung zu den Versicherungszweigen der GRV, GKV und sPV ab 1.7.2006 betrifft, zurückzunehmen.

19

1. Im vorliegenden Rechtsstreit zu überprüfen sind ausschließlich der mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage angegriffene Bescheid der Beklagten vom 29.11.2007 und ihr Widerspruchsbescheid vom 29.2.2008, mit denen sie es im Überprüfungsverfahren nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X abgelehnt hat, den die Beitragserhebung zu den genannten Versicherungszweigen ab Juli 2006 (bis 27.1.2012 = Tag der mündlichen Verhandlung vor dem LSG) regelnden (Beitrags)Bescheid vom 21.7.2006 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

20

Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist demgegenüber, ob den Klägern für den Fall eines Erfolgs der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ein Anspruch auf Beitragserstattung zusteht. Die Kläger hatten eine solche seinerzeit bei der Beklagten nicht beantragt; über eine Beitragserstattung haben SG und LSG auch nicht befunden.

21

Nicht zu entscheiden ist schließlich über eine Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG). Weder haben die Kläger vor den Instanzgerichten eine zusätzliche Feststellungsklage erhoben noch haben jene über ein Feststellungsbegehren entschieden (dazu a). Wäre eine Feststellungsklage erhoben, müsste sie jedenfalls als unzulässig angesehen werden (dazu b).

22

a) In der Ausgangssituation eines gerichtlichen Verfahrens zur Überprüfung der Ergebnisse eines Korrekturverfahrens der Verwaltung nach § 44 SGB X kann ein - hier ausdrücklich nicht formuliertes - Feststellungsbegehren (neben dem Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren) im Wege der Auslegung des Vortrags der Kläger nur ermittelt werden, wenn hierfür besondere Umstände vorliegen. Allein der klägerseitige Wunsch, im Verfahren möge eine bestimmte Rechtsfrage gerichtlich beantwortet werden, reicht insoweit nicht aus. Klägern geht es in Fällen wie dem vorliegenden nach ihrem verfahrensrechtlichen Ziel um die Kassation der Überprüfungsbescheide auf Anfechtungsklage und die gerichtliche Verpflichtung der Verwaltung zur Rücknahme des bestandskräftigen Ausgangsbescheides; dieses Begehren kennzeichnet den Verfahrensgegenstand. Bei der Frage, ob der bestandskräftige Bescheid zurückzunehmen ist, muss dann geprüft werden, ob und ggf aus welchen Gründen dieser rechtswidrig (und belastend) ist. Rechtliche Fragen sollen infolgedessen nach ihrer erkennbaren Zielrichtung vom Gericht einzig im Wege dieser Kontrolle des Ausgangsbescheides beantwortet werden. So liegt der Fall auch hier.

23

b) Eine neben der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhobene Klage auf Feststellung wäre jedenfalls unzulässig.

24

aa) Der Senat kann offenlassen, ob eine auf das Ziel der "Beitragsreduzierung" gerichtete, zusätzlich erhobene Feststellungsklage überhaupt statthaft wäre, würde mit ihr doch (nur) die Feststellung bloßer (Beitrags)Berechnungs- oder Begründungselemente bzw von Vorfragen eines Beitragsrechtsverhältnisses begehrt, die nach ständiger Senatsrechtsprechung zum Beitragsrecht - weil es insoweit an einem selbstständigen Rechtsverhältnis fehlt - grundsätzlich nicht isoliert feststellungsfähig sind (vgl zum Ganzen etwa Berchtold in Berchtold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2. Aufl 2016, § 6 RdNr 386 und § 12 RdNr 106, jeweils mwN; auch Ulmer in Hennig, SGG, Stand Juni 2017, § 55 RdNr 73a, und Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 55 RdNr 6). Eine "Beitragsreduzierung", ggf gestaffelt nach Kinderzahl, könnte nämlich nur über eine Veränderung des Berechnungselements "Beitragssatz" oder - wie es die Kläger verlangen - über das Berechnungselement "Bemessungsgrundlage" erfolgen. Zwar ist die generelle Beitragspflicht einer Einnahme - iS einer qualitativen Betrachtung - ausnahmsweise einer isolierten Feststellung zugänglich (vgl - für das Verwaltungsverfahren - BSG Urteil vom 29.2.2012 - B 12 KR 19/09 R - Juris RdNr 18), nicht aber, wie viele Teile einer Einnahme (nur 50 vH der gegenwärtigen Bemessung, nur der Teil nach Abzug von 833 Euro je Kind und Monat oder der Teil nach Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind), an deren genereller Beitragspflicht keine Zweifel bestehen, der Beitragsbemessung unterliegen.

25

Die Urteile des Senats vom 5.7.2006 (B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1) und 15.7.2009 (B 12 KR 14/08 R - SozR 4-2500 § 7 Nr 1) veranlassen hier nicht zu einer anderen Bewertung. So hatte der Kläger in dem erstgenannten Verfahren mit seinem Hauptantrag schon keine (unzulässige) Elementenfeststellungsklage, sondern eine zulässige Klage auf Feststellung erhoben, dass er im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder (überhaupt) keinen Beitrag tragen müsse (SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 13, 37, 39). In der Entscheidung vom 15.7.2009 war zu beurteilen, ob eine Krankenkasse als Einzugsstelle bei ihrer feststellenden (Verwaltungs)Entscheidung über die Beitragspflicht einzelne Berechnungselemente als feststellungsfähig erachten durfte (SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17; vgl hierzu Berchtold, aaO, § 12 RdNr 89 f); ein Begehren dahin, Beiträge mit "null" festzustellen, war danach nicht ausgeschlossen (SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 25).

26

bb) Würde eine Feststellungsklage als erhoben angesehen, wäre sie jedenfalls unzulässig, weil sie im Hinblick auf die Besonderheiten des für die Überprüfung von Ergebnissen eines Korrekturverfahrens der Verwaltung nach § 44 SGB X zur Verfügung gestellten gerichtlichen Verfahrens, letztlich also wegen des Grundsatzes der Subsidiarität der Feststellungsklage, der auch im sozialgerichtlichen Verfahren Bedeutung hat(vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 55 RdNr 19 mwN), ausgeschlossen ist.

27

Eine solche Feststellungsklage verfolgte nämlich das Ziel, ein unanfechtbar abgeschlossenes, durch die Einzugsstelle konkretisiertes Beitragsrechtsverhältnis für eine weitere inhaltliche Überprüfung zu "öffnen". Für die Überprüfung stehen indessen nach dem Willen des Gesetzgebers nur die besonderen abschließenden Aufhebungsregeln des SGB X (§§ 44 ff SGB X)und die hieran anknüpfende (eingeschränkte) gerichtliche Kontrolle über Anfechtungs- und Verpflichtungsklage als vorrangiger Rechtsschutz zur Verfügung. Dieser würde bei Zulassung einer Feststellungsklage zur weiteren inhaltlichen Überprüfung des konkretisierten Beitragsrechtsverhältnisses unterlaufen, etwa dann, wenn das auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklage hin durchgeführte gerichtliche Verfahren für den Kläger nicht zum Erfolg führt.

28

Die Beklagte hatte mit (Beitrags)Bescheid vom 21.7.2006 (als Dauerverwaltungsakt) die Beitragserhebung zu den einzelnen Versicherungszweigen ab 1.7.2006 - für die Zukunft - bzw das Beitragsrechtsverhältnis für diese Zeit geregelt, dh konkretisiert. Die rechtlichen Fragen, die von den Klägern in den Vordergrund gestellt werden ("Beitragsreduzierung im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder, ggf gestaffelt nach Kinderzahl) können hier vom Gericht - mindestens im gleichen Umfang und mit gleicher Effektivität wie bei einer Feststellungsklage, also gleichwertig - im Wege der gerichtlichen Überprüfung des bestandskräftigen (Beitrags)Bescheides vom 21.7.2006 beantwortet werden. Hält das Gericht im Rahmen der Überprüfung der Ergebnisse eines Korrekturverfahrens der Verwaltung nach § 44 SGB X einen bestandskräftigen belastenden (Beitrags)Verwaltungsakt - wie hier(dazu unten 2. a) - aus einem bestimmten Grund für rechtswidrig und daher von der Einzugsstelle wegen dieses Rechtswidrigkeitsgrundes aufzuheben, so können Kläger, die auf diesem Wege im Anfechtungs- und Verpflichtungsrechtsstreit obsiegen, also mit der Kassation des bestandskräftigen (Beitrags)Verwaltungsaktes durch die Einzugsstelle bekommen, was sie im vorgeschriebenen Verfahren maximal erreichen können, nicht noch mit einer Feststellungsklage verlangen, dass sich das Gericht mit einem anderen (weiteren), nämlich dem von ihnen in den Vordergrund gestellten Rechtswidrigkeitsgrund befasst, dh diesen ebenfalls prüft (und annimmt).

29

Ein Fall, in dem Feststellungsklagen im Beitragsrecht ausnahmsweise als nicht subsidiär neben einer Gestaltungsklage zuzulassen sind, liegt hier nicht vor. Entsprechendes ergibt sich nicht etwa aus früherer Senatsrechtsprechung. Der Senat hat in der Vergangenheit bei Streitigkeiten über die richtige Berechnung von Beiträgen eine - an sich unzulässige - (Elementen)Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG für statthaft gehalten, wenn ein Verwaltungsverfahren stattgefunden, die Anfechtungsklage aber nicht zu einer Sachentscheidung geführt hat(BSG Urteil vom 22.5.1985 - 12 RK 15/83 - BSGE 58, 134, 136 = SozR 2200 § 385 Nr 14 S 56 f, unter Hinweis auf BSG Urteil vom 9.10.1984 - 12 RK 18/83 - BSGE 57, 184, 186 = SozR 2200 § 385 Nr 10 S 40; ferner BSG Urteil vom 30.3.2000 - B 12 KR 13/99 R - SozR 3-2500 § 308 Nr 1 S 3). Ein vergleichbarer Sachverhalt ist vorliegend nicht gegeben. Zum einen betrafen diese Entscheidungen nicht - wie hier - den Fall der gerichtlichen Überprüfung von Ergebnissen eines Korrekturverfahrens der Verwaltung nach § 44 SGB X. Zum anderen führen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage vorliegend - anders als die Anfechtungsklage in den genannten Fällen - zu einer Entscheidung in der Sache, weil der (Beitrags)Bescheid vom 21.7.2006 wegen des Verstoßes der beklagten Beitragseinzugsstelle gegen ihre (materiell-rechtlichen) Befugnisse, feststellende Verwaltungsakte zu erlassen, für materiell rechtswidrig zu halten ist (vgl dazu unten 2. b).

30

cc) Kann das unanfechtbar abgeschlossene, durch die beklagte Einzugsstelle mit (Beitrags)Bescheid vom 21.7.2006 konkretisierte Beitragsrechtsverhältnis über eine Feststellungsklage nicht für weitere inhaltliche Überprüfungen "geöffnet" werden, so könnte sich eine zusätzlich erhobene (dann: vorbeugende) Feststellungsklage hier nur noch darauf richten, die Klärung rechtlicher Fragen im Rahmen des abstrakten "(Beitrags)Rechtsverhältnisses" über Beitragspflicht zu erreichen. Hiermit ist die abstrakte Beitragsrechtsbeziehung gemeint, die sich - ohne schon durch (Beitrags)Bescheid konkretisiert zu sein - allein als gesetzlich angeordnete Folge aus dem Bestehen eines (jeden) Versicherungspflichtverhältnisses ergibt.

31

Eine solche abstrakte Beitragsrechtsbeziehung - als bloßer "Rechtszustand" - erfüllt bereits nicht die Anforderungen, die die Rechtsprechung an die Feststellungsfähigkeit eines einer Feststellungsklage zugänglichen Rechtsverhältnisses (im prozessualen Sinn) stellt (vgl hierzu im Einzelnen Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 55 RdNr 4 ff, mwN). Eine entsprechende Feststellungsklage wäre unstatthaft und damit unzulässig. Soweit ein Beitragsrechtsverhältnis nicht schon in der oben genannten Weise "verdichtet" ist, ist es nicht hinreichend konkret, sodass der notwendige Fallbezug fehlt und eine (vorbeugende) Feststellungsklage lediglich darauf gerichtet wäre, die gerichtliche Klärung einer abstrakten Rechtsfrage bzw die Abgabe eines (verbindlichen) Rechtsgutachtens zu erreichen (vgl hierzu Pietzker in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2016, § 43 RdNr 17 ff, mwN). Eine Feststellungsklage ist nicht zulässig, um Rechtsfragen vom Gericht um ihrer selbst willen - gleichsam theoretisch - beantworten zu lassen. Nichts anderes aber wird begehrt, wenn gerichtlich (vorbeugend) festgestellt werden soll, ob in einem abstrakten "(Beitrags)Rechtsverhältnis" über Beitragspflicht, dh in (einzelnen) zukünftigen Beitragsrechtsverhältnissen, deren Konturen noch unklar sind, Beiträge im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder, ggf gestaffelt nach Kinderzahl, zu mindern wären. Eine solche Feststellungsklage könnte außerdem spätere Streitigkeiten im Rahmen einzelner (dann) konkretisierter Beitragsrechtsverhältnisse aufgrund von Sachverhaltsbesonderheiten oder Veränderungen bei anderen (Beitrags)Berechnungselementen nicht ausschließen.

32

2. Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 S 1 SGB X sind in Bezug auf den (Beitrags)Bescheid der Beklagten vom 21.7.2006 erfüllt.

33

Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

34

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beklagte hat bei Erlass ihres (Beitrags)Bescheides vom 21.7.2006 das Recht unrichtig angewandt (dazu a). Hierauf beruht die Erhebung der Beiträge der Kläger zur GRV, GKV und sPV ab 1.7.2006 (dazu b).

35

a) Mit ihrem Bescheid vom 21.7.2006 hat die Beklagte entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitrags(tragungs)pflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise ("Erläuterungen") zur Bemessung bzw zu Berechnungselementen und zur Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden und diese festgesetzt (vgl auch schon zu einem vergleichbaren Fall BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 24 ff).

36

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Beitragseinzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG Urteil vom 1.7.1999 - B 12 KR 2/99 R - SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber pflichtversicherten Beschäftigten muss die Einzugsstelle bei der Entscheidung über die Beiträge die von ihnen zu tragenden Beitragsanteile konkret festsetzen. Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz oder allgemeine rechtliche Hinweise hierzu - sind für sich genommen nur reine Berechnungs- oder Begründungselemente und regelmäßig durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) nicht isoliert feststellungsfähig. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 f; BSG Urteil vom 15.7.2009 - B 12 KR 14/08 R - SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17; ferner zu einem vergleichbaren Fall schon BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 24 ff).

37

b) Auch die weitere Voraussetzung des Tatbestandes des § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist erfüllt, sodass der (Beitrags)Bescheid vom 21.7.2006 zurückzunehmen ist.

38

Voraussetzung für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes ist nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X außerdem ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem als rechtswidrig erachteten Verwaltungsakt und der Erhebung von Beiträgen ("… und soweit deshalb …"). Dazu ist eine regelnde Wirkung des Verwaltungsaktes für die fragliche Beitragsposition erforderlich, die ua gegeben ist, wenn durch den Verwaltungsakt oder aufgrund des Verwaltungsaktes eine Beitragszahlungspflicht festgestellt wird; materiell-rechtlich muss dann eine auf dieser Feststellung beruhende Beitragserhebung hinzukommen (BSG Urteil vom 8.10.2014 - B 3 KS 6/13 R - SozR 4-5425 § 24 Nr 14 RdNr 13, unter Hinweis auf Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, RdNr 16, und BSG Urteil vom 30.1.2001 - B 3 KR 1/00 R - SozR 3-5425 § 2 Nr 11).

39

In diesem Sinne beruht die Erhebung der Beiträge der Kläger zur GRV, GKV und sPV ab 1.7.2006 materiell auf dem Bescheid vom 21.7.2006, weil sich dieser mindestens im Ergebnis (vgl hierzu Schütze, aaO, § 44 RdNr 17; ferner - zum Begriff der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes iS von § 44 Abs 1 S 1 SGB X - Steinwedel in KasselerKomm, Stand Juli 2017, § 44 RdNr 33 ff) auf die Beitragserhebung ab diesem Zeitpunkt auswirkte. Die unzutreffende Bewertung ihrer (materiell-rechtlichen) Befugnis, welche Umstände sie im Rahmen einer Entscheidung als Einzugsstelle über die Beitragshöhe als feststellungsfähig erachten darf und welche nicht, stellt einen Verstoß der Beklagten gegen das materielle Recht dar. Gegen die Annahme eines solchen ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Bescheid vom 21.7.2006 und der Erhebung der Beiträge ab 1.7.2006 kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, der Bescheid könne wegen seiner Beschränkung auf allgemeine rechtliche Hinweise zur Beitragsbemessung bzw zu Berechnungselementen nicht die - geforderte - regelnde Wirkung entfalten. Denn aus dem Bescheid vom 21.7.2006 und den Umständen seines Erlasses war für die Kläger jedenfalls objektiv erkennbar, dass eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung über die ab 1.7.2006 zu entrichtenden Beiträge zur GRV, GKV und sPV (= vollumfängliche Beitragszahlungspflicht) von der Beklagten gewollt war. Allein hierauf kommt es für die Annahme einer beitragsregelnden Wirkung und infolgedessen eines Kausalzusammenhangs zwischen rechtswidrigem (Beitrags)Bescheid und Beitragserhebung im Kontext des § 44 Abs 1 S 1 SGB X an(vgl schon - zu den Rechtswirkungen eines Bescheides des Rentenversicherungsträgers über einzelne Voraussetzungen der Rentenversicherungspflicht - BSG Urteil vom 24.11.2005 - B 12 KR 18/04 R - SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 16 ff; auch BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 36, und BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77 RdNr 23).

40

3. Nach alledem hat die Revision der Kläger Erfolg, weil die im Überprüfungsverfahren ergangenen Bescheide der Beklagten aufzuheben sind und die Beklagte verpflichtet ist, ihren Bescheid vom 21.7.2006 zurückzunehmen. Er war insoweit (bereits) deshalb rechtswidrig, weil sich die Beklagte darin nicht auf allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung bzw zu Berechnungselementen und zur Tragung der Sozialversicherungsbeiträge beschränken durfte, sondern über die (konkrete) Beitragshöhe entscheiden musste.

41

Die von den Klägern aufgeworfenen - verfassungsrechtlichen - Fragen der Beitragserhebung bei Eltern mit mehreren Kindern im Hinblick auf einen hierdurch bedingten höheren Betreuungs- und Erziehungsaufwand, ggf gestaffelt nach Kinderzahl, kann und darf der Senat hier infolgedessen nicht (mehr) beantworten. Darauf, dass eine rechtliche Überprüfung im vorliegenden Rechtsstreit wegen der Einbindung in ein Überprüfungsverfahren nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X nicht in vollem Umfang, dh nicht in jeder Hinsicht, gewährleistet sein könnte, sind die Kläger bereits mit Aufklärungsverfügungen des (früheren) Senatsvorsitzenden vom 3.7.2014 und 7.11.2016 hingewiesen worden.

42

Die hierzu vom Senat vertretene Auffassung verletzt nicht das in Art 19 Abs 4 GG enthaltene Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Der aus Art 19 Abs 4 GG folgenden Pflicht, angefochtene Verwaltungsentscheidungen vollständig nachzuprüfen (vgl zuletzt etwa BVerfG Beschluss vom 31.5.2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1, 20 mwN), kommt der Senat im Rahmen der Prüfungsvorgaben, die ihm der Gesetzgeber für die Durchführung der Rechtskontrolle bei im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X ergangenen Verwaltungsentscheidungen zur Verfügung gestellt hat und die ihrerseits verfassungsmäßig sind, nach.

43

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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Bundessozialgericht Urteil, 20. Juli 2017 - B 12 KR 13/15 R zitiert 21 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Einkommensteuergesetz - EStG | § 32 Kinder, Freibeträge für Kinder


(1) Kinder sind1.im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,2.Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken i

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 31 Begriff des Verwaltungsaktes


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemei

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(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. (2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gese

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(1) Mit der Klage kann begehrt werden 1. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,2. die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,3. die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörun

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 10 Familienversicherung


(1) Versichert sind der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern sowie die Kinder von familienversicherten Kindern, wenn diese Familienangehörigen 1. ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben,2. nicht nach § 5 Abs.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 226 Beitragspflichtige Einnahmen versicherungspflichtig Beschäftigter


(1) Bei versicherungspflichtig Beschäftigten werden der Beitragsbemessung zugrunde gelegt1.das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung,2.der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung,3.der Zahlbetrag der der Ren

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 28h Einzugsstellen


(1) Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die Einzugsstelle überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Beitragsansprüche, die nicht recht

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 223 Beitragspflicht, beitragspflichtige Einnahmen, Beitragsbemessungsgrenze


(1) Die Beiträge sind für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt. (2) Die Beiträge werden nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Für die Berechnung ist die Woche zu

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 54 Grundsatz


(1) Die Mittel für die Pflegeversicherung werden durch Beiträge sowie sonstige Einnahmen gedeckt. (2) Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgren

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 161 Grundsatz


(1) Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen. (2) Beitragsbemessungsgrundlage für freiwillig Versicherte ist jeder Betrag zwischen der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage (§ 167) und der Beitra

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 157 Grundsatz


Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird.

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Tenor Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

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Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Oktober 2009 aufgehoben.
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Bundessozialgericht Urteil, 20. Juli 2017 - B 12 KR 14/15 R

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Tenor Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Juni 2010 geändert.

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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

(1) Versichert sind der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern sowie die Kinder von familienversicherten Kindern, wenn diese Familienangehörigen

1.
ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben,
2.
nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, 2, 2a, 3 bis 8, 11 bis 12 oder nicht freiwillig versichert sind,
3.
nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit sind; dabei bleibt die Versicherungsfreiheit nach § 7 außer Betracht,
4.
nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und
5.
kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches überschreitet; bei Abfindungen, Entschädigungen oder ähnlichen Leistungen (Entlassungsentschädigungen), die wegen der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses in Form nicht monatlich wiederkehrender Leistungen gezahlt werden, wird das zuletzt erzielte monatliche Arbeitsentgelt für die der Auszahlung der Entlassungsentschädigung folgenden Monate bis zu dem Monat berücksichtigt, in dem im Fall der Fortzahlung des Arbeitsentgelts die Höhe der gezahlten Entlassungsentschädigung erreicht worden wäre; bei Renten wird der Zahlbetrag ohne den auf Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten entfallenden Teil berücksichtigt; für Familienangehörige, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder § 8a des Vierten Buches in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 1 des Vierten Buches ausüben, ist ein regelmäßiges monatliches Gesamteinkommen bis zur Geringfügigkeitsgrenze zulässig.
Eine hauptberufliche selbständige Tätigkeit im Sinne des Satzes 1 Nr. 4 ist nicht deshalb anzunehmen, weil eine Versicherung nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte vom 29. Juli 1994 (BGBl. I S. 1890, 1891) besteht. Ehegatten und Lebenspartner sind für die Dauer der Schutzfristen nach § 3 des Mutterschutzgesetzes sowie der Elternzeit nicht versichert, wenn sie zuletzt vor diesen Zeiträumen nicht gesetzlich krankenversichert waren.

(2) Kinder sind versichert

1.
bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres,
2.
bis zur Vollendung des dreiundzwanzigsten Lebensjahres, wenn sie nicht erwerbstätig sind,
3.
bis zur Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder ein freiwilliges soziales Jahr oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes leisten; wird die Schul- oder Berufsausbildung durch Erfüllung einer gesetzlichen Dienstpflicht des Kindes unterbrochen oder verzögert, besteht die Versicherung auch für einen der Dauer dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum über das fünfundzwanzigste Lebensjahr hinaus; dies gilt auch bei einer Unterbrechung oder Verzögerung durch den freiwilligen Wehrdienst nach § 58b des Soldatengesetzes, einen Freiwilligendienst nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz, dem Jugendfreiwilligendienstegesetz oder einen vergleichbaren anerkannten Freiwilligendienst oder durch eine Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes für die Dauer von höchstens zwölf Monaten; wird als Berufsausbildung ein Studium an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule abgeschlossen, besteht die Versicherung bis zum Ablauf des Semesters fort, längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres; § 186 Absatz 7 Satz 2 und 3 gilt entsprechend,
4.
ohne Altersgrenze, wenn sie als Menschen mit Behinderungen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches) außerstande sind, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, daß die Behinderung zu einem Zeitpunkt vorlag, in dem das Kind innerhalb der Altersgrenzen nach den Nummern 1, 2 oder 3 familienversichert war oder die Familienversicherung nur wegen einer Vorrangversicherung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 ausgeschlossen war.

(3) Kinder sind nicht versichert, wenn der mit den Kindern verwandte Ehegatte oder Lebenspartner des Mitglieds nicht Mitglied einer Krankenkasse ist und sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt und regelmäßig höher als das Gesamteinkommen des Mitglieds ist; bei Renten wird der Zahlbetrag berücksichtigt.

(4) Als Kinder im Sinne der Absätze 1 bis 3 gelten auch Stiefkinder und Enkel, die das Mitglied überwiegend unterhält oder in seinen Haushalt aufgenommen hat, sowie Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches). Kinder, die mit dem Ziel der Annahme als Kind in die Obhut des Annehmenden aufgenommen sind und für die die zur Annahme erforderliche Einwilligung der Eltern erteilt ist, gelten als Kinder des Annehmenden und nicht mehr als Kinder der leiblichen Eltern. Stiefkinder im Sinne des Satzes 1 sind auch die Kinder des Lebenspartners eines Mitglieds.

(5) Sind die Voraussetzungen der Absätze 1 bis 4 mehrfach erfüllt, wählt das Mitglied die Krankenkasse.

(6) Das Mitglied hat die nach den Absätzen 1 bis 4 Versicherten mit den für die Durchführung der Familienversicherung notwendigen Angaben sowie die Änderung dieser Angaben an die zuständige Krankenkasse zu melden. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen legt für die Meldung nach Satz 1 ein einheitliches Verfahren und einheitliche Meldevordrucke fest.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

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3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

94

Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird.

(1) Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen.

(2) Beitragsbemessungsgrundlage für freiwillig Versicherte ist jeder Betrag zwischen der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage (§ 167) und der Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Beiträge sind für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt.

(2) Die Beiträge werden nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Für die Berechnung ist die Woche zu sieben, der Monat zu dreißig und das Jahr zu dreihundertsechzig Tagen anzusetzen.

(3) Beitragspflichtige Einnahmen sind bis zu einem Betrag von einem Dreihundertsechzigstel der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 für den Kalendertag zu berücksichtigen (Beitragsbemessungsgrenze). Einnahmen, die diesen Betrag übersteigen, bleiben außer Ansatz, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt.

(1) Die Mittel für die Pflegeversicherung werden durch Beiträge sowie sonstige Einnahmen gedeckt.

(2) Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55) erhoben. Die Beiträge sind für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt. Für die Berechnung der Beiträge ist die Woche zu sieben, der Monat zu 30 und das Jahr zu 360 Tagen anzusetzen.

(3) Die Vorschriften des Zwölften Kapitels des Fünften Buches gelten entsprechend.

(1) Bei versicherungspflichtig Beschäftigten werden der Beitragsbemessung zugrunde gelegt

1.
das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung,
2.
der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung,
3.
der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge),
4.
das Arbeitseinkommen, soweit es neben einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder Versorgungsbezügen erzielt wird.
Dem Arbeitsentgelt steht das Vorruhestandsgeld gleich. Bei Auszubildenden, die in einer außerbetrieblichen Einrichtung im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz ausgebildet werden, steht die Ausbildungsvergütung dem Arbeitsentgelt gleich.

(2) Die nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu bemessenden Beiträge sind nur zu entrichten, wenn die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 insgesamt ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches übersteigen. Überschreiten die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 insgesamt ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches, ist von den monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach § 229 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 ein Freibetrag in Höhe von einem Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches abzuziehen; der abzuziehende Freibetrag ist der Höhe nach begrenzt auf die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen nach § 229 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5; bis zum 31. Dezember 2020 ist § 27 Absatz 1 des Vierten Buches nicht anzuwenden. Für die Beitragsbemessung nach dem Arbeitseinkommen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 gilt § 240 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 4a entsprechend.

(3) Für Schwangere, deren Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 2 erhalten bleibt, gelten die Bestimmungen der Satzung.

(4) Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die gegen ein monatliches Arbeitsentgelt bis zum oberen Grenzbetrag des Übergangsbereichs (§ 20 Absatz 2 des Vierten Buches) mehr als geringfügig beschäftigt sind, bestimmt sich die beitragspflichtige Einnahme nach § 20 Absatz 2a Satz 1 des Vierten Buches.

(5) Für Personen, für die § 7 Absatz 2 Anwendung findet, bestimmt sich die beitragspflichtige Einnahme nach § 134 des Vierten Buches.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Mit der Klage kann begehrt werden

1.
die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,
2.
die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,
3.
die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist,
4.
die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts,
wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

(2) Unter Absatz 1 Nr. 1 fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind.

(3) Mit Klagen, die sich gegen Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch richten, kann die Feststellung begehrt werden, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Oktober 2009 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen aus laufenden Leistungen, die der Kläger aus den französischen Zusatzalterssicherungssystemen AGIRC und ARRCO erhält.

2

Der 1940 geborene Kläger bezieht seit Oktober 2000 eine Rente der (deutschen) gesetzlichen Rentenversicherung und ist seit 1.4.2002 als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Daneben erhält er von der Alterssicherungskasse CNAV eine Rente der allgemeinen französischen Rentenversicherung sowie von den Trägerorganisationen CIRCACIC und IREPS jeweils laufende Leistungen aus den Zusatz-Alterssicherungssystemen AGIRC und ARRCO (im Folgenden: französische Zusatzrenten). Die französischen Zusatzrenten machten im April 2002 (ohne die französische Rente) etwa drei Viertel seines Gesamtalterseinkommens aus.

3

Mit Bescheid vom 27.3.2002 stellte die beklagte AOK die Versicherungspflicht des Klägers als Rentner in der Kranken- und Pflegeversicherung ab 1.4.2002 fest und führte ua aus: "Für Ihre Beitragsbelastung ab 01.04.2002 gilt Folgendes: Die Zusatzrenten von IREPS und CIRCACIC (beide aus Frankreich) unterliegen als betriebliche Zusatzrenten der Beitragspflicht." Mit Bescheid vom 11.4.2002 setzte die Beklagte Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge aus diesen Leistungen ab 1.4.2002 fest und übernahm die genannten Ausführungen zu deren Beitragspflicht als "betriebliche Zusatzrenten" wortgleich aus dem vorangegangenen Schreiben. Mit dem nachfolgenden Bescheid vom 26.2.2003 setzte die Beklagte die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge wegen Änderungen in der Beitragsbemessungsgrundlage ab 1.4.2002 neu fest. Im Hinblick auf die zum 1.1.2004 wirksam werdenden, auf dem GKV-Modernisierungsgesetz beruhenden Rechtsänderungen teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 2.12.2003 ua mit, dass Krankenversicherungsbeiträge aus Versorgungsbezügen ab 1.1.2004 unter Berücksichtigung des vollen allgemeinen Beitragssatzes zu berechnen seien. Unter Bezugnahme hierauf wandte sich der Kläger gegen die "Erhöhung des monatlichen Beitragssatzes um ca 100 %" für seine französischen Zusatzrenten ab 1.1.2004 und bat die Beklagte um Bestätigung, dass für diese "nur die Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes" gelte. Zur Begründung führte er ua aus, dass es sich bei den französischen Zusatzrenten nicht um Betriebsrenten oder ähnliche Versorgungsbezüge handele (Schreiben des Klägers vom 21.1.2004). Die Beklagte reagierte darauf mit Schreiben vom 2.2.2004, betonte, dass es sich bei den französischen Zusatzrenten um Versorgungsbezüge iS des § 229 SGB V handele, und fügte hinzu, dass dies "bereits seit Jahren mehrfach besprochen" sei, sich "an dieser Rechtsauslegung" auch zum 1.1.2004 "nichts geändert" habe und es deshalb bei der Beitragsberechnung … "verbleibe". Der Kläger erhob gegen die "neue Beitragsberechnung des (vollen) Beitragssatzes für die französischen Zusatzrenten" unter Bezugnahme auf dieses Schreiben Widerspruch und bat die Beklagte, von dieser "außerordentlich hohen Mehrbelastung (Verdoppelung des Beitrags …) Abstand zu nehmen" (Widerspruch vom 9.2.2004). Mit Bescheid vom 3.3.2004 setzte die Klägerin die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge wegen Veränderungen der Beitragsbemessungsgrundlage ab 1.1.2003 und unter Berücksichtigung des vollen allgemeinen Beitragssatzes ab 1.1.2004 neu fest. Der Kläger wandte sich daraufhin erneut "gegen die Beitragsberechnung ab 1.1.2004" und trug ua vor, dass es sich bei seinen französischen Zusatzrenten "nicht um Versorgungsbezüge ähnlich wie in Deutschland die Betriebsrenten, sondern um gesetzliche Renten und gesetzliche Zusatzrenten …" handele (Widerspruch vom 15.3.2004).

4

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.5.2004 wies die Beklagte den wegen der "Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge aus Versorgungsbezügen mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz ab 1.1.2004" erhobenen Widerspruch des Klägers zurück. Bei den französischen Zusatzrenten handele es sich um Versorgungsbezüge iS des § 229 SGB V. Das sei bereits durch bestandskräftigen Bescheid festgestellt und dem Kläger mit Schreiben vom 2.2.2004 später nochmals erläutert worden. Die Krankenversicherungsbeiträge habe sie ab 1.1.2004 zutreffend nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz erhoben.

5

Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 11.4.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004 aufzuheben. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge mit Bescheid vom 14.4.2005 wegen Änderungen in der Beitragsbemessungsgrundlage ab 1.1.2004 neu festgesetzt. Mit Urteil vom 19.12.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LSG mit Urteil vom 20.10.2009 das erstinstanzliche Urteil sowie die "Bescheide" der Beklagten vom 11.4.2002, 2.2.2004 und 3.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2005 und den Bescheid vom 14.4.2005 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Weil die Beklagte unter dem 2.2.2004 über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten als Versorgungsbezüge erneut entschieden habe, könne das im Gerichtsverfahren überprüft werden. Die Zusatzrenten unterlägen allerdings nicht der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, sodass Beiträge zu diesen Sozialversicherungszweigen für die streitige Zeit vom 1.4.2002 bis 28.2.2005 nicht hätten erhoben werden dürfen. Beitragspflicht bestehe deshalb nicht, weil französische Zusatzrenten, wie sie der Kläger beziehe, wegen einer Notifizierung der französischen Regierung unter Bezugnahme auf Art 1 Buchst j der EWGV 1408/71 Leistungen nach Art 4 Abs 1 Buchst c EWGV 1408/71 und damit ihrer Art nach Renten darstellten, die in der deutschen Krankenversicherung nicht verbeitragt werden dürften.

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 229 Abs 1 S 1 Nr 5, S 2 SGB V. Bei seiner Abgrenzung der Renten von den Versorgungsbezügen habe das LSG Art 4 Abs 1 Buchst c EWGV 1408/71 fehlerhaft ausgelegt. Diese Vorschrift bezwecke lediglich die Festlegung des sachlichen Geltungsbereichs der Verordnung. Für die Einordnung und Bewertung der französischen Zusatzrenten als gesetzliche Renten oder Versorgungsbezüge besage sie indessen nichts. Insoweit komme es für die Beurteilung als beitragspflichtige Einnahmen - auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH - allein auf das nationale, hier das deutsche Sozialversicherungsrecht an. Nach deutschem Recht seien aber alle Voraussetzungen für die Annahme erfüllt, dass es sich bei den Zusatzrenten um Versorgungsbezüge iS des § 229 SGB V handele.

7

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20.10.2009 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.12.2005 zurückzuweisen.

8

Der Kläger stellt keinen Antrag und äußert sich auch in der Sache nicht.

9

Mit Schreiben vom 7.12.2011 hat der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass Bedenken bestehen, ob über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) im vorliegenden Revisionsverfahren inhaltlich (überhaupt) noch zu entscheiden ist.

10

Unter dem 14.2.2012 hat die Beklagte die angefochtenen Ausgangsbescheide aufgehoben, soweit darin auch Pflegeversicherungsbeiträge festgesetzt wurden.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet, sodass das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen war. Hierüber durfte der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 165, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG) entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

12

1. Im Revisionsverfahren zu überprüfen ist der Bescheid der Beklagten vom 11.4.2002, daneben das vom LSG als Bescheid angesehene - mit Widerspruch vom 9.2.2004 angefochtene - Schreiben der Beklagten vom 2.2.2004 und der - mit Widerspruch vom 15.3.2004 angefochtene - Bescheid vom 3.3.2004, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004. Nachdem der Klageantrag das Schreiben vom 2.2.2004 und den Bescheid vom 3.3.2004 ursprünglich nicht umfasst und das SG hierüber auch nicht befunden hatte, hat das Berufungsgericht diese - bei Zugrundelegung des Schreibens vom 2.2.2004 als Bescheid - zutreffend in sein Verfahren einbezogen. Der Senat kann dabei offenlassen, ob eine Einbeziehung solcher Ausgangsbescheide im Wege einer bloßen Klarstellung des Streitgegenstands erfolgt, als Erweiterung des Klageantrags nach § 99 Abs 3 Nr 2 SGG oder als Klageänderung. Jedenfalls hat die Beklagte in deren Einbeziehung eingewilligt, diese war auch sachdienlich.

13

Zu beurteilen ist ferner der Bescheid der Beklagten vom 14.4.2005. Dieser bereits während des Klageverfahrens ergangene, vom SG aber nicht berücksichtigte Bescheid ist nach § 96 Abs 1 SGG in seiner bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung Verfahrensgegenstand geworden, weil er den vorangegangenen Bescheid der Beklagten vom 3.3.2004 über die Beitragsfestsetzung aus den französischen Zusatzrenten für die Zeit ab 1.1.2004 ersetzt.

14

Ob die Festsetzung von Beiträgen aus den französischen Zusatzrenten rechtmäßig ist, ist lediglich für den Zeitraum vom 1.4.2002 (Beginn der Versicherungspflicht) bis 28.2.2006 zu prüfen, nachdem sich die Beklagte in einem in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren geschlossenen Teilvergleich dazu verpflichtet hat, die "ab 2006 ergangenen Beitragsbescheide" entsprechend dem Ausgang des Rechtsstreits erneut zu überprüfen, und der Kläger sein Begehren insoweit beschränkt hat. Der revisionsgerichtlichen Beurteilung unterliegt auch nur (noch) die Festsetzung der Krankenversicherungsbeiträge, nachdem die Beklagte im Revisionsverfahren ihre (Beitrags)Bescheide hinsichtlich der Festsetzung der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung aufgehoben hat.

15

2. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Das SG hat die gegen die Bescheide der Beklagten erhobene Anfechtungsklage im Ergebnis zutreffend abgewiesen. Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 11.4.2002 (dazu a) und ihr Schreiben vom 2.2.2004 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004) (dazu b) erhobene Klage ist allerdings bereits unzulässig. Zulässig, aber unbegründet ist demgegenüber die Klage gegen den Bescheid vom 3.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004 und den in das Gerichtsverfahren einbezogenen Bescheid vom 14.4.2005 (dazu c).

16

a) Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 11.4.2002 gerichtete Anfechtungsklage ist unzulässig. Der Bescheid, der neben der (ersten) Beitragsfestsetzung für die Zeit ab 1.4.2002 auch den Passus enthält: "Wie bereits bekannt, gilt für Ihre Beitragsbelastung ab 01.04.2002 Folgendes: … Die Zusatzrenten von IREPS und CIRCACIC (beide aus Frankreich) unterliegen als betriebliche Zusatzrenten der Beitragspflicht", war im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits (formell) bestandskräftig. Gegen den Bescheid, dem eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigefügt war, wurden nämlich innerhalb der Jahresfrist des § 66 Abs 2 SGG Rechtsbehelfe nicht eingelegt.

17

Der Senat kann offenlassen, ob die Beklagte mit diesem oder bereits dem früheren - hier nicht angefochtenen - Bescheid vom 27.3.2002 oder mit beiden Bescheiden (auch) über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten entschieden hat, was zur Folge hätte, dass der Bescheid vom 11.4.2002 jenen nur wiederholte oder eine weitere neue Sachentscheidung darstellte. Denn auch der Bescheid vom 27.3.2002 war - mangels fristgerechter Einlegung eines Rechtsbehelfs - (formell) bestandskräftig. Die weiteren vom Kläger angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 3.3.2004 und 14.4.2005 enthielten demgegenüber nur noch Beitrags(neu)festsetzungen infolge veränderter Beitragsbemessungsgrundlagen bzw veränderten Beitragssatzes.

18

Die Beklagte hat damit dem Kläger gegenüber eigenständig und mit bindender Wirkung (§ 77 SGG) festgestellt, dass die französischen Zusatzrenten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) iS des § 229 Abs 1 SGB V anzusehen sind und deshalb der Beitragspflicht zur Krankenversicherung unterliegen. Zwar hat sie sich bei dieser Feststellung insoweit auf ein einzelnes Element des Beitrags(tragungs)tatbestandes beschränkt. Das ist jedoch nicht zu beanstanden. Grundsätzlich dürfen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung eine einzelne Größe zur Bemessung des Krankenversicherungsbeitrags nicht für sich zum Gegenstand eines feststellenden Verwaltungsakts machen (vgl BSG Urteil vom 10.5.2006 - B 12 KR 5/05 R, juris RdNr 9). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl BSGE 70, 105, 106 f = SozR 3-2500 § 229 Nr 1 S 2 f; ferner BSGE 58, 10 = SozR 2200 § 180 Nr 25 und SozR aaO, Nr 38)ist jedoch - in Abweichung hiervon - die Beitragspflicht von Einnahmen als Element des Beitrags(tragungs)tatbestandes gesondert feststellungsfähig.

19

Die gegen den bestandskräftigen feststellenden Verwaltungsakt über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten erhobene Klage ist nicht deshalb (gleichwohl) zulässig, weil die Beklagte über einen hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 17.5.2004 in der Sache entschieden hätte, dadurch eine "Heilung" der Fristversäumung eingetreten und ein (Rechtsbehelfs)Verfahren zur Überprüfung der Beitragspflicht (wieder) "eröffnet" worden wäre. Ein solches - als verfristeter Widerspruch auszulegendes - Überprüfungsbegehren des Klägers ist nicht erkennbar. Es könnte allenfalls in seinem Schreiben vom 21.1.2004 gesehen werden. Mit diesem hat sich der Kläger jedoch - wenn auch unter Hinweis auf das Fehlen der Beitragspflicht als einer der (Grund)Voraussetzungen der Beitragserhebung - (explizit) nur zu der Mitteilung der Beklagten vom 2.12.2003 geäußert, dass Beiträge aus Versorgungsbezügen ab Januar 2004 nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz zu berechnen seien. Dieses Verständnis liegt auch dem Widerspruchsbescheid vom 17.5.2004 zugrunde. Denn mit ihm hat die Beklagte vom Standpunkt des Klägers aus unter Berücksichtigung seines objektiven Erklärungswerts keine Überprüfung ihrer Feststellungen zur Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten im Rechtsbehelfsverfahren vorgenommen, sondern sich allein auf den Hinweis zur Bestandskraft (ihres Bescheides vom 11.4.2002) beschränkt.

20

b) Die Anfechtungsklage ist auch unzulässig, soweit sie sich gegen das vom LSG als Bescheid angesehene Schreiben der Beklagten vom 2.2.2004 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004) richtet. Weil das Schreiben keinen Verwaltungsakt enthält und der Kläger aufgrund der Begleitumstände dieses Schreibens auch nicht davon ausgehen musste - und wie sich aus seinen Widersprüchen vom 9.2.2004 und 15.3.2004 ergibt (dazu unten) - tatsächlich auch nicht davon ausgegangen ist, dass hiermit von der Beklagten einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellungen gewollt waren (zur Statthaftigkeit der Anfechtungsklage in solchen Fällen vgl BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 16; Urteil des Senats vom 10.5.2006 - B 12 KR 5/05 R, juris RdNr 9), ist die Anfechtungsklage nicht statthaft. Weder handelt es sich bei dem Schreiben vom 2.2.2004 nämlich um eine weitere neue Sachentscheidung der Beklagten über die Feststellung der Beitragspflicht, die ein Verfahren zur Überprüfung der Beitragspflicht insoweit (neu) "eröffnete", noch hat die Beklagte unter dem 2.2.2004 auf einen nach § 44 SGB X gestellten Antrag des Klägers die Aufnahme eines entsprechenden Überprüfungsverfahrens abgelehnt oder nach Aufnahme und erneuter Sachentscheidung einen für den Kläger negativen Zweitbescheid erlassen. In diesen Fällen fehlte für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage im Zweifel auch das Vorverfahren (dazu unten).

21

Der vom Berufungsgericht hierzu vertretenen Auffassung folgt der Senat nicht, weil die Bewertung des Schriftverkehrs zwischen dem Kläger und der Beklagten insoweit zu einem anderen Ergebnis führt. Zum einen wollte der Kläger mit seinem Schreiben vom 21.1.2004 keine Überprüfung - und zwar auch keine solche nach § 44 SGB X - erreichen(dazu oben a). Zum anderen befand die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 2.2.2004 vom Standpunkt des Klägers aus unter Berücksichtigung des objektiven Erklärungswerts dieses Schreibens nicht über einen solchen Überprüfungsantrag und traf auch keine neue Sachentscheidung über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten. Sie teilte vielmehr (nur) - unter Hinweis auf zurückliegende Korrespondenz - mit, dass sich an ihrer Auslegung "nichts geändert" habe und es deshalb bei der Beitragserhebung "verbleibe". Der Senat ist im Revisionsverfahren befugt, den Inhalt von Verwaltungsakten (und Schreiben) selbstständig - und damit auch abweichend von den Vorinstanzen - auszulegen, dh, die sich aus ihnen ergebenden Rechtsfolgen selbstständig zu bestimmen, etwa soweit es um die vollständige Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände und die Beachtung der gesetzlichen Auslegungsregeln geht (stRspr des BSG, vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 162 RdNr 3b mwN; BSGE 48, 56, 58 f = SozR 2200 § 368a Nr 5).

22

Ebenso wenig hat die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid vom 17.5.2004 - was abschließend zu prüfen ist - in der Sache über die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten entschieden. Sie hat also auch insoweit das Verfahren nicht (wieder) "eröffnet". Vom Standpunkt des Klägers aus unter Berücksichtigung seines objektiven Erklärungswerts ist im Widerspruchsbescheid (selbst) weder eine weitere neue Sachentscheidung über die Beitragspflicht getroffen worden noch enthält dieser (selbst) eine Entscheidung im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X. Abgesehen davon, dass sich die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid darauf beschränkt hat, die Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten als bestandskräftig festgestellt zu bezeichnen, und ihr Schreiben vom 2.2.2004 als (bloßes) Erläuterungsschreiben vorgestellt hat (und solche Entscheidungen von ihr als Widerspruchsbehörde auch gar nicht getroffen werden dürften), hat sich der Kläger mit seinen Widersprüchen vom 9.2.2004 und 15.3.2004 gegen die Beitragspflicht dieser Einnahmen auch (gar) nicht gewandt. Weil er sich dort jedenfalls mit der Anwendung des halben allgemeinen Beitragssatzes auf diese Einnahmen einverstanden erklärt hat, hat er deren Beitragspflicht akzeptiert.

23

c) Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 3.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004 und den in das Gerichtsverfahren einbezogenen Bescheid vom 14.4.2005 erhobene Anfechtungsklage ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

24

In diesen Bescheiden hat die Beklagte, ohne sich mit der Beitragspflicht der französischen Zusatzrenten als (Grund)Voraussetzung der Beitragserhebung ein wiederholtes Mal - im Wege einer neuer Sachentscheidung oder in einem Überprüfungsverfahren - zu befassen, über (die) weitere(n) Elemente des Beitrags(tragungs)tatbestandes entschieden und die Krankenversicherungsbeiträge für die Zeit ab 1.3.2003 bzw 1.1.2004 wegen Veränderungen in der Beitragsbemessungsgrundlage und unter Berücksichtigung des vollen allgemeinen Beitragssatzes neu festgesetzt. Die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen ab 1.1.2004 in Anwendung des vollen allgemeinen Beitragssatzes, die der Kläger im Rahmen seines um die Höhe der Beiträge geführten Rechtsstreits allein beanstandet, ist indessen rechtmäßig. Zutreffend hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 3.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.5.2004 und dem Bescheid vom 14.4.2005 die aus den französischen Zusatzrenten vom Kläger zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge unter Berücksichtigung der auf (beitragspflichtige) Versorgungsbezüge ab 1.1.2004 anzuwendenden Vorschrift des § 248 SGB V ermittelt. - Soweit es die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen für den vorangegangenen Zeitraum - vom 1.4.2002 bis 31.12.2002 - betrifft, ist die Beitragsfestsetzung vom Kläger (allerdings) schon deshalb hinzunehmen, weil der (Beitrags)Bescheid vom 11.4.2002 und der - hier nicht angefochtene - (Beitrags)Bescheid vom 26.2.2003 - wie bereits erörtert (dazu oben a) - (formell) bestandskräftig geworden sind.

25

Nach § 248 S 1 SGB V in der im streitigen Zeitraum maßgebenden, unverändert geltenden Fassung des Art 1 Nr 148 Buchst a des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) gilt bei Versicherungspflichtigen - und damit auch bei Rentnern (§ 237 SGB V iVm § 226 Abs 1 S 1 Nr 3 und § 229 SGB V) -für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen der jeweils am 1. Juli geltende allgemeine Beitragssatz ihrer Krankenkasse für das folgende Kalenderjahr. Gegen die Berechnung des Betrags aus den französischen Zusatzrenten in Anwendung dieser Vorschrift und unter Beachtung des satzungsmäßigen allgemeinen Beitragssatzes hat der Kläger Einwendungen nicht erhoben. Die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen aus Versorgungsbezügen nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz ist auch in Ansehung des vom Kläger behaupteten "drastischen" und "unvorhergesehenen" Eingriffs in seine Alterssicherung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

26

§ 248 S 1 SGB V hat faktisch eine Verdoppelung der bei versicherungspflichtigen Rentnern aus den Versorgungsbezügen zu zahlenden Beiträge gegenüber dem bis zum 31.12.2003 geltenden Recht bewirkt, denn nach § 248 SGB V in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung galt bei Versicherungspflichtigen für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen nur die Hälfte des jeweils am 1. Juli geltenden allgemeinen Beitragssatzes ihrer Krankenkasse. Weil nach § 250 Abs 1 Nr 1 SGB V in seiner unveränderten Fassung die Beiträge weiterhin allein vom Mitglied zu tragen sind, trifft die Erhöhung im wirtschaftlichen Ergebnis allein das Mitglied und verdoppelt dessen Beitragslast aus Versorgungsbezügen.

27

Versorgungsbezüge sind in der Krankenversicherung bei Versicherungspflichtigen wie bei freiwillig Versicherten seit 1983 beitragspflichtige Einnahmen (vgl § 180 Abs 5 bis 8 RVO idF des Rentenanpassungsgesetzes 1982 vom 1.12.1981, BGBl I 1205). Wie der Senat bereits in früheren Entscheidungen (vgl Urteile des Senats vom 24.8.2005 - B 12 KR 29/04 R - SozR 4-2500 § 248 Nr 1, vom 10.5.2006, ua B 12 KR 5/05 R - USK 2006-25, B 12 KR 7/05 R - WzS 2007, 155 - und B 12 KR 21/05 R - WzS 2007, 155, sowie vom 13.6.2007 - B 12 KR 18/06 R - USK 2007-12) - an denen er festhält - ausgeführt hat, ist er nicht davon überzeugt, dass § 248 SGB V verfassungswidrig ist. Insbesondere hat er dargelegt, dass sich an der Zumutbarkeit der jetzigen Beitragslast auf Versorgungsbezüge nichts ändert, wenn die Belastung von Versorgungsbeziehern im Einzelfall - wie hier - aufgrund eines höheren Anteils der Versorgung am individuellen Arbeitseinkommen höher ist. Er hat auch weder eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Verhältnis zu freiwillig versicherten Rentenbeziehern gesehen noch einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG angenommen, soweit nach § 248 S 2 SGB V für Versorgungsbezüge iS von § 229 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB V, dh Renten und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte, weiterhin nur der halbe allgemeine Beitragssatz gilt. Weiter hat der Senat weder die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG als verletzt angesehen noch die Verdoppelung der Beitragslast auf Versorgungsbezüge als Verletzung des Art 2 Abs 1 GG iVm dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes bewertet. Das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 28.2.2008 (1 BvR 2137/06 - SozR 4-2500 § 248 Nr 3) die Verfassungsbeschwerden gegen die Entscheidungen des Senats vom 10.5.2006 (B 12 KR 3/05 R - WzS 2007, 154, B 12 KR 5/05 R - aaO, B 12 KR 7/05 R - aaO, B 12 KR 9/05 R - WzS 2007, 153 und B 12 KR 13/05 R - WzS 2007, 153) nicht zur Entscheidung angenommen. Im Zusammenhang mit der Verdoppelung der Beitragslast einer pflichtversicherten Rentnerin mit einer Witwenrente nach dem Soldatenversorgungsgesetz (Urteil des Senats vom 13.6.2007 - B 12 KR 18/06 R - USK 2007-12) hat das BVerfG § 248 SGB V ebenfalls nicht beanstandet(Beschluss vom 7.4.2008 - 1 BvR 2325/07 - SozR 4-2500 § 248 Nr 4; vgl außerdem BVerfG Beschluss vom 28.5.2008 - 1 BvR 2257/06 - SozR 4-2500 § 240 Nr 11: Verdoppelung der Beitragslast für beamtenrechtliche Versorgungsbezüge durch Aufhebung von § 240 Abs 3a SGB V). In diesen Entscheidungen hat das BVerfG § 248 S 1 SGB V als mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar angesehen. Einen Verstoß gegen Art 2 Abs 1 GG hat es verneint und ua ausgeführt, die Belastung mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz sei auch dann hinzunehmen, wenn die Versorgungsbezüge - wie hier - ausnahmsweise einen hohen Anteil der Alterseinkünfte ausmachten. Es ist weder ersichtlich noch macht der Kläger geltend, dass in seinem Fall Besonderheiten vorliegen, die Anlass zu einer abweichenden verfassungsrechtlichen Beurteilung geben könnten.

28

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Mit der Klage kann begehrt werden

1.
die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses,
2.
die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist,
3.
die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist,
4.
die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts,
wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

(2) Unter Absatz 1 Nr. 1 fällt auch die Feststellung, in welchem Umfang Beiträge zu berechnen oder anzurechnen sind.

(3) Mit Klagen, die sich gegen Verwaltungsakte der Deutschen Rentenversicherung Bund nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch richten, kann die Feststellung begehrt werden, ob eine Erwerbstätigkeit als Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

94

Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

(1) Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die Einzugsstelle überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, hat die Einzugsstelle geltend zu machen.

(2) Die Einzugsstelle entscheidet über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung auf Verlangen des Arbeitgebers durch einen schriftlichen oder elektronischen Bescheid; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid. Soweit die Einzugsstelle die Höhe des Arbeitsentgelts nicht oder nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermitteln kann, hat sie dieses zu schätzen. Dabei ist für das monatliche Arbeitsentgelt des Beschäftigten das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt mit zu berücksichtigen. Die nach § 28i Satz 5 zuständige Einzugsstelle prüft die Einhaltung der Arbeitsentgeltgrenze bei geringfügiger Beschäftigung nach den §§ 8 und 8a und entscheidet bei deren Überschreiten über die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung; sie erlässt auch den Widerspruchsbescheid.

(2a) (weggefallen)

(3) Bei Verwendung eines Haushaltsschecks vergibt die Einzugsstelle im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit die Betriebsnummer des Arbeitgebers, berechnet den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und die Umlagen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz und zieht diese vom Arbeitgeber im Wege des Lastschriftverfahrens ein. Die Einzugsstelle meldet bei Beginn und Ende der Beschäftigung und zum Jahresende der Datenstelle der Rentenversicherung die für die Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit erforderlichen Daten eines jeden Beschäftigten. Die Einzugsstelle teilt dem Beschäftigten den Inhalt der abgegebenen Meldung schriftlich oder durch gesicherte Datenübertragung mit.

(4) Bei Verwendung eines Haushaltsschecks bescheinigt die Einzugsstelle dem Arbeitgeber zum Jahresende

1.
den Zeitraum, für den Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt wurden, und
2.
die Höhe des Arbeitsentgelts (§ 14 Absatz 3), des von ihm getragenen Gesamtsozialversicherungsbeitrags und der Umlagen.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

94

Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Streitig ist die Abgabepflicht eines als gemeinnützig eingetragenen Country- und Westerntanzvereins nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) dem Grunde nach.

2

Der Kläger ist ein seit Januar 2001 in das Vereinsregister eingetragener gemeinnütziger Verein mit dem satzungsmäßigen Ziel der Pflege, Förderung und Popularisierung der Country- und Westernkultur. Diesem Zweck dienen nach der Satzung ua die:

"a)     

Bekanntmachung des Country- und Westerntanzes durch Auftritte

b)    

Organisation, Durchführung und Teilnahme an Country- und Westernveranstaltungen

c)    

Einrichtung und Unterhaltung eines Vereinstreffpunkts, wo insbesondere Country-Music gepflegt wird

d)    

Unterhaltung des Kontaktes zu gleichgesinnten Vereinen und Gruppen

e)    

Förderung der Ausbildung von Gruppen und Kursleitern/innen

f)    

Nachwuchsförderung".

3

Die Vereinsmittel dürfen nach der Satzung nur für satzungsmäßige Zwecke verwendet werden, die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins. Der Verein veranstaltet einmal jährlich von Freitagnachmittag bis Sonntag ein sog "Country-Weekend", bei dem vereinsfremde Künstler und Bands gegen Gage auftreten, die aus den Eintrittsgeldern bezahlt wird. Besucher können entweder eine Karte für das gesamte Wochenende oder einzelne Tageskarten kaufen. Daneben veranstaltet der Kläger einmal jährlich eine sog "Country-Weihnacht", bei der ebenfalls andere Künstler gegen Entgelt auftreten. Der Kläger selbst tritt mit seinen Mitgliedern bei diesen Veranstaltungen sowie drei- bis viermal im Jahr bei Dorffesten (gegen ein Honorar von ca 75 bis 100 Euro), auf Weihnachtsfeiern (gegen eine Spendenquittung) und in einem Heim für behinderte Menschen (ohne Honorar) auf. Außerdem präsentiert er sich beim "Fest der Vereine". Er organisiert montags und sonntags Linedance-Tanzkurse, an denen auch Nichtmitglieder teilnehmen dürfen, ein- bis zweimal im Monat Freizeitveranstaltungen für seine Mitglieder und gelegentliche Besuche anderer Country- und Westernveranstaltungen.

4

Die Beklagte stellte die grundsätzliche Abgabepflicht des Klägers nach § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG fest(Bescheid vom 1.9.2005) und erhob für die Jahre 2001 bis 2004 eine Künstlersozialabgabe in Höhe von 1050,23 Euro (Bescheid vom 14.12.2005). Nach erfolglosem Widerspruch gegen den Abgabebescheid beantragte der Kläger am 2.1.2007 die Überprüfung des die grundsätzliche Abgabepflicht feststellenden Bescheides. Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag ab (Bescheid vom 9.1.2007) und wies durch den für den Bereich Musik zuständigen Widerspruchsausschuss den dagegen gerichteten Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.2.2008). Zur Begründung führte sie aus, der wesentliche Zweck iS des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG sei in der Regel bereits gegeben, wenn die Organisation von Veranstaltungen unter Vermarktung fremder künstlerischer Leistungen zum wesentlichen Geschäftsinhalt gehöre(BT-Drucks 13/5108 S 17, zu Art 9c ). Dies sei beim Kläger schon nach seiner Satzung der Fall. Die durch den Unternehmensbegriff geforderte Regelmäßigkeit und Nachhaltigkeit der Tätigkeit liege bei der Ausrichtung von jährlich zwei bis drei solcher Veranstaltungen oder bei einmal jährlich oder noch seltener ausgerichteten, mehrere Tage oder Wochen dauernden Großveranstaltungen vor. Nach § 24 Abs 2 Satz 2 KSVG liege eine nicht nur gelegentliche Erteilung von Aufträgen iS des § 24 Abs 2 Satz 1 KSVG bei mehr als drei Veranstaltungen im Kalenderjahr vor. Da Besucher des Country-Weekends für jeden der drei Tage ein gesondertes Eintrittsentgelt entrichten könnten, handele es sich um drei Veranstaltungen, sodass zusammen mit der Country-Weihnacht mehr als drei Veranstaltungen jährlich durchgeführt würden.

5

Das SG Potsdam hat auf die Klage den Bescheid der Beklagten vom 9.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.2.2008 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 1.9.2005 aufzuheben (Urteil vom 21.9.2010). Die dagegen von der Beklagten erhobene Berufung ist erfolglos geblieben (Urteil des LSG vom 19.6.2013). Das LSG Berlin-Brandenburg hat ausgeführt, die Beklagte habe den rechtswidrigen Verwaltungsakt nach § 44 Abs 2 SGB X für die Zukunft und wegen Ermessensreduzierung auch für die Vergangenheit zurückzunehmen. Da die öffentlichen Auftritte nicht der Hauptzweck des Klägers und die Durchführung von Country-Weekend und Country-Weihnacht nicht sein wesensbestimmender Zweck sei, komme eine Abgabepflicht weder nach § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 noch nach Nr 3 KSVG in Betracht. Sein Hauptzweck liege in der Freizeitgestaltung und Hobbypflege, die neben der Freude an der Bewegung, der Ausübung des Linedance, der regelmäßigen Kontaktpflege der Vereinsmitglieder, den Tanzkursen und den vereinsinternen Veranstaltungen für den Kläger auch wesensbestimmend seien. Die Abgabepflicht ergebe sich auch nicht aus § 24 Abs 2 KSVG, da das als eine (einheitliche) Veranstaltung genehmigte Country-Weekend nicht allein wegen des Verkaufs von Tageskarten wie drei gesonderte Veranstaltungen gewertet werden könne. Zusammen mit der Country-Weihnacht organisiere der Kläger daher nur zwei Veranstaltungen jährlich. Dabei handele es sich um eine nicht abgabepflichtige nur gelegentliche Auftragserteilung.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3, § 24 Abs 1 Satz 2 und § 24 Abs 2 Satz 2 KSVG. Die mit umfangreichen Planungs- und Vorbereitungszeiten verbundene dreitägige Veranstaltung verursache zusammen mit der Country-Weihnacht ca zwei Drittel der Betriebseinnahmen und -ausgaben. Daher sei die Durchführung von Veranstaltungen organisatorisch und wirtschaftlich für den Kläger "wesentlich" iS des § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG. Da die musikalischen Veranstaltungen der Öffentlichkeitsarbeit/Werbung dienten, unterliege der Kläger auch der Abgabepflicht nach § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG. Bei dem Country-Weekend müsse es sich bei rechtlicher Betrachtung um drei Veranstaltungen iS des § 24 Abs 2 KSVG handeln, da der Kläger an jedem Veranstaltungstag Bands engagiere, durch den Verkauf der Eintrittskarten für einzelne Veranstaltungstage mit den Besuchern jeweils neue Verträge abschließe und dadurch seine Einnahmeerzielungsabsicht jeweils an einzelnen Tagen realisiere.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19.6.2013 und des Sozialgerichts Potsdam vom 21.9.2010 zu ändern und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er bezieht sich auf die angegriffenen Entscheidungen und meint, der weitere Vortrag der Beklagten zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise sei in der Revisionsinstanz neu eingebracht worden und daher gemäß § 163 SGG unbeachtlich. Zudem hielten sich die Einnahmen und Ausgaben aus den Veranstaltungen in etwa die Waage. Demgegenüber seien die Mitgliedsbeiträge, Kurseinnahmen, Aufnahmegebühren und Sponsorengelder für die Förderung der Countrykultur maßgeblich.

Entscheidungsgründe

10

1. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Ihr Bescheid zur Feststellung der grundsätzlichen Abgabepflicht des Klägers vom 1.9.2005 ist rechtswidrig und daher - ebenso wie der dem entgegenstehende Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 9.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.2.2008 - aufzuheben.

11

a) Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid der Beklagten vom 9.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.2.2008, in dem die Beklagte erneut über die Frage der grundsätzlichen Abgabepflicht des Klägers nach dem KSVG entschieden und den Antrag auf Aufhebung des Erfassungsbescheides vom 1.9.2005 abgelehnt hat. Die Künstlersozialkasse kann zunächst einen Erfassungsbescheid erlassen, durch den die Abgabepflicht dem Grunde nach (§ 24 KSVG) festgestellt wird (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 11; BSGE 11, 94 = SozR 4-5425 § 24 Nr 11; stRspr).

12

b) Rechtsgrundlage für die Rücknahme des bestandskräftig gewordenen Bescheides mit der Feststellung der grundsätzlichen Abgabepflicht des Klägers vom 1.9.2005 ist - anders als das LSG Berlin-Brandenburg meint - nicht § 44 Abs 2 SGB X, sondern § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X(vgl BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 11). Die Vorschriften des § 44 SGB X sind gemäß § 36a KSVG auch im Bereich des Künstlersozialversicherungsrechts anwendbar. Während die Rücknahme nach § 44 Abs 2 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft erfolgt und für die Vergangenheit im Ermessen der Behörde steht, ist der Verwaltungsakt nach § 44 Abs 1 SGB X auch für die Vergangenheit in gebundener Entscheidung zurückzunehmen.

13

§ 44 Abs 2 SGB X erfasst als Auffangtatbestand rechtswidrige, unanfechtbare Verwaltungsakte, deren Rücknahme nicht in den Geltungsbereich des § 44 Abs 1 SGB X einbezogen ist. Nach § 44 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift erfasst damit Leistungs- und Beitragsbescheide sowie alle Verwaltungsakte, soweit die vollständige oder teilweise Verwehrung der Sozialleistung oder die Erhebung eines Beitrages auf ihm beruht. Dazu ist eine regelnde Wirkung des Verwaltungsaktes für die fragliche Leistungs- bzw Beitragsposition erforderlich, die unter anderem gegeben ist, wenn eine Beitragszahlungspflicht festgestellt wird. Materiell-rechtlich muss dann eine auf dieser Feststellung beruhende Beitragserhebung hinzu kommen (vgl Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014 § 44 RdNr 16; vgl auch BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 11).

14

Bei diesem Verständnis ist der Geltungsbereich des § 44 Abs 1 SGB X für den die grundsätzliche Abgabepflicht feststellenden Verwaltungsakt vom 1.9.2005 eröffnet, denn die Beklagte hat auf der Grundlage dieser Feststellung die Künstlersozialabgabe für die Jahre 2001 bis 2004 in Höhe von 1050,23 Euro (Bescheid vom 14.12.2005) vom Kläger erhoben. Als Beitrag ist jede Zahlung anzusehen, die iS der §§ 20 ff SGB IV der Finanzierung der Aufgaben der Sozialversicherungsträger dient und im Rahmen einer Versicherungspflicht oder freiwilligen Versicherung nach Maßgabe gesetzlicher Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige von Versicherten, Arbeitgebern oder Dritten erhoben wird. Bei der Künstlersozialabgabe nach §§ 23 ff KSVG handelt es sich um Sozialversicherungsbeiträge. Sie stellt einen "Quasi-Arbeitgeberbeitrag" dar, den Verwerter und Vermarkter von künstlerischen oder publizistischen Werken oder Leistungen an die Künstlersozialkasse zu entrichten haben (vgl BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 11). Das BVerfG hat bestätigt, dass die Künstlersozialabgabe ein verfassungsmäßiger Sozialversicherungsbeitrag ist (Beschluss vom 8.4.1987, BVerfGE 75, 108 = NJW 1987, 3115).

15

c) Der die grundsätzliche Abgabepflicht feststellende Verwaltungsakt war bereits unanfechtbar (vgl §§ 77, 84 SGG), als der Kläger ihn erstmalig angegriffen hat. Denn der Kläger hat sich zunächst nur gegen den Abgabebescheid gewandt und den Überprüfungsantrag vom 2.1.2007 gegen den feststellenden Bescheid vom 1.9.2005 erst nach erfolglosem Widerspruch gestellt.

16

d) Die Beklagte hat das Recht unrichtig angewandt, da der Kläger kein abgabepflichtiges Unternehmen iS des § 24 KSVG betreibt. Der die grundsätzliche Abgabepflicht des Klägers feststellende Bescheid vom 1.9.2005 ist rechtswidrig.

17

aa) Der Kläger betreibt kein Unternehmen nach § 24 Abs 1 Nr 2 KSVG. Der Zweck des klägerischen Vereins ist nicht überwiegend darauf gerichtet, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten. Bei den eigenen Auftritten der Mitglieder des Klägers werden keine künstlerischen Leistungen dargeboten, da es sich beim Country- und Westerntanz, auch in Form des Linedance, nicht um eine künstlerische, sondern um eine sportliche Tätigkeit handelt.

18

In § 2 Satz 1 KSVG werden die drei Bereiche künstlerischer Tätigkeit - Musik, bildende und darstellende Kunst - jeweils in den Spielarten des Schaffens, Ausübens und Lehrens umschrieben. Eine weitergehende Festlegung, was darunter im Einzelnen zu verstehen ist, ist im Hinblick auf die Vielfalt, Komplexität und Dynamik der Erscheinungsformen künstlerischer Betätigungsfelder nicht erfolgt. Der Gesetzgeber spricht im KSVG nur allgemein von "Künstlern" und "künstlerischen Tätigkeiten"; auf eine materielle Definition des Kunstbegriffs hat er hingegen bewusst verzichtet (BT-Drucks 8/3172 S 21). Dieser Begriff ist deshalb aus dem Reglungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung und der historischen Entwicklung zu erschließen (vgl BSGE 104, 258 = SozR 4-5425 § 2 Nr 15, RdNr 11 mwN). Aus den Materialien zum KSVG ergibt sich, dass der Begriff der Kunst trotz seiner Unschärfe auf jeden Fall solche künstlerischen Tätigkeiten umfassen soll, mit denen sich der "Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe (Künstlerbericht)" aus dem Jahre 1975 (BT-Drucks 7/3071) beschäftigt (vgl Schriever "Der Begriff der Kunst im Künstlersozialversicherungsrecht" in: von Wulffen/Krasney Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004, S 709, 714 f). Der Gesetzgeber hat damit einen an der Typologie von Ausübungsformen orientierten Kunstbegriff vorgegeben, der in aller Regel dann erfüllt ist, wenn das zu beurteilende Werk den Wertungsanforderungen eines bestimmten Kunsttyps (zB Theater, Malerei, Musik) entspricht. Bei diesen Berufsfeldern ist das soziale Schutzbedürfnis der Betroffenen zu unterstellen, ohne dass es auf die Qualität der künstlerischen Tätigkeit ankommt oder eine bestimmte Werk- oder Gestaltungshöhe vorausgesetzt wird (BSG aaO).

19

In dem inzwischen knapp vierzig Jahre alten Künstlerbericht finden sich im Bereich der darstellenden Kunst als Einordnungshilfe für den Bereich Tanz und Tanztheater nur die Katalogberufe des "Balletttänzers", des "Ballettmeisters" sowie des Choreographen (BT-Drucks 7/3071 S 7). Neben diesem Bereich der "Tanzkunst", die Teil der sehr weit gefächerten "Unterhaltungskunst" ist und zur "darstellenden Kunst" iS des § 2 Satz 1 KSVG gehört, gibt es den Tanz aber auch als Teil des Sports. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kann eine Form des Tanzes, die Bestandteil des (professionellen) Spitzen- bzw Leistungssports oder des (nicht professionellen) Breiten- bzw Freizeitsports ist, nicht als Kunst eingeordnet werden (vgl BSGE 104, 258 = SozR 4-5425 § 2 Nr 15, RdNr 17 sowie BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 10 zum Tanzlehrer für den Tango Argentino).

20

Der Country- und Westerntanz ist eine offiziell anerkannte Breiten- und Wettkampfsportart und keine künstlerische Tätigkeit. Die Deutsche Meisterschaft im Country- und Westerntanz wurde vom Deutschen Olympischen Sportbund anerkannt. Country- und Westerntanzsportvereine können Mitglied im Landessportbund werden (vgl die Internetseite des Bundesverbandes für Country- & Westerntanz Deutschland e.V. unter www.bfcw.com, der als Tanzsportverband auftritt). Der im klägerischen Verein hauptsächlich praktizierte Linedance ist eine spezifische Form des Country- und Westerntanzes, bei der die einzelnen Tänzer in Reihen und Linien vor- und nebeneinander tanzen. Es werden beim Country- und Westerntanz insbesondere auch Linedance Meisterschaften ausgerichtet.

21

bb) Da die Linedance-Tanzkurse somit nicht der Ausbildung für künstlerische Tätigkeiten dienen, betreibt der Kläger auch keine Aus- und Fortbildungseinrichtung für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten iS des § 24 Abs 1 Nr 9 KSVG.

22

cc) Der Kläger betreibt kein Unternehmen, dessen wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen (§ 24 Abs 1 Nr 3 KSVG).

23

Der wesentliche Zweck eines Unternehmens, der nicht mit seinem überwiegenden Zweck gleichzusetzen ist (vgl dazu BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 4 RdNr 18), wird durch seine prägenden Aufgaben und Ziele gekennzeichnet (vgl BSGE 111, 94 = SozR 4-5425 § 24 Nr 11, RdNr 36). Diese ergeben sich maßgeblich aus der satzungsmäßigen Aufgabenstellung sowie aus den tatsächlichen Verhältnissen (so auch Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Aufl 2009, § 24 RdNr 100).

24

Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) vom 25.9.1996 (BGBl I 1461) mit Wirkung zum 1.1.1997 in § 24 Abs 1 Nr 2 KSVG "Chöre und vergleichbare Unternehmen" aufgenommen und die Voraussetzung, "dass ihr Zweck überwiegend darauf gerichtet ist, künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen öffentlich aufzuführen oder darzubieten" eingefügt. § 24 Abs 1 Nr 3 KSVG, der schon zuvor sonstige Unternehmen enthielt, "deren Zweck darauf gerichtet ist, künstlerische Werke aufzuführen oder künstlerische Leistungen darzubieten", hat er mit diesem Gesetz auf Unternehmen begrenzt, deren "wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen". § 24 Abs 2 KSVG hat er mit diesem Gesetz einen Satz 2 angefügt, nach dem eine nicht nur gelegentliche (und damit grundsätzlich abgabepflichtige) Erteilung von Aufträgen im Sinne des Satzes 1 nicht bereits dann vorliegt, wenn in einem Kalenderjahr lediglich zwei Veranstaltungen durchgeführt werden, in denen künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen aufgeführt oder dargeboten werden.

25

In den Gesetzesmaterialien (vgl BT-Drucks 13/5108 S 17 zu Art 9c) ist dazu ausgeführt: "Die Abgabeverpflichtung nach § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KSVG ist von der Rechtsprechung so extensiv ausgelegt worden, dass insbesondere im Interesse von Vereinen, die das heimatliche Brauchtum pflegen, gesetzliche Korrekturen zur Einschränkung der Abgabepflicht geboten sind. Künftig sollen die Nr 2 und 3 des § 24 Abs 1 Satz 1 KSVG nur die typischen Verwerter künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen erfassen, dh der Hauptzweck muss wie bei Konzertchören die öffentliche Aufführung oder Darbietung sein(Nr 2) bzw die Organisation von Veranstaltungen mit Künstlern muss zum wesentlichen Geschäftsinhalt gehören (Nr 3). Gesang-, Musik- und Karnevalsvereine sowie Liebhaberorchester fallen damit regelmäßig nicht mehr unter die Abgabepflicht des § 24 Abs 1 KSVG. Auch die Abgabepflicht nach der Generalklausel des § 24 Abs 2 KSVG soll eingeschränkt werden. Der neue Satz 2 stellt klar, dass die Abgabepflicht mindestens drei Veranstaltungen im Kalenderjahr voraussetzt." Durch diese Begründung hat der Gesetzgeber verdeutlicht, dass es sich bei der Neufassung nicht nur um eine Klarstellung zu der schon vor dem 1.1.1997 geltenden Rechtslage handelt, sondern um eine echte Einschränkung der bis dahin sehr weitgehenden Abgabepflicht ("künftig") ab 1.1.1997 (vgl BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 9 RdNr 23, 24).

26

Der wesentliche Zweck des Klägers in diesem Sinne liegt nicht darin, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen. Denn weder die Darstellung der Country- und Westernkultur als solche, noch der Country- und Westerntanz stellen künstlerische Werke oder Leistungen dar. Lediglich bei den Auftritten von Bands (und ggf anderen Künstlern) werden künstlerische Leistungen dargeboten. Es ist aber nicht der wesentliche Zweck des klägerischen Vereins für die Auftritte von Musikbands (oder anderen Künstlern) zu sorgen. Diese treten selbst während der Veranstaltung des Country-Weekends und der Country-Weihnacht nur neben die Pflege der Country- und Westernkultur durch Tanzdarbietungen, Workshops ua.

27

Nach der Satzung des Klägers sind seine prägenden Aufgaben und Ziele die Pflege, Förderung und Popularisierung der Country- und Westernkultur. Sein wesentlicher Zweck liegt daher in der Brauchtumspflege im speziellen Segment der Country- und Westernkultur. Umgesetzt werden diese Ziele in erster Linie durch die regelmäßig stattfindenden Tanzkurse, die eigenen Auftritte der Vereinsmitglieder bei Veranstaltungen, ggf auch beim Country-Weekend, die Freizeitveranstaltungen für die Mitglieder einschließlich deren Besuche bei anderen Country- und Westernveranstaltungen sowie die Einrichtung und Unterhaltung des Vereinstreffpunktes.

28

Die Organisation von Veranstaltungen mit Künstlern bildet auch nicht den wesentlichen Geschäftsinhalt des Klägers, da mit dem Country-Weekend und der Country-Weihnacht nur geringe Überschüsse erzielt werden. Die eingenommenen Eintrittsgelder werden für die Gagen der auftretenden Musikbands regelmäßig fast vollständig aufgebraucht. Die wesentlichen dem Kläger für eigene Zwecke verbleibenden Einnahmen basieren demgegenüber auf den Mitgliedsbeiträgen, den Aufnahme- und Kursgebühren.

29

dd) Der Kläger ist auch nicht nach § 24 Abs 2 Satz 1 KSVG(idF durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze vom 13.6.2001 - BGBl I 1027) zur Künstlersozialabgabe verpflichtet. Danach sind Unternehmen abgabepflichtig zur Künstlersozialversicherung, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen. Eine nur gelegentliche Erteilung von Aufträgen in diesem Sinne liegt nach Satz 2 der Vorschrift vor, wenn in einem Kalenderjahr nicht mehr als drei Veranstaltungen durchgeführt werden, in denen künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen aufgeführt oder dargeboten werden.

30

Der Gesetzgeber hat durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze vom 13.6.2001 mit Wirkung zum 1.7.2001 durch die Einfügung eines zweiten Halbsatzes zu § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und 3 KSVG klargestellt, dass Abs 2 jeweils unberührt bleibt und daher eine Abgabepflicht auch unabhängig vom wesentlichen Zweck des Unternehmens eintritt, wenn die Auftragserteilung an selbstständige Künstler ein gewisses Maß überschreitet und damit eine Einnahmeabsicht verbunden ist. § 24 Abs 2 Satz 2 KSVG hat er aus Klarstellungsgründen neugefasst(vgl BT-Drucks 14/5792 S 27).

31

Schließlich ist mit dem Gesetz zur Stabilisierung des Künstlersozialabgabesatzes (Künstlersozialabgabestabilisierungsgesetz - KSAStabG - BGBl I 1311) vom 30.7.2014 allerdings erst mit Wirkung zum 1.1.2015 § 24 Abs 3 KSVG angefügt worden. Danach werden Aufträge nur gelegentlich an selbstständige Künstler oder Publizisten im Sinne von Abs 1 Satz 2 oder Abs 2 Satz 1 erteilt, wenn die Summe der Entgelte nach § 25 aus den in einem Kalenderjahr nach Abs 1 Satz 2 oder Abs 2 Satz 1 erteilten Aufträgen 450 Euro nicht übersteigt. Abs 2 Satz 2 bleibt unberührt. Mit dem neuen § 24 Abs 3 Satz 2 KSVG ist klargestellt, dass eine Auftragserteilung auch dann nur gelegentlich erfolgt und damit keine Abgabepflicht auslöst, wenn in einem Jahr nicht mehr als drei Veranstaltungen iS des § 24 Abs 2 Satz 2 KSVG durchgeführt werden, selbst wenn das Entgelt für beauftragte selbstständige Künstler oder Publizisten 450 Euro übersteigt.

32

Der Kläger erteilt nur im Rahmen des Country-Weekends und der Country-Weihnacht Aufträge an selbstständige Künstler. Ob der Kläger mit der Aufführung ihrer Leistungen eine Einnahmeabsicht verbindet, kann dahinstehen, denn jedenfalls handelt es sich nur um "gelegentliche Aufträge" an selbstständige Künstler iS von § 24 Abs 2 Satz 2 KSVG. Der Kläger führt lediglich zweimal jährlich eine Veranstaltung durch, bei der künstlerische Werke oder Leistungen aufgeführt oder dargeboten werden. Sowohl die Country-Weihnacht als auch das Country-Weekend sind nach den umfassenden und unangegriffenen Feststellungen und der rechtsfehlerfreien Würdigung des LSG jeweils nur eine Veranstaltung in diesem Sinne.

33

Was unter dem Begriff der Veranstaltung zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber nicht näher konkretisiert. Er hat aber in § 24 Abs 2 Satz 2 KSVG nicht darauf abgestellt, ob in einem Kalenderjahr mehr als drei Aufträge zur Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen erteilt werden, sondern ausdrücklich an "Veranstaltungen" angeknüpft. Damit hat er in Kauf genommen, dass während einer Veranstaltung möglicherweise mehrere Aufführungen oder Darbietungen unter Beauftragung selbstständiger Künstler durchgeführt werden. Deshalb kann der Begriff der Veranstaltung nicht entgegen dem offenkundigen gesetzgeberischen Willen durch Auslegung dahingehend atomisiert werden, dass zu seiner Konkretisierung an die einzelne Auftragserteilung angeknüpft wird. Zudem sind Abgabetatbestände einer erweiternden Auslegung grundsätzlich nicht zugänglich, da der Abgabepflichtige, hier der Unternehmer, regelmäßig in der Lage sein muss, seine Abgabepflichtigkeit einzuschätzen, insbesondere wenn sie von Faktoren abhängt, die der Unternehmer unterschiedlich gestalten kann (hier kann er mehr oder weniger Veranstaltungen durchführen).

34

Dennoch muss es im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Begriffs der Veranstaltung in § 24 Abs 2 Satz 2 KSVG, den Umfang nur gelegentlicher Auftragserteilung zu konkretisieren, Grenzen geben, bei deren Überschreiten nicht mehr vom Vorliegen nur einer Veranstaltung ausgegangen werden kann. So besteht eine Veranstaltungsreihe, bei der etwa in regelmäßigem Zyklus - zB an drei Wochenenden hintereinander - unter einem bestimmten Thema oder Motto ein künstlerisches Programm angeboten wird, grundsätzlich aus mehreren, voneinander abgrenzbaren Veranstaltungen iS des § 24 Abs 2 Satz 2 KSVG. Insoweit bietet die zeitliche Unterbrechung ein geeignetes Abgrenzungskriterium. Das schließt aber nicht aus, dass auch das Angebot einer Großveranstaltung, die sich wie ein Festival über mehrere Tage hinzieht, aus mehreren eigenständigen Veranstaltungen bestehen kann. Die Entscheidung darüber erfordert eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung. Dabei sind auch alle mit der Auftragserteilung verbundenen Umstände zu berücksichtigen, wie insbesondere Zahl und Umfang der Aufträge an selbstständige Künstler und Publizisten und die damit verbundene Einnahmeabsicht. Denn der Gesetzgeber knüpft an den Begriff der Veranstaltung an, um damit die Grenze aufzuzeigen, bis zu der noch vom Vorliegen nur gelegentlicher und damit abgabefreier Auftragserteilung auszugehen ist.

35

Für die Würdigung weiterer Umstände und ihrer Gewichtung im Rahmen einer Gesamtabwägung lassen sich kaum allgemeine Maßstäbe finden. Der Gesetzgeber hat bewusst einen breit angelegten Begriff gewählt, um möglichst alle künstlerischen und publizistischen Aufführungen und Darbietungen zu erfassen und dennoch nicht an einen einzelnen Auftrag, sondern die Gesamtveranstaltung anzuknüpfen. Die Bandbreite verschiedener Veranstaltungen umfasst beispielsweise Lesungen im kleinsten Kreis ebenso wie mehrtägige Großereignissen, bei denen verschiedene Künstler auf mehreren Bühnen gleichzeitig auftreten. Den Möglichkeiten, Veranstaltungen zu organisieren, zu vermarkten und durchzuführen, sind praktisch kaum Grenzen gesetzt, und die Veranstalter verfolgen je unterschiedliche Zwecke. Die Beurteilung, ob eine mehrtägige Großveranstaltung noch als einheitliche Veranstaltung angesehen werden kann, hängt deshalb - neben Zahl und Umfang der erteilten Aufträge und der Einnahmeabsicht - nach der Verkehrsauffassung von zahlreichen Einzelheiten ab, die von Fall zu Fall verschieden liegen, also von abstrakt nicht vollständig angebbaren Umständen (vgl dazu Röhl, Grundlagen der Methodenlehre II: Rechtspraxis, Auslegungsmethoden, Kontext des Rechts, http://www.enzyklopaedie-rechtsphilosophie.net, RdNr 47 f).

36

Die Ermittlung der insoweit maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse, etwa die Art der angebotenen Eintrittskarten und ggf Übernachtungsmöglichkeiten für eine Veranstaltung, die Werbung, die Regelmäßigkeit ihrer Durchführung sowie Größe und Einnahmeabsicht, obliegt dem Tatrichter. Das Revisionsgericht ist an dessen Feststellungen nach § 163 SGG gebunden. Auch die Würdigung der - zutreffend festgestellten - Einzelumstände und ihre Gewichtung, gerade soweit einzelnen Umständen gegensätzliche Tendenzen zu entnehmen sind, obliegt der Tatsacheninstanz. Diese ist insoweit nicht auf gewisse Tatsachenfeststellungen beschränkt, sondern hat die getroffenen Feststellungen insgesamt zu würdigen. Auch an eine solche Würdigung ist das Revisionsgericht grundsätzlich gebunden. Dieses Gericht prüft lediglich nach, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat (vgl etwa BGH Urteil vom 25.3.2014 - X ZR 94/12 - NJW 2014, 3021, RdNr 19). Denn die Richter der Tatsacheninstanzen haben bei der Konkretisierung eines allgemeinen Maßstabs mit Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalls eine größere Sachnähe als die an die Feststellungen des Tatsachengerichts gebundenen revisionsinstanzlichen Richter. In der Tatsacheninstanz kann der Sachverhalt durch Ausübung des Fragerechts praktisch zeitgleich weiter aufgeklärt und rechtlich bewertet werden. Häufig ergeben sich erst aus den konkreten Antworten weitere Fragen. Diese Möglichkeit, die rechtliche Bedeutung verschiedener Einzelheiten zu bewerten und zu gewichten und zugleich alle weiter für aufschlussreich gehaltenen Einzelheiten aufzuklären, hat der Revisionsrichter nicht, da er auf den ihm vom Tatrichter übermittelten Sachverhalt angewiesen ist. Kommt es aber wesentlich auf die individuellen Einzelheiten des Falles an, tritt der Rechtsvereinheitlichungszweck der Revision zurück, weshalb es gerechtfertigt erscheint, der Tatsacheninstanz einen Beurteilungsspielraum zu überlassen (vgl hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1995, S 130 f, mwN).

37

Das LSG hat die Einzelfallumstände in diesem Sinne umfassend festgestellt und rechtsfehlerfrei gewürdigt. Seine Schlussfolgerung, dass es sich bei dem nach einem geschlossenen Konzept durchgeführten Country-Weekend nur um eine Veranstaltung handelt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dafür sprechen neben der Wahrnehmung der Veranstaltung als Einheit in der Öffentlichkeit insbesondere der einheitliche Name, die ganzheitliche Bewerbung, die Erteilung nur einer ordnungsbehördlichen Genehmigung sowie die Möglichkeit der Besucher der Veranstaltung mit einem Eintrittsticket über die gesamte Dauer beizuwohnen. Aufgrund der Campingmöglichkeiten auf dem Veranstaltungsgelände ist sogar die ununterbrochene Teilnahme die Regel. Viele organisatorische Leistungen, wie die Herrichtung des Platzes, der Aufbau von Bühnen, die Bereitstellung von Technik, der Ticket-Verkauf, die Werbung, die Einholung von Genehmigungen und Sicherheitsvorkehrungen etc, fallen für die Veranstaltung nur einmalig an. Wenn das LSG bei dieser Sachlage allein die Tatsache, dass die Veranstaltung von freitagnachmittags bis sonntagnachmittags dauert und die Besucher auch nur Teile der Veranstaltung besuchen können, nicht genügen lässt, um in dem Country-Weekend drei Einzelveranstaltungen zu sehen, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn nach den festgestellten Einzelfallumständen besteht gerade auch im Hinblick auf eine möglichst gleichmäßige Abgabeverpflichtung vergleichbarer Unternehmer kein Anlass, von einer mehr als nur gelegentlichen Auftragserteilung auszugehen. Der klägerische Verein gestaltet das Country-Weekend nicht ausschließlich mit selbstständigen Künstlern, sondern wesentlich auch durch eigene Mitglieder. Die Musik der engagierten Künstler bietet regelmäßig nur den Rahmen für Tanzaufführungen oder für die Möglichkeit zu tanzen und erfolgt auch unter diesem Gesichtspunkt nur "bei Gelegenheit", nicht als Hauptprogramm oder alleiniger Gegenstand der Veranstaltung. Die Einnahmen, die erzielt werden, halten sich mit den Ausgaben für die Veranstaltungen in etwa die Waage. Der Kläger verfolgt also mit diesen Veranstaltungen kaum eine Einnahmeabsicht. Vielmehr steht der Unterhaltungswert für Mitglieder und andere interessierte Besucher, die Hobby- und Brauchtumspflege sowie der Charakter der Liebhaberei auch bei diesen Veranstaltungen deutlich im Vordergrund.

38

ee) Schließlich ist der Kläger auch nicht nach § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG(idF durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze vom 13.6.2001 - BGBl I 1027) zur Künstlersozialabgabe verpflichtet. Diese Vorschrift regelt die Abgabepflicht für Unternehmen, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben und dabei nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen. Die Formen der Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit können vielfältig sein. Im Vordergrund stehen Presse- und Medienarbeiten, Publikationen und sonstige Werbemittel. Werbung und Öffentlichkeitsarbeit kann aber auch durch Veranstaltungen wie Konzerte, Aufführungen und Ähnliches erfolgen.

39

Aufträge an selbstständige Künstler erteilt der Kläger nur im Rahmen der beiden genannten jährlichen Veranstaltungen, die in erster Linie der Brauchtumspflege, nicht der Werbung dienen. Der Kläger präsentiert dabei aber zugleich seinen satzungsmäßigen Zweck der Öffentlichkeit und wird insoweit mithilfe der beauftragten selbstständigen Künstler auch öffentlichkeitswirksam tätig.

40

Die nicht nur gelegentliche Auftragserteilung wird im Rahmen des § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG nicht näher gesetzlich bestimmt. Lediglich die neue, hier jedoch noch nicht anwendbare gesetzliche Vorschrift des § 24 Abs 3 KSVG enthält hierzu mit Wirkung zum 1.1.2015 eine Regelung (s oben).

41

Zur Auslegung, in welchem Rahmen solche Aufträge als nur gelegentlich anzusehen sind, sind gesetzessystematische Argumente, die Gesetzesmaterialen sowie der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen heranzuziehen. § 24 Abs 1 Satz 1 KSVG enthält einen Katalog der typischen kunstvermarktenden Unternehmen und zieht diese zur Künstlersozialabgabe heran. Zu ihnen zählt der Gesetzgeber ua Unternehmen, die Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte betreiben (Nr 7). Zunächst hatte der Gesetzgeber für die Abgabepflicht von Unternehmen, die für Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung betreiben, auf diese Nr 7 Bezug genommen und zusätzlich zur nicht nur gelegentlichen Auftragserteilung eine Werbung nach Art und Umfang der Tätigkeit der Nr 7 gefordert. Diese Voraussetzung ist mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze vom 13.6.2001 (BGBl I 1027) entfallen. In der Gesetzesbegründung ist dazu lediglich ausgeführt, dass die Neufassung die bisherige Vorschrift vereinfacht und die Öffentlichkeitsarbeit ausdrücklich mit in die Abgabepflicht einbezieht (BR-Drucks 729/00 S 25). Es bleibt aber bei dem Sinn und Zweck der Regelung, die Verwertung künstlerischer Leistungen über den Kreis der typischen Kunstverwerter in § 24 Abs 1 KSVG hinaus nur bei solchen Unternehmen zu erfassen, die zu Zwecken der Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit nicht nur gelegentlich und daher zumindest mit einer gewissen Regelmäßigkeit oder Dauerhaftigkeit(vgl dazu BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 17; BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 11 S 49 = Juris RdNr 29) derartige Leistungen in Anspruch nehmen.

42

Eine solche, das Maß von gelegentlicher Auftragserteilung überschreitende Regelmäßigkeit und Dauerhaftigkeit, kann nicht angenommen werden, wenn Aufträge lediglich im Rahmen von zwei Veranstaltungen jährlich erteilt werden, deren Zweck nicht in erster Linie die Öffentlichkeitsarbeit selbst, sondern die Hobby- und Brauchtumspflege ist und die lediglich begleitend, dh bei dieser Gelegenheit nebenbei auch eine gewisse Öffentlichkeitswirkung entfalten. Denn gerade der Brauchtumspflege ist eine Öffentlichkeitswirkung ohnehin immanent. Der Gesetzgeber wollte aber die Abgabepflicht durch das WFG vom 25.9.1996 (BGBl I 1461) für die Zeit ab 1.1.1997 "insbesondere im Interesse von Vereinen, die das heimatliche Brauchtum pflegen," einschränken. Die Gesetzesbegründung ist oben bereits wiedergegeben (vgl oben 1. d) cc)). Danach sollten Gesang, Musik und Karnevalsvereine sowie Liebhaberorchester regelmäßig nicht mehr unter die Abgabepflicht des § 24 Abs 1 KSVG fallen und unter die Abgabepflicht nach § 24 Abs 2 KSVG nur, wenn in einem Kalenderjahr mehr als zwei (inzwischen sogar mehr als drei) Veranstaltungen durchgeführt werden, in denen künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen aufgeführt oder dargeboten werden(vgl BT-Drucks 13/5108 zu § 9c). Dieser gesetzgeberische Wille ist bei der Auslegung zu berücksichtigen. Er ist mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar und entspricht der Zielsetzung des Gesetzes.

43

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der mit Wirkung zum 1.1.2015 eingefügten Neuregelung in § 24 Abs 3 KSVG, die sich ausdrücklich sowohl auf § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG als auch auf § 24 Abs 2 Satz 1 KSVG bezieht. Da die Regelung erst zum 1.1.2015 wirksam wird, entfaltet sie unmittelbare Wirkung nur für Erfassungsbescheide, bei denen es um Zeiträume nach dem 31.12.2014 geht. Zudem beantwortet die Neuregelung nicht abschließend die Frage, wann eine nicht nur gelegentliche Auftragserteilung vorliegt, denn sie besagt lediglich, unter welchen Voraussetzungen jedenfalls von einer nur gelegentlichen und damit grundsätzlich nicht nach diesen Vorschriften abgabepflichtigen Auftragserteilung auszugehen ist. Nach § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG und § 24 Abs 2 Satz 1 KSVG nicht abgabepflichtig bleiben danach Unternehmen dann, wenn die Entgelte für solche Aufträge 450 Euro nicht übersteigen und nach § 24 Abs 2 Satz 1 KSVG zusätzlich dann, wenn nicht mehr als drei Veranstaltungen mit künstlerischen oder publizistischen Darbietungen jährlich durchgeführt werden. Nach dieser Regelungssystematik führt auch im Rahmen des § 24 Abs 1 Satz 2 KSVG eine Auftragserteilung mit Entgelten von mehr als 450 Euro nicht zwingend zu der Annahme von mehr als nur gelegentlicher Auftragserteilung, sodass die Auslegung dieses Begriffs weiterhin nicht abschließend geklärt ist.

44

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

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3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

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Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.