Bundessozialgericht Urteil, 28. Juni 2018 - B 5 R 12/17 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:280618UB5R1217R0
bei uns veröffentlicht am28.06.2018

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

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Streitig ist, ob der Klägerin ab 1.7.2014 ein Anspruch auf weitergehende Berücksichtigung ihrer Kindererziehung und damit auch auf eine höhere Altersrente wegen Schwerbehinderung zusteht.

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Auf Antrag vom März 2012 bewilligte die Beklagte der am 7.6.1951 geborenen Klägerin Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1.2.2012 (Bescheid vom 5.4.2012). Dabei berücksichtigte sie Kindererziehungszeiten (KEZ) vom 1.7.1981 bis 30.6.1982 für das am 10.6.1981 geborene Kind. Mit Bescheid vom 8.9.2014 setzte die Beklagte den Wert der Rente mit Wirkung vom 1.7.2014 neu fest, weil ab diesem Zeitpunkt ein Zuschlag für Kindererziehung in Höhe eines EP zusätzlich zu berücksichtigen sei. Aus Anlage 6 ergebe sich, dass ein weiterer persönlicher EP für Kindererziehung als Zuschlag und damit 36,3263 EP (bisher: 35,3263 EP) der Rentenberechnung zugrunde gelegt worden sei. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 23.2.2015).

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Mit Urteil vom 21.3.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Das Bayerische LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 15.3.2017). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, für ab 1.1.1992 geborene Kinder habe § 56 SGB VI drei Jahre Pflichtbeitragszeiten für die Kindererziehung ab diesem Zeitpunkt anerkannt, für davor geborene Kinder eine KEZ von 12 Monaten. Mit dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23.6.2014, BGBl I 787) sei der Zeitraum von 12 auf 24 Monate erhöht worden. Bei laufender Rente werde die Rentenhöhe unter Zugrundelegung eines weiteren pauschalen EP von Amts wegen - wie bei der Klägerin erfolgt - neu bestimmt. Auf eine weitere Erhöhung der Rente unter Zuerkennung weiterer KEZ bestehe kein Anspruch. Zwar liege weiterhin eine Differenzierung hinsichtlich des Geburtsjahrgangs der Kinder vor. Diese sei aber unter Berücksichtigung der vom BVerfG im Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86 ua - entwickelten Grundsätze und der zwischenzeitlich erfolgten weiteren sozialpolitischen Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung von Familien mit Kindern in dem vom Gericht zu überprüfenden Maße hinzunehmen. Diese Neuregelungen seien nicht verfassungswidrig. Insbesondere gebühre dem Gesetzgeber bei der Festlegung der Reformschritte eine ausreichende Anpassungszeit, die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung dürfe er berücksichtigen. Das BVerfG habe auch darauf hingewiesen, dass der "Familienlastenausgleich" ein gesamtgesellschaftliches Problem sei, der Gesetzgeber müsse auf unterschiedlichen Feldern tätig werden, was auch erfolgt sei. Zwar seien die KEZ Pflichtbeitragszeiten, mangels eigener Beitragsleistung komme ihnen aber kein eigentumsrechtlicher Schutz nach Art 14 Abs 1 GG zu. Der Gesetzgeber habe weiterhin am Stichtag 1.1.1992 festgehalten und vor und nach diesem Zeitpunkt geborene Kinder nicht vollständig gleichgestellt. Als Gründe für die Differenzierung habe er die Einbeziehung auch der laufenden Renten ohne Begrenzung und deren Finanzierung sowie die verwaltungstechnische Umsetzung mit einer pauschalen Zuerkennung eines EP für machbar erachtet. Im Hinblick auf die Neuregelung zum 1.7.2014 müsse der Senat aber den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers berücksichtigen. Anhaltspunkte für eine offensichtlich unsachliche oder rechtswidrige Regelung seien nicht ersichtlich.

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Mit der Revision rügt die Klägerin, § 307d SGB VI verstoße gegen Verfassungsrecht, insbesondere gegen Art 6 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 und 2 GG sowie Art 20 Abs 1 und 3 GG. Die KEZ für vor 1992 geborene und ab 1992 geborene Kinder müssten gleichgestellt werden, sodass ihr zusätzlich ein EP und damit eine höhere Altersrente zustehe. Der vom Gesetzgeber aufgeführte "Verwaltungsaufwand" sowie die Finanzierbarkeit der geforderten Leistung könnten die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. So sei bei Zuerkennung eines "pauschalen" EP die Rente nicht kompliziert neu zu berechnen, die Leistungsverbesserung werde im Wesentlichen aus dem Beitragsaufkommen finanziert. Dass der Gesetzgeber selbst die Notwendigkeit einer weiteren Angleichung der KEZ sehe, dennoch am Stichtag 1.1.1992 festhalte und nur eine Anhebung der Zeiten, aber keine Gleichstellung der Kinder vornehme, sei in sich widersprüchlich.

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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. März 2017 und das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 21. März 2016 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 8. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. Juli 2014 höhere Altersrente unter weitergehender Berücksichtigung ihrer Kindererziehung zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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A. Die kraft Zulassung durch das LSG statthafte Revision (vgl § 160 Abs 1 und 3 SGG) ist zulässig und insbesondere formgerecht begründet. Wendet sich die Revision - wie hier - gegen die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts, ist in der Begründung sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei darzulegen, weshalb die Norm in der angefochtenen Entscheidung - bezogen auf den festgestellten Sachverhalt - nicht oder nicht richtig angewandt worden ist. Dies setzt voraus, dass sich die Begründung mit dem vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzt. "Auseinandersetzung" bedeutet, auf den Gedankengang des Vordergerichts einzugehen. Dazu muss der Revisionsführer - zumindest kurz - rechtlich auf die Gründe der Vorinstanz eingehen; er muss mithin erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (BSG Urteile vom 10.2.2016 - B 5 RS 1/15 R - BeckRS 2016, 66775 RdNr 6; vom 5.5.2015 - B 5 R 18/14 R - BeckRS 2015, 69242 RdNr 6 und vom 9.1.2014 - B 5 RE 1/14 R - BeckRS 2014, 65978 RdNr 7).

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Die Klägerin setzt sich - ebenso wie das LSG - mit der Rechtsprechung des BVerfG im Urteil vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86 ua - auseinander und geht insoweit - zumindest punktuell - auf die Entscheidungsgründe des LSG ein. § 307d SGB VI verstoße gegen Art 3 Abs 1 GG, weil weder der Verwaltungsaufwand noch die Finanzierbarkeit eines weiteren EP die unterschiedliche Anrechnung von KEZ für vor dem 1.1.1992 bzw nach ab diesem Zeitpunkt geborene Kinder rechtfertigten. Da auch das LSG nicht weiter begründet, warum über die Rechtsprechung des BVerfG zum alten Recht hinaus § 307d SGB VI nicht gegen Art 3 Abs 1 GG verstößt, erweist sich die Revisionsbegründung der Klägerin hinsichtlich der rechtlichen Ausführungen als ausreichend. Dies gilt unabhängig von dem beim Großen Senat des BSG anhängigen Verfahren - GS 1/17 - auch nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, wonach sich Aufwand und Intensität des Eingehens auf die tatrichterlichen Feststellungen nach deren eigener Qualität richten (vgl BSG Urteil vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R - vorgesehen in BSGE sowie SozR 4-2600 § 51 Nr 1 RdNr 12).

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B. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine zusätzliche Erhöhung des Werts ihrer Altersrente wegen Schwerbehinderung unter Berücksichtigung ihres vor dem 1.1.1992 geborenen Kindes. Ein Anspruch auf eine höhere Rente ergibt sich nicht aus § 307d Abs 1 iVm Abs 2 S 1 SGB VI(dazu 2.). Auch verstößt § 307d Abs 2 S 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23.6.2014 nicht gegen die Verfassung (dazu 3.).

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1. Die Regelung des § 307d Abs 1 iVm Abs 2 S 1 SGB VI beschränkt sich auf die Verpflichtung der Beklagten, unter den dort genannten Voraussetzungen den Höchstwert am Stichtag 30.6.2014 vorhandener Bestandsrenten durch zusätzliche Berücksichtigung eines Zuschlags von einem persönlichen EP pro Kind zu erhöhen. Im Einzelfall liegt darin eine teilweise Änderung der rechtlichen Verhältnisse gegenüber der ursprünglichen Rentenbewilligung iS von § 48 Abs 1 S 1 SGB X, der durch eine Teilaufhebung der ursprünglichen Festsetzung des Rentenwerts und deren Ersetzung durch einen höheren Rentenwert Rechnung zu tragen ist. Die mögliche Beschwer der Klägerin liegt dabei darin, dass sie zwar einen Zuschlag von einem persönlichen EP erhält, ihre Rente jedoch anders als im Regelfall des § 56 Abs 1, 5 SGB VI unverändert nicht unter Berücksichtigung von drei Jahren KEZ oder einer vergleichbaren Begünstigung festgesetzt wird. Nicht anders als bei einem Angriff auf Mitteilungen über die Rentenanpassung (grundlegend BSG Urteil vom 23.3.1999 - B 4 RA 41/98 R - SozR 3-1300 § 31 Nr 13 S 23 f, 28; vgl auch BSG Beschlüsse vom 26.10.2017 - B 13 R 54/17 B - Juris RdNr 9 und - B 13 R 102/17 B - Juris RdNr 8) oder gegen die zusätzliche Berücksichtigung von EP für Ghetto-Zeiten (BSG Urteil vom 3.5.2005 - B 13 RJ 34/04 R - BSGE 94, 294 = SozR 4-2600 § 306 Nr 1, RdNr 5) kann daher auch vorliegend mit der kombinierten (Teil-)Anfechtungs- und Leistungsklage nur die einfachgesetzliche Umsetzung gerade von § 307d SGB VI, und die Verfassungswidrigkeit (nur) dieser Norm geltend gemacht werden.

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2. Die Beklagte hat das einfache Recht zutreffend angewandt. Nach § 56 Abs 1 S 1 SGB VI sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren KEZ. Sie sind Pflichtbeitragszeiten nach § 55 Abs 1 S 1 und 2 SGB VI, für die Beiträge als gezahlt gelten. Nach § 177 Abs 1 SGB VI werden die Beiträge für die KEZ vom Bund gezahlt. Die Regelungen der §§ 55 und 56 SGB VI sind am 1.1.1992 in Kraft getreten (Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung - Rentenreformgesetz 1992 - vom 18.12.1989, BGBl I 2261). Für Kinder, die vor dem Inkrafttreten des SGB VI und damit vor dem 1.1.1992 geboren wurden, hat § 249 Abs 1 SGB VI in der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung (Bekanntmachung vom 19.2.2002, BGBl I 754) eine KEZ von 12 Monaten vorgesehen. Mit der Neuregelung zum 1.7.2014 durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz wurde der Zeitraum von 12 Monaten auf 24 Monate erhöht (vgl § 249 Abs 1 SGB VI). Diese 24 Monate KEZ sind für alle Versicherten zu berücksichtigen, die ein Kind erzogen haben, das vor dem 1.1.1992 geboren wurde und die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung zum 1.7.2014 noch nicht im Rentenbezug standen. Bei einer laufenden Rente am Stichtag 30.6.2014 - wie vorliegend - wird hingegen die Rentenhöhe unter zusätzlicher pauschaler Berücksichtigung eines weiteren persönlichen EP neu bestimmt (§ 307d SGB VI: sog Zuschlag zu den persönlichen EP). Die Umsetzung erfolgt bei den laufenden Renten automatisch. Eines gesonderten Antrags der Versicherten bedarf es ebenso wenig wie einer vollständigen Neubestimmung des Rentenwerts und - auf der Ebene der verwaltungstechnischen Umsetzung - der Einschaltung der Sachbearbeitung.

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Nach den Feststellungen des LSG sind der Klägerin für ihren am 10.6.1981 geborenen Sohn Zeiten der Kindererziehung vom 1.7.1981 bis 30.6.1982 zuerkannt und im Bescheid vom 5.4.2012 berücksichtigt worden. Aufgrund der Neuregelung zum 1.7.2014 durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz hat die Beklagte pauschal einen weiteren (persönlichen) EP zuerkannt und die Rente neu festgesetzt (Bescheid vom 8.9.2014, Widerspruchsbescheid vom 23.2.2015). Dass die Festsetzung der Rentenhöhe durch die Beklagte aus anderen einfachrechtlichen Gründen rechtswidrig sein könnte, ist weder von der Klägerin geltend gemacht worden noch ist dies ersichtlich.

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3. Ein Anspruch der Klägerin auf Festsetzung eines höheren Rentenwerts ergibt sich auch nicht aus materiellem Verfassungsrecht. § 307d Abs 2 S 1 SGB VI steht mit der Verfassung im Einklang.

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a) Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor.

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aa) Es ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, dass der § 307d SGB VI unterfallende Personenkreis, dem die Klägerin angehört (Bestandsrentner mit Geburt eines Kindes vor dem 1.1.1992) gegenüber dem Regelfall einer Berücksichtigung von drei Jahren KEZ (§ 56 Abs 1, 5 SGB VI) ab dem 1.7.2014 noch weiterhin insofern anders behandelt wird, als bei ihr nur der 1. bis 12. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt als KEZ berücksichtigt wird und zusätzlich pauschal ein persönlicher EP Berücksichtigung findet. Damit teilen die Betroffenen im Wesentlichen das Schicksal der von § 249 Abs 1 SGB VI erfassten Zugangsrentner mit ebenfalls vor dem 1.1.1992 geborenen Kindern, bei denen die KEZ 24 Kalendermonate nach Ablauf der Geburt endet.

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Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl BVerfGE 98, 365, 385). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl BVerfGE 79, 1, 17; 126, 400, 416). Dabei verwehrt Art 3 Abs 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl BVerfGE 124, 199, 220). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl BVerfGE 110, 412, 432).

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Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl BVerfGE 117, 1, 30; 126, 400, 416). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (vgl BVerfGE 88, 87, 96) oder je mehr sie sich denen des Art 3 Abs 3 GG annähern (vgl BVerfGE 124, 199, 220; 130, 240, 252 ff).

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Nach diesen Maßstäben ist es gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber bei vor 1992 geborenen Kindern von Bestandsrentnern 12 Monate und einen pauschalen Zuschlag, bei ab 1.1.1992 geborenen Kindern 36 Monate zugrunde legt. Diese Differenzierung wird durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. Der Gesetzgeber durfte insofern insbesondere unverändert die Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung sowie das Inkrafttreten zahlreicher Regelungen berücksichtigen, die die leistungsrechtliche Position von Eltern in der gesetzlichen Rentenversicherung verbessert haben.

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Ausgangspunkt ist weiterhin die Entscheidung des BVerfG vom 7.7.1992 (1 BvL 51/86 ua - BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1). Das BVerfG hat dort (BVerfGE 87, 1, 40) ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit der Anerkennung von KEZ als rentenbegründendem und rentensteigerndem Tatbestand im Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz (HEZG vom 11.7.1985, BGBl I 1450) bereits einen ersten Schritt zur Verbesserung der Alterssicherung kindererziehender Personen im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung getan habe. Ein zusätzlicher Schritt bestehe in der Verlängerung der anrechnungsfähigen KEZ, die das Rentenreformgesetz 1992 gebracht habe. So wurden ab 1.1.1992 für ab diesem Zeitpunkt geborene Kinder drei Jahre Pflichtbeitragszeit für die Erziehung eines Kindes anerkannt (§ 56 Abs 1 S 1 SGB VI). Für vor dem 1.1.1992 geborene Kinder wurde eine KEZ von 12 Monaten zuerkannt (§ 249 SGB VI). Das BVerfG hat weiter ausgeführt, dem Gesetzgeber gebühre bei der Festlegung der Reformschritte eine ausreichende Anpassungszeit und er dürfe hierbei die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen (BVerfGE 87, 1, 40 f).

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Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber in der gesetzlichen Rentenversicherung zahlreiche Regelungen geschaffen, die die gleichzeitige Erziehung von Kindern und Erwerbstätigkeit der Eltern verbessert haben. Seit Einführung der sozialen Pflegeversicherung im Jahr 1995 werden für Eltern, die ihre (iS der §§ 14, 15 SGB XI) pflegebedürftigen Kinder betreuen, nach Maßgabe der § 44 SGB XI, §§ 3, 166 SGB VI(wie auch für sonstige Pflegepersonen iS des § 19 SGB XI) Rentenversicherungsbeiträge entrichtet. Durch die zum 1.7.1998 in Kraft getretene Neufassung des § 71 Abs 3 SGB VI werden im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung besser bewertet. In Ausführung der Entscheidung des BVerfG vom 12.3.1996 (1 BvR 609/90 und 692/90 - BVerfGE 94, 241 = SozR 3-2200 § 1255a Nr 5) sind die Bewertungen der KEZ durch die zum 1.7.1998 in Kraft getretene Neufassung des § 70 Abs 2 SGB VI verbessert worden. Mit Wirkung zum 1.1.2002 wurde für Erziehungszeiten ab 1992 die Regelung des § 70 Abs 3a SGB VI eingeführt, die unter den dort im Einzelnen normierten Voraussetzungen die Anrechnung zusätzlicher EP für Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vorsieht(vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 47 f mwN).

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Um den durch die Kindererziehung bedingten Nachteil bei der Altersversorgung weiter abzubauen, hat der Gesetzgeber zum 1.7.2014 die KEZ für die vor dem 1.1.1992 geborenen Kinder durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz um 12 Monate auf 24 Monate erhöht (vgl § 249 Abs 1 SGB VI) und diese Verbesserung durch den Zuschlag an persönlichen EP für Kindererziehung (§ 307d SGB VI) auf die Bestandsrenten übertragen. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers würde nach der Auffassung des BVerfG unzulässig beschränkt, wenn es ihm verwehrt wäre, eine derart komplexe Reform wie die Berücksichtigung von KEZ bei der Altersversorgung in mehreren Stufen zu verwirklichen (BVerfG Beschluss vom 29.3.1996 - 1 BvR 1238/95 - Juris RdNr 8). Mit der Anhebung der Beitragszeit für Zugangsrentner mit vor dem 1.1.1992 geborenen Kindern von einem auf zwei Jahre durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz hat der Gesetzgeber die Ungleichbehandlung nicht vertieft, sondern vermindert (so auch Koop, Die "Mütterrente" im verfassungsrechtlichen Kontext, NZS 2015, S 650 ff, 652). Dem Auftrag des BVerfG, "sicherzustellen, dass sich mit jedem Reformschritt die Benachteiligung der Familie tatsächlich verringert" (vgl BVerfGE 87, 1, 41), ist der Gesetzgeber nachgekommen. Der Zeitablauf seit der Entscheidung des BVerfG vom 7.7.1992 ändert daran nichts, weil das BVerfG dem Gesetzgeber dort keine zeitliche Grenze für die Umsetzung des Verfassungsauftrags gesetzt hat (vgl BVerfG Beschluss vom 21.10.2004 - 1 BvR 1596/01 - Juris RdNr 8).

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Dem Gesetzgeber ist es durch Art 3 Abs 1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Einführung eines Stichtags überhaupt notwendig ist und sich die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar ist (vgl BVerfGE 101, 239, 270; 117, 272, 301 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7; BVerfGE 123, 111, 128; 126, 369, 399 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9). Auch darf der Gesetzgeber nach Einschätzung des BVerfG berücksichtigen, inwieweit die Rentenversicherungsträger überhaupt personell in der Lage sind, erforderlichenfalls auch eine große Zahl von bereits abgeschlossenen Rentenvorgängen wieder aufzugreifen, um eine Rentenneuberechnung unter (weitergehender) Berücksichtigung der KEZ durchzuführen. Zudem hat das BVerfG den Gesetzgeber auch dazu berechtigt angesehen, sich mit einer auf den Rentenzugang beschränkten Regelung zu begnügen, wenn eine Einbeziehung der Bestandsrentner mit besonders großem finanziellen Aufwand verbunden wäre (vgl BVerfGE 87, 1, 44 f).

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Vorliegend war der Gesetzgeber berechtigt, bezüglich der Anerkennung von KEZ zwischen vor dem 1.1.1992 und ab dem 1.1.1992 geborenen Kindern zu unterscheiden. In der Begründung der Entwurfsverfasser des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes ist ausgeführt, das BVerfG habe nicht beanstandet, dass nur für Geburten ab 1992 die anzurechnende KEZ von einem Jahr auf drei Jahre verlängert worden sei, für die vor 1992 geborenen Kinder es bei der Anrechnung von einem Jahr KEZ verblieben. Da jedoch in früheren Zeiten noch nicht in dem Maße Kinderbetreuungsmöglichkeiten bestanden hätten, hätten gerade Mütter und Väter von vor 1992 geborenen Kindern Nachteile in ihrer Alterssicherung hinnehmen müssen. Obwohl das BVerfG nicht beanstandet habe, dass nur Geburten ab 1992 in die Begünstigung einbezogen worden seien, werde diese ungleiche Honorierung von Kindererziehung je nach Geburtsdatum des Kindes mit dem vorliegenden Gesetz verringert. In Zukunft werde die Erziehungsleistung für alle Mütter und Väter, deren Kinder vor 1992 geboren worden seien, durch Ausweitung der KEZ (um 12 Monate) in der Rente anerkannt. Bei völliger Gleichstellung würden sich die Kosten hierfür verdoppeln, was nicht finanzierbar sei (vgl BT-Drucks 18/909, S 14 sowie S 3).

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Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG darf der Gesetzgeber den Bedürfnissen der Massenverwaltung durch generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen Rechnung tragen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl BVerfGE 100, 138, 174; BVerfG Beschluss vom 11.5.2005 - 1 BvR 368/97 ua - BVerfGE 112, 368, 404 = SozR 4-2600 § 307a Nr 3 RdNr 62). Hinzu kommt, dass die Gruppe der Klägerin zunächst gegenüber der generellen Behandlung von Bestandsrentnern in § 306 Abs 1 SGB VI ausnahmsweise begünstigt wird, als insofern das neue Recht überhaupt Berücksichtigung findet. Grundsätzlich ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, bei einer Neuregelung einer laufenden Rente die bereits zugrunde gelegten persönlichen EP neu zu bestimmen (§ 306 SGB VI). Der Gesetzgeber hat hier eine spezialgesetzliche Ausnahme gemacht und die Bestandsrentner über § 307d SGB VI einbezogen.

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Gleichermaßen gegenüber dem Regelfall der (maximal) dreijährigen wie der (maximal) zweijährigen Anrechnung von KEZ bei Zugangsrentnern mit vor dem 1.1.1992 geborenen Kindern ergeben sich durch die pauschalierende Vorgehensweise des Gesetzgebers zusätzliche Vorteile. Für den 13. bis 24. Kalendermonat nach der Geburt des Kindes kommt es für Personen wie die Klägerin auf die tatsächlichen Verhältnisse nicht an. Vielmehr wird für jedes Kind unter den Voraussetzungen des § 307d SGB VI pauschal ein voller persönlicher EP angerechnet. Damit ist der individuelle Zugangsfaktor (§ 77 SGB VI) unerheblich. Zudem ist der Wert der Anrechnung von KEZ - anders als in § 70 Abs 2 S 2 SGB VI - nicht auf die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt. Keineswegs immer ist daher der faktische Vergleichsfall die wertsteigernde Berücksichtigung einer dreijährigen KEZ mit etwa einem EP pro Jahr. Es erscheint insofern auch im Lichte des Art 3 Abs 1 GG sachlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber - welcher bei Schaffung der Regelung des § 307d SGB VI von rund 9,5 Millionen Bestandsrenten ausging(vgl BT-Drucks 18/909 S 15) - aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und zur Vermeidung umfangreicher Neuberechnungen eine pauschalierende Regelung getroffen hat.

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Im Bereich des sozialen Ausgleichs und damit auch hinsichtlich der getroffenen Neuregelung zum 1.7.2014 hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl BVerfGE 130, 240, 254). Der Senat hat dies zu berücksichtigen und lediglich zu überprüfen, ob Anhaltspunkte für eine offensichtlich unsachliche oder rechtswidrige Regelung bestehen. Derartige Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Gesetzgeber einen weiteren Schritt zum Familienlastenausgleich unternommen und mit der pauschalen Zuerkennung eines weiteren EP auch die laufenden Rentenbezieher entsprechend effektiv in die Leistungsverbesserung einbezogen.

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bb) Es liegt auch kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG vor zwischen Personen, die wegen Kindererziehung keine oder eine weitgehend unterbrochene Erwerbsbiografie haben, und solchen, die lückenlos erwerbstätig waren. Es ergibt sich daraus keine Pflicht des Gesetzgebers, hinsichtlich der Begründung von Rentenanwartschaften die Kindererziehung der Beitragszahlung gleichzustellen (vgl BVerfGE 87, 1, 39 f). Dem Auftrag des BVerfG, "sicherzustellen, dass sich mit jedem Reformschritt die Benachteiligung der Familie tatsächlich verringert" (BVerfGE 87, 1, 41), ist der Gesetzgeber nachgekommen, zuletzt mit der grundsätzlichen Anhebung der Beitragszeit von einem auf zwei Jahre durch das RV-Leistungsverbesserungsgesetz. Der Zeitablauf seit der Entscheidung des BVerfG aus 1992 ändert daran nichts, weil das BVerfG dem Gesetzgeber dort keine zeitliche Grenze für die Umsetzung des Verfassungsauftrags gesetzt hat (vgl BVerfG Beschluss vom 21.10.2004 - 1 BvR 1596/01 - Juris RdNr 8).

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Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des BVerfG zur gesetzlichen Pflegeversicherung. Das BVerfG (Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) hat es für mit dem GG vereinbar erachtet, dass Familien auf der Leistungsseite der gesetzlichen Pflegeversicherung nicht begünstigt würden. Jedoch sei Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG verletzt, wenn eine Entlastung nicht auf der Beitragsseite erfolge. Das BSG hat eine verfassungsrechtlich gebotene Entlastung wegen Betreuung und Erziehung von Kindern auf der Beitragsseite der gesetzlichen Rentenversicherung verneint (vgl BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77; sowie BSG Urteile vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1, und vom 20.7.2017 - B 12 KR 14/15 R - vorgesehen: BSGE und SozR 4-1100 Art 3 Nr 84). Zum einen sei die in der sozialen Pflegeversicherung zu bejahende Prämisse einer Mindestgeschlossenheit des Sozialversicherungssystems in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht gegeben (vgl BSGE 120, 23, RdNr 36 ff). Zum anderen habe der Gesetzgeber auch auf der Leistungsseite die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (vgl BVerfGE 87, 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der gesetzlichen Rentenversicherung eingefügt habe und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so systemgerecht bereits im Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeglichen habe (vgl BSGE 120, 23, RdNr 43, 46). Diese Auffassung hat das BVerfG jedenfalls für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt. Demnach sei ein Ausgleich nicht nur im Beitragsrecht möglich. Vielmehr wirkten sich Zeiten der Kindererziehung im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend aus (§ 17 Abs 1 S 2 Nr 1 ALG iVm § 56 Abs 1 SGB VI). Diese Argumentation lasse darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen habe und mache deutlich, dass auch das BVerfG für die gesetzliche Rentenversicherung von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgehe. Die Anerkennung von KEZ füge sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BSGE 120, 23 RdNr 49; BVerfG Beschluss vom 29.8.2007 - 1 BvR 858/03 - BVerfGK 12, 81, 83).

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b) Die angegriffene Regelung des § 307d SGB VI verstößt auch nicht gegen das Gleichberechtigungsgebot aus Art 3 Abs 2 GG.

31

Art 3 Abs 2 GG bietet Schutz auch vor faktischen Benachteiligungen. Die Verfassungsnorm zielt auf die Angleichung der Lebensverhältnisse von Frauen und Männern (vgl BVerfGE 87, 1, 42 = SozR 3-5761 Allg Nr 1; BVerfGE 109, 64, 89; 113, 1, 15 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 30). Durch die Anfügung von S 2 in Art 3 Abs 2 GG ist ausdrücklich klargestellt worden, dass sich das Gleichberechtigungsgebot auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt (vgl BVerfGE 92, 91, 109; 109, 64, 89; 113, 1, 15 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 30). In diesem Bereich wird die Durchsetzung der Gleichberechtigung auch durch Regelungen gehindert, die zwar geschlechtsneutral formuliert sind, im Ergebnis aber aufgrund natürlicher Unterschiede oder der gesellschaftlichen Bedingungen überwiegend Frauen betreffen (vgl BVerfGE 97, 35, 43; 104, 373, 393; 113, 1, 15). Demnach ist es nicht entscheidend, dass eine Ungleichbehandlung unmittelbar und ausdrücklich an das Geschlecht anknüpft. Über eine solche unmittelbare Ungleichbehandlung hinaus erlangen für Art 3 Abs 2 GG die unterschiedlichen Auswirkungen einer Regelung für Frauen und Männer ebenfalls Bedeutung.

32

Es kann dahinstehen, ob trotz des Anstiegs der Zahl berufstätiger Frauen im allgemeinen noch immer Frauen die Kindererziehung übernehmen und aus diesem Grund zumindest vorübergehend ganz oder teilweise auf eine Berufstätigkeit verzichten (vgl BVerfGE 113, 1, 19). Denn die Rechtfertigung einer faktischen Benachteiligung kommt dann in Betracht, wenn die diskriminierende Regelung auf hinreichenden sachlichen Gründen beruht. Dies ist - wie ausgeführt - der Fall. Ein Verstoß von § 307d SGB VI gegen Art 3 Abs 2 GG kommt daher nicht in Betracht.

33

c) Ein Verstoß von § 307d Abs 2 S 1 SGB VI gegen Art 6 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip liegt ebenfalls nicht vor.

34

Art 6 Abs 1 GG enthält eine wertentscheidende Grundsatznorm, die für den Staat die Pflicht begründet, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern (vgl BVerfGE 80, 81, 92 f; 105, 313, 346; 131, 239, 259). Allerdings ist der Staat nicht gehalten, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltspflichtigen zu entlasten. Der Gesetzgeber ist aufgrund des Schutzauftrags aus Art 6 Abs 1 GG dazu verpflichtet, durch die Kindererziehung entstehende Benachteiligungen in der Alterssicherung von kindererziehenden Familienmitgliedern auszugleichen. Allerdings verfügt er dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen (vgl BVerfGE 87, 1, 39). Der Gesetzgeber darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl BVerfGE 87, 1, 41), sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen. Das BVerfG ist in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass durch Kindererziehung entstehende Nachteile innerhalb der Systematik der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeglichen werden (vgl BVerfGE 94, 241, 263 f) und sich die Anerkennung von KEZ in die Struktur der Rentenversicherung einfügt (vgl BVerfGE 87, 1, 39 f).

35

Dem entspricht es, dass der Gesetzgeber bei seinen Maßnahmen zur erweiterten Anerkennung der Kindererziehungsleistung in der gesetzlichen Rentenversicherung seit der Einführung der Anrechnung von KEZ durch das am 1.1.1986 in Kraft getretene HEZG regelmäßig innerhalb des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung geblieben ist. KEZ erhalten für die ersten drei Lebensjahre von ab dem 1.1.1992 geborenen Kindern EP. Berücksichtigungszeiten bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres eines Kindes wurden durch das Rentenreformgesetz 1992 systemkonform eingeführt. Die Bewertung der KEZ hat der Gesetzgeber bis zu einem Wert an EP entsprechend der Beitragsleistung eines Durchschnittsverdieners in der gesetzlichen Rentenversicherung durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999) vom 16.12.1997 (BGBl I 2998) angehoben.

36

Aus der in Art 6 Abs 1 GG enthaltenen Verpflichtung des Staats zur Förderung der Familie ergibt sich kein gesetzliches Gebot, die Erziehungsleistung in der gesetzlichen Rentenversicherung stärker leistungssteigernd zu berücksichtigen. Dies hat das BSG bereits mehrfach im Zusammenhang mit der Begrenzung der Bewertung zeitgleich zurückgelegter KEZ und sonstiger Beitragszeiten auf die Höchstwerte der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze entschieden (vgl BSG Urteile vom 17.12.2002 - B 4 RA 46/01 R - SozR 3-2600 § 70 Nr 6 S 12 ff; und vom 18.5.2006 - B 4 RA 36/05 R - BSGE 96, 218 = SozR 4-2600 § 70 Nr 1 RdNr 18 f). Aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsgebot (Art 20 Abs 1 GG) lässt sich zwar die allgemeine Pflicht des Staats zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, oder konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445).

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Bundessozialgericht Urteil, 28. Juni 2018 - B 5 R 12/17 R zitiert 23 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 48 Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse


(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltun

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 15 Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit, Begutachtungsinstrument


(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments er

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 14 Begriff der Pflegebedürftigkeit


(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 77 Zugangsfaktor


(1) Der Zugangsfaktor richtet sich nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. (

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 56 Kindererziehungszeiten


(1) Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn 1. die Erziehung

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 3 Sonstige Versicherte


Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit,1.für die ihnen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind (§ 56),1a.in der sie eine oder mehrere pflegebedürftige Personen mit mindestens Pflegegrad 2 wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf re

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 70 Entgeltpunkte für Beitragszeiten


(1) Für Beitragszeiten werden Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt (Anlage 1) für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Für das Kalenderjahr des Rentenbeginns und für das davor liegende Kalenderj

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 55 Beitragszeiten


(1) Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt g

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 249 Beitragszeiten wegen Kindererziehung


(1) Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet 30 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. (2) Bei der Anrechnung einer Kindererziehungszeit steht der Erziehung im Inland die Erziehung im jeweiligen Gelt

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 71 Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten (Gesamtleistungsbewertung)


(1) Beitragsfreie Zeiten erhalten den Durchschnittswert an Entgeltpunkten, der sich aus der Gesamtleistung an Beiträgen im belegungsfähigen Zeitraum ergibt. Dabei erhalten sie den höheren Durchschnittswert aus der Grundbewertung aus allen Beiträgen o

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 19 Begriff der Pflegepersonen


Pflegepersonen im Sinne dieses Buches sind Personen, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 in seiner häuslichen Umgebung pflegen. Leistungen zur sozialen Sicherung nach § 44 erhält eine Pflegeperson nur dann, wenn sie eine

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 307d Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung


(1) Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Juli 2014 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn1.in der Rente eine Kindererziehungszeit

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 166 Beitragspflichtige Einnahmen sonstiger Versicherter


(1) Beitragspflichtige Einnahmen sind1.bei Personen, die als Wehr- oder Zivildienst Leistende versichert sind, 80 Prozent der Bezugsgröße; bei Teilzeitbeschäftigung wird dieser Prozentsatz mit dem Teilzeitanteil vervielfältigt,1a.bei Personen, die al

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 306 Grundsatz


(1) Bestand Anspruch auf Leistung einer Rente vor dem Zeitpunkt einer Änderung rentenrechtlicher Vorschriften, werden aus Anlass der Rechtsänderung die einer Rente zugrunde gelegten persönlichen Entgeltpunkte nicht neu bestimmt, soweit nicht in den f

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 44 Leistungen zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen


(1) Zur Verbesserung der sozialen Sicherung der Pflegepersonen im Sinne des § 19, die einen Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 pflegen, entrichten die Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen, bei denen eine private Pflege-Pf

Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte - ALG | § 17 Anrechenbare Zeiten


(1) Auf die Wartezeit von fünf, 15 und 35 Jahren werden Beitragszeiten angerechnet. Ferner werden angerechnet 1. Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch gezahlt sind,2. Zeiten, in denen Versicherungs

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 177 Beitragszahlung für Kindererziehungszeiten


(1) Die Beiträge für Kindererziehungszeiten werden vom Bund gezahlt. (2) Der Bund zahlt zur pauschalen Abgeltung für die Beitragszahlung für Kindererziehungszeiten an die allgemeine Rentenversicherung für das Jahr 2000 einen Betrag in Höhe von 22

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Tenor Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.
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Tenor Die Beschwerde der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. März 2018 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 10. Okt. 2018 - B 13 R 20/16 R

bei uns veröffentlicht am 10.10.2018

Tenor Die Sprungrevision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20. Mai 2016 wird zurückgewiesen.

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(1) Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn

1.
die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,
2.
die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und
3.
der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

(2) Eine Erziehungszeit ist dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet. Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist. Die Zuordnung kann auf einen Teil der Erziehungszeit beschränkt werden. Die übereinstimmende Erklärung der Eltern ist mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben. Die Zuordnung kann rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung erfolgen, es sei denn, für einen Elternteil ist unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine Leistung bindend festgestellt, ein Versorgungsausgleich oder ein Rentensplitting durchgeführt. Für die Abgabe der Erklärung gilt § 16 des Ersten Buches über die Antragstellung entsprechend. Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, wird die Erziehungszeit dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter, bei gleichgeschlechtlichen Elternteilen zum Elternteil nach den §§ 1591 oder 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, oder wenn es einen solchen nicht gibt, zu demjenigen Elternteil, der seine Elternstellung zuerst erlangt hat. Ist eine Zuordnung nach den Sätzen 8 und 9 nicht möglich, werden die Erziehungszeiten zu gleichen Teilen im kalendermonatlichen Wechsel zwischen den Elternteilen aufgeteilt, wobei der erste Kalendermonat dem älteren Elternteil zuzuordnen ist.

(3) Eine Erziehung ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war.

(4) Elternteile sind von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie

1.
während der Erziehungszeit oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt haben, die aufgrund
a)
einer zeitlich begrenzten Entsendung in dieses Gebiet (§ 5 Viertes Buch) oder
b)
einer Regelung des zwischen- oder überstaatlichen Rechts oder einer für Bedienstete internationaler Organisationen getroffenen Regelung (§ 6 Viertes Buch)
den Vorschriften über die Versicherungspflicht nicht unterliegt,
2.
während der Erziehungszeit zu den in § 5 Absatz 4 genannten Personen gehören oder
3.
während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach diesem Buch; als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig gilt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen.

(5) Die Kindererziehungszeit beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Wird während dieses Zeitraums vom erziehenden Elternteil ein weiteres Kind erzogen, für das ihm eine Kindererziehungszeit anzurechnen ist, wird die Kindererziehungszeit für dieses und jedes weitere Kind um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Erziehung verlängert.

(1) Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Juli 2014 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn
1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen § 57 Satz 2 nicht angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Die Voraussetzungen des Satzes 3 Nummer 1 gelten als erfüllt, wenn
1.
vor dem 1. Januar 1992 Anspruch auf eine Rente bestand, in der für dasselbe Kind ein Zuschlag nach Absatz 1 Satz 1 berücksichtigt wird, und
2.
für dasselbe Kind eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt für andere Versicherte oder Hinterbliebene nicht angerechnet wird.

(1a) Ist der Anspruch auf Rente nach dem 30. Juni 2014 und vor dem 1. Januar 2019 entstanden, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind 0,5 persönliche Entgeltpunkte.

(2) Sind für Kindererziehungszeiten ausschließlich Entgeltpunkte (Ost) zugeordnet worden, sind für den Zuschlag persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln. Ist die Kindererziehungszeit oder Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 3 Nummer 1 oder nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 in der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt worden, wird der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten und persönlichen Entgeltpunkten (Ost) mit 0,75 vervielfältigt.

(3) Folgt auf eine Rente mit einem Zuschlag nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a eine Rente, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllt, ist der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach den Absätzen 1 bis 2 weiter zu berücksichtigen.

(4) Der Zuschlag nach Absatz 1 ist nicht zu berücksichtigen, wenn die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Absatz 4 in der Fassung ab dem 1. Juli 2014 ganz oder teilweise ausgeschlossen ist.

(5) Bestand am 31. Dezember 2018 Anspruch auf eine Rente und werden Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a nicht berücksichtigt, wird auf Antrag ab dem 1. Januar 2019 für jeden Kalendermonat der Erziehung ein Zuschlag in Höhe von 0,0833 persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt, wenn

1.
nach dem zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt innerhalb des jeweils längstens anrechenbaren Zeitraums die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kindererziehungszeit nach den §§ 56 und 249 vorlagen und
2.
für dasselbe Kind keine Kindererziehungszeiten oder Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a für andere Versicherte oder Hinterbliebene für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen sind.
Sind die Kalendermonate der Erziehung der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen, beträgt der Zuschlag für jeden Kalendermonat 0,0625 persönliche Entgeltpunkte oder persönliche Entgeltpunkte (Ost). Absatz 3 gilt entsprechend. Sind für das Kind keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anerkannt worden, wird der Zuschlag bei dem Elternteil berücksichtigt, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Juli 2014 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn
1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen § 57 Satz 2 nicht angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Die Voraussetzungen des Satzes 3 Nummer 1 gelten als erfüllt, wenn
1.
vor dem 1. Januar 1992 Anspruch auf eine Rente bestand, in der für dasselbe Kind ein Zuschlag nach Absatz 1 Satz 1 berücksichtigt wird, und
2.
für dasselbe Kind eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt für andere Versicherte oder Hinterbliebene nicht angerechnet wird.

(1a) Ist der Anspruch auf Rente nach dem 30. Juni 2014 und vor dem 1. Januar 2019 entstanden, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind 0,5 persönliche Entgeltpunkte.

(2) Sind für Kindererziehungszeiten ausschließlich Entgeltpunkte (Ost) zugeordnet worden, sind für den Zuschlag persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln. Ist die Kindererziehungszeit oder Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 3 Nummer 1 oder nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 in der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt worden, wird der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten und persönlichen Entgeltpunkten (Ost) mit 0,75 vervielfältigt.

(3) Folgt auf eine Rente mit einem Zuschlag nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a eine Rente, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllt, ist der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach den Absätzen 1 bis 2 weiter zu berücksichtigen.

(4) Der Zuschlag nach Absatz 1 ist nicht zu berücksichtigen, wenn die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Absatz 4 in der Fassung ab dem 1. Juli 2014 ganz oder teilweise ausgeschlossen ist.

(5) Bestand am 31. Dezember 2018 Anspruch auf eine Rente und werden Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a nicht berücksichtigt, wird auf Antrag ab dem 1. Januar 2019 für jeden Kalendermonat der Erziehung ein Zuschlag in Höhe von 0,0833 persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt, wenn

1.
nach dem zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt innerhalb des jeweils längstens anrechenbaren Zeitraums die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kindererziehungszeit nach den §§ 56 und 249 vorlagen und
2.
für dasselbe Kind keine Kindererziehungszeiten oder Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a für andere Versicherte oder Hinterbliebene für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen sind.
Sind die Kalendermonate der Erziehung der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen, beträgt der Zuschlag für jeden Kalendermonat 0,0625 persönliche Entgeltpunkte oder persönliche Entgeltpunkte (Ost). Absatz 3 gilt entsprechend. Sind für das Kind keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anerkannt worden, wird der Zuschlag bei dem Elternteil berücksichtigt, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter.

Tenor

1. Eine Revisionsbegründung genügt bei Sachrügen den gesetzlichen Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG, wenn sie neben der Stellung eines bestimmten Antrages und der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm die Gründe aufzeigt, die nach Auffassung des Revisionsklägers auf Grund einer rechtlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung diese als unrichtig erscheinen lassen.

2. Die Bezeichnung von Tatsachen ist bei Sachrügen kein formelles Zulässigkeitserfordernis. Der Bezeichnung von Tatsachen bedarf es nur, soweit dies zum Verständnis der gerügten Rechtsverletzung unerlässlich ist.

Gründe

1

I. Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens streiten über die Versorgung des Klägers mit einer Immuntherapie mit autologen dendritischen Zellen.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger leidet an einem Kolonkarzinom. Er beantragte befundgestützt eine Behandlung mit dendritischen Zellen (Antrag vom 21.5.2014). Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Begutachtung (Schreiben vom 22.5.2014). Sie unterrichtete den Kläger hierüber nicht. Der MDK meinte, die weder unmittelbar lebensbedrohliche noch dem gleichzustellende Erkrankung sei mit einer Chemotherapie behandelbar. Die Beklagte lehnte es daraufhin ab, die Immuntherapie zu bewilligen (Bescheid vom 12.6.2014, Widerspruchsbescheid vom 14.8.2014). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 19.5.2016). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 21.2.2017): Bei der Immuntherapie handele es sich um eine neue, bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) empfohlene Behandlungsmethode (§ 135 Abs 1 SGB V). Ein Ausnahmefall, in dem es keiner Empfehlung des GBA bedürfe, liege nicht vor. Die Leistung gelte nicht nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V als genehmigt. Die Beklagte habe den Antrag des Klägers rechtzeitig innerhalb der Fünf-Wochen-Frist abgelehnt. Der Lauf dieser Frist sei nach dem Wortlaut des § 13 Abs 3a S 1 SGB V allein daran geknüpft, dass eine gutachtliche Stellungnahme des MDK eingeholt werde. Zwar habe die Beklagte den Kläger hierüber nicht - wie in § 13 Abs 3a S 2 SGB V gefordert - unterrichtet. Die Verletzung dieser Pflicht führe aber - anders als das BSG meine (BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33)- nicht dazu, dass die Drei-Wochen-Frist gelte.

3

Der Kläger rügt mit seiner vom LSG wegen Divergenz zugelassenen Revision eine Verletzung von § 13 Abs 3a S 6 SGB V.

4

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Februar 2017 und das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. Mai 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Juni 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2014 zu verurteilen, ihm eine Immuntherapie mit autologen dendritischen Zellen zu gewähren,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Februar 2017 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

6


die Revision zurückzuweisen.

7

Die Beklagte rügt, die Revisionsbegründung genüge mangels hinreichender Angaben zum festgestellten Sachverhalt nicht den Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG.

8

Der 1. Senat hat dem Großen Senat (GrS) mit Beschluss vom 26.9.2017 - B 1 KR 3/17 R - (Juris) gemäß § 41 Abs 4 SGG folgende Fragen vorgelegt:

        

"1.     

Muss die Begründung einer zugelassenen Revision, mit der keine Verfahrensmängel gerügt werden, Tatsachen bezeichnen, die den gerügten Mangel ergeben, insbesondere die in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen angeben, um den Anforderungen der Regelung des § 164 Abs 2 S 3 SGG zu genügen?

        

2.    

Erfordert die Begründung einer zugelassenen Revision, mit der keine Verfahrensmängel gerügt werden, nach der Regelung des § 164 Abs 2 S 3 SGG, dass sie die Gründe aufzeigt, die nach Auffassung des Revisionsklägers aufgrund einer Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung das Urteil unrichtig erscheinen lassen, ohne eigens Tatsachen zu bezeichnen, insbesondere ohne die in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen anzugeben?"

9

Der 1. Senat hält im Hinblick auf die im Anfragebeschluss näher dargestellten - offenen und verdeckten - Differenzen in der Rechtsprechung verschiedener Senate zur Auslegung und Anwendung des § 164 Abs 2 S 3 SGG eine grundsätzliche Klärung der Anforderungen an eine Revisionsbegründung für erforderlich.

10

II. Der GrS entscheidet über den Vorlagebeschluss des 1. Senats wegen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung in seiner Stammbesetzung nach § 41 Abs 5 S 1 SGG(dazu A.). Er fasst beide vom 1. Senat gestellten Fragen im Wege der Auslegung zu der (einen) Frage zusammen (dazu B.), ob eine Revisionsbegründung bei Sachrügen den gesetzlichen Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG genügt, wenn neben der Stellung eines bestimmten Antrages und der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm die Gründe aufgezeigt werden, die nach Auffassung des Revisionsklägers auf Grund einer rechtlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung das Urteil als unrichtig erscheinen lassen? Die danach zulässige Vorlagefrage(dazu C.) beantwortet der GrS dahin, dass 1. eine Revisionsbegründung bei Sachrügen den gesetzlichen Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG genügt, wenn neben der Stellung eines bestimmten Antrages und der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm die Gründe aufgezeigt werden, die nach Auffassung des Revisionsklägers auf Grund einer rechtlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung das Urteil als unrichtig erscheinen lassen, und 2. die Bezeichnung von Tatsachen bei Sachrügen kein formelles Zulässigkeitserfordernis ist, sondern es der Bezeichnung von Tatsachen nur bedarf, soweit dies zum Verständnis der gerügten Rechtsverletzung unerlässlich ist (dazu D.).

11

A. Der GrS entscheidet in der "Stammbesetzung" nach § 41 Abs 5 S 1 SGG mit insgesamt sechs ehrenamtlichen Richtern; je zwei aus den Kreisen der Versicherten und der Arbeitgeber, je einer aus dem Kreis der mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder der Teilhabe behinderter Menschen vertrauten Personen und dem Kreis der Versorgungsberechtigten und der behinderten Menschen im Sinne des SGB IX.

12

1. Die Voraussetzungen des § 41 Abs 5 S 2 und S 3 SGG für eine erweiterte Besetzung des GrS sind nicht erfüllt. Diese sehen jeweils eine Mitwirkung weiterer ehrenamtlicher Richter vor, wenn die für Vertragsarztrecht oder Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes zuständigen Senate dem GrS eine Rechtsfrage zur Entscheidung vorlegen oder von einer Entscheidung dieser Senate abgewichen werden soll. Auch bei einer Grundsatzvorlage nach § 41 Abs 4 SGG wird die Besetzungsfolge des § 41 Abs 5 S 2 und 3 SGG ausgelöst, wenn die gesetzlich geregelten Kriterien erfüllt sind(Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2015, § 41 RdNr 43; Roos in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl 2014, § 41 RdNr 29). Das ist jedoch nicht der Fall. Die in § 41 Abs 5 S 2 und S 3 SGG genannten Senate sind nicht Urheber der Vorlage. Eine objektive Divergenz zwischen den Rechtssätzen, die einerseits vom 1. Senat und andererseits vom für das Vertragsarztrecht zuständigen 6. Senat sowie dem für Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes zuständigen 7./8. Senat zu den Anforderungen an eine Revisionsbegründung nach § 164 Abs 2 S 3 SGG aufgestellt worden sind, besteht ebenfalls nicht. Zwar erwähnt der vorlegende Senat zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung der Vorlagefragen auch Entscheidungen des 7./8. Senats (RdNr 12 f des Vorlagebeschlusses), mit deren Rechtsauffassung er nicht vollständig übereinstimmt. Nach der Rechtsauffassung des 7./8. Senates wäre die Revision im Ausgangsverfahren jedoch im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem vorlegenden Senat zulässig, da dieser Senat keine höheren Anforderungen an die Revisionsbegründung stellt als der vorlegende 1. Senat; allenfalls stellt der 8. Senat geringere Anforderungen. Eine Abweichung ist nicht gegeben, wenn lediglich die Begründung, aber nicht das Ergebnis der Entscheidung betroffen ist (BSGE 64, 202, 203 = SozR 4100 § 119 Nr 34 S 168; Voelzke in Schlegel/Voelzke, juris-PK SGG, 1. Aufl 2017, § 41 SGG RdNr 28; Berchtold/Lüdtke in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl 2016, § 41 RdNr 13).

13

2. Eine erweiternde Auslegung des Wortlauts von § 41 Abs 5 S 2 und 3 SGG dahingehend, dass die dort geregelte besondere Besetzung bereits eintritt, weil die genannten Senate von der Entscheidung des GrS "betroffen" sind, ist angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung nicht möglich. Nach dem Wortlaut des § 41 Abs 5 S 2 und 3 SGG besteht die Betroffenheit, die die Besetzungsfolge auslöst, nur unter den geregelten formalen Kriterien der Urheberschaft der Vorlage oder der Abweichung von der Rechtsprechung eines der genannten Senate. Für eine erweiternde Auslegung der Besetzungsvorschriften besteht angesichts dieser klaren Regelung vorliegend kein Raum (vgl in diesem Sinne Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2015, § 41 RdNr 44). Hier kann offenbleiben, ob die Anwendung von § 41 Abs 5 S 2 und 3 SGG aufgrund der besonderen Sachkunde der hinzuzuziehenden ehrenamtlichen Richter geboten ist, wenn es im Rahmen einer Grundsatzvorlage wesentlich um Fragen aus dem Vertragsarztrecht und/oder der Sozialhilfe bzw des Asylbewerberleistungsgesetzes geht(so Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 41 RdNr 4; Roos in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl 2014, § 41 RdNr 29; aA Hauck in Hennig, SGG, Stand Oktober 2015, § 41 RdNr 44). Vorliegend geht es um eine prozessuale Querschnittsmaterie und nicht um eine Angelegenheit, die der spezifisch materiell-rechtlichen Zuständigkeit dieser Senate zuzuordnen ist.

14

B. Der GrS hat das Verhältnis beider Vorlagefragen zueinander (hierzu 1.) sowie deren Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren (hierzu 2.) zu beachten. Vor diesem Hintergrund ist eine Auslegung der Vorlagefragen erforderlich und zulässig (hierzu 3.).

15

1. Zwischen den beiden vom 1. Senat differenzierten Rechtsfragen besteht ein untrennbarer Zusammenhang. Die Vorlagefragen können nicht isoliert voneinander betrachtet werden.

16

Die vorgelegten Rechtsfragen differenzieren hinsichtlich der Begründungsanforderungen zwischen der Bezeichnung von festgestellten Tatsachen (Rechtsfrage Nr 1) und der sonstigen (rechtlichen) Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils (Rechtsfrage Nr 2). Der mit "ohne eigens" beginnende 2. Teil der Rechtsfrage Nr 2 enthält einerseits eine Abgrenzung, andererseits eine Doppelung zur Rechtsfrage Nr 1. Die Antwort auf die Rechtsfrage Nr 1 nach der Erforderlichkeit und - bejahendenfalls - dem Umfang der Bezeichnung der in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen bestimmt sich in Abhängigkeit und Wechselwirkung zu den Anforderungen an die rechtliche Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung. Die vom 1. Senat gestellte erste Vorlagefrage nach den Anforderungen an den Tatsachenvortrag stellt sich lediglich als Teilaspekt der Anforderungen an die Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung dar. Sie kann nicht losgelöst hiervon beantwortet werden, denn die Darstellung der im angefochtenen Urteil festgestellten Tatsachen ist im Ergebnis nur erforderlich, soweit dies zum Verständnis der gerügten revisiblen Rechtsverletzung unerlässlich ist (zum Verhältnis der beiden Vorlagefragen und ihrer Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren vgl auch B. Schmidt, NZS 2018, 102, 110).

17

2. Die vorgelegten Rechtsfragen sind nur in beschränktem Umfang entscheidungserheblich. Das zu klären ist Sache des GrS. Er hat nicht die Aufgabe, Rechtsgutachten zu erstatten (vgl BSGE 102, 166 = SozR 4-1500 § 41 Nr 1, RdNr 26; Pietzner in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 11 RdNr 68 mwN in Fn 153). Die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfrage muss grundsätzlich im Vorlagebeschluss nachvollziehbar dargelegt werden (BSGE 102, 166 = SozR 4-1500 § 41 Nr 1, RdNr 26 ff, insbesondere RdNr 32; Voelzke in Schlegel/Voelzke, juris-PK SGG, 1. Aufl 2017, § 41 RdNr 61). Der GrS hat bei der Auslegung der Vorlagefragen zu beachten, dass die Antwort auf die Vorlagefrage abstrakt-generell sein muss, um einer Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen zu können. Der GrS entscheidet nach § 41 SGG über Rechtsfragen(vgl zur Unabhängigkeit des insoweit zu bildenden "Obersatzes" vom einzelnen Anwendungsfall Berchtold/Lüdtke in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl 2016, § 41 RdNr 8).

18

a) Die vorgelegte Rechtsfrage Nr 1 ist im Ausgangsverfahren - auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des vorlegenden Senats - in der von ihm gewählten Formulierung nicht in vollem Umfang entscheidungserheblich. Denn es bedarf für eine Entscheidung im Ausgangsverfahren keiner Entscheidung des GrS darüber, ob in der Revisionsbegründung überhaupt Tatsachen vorgetragen werden müssen. Es fehlt der Revisionsbegründung nicht gänzlich an einer Darstellung der festgestellten Tatsachen. Entscheidungserheblich ist aber, ob - letztlich weitergehend als die vom 1. Senat formulierte Vorlagefrage - eine vollständige (dh die gesamten Feststellungen des Tatsachengerichts umfassende) Darstellung des festgestellten Lebenssachverhalts erforderlich ist. Eine in diesem Sinne vollständige Wiedergabe des in der angefochtenen Entscheidung festgestellten entscheidungserheblichen Sachverhalts ist in der Revisionsbegründung des Ausgangsverfahrens nicht erfolgt. Denn die Begründung enthält keine präzise Angabe der vom LSG festgestellten Tatsachen hinsichtlich der Erkrankung des Klägers. Damit liegt jedenfalls nicht zu allen vom LSG selbst für entscheidungserheblich gehaltenen Umständen eine vollständige Wiedergabe des Sachverhalts vor.

19

b) Die Frage im ersten Teil von Rechtsfrage Nr 2, ob die Begründung einer zugelassenen Revision die Gründe aufzeigen muss, die das angefochtene Urteil als unrichtig erscheinen lassen, ist nicht in vollem Umfang entscheidungserheblich. Der GrS hat sich mit ihr daher nicht gesondert auseinanderzusetzen, sondern nur, soweit dies aufgrund des untrennbaren Zusammenhangs mit den Anforderungen an den Umfang des erforderlichen Tatsachenvortrages erforderlich ist.

20

Nach Auffassung des 1. Senats setzt eine Entscheidung in der Sache voraus, dass die Rechtsfrage Nr 2 zu bejahen ist. Er hält bei ausschließlich materiell-rechtlichen Revisionsangriffen eine Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung für erforderlich. Der 1. Senat könnte jedoch unter Zugrundelegung der von ihm gewählten Fragestellung unabhängig von der Antwort auf die Rechtsfrage Nr 2 in der Sache entscheiden, da er die Revision insoweit für ausreichend begründet hält. Auch wenn die Rechtsfrage Nr 2 entgegen seiner Auffassung zu verneinen wäre, müsste die Revision nicht verworfen werden. Denn die Revisionsbegründung im Ausgangsverfahren ginge dann über die nach seiner Rechtsauffassung zu stellenden Begründungsanforderungen hinaus.

21

3. Der GrS beschränkt danach den ihm angefallenen Streitstoff auf den im Ausgangsverfahren erheblichen Kern, fasst ihn zusammen und legt ihn wie folgt aus:

        

Genügt eine Revisionsbegründung bei Sachrügen den gesetzlichen Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG, wenn neben der Stellung eines bestimmten Antrages und der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm die Gründe aufgezeigt werden, die nach Auffassung des Revisionsklägers auf Grund einer rechtlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung das Urteil als unrichtig erscheinen lassen?

22

Zu dieser Auslegung der Vorlagefragen ist der GrS berechtigt. Der GrS ist bei der Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen zwar an den Vorlagebeschluss gebunden und kann grundsätzlich keine andere oder zusätzliche Rechtsfrage entscheiden. Es liegt aber in seiner Kompetenz, eine vorgelegte Rechtsfrage zu konkretisieren, zu präzisieren und ggf zu beschränken, wenn sie für den Gegenstand des konkreten Rechtsstreits nicht in dem vorgelegten Umfang entscheidungserheblich ist (vgl BSGE 109, 81 = SozR 4-1200 § 52 Nr 4, RdNr 6; BSGE 80, 24, 28 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 20 = Juris RdNr 15 zu einer Grundsatzvorlage; außerdem BGHZ 126, 63, 69 f = NJW 1994, 1735, 1736; BGHSt 19, 206, 209; 41, 187, 192 f = NJW 1996, 402, 403; BGHSt 61, 221, 222 = NJW 2017, 94, 95; BFHE 176, 267, 272 = NJW 1995, 1311; Pietzner in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 11 RdNr 72; Voelzke in Schlegel/Voelzke, juris-PK SGG, 1. Aufl 2017, § 41 SGG RdNr 87).

23

C. Die im dargestellten Sinne ausgelegte und verstandene Vorlagefrage ist auch im Übrigen zulässig (hierzu 1.) und die Grundsatzvorlage ist insbesondere nicht durch den Vorrang der Divergenzvorlage gesperrt (hierzu 2.).

24

1. Nach § 41 Abs 4 SGG kann der erkennende Senat dem GrS eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung(hierzu ) zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (hierzu ). Diese Voraussetzungen liegen vor.

25

a) Ob die Vorlage zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, ist bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift allein vom vorlegenden Senat zu entscheiden (vgl zum insoweit bestehenden Einschätzungsspielraum BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 24). Der vorlegende Senat hat diese Voraussetzung bejaht.

26

b) Die grundsätzliche Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfragen unterliegt hingegen - als objektive Voraussetzung - der Entscheidungskompetenz des GrS (BSGE 102, 166 = SozR 4-1500 § 41 Nr 1, RdNr 25; BSGE 62, 255, 258 = SozR 5050 § 15 Nr 35 S 117). Der zusammenfassend einheitlich zu beantwortenden Vorlagefrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu. Das Merkmal "grundsätzliche Bedeutung" hat im Kontext einer Vorlage nach § 41 Abs 4 SGG einen eigenen und über die Grundsätzlichkeit iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hinausgehenden Stellenwert. Der GrS ist vor allem dann zu einer Grundsatzentscheidung berufen, wenn "prozessuales Querschnittsrecht" betroffen ist, wenn sich also prozessuale Grundfragen in mehreren Fachsenaten gleichermaßen stellen und eine frühzeitige, Divergenzen verhindernde konzertierte Rechtsauslegung oder -fortbildung durch den GrS erforderlich erscheint (so Pietzner in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 11 RdNr 54; zum Ganzen auch BSG Vorlagebeschluss vom 10.3.2010 - B 3 KR 36/09 B - Juris RdNr 12). Demnach müssen zumindest Anhaltspunkte für unterschiedliche Auffassungen unter den Senaten vorliegen, die bezogen auf das Ausgangsverfahren zu Divergenzen in der Rechtsprechung führen könnten, weil es anderenfalls für die Rechtsfortbildung der Entscheidung des GrS objektiv nicht bedarf. Solche Anhaltspunkte für derzeit schon bestehende und zukünftig drohende Divergenzen liegen vor und haben sich gerade in jüngeren Entscheidungen sogar verdichtet. Im Kern werden so unterschiedliche Anforderungen an die Tatsachendarstellung in der Revisionsbegründung gestellt, dass eine einheitliche Rechtsanwendung gefährdet erscheint. Für die Revisionskläger kann zumindest der Eindruck entstehen, der gebotene Umfang der Ausführungen zum Sachverhalt hinge davon ab, welcher Senat über die Revision zu entscheiden hat. Das ist nicht hinnehmbar und lässt eine grundlegende Klärung nach § 41 Abs 4 SGG geboten erscheinen.

27

Eine geschlossene und vollständige Darstellung des vom LSG festgestellten Sachverhalts in dessen Worten wird von keinem Senat des BSG gefordert (so ausdrücklich BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 KR 16/14 R - SozR 4-2600 § 163 Nr 1 RdNr 23, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG Beschluss vom 6.10.2016 - B 5 SF 3/16 AR - Juris RdNr 22). Mehrere Senate des BSG verlangen jedoch - anders als der vorlegende Senat -, dass in der Revisionsbegründung der wesentliche, vom Tatsachengericht festgestellte Lebenssachverhalt zumindest kurz dargestellt wird. Der 13. Senat hält es für erforderlich, dass der Revisionsführer in der Revisionsbegründung bezogen auf die behauptete Rechtsverletzung den "entscheidungsrelevanten Kernlebenssachverhalt in eigenen Worten kurz wiedergibt" (BSG Urteil vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 4 RdNr 16 f). Der 4. Senat hat sich dem angeschlossen und führt aus, dass eine ausreichende Darlegung der Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts neben einer kurzen Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgrundlagen auch eine zumindest kurze Darstellung der für die behauptete Rechtsverletzung maßgeblichen tatsächlichen Gesichtspunkte des entscheidungsrelevanten Lebenssachverhalts erfordert (BSG Urteil vom 26.7.2016 - B 4 AS 25/15 R - Juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 14.12.2016 - B 4 AS 52/15 R - Juris RdNr 12). Auch der 14. Senat geht davon aus, dass eine kurze Darstellung des entscheidungsrelevanten Lebenssachverhalts erforderlich sei (BSG Beschluss vom 30.1.2017 - B 14 AS 20/16 R - Juris RdNr 2 und zuletzt Urteil vom 24.5.2017 - B 14 AS 16/16 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 16 RdNr 15, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

28

Der 5. Senat fordert grundsätzlich eine "vollständige" Darlegung des von der Vorinstanz festgestellten entscheidungserheblichen Lebenssachverhalts iS einer Gesamtheit rechtlich relevanter Umstände (BSG Beschluss vom 6.10.2016 - B 5 SF 3/16 AR - Juris RdNr 13). Erschöpfe sich das angegriffene Urteil im Wesentlichen in der Subsumtion abstrakt-genereller Vorgänge unter eine Vorschrift des materiellen Rechts, reiche es allerdings aus, wenn die Revisionsbegründung die vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung auf abstrakt-genereller Ebene darlege (BSG Urteile vom 23.7.2015 - B 5 RS 9/14 R - Juris RdNr 13 und - B 5 RE 17/14 R - SozR 4-2600 § 22 Nr 22 RdNr 15 ff). In anderen Konstellationen verlangt der 5. Senat aber - noch über die Darstellung des entscheidungserheblichen Lebenssachverhalts hinaus -, dass in der Revisionsbegründung die im Hinblick auf die gerügte Rechtsverletzung gerade von der Vorinstanz und im angegriffenen Urteil festgestellten, entscheidungserheblichen Tatsachen zutreffend mitgeteilt werden müssen und darauf eingegangen werden muss, an welcher genauen Stelle sie dem Urteil zu entnehmen sind. Es sei nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, die entscheidungserheblichen Tatsachen selbst zusammenzutragen (BSG Beschluss vom 5.11.2014 - B 5 RE 5/14 R - Juris RdNr 8; BSG Urteil vom 23.7.2015 - B 5 R 32/14 R - Juris RdNr 7). An dieser Rechtsprechung hat der 5. Senat auf drei Anfragebeschlüsse des 12. Senats hin festgehalten und sie weitergehend erläutert (BSG Beschlüsse vom 6.10.2016 - B 5 SF 3/16 AR - und - B 5 SF 4/16 AR - sowie vom 23.2.2017 - B 5 SF 5/16 AR).

29

Der 12. Senat verlangt, dass der Revisionsführer den für die geltend gemachte Rechtsverletzung entscheidungsrelevanten, also den vom LSG festgestellten Lebenssachverhalt in eigenen Worten kurz wiedergibt (BSG Urteil vom 24.3.2016 - B 12 R 5/15 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 5 RdNr 11; BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 KR 16/14 R - SozR 4-2600 § 163 Nr 1 RdNr 20, auch für BSGE vorgesehen). Ggf müsse die Revisionsbegründung als Ergebnis eigener geistiger Arbeit darlegen, welchen Umständen sie dem angefochtenen Urteil den mitgeteilten Sachverhalt entnehme (BSG Urteil vom 31.3.2017, aaO RdNr 22). Nur in Ausnahmefällen bedürfe es der Angabe, an welcher genauen Stelle dem angegriffenen Urteil bestimmte Tatumstände zu entnehmen seien, wenn der festgestellte Lebenssachverhalt nicht ohne Weiteres erkennbar sei und durch Interpretation des Urteils erst ermittelt werden müsse (BSG aaO RdNr 24).

30

2. Die Zulässigkeit der Grundsatzvorlage setzt auch nicht voraus, dass ein Anfrageverfahren nach § 41 Abs 3 SGG durchgeführt wird. Ein solches ist im Rahmen eines Vorlageverfahrens nach § 41 Abs 4 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht vorgesehen. Auch hätte der 1. Senat nicht statt der Grundsatz- eine Divergenzvorlage anbringen müssen.

31

Wegen der Klärungs- und Beteiligungswirkung des formalisierten Anfrageverfahrens nach § 41 Abs 3 SGG und der Sonderregelungen bei der Besetzung nach Abs 5 ist eine Abgrenzung zwischen Divergenz und Grundsatzanrufung dahingehend geboten, dass die Anrufung nach Abs 4 die Divergenzvorlage und das damit verbundene Anfrageverfahren nicht unterlaufen darf.

32

Ein "Unterlaufen" des formalisierten Anfrageverfahrens liegt hier jedoch nicht vor. Es bestehen - wie aufgezeigt - Anhaltspunkte für entscheidungserhebliche Divergenzen zwischen der Auffassung des vorlegenden 1. Senats einerseits und den wiederum teilweise untereinander abweichenden Auffassungen des 5., des 12., des 13. sowie des 4. und des 14. Senats. Da weiterhin die vom 12. Senat mit Beschlüssen vom 27.4.2016 (B 12 KR 16/14 R und B 12 KR 17/14 R) und 29.6.2016 (B 12 KR 2/15 R) gegenüber dem 5. Senat eingeleiteten Anfrageverfahren keine eindeutige Klärung erbracht haben, wie sich aus dem Urteil des 12. Senats vom 23.5.2017 (B 12 KR 2/15 R) sowie aus dem Beschluss des 5. Senats vom 23.2.2017 (B 5 SF 5/16 AR) ergibt, ist das auf die Lösung eines Konfliktes allein zwischen zwei Senaten zugeschnittene Divergenzverfahren nicht hinreichend geeignet, die im Interesse der Rechtssicherheit dringend gebotene Klärung herbeizuführen. Das hat der vorlegende 1. Senat in seinem Vorlagebeschluss nachvollziehbar dargelegt. Dem folgt der GrS.

33

D. Der GrS beantwortet die Vorlage in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Sinne. Eine Revisionsbegründung genügt bei Sachrügen den gesetzlichen Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG, wenn sie neben der Stellung eines bestimmten Antrages und der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm die Gründe aufzeigt, die nach Auffassung des Revisionsklägers auf Grund einer rechtlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung diese als unrichtig erscheinen lassen. Die Bezeichnung von Tatsachen ist bei Sachrügen kein formelles Zulässigkeitserfordernis. Der Bezeichnung von Tatsachen bedarf es nur, soweit dies zum Verständnis der gerügten Rechtsverletzung unerlässlich ist. Dies folgt aus Wortlaut, Regelungssystem, Regelungszweck und der Entstehungsgeschichte der ausschließlichen Zulassungsrevision. Es steht im Einklang mit der Rspr aller obersten Gerichtshöfe des Bundes zum Revisionsrecht.

34

1. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist die Bezeichnung von Tatsachen bei Sachrügen kein formelles Zulässigkeitserfordernis der Revisionsbegründung. Es ist aber erforderlich, dass der Revisionskläger die Gründe aufzeigt, die nach seiner Auffassung nach einer rechtlichen Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung diese als unrichtig erscheinen lassen. Gemäß § 164 Abs 2 S 1 SGG ist die Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Nach § 164 Abs 2 S 3 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG vom 30.7.1974 (BGBl I 1625) muss die Begründung einer Revision einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Der Wortlaut differenziert zwischen Verfahrens- und materiell-rechtlichen Rügen (Sachrügen). Er schreibt nur für die Rüge von Verfahrensmängeln vor, dass Tatsachen bezeichnet werden müssen. Diese Differenzierung ist - wie der vorlegende 1. Senat im Vorlagebeschluss zutreffend ausgeführt hat (RdNr 23) - damit zu erklären, dass das Revisionsgericht grundsätzlich gemäß § 163 SGG an die in der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellungen gebunden ist. Tatsachen, aus denen sich Verfahrensmängel ergeben, lassen sich den getroffenen Feststellungen hingegen oftmals nicht oder zumindest nicht ohne Weiteres entnehmen.

35

Schon nach dem aufgezeigten Wortlaut der Regelung des § 164 Abs 2 S 3 SGG bezweckt die Revisionsbegründung, frühzeitig Klarheit zu erzielen über Art, Umfang und Ziel der Revisionsangriffe. Hierzu bedarf es einer rechtlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung. Die Darstellung des Revisionsklägers darf sich nicht in abstrakten formelhaften oder inhaltsleeren Allgemeinplätzen ohne Bezug zum angefochtenen Urteil erschöpfen, sondern muss einen Fallbezug nach den Kriterien der revisionsgerichtlichen Prüfung haben. Es genügt nicht, wenn der Revisionsführer etwa nur um Nachprüfung aller in der angefochtenen Entscheidung aufgeworfenen Rechtsfragen bittet oder die Rechtsauffassung der Vorinstanz schlicht als unrichtig bezeichnet.

36

2. Es entspricht auch der Systematik des auf der Zulassung beruhenden Revisionsrechts und dem in diesem System maßgeblichen Zweck der Regelung sowie der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 S 1 GG), dass die Bezeichnung von Tatsachen bei Sachrügen kein formelles Zulässigkeitserfordernis der Revisionsbegründung ist, aber eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung erfordert, dass der Revisionskläger die Gründe aufzeigt, die nach seiner Auffassung auf Grund einer rechtlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung diese als unrichtig erscheinen lassen. Für die Revisionsbegründung bedarf es der Bezeichnung von Tatsachen danach nur, soweit dies zum Verständnis der gerügten Rechtsverletzung unerlässlich ist.

37

a) Rechtssystematisch sind die Begründungsanforderungen für die Revision (§ 164 Abs 2 S 3 SGG)förmliche Zulässigkeitsvoraussetzungen. Mangelt es hieran, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen (vgl § 169 S 2 SGG). Die inhaltliche Unrichtigkeit der Begründung führt dagegen nicht zur Verwerfung der Revision, sondern zu ihrer Zurückweisung als unbegründet. Die förmlichen Anforderungen an die Begründung sind durch ihren Zweck begrenzt, Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs innerhalb der Begründungsfrist klarzustellen. Die Beachtung dieses Zwecks sichert, dass es nicht zu einer Verlagerung der Prüfung der Begründetheit in die Prüfung der Zulässigkeit der Revision kommt. Einer Wiedergabe der getroffenen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz bedarf es hierzu bei bloßen Sachrügen in aller Regel nicht. Die vorinstanzlichen Feststellungen sind allen Beteiligten und dem Gericht aufgrund ihrer Kenntnis der angegriffenen Entscheidung bekannt. Ihre Wiederholung in der Revisionsbegründung zu fordern, wäre eine bloße, unnötige Förmelei (vgl entsprechend BFH GrS BFHE 196, 39 = BStBl II 2001, 802 = Juris RdNr 73 mwN). Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Revisionsbegründung das Revisionsgericht vom eigenständigen Lesen und Durchdringen des Urteils entlasten soll. Die Rechtsausführungen für die Sachrüge in der Revisionsbegründung müssen lediglich verdeutlichen, wieso der Revisionskläger sich aus seiner Sicht durch die Rechtsanwendung der Vorinstanz verletzt sieht. Die Rechtsausführungen hierzu müssen weder zwingend, überzeugend noch sonst richtig sein (vgl May, Die Revision, 2. Aufl 1997, IV D RdNr 292 mwN). Nur ausnahmsweise kann es für das Verständnis der gerügten Rechtsverletzung unerlässlich sein, in der Revisionsbegründung Tatsachen zu bezeichnen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn es um eine Rechtsverletzung durch eine abstrakte Norm geht, bei der bereits im Normtext tatsächliches Geschehen tatbestandsbildend ist (Beispiel: einzelne Fallgruppen des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII oder des venire contra factum proprium, § 242 BGB).

38

Dementsprechend unterscheidet das Regelungssystem hinsichtlich der Anforderungen für die Revisionsbegründung aufgrund der unterschiedlichen Rechtsfolgen bei zulässiger Revision zwischen Sach- und Verfahrensrügen: Das Revisionsgericht überprüft im Rahmen der Anträge vollständig eine sachliche, auch nicht gerügte Verletzung revisiblen Rechts der vorinstanzlichen Entscheidung (vgl § 202 S 1 SGG iVm § 557 Abs 3 S 1 ZPO) und in den Grenzen der Revisionsanträge und der Anfallwirkung von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel (vgl § 202 S 1 SGG iVm § 557 Abs 3 ZPO). Dagegen prüft es bei den nur auf Rüge berücksichtigungsfähigen Verfahrensmängeln bloß die innerhalb der Begründungsfrist vorgetragenen Fehler.

39

Die dargelegten Grenzen der Anforderungen an die Revisionsbegründung mit der Sachrüge sichern rechtssystematisch zugleich das Gebot, durch die Anforderungen an die Revisionsbegründung nicht die Bindung an die Revisionszulassung gemäß § 160 Abs 3 SGG zu unterlaufen. Würde - über die Begründungsanforderungen von § 164 Abs 2 S 3 SGG gleichsam durch die Hintertür - vom Revisionskläger bereits auf der Zulässigkeitsebene gefordert, darzulegen, dass etwa eine vom LSG angenommene Abweichung von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG auch entscheidungserheblich ist, würde eine erneute Prüfung einer bereits bejahten Voraussetzung gefordert. Diese Voraussetzung ist nach der gesetzlichen Konzeption für das BSG bindend mit der Zulassungsentscheidung bereits bejaht worden. Formerfordernisse - wie die Revisionsbegründung - dürfen aber nicht weitergehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährleistung des Rechtsschutzes abhängt (vgl BVerfGE 88, 118, 126 f). Das Verfahren der Zulassung der Revision bezweckt bereits, revisionswürdige Verfahren für das Revisionsgericht herauszufiltern (vgl Hennig, SGG, Stand Juni 2017, § 160 RdNr 60; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 5 mwN; Berchtold/Lüdtke in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl 2017, § 160 RdNr 12). Das Erfordernis, die Revision zu begründen, dient nicht erneut diesem Zweck.

40

Ergibt sich schon aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, dass das Tatsachengericht von einer bestimmten höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist, und will der Revisionskläger nur diese Abweichung rügen, reicht es nach den dargelegten Grundsätzen als Revisionsbegründung aus, wenn er diese Abweichung darstellt und im Übrigen darauf hinweist, dass er sich der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung anschließt (vgl BFHE 144, 40 = BStBl II 1985, 523 noch zu § 120 Abs 2 S 2 FGO aF).

41

b) Die Entwicklung des Regelungssystems und der sich hieraus ergebende Zweck der Revisionsbegründung mit der Sachrüge bestätigen dieses Ergebnis. Die umfassende Einführung der Zulassungsrevision (vgl Art I Nr 20 iVm Art VI des Gesetzes zur Änderung des SGG vom 30.7.1974, BGBl I 1625; Begründung des Gesetzentwurfs der BReg, BT-Drucks 7/861 S 9 f zu Art 1 Nr 13) mit ihrer Filterwirkung und Ablösung der früher bestehenden zulassungsfreien Revision nach Gesetzesvorgaben (vgl zB § 162 Abs 1 Nr 2 und Nr 3 SGG idF vom 3.9.1953, BGBl I 1239, berichtigt BGBl I 1326) im SGG - inzwischen im Einklang mit den Verfahrensordnungen aller anderen Gerichtsbarkeiten - hat die frühere Zweckrichtung des Begründungserfordernisses einer Revision geändert. Ursprünglich diente das Begründungserfordernis dazu, das Revisionsgericht zu entlasten (vgl zur Ursprungsfassung des § 164 SGG durch das SGG vom 3.9.1953, BGBl I 1239, berichtigt BGBl I 1326, Gesetzentwurf der BReg einer Sozialgerichtsordnung BT-Drucks I/4357 S 22 Nr 7, S 31 zu § 112, § 554 Abs 3 Nr 2 ZPO aF nachgebildet aufgrund desGesetzes betreffend Änderungen der ZPO vom 5.6.1905, RGBl S 536 und hierzu RT-Drucks Nr 782 vom 10.5.1905, Stenographischer Bericht 1903/05 Achter Anlageband S 4520 ff; zur entstehungsgeschichtlichen Entwicklung vgl umfassend BFH GrS BFHE 196, 39 = BStBl II 2001, 802 = Juris RdNr 72 mwN). Der Rechtsmittelführer sollte durch das Begründungserfordernis von aussichtlosen Revisionen abgehalten werden. Die Entlastungsfunktion hat das umfassende System notwendiger Zulassung jeder Revision durch Gerichtsentscheidung übernommen und verschärft, da nun ein Gericht die Revision zulassen muss. Ist dies durch Zulassung seitens des SG (Sprungrevision), des LSG oder des BSG auf Nichtzulassungsbeschwerde hin geschehen, ist das Rechtsmittel in aller Regel nicht völlig aussichtslos, sondern revisionswürdig (vgl näher Groth, SGb 2017, 593). Die Zulassungsentscheidung darf dann nicht mehr durch unangemessene Anforderungen an die Revisionsbegründung unterlaufen werden. Die Filterfunktion erfüllt die Begrenzung der Zulassungsgründe und das abgestufte Zulassungsverfahren der §§ 160, 160a SGG.

42

c) Es entspricht auch der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 S 1 GG, dass die Bezeichnung von Tatsachen bei Sachrügen kein formelles Zulässigkeitserfordernis der Revisionsbegründung ist, aber eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung erfordert, dass der Revisionskläger die Gründe aufzeigt, die nach seiner Auffassung auf Grund einer rechtlichen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung diese als unrichtig erscheinen lassen.

43

Nach der Rechtsschutzgarantie in Art 19 Abs 4 S 1 GG darf der Zugang zu den Gerichten und den vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (stRspr, vgl zB BVerfG Beschluss vom 2.3.1993 - 1 BvR 249/92 - BVerfGE 88, 118, 123 f; BVerfG Beschluss vom 21.10.2015 - 2 BvR 912/15 - NJW 2016, 44, Juris RdNr 22). Der Zugang zur Revision darf aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht durch Hürden erschwert oder vereitelt werden, die durch den Zweck der Revisionsbegründung nicht gerechtfertigt sind. Das müssen auch die Gerichte bei der Auslegung prozessualer Normen beachten. Sie dürfen ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und so für den Rechtsmittelführer leerlaufen lassen (BVerfG Beschluss vom 30.4.1997 - 2 BvR 817/90 ua - BVerfGE 96, 27, 39; BVerfG Beschluss vom 21.10.2015 aaO). Formerfordernisse dürfen deshalb nicht weitergehen als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährleistung des Rechtsschutzes abhängt (BVerfG Beschluss vom 2.3.1993 - 1 BvR 249/92 - BVerfGE 88, 118, 126 f). Das gilt auch für Darlegungsanforderungen. Sie dürfen nicht derart streng gehandhabt werden, dass sie von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können (BVerfG Beschluss vom 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 - BVerfGE 125, 104, 137; BVerfG Beschluss vom 21.10.2015 aaO; vgl auch BSG Urteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 12/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 4 RdNr 12; BSG SozR 4-1500 § 164 Nr 4 RdNr 13). Die dargelegten Anforderungen an die Revisionsbegründung mit der Sachrüge tragen diesen Erfordernissen Rechnung. Sie begründen eine mit der Verfassung konforme Auslegung von § 164 Abs 2 S 3 SGG.

44

3. Auch die anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes, insbesondere der öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten, stellen auf Grundlage der jeweiligen Prozessordnungen entsprechende Anforderungen. Danach bezweckt das Erfordernis einer Revisionsbegründung, frühzeitig Klarheit über Art, Umfang und Ziel der Revisionsangriffe des Revisionsklägers gegen die angefochtene Entscheidung zu erzielen. Die Begründung soll Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs klarstellen (vgl BAG Urteil vom 24.1.2017 - 1 AZR 774/14 - NZA 2017, 777 = Juris RdNr 10; BFH Beschluss vom 20.8.2012 - I R 3/12 - Juris RdNr 8; BGH Beschluss vom 22.9.2014 - IV ZR 371/13 - VersR 2015, 1121 = Juris RdNr 2; BVerwGE 154, 328 = Juris RdNr 15). Die Rspr von BAG, BFH, BGH und BVerwG fordert für die Zulässigkeit einer Revision dagegen nicht, dass die Revisionsbegründung die vorinstanzlich getroffenen tatsächlichen Feststellungen wiedergibt.

45

Nach der mit § 164 Abs 2 S 3 SGG nahezu wortgleichen Vorschrift in § 139 Abs 3 S 4 VwGO muss die Revisionsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben. Das Erfordernis, die verletzte Rechtsnorm zu bezeichnen, besagt, dass der Revisionskläger "den Streitstoff in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durcharbeiten, sichten und gliedern muss" (stRspr, vgl zB BVerwG Beschluss vom 2.4.1982 - 5 C 3/81 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 61 = Juris RdNr 3). Die Revisionsbegründung erfordert lediglich, dass sich der Rechtsmittelführer "mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzt und in diesem Zusammenhang erkennbar macht, aus welchen Gründen er mit dem angefochtenen Urteil nicht einverstanden ist" (stRspr, vgl zB BVerwG aaO, BVerwG Beschluss vom 30.4.1980 - 7 C 88/79 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 55 und Urteil vom 3.3.1998 - 9 C 20/97 - BVerwGE 106, 202 ff). Eine formelhafte Rüge, das materielle Recht, eine einzelne Norm, sei verletzt, wird dieser Anforderung nicht gerecht (BVerwG Beschluss vom 2.4.1982 - 5 C 3/81 - Buchholz 310 § 139 VwGO Nr 61 = Juris RdNr 3; zum Ganzen auch Pietzner/Buchheister in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 139 RdNr 42).

46

Die Anforderungen an die Revisionsbegründung sind bei den anderen Gerichtsbarkeiten im Kern hiermit vergleichbar, obwohl die Parallelregelungen zu § 164 Abs 2 SGG in § 120 Abs 3 FGO und § 551 Abs 3 S 1 Nr 2 Buchst a ZPO inzwischen im Wortlaut von § 164 Abs 2 SGG abweichen. Diese Normen fordern die "bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt" (§ 120 Abs 3 FGO idF des Art 1 Nr 14 des 2. FGOÄndG vom 19.12.2000 mWv 1.1.2001, BGBl I 1757 und § 551 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO idF des Art 2 Abs 1 Nr 72 ZPO-RG vom 27.7.2001 mWv 1.1.2002, BGBl I 1887). Nach den Gesetzesbegründungen konkretisieren diese Neufassungen im Wesentlichen entsprechend dem zuvor geltenden Recht (§ 120 Abs 2 S 2 FGO und § 554 Abs 3 Nr 3 ZPO aF) die Darlegungsanforderungen für die Geltendmachung der Rechtsverletzung im Sinne der dazu ergangenen Rechtsprechung. Sie verlangen die Angabe der Gründe, die aus Sicht des Revisionsklägers den materiellen oder verfahrensrechtlichen Fehler ausmachen (vgl Gesetzentwurf der BReg eines 2. FGOÄndG, BT-Drucks 14/4061 S 11 und Gesetzentwurf der BReg eines ZPO-RG, BT-Drucks 14/4722 S 107).

47

Nach der Rspr des BFH bedarf es dementsprechend hierzu einer zumindest kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung, aus der zu erkennen ist, dass der Revisionskläger diese und sein eigenes Vorbringen überprüft hat (vgl zB BFH Beschluss vom 20.8.2012 - I R 3/12 - Juris RdNr 8; BFH Urteil vom 25.6.2003 - X R 66/00 - BFH/NV 2004, 19 = Juris RdNr 17; vgl bereits zur alten Rechtslage Beschluss vom 6.10.1982 - I R 71/82 - BFHE 136, 521). BGH und BAG fordern ebenfalls, dass die Revisionsbegründung auf den Streitfall zugeschnitten konkret darlegt, aus welchen Gründen das Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (vgl zB BGH Beschluss vom 26.6.2003 - III ZB 71/02 - Juris RdNr 9 und Urteil vom 20.5.2011 - V ZR 250/10 - Juris RdNr 6 mwN; BAG Urteil vom 29.10.1997 - 5 AZR 624/96 - BAGE 87, 41 ff; jeweils mwN).

48

Der GrS sieht sich hiernach nicht veranlasst, ein Vorlageverfahren gemäß §§ 2 Abs 2, 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes(RsprEinhG) einzuleiten.

Tenor

Die Revision wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte für den Zeitraum September 2014 bis März 2015.

2

Der am geborene Kläger war nach einer Fachschulausbildung im August 1968 mit der Aufnahme einer beruflichen Ausbildung in das Arbeitsleben eingetreten und langjährig berufstätig. Zu Beginn des Jahres 2014 war er bei der "N. Transport K. GmbH" (im Folgenden: Arbeitgeberin) im Bereich des Rechnungswesens beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis kündigte die Arbeitgeberin am 12.12.2013 zum 31.1.2014. In einer Bescheinigung vom 10.6.2014 erklärte sie, dass die Kündigung als Kostensenkungsmaßnahme eine seinerzeit drohende Insolvenz abwenden sollte. Im Ergebnis blieb diese Maßnahme jedoch ohne Erfolg. Am 31.3.2014 stellte die Arbeitgeberin den Insolvenzantrag. Ab Februar 2014 bezog der Kläger Arbeitslosengeld (Alg) von der Bundesagentur für Arbeit (BA), die aufgrund des Leistungsbezugs auch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtete.

3

Am 26.8.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab September 2014. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2.10.2014 ab, weil der Kläger statt der erforderlichen 540 Monate nur 533 Wartezeitmonate zurückgelegt habe. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2014 zurück. Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung könnten in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur bei der Wartezeit berücksichtigt werden, sofern das vorangegangene Beschäftigungsverhältnis durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe beendet worden sei. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Kündigung durch die Arbeitgeberin sei bereits vor der Stellung des Insolvenzantrags erklärt worden.

4

Bereits im September 2014 hatte der Kläger eine geringfügige versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen, die er bis März 2015 ausübte. Unter Berücksichtigung der sich daraus ergebenden sieben weiteren Beitragsmonate bewilligte die Beklagte dem Kläger mit weiterem Bescheid vom 25.3.2015 die begehrte Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab April 2015.

5

Gegen die Ablehnung der Rente für den Zeitraum September 2014 bis März 2015 hat der Kläger beim SG Stade Klage erhoben. Mit Urteil vom 14.9.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die vom Kläger eingelegte Berufung hat das LSG Niedersachsen-Bremen mit Urteil vom 2.3.2016 zurückgewiesen. Im Zeitraum September 2014 bis März 2015 sei die Wartezeit von 45 Jahren für die Bewilligung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte noch nicht erfüllt gewesen. Die sieben Monate des Alg-Bezugs mit Beitragszahlung durch die BA von Februar bis August 2014 könnten nicht auf die Wartezeit angerechnet werden, weil sie in den letzten zwei Jahren vor dem gewünschten Rentenbeginn lägen und daher nach den Vorgaben des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 SGB VI für die Berechnung der 45-jährigen Wartezeit nicht berücksichtigungsfähig seien. Die (Rück-)Ausnahmeregelung, wonach solche Zeiten gleichwohl angerechnet werden dürften, wenn der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt sei, greife nicht ein. Die Arbeitgeberin habe sich im Zeitpunkt der Kündigung im Dezember 2013 zwar in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden, sei aber seinerzeit noch nicht in Insolvenz geraten. Der Insolvenzantrag sei vielmehr erst am 31.3.2014 gestellt worden. Eine Auslegung, wonach auch eine nur zur Abwehr einer möglicherweise in Betracht kommenden Insolvenz ausgesprochene Kündigung für das Eingreifen der (Rück-)Ausnahmeregelung ausreiche, sei mit dem Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbaren. Es finde sich auch keine tragfähige Grundlage in den Gesetzesmaterialien und in der Systematik, die die Annahme rechtfertige, dass eine solche Auslegung über den Wortlaut hinaus dem gesetzgeberischen Willen entspreche. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung bestünden im Ergebnis nicht.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 51 Abs 3a SGB VI. Das Berufungsgericht habe den Anwendungsbereich der Norm verkannt. Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung seien auf die Wartezeit von 45 Jahren auch dann anzurechnen, wenn der Insolvenzantrag noch nicht gestellt worden, die Kündigung aber dennoch - wie in seinem Fall - durch die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers bedingt sei, also zeitlich mit ihr in unmittelbarem Zusammenhang stehe. Nach dem Wortlaut der Vorschrift müsse die Kündigung nur durch eine Insolvenz bedingt sein. In der Gesetzesbegründung fänden sich keinerlei Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber die Ausnahmeregelung von der Stellung eines Insolvenzantrags oder der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens abhängig habe machen wollen. In der Insolvenzordnung (InsO) sei die drohende Zahlungsunfähigkeit der Zahlungsunfähigkeit als Eröffnungsgrund eines Insolvenzverfahrens gleichgestellt. Es reiche daher bereits die Zahlungsunfähigkeit oder drohende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers und die kausale Verknüpfung zwischen Kündigung und Zahlungsunfähigkeit bzw drohender Zahlungsunfähigkeit aus. Sofern dieser Argumentation nicht gefolgt werde, müsse die Regelung jedenfalls verfassungskonform auf den Fall einer Kündigung im Rahmen einer Insolvenz, dh einer zeitlich kurz vor der Stellung eines Insolvenzantrags ausgesprochenen Kündigung angewandt werden. Dies gebiete der allgemeine Gleichbehandlungssatz des Art 3 Abs 1 GG bei einem Vergleich mit Personen, die nach der Anmeldung einer Insolvenz gekündigt würden. Beide Personengruppen seien unfreiwillig und unverschuldet entlassen worden. Auch könnten bei beiden die objektiven Umstände, die zu einer Kündigung geführt hätten, von außen überprüfbar und unkompliziert nachvollzogen werden. Zudem handele es sich bei beiden Gruppen um Härtefälle, bei denen die gesetzliche (Rück-)Ausnahme greifen soll. Sofern auch eine verfassungskonforme Auslegung nicht für möglich gehalten werde, müsse das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 51 Abs 3a SGB VI zur Entscheidung vorgelegt werden. Die Vorschrift verstoße neben Art 3 Abs 1 GG zudem in der Auslegung des LSG gegen Art 14 GG. Es liege ein unverhältnismäßiger Eingriff in rentenrechtliche Anwartschaften vor.

7

Der Kläger beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. März 2016 und des Sozialgerichts Stade vom 14. September 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Oktober 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Altersente für besonders langjährig Versicherte bereits für den Zeitraum vom 1. September 2014 bis einschließlich 31. März 2015 zu gewähren.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

A. Die kraft Zulassung durch das LSG statthafte Revision (§ 160 Abs 1 und 3 SGG) ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere entgegen den von dem Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerten Bedenken formgerecht iS des § 164 Abs 2 S 1 und S 3 SGG begründet.

11

Wendet sich die Revision - wie hier - gegen die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts, ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats in der Begründung sorgfältig und nach Umfang und Zweck zweifelsfrei darzulegen, weshalb die Norm in der angefochtenen Entscheidung - bezogen auf den festgestellten Sachverhalt - nicht oder nicht richtig angewandt worden ist. Dies setzt voraus, dass sich die Begründung mit dem vorinstanzlichen Urteil auseinandersetzt. "Auseinandersetzung" bedeutet, auf den Gedankengang des Vordergerichts einzugehen. Dazu muss der Revisionsführer - zumindest kurz - rechtlich auf die Gründe der Vorinstanz eingehen; er muss mithin erkennen lassen, dass er sich mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist (Senatsbeschlüsse vom 10.2.2016 - B 5 RS 1/15 R - BeckRS 2016, 66775 RdNr 6; vom 5.5.2015 - B 5 R 18/14 R - BeckRS 2015, 69242 RdNr 6; vom 9.1.2014 - B 5 RE 1/14 R - BeckRS 2014, 65978 RdNr 7 und vom 23.2.2017 - B 5 SF 5/16 AR - Juris RdNr 13). Diesen Anforderungen kann eine Rüge der Verletzung materiellen Rechts nur genügen, wenn sie den vom Vordergericht festgestellten entscheidungserheblichen Lebenssachverhalt (im Sinne einer Gesamtheit rechtlich relevanter Tatumstände) vollständig darlegt (Senatsbeschluss vom 23.2.2017 - B 5 SF 5/16 AR - Juris RdNr 14).

12

Welche inhaltlichen Anforderungen an eine Revisionsbegründung in Bezug auf die Darstellung des entscheidungserheblichen Lebenssachverhaltes im Rahmen der Rüge der Verletzung materiellen Rechts konkret zu stellen sind, entzieht sich einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung. Aufwand und Intensität des Eingehens auf die tatrichterlichen Feststellungen richten sich nach deren eigener Qualität und sind naturgemäß am geringsten, wenn das Tatsachengericht in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich kundgetan hat, wovon es aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens überzeugt ist und was es demgemäß festgestellt hat. Die Aufgabe des Revisionsführers wächst in dem Umfang, in dem das LSG von dieser Idealform abweicht und Feststellungen auf den Gesamttext seiner Entscheidung verteilt und/oder nur mittelbar in der Weise trifft, dass allenfalls aus seiner weiteren Rechtsanwendung deutlich wird, von welchem Sachverhalt es überzeugt war. Insoweit muss die Revisionsbegründung als Ergebnis eigener geistiger Arbeit (BSG vom 25.7.1968 - 8 RV 361/66 - SozEntsch BSG 1/4 § 164 Nr 17 - Juris RdNr 15) - und nicht von "copy and paste" - darlegen, in welcher Weise sie dem angefochtenen Urteil den mitgeteilten Sachverhalt als dessen geistigen Gehalt entnimmt (Senatsbeschluss vom 23.2.2017 - B 5 SF 5/16 AR - Juris RdNr 22; zustimmend 12. Senat des BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 KR 16/14 R - Juris RdNr 20 ff, zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR).

13

Eine formgerechte Revisionsbegründung erfordert daher weder stets eine geschlossene Darstellung des Streitstoffs und der angegriffenen Entscheidung als Ganzes noch bedarf sie zwingend der wörtlichen Wiedergabe der vom Vordergericht festgestellten, rechtlich relevanten Tatumstände (BSG Urteil vom 31.3.2017 - B 12 KR 16/14 R - Juris RdNr 23). Unzulässig sind solche Formen der Darstellung des entscheidungserheblichen Lebenssachverhalts allerdings nicht. Etwas Gegenteiliges ist auch nicht dem Urteil des 13. Senats des BSG vom 24.2.2016 (B 13 R 31/14 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 4 RdNr 20) zu entnehmen. Dieser hat lediglich darauf hingewiesen, dass die Wiedergabe des kompletten Berufungsurteils in der Revisionsbegründung wegen deren Überfrachtung mit Unwesentlichem und der damit verbundenen Erschwernis der Arbeit des Revisionsgerichts nicht wünschenswert ist.

14

Der Kläger, der in der Revisionsbegründung die angefochtene Entscheidung nahezu vollständig wiedergegeben hat, hat mit dieser Art der Darstellung - unabhängig von der Frage ihrer Sachdienlichkeit - den rechtlichen Anforderungen an die gebotene Form genügt.

15

B. Die Revision ist allerdings unbegründet.

16

Zu Recht hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte bereits ab 1.9.2014. Er hat die gesetzlichen Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfüllt (dazu I.). Auch verstößt § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 und 3 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) vom 23.6.2014 (BGBl I 787) nicht gegen die Verfassung (dazu II.). Eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an das BVerfG nach Art 100 Abs 1 GG kommen daher nicht in Betracht.

17

I. Einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ist § 236b Abs 1 iVm Abs 2 S 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23.6.2014. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte, die vor dem 1.1.1953 geboren sind, Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet (Abs 1 Nr 1) und die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben (Abs 1 Nr 2). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar ist der Kläger vor dem 1.1.1953 - am 29.12.1950 - geboren und hatte am 1.9.2014 das 63. Lebensjahr vollendet. Er erfüllte jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht die 45-jährige Wartezeit.

18

1. Welche Zeiten auf die 45-jährige Wartezeit angerechnet werden, regelt § 51 Abs 3a S 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23.6.2014. Danach werden auf die Wartezeit von 45 Jahren Kalendermonate angerechnet mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (Nr 1), Berücksichtigungszeiten (Nr 2), Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung (Nr 3 Buchst a), Leistungen bei Krankheit (Nr 3 Buchst b) und Übergangsgeld (Nr 3 Buchst c), soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind (Teils 1), wobei Zeiten nach Buchst a in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt werden (Teils 2), es sei denn, der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt (Teils 3). Ferner werden auf die Wartezeit von 45 Jahren unter bestimmten Voraussetzungen Kalendermonate mit freiwilligen Beiträgen angerechnet (Nr 4).

19

Nach den nicht angegriffenen und damit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Kläger bis Ende Januar 2014 533 Kalendermonate zurückgelegt, die auf die 45-jährige Wartezeit (= 540 Monate) anrechenbar sind. Die darüber hinaus von Februar bis August 2014 zurückgelegten 7 Monate des Bezugs von Alg, einer Entgeltersatzleistung der Arbeitsförderung (§ 3 Abs 4 Nr 1 SGB III), sind nach den Vorgaben des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 und 3 SGB VI nicht anrechnungsfähig. Sie liegen in den letzten zwei Jahren vor dem gewünschten Rentenbeginn 1.9.2014 (Teils 2), ohne dass der Alg-Bezug durch eine Insolvenz - die vorliegend allein als Rückausnahmefall in Betracht kommt - bedingt ist (Teils 3).

20

Insolvenzbedingt ist der Alg-Bezug nur dann, wenn sich die Beendigung einer Beschäftigung - die ihrerseits Ursache der Arbeitslosigkeit als Voraussetzung für Alg ist (§ 136 Abs 1 Nr 1 SGB III) - als Ergebnis einer verfahrensrechtlich durch die InsO gelenkten Tätigkeit darstellt. Dies ist der Fall, wenn die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses auf der Erklärung zB Kündigung einer Person beruht, deren Handlungsbefugnis durch die InsO begründet ist. Als solche Person kommt der (vorläufige) Insolvenzverwalter oder der Arbeitgeber in der Funktion als Schuldner in Eigenverwaltung in Betracht.

21

Ein solches Verständnis des im Gesetz nicht näher umschriebenen und auch durch den Sprachgebrauch nicht eindeutig bestimmten Rechtsbegriffs der "Insolvenz" (dazu a) ergibt sich unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm (dazu b) sowie systematischer Erwägungen (dazu c) insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit.

22

a) § 51a Abs 3a SGB VI definiert den Begriff "Insolvenz" nicht. Ebenso wenig ergibt sich ein eindeutiger Wortsinn aus dem allgemeinen Sprachgebrauch. Insoweit wird unter dem Begriff "Insolvenz" insbesondere "Zahlungsunfähigkeit" (Gabler, Lexikon Recht in der Wirtschaft, 1998, S 519; Duden, Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl 2007, S 631), aber auch zusätzlich "Bankrott, Ruin, Pleite, Illiquidität" (Duden, Das Synonymwörterbuch, Bd 8, 6. Aufl 2014, S 530) verstanden, wobei die Erläuterung "Zahlungsunfähigkeit" teilweise mit dem Hinweis verbunden wird, dass die InsO das Verfahren zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger eines Schuldners regelt (Der Brockhaus in einem Band, 14. Aufl 2011, S 416). Ähnlich verhält es sich im allgemeinen rechtlichen Sprachgebrauch, bei dem unter dem Begriff "Insolvenz" ua auf das Insolvenzrecht und das Insolvenzverfahren nach der InsO verwiesen wird (vgl Creifelds, Rechtswörterbuch, 21. Aufl 2014, S 669 iVm 672). Danach bezeichnet der Begriff "Insolvenz" entweder inhaltlich einen bestimmten finanziellen Zustand oder aber ist in Anlehnung an die InsO verfahrensrechtlich geprägt.

23

b) Unter Berücksichtigung des sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden Sinns und Zwecks des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 und 3 SGB VI ist der Begriff "Insolvenz" in letzterem Sinn zu verstehen.

24

Welches Verständnis dem Begriff "Insolvenz" bei der Konzeption des § 51 Abs 3a SGB VI zugrunde gelegt worden ist, geben die Gesetzesmaterialien nicht ausdrücklich an. Der ursprüngliche Entwurf des § 51 Abs 3a SGB VI sah weder eine Ausnahme von der Anrechenbarkeit der Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung auf die 45-jährige Wartezeit noch eine Rückausnahmeregelung für bestimmte Fälle vor(vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 25.3.2014 - BT-Drucks 18/909, S 7 Anlage 1 Art 1 Nr 2 und S 13 f Begründung A.I.). Erst im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens empfahl der Ausschuss für Arbeit und Soziales zwecks Vermeidung von Fehlanreizen, die sich aus der Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung auf die Wartezeit von 45 Jahren bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte ergeben könnten, diese Zeiten nicht zu berücksichtigen, wenn sie in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn lägen; um Härtefälle zu verhindern, sollten diese Zeiten zwei Jahre vor Rentenbeginn nur dann anrechnungsfähig sein, wenn sie durch Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt seien (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales <11. Ausschuss> vom 21.5.2014 - BT-Drucks 18/1489, S 5 und S 26 zu Buchst b). Welche Voraussetzungen an das Vorliegen einer Insolvenz zu stellen sind, ist dabei nicht erläutert worden.

25

Anhaltspunkte für die Bedeutung des Begriffs "Insolvenz" bzw "durch eine Insolvenz … des Arbeitgebers bedingt" lassen sich aber der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 (BT-Drucks 18/2186) entnehmen, in der die Formulierung Vermeidung bzw Verhinderung von "Fehlanreizen" wieder aufgenommen wird. Im Einzelnen heißt es dort (BT-Drucks 12/2186, S 9):

26

"Bereits bei Kabinettsbeschluss bestand Einigkeit, dass im parlamentarischen Verfahren zu prüfen sein wird, wie Frühverrentung verhindert werden kann. Denn Ziel der sogenannten Rente ab 63 soll nicht sein, bereits zwei Jahre vor Rentenbeginn aus dem Erwerbsleben auszuscheiden und über den Bezug von Arbeitslosengeld in die abschlagsfreie Rente zu gehen. Um derartige Missbräuche von vornherein auszuschließen, werden Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs in den letzten zwei Jahren vor Eintritt in die abschlagsfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab 63 Jahre nicht mitgezählt. Eine Ausnahme gilt für diejenigen Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs, die durch eine Insolvenz oder eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers verursacht wurden. Denn in diesen Fällen liegt typischerweise keine missbräuchliche Frühverrentung vor.

           

                 
        

Zutreffend ist, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch aus anderen Gründen als einer Insolvenz oder einer vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers unverschuldet arbeitslos werden können. Die Einführung großzügigerer Kriterien als einer Insolvenz oder einer vollständigen Geschäftsaufgabe wäre jedoch missbrauchsanfällig und daher ungeeignet, Fehlanreize zu verhindern. Denn in anderen als den geregelten Ausnahmefällen ist kein Nachweis darüber möglich, dass für die Arbeitslosigkeit allein Gründe maßgeblich waren, die frei von missbräuchlichen Absichten sind."

27

Das Ziel, eine missbräuchliche Frühverrentung von vornherein auszuschließen, ist regelmäßig nur erreichbar, wenn die Insolvenz in einem durch die InsO geprägten Sinn zu verstehen ist.

28

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw der Anordnung vorläufiger Maßnahmen bereits vor der Eröffnung verliert der Arbeitgeber die Verfügungs- bzw unkontrollierte Verfügungsbefugnis über sein Unternehmen oder fällt dieses bei Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse als Basis von Beschäftigungen weg mit der Folge, dass zumindest im Regelfall rechtlich oder faktisch eine missbräuchliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zwecks Frühverrentung durch ein Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgeschlossen ist (dazu aa). Dieses Ziel ist nicht erreichbar, wenn dem Begriff "Insolvenz" die Bedeutung einer bloßen Zahlungsunfähigkeit oder eines vergleichbaren finanziellen Zustands beigemessen wird (dazu bb).

29

aa) (1) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, ernennt das Insolvenzgericht im Regelfall einen Insolvenzverwalter (§ 27 Abs 1 S 1 InsO). Mit der Eröffnung des Verfahrens tritt der Insolvenzverwalter in die Arbeitgeberstellung ein (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, 2. Aufl 2010, S 643 RdNr 4; Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 17. Aufl 2017, Einführung InsO RdNr 37, § 113 RdNr 1). Damit ist er aus den Arbeitsverhältnissen, die auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestehen (§ 108 Abs 1 S 1 InsO), nach Maßgabe der geltenden Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Arbeitsvertragsregelungen und Gesetze berechtigt und verpflichtet (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO). Die Kündigungs- und Anfechtungsbefugnis gehen auf ihn über (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO; Berscheid, Arbeitsverhältnisse in der Insolvenz, 1999, RdNr 518). Bereits vor der Eröffnung hat das Insolvenzgericht die Befugnis, vorläufige Maßnahmen zur Sicherung des Schuldnervermögens anzuordnen. Bei der Anordnung der vorläufigen Verwaltung wird differenziert zwischen der sog "schwachen" Verwaltung mit Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs 2 Nr 2 Alt 2 InsO und der sog "starken" Verwaltung mit Verfügungsverbot gemäß § 21 Abs 2 Nr 2 Alt 1, § 22 InsO(Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO, S 641 RdNr 2). Die Anordnung der "schwachen" vorläufigen Verwaltung hat keine Auswirkung auf die Arbeitgeberstellung; der Insolvenzschuldner bleibt Arbeitgeber (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO; Berscheid, aaO, RdNr 499). Eine von ihm ausgesprochene Kündigung von Arbeitsverhältnissen ist jedoch nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam, sofern sich nichts anderes aus den Anordnungen des Insolvenzgerichts ergibt (vgl BAG Urteil vom 10.10.2002 - 2 AZR 532/01 - Juris RdNr 23 ff; Rüntz in Kayser/Thole, Insolvenzordnung, 8. Aufl 2016, S 227 RdNr 17). Ordnet das Insolvenzgericht die "starke" vorläufige Verwaltung an, so geht mit diesem Zeitpunkt die Arbeitgeberstellung, insbesondere das Kündigungsrecht auf den Insolvenzverwalter über (vgl Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO; Berscheid, aaO, RdNr 492).

30

Im Regelinsolvenzverfahren hat damit der Arbeitgeber nach Eröffnung des Verfahrens keine Möglichkeit mehr, Arbeitsverhältnisse zu beenden und ist auch vor dem Eröffnungsbeschluss bei Anordnung vorläufiger Maßnahmen zumindest von der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters bei Kündigungen abhängig.

31

Ordnet das Gericht dagegen ausnahmsweise (dazu Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO, S 498 RdNr 7) Eigenverwaltung an (§§ 270 ff InsO), erhält der Schuldner zwar die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse, unterliegt aber der umfassenden Aufsicht und Überwachung eines vom Insolvenzgericht eingesetzten Sachwalters (§ 270 Abs 1 S 1 InsO; Undritz in Schmidt, InsO, 19. Aufl 2016, § 270 InsO RdNr 25; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 3. Aufl 2017, § 270 RdNr 29). Dabei schließt der Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen (§§ 21 ff InsO) grundsätzlich nicht aus (Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, aaO, S 502 RdNr 14).

32

Bei Anordnung der Eigenverwaltung wird der Schuldner daher zumindest in seinen Verfügungen kontrolliert.

33

(2) Die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse gemäß § 26 Abs 1 S 1 InsO führt etwa bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften, Genossenschaften und Offenen Handelsgesellschaften sowie Kommanditgesellschaften, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, zu deren Auflösung(§ 60 Abs 1 Nr 5 GmbHG, § 262 Abs 1 Nr 4 AktG, § 81a Nr 1 GenG, § 131 Abs 2 Nr 1 HGB, § 161 Abs 2 HGB). Die Auflösung führt zur Abwicklung (Liquidation) der Gesellschaft (vgl Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl 2017, § 60 RdNr 2; Kamanabrou in Oetker, HGB, 5. Aufl 2017, § 131 RdNr 19; Füller in Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 4. Aufl 2017, § 262 RdNr 12) und anschließender Beendigung (vgl Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl 2016, § 60 RdNr 19 mwN; vgl zur Löschung vermögensloser Gesellschaften und Genossenschaften § 394 FamFG). Damit entfällt in diesen Fällen das Unternehmen als Basis der Beschäftigung des Arbeitnehmers, sodass eine missbräuchliche Kündigung insoweit ebenfalls ausscheidet. Dies gilt letztlich ebenso, wenn der Arbeitgeber eine natürliche Person ist. Auch diese ist im Fall ihrer - durch Beschluss des Insolvenzgerichts nachgewiesenen - Vermögenslosigkeit wirtschaftlich nicht in der Lage, ein Unternehmen fortzuführen.

34

bb) Verstünde man dagegen unter Insolvenz iS von § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 3 SGB VI nur den Zustand der Zahlungsunfähigkeit oder einen vergleichbaren finanziellen Zustand, bliebe die Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers rechtlich uneingeschränkt, sodass ein Zusammenwirken zwischen ihm und dem Arbeitnehmer nicht ausgeschlossen werden kann. Interne, nicht dokumentierte Absprachen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sich eines Nachweises entziehen, sind insoweit immer möglich. Abgesehen davon wäre auch die Zahlungsunfähigkeit nicht in einem geregelten Verfahren festgestellt worden, was zusätzlich Raum für eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Alg und anschließender Rente bietet.

35

c) Für das hier vertretene Begriffsverständnis sprechen schließlich auch systematische Erwägungen, insbesondere der zweite gesetzlich geregelte Rückausnahmetatbestand, die vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers. Hierbei entfällt die Basis vorhandener Beschäftigungsverhältnisse und damit die Gelegenheit für eine missbräuchliche Frühverrentung durch ein Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die zweite Rückausnahmeregelung entspricht insoweit der oben dargestellten zweiten Variante einer verfahrensrechtlich geprägten Insolvenz, der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse, und ist mit der aufgezeigten ersten verfahrensrechtlichen Insolvenzvariante, der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, in der Wirkung vergleichbar. Beide schließen typischerweise einen Missbrauch aus, die vollständige Geschäftsaufgabe in tatsächlicher Hinsicht durch Wegfall der Beschäftigungsbasis und das eröffnete Insolvenzverfahren in rechtlicher Hinsicht durch Wegfall der uneingeschränkten oder unkontrollierten Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers.

36

Darüber hinaus verwenden auch die sonstigen Bücher des SGB, soweit sie Rechtsfolgen an die Insolvenz knüpfen, einen durch die InsO verfahrensrechtlich geprägten Insolvenzbegriff.

37

So setzt zB in § 165 Abs 1 S 1 SGB III der Anspruch auf Insolvenzgeld den Eintritt eines Insolvenzereignisses voraus, das in § 165 Abs 3 S 2 SGB III definiert wird. Danach gilt als Insolvenzereignis die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Im SGB IV normiert zB § 28a Abs 1 S 1 Nr 3 eine Meldepflicht des Arbeitgebers oder eines anderen Meldepflichtigen bei der Einzugsstelle für jeden in der Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung oder nach dem Recht der Arbeitsförderung kraft Gesetzes Versicherten bei Eintritt eines Insolvenzereignisses. § 8a der Verordnung über die Erfassung und Übermittlung von Daten für die Träger der Sozialversicherung, der die Meldepflicht für bereits vor dem Insolvenzereignis freigestellte Beschäftigte betrifft(vgl Erkelenz in Jahn/Jansen, SGB IV, § 28a RdNr 16a, Stand 30.6.2015), konkretisiert diesen Begriff iS der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder dessen Nichteröffnung mangels Masse. § 19 Abs 1a S 1 SGB V nennt die Insolvenz einer Krankenkasse als Grund für das Ende der Mitgliedschaft eines Versicherten. § 171b SGB V, der die "Insolvenz von Krankenkassen" näher regelt, bestimmt in Abs 1, dass vom 1.1.2010 an die InsO für die Krankenkassen nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze gilt und regelt in Abs 5, dass mit dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder dem Tag der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, die Krankenkasse mit der Maßgabe geschlossen ist, dass die Abwicklung der Geschäfte der Krankenkasse im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach den Vorschriften der InsO erfolgt. Hiermit übereinstimmend definiert § 171d Abs 1 SGB V den Insolvenzfall als Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Krankenkasse oder die rechtskräftige Abweisung der Eröffnung mangels Masse.

38

Ein insolvenzbedingter Alg-Bezug im dargelegten Sinn liegt bei dem Kläger nicht vor. Seine Arbeitgeberin hat ihre Befugnis zur Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses am 12.12.2013 nicht aus den Regelungen der InsO abgeleitet. Das Insolvenzverfahren war vielmehr zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingeleitet.

39

2. Eine analoge Anwendung des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 3 SGB VI auf Fälle des Alg-Bezugs aufgrund der Kündigung eines Beschäftigungsverhältnisses zur Abwendung einer dann doch eingetretenen Insolvenz des Arbeitgebers oder gar auf sämtliche unfreiwilligen und unverschuldeten Beendigungen von Arbeitsverhältnissen kommt nicht in Betracht.

40

Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz voraus (BGHZ 149, 165, 174; BGH NJW 2007, 992, 993 und 2008, 1446 Tz 14; BAG NJW 2003, 2473, 2474 f; BFH NJW 2006, 1837). Eine solche liegt hier nicht vor. Dem Gesetzgeber war bewusst, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch aus anderen Gründen als einer Insolvenz oder einer vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers unverschuldet arbeitslos werden können. Er hat sich trotz dieser Erkenntnis lediglich für die zwei genannten Rückausnahmen entschieden, weil in allen anderen Fällen kein Nachweis darüber möglich sei, dass die Arbeitslosigkeit nicht auf missbräuchlichen Absichten beruhe (vgl Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 - BT-Drucks 18/2186, S 9). Der Gesetzgeber hat daher wissentlich und willentlich eine nur enge Rückausnahmeregelung geschaffen.

41

II. § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 und 3 SGB VI stehen mit der Verfassung in Einklang.

42

1. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor.

43

a) Es ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, dass Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung gemäß § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teil 2 SGB VI in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn entgegen der Grundregel des Teils 1 nicht auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden.

44

Der allgemeine Gleichheitssatz iS von Art 3 Abs 1 GG gebietet zwar, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl nur BVerfGE 117, 272, 300 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 - stRspr).

45

Die Regelung des Teils 2 benachteiligt die Personengruppe, die Zeiten im Sinne des Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a SGB VI in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn zurückgelegt hat, gegenüber der Personengruppe, die derartige Zeiten vor diesem Zeitraum absolviert hat und damit der Grundregel des Teils 1 unterfällt.

46

Die unterschiedliche Behandlung der dargestellten Gruppen durch den Gesetzgeber wird durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt.

47

Da eine Anordnung des Gesetzgebers, Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind, auf die 45-jährige Wartezeit anzurechnen, angesichts der weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit (BVerfGE 122, 1, 23; 130, 240, 254 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1; BVerwGE 101, 86, 95; BSGE 70, 62, 67 = SozR 3-5750 Art 2 § 62 Nr 6)aus Verfassungsgründen nicht geboten war, kann es ihm grundsätzlich auch nicht verwehrt sein, für sie zeitliche Grenzen zu setzen. Insoweit liegt ein Vergleich mit der Zulässigkeit von Stichtagsregelungen nahe (vgl BVerfGE 80, 297, 311 = SozR 5795 § 4 Nr 8).

48

Dem Gesetzgeber ist es durch Art 3 Abs 1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Einführung eines Stichtags überhaupt notwendig ist und sich die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar ist (vgl zB BVerfGE 101, 239, 270; 117, 272, 301 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7; BVerfGE 123, 111, 128; 126, 369, 399 = SozR 5050 § 226 Nr 9).

49

Einer Prüfung anhand dieser Kriterien hält § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 SGB VI stand.

50

aa) Der Gesetzgeber durfte die Einführung einer zeitlichen Begrenzung der Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung auf die Wartezeit von 45 Jahren iS eines Berücksichtigungsausschlusses in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn für notwendig halten.

51

Die Ausschlussregelung iS des Teils 2 ist in das Gesetz aufgenommen worden, um eine missbräuchliche Frühverrentung von vornherein zu verhindern. Die sog "Rente ab 63" dient - wie bereits oben ausgeführt - nicht dem Ziel, bereits zwei Jahre vor Rentenbeginn aus dem Erwerbsleben auszuscheiden und über den Bezug von Alg in die abschlagsfreie Rente zu wechseln (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 - BT-Drucks 18/2186, S 9). Der Gesetzgeber durfte von der Gefahr einer missbräuchlichen Frühverrentung ausgehen. Es liegt im Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers, bei einer nicht eindeutig geklärten und auch nicht ohne Weiteres aufklärbaren Sachlage seinen Entscheidungen über zu ergreifende Maßnahmen eine Gefährdungsprognose zugrunde zu legen, wobei er sich allerdings nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebenssachverhalte stützen darf (BVerfGE 138, 136 RdNr 144 mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

52

Die Einschätzung einer missbräuchlichen Frühverrentung kann sich nicht auf empirisch nachweisbare Befunde stützen; ebenso wenig ist ein derartiger Sachverhalt im voraus aufklärbar oder vorhersehbar, weil das Rentenzugangsgeschehen multifaktoriell ist und sich aus dem Zusammenwirken verschiedener Akteure, wie zB individuellen Überlegungen aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebersicht, ergibt (vgl schriftliche Stellungnahme der BA zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen am 5.5.2014 - Ausschussdrucks 18<11>82 S 32, 33). Es stellt auch keine der Lebenserfahrung widersprechende Würdigung des Lebenssachverhalts dar, dass ältere Arbeitnehmer, die bereits ein langes und in der Regel anstrengendes Erwerbsleben absolviert, die 45-jährige Wartezeit möglicherweise aber dennoch nicht erfüllt haben, sich unter Inanspruchnahme von Alg aus dem Erwerbsleben verabschieden, um ggf über den Leistungsbezug die noch nicht erfüllte Wartezeit zu erreichen und anschließend mit 63 in die abschlagsfreie Rente zu wechseln. Die Möglichkeit, ein langes Erwerbsleben bei vorhandener sozialer Absicherung vorzeitig beenden zu können, stellt einen nicht zu leugnenden Anreiz dar (so auch die Einschätzung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der BA - schriftliche Stellungnahmen zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen am 5.5.2014 - Ausschussdrucks 18<11>82, S 27, 28 und 33, 34; vgl auch schriftliche Stellungnahme des Prof. Dr. Bromsdorf zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen am 5.5.2014 und Information des ULA-Deutschen Führungskräfteverbandes - Ausschussdrucks 18<11>82 S 63, 65 und 82) (so auch die Einschätzung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der BA - schriftliche Stellungnahmen zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen am 5.5.2014 - Ausschussdrucks 18<11>82, S 27, 28 und 33, 34; vgl auch schriftliche Stellungnahme des Prof. Dr. Bromsdorf zur öffentlichen Anhörung vom Sachverständigen am 5.5.2014 und Information des ULA-Deutschen Führungskräfteverbandes - Ausschussdrucks 18<11>82 S 63, 65 und 82), der durch interne Absprachen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unschwer umgesetzt werden kann. Angesichts dieser Lebenswirklichkeit hält der Senat den moralischen Vorwurf der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, die Ausschlussregelung stelle Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter den "Generalverdacht" einer missbräuchlichen Absprache über die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses (Sachstand WD 6 - 3000 - 133/14 S 9), für nicht gerechtfertigt. Erst recht vermag er nicht die Legitimität der gesetzgeberischen Erwägung in Frage zu stellen.

53

bb) Ein Ausschluss der Anrechnung für die letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn orientiert sich auch am gegebenen Sachverhalt und ist damit vertretbar.

54

Die Altersrente für besonders langjährig Versicherte wird gemäß § 236b SGB VI frühestens ab Vollendung des 63. Lebensjahres geleistet. Die Personen, die von der Ausschlussregelung des Teils 2 betroffen sind, haben daher mindestens das 61. Lebensjahr vollendet. Versicherte dieser Altersgruppe erhalten nach § 147 Abs 2 SGB III - vorbehaltlich des Vorliegens der weiteren dort normierten Anspruchsvoraussetzungen - Alg für 24 Monate, mithin also zwei Jahre. Der vom Gesetzgeber im Teils 2 gewählte Ausschlusszeitraum entspricht damit dem Zeitraum, in dem Alg maximal vor dem Rentenbeginn bezogen werden kann.

55

cc) Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass die Regelung des Teils 2 eine Härte für ihn - und vergleichbar betroffene Personen - darstellt, weil die Kündigung durch seine Arbeitgeberin zu einem Zeitpunkt (12.12.2013) erklärt worden ist, zu dem der Entwurf des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes noch nicht vorgelegen hat, sodass missbräuchliche Absichten bezogen auf die ab 1.7.2014 neu geregelte Altersrente für besonders langjährig Versicherte nicht vorgelegen haben können. Gleichwohl ist der Teils 2 zur Überzeugung des Senats mit dem allgemeinen Gleichheitssatz zu vereinbaren, weil jede Stichtagsregelung gewisse Härten mit sich bringt und Art 3 Abs 1 GG dem Gesetzgeber nicht aufgibt, die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung zu wählen (BVerfGE 84, 348, 359; 110, 412, 436; 122, 151, 714 = SozR 4-2600 § 237 Nr 16). Dies gilt umso mehr, als der Kläger seinerzeit kein Vertrauen auf die Anrechenbarkeit von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung innerhalb der letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn auf die 45-jährige Wartezeit haben konnte, weil derartige Zeiten nach der damaligen Rechtslage insoweit überhaupt nicht berücksichtigungsfähig waren (vgl § 51 Abs 3a SGB VI idF von Art 1 Nr 17 des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007, BGBl I 554).

56

b) Ebenso erweist sich die Rückausnahmeregelung des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 3 SGB VI, nach dem Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn in den Fällen angerechnet werden, in denen dieser Bezug durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist, als mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar.

57

Da die Rückausnahmeregelung des Teils 3 die Personengruppen begünstigt, die aufgrund einer Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers zwei Jahre vor Rentenbeginn Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung beziehen, kommen als Vergleichsgruppen solche Personengruppen in Betracht, die aus anderen betriebsbedingten Gründen ihren Arbeitsplatz verloren haben und ebenfalls im vorgenannten Zeitraum Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung beziehen. Ihnen wird anders als den begünstigten Personengruppen diese Zeit nicht auf die 45-jährige Wartezeit angerechnet, was zu einem Rentenausschluss führt, falls die Wartezeit nicht bereits zu diesem Zeitpunkt erfüllt ist.

58

aa) Die unterschiedliche Behandlung der dargestellten Gruppen durch den Gesetzgeber wird durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt.

59

Der Gesetzgeber hat die Anrechnung von Zeiten des Alg-Bezugs in den letzten zwei Jahren vor Eintritt in die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab 63 Jahre grundsätzlich ausgeschlossen, um - wie bereits oben dargelegt - eine missbräuchliche Frühverrentung zu verhindern. Versicherte sollen nicht bereits zwei Jahre vor Rentenbeginn aus dem Erwerbsleben ausscheiden und über den Bezug von Alg in die abschlagsfreie Rente gehen. Eine Ausnahme gilt für diejenigen Zeiten des Alg-Bezugs, die durch eine Insolvenz oder die vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers verursacht werden, weil in diesen Fällen typischerweise keine missbräuchliche Frühverrentung vorliegt. Nach der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 (BT-Drucks 18/2186, S 9) ist die Einführung großzügigerer Kriterien missbrauchsanfällig und daher ungeeignet, Fehlanreize zu verhindern. In anderen als den geregelten Ausnahmefällen sei kein Nachweis darüber möglich, dass für die Arbeitslosigkeit allein Gründe maßgeblich waren, die frei von missbräuchlichen Absichten sind.

60

Diese Gründe sind sachgerecht. Der Arbeitgeber verliert im Fall der Insolvenz, dh der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw der Anordnung vorläufiger Maßnahmen vor der Eröffnung die Verfügungs- bzw uneingeschränkte oder unkontrollierte Verfügungsbefugnis über sein Unternehmen oder bei einer Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse das Unternehmen als Basis von Beschäftigungen mit der Folge, dass zumindest im Regelfall rechtlich oder faktisch eine missbräuchliche Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zwecks Frühverrentung durch ein Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgeschlossen ist (vgl B.I.1.b aa). Letzteres gilt auch für die vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers (vgl B.I.1.c).

61

Für alle sonstigen Fälle eines betriebsbedingten Verlustes des Arbeitsplatzes lässt sich dagegen ein Missbrauch nicht ausschließen. Zwischen einem Arbeitgeber, der die unkontrollierte und uneingeschränkte Verfügungsbefugnis über seinen laufenden Betrieb hat, und Arbeitnehmern sind vielmehr interne Absprachen über die Auflösung von Arbeitsverhältnissen möglich, die sich eines Nachweises entziehen.

62

bb) Schließlich liegen auch keine Fälle unzulässiger Typisierung vor.

63

Insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - wie der Normierung von Voraussetzungen für den Anspruch einer gesetzlichen Rente - sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl nur BVerfGE 103, 310, 319; 113, 167, 236 = SozR 4-2500 § 266 Nr 8 RdNr 136; stRspr); der Gesetzgeber hat sich dabei am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, solange eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl nur BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob durch sie eintretende Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl nur BVerfGE 133, 377, 413). Außerdem ist zu beachten, dass die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers besonders groß bei einer bevorzugenden Typisierung ist (BVerfGE 17, 1, 24 = SozR Nr 52 zu Art 3 GG; BVerfGE 103, 310, 319).

64

(1) Die in den Teils 3 aufgenommenen Ausnahmefälle stellen gemessen am Normzweck Regelfälle dar. Der Gesetzgeber hat die Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung innerhalb der letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn auf die Wartezeit ausgenommen, um von vornherein eine missbräuchliche Frühverrentung auszuschließen (BT-Drucks 18/2186, S 9). Hiervon hat er lediglich die Fälle der Insolvenz und der vollständigen Geschäftsaufgabe rückausgenommen, weil in diesen typischerweise keine Frühverrentung vorliegt, während in anderen Fällen kein Nachweis möglich ist, dass die Arbeitslosigkeit nicht auf missbräuchlichen Absichten beruht (BT-Drucks aaO).

65

(2) Auch wird durch die vom Gesetzgeber vorgenommene Typisierung nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt.

66

Nach der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 2.9.2016 (BT-Drucks 18/9513, S 4) sind von 199 560 im Jahre 2014 gestellten Neuanträgen auf Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte 195 833 Anträge bewilligt und 1653 Anträge abgelehnt worden, wobei die Ablehnung von 1425 Anträgen wegen Nichterfüllung der Wartezeit erfolgt ist. Damit sind lediglich 0,714 % der 2014 gestellten Anträge an der Nichterreichung der 45-jährigen Wartezeit gescheitert. Im Jahr 2015 ist dieser Anteil noch geringer ausgefallen. Von 264 236 Neuanträgen auf Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte sind 260 394 Anträge bewilligt und 1488 abgelehnt worden, von denen 1250 auf dem Ablehnungsgrund "Wartezeit nicht erfüllt" beruhen (BT-Drucks 18/9513, S 4). Dies entspricht einem Anteil von 0,4731 % an allen gestellten Rentenanträgen.

67

Zwar handelt es sich bei diesen Werten nicht um eine präzise Berechnung der Auswirkungen der zum 1.7.2014 in Kraft getretenen Regelung des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a Teils 2 iVm 3 SGB VI. Denn die og Zahlen erfassen auch Personen, die nach altem Recht (vor dem 1.7.2014) eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nehmen konnten (vgl BT-Druck 18/9513, S 3 und 4), und auf die sich die umstrittene Regelung möglicherweise nicht ausgewirkt hat. Außerdem könnte ein Teil der Ablehnungsfälle aufgrund nicht erfüllter Wartezeit auf anderen Gründen als der Regelung des Teils 2 iVm Teils 3 beruhen. Insoweit ist insbesondere zu bedenken, dass nicht nur Versicherte aus der Arbeitslosigkeit heraus, sondern auch "Beschäftigte", "geringfügig Beschäftigte", Personen "ohne Versicherungsereignis" und "Sonstige" die Gewährung einer "Rente ab 63" beantragt haben (so Versichertenbericht der Deutschen Rentenversicherung 2016, S 24 über die Rentenzugänge aus diesen Gruppen im Jahr 2014). Bei den zuletzt genannten Gruppen kann die Wartezeit von 45 Jahren ebenso nicht erfüllt sein, ohne dass hierfür die umstrittene Regelung ursächlich gewesen sein dürfte. Auch unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte behalten die ermittelten Werte indes eine hinreichend verlässliche Aussagekraft. Da nur weniger als ein Prozent aller Rentenanträge an der nicht erfüllten Wartezeit gescheitert sind, erlaubt dieser Befund trotz einer gewissen Ungenauigkeit die Aussage, dass die Ausschlussregelung in Verbindung mit den eng gefassten Rückausnahmen nur einen geringen Anteil von Personen erfasst.

68

(3) Schließlich wiegt die Ungleichbehandlung auch nicht sehr intensiv. Wie der Fall des Klägers zeigt, können Versicherte, die mangels Anrechenbarkeit von Zeiten des Alg-Bezugs in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn die Wartezeit von 45 Jahren nicht erfüllen, die fehlenden Beitragsmonate durch Ausübung einer (geringfügigen) versicherungspflichtigen Beschäftigung nachträglich erwirtschaften. Angesichts der Arbeitsmarktlage ist der Fall des Klägers auch nicht als Ausnahmefall anzusehen. In der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 25.3.2014 (BT-Drucks 18/909, Begründung A I S 14) ist darauf hingewiesen, dass sich seit dem Jahr 2000 die Erwerbsbeteiligung der 60- bis 64-Jährigen von knapp 20 % auf 46,5 % im Jahr 2012 mehr als verdoppelt hat. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung realisierten immer mehr Unternehmen, dass ältere Erwerbstätige dringend gebraucht würden, um dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Entsprechend sei die Wertschätzung der Unternehmen gegenüber ihren älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutlich gestiegen. Die Unternehmen investierten im eigenen Interesse zunehmend in altersgerechte Arbeitsbedingungen, Weiterbildung und Gesundheitsmanagement. Es seien keine Anzeichen erkennbar, dass sich dieser Trend umkehren könnte. Dem entspricht die Hintergrundinformation der BA - Statistik - vom Dezember 2015 (S 2 und 7): Danach hat die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung älterer Arbeitnehmer in den letzten Jahren auch aus demografischen Gründen stark zugenommen. Seit 2009 sei die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten über 63 kontinuierlich gestiegen. Nach Einführung der "Rente ab 63" im Juli 2014 habe sich zwar die Beschäftigtenzahl verringert; ein Zusammenhang mit der Einführung der Rente könne plausibel vermutet werden. In der Altersgruppe der 61 und 62-Jährigen ist von 2010 bis Ende 2015 ein Beschäftigungsanstieg zu verzeichnen.

69

Angesichts der nachträglich möglichen Erfüllung der 45-jährigen Wartezeit durch Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung stellt die Regelung des Teils 2 iVm 3 für die nicht privilegierten Personengruppen entgegen der Ansicht der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages (Sachstand WD 6 - 3000 - 133/14 S 10 f) auch keine unzumutbare Belastung dar.

70

(4) Schließlich wäre die durch die Ungleichbehandlung entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar.

71

Bei einer Privilegierung auch solcher Personen, die aus anderen Gründen als der Insolvenz oder der vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers betriebsbedingt ihren Arbeitsplatz verloren haben, könnte die Regelung ihre Zweckbestimmung, Missbrauchsfälle von vornherein auszuschließen, nicht erreichen. Nach der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage verschiedener Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 22.7.2014 ist in anderen als den geregelten Ausnahmefällen kein Nachweis darüber möglich, dass für die Arbeitslosigkeit allein Gründe maßgeblich waren, die frei von missbräuchlichen Absichten sind (BT-Drucks 18/2186, S 9). Diese Erwägung ist vor dem Hintergrund stets möglicher, nicht dokumentierter Absprachen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachvollziehbar und plausibel.

72

(5) Letztlich ist im Rahmen der Prüfung eines Gleichheitsverstoßes zu bedenken, dass es sich bei der Rückausnahme des Teils 3 um eine bevorzugende Typisierung handelt, bei der die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers weiter gespannt ist als bei einer benachteiligenden Typisierung (BVerfGE 17, 1, 23 f = SozR Nr 52 zu Art 3 GG; BVerfGE 65, 325, 356; 103, 310, 319).

73

Ob eine bevorzugende oder benachteiligende Typisierung vorliegt, ist ausgehend vom Normalfall zu beurteilen, dh ausgehend von dem Fall, der nach Sinn und Zweck des Gesetzes in der Regel erfasst werden soll und erfasst wird (BVerfGE 17, 1, 23 f = SozR Nr 52 zu Art 3 GG). Grundsätzlich will der Gesetzgeber keine Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Leistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn, um eine missbräuchliche Frühverrentung zu verhindern (BT-Drucks 18/2186, S 9). Ausgehend hiervon stellt die Rückausnahme der in Teils 3 privilegierten Personengruppen eine Bevorzugung dar. Die Zahl der infolge der Typisierung bevorzugten Personen dürfte sich in solchen Grenzen halten, die angesichts der bei Bevorzugungen weit gespannten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers hingenommen werden kann (vgl hierzu BVerfGE 17, 1, 25 = SozR Nr 52 zu Art 3 GG).

74

Nach dem Versichertenbericht der Deutschen Rentenversicherung 2016 (S 24) wechseln in die Altersrente für besonders langjährig Versicherte vor allem beschäftigte Personen. Im Jahr 2014 stellten "Beschäftigte" 77 % der Zugänge in diese Rente. Die restlichen 23 % entfielen auf "geringfügig Beschäftigte", "Arbeitslose", Personen "ohne Versicherungsereignis" und "Sonstige". Der Anteil der Arbeitslosen lag hierbei bei nur knapp 10 %. Hiervon wird nach der Lebenserfahrung nur ein Teil zu denjenigen gehören, die Leistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn infolge einer Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe ihres Arbeitgebers bezogen haben und nur über die Rückausnahmeregelung des Teils 3 und die hierdurch mögliche Anrechnung dieser Zeiten die Wartezeit erfüllt haben. Eine nicht mehr hinnehmbare Begünstigungsquote von mehr als 10 % (vgl hierzu Jarass in ders/Pieroth, GG, 14. Aufl 2016, Art 3 RdNr 31) wird auf keinen Fall erreicht.

75

2. Ebenso wenig liegt eine Verletzung des Art 14 Abs 1 S 1 GG vor.

76

Was zum "Inhalt" des Eigentums gehört, bestimmen entsprechend Art 14 Abs 1 S 2 GG die Gesetze (BVerfGE 52, 1, 27). Der Gesetzgeber schafft auf der Ebene des objektiven Rechts diejenigen Rechtssätze, die die Rechtsstellung des Eigentümers begründen und ausformen; sie können privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sein (BVerfGE 58, 300, 330).

77

Die Anrechnung von Zeiten des Alg-Bezugs auf die 45-jährige Wartezeit ist erst durch § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 Buchst a SGB VI mit Wirkung zum 1.7.2014 angeordnet worden, wobei zugleich die Berücksichtigung dieser Zeiten für die letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn ausgeschlossen worden ist. Die Vorschrift hat damit nicht in eine den Versicherten bereits zuerkannte Rechtsposition eingegriffen, sondern ihnen vielmehr von Anfang an nur eine beschränkte Rechtsposition eingeräumt. Art 14 GG schützt aber lediglich Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen (BVerfGE 68, 193, 222 = SozR 5495 Art 5 Nr 1; BVerfGE 78, 205, 211; 95, 173, 187 f).

78

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

(1) Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Juli 2014 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn
1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen § 57 Satz 2 nicht angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Die Voraussetzungen des Satzes 3 Nummer 1 gelten als erfüllt, wenn
1.
vor dem 1. Januar 1992 Anspruch auf eine Rente bestand, in der für dasselbe Kind ein Zuschlag nach Absatz 1 Satz 1 berücksichtigt wird, und
2.
für dasselbe Kind eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt für andere Versicherte oder Hinterbliebene nicht angerechnet wird.

(1a) Ist der Anspruch auf Rente nach dem 30. Juni 2014 und vor dem 1. Januar 2019 entstanden, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind 0,5 persönliche Entgeltpunkte.

(2) Sind für Kindererziehungszeiten ausschließlich Entgeltpunkte (Ost) zugeordnet worden, sind für den Zuschlag persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln. Ist die Kindererziehungszeit oder Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 3 Nummer 1 oder nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 in der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt worden, wird der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten und persönlichen Entgeltpunkten (Ost) mit 0,75 vervielfältigt.

(3) Folgt auf eine Rente mit einem Zuschlag nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a eine Rente, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllt, ist der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach den Absätzen 1 bis 2 weiter zu berücksichtigen.

(4) Der Zuschlag nach Absatz 1 ist nicht zu berücksichtigen, wenn die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Absatz 4 in der Fassung ab dem 1. Juli 2014 ganz oder teilweise ausgeschlossen ist.

(5) Bestand am 31. Dezember 2018 Anspruch auf eine Rente und werden Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a nicht berücksichtigt, wird auf Antrag ab dem 1. Januar 2019 für jeden Kalendermonat der Erziehung ein Zuschlag in Höhe von 0,0833 persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt, wenn

1.
nach dem zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt innerhalb des jeweils längstens anrechenbaren Zeitraums die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kindererziehungszeit nach den §§ 56 und 249 vorlagen und
2.
für dasselbe Kind keine Kindererziehungszeiten oder Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a für andere Versicherte oder Hinterbliebene für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen sind.
Sind die Kalendermonate der Erziehung der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen, beträgt der Zuschlag für jeden Kalendermonat 0,0625 persönliche Entgeltpunkte oder persönliche Entgeltpunkte (Ost). Absatz 3 gilt entsprechend. Sind für das Kind keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anerkannt worden, wird der Zuschlag bei dem Elternteil berücksichtigt, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn

1.
die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,
2.
die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und
3.
der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

(2) Eine Erziehungszeit ist dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet. Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist. Die Zuordnung kann auf einen Teil der Erziehungszeit beschränkt werden. Die übereinstimmende Erklärung der Eltern ist mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben. Die Zuordnung kann rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung erfolgen, es sei denn, für einen Elternteil ist unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine Leistung bindend festgestellt, ein Versorgungsausgleich oder ein Rentensplitting durchgeführt. Für die Abgabe der Erklärung gilt § 16 des Ersten Buches über die Antragstellung entsprechend. Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, wird die Erziehungszeit dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter, bei gleichgeschlechtlichen Elternteilen zum Elternteil nach den §§ 1591 oder 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, oder wenn es einen solchen nicht gibt, zu demjenigen Elternteil, der seine Elternstellung zuerst erlangt hat. Ist eine Zuordnung nach den Sätzen 8 und 9 nicht möglich, werden die Erziehungszeiten zu gleichen Teilen im kalendermonatlichen Wechsel zwischen den Elternteilen aufgeteilt, wobei der erste Kalendermonat dem älteren Elternteil zuzuordnen ist.

(3) Eine Erziehung ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war.

(4) Elternteile sind von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie

1.
während der Erziehungszeit oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt haben, die aufgrund
a)
einer zeitlich begrenzten Entsendung in dieses Gebiet (§ 5 Viertes Buch) oder
b)
einer Regelung des zwischen- oder überstaatlichen Rechts oder einer für Bedienstete internationaler Organisationen getroffenen Regelung (§ 6 Viertes Buch)
den Vorschriften über die Versicherungspflicht nicht unterliegt,
2.
während der Erziehungszeit zu den in § 5 Absatz 4 genannten Personen gehören oder
3.
während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach diesem Buch; als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig gilt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen.

(5) Die Kindererziehungszeit beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Wird während dieses Zeitraums vom erziehenden Elternteil ein weiteres Kind erzogen, für das ihm eine Kindererziehungszeit anzurechnen ist, wird die Kindererziehungszeit für dieses und jedes weitere Kind um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Erziehung verlängert.

(1) Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Juli 2014 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn
1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen § 57 Satz 2 nicht angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Die Voraussetzungen des Satzes 3 Nummer 1 gelten als erfüllt, wenn
1.
vor dem 1. Januar 1992 Anspruch auf eine Rente bestand, in der für dasselbe Kind ein Zuschlag nach Absatz 1 Satz 1 berücksichtigt wird, und
2.
für dasselbe Kind eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt für andere Versicherte oder Hinterbliebene nicht angerechnet wird.

(1a) Ist der Anspruch auf Rente nach dem 30. Juni 2014 und vor dem 1. Januar 2019 entstanden, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind 0,5 persönliche Entgeltpunkte.

(2) Sind für Kindererziehungszeiten ausschließlich Entgeltpunkte (Ost) zugeordnet worden, sind für den Zuschlag persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln. Ist die Kindererziehungszeit oder Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 3 Nummer 1 oder nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 in der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt worden, wird der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten und persönlichen Entgeltpunkten (Ost) mit 0,75 vervielfältigt.

(3) Folgt auf eine Rente mit einem Zuschlag nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a eine Rente, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllt, ist der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach den Absätzen 1 bis 2 weiter zu berücksichtigen.

(4) Der Zuschlag nach Absatz 1 ist nicht zu berücksichtigen, wenn die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Absatz 4 in der Fassung ab dem 1. Juli 2014 ganz oder teilweise ausgeschlossen ist.

(5) Bestand am 31. Dezember 2018 Anspruch auf eine Rente und werden Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a nicht berücksichtigt, wird auf Antrag ab dem 1. Januar 2019 für jeden Kalendermonat der Erziehung ein Zuschlag in Höhe von 0,0833 persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt, wenn

1.
nach dem zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt innerhalb des jeweils längstens anrechenbaren Zeitraums die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kindererziehungszeit nach den §§ 56 und 249 vorlagen und
2.
für dasselbe Kind keine Kindererziehungszeiten oder Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a für andere Versicherte oder Hinterbliebene für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen sind.
Sind die Kalendermonate der Erziehung der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen, beträgt der Zuschlag für jeden Kalendermonat 0,0625 persönliche Entgeltpunkte oder persönliche Entgeltpunkte (Ost). Absatz 3 gilt entsprechend. Sind für das Kind keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anerkannt worden, wird der Zuschlag bei dem Elternteil berücksichtigt, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter.

(1) Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn

1.
die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,
2.
die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und
3.
der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

(2) Eine Erziehungszeit ist dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet. Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist. Die Zuordnung kann auf einen Teil der Erziehungszeit beschränkt werden. Die übereinstimmende Erklärung der Eltern ist mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben. Die Zuordnung kann rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung erfolgen, es sei denn, für einen Elternteil ist unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine Leistung bindend festgestellt, ein Versorgungsausgleich oder ein Rentensplitting durchgeführt. Für die Abgabe der Erklärung gilt § 16 des Ersten Buches über die Antragstellung entsprechend. Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, wird die Erziehungszeit dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter, bei gleichgeschlechtlichen Elternteilen zum Elternteil nach den §§ 1591 oder 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, oder wenn es einen solchen nicht gibt, zu demjenigen Elternteil, der seine Elternstellung zuerst erlangt hat. Ist eine Zuordnung nach den Sätzen 8 und 9 nicht möglich, werden die Erziehungszeiten zu gleichen Teilen im kalendermonatlichen Wechsel zwischen den Elternteilen aufgeteilt, wobei der erste Kalendermonat dem älteren Elternteil zuzuordnen ist.

(3) Eine Erziehung ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war.

(4) Elternteile sind von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie

1.
während der Erziehungszeit oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt haben, die aufgrund
a)
einer zeitlich begrenzten Entsendung in dieses Gebiet (§ 5 Viertes Buch) oder
b)
einer Regelung des zwischen- oder überstaatlichen Rechts oder einer für Bedienstete internationaler Organisationen getroffenen Regelung (§ 6 Viertes Buch)
den Vorschriften über die Versicherungspflicht nicht unterliegt,
2.
während der Erziehungszeit zu den in § 5 Absatz 4 genannten Personen gehören oder
3.
während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach diesem Buch; als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig gilt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen.

(5) Die Kindererziehungszeit beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Wird während dieses Zeitraums vom erziehenden Elternteil ein weiteres Kind erzogen, für das ihm eine Kindererziehungszeit anzurechnen ist, wird die Kindererziehungszeit für dieses und jedes weitere Kind um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Erziehung verlängert.

(1) Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Als Beitragszeiten gelten auch Zeiten, für die Entgeltpunkte gutgeschrieben worden sind, weil gleichzeitig Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung oder Zeiten der Pflege eines pflegebedürftigen Kindes für mehrere Kinder vorliegen.

(2) Soweit ein Anspruch auf Rente eine bestimmte Anzahl an Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit voraussetzt, zählen hierzu auch

1.
freiwillige Beiträge, die als Pflichtbeiträge gelten, oder
2.
Pflichtbeiträge, für die aus den in § 3 oder § 4 genannten Gründen Beiträge gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten, oder
3.
Beiträge für Anrechnungszeiten, die ein Leistungsträger mitgetragen hat.

(1) Die Beiträge für Kindererziehungszeiten werden vom Bund gezahlt.

(2) Der Bund zahlt zur pauschalen Abgeltung für die Beitragszahlung für Kindererziehungszeiten an die allgemeine Rentenversicherung für das Jahr 2000 einen Betrag in Höhe von 22,4 Milliarden Deutsche Mark. Dieser Betrag verändert sich im jeweils folgenden Kalenderjahr in dem Verhältnis, in dem

1.
die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Abs. 2 Satz 1) im vergangenen Kalenderjahr zu den entsprechenden Bruttolöhnen und -gehältern im vorvergangenen Kalenderjahr stehen,
2.
bei Veränderungen des Beitragssatzes der Beitragssatz des Jahres, für das er bestimmt wird, zum Beitragssatz des laufenden Kalenderjahres steht,
3.
die Anzahl der unter Dreijährigen im vorvergangenen Kalenderjahr zur entsprechenden Anzahl der unter Dreijährigen in dem dem vorvergangenen vorausgehenden Kalenderjahr steht.

(3) Bei der Bestimmung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer sind für das vergangene Kalenderjahr und für das vorvergangene Kalenderjahr die Daten zugrunde zu legen, die dem Statistischen Bundesamt zu Beginn des Kalenderjahres, in dem die Bestimmung erfolgt, vorliegen. Bei der Anzahl der unter Dreijährigen in einem Kalenderjahr sind die für das jeweilige Kalenderjahr zum Jahresende vorliegenden Daten des Statistischen Bundesamtes zugrunde zu legen.

(4) Die Beitragszahlung des Bundes erfolgt in zwölf gleichen Monatsraten. Die Festsetzung und Auszahlung der Monatsraten sowie die Abrechnung führt das Bundesamt für Soziale Sicherung entsprechend den haushaltsrechtlichen Vorschriften durch.

(1) Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Als Beitragszeiten gelten auch Zeiten, für die Entgeltpunkte gutgeschrieben worden sind, weil gleichzeitig Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung oder Zeiten der Pflege eines pflegebedürftigen Kindes für mehrere Kinder vorliegen.

(2) Soweit ein Anspruch auf Rente eine bestimmte Anzahl an Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit voraussetzt, zählen hierzu auch

1.
freiwillige Beiträge, die als Pflichtbeiträge gelten, oder
2.
Pflichtbeiträge, für die aus den in § 3 oder § 4 genannten Gründen Beiträge gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten, oder
3.
Beiträge für Anrechnungszeiten, die ein Leistungsträger mitgetragen hat.

(1) Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn

1.
die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,
2.
die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und
3.
der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

(2) Eine Erziehungszeit ist dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet. Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist. Die Zuordnung kann auf einen Teil der Erziehungszeit beschränkt werden. Die übereinstimmende Erklärung der Eltern ist mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben. Die Zuordnung kann rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung erfolgen, es sei denn, für einen Elternteil ist unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine Leistung bindend festgestellt, ein Versorgungsausgleich oder ein Rentensplitting durchgeführt. Für die Abgabe der Erklärung gilt § 16 des Ersten Buches über die Antragstellung entsprechend. Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, wird die Erziehungszeit dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter, bei gleichgeschlechtlichen Elternteilen zum Elternteil nach den §§ 1591 oder 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, oder wenn es einen solchen nicht gibt, zu demjenigen Elternteil, der seine Elternstellung zuerst erlangt hat. Ist eine Zuordnung nach den Sätzen 8 und 9 nicht möglich, werden die Erziehungszeiten zu gleichen Teilen im kalendermonatlichen Wechsel zwischen den Elternteilen aufgeteilt, wobei der erste Kalendermonat dem älteren Elternteil zuzuordnen ist.

(3) Eine Erziehung ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war.

(4) Elternteile sind von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie

1.
während der Erziehungszeit oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt haben, die aufgrund
a)
einer zeitlich begrenzten Entsendung in dieses Gebiet (§ 5 Viertes Buch) oder
b)
einer Regelung des zwischen- oder überstaatlichen Rechts oder einer für Bedienstete internationaler Organisationen getroffenen Regelung (§ 6 Viertes Buch)
den Vorschriften über die Versicherungspflicht nicht unterliegt,
2.
während der Erziehungszeit zu den in § 5 Absatz 4 genannten Personen gehören oder
3.
während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach diesem Buch; als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig gilt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen.

(5) Die Kindererziehungszeit beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Wird während dieses Zeitraums vom erziehenden Elternteil ein weiteres Kind erzogen, für das ihm eine Kindererziehungszeit anzurechnen ist, wird die Kindererziehungszeit für dieses und jedes weitere Kind um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Erziehung verlängert.

(1) Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet 30 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.

(2) Bei der Anrechnung einer Kindererziehungszeit steht der Erziehung im Inland die Erziehung im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gleich. Dies gilt nicht, wenn Beitragszeiten während desselben Zeitraums aufgrund einer Versicherungslastregelung mit einem anderen Staat nicht in die Versicherungslast der Bundesrepublik Deutschland fallen würden.

(3) (weggefallen)

(4) Ein Elternteil ist von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen, wenn er vor dem 1. Januar 1921 geboren ist.

(5) Für die Feststellung der Tatsachen, die für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten vor dem 1. Januar 1986 erheblich sind, genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht sind.

(6) Ist die Mutter vor dem 1. Januar 1986 gestorben, wird die Kindererziehungszeit insgesamt dem Vater zugeordnet.

(7) Bei Folgerenten, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllen und für die ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigen ist, endet die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. Die Kindererziehungszeit endet 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn ausschließlich ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 3 oder ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1a zu berücksichtigen ist. Eine Kindererziehungszeit wird für den maßgeblichen Zeitraum, für den ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 5 berücksichtigt wurde, nicht angerechnet.

(8) Die Anrechnung einer Kindererziehungszeit nach Absatz 1 ist ausgeschlossen

1.
ab dem 13. bis zum 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn für die versicherte Person für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigen ist,
2.
ab dem 25. bis zum 30. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn für die versicherte Person für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 3 oder nach § 307d Absatz 1a zu berücksichtigen ist.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn für andere Versicherte oder Hinterbliebene für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen ist oder zu berücksichtigen war.

(1) Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Juli 2014 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn
1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen § 57 Satz 2 nicht angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Die Voraussetzungen des Satzes 3 Nummer 1 gelten als erfüllt, wenn
1.
vor dem 1. Januar 1992 Anspruch auf eine Rente bestand, in der für dasselbe Kind ein Zuschlag nach Absatz 1 Satz 1 berücksichtigt wird, und
2.
für dasselbe Kind eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt für andere Versicherte oder Hinterbliebene nicht angerechnet wird.

(1a) Ist der Anspruch auf Rente nach dem 30. Juni 2014 und vor dem 1. Januar 2019 entstanden, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind 0,5 persönliche Entgeltpunkte.

(2) Sind für Kindererziehungszeiten ausschließlich Entgeltpunkte (Ost) zugeordnet worden, sind für den Zuschlag persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln. Ist die Kindererziehungszeit oder Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 3 Nummer 1 oder nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 in der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt worden, wird der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten und persönlichen Entgeltpunkten (Ost) mit 0,75 vervielfältigt.

(3) Folgt auf eine Rente mit einem Zuschlag nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a eine Rente, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllt, ist der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach den Absätzen 1 bis 2 weiter zu berücksichtigen.

(4) Der Zuschlag nach Absatz 1 ist nicht zu berücksichtigen, wenn die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Absatz 4 in der Fassung ab dem 1. Juli 2014 ganz oder teilweise ausgeschlossen ist.

(5) Bestand am 31. Dezember 2018 Anspruch auf eine Rente und werden Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a nicht berücksichtigt, wird auf Antrag ab dem 1. Januar 2019 für jeden Kalendermonat der Erziehung ein Zuschlag in Höhe von 0,0833 persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt, wenn

1.
nach dem zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt innerhalb des jeweils längstens anrechenbaren Zeitraums die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kindererziehungszeit nach den §§ 56 und 249 vorlagen und
2.
für dasselbe Kind keine Kindererziehungszeiten oder Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a für andere Versicherte oder Hinterbliebene für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen sind.
Sind die Kalendermonate der Erziehung der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen, beträgt der Zuschlag für jeden Kalendermonat 0,0625 persönliche Entgeltpunkte oder persönliche Entgeltpunkte (Ost). Absatz 3 gilt entsprechend. Sind für das Kind keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anerkannt worden, wird der Zuschlag bei dem Elternteil berücksichtigt, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter.

(1) Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn

1.
die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,
2.
die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und
3.
der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

(2) Eine Erziehungszeit ist dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet. Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist. Die Zuordnung kann auf einen Teil der Erziehungszeit beschränkt werden. Die übereinstimmende Erklärung der Eltern ist mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben. Die Zuordnung kann rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung erfolgen, es sei denn, für einen Elternteil ist unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine Leistung bindend festgestellt, ein Versorgungsausgleich oder ein Rentensplitting durchgeführt. Für die Abgabe der Erklärung gilt § 16 des Ersten Buches über die Antragstellung entsprechend. Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, wird die Erziehungszeit dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter, bei gleichgeschlechtlichen Elternteilen zum Elternteil nach den §§ 1591 oder 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, oder wenn es einen solchen nicht gibt, zu demjenigen Elternteil, der seine Elternstellung zuerst erlangt hat. Ist eine Zuordnung nach den Sätzen 8 und 9 nicht möglich, werden die Erziehungszeiten zu gleichen Teilen im kalendermonatlichen Wechsel zwischen den Elternteilen aufgeteilt, wobei der erste Kalendermonat dem älteren Elternteil zuzuordnen ist.

(3) Eine Erziehung ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war.

(4) Elternteile sind von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie

1.
während der Erziehungszeit oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt haben, die aufgrund
a)
einer zeitlich begrenzten Entsendung in dieses Gebiet (§ 5 Viertes Buch) oder
b)
einer Regelung des zwischen- oder überstaatlichen Rechts oder einer für Bedienstete internationaler Organisationen getroffenen Regelung (§ 6 Viertes Buch)
den Vorschriften über die Versicherungspflicht nicht unterliegt,
2.
während der Erziehungszeit zu den in § 5 Absatz 4 genannten Personen gehören oder
3.
während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach diesem Buch; als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig gilt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen.

(5) Die Kindererziehungszeit beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Wird während dieses Zeitraums vom erziehenden Elternteil ein weiteres Kind erzogen, für das ihm eine Kindererziehungszeit anzurechnen ist, wird die Kindererziehungszeit für dieses und jedes weitere Kind um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Erziehung verlängert.

(1) Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet 30 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.

(2) Bei der Anrechnung einer Kindererziehungszeit steht der Erziehung im Inland die Erziehung im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gleich. Dies gilt nicht, wenn Beitragszeiten während desselben Zeitraums aufgrund einer Versicherungslastregelung mit einem anderen Staat nicht in die Versicherungslast der Bundesrepublik Deutschland fallen würden.

(3) (weggefallen)

(4) Ein Elternteil ist von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen, wenn er vor dem 1. Januar 1921 geboren ist.

(5) Für die Feststellung der Tatsachen, die für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten vor dem 1. Januar 1986 erheblich sind, genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht sind.

(6) Ist die Mutter vor dem 1. Januar 1986 gestorben, wird die Kindererziehungszeit insgesamt dem Vater zugeordnet.

(7) Bei Folgerenten, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllen und für die ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigen ist, endet die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. Die Kindererziehungszeit endet 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn ausschließlich ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 3 oder ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1a zu berücksichtigen ist. Eine Kindererziehungszeit wird für den maßgeblichen Zeitraum, für den ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 5 berücksichtigt wurde, nicht angerechnet.

(8) Die Anrechnung einer Kindererziehungszeit nach Absatz 1 ist ausgeschlossen

1.
ab dem 13. bis zum 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn für die versicherte Person für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigen ist,
2.
ab dem 25. bis zum 30. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn für die versicherte Person für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 3 oder nach § 307d Absatz 1a zu berücksichtigen ist.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn für andere Versicherte oder Hinterbliebene für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen ist oder zu berücksichtigen war.

(1) Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn

1.
die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,
2.
die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und
3.
der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

(2) Eine Erziehungszeit ist dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet. Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist. Die Zuordnung kann auf einen Teil der Erziehungszeit beschränkt werden. Die übereinstimmende Erklärung der Eltern ist mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben. Die Zuordnung kann rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung erfolgen, es sei denn, für einen Elternteil ist unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine Leistung bindend festgestellt, ein Versorgungsausgleich oder ein Rentensplitting durchgeführt. Für die Abgabe der Erklärung gilt § 16 des Ersten Buches über die Antragstellung entsprechend. Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, wird die Erziehungszeit dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter, bei gleichgeschlechtlichen Elternteilen zum Elternteil nach den §§ 1591 oder 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, oder wenn es einen solchen nicht gibt, zu demjenigen Elternteil, der seine Elternstellung zuerst erlangt hat. Ist eine Zuordnung nach den Sätzen 8 und 9 nicht möglich, werden die Erziehungszeiten zu gleichen Teilen im kalendermonatlichen Wechsel zwischen den Elternteilen aufgeteilt, wobei der erste Kalendermonat dem älteren Elternteil zuzuordnen ist.

(3) Eine Erziehung ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war.

(4) Elternteile sind von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie

1.
während der Erziehungszeit oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt haben, die aufgrund
a)
einer zeitlich begrenzten Entsendung in dieses Gebiet (§ 5 Viertes Buch) oder
b)
einer Regelung des zwischen- oder überstaatlichen Rechts oder einer für Bedienstete internationaler Organisationen getroffenen Regelung (§ 6 Viertes Buch)
den Vorschriften über die Versicherungspflicht nicht unterliegt,
2.
während der Erziehungszeit zu den in § 5 Absatz 4 genannten Personen gehören oder
3.
während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach diesem Buch; als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig gilt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen.

(5) Die Kindererziehungszeit beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Wird während dieses Zeitraums vom erziehenden Elternteil ein weiteres Kind erzogen, für das ihm eine Kindererziehungszeit anzurechnen ist, wird die Kindererziehungszeit für dieses und jedes weitere Kind um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Erziehung verlängert.

(1) Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet 30 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.

(2) Bei der Anrechnung einer Kindererziehungszeit steht der Erziehung im Inland die Erziehung im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gleich. Dies gilt nicht, wenn Beitragszeiten während desselben Zeitraums aufgrund einer Versicherungslastregelung mit einem anderen Staat nicht in die Versicherungslast der Bundesrepublik Deutschland fallen würden.

(3) (weggefallen)

(4) Ein Elternteil ist von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen, wenn er vor dem 1. Januar 1921 geboren ist.

(5) Für die Feststellung der Tatsachen, die für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten vor dem 1. Januar 1986 erheblich sind, genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht sind.

(6) Ist die Mutter vor dem 1. Januar 1986 gestorben, wird die Kindererziehungszeit insgesamt dem Vater zugeordnet.

(7) Bei Folgerenten, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllen und für die ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigen ist, endet die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. Die Kindererziehungszeit endet 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn ausschließlich ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 3 oder ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1a zu berücksichtigen ist. Eine Kindererziehungszeit wird für den maßgeblichen Zeitraum, für den ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 5 berücksichtigt wurde, nicht angerechnet.

(8) Die Anrechnung einer Kindererziehungszeit nach Absatz 1 ist ausgeschlossen

1.
ab dem 13. bis zum 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn für die versicherte Person für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigen ist,
2.
ab dem 25. bis zum 30. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn für die versicherte Person für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 3 oder nach § 307d Absatz 1a zu berücksichtigen ist.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn für andere Versicherte oder Hinterbliebene für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen ist oder zu berücksichtigen war.

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.

(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.

(2) Das Begutachtungsinstrument ist in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Absatz 2 entsprechen. In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind. In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert. Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet:

1.
Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und
5.
Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten.
Jedem Punktbereich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommenden Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der folgenden Gewichtung der Module die in Anlage 2 festgelegten, gewichteten Punkte zugeordnet. Die Module des Begutachtungsinstruments werden wie folgt gewichtet:
1.
Mobilität mit 10 Prozent,
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent,
3.
Selbstversorgung mit 40 Prozent,
4.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent,
5.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.

(3) Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
5.
ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.

(4) Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen. Der Medizinische Dienst Bund konkretisiert in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die pflegefachlich begründeten Voraussetzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen.

(5) Bei der Begutachtung sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die zu einem Hilfebedarf führen, für den Leistungen des Fünften Buches vorgesehen sind. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf aus medizinisch-pflegerischen Gründen regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Absatz 2 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.

(6) Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.

(7) Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden abweichend von den Absätzen 3, 4 und 6 Satz 2 wie folgt eingestuft:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4,
4.
ab 70 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5.

(1) Zur Verbesserung der sozialen Sicherung der Pflegepersonen im Sinne des § 19, die einen Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 pflegen, entrichten die Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen, bei denen eine private Pflege-Pflichtversicherung durchgeführt wird, sowie die sonstigen in § 170 Absatz 1 Nummer 6 des Sechsten Buches genannten Stellen Beiträge nach Maßgabe des § 166 Absatz 2 des Sechsten Buches an den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn die Pflegeperson regelmäßig nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist. Der Medizinische Dienst oder ein anderer von der Pflegekasse beauftragter unabhängiger Gutachter ermittelt im Einzelfall, ob die Pflegeperson eine oder mehrere pflegebedürftige Personen wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche, pflegt. Wird die Pflege eines Pflegebedürftigen von mehreren Pflegepersonen erbracht (Mehrfachpflege), wird zudem der Umfang der jeweiligen Pflegetätigkeit je Pflegeperson im Verhältnis zum Umfang der von den Pflegepersonen zu leistenden Pflegetätigkeit insgesamt (Gesamtpflegeaufwand) ermittelt. Dabei werden die Angaben der beteiligten Pflegepersonen zugrunde gelegt. Werden keine oder keine übereinstimmenden Angaben gemacht, erfolgt eine Aufteilung zu gleichen Teilen. Die Feststellungen zu den Pflegezeiten und zum Pflegeaufwand der Pflegeperson sowie bei Mehrfachpflege zum Einzel- und Gesamtpflegeaufwand trifft die für die Pflegeleistungen nach diesem Buch zuständige Stelle. Diese Feststellungen sind der Pflegeperson auf Wunsch zu übermitteln.

(2) Für Pflegepersonen, die wegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung auch in ihrer Pflegetätigkeit von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind oder befreit wären, wenn sie in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig wären und einen Befreiungsantrag gestellt hätten, werden die nach Absatz 1 zu entrichtenden Beiträge auf Antrag an die berufsständische Versorgungseinrichtung gezahlt. § 47a Absatz 2 des Fünften Buches gilt für die Pflegekassen, die Beiträge an berufsständische Versorgungseinrichtungen entrichten, entsprechend.

(2a) Während der pflegerischen Tätigkeit sind Pflegepersonen im Sinne des § 19, die einen Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 pflegen, nach Maßgabe des § 2 Absatz 1 Nummer 17 des Siebten Buches in den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen.

(2b) Während der pflegerischen Tätigkeit sind Pflegepersonen im Sinne des § 19, die einen Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 pflegen, nach Maßgabe des § 26 Absatz 2b des Dritten Buches nach dem Recht der Arbeitsförderung versichert. Die Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen, bei denen eine private Pflege-Pflichtversicherung durchgeführt wird, sowie die sonstigen in § 347 Nummer 10 Buchstabe c des Dritten Buches genannten Stellen entrichten für die Pflegepersonen Beiträge an die Bundesagentur für Arbeit. Näheres zu den Beiträgen und zum Verfahren regeln die §§ 345, 347 und 349 des Dritten Buches.

(3) Die Pflegekasse und das private Versicherungsunternehmen haben die in der Rentenversicherung zu versichernde Pflegeperson den zuständigen Rentenversicherungsträgern zu melden. Die Meldung für die Pflegeperson enthält:

1.
ihre Versicherungsnummer, soweit bekannt,
2.
ihren Familien- und Vornamen,
3.
ihr Geburtsdatum,
4.
ihre Staatsangehörigkeit,
5.
ihre Anschrift,
6.
Beginn und Ende der Pflegetätigkeit,
7.
den Pflegegrad des Pflegebedürftigen und
8.
die nach § 166 Absatz 2 des Sechsten Buches maßgeblichen beitragspflichtigen Einnahmen.
Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen sowie der Verband der privaten Krankenversicherung e. V. können mit der Deutschen Rentenversicherung Bund Näheres über das Meldeverfahren vereinbaren.

(4) Der Inhalt der Meldung nach Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bis 6 und 8 ist der Pflegeperson, der Inhalt der Meldung nach Absatz 3 Satz 2 Nr. 7 dem Pflegebedürftigen schriftlich mitzuteilen.

(5) Die Pflegekasse und das private Versicherungsunternehmen haben in den Fällen, in denen eine nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson einen Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 pflegt, der Anspruch auf Beihilfeleistungen oder Leistungen der Heilfürsorge hat, und für die die Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung nach § 170 Absatz 1 Nummer 6 Buchstabe c des Sechsten Buches oder an die Bundesagentur für Arbeit nach § 347 Nummer 10 Buchstabe c des Dritten Buches anteilig getragen werden, im Antragsverfahren auf Leistungen der Pflegeversicherung von dem Pflegebedürftigen die zuständige Festsetzungsstelle für die Beihilfe oder den Dienstherrn unter Hinweis auf die beabsichtigte Weiterleitung der in Satz 2 genannten Angaben an diese Stelle zu erfragen. Der angegebenen Festsetzungsstelle für die Beihilfe oder dem Dienstherrn sind bei Feststellung der Beitragspflicht sowie bei Änderungen in den Verhältnissen des Pflegebedürftigen oder der Pflegeperson, insbesondere bei einer Änderung des Pflegegrades, einer Unterbrechung der Pflegetätigkeit oder einem Wechsel der Pflegeperson, die in Absatz 3 Satz 2 genannten Angaben mitzuteilen. Absatz 4 findet auf Satz 2 entsprechende Anwendung. Für die Mitteilungen nach Satz 2 haben die Pflegekassen und privaten Versicherungsunternehmen spätestens zum 1. Januar 2020 ein elektronisches Verfahren vorzusehen, bei dem die Mitteilungen an die Beihilfefestsetzungsstellen oder die Dienstherren automatisch erfolgen. Die Pflegekassen und privaten Versicherungsunternehmen haben technisch sicherzustellen, dass die Meldungen nach Absatz 3 an die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung erst erfolgen, wenn die erforderliche Mitteilung an die Beihilfefestsetzungsstelle oder den Dienstherrn erfolgt ist. Für Beiträge, die von den Beihilfestellen und Dienstherren nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt worden sind, weil die Pflegekassen und privaten Versicherungsunternehmen die Mitteilungen nach Satz 2 nicht, nicht unverzüglich, nicht vollständig oder fehlerhaft durchgeführt haben, ist von den Pflegekassen und privaten Versicherungsunternehmen ein Säumniszuschlag entsprechend § 24 Absatz 1 Satz 1 des Vierten Buches zu zahlen; dies gilt nicht, wenn im Einzelfall kein Verschulden der Pflegekassen und privaten Versicherungsunternehmen vorliegt.

(6) Für Pflegepersonen, bei denen die Mindeststundenzahl von zehn Stunden wöchentlicher Pflege, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche, nur durch die Pflege mehrerer Pflegebedürftiger erreicht wird, haben der Spitzenverband Bund der Pflegekassen, der Verband der privaten Krankenversicherung e. V., die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Bundesagentur für Arbeit das Verfahren und die Mitteilungspflichten zwischen den an einer Addition von Pflegezeiten und Pflegeaufwänden beteiligten Pflegekassen und Versicherungsunternehmen durch Vereinbarung zu regeln. Die Pflegekassen und Versicherungsunternehmen dürfen die in Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 bis 3 und 6 und, soweit dies für eine sichere Identifikation der Pflegeperson erforderlich ist, die in den Nummern 4 und 5 genannten Daten sowie die Angabe des zeitlichen Umfangs der Pflegetätigkeit der Pflegeperson an andere Pflegekassen und Versicherungsunternehmen, die an einer Addition von Pflegezeiten und Pflegeaufwänden beteiligt sind, zur Überprüfung der Voraussetzungen der Rentenversicherungspflicht oder der Versicherungspflicht nach dem Dritten Buch der Pflegeperson übermitteln und ihnen übermittelte Daten verarbeiten.

Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit,

1.
für die ihnen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind (§ 56),
1a.
in der sie eine oder mehrere pflegebedürftige Personen mit mindestens Pflegegrad 2 wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche, in ihrer häuslichen Umgebung nicht erwerbsmäßig pflegen (nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen), wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung oder einer privaten Pflege-Pflichtversicherung hat,
2.
in der sie aufgrund gesetzlicher Pflicht Wehrdienst oder Zivildienst leisten,
2a.
in der sie sich in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes befinden, wenn sich der Einsatzunfall während einer Zeit ereignet hat, in der sie nach Nummer 2 versicherungspflichtig waren; sind zwischen dem Einsatzunfall und der Einstellung in ein Wehrdienstverhältnis besonderer Art nicht mehr als sechs Wochen vergangen, gilt das Wehrdienstverhältnis besonderer Art als mit dem Tag nach Ende einer Versicherungspflicht nach Nummer 2 begonnen,
2b.
in der sie als ehemalige Soldaten auf Zeit Übergangsgebührnisse beziehen, es sei denn, sie sind für die Zeiten als Soldaten auf Zeit nach § 186 nachversichert worden,
3.
für die sie von einem Leistungsträger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder von der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung Pflegeunterstützungsgeld beziehen, wenn sie im letzten Jahr vor Beginn der Leistung zuletzt versicherungspflichtig waren; der Zeitraum von einem Jahr verlängert sich um Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches,
3a.
für die sie von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen, von einem Beihilfeträger des Bundes, von einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Träger von Kosten in Krankheitsfällen auf Bundesebene, von dem Träger der Heilfürsorge im Bereich des Bundes, von dem Träger der truppenärztlichen Versorgung oder von einem öffentlich-rechtlichen Träger von Kosten in Krankheitsfällen auf Landesebene, soweit das Landesrecht dies vorsieht, Leistungen für den Ausfall von Arbeitseinkünften im Zusammenhang mit einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen beziehen, wenn sie im letzten Jahr vor Beginn dieser Zahlung zuletzt versicherungspflichtig waren; der Zeitraum von einem Jahr verlängert sich um Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches,
4.
für die sie Vorruhestandsgeld beziehen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren.
Pflegepersonen, die für ihre Tätigkeit von dem oder den Pflegebedürftigen ein Arbeitsentgelt erhalten, das das dem Umfang der jeweiligen Pflegetätigkeit entsprechende Pflegegeld im Sinne des § 37 des Elften Buches nicht übersteigt, gelten als nicht erwerbsmäßig tätig; sie sind insoweit nicht nach § 1 Satz 1 Nr. 1 versicherungspflichtig. Nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen, die daneben regelmäßig mehr als 30 Stunden wöchentlich beschäftigt oder selbständig tätig sind, sind nicht nach Satz 1 Nr. 1a versicherungspflichtig. Wehrdienstleistende oder Zivildienstleistende, die für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weitererhalten oder Leistungen an Selbständige nach § 6 des Unterhaltssicherungsgesetzes erhalten, sind nicht nach Satz 1 Nr. 2 versicherungspflichtig; die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit gilt in diesen Fällen als nicht unterbrochen. Trifft eine Versicherungspflicht nach Satz 1 Nr. 3 im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit einer Versicherungspflicht nach § 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3 zusammen, geht die Versicherungspflicht vor, nach der die höheren Beiträge zu zahlen sind. Die Versicherungspflicht nach Satz 1 Nummer 2b bis 4 erstreckt sich auch auf Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben.

(1) Beitragspflichtige Einnahmen sind

1.
bei Personen, die als Wehr- oder Zivildienst Leistende versichert sind, 80 Prozent der Bezugsgröße; bei Teilzeitbeschäftigung wird dieser Prozentsatz mit dem Teilzeitanteil vervielfältigt,
1a.
bei Personen, die als Wehr- oder Zivildienst Leistende versichert sind und Leistungen nach § 5 oder § 8 Absatz 1 Satz 1 jeweils in Verbindung mit Anlage 1 des Unterhaltssicherungsgesetzes erhalten, das Arbeitsentgelt, das dieser Leistung vor Abzug von Steuern und Beiträgen zugrunde liegt oder läge, mindestens jedoch 80 Prozent der Bezugsgröße; bei Teilzeitbeschäftigung wird dieser Prozentsatz mit dem Teilzeitanteil vervielfältigt,
1b.
bei Personen, die in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes versichert sind, die daraus gewährten Dienstbezüge in dem Umfang, in dem sie bei Beschäftigten als Arbeitsentgelt zu berücksichtigen wären,
1c.
bei Personen, die als ehemalige Soldaten auf Zeit Übergangsgebührnisse beziehen, die nach § 11 des Soldatenversorgungsgesetzes gewährten Übergangsgebührnisse; liegen weitere Versicherungsverhältnisse vor, ist beitragspflichtige Einnahme höchstens die Differenz aus der Beitragsbemessungsgrenze und den beitragspflichtigen Einnahmen aus den weiteren Versicherungsverhältnissen,
2.
bei Personen, die Arbeitslosengeld, Übergangsgeld, Krankengeld, Verletztengeld oder Versorgungskrankengeld beziehen, 80 vom Hundert des der Leistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens, wobei 80 vom Hundert des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts aus einem nicht geringfügigen Beschäftigungsverhältnis abzuziehen sind, und bei gleichzeitigem Bezug von Krankengeld neben einer anderen Leistung das dem Krankengeld zugrundeliegende Einkommen nicht zu berücksichtigen ist,
2a.
bei Personen, die im Anschluss an den Bezug von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches Verletztengeld beziehen, monatlich der Betrag von 205 Euro,
2b.
bei Personen, die Krankengeld nach § 44a des Fünften Buches beziehen, das der Leistung zugrunde liegende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen; wird dieses Krankengeld nach § 47b des Fünften Buches gezahlt, gilt Nummer 2,
2c.
bei Personen, die Teilarbeitslosengeld beziehen, 80 vom Hundert des dieser Leistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelts,
2d.
bei Personen, die von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen, von einem Beihilfeträger des Bundes, von einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Träger von Kosten in Krankheitsfällen auf Bundesebene, von dem Träger der Heilfürsorge im Bereich des Bundes, von dem Träger der truppenärztlichen Versorgung oder von einem öffentlich-rechtlichen Träger von Kosten in Krankheitsfällen auf Landesebene, soweit Landesrecht dies vorsieht, Leistungen für den Ausfall von Arbeitseinkünften im Zusammenhang mit einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen beziehen, das diesen Leistungen zugrunde liegende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen,
2e.
bei Personen, die Krankengeld nach § 45 Absatz 1 des Fünften Buches oder Verletztengeld nach § 45 Absatz 4 des Siebten Buches in Verbindung mit § 45 Absatz 1 des Fünften Buches beziehen, 80 vom Hundert des während der Freistellung ausgefallenen, laufenden Arbeitsentgelts oder des der Leistung zugrunde liegenden Arbeitseinkommens,
2f.
bei Personen, die Pflegeunterstützungsgeld beziehen, 80 vom Hundert des während der Freistellung ausgefallenen, laufenden Arbeitsentgelts,
3.
bei Beziehern von Vorruhestandsgeld das Vorruhestandsgeld,
4.
bei Entwicklungshelfern das Arbeitsentgelt oder, wenn dies günstiger ist, der Betrag, der sich ergibt, wenn die Beitragsbemessungsgrenze mit dem Verhältnis vervielfältigt wird, in dem die Summe der Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen für die letzten drei vor Aufnahme der nach § 4 Abs. 1 versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit voll mit Pflichtbeiträgen belegten Kalendermonate zur Summe der Beträge der Beitragsbemessungsgrenzen für diesen Zeitraum steht; der Verhältniswert beträgt mindestens 0,6667,
4a.
bei Personen, die für eine begrenzte Zeit im Ausland beschäftigt sind, das Arbeitsentgelt oder der sich abweichend vom Arbeitsentgelt nach Nummer 4 ergebende Betrag, wenn dies mit der antragstellenden Stelle vereinbart wird; die Vereinbarung kann nur für laufende und künftige Lohn- und Gehaltsabrechnungszeiträume getroffen werden,
4b.
bei sekundierten Personen das Arbeitsentgelt und die Leistungen nach § 9 des Sekundierungsgesetzes; im Übrigen gilt Nummer 4 entsprechend,
4c.
bei sonstigen im Ausland beschäftigten Personen, die auf Antrag versicherungspflichtig sind, das Arbeitsentgelt,
5.
bei Personen, die für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder der Ausführung von Leistungen zur Teilhabe ohne Anspruch auf Krankengeld versichert sind, 80 vom Hundert des zuletzt für einen vollen Kalendermonat versicherten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens.

(2) Beitragspflichtige Einnahmen sind bei nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen bei Pflege einer

1.
pflegebedürftigen Person des Pflegegrades 5 nach § 15 Absatz 3 Satz 4 Nummer 5 des Elften Buches
a)
100 vom Hundert der Bezugsgröße, wenn die pflegebedürftige Person ausschließlich Pflegegeld nach § 37 des Elften Buches bezieht,
b)
85 vom Hundert der Bezugsgröße, wenn die pflegebedürftige Person Kombinationsleistungen nach § 38 des Elften Buches bezieht,
c)
70 vom Hundert der Bezugsgröße, wenn die pflegebedürftige Person ausschließlich Pflegesachleistungen nach § 36 des Elften Buches bezieht,
2.
pflegebedürftigen Person des Pflegegrades 4 nach § 15 Absatz 3 Satz 4 Nummer 4 des Elften Buches
a)
70 vom Hundert der Bezugsgröße, wenn die pflegebedürftige Person ausschließlich Pflegegeld nach § 37 des Elften Buches bezieht,
b)
59,5 vom Hundert der Bezugsgröße, wenn die pflegebedürftige Person Kombinationsleistungen nach § 38 des Elften Buches bezieht,
c)
49 vom Hundert der Bezugsgröße, wenn die pflegebedürftige Person ausschließlich Pflegesachleistungen nach § 36 des Elften Buches bezieht,
3.
pflegebedürftigen Person des Pflegegrades 3 nach § 15 Absatz 3 Satz 4 Nummer 3 des Elften Buches
a)
43 vom Hundert der Bezugsgröße, wenn die pflegebedürftige Person ausschließlich Pflegegeld nach § 37 des Elften Buches bezieht,
b)
36,55 vom Hundert der Bezugsgröße, wenn die pflegebedürftige Person Kombinationsleistungen nach § 38 des Elften Buches bezieht,
c)
30,1 vom Hundert der Bezugsgröße, wenn die pflegebedürftige Person ausschließlich Pflegesachleistungen nach § 36 des Elften Buches bezieht,
4.
pflegebedürftigen Person des Pflegegrades 2 nach § 15 Absatz 3 Satz 4 Nummer 2 des Elften Buches
a)
27 vom Hundert der Bezugsgröße, wenn die pflegebedürftige Person ausschließlich Pflegegeld nach § 37 des Elften Buches bezieht,
b)
22,95 vom Hundert der Bezugsgröße, wenn die pflegebedürftige Person Kombinationsleistungen nach § 38 des Elften Buches bezieht,
c)
18,9 vom Hundert der Bezugsgröße, wenn die pflegebedürftige Person ausschließlich Pflegesachleistungen nach § 36 des Elften Buches bezieht.
Üben mehrere nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen die Pflege gemeinsam aus (Mehrfachpflege), sind die beitragspflichtigen Einnahmen nach Satz 1 entsprechend dem nach § 44 Absatz 1 Satz 3 des Elften Buches festgestellten prozentualen Umfang der jeweiligen Pflegetätigkeit im Verhältnis zum Gesamtpflegeaufwand je pflegebedürftiger Person aufzuteilen. Werden mehrere Pflegebedürftige gepflegt, ergeben sich die beitragspflichtigen Einnahmen jeweils nach den Sätzen 1 und 2.

(3) (weggefallen)

Pflegepersonen im Sinne dieses Buches sind Personen, die nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 in seiner häuslichen Umgebung pflegen. Leistungen zur sozialen Sicherung nach § 44 erhält eine Pflegeperson nur dann, wenn sie eine oder mehrere pflegebedürftige Personen wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche, pflegt.

(1) Beitragsfreie Zeiten erhalten den Durchschnittswert an Entgeltpunkten, der sich aus der Gesamtleistung an Beiträgen im belegungsfähigen Zeitraum ergibt. Dabei erhalten sie den höheren Durchschnittswert aus der Grundbewertung aus allen Beiträgen oder der Vergleichsbewertung aus ausschließlich vollwertigen Beiträgen.

(2) Für beitragsgeminderte Zeiten ist die Summe der Entgeltpunkte um einen Zuschlag so zu erhöhen, dass mindestens der Wert erreicht wird, den diese Zeiten jeweils als beitragsfreie Anrechnungszeiten wegen Krankheit und Arbeitslosigkeit, wegen einer schulischen Ausbildung und als Zeiten wegen einer beruflichen Ausbildung oder als sonstige beitragsfreie Zeiten hätten. Diese zusätzlichen Entgeltpunkte werden den jeweiligen Kalendermonaten mit beitragsgeminderten Zeiten zu gleichen Teilen zugeordnet.

(3) Für die Gesamtleistungsbewertung werden jedem Kalendermonat

1.
an Berücksichtigungszeit die Entgeltpunkte zugeordnet, die sich ergeben würden, wenn diese Kalendermonate Kindererziehungszeiten wären,
2.
mit Zeiten einer beruflichen Ausbildung mindestens 0,0833 Entgeltpunkte zugrunde gelegt und diese Kalendermonate insoweit nicht als beitragsgeminderte Zeiten berücksichtigt.
Bei der Anwendung von Satz 1 Nr. 2 gelten die ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für Zeiten einer versicherten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres stets als Zeiten einer beruflichen Ausbildung. Eine Zuordnung an Entgeltpunkten für Kalendermonate mit Berücksichtigungszeiten unterbleibt in dem Umfang, in dem bereits nach § 70 Abs. 3a Entgeltpunkte zusätzlich ermittelt oder gutgeschrieben worden sind. Satz 1 Nr. 2 gilt nicht für Kalendermonate mit Zeiten der beruflichen Ausbildung, für die bereits Entgeltpunkte nach Satz 1 Nr. 1 zugeordnet werden.

(4) Soweit beitragsfreie Zeiten mit Zeiten zusammentreffen, die bei einer Versorgung aus einem

1.
öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder
2.
Arbeitsverhältnis mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen
ruhegehaltfähig sind oder bei Eintritt des Versorgungsfalls als ruhegehaltfähig anerkannt werden, bleiben sie bei der Gesamtleistungsbewertung unberücksichtigt.

(1) Für Beitragszeiten werden Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt (Anlage 1) für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Für das Kalenderjahr des Rentenbeginns und für das davor liegende Kalenderjahr wird als Durchschnittsentgelt der Betrag zugrunde gelegt, der für diese Kalenderjahre vorläufig bestimmt ist.

(1a) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 werden Entgeltpunkte für Beitragszeiten aus einer Beschäftigung im Übergangsbereich (§ 20 Absatz 2 des Vierten Buches) ab dem 1. Juli 2019 aus dem Arbeitsentgelt ermittelt.

(2) Kindererziehungszeiten erhalten für jeden Kalendermonat 0,0833 Entgeltpunkte (Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten). Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten sind auch Entgeltpunkte, die für Kindererziehungszeiten mit sonstigen Beitragszeiten ermittelt werden, indem die Entgeltpunkte für sonstige Beitragszeiten um 0,0833 erhöht werden, höchstens um die Entgeltpunkte bis zum Erreichen der jeweiligen Höchstwerte nach Anlage 2b.

(3) Aus der Zahlung von Beiträgen für Arbeitsentgelt aus nach § 23b Abs. 2 Satz 1 bis 4 des Vierten Buches aufgelösten Wertguthaben werden zusätzliche Entgeltpunkte ermittelt, indem dieses Arbeitsentgelt durch das vorläufige Durchschnittsentgelt (Anlage 1) für das Kalenderjahr geteilt wird, dem das Arbeitsentgelt zugeordnet ist. Die so ermittelten Entgeltpunkte gelten als Entgeltpunkte für Zeiten mit vollwertigen Pflichtbeiträgen nach dem 31. Dezember 1991.

(3a) Sind mindestens 25 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten vorhanden, werden für nach dem Jahr 1991 liegende Kalendermonate mit Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung oder mit Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege eines pflegebedürftigen Kindes bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Entgeltpunkte zusätzlich ermittelt oder gutgeschrieben. Diese betragen für jeden Kalendermonat

a)
mit Pflichtbeiträgen die Hälfte der hierfür ermittelten Entgeltpunkte, höchstens 0,0278 an zusätzlichen Entgeltpunkten,
b)
in dem für den Versicherten Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung oder Zeiten der Pflege eines pflegebedürftigen Kindes für ein Kind mit entsprechenden Zeiten für ein anderes Kind zusammentreffen, 0,0278 an gutgeschriebenen Entgeltpunkten, abzüglich des Wertes der zusätzlichen Entgeltpunkte nach Buchstabe a.
Die Summe der zusätzlich ermittelten und gutgeschriebenen Entgeltpunkte ist zusammen mit den für Beitragszeiten und Kindererziehungszeiten ermittelten Entgeltpunkten auf einen Wert von höchstens 0,0833 Entgeltpunkte begrenzt.

(4) Ist für eine Rente wegen Alters die voraussichtliche beitragspflichtige Einnahme für den verbleibenden Zeitraum bis zum Beginn der Rente wegen Alters vom Rentenversicherungsträger errechnet worden (§ 194 Absatz 1 Satz 6, Abs. 2 Satz 2), sind für diese Rente Entgeltpunkte daraus wie aus der Beitragsbemessungsgrundlage zu ermitteln. Weicht die tatsächlich erzielte beitragspflichtige Einnahme von der durch den Rentenversicherungsträger errechneten voraussichtlichen beitragspflichtigen Einnahme ab, bleibt sie für diese Rente außer Betracht. Bei einer Beschäftigung im Übergangsbereich (§ 20 Absatz 2 des Vierten Buches) ab dem 1. Juli 2019 treten an die Stelle der voraussichtlichen beitragspflichtigen Einnahme nach Satz 1 das voraussichtliche Arbeitsentgelt und an die Stelle der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahme nach Satz 2 das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt.

(5) Für Zeiten, für die Beiträge aufgrund der Vorschriften des Vierten Kapitels über die Nachzahlung gezahlt worden sind, werden Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt des Jahres geteilt wird, in dem die Beiträge gezahlt worden sind.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

94

Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

(1) Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet 30 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.

(2) Bei der Anrechnung einer Kindererziehungszeit steht der Erziehung im Inland die Erziehung im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gleich. Dies gilt nicht, wenn Beitragszeiten während desselben Zeitraums aufgrund einer Versicherungslastregelung mit einem anderen Staat nicht in die Versicherungslast der Bundesrepublik Deutschland fallen würden.

(3) (weggefallen)

(4) Ein Elternteil ist von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen, wenn er vor dem 1. Januar 1921 geboren ist.

(5) Für die Feststellung der Tatsachen, die für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten vor dem 1. Januar 1986 erheblich sind, genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht sind.

(6) Ist die Mutter vor dem 1. Januar 1986 gestorben, wird die Kindererziehungszeit insgesamt dem Vater zugeordnet.

(7) Bei Folgerenten, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllen und für die ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigen ist, endet die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. Die Kindererziehungszeit endet 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn ausschließlich ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 3 oder ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1a zu berücksichtigen ist. Eine Kindererziehungszeit wird für den maßgeblichen Zeitraum, für den ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 5 berücksichtigt wurde, nicht angerechnet.

(8) Die Anrechnung einer Kindererziehungszeit nach Absatz 1 ist ausgeschlossen

1.
ab dem 13. bis zum 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn für die versicherte Person für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigen ist,
2.
ab dem 25. bis zum 30. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn für die versicherte Person für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 3 oder nach § 307d Absatz 1a zu berücksichtigen ist.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn für andere Versicherte oder Hinterbliebene für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen ist oder zu berücksichtigen war.

(1) Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Juli 2014 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn
1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen § 57 Satz 2 nicht angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Die Voraussetzungen des Satzes 3 Nummer 1 gelten als erfüllt, wenn
1.
vor dem 1. Januar 1992 Anspruch auf eine Rente bestand, in der für dasselbe Kind ein Zuschlag nach Absatz 1 Satz 1 berücksichtigt wird, und
2.
für dasselbe Kind eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt für andere Versicherte oder Hinterbliebene nicht angerechnet wird.

(1a) Ist der Anspruch auf Rente nach dem 30. Juni 2014 und vor dem 1. Januar 2019 entstanden, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind 0,5 persönliche Entgeltpunkte.

(2) Sind für Kindererziehungszeiten ausschließlich Entgeltpunkte (Ost) zugeordnet worden, sind für den Zuschlag persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln. Ist die Kindererziehungszeit oder Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 3 Nummer 1 oder nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 in der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt worden, wird der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten und persönlichen Entgeltpunkten (Ost) mit 0,75 vervielfältigt.

(3) Folgt auf eine Rente mit einem Zuschlag nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a eine Rente, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllt, ist der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach den Absätzen 1 bis 2 weiter zu berücksichtigen.

(4) Der Zuschlag nach Absatz 1 ist nicht zu berücksichtigen, wenn die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Absatz 4 in der Fassung ab dem 1. Juli 2014 ganz oder teilweise ausgeschlossen ist.

(5) Bestand am 31. Dezember 2018 Anspruch auf eine Rente und werden Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a nicht berücksichtigt, wird auf Antrag ab dem 1. Januar 2019 für jeden Kalendermonat der Erziehung ein Zuschlag in Höhe von 0,0833 persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt, wenn

1.
nach dem zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt innerhalb des jeweils längstens anrechenbaren Zeitraums die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kindererziehungszeit nach den §§ 56 und 249 vorlagen und
2.
für dasselbe Kind keine Kindererziehungszeiten oder Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a für andere Versicherte oder Hinterbliebene für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen sind.
Sind die Kalendermonate der Erziehung der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen, beträgt der Zuschlag für jeden Kalendermonat 0,0625 persönliche Entgeltpunkte oder persönliche Entgeltpunkte (Ost). Absatz 3 gilt entsprechend. Sind für das Kind keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anerkannt worden, wird der Zuschlag bei dem Elternteil berücksichtigt, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter.

(1) Bestand Anspruch auf Leistung einer Rente vor dem Zeitpunkt einer Änderung rentenrechtlicher Vorschriften, werden aus Anlass der Rechtsänderung die einer Rente zugrunde gelegten persönlichen Entgeltpunkte nicht neu bestimmt, soweit nicht in den folgenden Vorschriften etwas anderes bestimmt ist.

(2) Wurde die Leistung einer Rente unterbrochen, so ist, wenn die Unterbrechung weniger als 24 Kalendermonate angedauert hat, die Summe der Entgeltpunkte für diese Rente nur neu zu bestimmen, wenn für die Zeit der Unterbrechung Entgeltpunkte für Beitragszeiten zu ermitteln sind.

(3) Bestand am 31. Dezember 1991 Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente, die wegen der Ansprüche weiterer Hinterbliebener auf die Höhe der Versichertenrente gekürzt war, ist die Kürzung aufzuheben, wenn der Anspruch eines Hinterbliebenen wegfällt.

(4) (weggefallen)

(1) Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Juli 2014 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn
1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen § 57 Satz 2 nicht angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Die Voraussetzungen des Satzes 3 Nummer 1 gelten als erfüllt, wenn
1.
vor dem 1. Januar 1992 Anspruch auf eine Rente bestand, in der für dasselbe Kind ein Zuschlag nach Absatz 1 Satz 1 berücksichtigt wird, und
2.
für dasselbe Kind eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt für andere Versicherte oder Hinterbliebene nicht angerechnet wird.

(1a) Ist der Anspruch auf Rente nach dem 30. Juni 2014 und vor dem 1. Januar 2019 entstanden, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind 0,5 persönliche Entgeltpunkte.

(2) Sind für Kindererziehungszeiten ausschließlich Entgeltpunkte (Ost) zugeordnet worden, sind für den Zuschlag persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln. Ist die Kindererziehungszeit oder Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 3 Nummer 1 oder nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 in der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt worden, wird der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten und persönlichen Entgeltpunkten (Ost) mit 0,75 vervielfältigt.

(3) Folgt auf eine Rente mit einem Zuschlag nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a eine Rente, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllt, ist der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach den Absätzen 1 bis 2 weiter zu berücksichtigen.

(4) Der Zuschlag nach Absatz 1 ist nicht zu berücksichtigen, wenn die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Absatz 4 in der Fassung ab dem 1. Juli 2014 ganz oder teilweise ausgeschlossen ist.

(5) Bestand am 31. Dezember 2018 Anspruch auf eine Rente und werden Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a nicht berücksichtigt, wird auf Antrag ab dem 1. Januar 2019 für jeden Kalendermonat der Erziehung ein Zuschlag in Höhe von 0,0833 persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt, wenn

1.
nach dem zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt innerhalb des jeweils längstens anrechenbaren Zeitraums die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kindererziehungszeit nach den §§ 56 und 249 vorlagen und
2.
für dasselbe Kind keine Kindererziehungszeiten oder Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a für andere Versicherte oder Hinterbliebene für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen sind.
Sind die Kalendermonate der Erziehung der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen, beträgt der Zuschlag für jeden Kalendermonat 0,0625 persönliche Entgeltpunkte oder persönliche Entgeltpunkte (Ost). Absatz 3 gilt entsprechend. Sind für das Kind keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anerkannt worden, wird der Zuschlag bei dem Elternteil berücksichtigt, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter.

(1) Der Zugangsfaktor richtet sich nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind.

(2) Der Zugangsfaktor ist für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren,

1.
bei Renten wegen Alters, die mit Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnen, 1,0,
2.
bei Renten wegen Alters, die
a)
vorzeitig in Anspruch genommen werden, für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0 und
b)
nach Erreichen der Regelaltersgrenze trotz erfüllter Wartezeit nicht in Anspruch genommen werden, für jeden Kalendermonat um 0,005 höher als 1,0,
3.
bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und bei Erziehungsrenten für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0,
4.
bei Hinterbliebenenrenten für jeden Kalendermonat,
a)
der sich vom Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist, bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 65. Lebensjahres des Versicherten ergibt, um 0,003 niedriger als 1,0 und
b)
für den Versicherte trotz erfüllter Wartezeit eine Rente wegen Alters nach Erreichen der Regelaltersgrenze nicht in Anspruch genommen haben, um 0,005 höher als 1,0.
Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente vor Vollendung des 62. Lebensjahres oder ist bei Hinterbliebenenrenten der Versicherte vor Vollendung des 62. Lebensjahres verstorben, ist die Vollendung des 62. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend. Die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung des 62. Lebensjahres des Versicherten gilt nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme. Dem Beginn und der vorzeitigen oder späteren Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters stehen für die Ermittlung des Zugangsfaktors für Zuschläge an Entgeltpunkten aus Beiträgen nach Beginn einer Rente wegen Alters die Zeitpunkte nach § 66 Absatz 3a Satz 1 gleich, zu denen die Zuschläge berücksichtigt werden.

(3) Für diejenigen Entgeltpunkte, die bereits Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer früheren Rente waren, bleibt der frühere Zugangsfaktor maßgebend. Dies gilt nicht für die Hälfte der Entgeltpunkte, die Grundlage einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung waren. Der Zugangsfaktor wird für Entgeltpunkte, die Versicherte bei

1.
einer Rente wegen Alters nicht mehr vorzeitig in Anspruch genommen haben, um 0,003 oder
2.
einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder einer Erziehungsrente mit einem Zugangsfaktor kleiner als 1,0 nach Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 62. Lebensjahres bis zum Ende des Kalendermonats der Vollendung des 65. Lebensjahres nicht in Anspruch genommen haben, um 0,003,
3.
einer Rente nach Erreichen der Regelaltersgrenze nicht in Anspruch genommen haben, um 0,005
je Kalendermonat erhöht.

(4) Bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und bei Hinterbliebenenrenten, deren Berechnung 40 Jahre mit den in § 51 Abs. 3a und 4 und mit den in § 52 Abs. 2 genannten Zeiten zugrunde liegen, sind die Absätze 2 und 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle der Vollendung des 65. Lebensjahres die Vollendung des 63. Lebensjahres und an die Stelle der Vollendung des 62. Lebensjahres die Vollendung des 60. Lebensjahres tritt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Ermittlung des Zugangsfaktors für die nach § 66 Absatz 1 Satz 2 gesondert zu bestimmenden persönlichen Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung.

(1) Für Beitragszeiten werden Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt (Anlage 1) für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Für das Kalenderjahr des Rentenbeginns und für das davor liegende Kalenderjahr wird als Durchschnittsentgelt der Betrag zugrunde gelegt, der für diese Kalenderjahre vorläufig bestimmt ist.

(1a) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 werden Entgeltpunkte für Beitragszeiten aus einer Beschäftigung im Übergangsbereich (§ 20 Absatz 2 des Vierten Buches) ab dem 1. Juli 2019 aus dem Arbeitsentgelt ermittelt.

(2) Kindererziehungszeiten erhalten für jeden Kalendermonat 0,0833 Entgeltpunkte (Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten). Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten sind auch Entgeltpunkte, die für Kindererziehungszeiten mit sonstigen Beitragszeiten ermittelt werden, indem die Entgeltpunkte für sonstige Beitragszeiten um 0,0833 erhöht werden, höchstens um die Entgeltpunkte bis zum Erreichen der jeweiligen Höchstwerte nach Anlage 2b.

(3) Aus der Zahlung von Beiträgen für Arbeitsentgelt aus nach § 23b Abs. 2 Satz 1 bis 4 des Vierten Buches aufgelösten Wertguthaben werden zusätzliche Entgeltpunkte ermittelt, indem dieses Arbeitsentgelt durch das vorläufige Durchschnittsentgelt (Anlage 1) für das Kalenderjahr geteilt wird, dem das Arbeitsentgelt zugeordnet ist. Die so ermittelten Entgeltpunkte gelten als Entgeltpunkte für Zeiten mit vollwertigen Pflichtbeiträgen nach dem 31. Dezember 1991.

(3a) Sind mindestens 25 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten vorhanden, werden für nach dem Jahr 1991 liegende Kalendermonate mit Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung oder mit Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege eines pflegebedürftigen Kindes bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Entgeltpunkte zusätzlich ermittelt oder gutgeschrieben. Diese betragen für jeden Kalendermonat

a)
mit Pflichtbeiträgen die Hälfte der hierfür ermittelten Entgeltpunkte, höchstens 0,0278 an zusätzlichen Entgeltpunkten,
b)
in dem für den Versicherten Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung oder Zeiten der Pflege eines pflegebedürftigen Kindes für ein Kind mit entsprechenden Zeiten für ein anderes Kind zusammentreffen, 0,0278 an gutgeschriebenen Entgeltpunkten, abzüglich des Wertes der zusätzlichen Entgeltpunkte nach Buchstabe a.
Die Summe der zusätzlich ermittelten und gutgeschriebenen Entgeltpunkte ist zusammen mit den für Beitragszeiten und Kindererziehungszeiten ermittelten Entgeltpunkten auf einen Wert von höchstens 0,0833 Entgeltpunkte begrenzt.

(4) Ist für eine Rente wegen Alters die voraussichtliche beitragspflichtige Einnahme für den verbleibenden Zeitraum bis zum Beginn der Rente wegen Alters vom Rentenversicherungsträger errechnet worden (§ 194 Absatz 1 Satz 6, Abs. 2 Satz 2), sind für diese Rente Entgeltpunkte daraus wie aus der Beitragsbemessungsgrundlage zu ermitteln. Weicht die tatsächlich erzielte beitragspflichtige Einnahme von der durch den Rentenversicherungsträger errechneten voraussichtlichen beitragspflichtigen Einnahme ab, bleibt sie für diese Rente außer Betracht. Bei einer Beschäftigung im Übergangsbereich (§ 20 Absatz 2 des Vierten Buches) ab dem 1. Juli 2019 treten an die Stelle der voraussichtlichen beitragspflichtigen Einnahme nach Satz 1 das voraussichtliche Arbeitsentgelt und an die Stelle der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahme nach Satz 2 das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt.

(5) Für Zeiten, für die Beiträge aufgrund der Vorschriften des Vierten Kapitels über die Nachzahlung gezahlt worden sind, werden Entgeltpunkte ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt des Jahres geteilt wird, in dem die Beiträge gezahlt worden sind.

(1) Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Juli 2014 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn
1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen § 57 Satz 2 nicht angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Die Voraussetzungen des Satzes 3 Nummer 1 gelten als erfüllt, wenn
1.
vor dem 1. Januar 1992 Anspruch auf eine Rente bestand, in der für dasselbe Kind ein Zuschlag nach Absatz 1 Satz 1 berücksichtigt wird, und
2.
für dasselbe Kind eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt für andere Versicherte oder Hinterbliebene nicht angerechnet wird.

(1a) Ist der Anspruch auf Rente nach dem 30. Juni 2014 und vor dem 1. Januar 2019 entstanden, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind 0,5 persönliche Entgeltpunkte.

(2) Sind für Kindererziehungszeiten ausschließlich Entgeltpunkte (Ost) zugeordnet worden, sind für den Zuschlag persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln. Ist die Kindererziehungszeit oder Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 3 Nummer 1 oder nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 in der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt worden, wird der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten und persönlichen Entgeltpunkten (Ost) mit 0,75 vervielfältigt.

(3) Folgt auf eine Rente mit einem Zuschlag nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a eine Rente, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllt, ist der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach den Absätzen 1 bis 2 weiter zu berücksichtigen.

(4) Der Zuschlag nach Absatz 1 ist nicht zu berücksichtigen, wenn die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Absatz 4 in der Fassung ab dem 1. Juli 2014 ganz oder teilweise ausgeschlossen ist.

(5) Bestand am 31. Dezember 2018 Anspruch auf eine Rente und werden Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a nicht berücksichtigt, wird auf Antrag ab dem 1. Januar 2019 für jeden Kalendermonat der Erziehung ein Zuschlag in Höhe von 0,0833 persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt, wenn

1.
nach dem zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt innerhalb des jeweils längstens anrechenbaren Zeitraums die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kindererziehungszeit nach den §§ 56 und 249 vorlagen und
2.
für dasselbe Kind keine Kindererziehungszeiten oder Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a für andere Versicherte oder Hinterbliebene für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen sind.
Sind die Kalendermonate der Erziehung der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen, beträgt der Zuschlag für jeden Kalendermonat 0,0625 persönliche Entgeltpunkte oder persönliche Entgeltpunkte (Ost). Absatz 3 gilt entsprechend. Sind für das Kind keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anerkannt worden, wird der Zuschlag bei dem Elternteil berücksichtigt, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

94

Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Juni 2010 geändert.

Die Bescheide der Beklagten vom 3. Februar 2004 und der Widerspruchsbescheid vom 1. November 2006 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Kläger sind verheiratete Eltern ihrer 1990, 1993 und 1996 geborenen Kinder. Die Klägerin ist bei der Beigeladenen zu 4. als Krankenschwester teilzeit-, der Kläger ist beim Beigeladenen zu 3. als Gemeindereferent beschäftigt. Sie sind bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert. Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Krankenkasse, der Kläger war dort bis Ende 2010 Mitglied, danach war er in der GKV versicherungsfrei.

3

Am 28.1.2004 beantragten die Kläger bei der Beklagten auf die Erhebung von Beiträgen zur GRV zu verzichten, hilfsweise einen Beitragsnachlass zur gewähren. Mit Bescheiden vom 3.2.2004 lehnte die Beklagte gegenüber den Klägern die Anträge ab. Hiergegen legten die Kläger am 25.2.2004 Widerspruch ein und verwiesen zur Begründung auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) und auf die Begründung in den Verfahren, die am 23.9.2003 vor dem BSG verhandelt wurden (B 12 RA 7/01 R ua). Gleichzeitig erklärten sie ihr Einverständnis mit einem Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des BSG, worauf die Beklagte den Widerspruch zunächst nicht weiterbearbeitete. Am 25.7.2006 erhoben die Kläger beim SG Untätigkeitsklage. Hierauf wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 1.11.2006 Bezug nehmend auch auf einen Antrag der Kläger vom 17.12.2005 den Widerspruch gegen die Bescheide vom 3.2.2004 zurück.

4

Daraufhin nahmen die Kläger die Untätigkeitsklage zurück, erhoben jedoch gleichzeitig beim SG Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 1.11.2006. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 17.6.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen (Urteil vom 27.1.2012). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem Gesetz zur Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung (Kinder-Berücksichtigungsgesetz ) zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2) - davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen.

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795, Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt. Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die geforderte Mindestgeschlossenheit sei ebenso gegeben, wie die Absehbarkeit fehlender generativer Beiträge. In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI) kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Neben der GRV müsse aber auch in der GKV ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

8

Im Schriftsatz vom 20.7.2016 führen die Kläger ua ergänzend aus, die konkrete Beitragshöhe sei zwischen den Beteiligten bekannt und als gesetzeskonform völlig unstreitig; streitig sei nur die Frage, ob die Gesetzesgrundlage verfassungskonform sei. Für die vorliegende Konstellation einer Normenkontrolle gehe die Senatsrechtsprechung (Hinweis auf BSG Urteile vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R ua - und 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R -) ins Leere. Es könne nicht Aufgabe der Rechtsprechung sein, den Beteiligten einen völlig sinnlosen Arbeitsaufwand abzuverlangen, der letztlich wiederum nur die längst bekannten und völlig unstreitigen Ergebnisse zu Tage fördern könne und ohne jeglichen Belang für die zu entscheidende Rechtsfrage sei.

9

Im Schriftsatz vom 10.8.2016 tragen die Kläger in Kenntnis des Senatsurteils vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - (BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) ua ergänzend vor: Der Senat habe zwar die von den Klägern umschriebenen Voraussetzungen seiner damaligen Entscheidung zugrunde gelegt, das sPV-Urteil des BVerfG "nach wie vor marginalisiert" bzw es in "zum Teil sinnentstellender Weise" interpretiert. Der Revision gehe es um eine Sozialversicherung, die alle unabhängig davon schütze, wie sie leben, und wie die Lasten, die durch dieses Schutzversprechen ausgelöst würden, gleichmäßig verteilt würden. Dies sei nur möglich, wenn damit begonnen würde, den "historischen Konstruktionsfehler einer voremanzipatorischen Struktur zu korrigieren", die geprägt sei von der Alleinverdienerehe. Im Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - (BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) habe der Senat die Mindestgeschlossenheit im System der GRV "in einer geradezu abenteuerlichen Argumentation" verneint. Die GRV spiegele konzeptionell den Lebenslängsschnitt. Demgegenüber habe das BSG lediglich eine Querschnittsbetrachtung vorgenommen. Es müsse bei der Frage der Mindestgeschlossenheit auf Versicherte und nicht auf Beitragszahler abgestellt werden. So habe das BVerfG im sPV-Urteil nicht auf Beitragszahler, sondern auf Versicherte abgestellt und im Urteil zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung auf den Versichertengrad verwiesen. Für die "breitbasige allgemeine Rentenversicherung" trage nicht der Einwand, dass Kinder von Versicherten möglicherweise später keine Mitglieder würden. Eine fehlende Mindestgeschlossenheit ließe sich nur bejahen, wenn man das sPV-Urteil des BVerfG in Frage stellen würde. Der Senat habe sich schon im Ausgangspunkt außerhalb der verfassungsrechtlichen Grundrechtsdogmatik positioniert, indem er nach der durch das sPV-Urteil des BVerfG vorgegebenen gleichheitsrechtlichen Prüfung eine zweite Prüfung von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vorgenommen habe. Der Senat habe zu Unrecht das eigentliche "Referenzurteil" trotz § 31 Abs 1, Abs 2 S 2 BVerfGG schlicht abgelehnt. Die Aussage, der Gesetzgeber habe die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen, würde auch durch ihre ständige Wiederholung nicht richtig. Gemäß dem sPV-Urteil des BVerfG sei vielmehr ein Vorteilsausgleich im Beitragsrecht erforderlich. Anderenfalls missachte man den "grundlegenden Paradigmenwechsel" zwischen dem Trümmerfrauenurteil und dem sPV-Urteil des BVerfG. Zu Unrecht habe der Senat versucht, die These des sPV-Urteils von der Gleichwertigkeit des monetären und des "generativen" Beitrags zu erschüttern. Gleiches gelte für die Hinweise auf die gesamtgesellschaftliche Aufgabenstellung und die Möglichkeit neuer Verwerfungen. Zur GKV habe der Senat in seinem Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - (BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) "überraschend" ausgeführt, dass der überwiegende Teil der Gesamtkosten in der Generation der Erwerbstätigen auftrete und nicht wie vom BVerfG in dessen sPV-Urteil gefordert "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Dem läge ein grundlegender methodischer Fehler zugrunde, weil die beiden Vergleichsgruppen unterschiedlich groß seien. Zu Unrecht habe der Senat auch in der GKV auf einen "obskuren" weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext zurückgegriffen. Die Heranziehung der beitragsfreien Familienversicherung als eines von mehreren familienfördernden Elementen sei nach den Vorgaben im sPV-Urteil ausgeschlossen. Der Hinweis auf die Ungewissheit des Eintritts des in der GKV versicherten Risikos sei unverständlich, weil dies für jede Versicherung gelte. Zur sPV habe sich der Senat in seinem Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - (BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) zu Unrecht auf das KiBG und eine dem Gesetzgeber zukommende Befugnis, typisierende Regelungen zu schaffen, gestützt. Es sei sehr wohl verfassungsrechtlich und nach den Vorgaben des BVerfG geboten, nach der Zahl der Kinder zu differenzieren.

10

In einem weiteren Schriftsatz vom 17.8.2016 befassen sich die Kläger mit zwei im Nachgang zum Urteil des Senats vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - (BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) verfassten sozialrechtlichen Aufsätzen (Ruland, NZS 2016, 361; Seiler, NZS 2016, 641). Mit Telefax vom 18.7.2017 übersandten die Kläger den Entwurf einer Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung sowie eine Stellungnahme zu einem weiteren sozialrechtlichen Aufsatz (Kaltenstein, SGb 2017, 301).

11

Die Kläger haben wiederholt umfangreiche Unterlagen vorgelegt: Mit Schriftsätzen vom 20.7.2016 und 10.8.2016 ua Stellungnahmen von Prof. Dr. Werding vom 9.3.2016 sowie weitere Schriftstücke, ua die Abschrift einer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Senats vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - (BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77). Mit Schriftsatz vom 18.2.2017 wurde eine weitere Stellungnahme von Prof. Dr. Werding vom 9.1.2017 vorgelegt. Mit Telefax vom 18.7.2017 übersandten die Kläger einen Schriftwechsel aus den Jahren 1988/1989 sowie eine Abhandlung des Deutschen Familienverbands zum "Horizontalen Vergleich 2017". In einem Telefax vom 19.7.2017 gaben die Kläger eine Stellungnahme von Prof. Birg wieder.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 26 bis 99, Blatt 182 bis 240, Blatt 242 bis 337, Blatt 378 bis 383, Blatt 392 bis 396, Blatt 412 bis 441 und Blatt 473 bis 474 der Revisionsakte verwiesen.

13

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Juni 2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 3. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. November 2006 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Januar 2005 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,
hilfsweise
festzustellen, dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,
weiter hilfsweise
festzustellen, dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,
hilfsweise
den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind.

14

Die Beigeladene zu 2. beantragt,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

15

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

16

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
dir Revision zurückzuweisen.

17

Die Beigeladenen zu 1., 3. und 4. stellen keine Anträge.

18

Durch Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 4.7.2014 wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass erstmals im Widerspruchsverfahren über das Begehren der Kläger in Bezug auf die Beitragsbemessung in der GKV und sPV entschieden wurde. Dies werfe Fragen der funktionellen und sachlichen Zuständigkeit auf. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG könne sich eine Auseinandersetzung mit den zur Entscheidung gestellten materiell-rechtlichen Fragen möglicherweise erübrigen. Durch Beschluss vom 21.8.2014 wurde das Ruhen des Verfahrens und durch Beschluss vom 5.11.2015 die Fortsetzung des Verfahrens angeordnet.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Die Revision der Kläger ist zulässig.

21

Das LSG hat die Revision gegen sein Urteil vom 27.1.2012 in vollem Umfang zugelassen. Zwar hat es zur Begründung ausgeführt, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sei deshalb gegeben, weil es zur GKV noch keine Rechtsprechung des BSG zu der Frage der Freistellung von der Beitragspflicht für Kinder erziehende Versicherte gebe. Weder dieser Begründung noch dem Tenor des LSG-Urteils ("Die Revision wird zugelassen.") kann jedoch eine Beschränkung der Rechtsmittelzulassung auf die GKV entnommen werden.

22

Die Revision ist allerdings im Wesentlichen unbegründet.

23

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind die mit der Anfechtungsklage angegriffenen Bescheide der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 3.2.2004 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 1.11.2006, in denen sie die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung abgelehnt hat, weil es hierfür keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag.

24

Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV für den Zeitraum vom 1.1.2004 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 27.1.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 55 RdNr 21).

25

2. Statthafte Klageart für das klägerische Begehren ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff).

26

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

27

Mit den Ausgangsbescheiden vom 3.2.2004 und dem Widerspruchsbescheid vom 1.11.2006 hat die Beklagte entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung in der Sozialversicherung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung selbst entschieden (vgl hierzu ausführlich BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 26 mwN sowie Urteil vom 20.7.2017 - B 12 KR 13/15 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Da der Widerspruchsbescheid vom 1.11.2006 schon aus diesem Grund rechtswidrig ist, kommt es auf die Frage einer darüber hinausgehenden Rechtswidrigkeit aufgrund der erstmaligen Entscheidung zur Beitragserhebung in der GKV und sPV im Widerspruchsverfahren (vgl zu dieser Problematik BSG Urteil vom 20.7.2010 - B 2 U 19/09 R - RdNr 15, Juris mwN) nicht an.

28

4. Die neben der erfolgreichen Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist nur hinsichtlich der GRV zulässig. Die Feststellungsklage ist unzulässig, soweit sie die Beitragserhebung in der GKV und sPV betrifft. Insoweit fehlt es an einer Verwaltungsentscheidung der zuständigen Behörde über einen entsprechenden Feststellungsantrag.

29

Solange die sachlich zuständige Ausgangsbehörde der Beklagten nicht über den erhobenen Feststellungsanspruch entschieden hat, kann ein Versicherter, außer bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde, kein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung haben (vgl BSG Urteil vom 20.7.2010 - B 2 U 19/09 R - RdNr 12, Juris mwN; vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 55 RdNr 3b mwN). Deshalb ist in der Regel eine Feststellungsklage ohne vorangegangenes Verwaltungsverfahren unzulässig (vgl Groß/Castendiek in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl 2017, § 55 RdNr 26). Dies gilt in besonderem Maße, wenn um die Beitragshöhe gestritten wird. Die Einzugsstelle ist gehalten, streitige Beitragsforderungen jedenfalls gegenüber Beitragsschuldnern, die natürliche Personen oder juristische Personen des Privatrechts sind, durch Verwaltungsakt geltend zu machen; diese Personen können auf eine solche Beitragskonkretisierung mittels Verwaltungsakt nicht dadurch verzichten, dass sie unmittelbar auf Feststellung klagen. Entsprechend sind auch Arbeitgeber und Versicherte selbst zunächst auf ein Verwaltungsverfahren zu verweisen (BSG Urteil vom 22.5.1985 - 12 RK 30/84 - BSGE 58, 150, 152 = SozR 1500 § 55 Nr 27 S 22). Etwas anderes gilt nur, wenn nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens die Feststellungsklage im Vergleich zur Anfechtungsklage eine umfassendere Klärung des Rechtsverhältnisses ermöglicht oder wenn nur noch die mit der Anfechtungsklage verbundene Feststellungsklage eine Entscheidung in der Sache zulässt (BSG Urteil vom 9.10.1984 - 12 RK 18/83 - BSGE 57, 184, 186 = SozR 2200 § 385 Nr 10 S 40 mwN). - Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Vorliegend haben die Kläger ihre ursprünglichen Anträge vom 26.1.2004 allein auf die Beitragserhebung in der GRV bezogen. Hierüber hat die Beklagte in ihren Ausgangsbescheiden vom 3.2.2004 entschieden. Erst im Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses der Beklagten vom 1.11.2006 waren die Regelungen des KiBG und damit - zumindest konkludent - die Beitragserhebung in der sPV gegenständlich. Zwar wird darin auch ein Schreiben der Kläger vom 17.12.2005 erwähnt. Das Schreiben befindet sich jedoch nicht in der Verwaltungsakte der Beklagten und hat diese - ausweislich eines Schreibens des SG Freiburg im Verfahren S 5 KR 3636/06 vom 12.9.2006 auch gar nicht erreicht. Jedenfalls vermag eine Ausdehnung des Begehrens der Kläger im Hinblick auf eine "Beitragsreduzierung" in der GKV und sPV die insoweit fehlende Entscheidung der Ausgangsbehörde durch einen Verwaltungsakt nicht zu ersetzen. Auch angesichts der bisherigen Verfahrensdauer ist ausnahmsweise ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Kläger hinsichtlich der GKV und sPV nicht anzuerkennen, weil sich ihr ursprünglicher Antrag ausdrücklich nur auf einen Beitragsverzicht bzw eine Beitragsreduzierung in der GRV bezogen hat. Erst im Laufe des (zunächst ruhenden) Widerspruchs- und späteren Klageverfahrens, vor allem aber im Berufungsverfahren haben die Kläger ihre Anträge - soweit der erste erweiternde Antrag dem Widerspruchsausschuss der Beklagten überhaupt vorlag - auch auf die GKV und sPV ausgedehnt und präzisiert. Damit fehlt es vorliegend hinsichtlich der Beitragserhebung in der GKV und sPV an einem berechtigten Feststellungsinteresse der Kläger.

30

5. Die hinsichtlich der GRV zulässige Feststellungsklage hat im Haupt- sowie hinsichtlich aller Hilfsanträge keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger in der GRV den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV entspricht.

31

Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung in der GRV stehen einfachrechtlich betrachtet in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften. Dies sind ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.1.2004 bis 27.1.2012 geltenden Fassungen. Danach ergibt sich der Beitrag, indem der jeweils gültige Beitragssatz mit der Beitragsbemessungsgrundlage, regelmäßig dem Bruttoarbeitsentgelt, vervielfacht wird. Freibeträge, insbesondere Kinderfreibeträge, mindern die Beitragsbemessungsgrundlage nicht. Die Beiträge werden von den Versicherten und ihren Arbeitgebern je zur Hälfte getragen. Eine Beitragsreduzierung für Versicherte mit Kindern oder erhöhte Beiträge für Versicherung ohne Kinder sind nicht vorgesehen.

32

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand. Streitig ist allein die Verfassungsmäßigkeit dieser beitragsrechtlichen Bestimmungen.

33

6. Die gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV sowie ihre Anwendung im konkreten Einzelfall sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff BVerfGG bedurfte es daher nicht. Der Senat ist wie bereits in den früheren Entscheidungen aus den Jahren 2006 (ua BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1) und 2015 (BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder (dazu b) in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu c).

34

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die Versicherte neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

35

b) Die Kläger weisen zutreffend darauf hin, dass Versicherte mit Kindern im Vergleich zu Versicherten ohne Kinder im Allgemeinen in ganz besonderem Maße zur Leistungsfähigkeit des Systems der GRV und dessen Nachhaltigkeit beitragen. Das umlagefinanzierte System der GRV funktioniert dauerhaft nur dann, wenn es stets genügend leistungsfähige Beitragszahler gibt, die für die Renten der jeweiligen Rentnergeneration aufkommen können. Ein nachhaltig gestaltetes System der Altersvorsorge setzt voraus, dass der gegenwärtige und zukünftige Sozialaufwand, der für die Gewährung rechtlich verbürgter Sozialleistungen wie Renten erforderlich ist, aus dem zum jeweiligen Zeitpunkt erwirtschaftete Volkseinkommen aufgebracht werden kann. Dies setzt voraus, dass es auch in Zukunft hinreichend viele Erwerbstätige und die Möglichkeit zu produktivem Erwerbsverhalten gibt. Die heute geborenen Kinder müssen - soll das System funktionieren - auch in Zukunft arbeiten können, arbeiten wollen und ausreichend produktive Arbeitsplätze oder sonstige sozialversicherungspflichtige Erwerbsmöglichkeiten vorfinden. Werden nicht ausreichend viele Kinder geboren und wird nicht in ausreichendem Maße für ihr künftiges Erwerbspotential vorgesorgt (Erziehung, Bildung, Infrastruktur, produktive Arbeitsplätze etc), ist die Stabilität des Systems gefährdet. Versicherte mit Kindern leisten insoweit bei typisierender Betrachtung im Allgemeinen mehr für die Nachhaltigkeit des Systems als Versicherte ohne Kinder, denn Versicherte mit Kindern und Versicherte ohne Kinder finanzieren durch ihre monetären Beiträge zwar die aktuellen Renten mit. Versicherte mit Kindern sorgen aber in besonderer Weise dafür, dass es auch künftig Beitragszahler gibt, die künftige Renten finanzieren können. Sie leisten damit zusätzlich zu ihren monetären Beiträgen einen generativen Beitrag. Unbestreitbar ist auch, dass Versicherte mit Kindern und dem damit verbundenen Betreuungs- und Erziehungsaufwand - bei wiederum typisierender Betrachtung - regelmäßig Einschränkungen persönlicher und finanzieller Art unterliegen, denen Versicherte ohne Kinder nicht unterliegen.

36

Zwischen Versicherten mit und ohne Kinder(n) bestehen erhebliche Unterschiede. Und obwohl Versicherte mit Kindern einen sog generativen Beitrag leisten, sind sie nach denselben Vorschriften zur Beitragszahlung in der GRV verpflichtet wie Versicherte ohne Kinder.

37

c) Die Kläger können jedoch nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen. Der Senat ist - was den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab angeht - im vorliegenden Fall nicht strikt und ausschließlich an die Maßstäbe im sPV-Urteil des BVerfG gebunden (dazu aa). Vielmehr sind die von den Klägern beanstandeten Regelungen des Beitragsrechts der GRV unter Beachtung der Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in erster Linie anhand der vom BVerfG zum allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG - dazu bb) iVm mit dem Familienförderungsgebot des Art 6 GG (Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG - dazu cc) zu prüfen. Eine Verfassungswidrigkeit kann der Senat dabei auch in Kenntnis des zwischenzeitlichen umfangreichen Vorbringens der Kläger, der vorgelegten Stellungnahmen und der zum Senatsurteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - (BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) veröffentlichten sozialrechtlichen Literatur (vgl ua Blüggel, jurisPR-SozR 11/2016 Anm 2; Lenze, NVwZ 2015, 1658; Lenze, SGb 2017, 130; Ruland, NZS 2016, 361; Seiler, NZS 2016, 641; Wenner, SozSich 2015, 344) nicht erkennen.

38

aa) Das BVerfG hat im sPV-Urteil im Tenor ausgeführt, dass die beitragsrechtlichen Regelungen der sPV mit dem GG nicht vereinbar sind, "soweit Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden". Es bleibe dem Gesetzgeber überlassen, wie er die Betreuungs- und Erziehungsleistung bei der Beitragsbemessung von beitragspflichtigen Versicherten mit Kindern berücksichtige. Spätestens bis zum 31.12.2004 habe der Gesetzgeber eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Bei der Bemessung der Frist sei berücksichtigt worden, dass die Bedeutung des vorliegenden Urteils auch für andere Zweige der Sozialversicherung zu prüfen sein werde (BVerfG sPV-Urteil, Juris RdNr 69).

39

Das sPV-Urteil des BVerfG ist auf das Beitragsrecht der GRV nicht "1 : 1" übertragbar. Zwar kommt den Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 1 BVerfGG Gesetzeskraft und nach § 31 Abs 1 BVerfGG Bindungswirkung zu. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - (BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) dargelegt, dass das sPV-Urteil auf das Beitragsrecht der GRV nicht im Wege der den Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG zukommenden Gesetzeskraft und der ihnen nach § 31 Abs 1 BVerfGG zukommenden Bindungswirkung "übertragbar" ist, weil es ausweislich des Tenors nur zur Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen ergangen ist(BSG aaO RdNr 33). Hieran hält der Senat fest.

40

Hinzu kommt, dass die GRV in ihren wesentlichen Strukturprinzipien nicht den Anforderungen entspricht, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat. Insbesondere hatte das BVerfG im sPV-Urteil darauf abgestellt, dass eine Berücksichtigung des generativen Beitrags im Leistungsrecht der Pflegeversicherung nicht in Betracht kommt (BVerfG sPV-Urteil RdNr 71). In der GRV ist dies strukturell bereits anders (hierzu bb) (e)).

41

bb) Der allgemeine Gleichheitssatz in Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl zB BVerfGE 112, 268, 279; stRspr). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl BVerfGE 79, 1, 17; 126, 400, 416 mwN). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (BVerfGE 129, 49, 68; 133, 1, 13 RdNr 44). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl BVerfGE 110, 274, 291; stRspr). Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl BVerfGE 75, 108, 157 = SozR 5425 § 1 Nr 1 S 11; BVerfGE 93, 319, 348 f; 107, 27, 46; 126, 400, 416; 129, 49, 69; 132, 179, 188 RdNr 30). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für den Einzelnen verfügbar sind (vgl BVerfGE 88, 87, 96; 129, 49, 69; 130, 240, 254 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 42) oder je mehr sie sich denen des Art 3 Abs 3 GG annähern (vgl BVerfGE 88, 87, 96; 124, 199, 220; 129, 49, 69; 130, 240, 254 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 42). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl BVerfGE 88, 87, 96; 111, 176, 184 = SozR 4-7833 § 1 Nr 4 RdNr 26; BVerfGE 129, 49, 69; 130, 240, 254 = SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 42).

42

Vorliegend geht es um die Frage, ob der Gesetzgeber im Beitragsrecht der GRV wesentlich Ungleiches ohne hinreichende sachliche Gründe gleichbehandelt. Denn das Beitragsrecht sieht für Versicherte ohne Kinder und für Versicherte mit Kindern keine unterschiedlichen Regelungen vor; weder erhalten Versicherte mit Kindern einen - wie auch immer gearteten - Beitragsrabatt noch werden ihre Beiträge nach einer niedrigeren Bemessungsgrundlage oder einem geringeren Beitragssatz als bei Versicherten ohne Kinder berechnet.

43

Der Senat legt seiner Prüfung einen strengen Prüfungsmaßstab zugrunde, denn den Versicherten steht es nicht frei, an dem die GRV prägenden Umlageverfahren teilzunehmen. Vielmehr ordnet das Gesetz ua für abhängig Beschäftigte, zu denen die Kläger gehören, Versicherungs- und Beitragspflicht an. Dies ist verfassungsrechtlich betrachtet ein Eingriff in die durch Art 2 Abs 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit (vgl BVerfG Beschluss vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 - BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 18 = Juris RdNr 49, mwN). Danach ist das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit betroffen, wenn der Gesetzgeber Personen der Pflichtversicherung in einem System der sozialen Sicherheit unterwirft.

44

Auch unter Zugrundelegung eines strengen, am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierten Prüfungsmaßstabs ist es gerechtfertigt und verfassungsrechtlich nicht geboten, dass der Gesetzgeber im Beitragsrecht der GRV zwischen Versicherten mit und ohne Kinder(n) in der Weise differenziert, dass Versicherte ohne Kinder geringere Beiträge als Versicherte mit Kindern zu zahlen haben. Dabei verkennt der Senat nicht, dass Versicherte mit Kindern in der GRV - ebenso wie in der sPV - anders als Versicherte ohne Kinder nicht nur einen pekuniären, sondern - wie bereits ausgeführt wurde - auch einen generativen Beitrag leisten, der für das Funktionieren des Umlageverfahrens unabdingbar ist.

45

Für die fehlende Differenzierung im Beitragsrecht der GRV gibt es hinreichende sachliche Gründe. Der Gesetzgeber hat insoweit die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt.

46

(a) Das Gesetz berücksichtigt den generativen Beitrag von Versicherten mit Kindern und allgemeinen Familienlasten zwar nicht im Beitragsrecht der GRV. Entgegen der Auffassung der Kläger ist aber eine alleinige Fokussierung auf das Beitragsrecht der GRV nicht durch das sPV-Urteil des BVerfG vorgegeben (vgl hierzu BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 49, 60).

47

(b) Das Recht der GRV berücksichtigt die generative Leistung in Form verschiedener familienfördernder Elemente zugunsten Versicherter mit Kindern in erster Linie innerhalb der GRV im Leistungsrecht, darüber hinaus aber auch in anderen Zweigen der Sozialversicherung, in weiteren Bereichen des Sozialrechts sowie in sonstigen Rechtsgebieten wie etwa dem Steuerrecht oder in Form kostenloser Schul-, Fachschul- und Hochschulausbildung. Der Senat verkennt dabei nicht, dass auch Versicherte mit Kindern mit ihren Steuern und Beiträgen ihrerseits in erheblichem Umfang selbst zur Finanzierung von familienfördernden Leistungen beitragen.

48

Im Leistungsrecht gerade der GRV erhalten Versicherte mit Kindern für die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile einen systemimmanenten Ausgleich zB durch Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI), Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung im Umfang von zwei - bzw ab Jahrgang 1992 drei - Jahren für jedes Kind (§ 57 SGB VI), Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI), Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI), Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI), große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI), Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI; vgl ausführlich Buntenbach, Leistungen der Rentenversicherung für Kindererziehung, DRV-Schriften, Band 108, S 19).

49

(c) Der Senat ist davon überzeugt, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums gesellschaftliche Entwicklungen gerade auch mit Blick auf Familien und deren Bedürfnisse berücksichtigt. Er gewährleistet durch die Gewährung von Leistungen vor allem in der GRV eine verfassungsgemäße Behandlung auch der Versicherten mit Kindern. Dass Versicherte mit Kindern durch familienfördernde Leistungen durch den Gesetzgeber "auf Euro und Cent" so gestellt werden müssten, als hätten sie keine Kinder, ist Wortlaut, Sinn und Zweck der einschlägigen Vorschriften des Grundgesetzes (hier insbesondere Art 3 Abs 1 und 3 GG) ebenso wenig zu entnehmen, wie der Rechtsprechung des BVerfG hierzu.

50

Das BVerfG hat im sPV-Urteil ausgeführt, bei der Bemessung der Umsetzungsfrist habe der Senat berücksichtigt, dass die Bedeutung des vorliegenden Urteils auch für andere Zweige der Sozialversicherung zu prüfen sei (BVerfG sPV-Urteil RdNr 69). Die Bundesregierung hat diesen sich aus dem sPV-Urteil des BVerfG ergebenden Prüfauftrag angenommen (siehe BT-Drucks 14/6099 und BT-Drucks 15/4375). Sie hat im November 2002 in Gestalt des damaligen Ministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung die Kommission "Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme" eingerichtet. Diese hat sich ua auch dieser Thematik angenommen und gelangte zu dem Ergebnis, dass der vom Gesetzgeber beschrittene Weg, Kindererziehung auf der Leistungsseite zu honorieren, sachgerecht sei.

51

Der Gesetzgeber hat zur Beseitigung der verfassungswidrigen Lage in der sPV den Pflegeversicherungsbeitrag für Versicherte ohne Kinder erhöht. Der Gesetzgeber hat indessen davon abgesehen, den generativen Beitrag auch in der GRV in entsprechender Weise zu berücksichtigen. Er überschreitet damit nach Überzeugung des Senats in der GRV die sich aus Art 3 Abs 1 GG ergebenden Grenzen seines Gestaltungsspielraums nicht.

52

(d) Vor allem wird durch das geltende Recht ein Eingriff in das Beitragsrecht der GRV und der die GRV prinzipiell prägenden Beziehung von erbrachter Beitragsleistung und späterer (Renten-)Leistung verhindert. Rentenleistungen sind hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Dieses Prinzip fördert, weil es für jedermann ohne Weiteres nachvollziehbar ist, die Akzeptanz des Vorsorgesystems GRV.

53

(e) Zudem unterscheidet sich hierdurch das Leistungsrecht der GRV auch strukturell wesentlich von demjenigen der sPV: Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern bedarfsbezogen. Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV - anders als in der GRV geschehen - von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Entgegen der Auffassung der Kläger hält der Senat daran fest, dass es keine verfassungsrechtliche Verpflichtung gibt, den von den Klägern erstrebten Nachteilsausgleich allein im Beitragsrecht der GRV bzw kumulativ beitrags- und leistungsrechtlich in der GRV zu verwirklichen (so bereits BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 47, 49). Soweit angenommen wird, das BVerfG habe demgegenüber in seinem sPV-Urteil diesbezüglich einen "qualitativen Sprung" (so Lenze, SGb 2017, 130, 133) zu den Ausführungen im Trümmerfrauenurteil (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) gemacht bzw - so die Kläger - einen "grundlegenden Paradigmenwechsel" vorgenommen, teilt der Senat diese Ansicht erneut nicht (vgl insoweit BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 60). Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern bedarfsbezogen. Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell, weil danach Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig sind (vgl § 63 SGB VI).

54

(f) Es ist nicht Sache des Revisionsgerichts darüber zu befinden, ob der Gesetzgeber seiner Pflicht, Versicherte mit Kindern mit Blick auf das Familienförderungsgebot "besser" durch Entlastungen der Versicherten auf der Beitragsseite statt - wie zB durch den Ausbau von Kindererziehungszeiten - auf der Leistungsseite nachgekommen wäre, ob der Gesetzgeber - mit anderen Worten - "die beste Lösung" gewählt hat. Eine zulässige Vorlage an das BVerfG kommt nur dann in Betracht, wenn das vorlegende Gericht von der Unvereinbarkeit der zur Prüfung gestellten Regelung mit der Verfassung ausgeht (vgl ua BVerfG Urteil vom 17.12.2014 - 1 BvL 21/12 - BVerfGE 138, 136 RdNr 93 mwN). Bloße Zweifel sind nicht ausreichend. Erst recht würde es für eine zulässige Vorlage nach Art 100 Abs 1 GG nicht ausreichen, wenn das Gericht lediglich eine andere, stärker familienfördernde gesetzliche Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV bzw der Sozialversicherung insgesamt für sozialpolitisch wünschenswert halten würde. Dies gilt auch hinsichtlich der von den Klägern thematisierten sozial- und gesellschaftspolitisch zukunftsgerichteten Angemessenheit der GRV aus volkswirtschaftlich/ökonomischer Sicht. Demzufolge bedarf ua die Frage, ob bei der Prüfung der Mindestgeschlossenheit der GRV (hierzu BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 36 ff) eine Quer- oder Längsschnittbetrachtung ökonomisch sinnvoller wäre (hierzu Stellungnahme Werding vom 9.3.2016 S 3 f), keiner Entscheidung. Es ist Aufgabe des dazu berufenen parlamentarischen Gesetzgebers, gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Entwicklungen zu beobachten und aus ihrer wissenschaftlichen Analyse Rückschlüsse für die künftige Ausgestaltung des Sozialversicherungssystems zu ziehen. Der Senat verkennt dabei nicht, dass Versicherte mit Kindern insoweit - aus ihrer subjektiven Sicht verständlich - weitergehende rechts- und familienpolitische Forderungen stellen. Deren Erfüllung ist verfassungsrechtlich jedoch nicht zwingend geboten.

55

cc) Die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen auch nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG iVm Art 3 GG. Denn der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie auch nicht gehalten, gerade die Beitragslast von Versicherten mit Kindern auszugleichen. Der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ist zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich zu entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl hierzu BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 35 mwN).

56

Im Übrigen ist festzustellen, dass das Gesetz zahlreiche derartige Leistungen vorsieht. Zu nennen sind ua familienfördernde und familienentlastende Leistungen in anderen Bereichen des Sozialversicherungsrechts, des Sozialrechts und in anderen Rechtsbereichen zB die Gewährung von Versicherungspflichtzeiten im Arbeitsförderungsrecht für die Zeit der Kindererziehung (§ 26 Abs 2a SGB III), die Gewährung von Elterngeld und zuvor Erziehungsgeld (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, zuvor Bundeserziehungsgeldgesetz) oder die Gewährung von Kindergeld (Bundeskindergeldgesetz) oder bzw Kinderfreibeträgen im Steuerrecht (Einkommensteuergesetz).

57

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Auf die Wartezeit von fünf, 15 und 35 Jahren werden Beitragszeiten angerechnet. Ferner werden angerechnet

1.
Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch gezahlt sind,
2.
Zeiten, in denen Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch oder den vor dem 1. Januar 1992 geltenden entsprechenden rentenrechtlichen Vorschriften bestand und
3.
Zeiten, in denen eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch oder den vor dem 1. Januar 1992 geltenden entsprechenden rentenrechtlichen Vorschriften bestand oder die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erfüllt gewesen wären, wenn Versicherungspflicht nach den Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung bestanden hätte.
Zeiten nach Satz 2 werden nicht angerechnet, wenn diese Zeiten bereits mit Beiträgen belegt sind oder nur deshalb nicht mit Beiträgen belegt sind, weil der Versicherte von der nach § 1 Abs. 2 bestehenden Versicherungspflicht befreit worden ist.

(2) Die Wartezeit von fünf Jahren ist vorzeitig erfüllt, wenn Versicherte wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit erwerbsgemindert nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch geworden oder gestorben sind. Satz 1 findet nur Anwendung für Versicherte, die bei Eintritt des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit versicherungspflichtig waren.

(3) Ist zugunsten von Versicherten ein Versorgungsausgleich durchgeführt worden, wird auf die Wartezeit die volle Anzahl an Monaten angerechnet, die sich ergibt, wenn die Steigerungszahl für übertragene oder begründete Anrechte durch die Zahl 0,0157 geteilt wird. War der Ausgleichsberechtigte zuletzt als mitarbeitender Familienangehöriger tätig, tritt an die Stelle der Zahl 0,0157 die Zahl 0,0079. Von den auf die Wartezeit nach den Sätzen 1 und 2 anrechenbaren Monaten werden die in der Ehezeit zurückgelegten Monate abgezogen, soweit sie bereits auf die Wartezeit anrechenbar sind. § 52 Abs. 1 Satz 3 und 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(1) Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn

1.
die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,
2.
die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und
3.
der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

(2) Eine Erziehungszeit ist dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet. Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist. Die Zuordnung kann auf einen Teil der Erziehungszeit beschränkt werden. Die übereinstimmende Erklärung der Eltern ist mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben. Die Zuordnung kann rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung erfolgen, es sei denn, für einen Elternteil ist unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine Leistung bindend festgestellt, ein Versorgungsausgleich oder ein Rentensplitting durchgeführt. Für die Abgabe der Erklärung gilt § 16 des Ersten Buches über die Antragstellung entsprechend. Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, wird die Erziehungszeit dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter, bei gleichgeschlechtlichen Elternteilen zum Elternteil nach den §§ 1591 oder 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, oder wenn es einen solchen nicht gibt, zu demjenigen Elternteil, der seine Elternstellung zuerst erlangt hat. Ist eine Zuordnung nach den Sätzen 8 und 9 nicht möglich, werden die Erziehungszeiten zu gleichen Teilen im kalendermonatlichen Wechsel zwischen den Elternteilen aufgeteilt, wobei der erste Kalendermonat dem älteren Elternteil zuzuordnen ist.

(3) Eine Erziehung ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war.

(4) Elternteile sind von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie

1.
während der Erziehungszeit oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt haben, die aufgrund
a)
einer zeitlich begrenzten Entsendung in dieses Gebiet (§ 5 Viertes Buch) oder
b)
einer Regelung des zwischen- oder überstaatlichen Rechts oder einer für Bedienstete internationaler Organisationen getroffenen Regelung (§ 6 Viertes Buch)
den Vorschriften über die Versicherungspflicht nicht unterliegt,
2.
während der Erziehungszeit zu den in § 5 Absatz 4 genannten Personen gehören oder
3.
während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach diesem Buch; als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig gilt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen.

(5) Die Kindererziehungszeit beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Wird während dieses Zeitraums vom erziehenden Elternteil ein weiteres Kind erzogen, für das ihm eine Kindererziehungszeit anzurechnen ist, wird die Kindererziehungszeit für dieses und jedes weitere Kind um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Erziehung verlängert.

(1) Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Juli 2014 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Kindererziehungszeit für den zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind einen persönlichen Entgeltpunkt. Bestand am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn
1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen § 57 Satz 2 nicht angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Die Voraussetzungen des Satzes 3 Nummer 1 gelten als erfüllt, wenn
1.
vor dem 1. Januar 1992 Anspruch auf eine Rente bestand, in der für dasselbe Kind ein Zuschlag nach Absatz 1 Satz 1 berücksichtigt wird, und
2.
für dasselbe Kind eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt für andere Versicherte oder Hinterbliebene nicht angerechnet wird.

(1a) Ist der Anspruch auf Rente nach dem 30. Juni 2014 und vor dem 1. Januar 2019 entstanden, wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn

1.
in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde und
2.
kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a besteht.
Der Zuschlag beträgt für jedes Kind 0,5 persönliche Entgeltpunkte.

(2) Sind für Kindererziehungszeiten ausschließlich Entgeltpunkte (Ost) zugeordnet worden, sind für den Zuschlag persönliche Entgeltpunkte (Ost) zu ermitteln. Ist die Kindererziehungszeit oder Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, Satz 3 Nummer 1 oder nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 in der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt worden, wird der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten und persönlichen Entgeltpunkten (Ost) mit 0,75 vervielfältigt.

(3) Folgt auf eine Rente mit einem Zuschlag nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a eine Rente, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllt, ist der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach den Absätzen 1 bis 2 weiter zu berücksichtigen.

(4) Der Zuschlag nach Absatz 1 ist nicht zu berücksichtigen, wenn die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 Absatz 4 in der Fassung ab dem 1. Juli 2014 ganz oder teilweise ausgeschlossen ist.

(5) Bestand am 31. Dezember 2018 Anspruch auf eine Rente und werden Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a nicht berücksichtigt, wird auf Antrag ab dem 1. Januar 2019 für jeden Kalendermonat der Erziehung ein Zuschlag in Höhe von 0,0833 persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt, wenn

1.
nach dem zwölften Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt innerhalb des jeweils längstens anrechenbaren Zeitraums die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Kindererziehungszeit nach den §§ 56 und 249 vorlagen und
2.
für dasselbe Kind keine Kindererziehungszeiten oder Zuschläge nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a für andere Versicherte oder Hinterbliebene für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen sind.
Sind die Kalendermonate der Erziehung der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen, beträgt der Zuschlag für jeden Kalendermonat 0,0625 persönliche Entgeltpunkte oder persönliche Entgeltpunkte (Ost). Absatz 3 gilt entsprechend. Sind für das Kind keine Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anerkannt worden, wird der Zuschlag bei dem Elternteil berücksichtigt, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.