Bundessozialgericht Urteil, 07. Sept. 2017 - B 10 ÜG 1/17 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:070917UB10UEG117R0
bei uns veröffentlicht am07.09.2017

Tenor

Auf die Revision des beklagten Freistaats wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 9. Dezember 2015 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen zu tragen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1200 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen eines nach seiner Ansicht unangemessen langen Gerichtsverfahrens vor dem SG Gotha (S 13 AL 118/98) und dem Thüringer LSG (L 3 AL 229/00).

2

Das Ausgangsverfahren wegen Maßnahmen zur Förderung der Arbeitsaufnahme begann im Januar 1998 mit der Klageerhebung beim SG. Es endete nach erfolgloser Klage, Berufung, Revision und Zurückverweisung durch das BSG (B 7 AL 13/08 R) im wieder eröffneten Berufungsverfahren beim LSG am 17.3.2010 mit einem Vergleich. Wegen der Verfahrensdauer erhob der Kläger am 16.9.2010 Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

3

Am 1.6.2012 hat der Kläger beim LSG PKH für eine Entschädigungsklage nach dem ÜGG (Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, Juris: ÜberlVfRSchG) beantragt. Das LSG bewilligte die PKH, ordnete aber keinen Rechtsanwalt bei (Beschluss vom 15.4.2014; dem Kläger am 30.4.2014 zugestellt). Auf die Gegenvorstellung des Beklagten verfügte das LSG die Aussetzung der PKH-Gewährung (Beschluss vom 8.5.2014), verwarf sodann aber die Gegenvorstellung (Beschluss vom 15.9.2014; dem Kläger am 23.9.2014 zugestellt).

4

Auf seine am 23.10.2014 eingegangene Klage hat das LSG dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 1200 Euro nebst Zinsen zugesprochen und seine weitergehende Klage abgewiesen (Urteil vom 9.12.2015). Die Klage sei zwar nach Ablauf der bis zum 3.6.2012 laufenden Klagefrist (Art 23 S 6 ÜGG) erhoben, aber dennoch nicht verfristet. Der PKH-Antrag des Klägers habe den Fristablauf gehemmt. Nach der PKH-Bewilligung habe der Kläger noch rechtzeitig Klage erhoben. Die Grundsätze zur Wiedereinsetzung seien entsprechend dem Rechtsgedanken von § 204 Abs 1 Nr 14 des BGB heranzuziehen(Verweis auf Senatsurteil vom 10.7.2014 - B 10 ÜG 8/13 R). Nach Zustellung des Beschlusses am 23.9.2014 und Eingang der Klage am 23.10.2014 seien die sechsmonatige Frist des § 204 Abs 2 S 1 BGB und sogar die aus §§ 66 Abs 2, 67 Abs 2 SGG folgenden Fristen gewahrt. In der Sache habe der Kläger einen Entschädigungsanspruch, weil das LSG im Vorprozess das Verfahren bis zum Jahr 2003 insgesamt 24 Monate nicht gefördert habe und aufgrund dessen ein immaterieller Schaden zu vermuten sei.

5

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des Art 23 S 6 ÜGG. Die Ausschlussfrist orientiere sich, anders als vom Entschädigungsgericht angenommen, an §§ 12 und 13 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG). Aus diesem Grund sei die Rechtsprechung zu diesen Vorbildern übertragbar, die eine unverzügliche Klageerhebung nach Zustellung der PKH-Entscheidung verlange (Hinweis auf BGH Beschluss vom 30.11.2006 - III ZB 23/06). Gegen die Heranziehung von § 204 Abs 2 BGB und §§ 66 Abs 2, 67 Abs 2 SGG spreche der Rechtscharakter der Verjährung als Einrede, während eine Ausschlussfrist von Gesetzes wegen wirke.

6

Der beklagte Freistaat beantragt,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 9. Dezember 2015 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen,

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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er tritt der Revision entgegen und beruft sich auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils. Er habe die Monatsfrist ausnutzen können. Er habe am 11.5.2014 an das LSG geschrieben und gefragt, ob er unbedingt anwaltlich vertreten sein müsse und ob auch im Entschädigungsverfahren die Wiedereinsetzungsfrist nach der PKH-Bewilligung einen Monat betrage. Eine Antwort habe er nicht erhalten.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Das Urteil des LSG ist abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen (§ 170 Abs 2 S 1 SGG), weil sie verfristet ist.

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Entschädigungsanspruch des Klägers nur noch insoweit, als das LSG seiner Klage stattgegeben und ihm eine Entschädigung in Höhe von 1200 Euro nebst Zinsen zugesprochen hat. Soweit das Entschädigungsgericht die weitergehende Klage abgewiesen hat, ist sein Urteil rechtskräftig. Der Kläger hat dagegen keine eigene Revision eingelegt, sondern nur die Revision des Beklagten erwidert.

11

Zutreffend hat das LSG das Begehren des Klägers sowohl in prozessualer als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht an §§ 198 ff GVG gemessen(dazu 1.). Der Kläger hat die danach statthafte Klage auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens formgerecht und wirksam erhoben. Anlass zu Zweifeln an seiner Prozessfähigkeit besteht nicht (dazu 2.). Die Klage ist allerdings abzuweisen, weil der Kläger die Klagefrist des Art 23 S 6 ÜGG versäumt hat (dazu 3.)

12

1. Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens. Sein Anspruch richtet sich materiell und prozessual nach §§ 198 ff GVG. Zwar sind diese Vorschriften erst am 3.12.2011 (vgl Art 24 ÜGG) und damit nach Abschluss des Ausgangsverfahrens am 17.3.2010 in Kraft getreten. Nach der Übergangsregelung des Art 23 S 1 ÜGG sind sie hier aber rückwirkend anzuwenden. Denn als das ÜGG in Kraft trat, war das abgeschlossene Verfahren des Klägers Gegenstand einer beim EGMR erhobenen Individualbeschwerde, wie es die Übergangsregelung verlangt (hierzu allgemein BSG Urteil vom 5.5.2015 - B 10 ÜG 5/14 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 12 RdNr 14 mwN).

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Die Frist zur Erhebung der Beschwerde innerhalb von sechs Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung (Art 35 Abs 1 S 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention), ist - sofern dies im Rahmen des Art 23 S 1 ÜGG erforderlich sein sollte (so BGH Urteil vom 11.7.2013 - III ZR 361/12 - NJW 2014, 218; ebenso hierzu tendierend bereits Senatsurteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr 1, RdNr 12)- mit der am 16.9.2010 erhobenen Beschwerde gewahrt.

14

2. Die auf Entschädigung nach §§ 198 ff GVG gerichtete Klage ist als allgemeine Leistungsklage iS des § 54 Abs 5 SGG statthaft vor dem LSG erhoben(stRspr; vgl BSG Urteile vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 12/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 4 RdNr 20 mwN und B 10 ÜG 2/14 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 5 RdNr 17 mwN). Anstatt der Vorschriften der ZPO gelten die Vorschriften des SGG über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug entsprechend (§ 201 Abs 1 S 1 und Abs 2 S 1 GVG iVm § 202 S 2 SGG). Die Klage genügt in Form und Inhalt den Anforderungen der §§ 90, 92 Abs 1 S 1 SGG.

15

a) Der Senat hat keinen Grund, an der vom LSG bejahten Prozessfähigkeit des Klägers zu zweifeln und zu prüfen, ob ihm nach § 72 SGG ein besonderer Vertreter zu bestellen ist. Schon nach dem vom LSG zitierten Gutachten im Verfahren B 7 AL 13/08 R ging der dort gehörte Sachverständige von einer lediglich bis Juli 2005 andauernden wahnhaften Störung aus. Ebenfalls für die Prozessfähigkeit des Klägers spricht es, dass seine zuvor angeordnete Betreuung bereits am 31.8.2009 aufgehoben worden ist. Das LSG hat sich schließlich in der mündlichen Verhandlung erneut von der wiedererlangten Prozessfähigkeit des Klägers überzeugt. Seine schriftlichen Äußerungen im Beschwerde- und Revisionsverfahren haben dem Senat keinen anderen Eindruck vermittelt.

16

b) Vor Erhebung der Entschädigungsklage brauchte der Kläger die Entschädigung nicht außergerichtlich geltend zu machen (vgl § 198 Abs 5 GVG) und eine behördliche Entscheidung zu erwirken (vgl BSG Urteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - BSGE 113, 75 = SozR 4-1720 § 198 Nr 1, RdNr 15).

17

c) Ebenso wenig galt für den Kläger die üblicherweise für Entschädigungsklagen iS des § 198 Abs 1 GVG einzuhaltende Wartefrist von sechs Monaten nach Erhebung der Verzögerungsrüge(§ 198 Abs 5 S 1 GVG). Gemäß Art 23 S 6 Alt 1 ÜGG konnte bei bereits abgeschlossenen Verfahren die Entschädigungsklage vielmehr sofort erhoben werden.

18

3. Die Klage ist allerdings unzulässig und deshalb ohne inhaltliche Prüfung eines Entschädigungsanspruchs abzuweisen, weil sie nicht spätestens bis zum Ablauf der nach Art 23 S 6 Alt 2 ÜGG für Altfälle geltenden Klagefrist bis zum 3.6.2012 erhoben worden ist (dazu a). Der isolierte PKH-Antrag des Klägers für seine Entschädigungsklage hat den Ablauf der Klagefrist nicht in (entsprechender) Anwendung der Verjährungsvorschriften gehemmt (dazu b). Ebenso wenig hat dieser Antrag die Klagefrist nach dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben iVm Art 3 Abs 1 GG gewahrt, weil der Kläger nicht unverzüglich nach der endgültigen Entscheidung darüber Klage erhoben hat (dazu c). Eine Wiedereinsetzung in die Klagefrist scheidet wegen ihres Charakters als materielle Ausschlussfrist aus (dazu d).

19

a) Der Kläger hat seine Entschädigungsklage zu spät erhoben. Zwar gilt die in § 87 Abs 1 S 1 SGG vorgesehene Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts nicht für die hier von ihm erhobene Leistungsklage(BSG Urteil vom 12.1.2010 - B 2 U 28/08 R - BSGE 105, 210 = SozR 4-2700 § 33 Nr 1). Jedoch konnte bei Altfällen eine auf § 198 Abs 1 GVG gestützte Entschädigungsklage gemäß Art 23 S 6 ÜGG sofort und musste spätestens am 3.6.2012 erhoben werden. Diese Klagefrist, die eine besondere Zulässigkeitsvoraussetzung darstellt (vgl zu § 198 Abs 5 S 2 GVG ua BSG Urteil vom 5.5.2015 - B 10 ÜG 8/14 R - SozR 4-1710 Art 23 Nr 4 RdNr 16), hat der Kläger versäumt. Sein als Klageschrift bezeichneter Schriftsatz hat das LSG erst am 23.10.2014 erreicht. Das zuvor am 1.6.2012 und damit vor Ablauf der Klagefrist (3.6.2012) eingegangene Schreiben stellt (noch) keine Klage dar, sondern lediglich einen isolierten Antrag auf PKH für eine noch zu erhebende Klage. Bei Prozesserklärungen hat das Revisionsgericht - anders als jedenfalls bei individuellen materiell-rechtlichen Willenserklärungen - die Auslegung der Erklärung durch die Instanzgerichte in vollem Umfang und ohne Bindung an die vorinstanzliche Auslegung zu überprüfen (vgl BSG Urteil vom 16.5.1995 - 9 RVs 11/94 - Juris mwN; BSG Urteil vom 23.2.2017 - B 11 AL 2/16 R - Juris RdNr 15). Indes versteht der Senat das genannte Schreiben vom 1.6.2012 sowie das Entschädigungsgericht. Nach Wortlaut und seinen nach außen erkennbaren inneren Vorstellungen wollte der Kläger damit noch keine Klage erheben. Denn er führt darin mehrfach aus, eine Klage wegen einer angemessenen Entschädigung lediglich zu beabsichtigen. Wie in anderen von ihm geführten Verfahren legte er dem Beklagten stattdessen einen Vergleich nahe, um "weiteren Aufwand" zu vermeiden. Damit meinte der Kläger zumindest auch die bei Entschädigungsklagen iS des § 198 GVG stets anfallenden Gerichtskosten. Diese werden erst bei Erhebung der Klage fällig (§ 6 Abs 1 Nr 5 GKG), wie dem Kläger aus den zahlreichen von ihm betriebenen Verfahren bekannt ist.

20

Der Eingang des isolierten Antrags auf PKH beim LSG hat die Klagefrist des Art 23 S 6 ÜGG nicht gewahrt, da die Vorschrift ausdrücklich eine Klageerhebung verlangt. Deshalb könnte auch eine entsprechende Anwendung des § 167 ZPO nicht zu einer rechtzeitigen Klageerhebung führen. Soll durch eine Zustellung eine Frist gewahrt werden, tritt nach dieser Vorschrift die fristwahrende Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung bei Gericht ein, wenn die Zustellung an die Gegenseite demnächst erfolgt. Allein der isolierte Antrag auf PKH für eine noch zu erhebende Klage genügte aber selbst bei Zustellung an den Beklagten nicht zur Fristwahrung. Ohnehin hätte im Fall des Klägers bereits der rechtzeitige Eingang seiner Entschädigungsklage bei Gericht ausgereicht, um sie rechtshängig zu machen und so die Klagefrist einzuhalten. Einer Zustellung an den Beklagten bedurfte es nicht (vgl aber heute § 94 S 2 SGG idF des Gesetzes vom 11.10.2016 BGBl I 2222).

21

b) Der Eingang des isolierten PKH-Antrags hat den Ablauf der Klagefrist des Art 23 S 6 ÜGG nicht gehemmt. Das ÜGG und die durch dieses Gesetz eingeführten Bestimmungen des GVG sehen keine Hemmung der dort vorgeschriebenen Klagefristen vor. Vielmehr hat der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet, eine Hemmung oder sonstige Verlängerung der Klagefristen zu regeln. Das zeigen die Gesetzgebungsmaterialien. Die Gesetzesbegründung weist den Rechtsanwender insoweit lediglich auf die von der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannte Möglichkeit hin, im Fall materieller Ausschlussfristen einzelne Vorschriften des Verjährungsrechts entsprechend anzuwenden (BT-Drucks 17/3802, S 22). Ein solcher unverbindlicher Hinweis des Entwurfsverfassers, der nicht in den Gesetzestext eingegangen ist, ersetzt keine gesetzliche Regelung. Es obliegt den Rechtsanwendern, die so verbliebene offene Gesetzeslücke zu füllen.

22

Der Senat nutzt diesen vom Gesetzgeber eröffneten Spielraum zur Rechtsfortbildung anders als das Entschädigungsgericht. Die Vorschriften des BGB über die Verjährungshemmung können nicht gemäß § 45 Abs 2 SGB I sinngemäß angewandt werden, da der Anspruch aus § 198 Abs 1 S 1 GVG keine Sozialleistung darstellt. Anders als das LSG hält der Senat auch im Übrigen weder eine direkte noch eine analoge Anwendung von § 204 Abs 1 Nr 14 BGB für geboten oder interessengerecht. Nach dieser Vorschrift kann die innerhalb der Verjährungsfrist erfolgte Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von PKH oder ein fristgemäß eingegangener, demnächst zur Bekanntgabe veranlasster Antrag auf PKH den Eintritt der Verjährung hemmen (vgl Peters/Jacoby in Staudinger, BGB, 2014, § 204 RdNr 117). Ein Fall der Verjährung oder eine im Kern vergleichbare Konstellation liegen hier aber nicht vor. Die Verjährung kann den Anspruchsinhaber lediglich daran hindern, seinen Anspruch durchzusetzen. An seinem Fortbestand ändert sie nichts (vgl Peters/Jacoby in Staudinger, BGB, 2014, § 214 RdNr 36). Im Prozess wirkt sich die Verjährung erst aus, wenn der Anspruchsgegner sie dem Anspruch als Einrede entgegenhält (§ 214 Abs 1 BGB). Versäumt dagegen ein Kläger die Klagefrist des Art 23 S 6 ÜGG, so ist dies von Amts wegen zu beachten und lässt den Entschädigungsanspruch ohne Weiteres erlöschen. Einer Einrede des Schuldners bedarf es dafür nicht (aA Frehse, Die Kompensation verlorener Zeit - Wenn Prozesse Pause machen, 2017, S 1173). Darin entspricht die Frist aus Art 23 S 6 ÜGG der in § 198 Abs 5 S 2 GVG geregelten sechsmonatigen Klagefrist. Diese wirkt in derselben Weise als materiell-rechtliche Ausschlussfrist, wie der Senat bereits entschieden hat (Senatsurteil vom 10.7.2014 - B 10 ÜG 8/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 2 RdNr 12; aA Frehse, aaO, S 1166 ff). Wegen dieses gewichtigen strukturellen Unterschieds zu Verjährungsfristen kann der bloße Antrag auf PKH weder in direkter noch in analoger Anwendung des § 204 Abs 1 Nr 14 BGB den Ablauf der Klagefrist des Art 23 S 6 ÜGG hemmen. Insoweit gilt dasselbe wie für andere materiell-rechtliche Ausschlussfristen (vgl zu § 13 Abs 1 S 2 StrEG, BGH Beschluss vom 30.11.2006 - III ZB 22/06 - BGHZ 170, 108, 113 RdNr 12). Der am 1.6.2012 und damit vor Fristablauf eingegangene isolierte PKH-Antrag des Klägers hat daher keine Hemmung bewirkt.

23

c) Ebenso wenig ist der Ablauf der Klagefrist nach Art 3 Abs 1 GG iVm den Grundsätzen von Treu und Glauben unbeachtlich, obwohl der Kläger den isolierten PKH-Antrag vor Ablauf der Klagefrist gestellt hat. Denn dafür hätte der Kläger nach der PKH-Entscheidung unverzüglich Klage erheben (lassen) müssen, was er versäumt hat.

24

Art 3 Abs 1 GG iVm Art 19 Abs 4 und Art 20 Abs 3 GG gebieten es, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes soweit wie möglich und erforderlich anzugleichen (vgl BVerfG Beschluss vom 13.3.1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347, 356). Wie der BGH daraus in jahrzehntelanger Rechtsprechung für materielle Ausschlussfristen gefolgert hat (BGH Urteil vom 8.2.1965 - II ZR 171/62 - BGHZ 43, 235; Urteil vom 19.1.1978 - II ZR 124/76 - BGHZ 70, 235; Urteil vom 1.10.1986 - IVa ZR 108/85 - BGHZ 98, 295; Beschluss vom 30.11.2006 - III ZB 22/06 - BGHZ 170, 108; Beschluss vom 30.11.2006 - III ZB 23/06 - NJW 2007, S 441, 442), auf die auch die hiesige Gesetzesbegründung hinweist (vgl BT-Drucks 17/3802, S 22 f), genügt es zur Wahrung solcher Fristen, wenn die finanziell unbemittelte Partei noch innerhalb dieser Fristen PKH beantragt. Ihre anschließende Klage muss sodann unverzüglich nach der von ihr nicht verzögerten (positiven oder negativen) Entscheidung über den PKH-Antrag zugestellt werden. Diese Wertung hat der BGH auf öffentlich-rechtliche Entschädigungsansprüche übertragen (BGH Beschluss vom 30.11.2006 - III ZB 23/06 - NJW 2007, S 441, 442), zu denen der Anspruch aus § 198 GVG zählt. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Ohne sie müsste ein Unbemittelter möglicherweise von einer Klageerhebung absehen, weil er den drohenden Fristablauf nur durch Klageerhebung und das damit zwingend verbundene Kostenrisiko abwenden könnte, ohne Gewissheit über die Gewährung von PKH zu haben. Das wäre mit dem verfassungsrechtlich fundierten Gebot der Rechtsschutzgleichheit unvereinbar.

25

Andererseits folgt der Senat in diesem Zusammenhang ebenfalls der Weiterentwicklung der genannten BGH-Rechtsprechung. Danach bedarf es zur Begründung des genannten, verfassungsrechtlich vorgezeichneten Ergebnisses keiner analogen oder auch verfassungskonformen Anwendung der Vorschriften über die Verjährungshemmung mehr (vgl BGH Beschluss vom 30.11.2006 - III ZB 23/06 - NJW 2007, S 441, 442; s auch oben II.3.b; anders früher BGH Urteil vom 19.1.1978 - II ZR 124/76 - BGHZ 70, 235). Allenfalls ergänzend können einzelne Rechtsgedanken dieser Normen iVm mit dem Grundsatz von Treu und Glauben herangezogen werden (zu § 198 GVG vgl BSG Urteil vom 10.7.2014 - B 10 ÜG 8/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 2 RdNr 12). Wollte man dagegen weitergehend mit dem LSG § 204 Abs 1 Nr 14 BGB und damit auch Absatz 2 der Vorschrift in vollem Umfang analog anwenden, würde dies die Ausschlussfrist des Art 23 S 6 ÜGG und damit die Überlegungszeit für unbemittelte Beteiligte nach § 204 Abs 2 S 1 BGB um bis zu sechs Monate verlängern. Dies würde sie ohne sachliche Rechtfertigung erheblich besser stellen als bemittelte Beteiligte, die auf eigene Kosten prozessieren müssen.

26

Anders als das LSG annimmt, kann dem unbemittelten Beteiligten im Anschluss an die PKH-Entscheidung daher auch nicht stets analog § 67 Abs 2 SGG eine Frist von einem ganzen weiteren Monat für seine Klage eingeräumt werden. Unbemittelte genießen vielmehr in ausreichend vergleichbarem Umfang Rechtsschutz wie bemittelte Beteiligte, wenn sie zwar - wie jeder andere Beteiligte - die Klagefrist bzw Ausschlussfrist beachten müssen, zu deren Wahrung aber lediglich rechtzeitig und in genügender Form PKH zu beantragen brauchen. Um sie andererseits gegenüber bemittelten Klägern nicht zu bevorzugen, müssen sie, sobald die Entscheidung über die PKH ergangen ist, zur weiteren Wahrung ihrer Rechte alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um unverzüglich Klage zu erheben (vgl BGH Beschluss vom 30.11.2006 - III ZB 22/06 - BGHZ 170, 108, 113 ff zur Frist des § 13 Abs 1 S 2 StrEG: BGH Urteil vom 1.10.1986 - IVa ZR 108/85 - BGHZ 98, 295, 299 ff zu § 12 Abs 3 S 1 Versicherungsvertragsgesetz aF; vgl Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtverfahren, 2013, § 198 RdNr 258 mwN). Dadurch bleibt ihnen die Überlegungsfrist bis zum Ablauf der Klagefrist wie für bemittelte Beteiligte erhalten. Andererseits verlängert sich die Überlegungsfrist darüber hinaus nicht mehr als notwendig.

27

Unverzüglich nach der Entscheidung über seinen PKH-Antrag hat der Kläger seine Entschädigungsklage aber nicht erhoben. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (vgl § 121 Abs 1 S 1 BGB). Dies verlangt ein den Umständen des Falles angemessenes, beschleunigtes Handeln, das dem Interesse des Empfängers der betreffenden Erklärung an der gebotenen Klarstellung Rechnung trägt (vgl dazu BSG Urteil vom 18.12.1964 - 7 RAr 18/64 - BSGE 22, 187, 189 = SozR Nr 1 zu § 143e AVAVG Bl Ba 1 RS). "Unverzüglich" bedeutet damit nicht "sofort". Vielmehr ist dem Verfahrensbeteiligten noch eine angemessene Überlegungsfrist einzuräumen, ob er seine Rechte wahren will oder muss (vgl dazu allgemein BGH Urteil vom 17.1.1990 - XII ZR 23/89 - NJW 1990, 1853, 1854; BGH Urteil vom 23.6.1994 - VII ZR 163/93 - MDR 1994, 1119). Die Rechtsprechung des BGH hat bei materiellen Ausschlussfristen - nach dem Rechtsgedanken anderer zivilprozessualer Vorschriften wie §§ 91a, 269 ZPO - eine Frist von zwei Wochen noch als unschädlich angesehen. Es kann offenbleiben, ob dem in dieser Allgemeinheit zu folgen ist. Denn der Kläger hat mit der Erhebung der Klage einen vollen Monat bis zum 23.10.2014 gewartet. Spätestens nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Gegenvorstellung des Beklagten am 23.9.2014 durfte er sich aber sicher sein, den Prozess mit PKH führen zu können. Von ihm sind keine Umstände vorgetragen oder sonst für den Senat ersichtlich, die danach trotzdem noch eine längere Bedenkzeit erfordert hätten. Der Kläger verfügte allgemein über reichhaltige Prozesserfahrung in Entschädigungssachen und im konkreten Fall über einen stattgebenden PKH-Beschluss. Hätte er sich gleichwohl eine Entscheidung für eine Klage nicht zugetraut, so hätte er sich zügig einen Rechtsanwalt beiordnen lassen können. Darauf hatte er im Rahmen der PKH einen Anspruch. Stattdessen hat er auf eigenes Risiko einen Monat abgewartet und dann gleichwohl - ohne anwaltliche Hilfe - Klage erhoben.

28

Wie der Kläger einräumt, hat das LSG ihn schließlich nicht fehlerhaft belehrt, dass eine Wiedereinsetzungsfrist von einem Monat gelte. Vielmehr hat das Entschädigungsgericht seine entsprechende Anfrage nicht beantwortet. Es kann dahin stehen, ob das LSG hierzu verpflichtet war. Denn das LSG hat dem Kläger die von ihm begehrte Monatsfrist eingeräumt. Dies ändert allerdings nichts daran, dass die zugrunde liegende Rechtsauffassung des Entschädigungsgerichts für das Revisionsgericht nicht verbindlich ist und der Kläger insoweit keinen Vertrauensschutz genießt.

29

d) Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist nach den Regelungen der §§ 66, 67 SGG kann dem Kläger nicht gewährt werden. Dies folgt - wie der Senat ebenfalls bereits zur Frist des § 198 Abs 5 S 2 GVG entschieden hat - aus der materiell-rechtlichen Wirkung einer Ausschlussfrist(Senatsurteil vom 10.7.2014 - B 10 ÜG 8/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 2 RdNr 12). Eine Wiedereinsetzung ist gemäß § 67 Abs 1 SGG nur für den Fall der Versäumung einer gesetzlichen Verfahrensfrist, nicht einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist möglich. Eine Wiedereinsetzung durch entsprechende Anwendung des für das Sozialverwaltungsverfahren geltenden § 27 SGB X scheidet ebenfalls aus. Sie widerspräche dem Wesen sowie dem Ziel und Zweck der Fristenregelung (vgl zu diesen Kriterien BSG Urteil vom 23.1.2008 - B 10 EG 6/07 R - SozR 4-7833 § 4 Nr 1 RdNr 13 mwN),die hier als materiell-rechtliche Ausschlussfrist auf den Anspruchswegfall gerichtet ist (Rechtsgedanke aus § 27 Abs 5 SGB X).

30

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO.

31

5. Die Streitwertentscheidung für das Revisionsverfahren beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 S 1 GKG.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 121 Anfechtungsfrist


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Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 201


(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 66


(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhalten

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 87


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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 6 Fälligkeit der Gebühren im Allgemeinen


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(1) Ansprüche auf Sozialleistungen verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind. (2) Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gese

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 27 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen. (2) Der Antrag ist innerhalb von

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(1) Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde. Die Klage soll einen bestimmten Antrag enthalten und von dem Kläger oder einer zu seiner Vertr

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(1) Für einen nicht prozeßfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter kann der Vorsitzende bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Za

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 13 Rechtsweg, Beschränkung der Übertragbarkeit


(1) Gegen die Entscheidung über den Entschädigungsanspruch ist der Rechtsweg gegeben. Die Klage ist innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Entscheidung zu erheben. Für die Ansprüche auf Entschädigung sind die Zivilkammern der Landgerichte ohn

Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen - StrEG | § 12 Ausschluß der Geltendmachung der Entschädigung


Der Anspruch auf Entschädigung kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit dem Ablauf des Tages, an dem die Entschädigungspflicht rechtskräftig festgestellt ist, ein Jahr verstrichen ist, ohne daß ein Antrag nach § 10 Abs. 1 gestellt worden ist

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(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage,
2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger,
3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1),
4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird,
5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
6.
die Zustellung der Streitverkündung,
6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird,
7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens,
8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens,
9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird,
10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist,
11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens,
12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt,
13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und
14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.

(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 67 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Der Anspruch auf Entschädigung kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit dem Ablauf des Tages, an dem die Entschädigungspflicht rechtskräftig festgestellt ist, ein Jahr verstrichen ist, ohne daß ein Antrag nach § 10 Abs. 1 gestellt worden ist.

(1) Gegen die Entscheidung über den Entschädigungsanspruch ist der Rechtsweg gegeben. Die Klage ist innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Entscheidung zu erheben. Für die Ansprüche auf Entschädigung sind die Zivilkammern der Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig.

(2) Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag ist der Anspruch nicht übertragbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 23/06
vom
30. November 2006
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Stellt die Partei wegen einer beabsichtigten Klage auf Entschädigung für eine
Strafverfolgungsmaßnahme einen Prozesskostenhilfeantrag, ohne innerhalb
der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG ihre persönlichen und wirtschaftlichen
Voraussetzungen unter Verwendung des vorgeschriebenen Vordrucks und
unter Beifügung der erforderlichen Belege darzulegen, kommt ihr die Rückwirkung
der späteren Zustellung der Klage auf den Eingang ihres Gesuchs nicht
zugute.
BGH, Beschluss vom 30. November 2006 - III ZB 23/06 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. November 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr
und Dr. Herrmann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 1. Zivilsenat, vom 8. Februar 2006 - 1 W 104/05 - wird zurückgewiesen.

Gründe:


I.


1
Antragsteller Der verlangt von der beklagten Freien und Hansestadt Hamburg eine Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 21. Mai 2002 stellte das Amtsgericht fest, dass der Antragsteller wegen des durch den Vollzug der Untersuchungshaft erlittenen Schadens zu entschädigen sei. Mit am 9. Mai 2005 zugestelltem Bescheid vom 2. Mai 2005 lehnte die Justizbehörde den Entschädigungsantrag des Antragstellers ab.
2
Der Antragsteller reichte am 8. August 2005 beim Landgericht eine durch seine Prozessbevollmächtigte unterzeichnete „Klage sowie Antrag auf Prozesskostenhilfe“ ein. Am Ende der Klageschrift wird zum Prozesskostenhilfeantrag ausgeführt, der Antragsteller sei nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten des Rechtsstreits aufzubringen, da er von Arbeitslosengeld II lebe. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse werde umgehend nachgereicht. Dies geschah - nach gerichtlicher Aufforderung vom 6. Oktober 2005 - am 20. Oktober 2005. Mit Verfügung vom 9. August 2005 ist der Antragsgegnerin eine unbeglaubigte Abschrift der Klage mit dem Prozesskostenhilfeantrag mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zugeleitet worden. Die Klage ist noch nicht zugestellt worden.
3
Landgericht Das hat den Prozesskostenhilfeantrag am 21. November 2005 zurückgewiesen, weil die Prozessführung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Der Antragsteller habe die Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG versäumt. Ihm komme auch die Rückwirkungsfiktion des § 167 ZPO nicht zugute. Zu einer Zustellung "demnächst" könne es nicht mehr kommen, weil der Antragsteller innerhalb der zu wahrenden Frist keine Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht, sondern diese erst nach mehr als zwei Monaten nachgereicht habe. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.


4
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Prozesskostenhilfe kann dem Antragsteller nicht gewährt werden, weil die Vorinstanzen mit Recht davon ausgegangen sind, dass eine etwa noch vorzunehmende Zustellung der Klage die Frist des § 13 StrEG nicht wahrt.
5
1. a) Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG ist die Klage, mit der die Entscheidung über den Entschädigungsanspruch im Rechtsweg zu überprüfen ist, innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Entscheidung zu erheben. Für die Erhebung der Klage kommt es nach § 253 Abs. 1 ZPO grundsätzlich auf deren Zustellung an. Soll durch die Zustellung - wie hier - eine Frist gewahrt werden, tritt diese Wirkung nach § 167 ZPO bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Diese Bestimmung ist auch auf die Klagefrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG anwendbar (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1983 - III ZR 154/81 - MDR 1983, 1002 f zu § 270 Abs. 3 ZPO a.F.).
6
b) Ob eine Zustellung "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Danach soll die Partei bei der Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden. Denn derartige Verzögerungen liegen außerhalb ihres Einflussbereichs. Dagegen sind der Partei die Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können. Eine Zustellung "demnächst" nach der Einreichung oder Anbringung des zuzustellenden Antrags oder der zuzustellenden Erklärung bedeutet daher eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr "demnächst" erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges - auch leicht fahrlässiges - Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (vgl. Senatsurteil vom 7. April 1983 - III ZR 140/81 - VersR 1983, 661, 662; Senatsbeschluss vom 2. November 1989 - III ZR 181/88 - BGHR ZPO § 270 Abs. 3 demnächst 4; siehe auch BGHZ 145, 358, 362 m.w.N.).
7
Diese Grundsätze gelten auch bei Verzögerungen durch ein Prozesskostenhilfeverfahren. Deshalb wahrt die Einreichung der Klageschrift auch in diesem Fall rückwirkend die Frist, wenn die Klage nur unverzüglich nach der vom Kläger nicht verzögerten (positiven oder negativen) Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zugestellt wird (vgl. Senatsurteil vom 21. März 1991 - III ZR 94/89 - NJW 1991, 1745, 1746).
8
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist es hier aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, zu Verzögerungen gekommen, die es ausschließen , dass die Klage noch "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO zugestellt werden kann.
9
a) Zwar ist hier in der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG nicht nur ein mit einem Prozesskostenhilfeantrag versehener Klageentwurf eingegangen, sondern bereits die von einem postulationsfähigen Anwalt unterzeichnete Klageschrift. Die Frage einer Einzahlung oder Anforderung eines Gerichtskostenvorschusses für die Zustellung der Klage stellte sich nicht, da der Antragsteller mit der Stellung seines Prozesskostenhilfeantrags deutlich machte, dass er im Hinblick auf seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von entstehenden Gerichtskosten befreit werden wollte. Dies setzte notwendigerweise eine nähere Prüfung seines Prozesskostenhilfeantrags und - nach Maßgabe des § 118 Abs. 1 ZPO - eine Anhörung des Gegners voraus. Eine solche, im Bewilligungsverfahren angelegte Verzögerung steht der Möglichkeit einer (späteren) Zustellung "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO nicht entgegen.
10
b) Der Senat hat weiter durch Beschluss vom 30. November 2006 (III ZB 22/06 - für BGHZ vorgesehen) entschieden, eine unbemittelte Partei, die innerhalb der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG lediglich einen Prozesskostenhilfeantrag stelle, könne die Rückwirkung des § 167 ZPO in Anspruch nehmen, wenn sie alles ihr Zumutbare für die alsbaldige Zustellung der Klage tue. Zwar genügt die Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags und seine Übermittlung an die Gegenseite für sich gesehen nicht, die Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG zu wahren (vgl. Meyer, StrEG, 6. Aufl. 2005, § 13 Rn. 8; MeyerGoßner , StPO, 49. Aufl. 2006, Anhang 5 § 13 StrEG Rn. 1; BGHZ 98, 295, 298 zur Wahrung der Frist des § 12 Abs. 3 VVG). Insoweit kommt es - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - vielmehr auf die Zustellung der Klage an. Das Kammergericht (KG-Report Berlin 2005, 168) hat erwogen, die Wertung des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB entsprechend heranzuziehen, der für die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe - neben einer Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) - eine eigenständige Möglichkeit der Verjährungshemmung eingeführt hat. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Zwar ist die entsprechende Anwendung einzelner Verjährungsvorschriften, insbesondere soweit sie Hemmungstatbestände betreffen, je nach dem Sinn und Zweck der in Rede stehenden Ausschlussfrist in Betracht zu ziehen (vgl. Senatsurteil BGHZ 79, 1, 2 zu § 12 StrEG und § 206 BGB a.F.). Ein Bedürfnis hierfür besteht hier indes nicht, weil den Interessen der finanziell unbemittelten Partei dadurch Rechnung getragen werden kann, dass sie innerhalb der Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG Prozesskostenhilfe beantragt und die Klage unverzüglich nach der von ihr nicht verzögerten (positiven oder negativen) Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zugestellt wird (so wohl auch OLG Schleswig JurBüro 2000, 208; Schätzler/Kunz, StrEG, 3. Aufl. 2003, § 13 Rn. 3). Dies hat der Bundesgerichtshof bereits für die Frist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG entschieden, wonach der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei wird, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht wird (vgl. BGHZ 98, 295, 299 ff; Urteil vom 8. März 1989 - IVa ZR 17/88 - NJW-RR 1989, 675).
11
Grundlage hierfür ist die Überlegung, dass es im Bereich der Verwirklichung des Rechtsschutzes der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebietet, die prozessuale Stellung von Bemittelten und Unbemittelten weitgehend anzugleichen (vgl. BVerfGE 81, 347, 356 m.w.N.). Es ist daher in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon früher anerkannt worden, dass ein ordnungsgemäß begründetes und vollständiges Armenrechtsgesuch, das am letzten Tag vor Ablauf der Frist bei Gericht eingereicht wird, die Hemmungswirkung des § 203 Abs. 2 BGB a.F. auslöst (vgl. BGHZ 70, 235, 237 ff). Verlangt die in Rede stehende Vorschrift darüber hinaus die Erhebung der Klage oder - dem weitgehend gleichbedeutend - die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs (vgl. BGHZ 98, 295; Senatsurteil vom 21. März 1991 - III ZR 94/89 - NJW 1991, 1745), muss hinzukommen, dass die unbemittelte Partei, soweit noch nicht geschehen , alsbald die Klage einreicht, sobald über das Prozesskostenhilfegesuch entschieden worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 1989 aaO). Sie bleibt daher auch bei Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags in der Pflicht, nach der Entscheidung über ihr Gesuch weiterhin alles ihr Zumutbare zu tun, damit die Klage "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO zugestellt werden kann.
12
c) Mit Recht haben die Vorinstanzen dem Antragsteller aber als Säumnis zugerechnet, dass er seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG unter Einreichung des hierfür vorgesehenen Vordrucks (§ 117 Abs. 4 ZPO) und unter Beifügung der erforderlichen Belege dargelegt hat. Auch wenn dies den zeitlichen Ablauf des konkreten Prozesskostenhilfeverfahrens , in dem die Parteien über die Erfolgsaussicht der Klage mehrere Schriftsätze gewechselt haben, nicht hinausgezögert haben mag, gehört es zu den Pflichten einer unbemittelten Partei, in Fällen, in denen eine fristgebundene Prozesshandlung vorzunehmen ist, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe innerhalb der Frist ordnungsgemäß darzulegen. Das ist im Zusammenhang mit der Einlegung eines Rechtsmittels ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 148, 66, 69; Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2004 - III ZR 381/03 - FamRZ 2005, 196 f; Beschluss vom 6. Juli 2006 - IX ZA 10/06 - FamRZ 2006, 1522 f) und kann auch für die Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht anders beantwortet werden. Dass einer unbemittelten Partei unter solchen, von ihr zu vertretenden Umständen nicht die Wirkung des § 167 ZPO zugute kommen kann, hat auch das Bundesverfassungsgericht in einer Kammerentscheidung gebilligt (NJW 1994, 1853).
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 21.11.2005 - 303 O 436/05 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 08.02.2006 - 1 W 104/05 -

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage,
2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger,
3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1),
4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird,
5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
6.
die Zustellung der Streitverkündung,
6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird,
7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens,
8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens,
9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird,
10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist,
11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens,
12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt,
13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und
14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.

(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 67 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 361/12
Verkündet am:
11. Juli 2013
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ÜGRG § 23 Satz 1; GVG §§ 198 ff; MRK Art. 35 Abs. 1
Ist zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über den Rechtsschutz bei
überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren
(ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) hinsichtlich eines bereits
abgeschlossenen (überlangen) Verfahrens beim Europäischen Gerichtshof
für Menschenrechte eine Individualbeschwerde des Betroffenen anhängig, so
kommt nach Maßgabe der Übergangsvorschrift des § 23 Satz 1 ÜGRG eine
Entschädigung gemäß §§ 198, 199 GVG nur dann in Betracht, wenn die Beschwerde
in zulässiger Weise erhoben worden, also insbesondere die
Sechs-Monats-Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK gewahrt worden ist.
BGH, Urteil vom 11. Juli 2013 - III ZR 361/12 - OLG Celle
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Juli 2013 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann
, Wöstmann, Hucke und Mayer

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 24. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land wegen der aus seiner Sicht unangemessen langen Dauer eines gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung von mindestens 5.000 € in An- spruch. Das Verfahren wurde aufgrund einer Strafanzeige von der Staatsanwaltschaft H. wegen Betrugs am 14. April 1994 eingeleitet und am 13. August 2002 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Wegen der Länge dieses Ermittlungsverfahrens erhob der Kläger im Jahr 2006 eine Amtshaftungsklage gegen das beklagte Land, die mit Berufungsentscheidung vom 29. Dezember 2010 rechtskräftig abgewiesen wurde. Dagegen wandte er sich mit einer Ver- fassungsbeschwerde, die vom Bundesverfassungsgericht mit am 13. Mai2011 zugestellten Beschluss nicht zur Entscheidung angenommen wurde.
2
Der Kläger reichte am 11. November 2011 eine Individualbeschwerde gegen die Bundesrepublik Deutschland beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) ein und rügte die Verletzung seiner Rechte aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK wegen der Dauer des gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens. Am 1. Juni 2012 erhob er, gestützt auf §§ 198, 199 GVG, gegen das beklagte Land Klage auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung. Der EGMR erklärte seine Beschwerde unter dem 19. Juli 2012 für unzulässig und verwies den Kläger auf die Notwendigkeit der Ausschöpfung des mit dem am 3. Dezember 2011 in Kraft getretenen Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren geschaffenen Rechtsbehelfs.
3
Das Oberlandesgericht hat die Entschädigungsklage abgewiesen. Mit der von der Vorinstanz zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe


4
Die Revision des Klägers ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

I.


5
Das Oberlandesgericht hat einen Entschädigungsanspruch des Klägers aus § 199 Abs. 1 GVG i.V.m. § 198 GVG verneint: Zwar komme ein solcher Anspruch nach Art. 23 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren auch für zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 3. Dezember 2011 bereits abgeschlossene Verfahren , hier das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger, in Betracht. Nach dem Sinn und Zweck dieser Übergangsregelung seien jedoch nur solche bereits beendeten Verfahren von dem Anwendungsbereich des Gesetzes umfasst, deren Dauer zu diesem Zeitpunkt Gegenstand einer zulässig erhobenen Beschwerde beim EGMR gewesen sei oder noch habe werden können. Dies sei vorliegend nicht der Fall, denn der Kläger habe wegen der Dauer des bereits im Jahr 2002 abgeschlossenen Ermittlungsverfahrens erst am 11. November 2011 eine Beschwerde erhoben, die aber wegen offensichtlicher Nichteinhaltung der Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK (sechs Monate nach Abschluss des beanstandeten Verfahrens) unzulässig und deshalb ohne Aussicht auf Erfolg gewesen sei. Der Gesetzgeber habe deutlich zum Ausdruck gebracht, dass gerade im Hinblick auf diese Frist das beanstandete Verfahren nicht länger als sechs Monate vor Geltung des neuen Entschädigungsgesetzes abgeschlossen gewesen sein dürfe. Entgegen der Auffassung des Klägers stelle vorliegend die Beendigung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens im Jahr 2002 den maßgeblichen Zeitpunkt für den Beginn der Frist für eine derartige Beschwerde dar, nicht aber die rechtskräftige Abweisung seiner Amtshaftungsklage und die Entscheidung über die von ihm erhobene Verfassungsbeschwerde.

II.


6
Dies hält den Angriffen der Revision stand. Die Entschädigungsklage ist zu Recht abgewiesen worden. Denn die auf eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer gerichteten Vorschriften des § 199 Abs. 1 in Verbindung mit § 198 GVG finden im Streitfall keine Anwendung.
7
Das gegen den Kläger gerichtete Ermittlungsverfahren war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) vom 24. November 2011 (BGBl. I S. 2302) am 3. Dezember 2011 bereits beendet. Ein Entschädigungsanspruch kommt bei vor dem Tag des Inkrafttretens bereits abgeschlossenen Verfahren nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des Art. 23 ÜGRG erfüllt sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
8
1. Das gegen den Kläger geführte Ermittlungsverfahren war bereits im Jahr 2002 mit der Einstellung des Strafverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO abgeschlossen. Zwar entfaltet die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO keine Sperrwirkung und ein Strafklageverbrauch tritt nicht ein, so dass die Wiederaufnahme der Ermittlungen sowie die Erhebung der öffentlichen Klage bis zum Eintritt der Verjährung möglich bleiben. Der maßgebliche Zeitraum auch für die Berechnung der Dauer des Verfahrens ist jedoch beendet, wenn nicht länger angenommen werden kann, dass der Beschuldigte ernsthaft betroffen ist, wie dies bei der Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO der Fall ist (vgl. Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 196, 197).
9
2. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 Satz 1 ÜGRG finden die verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Regelungen der §§ 198 bis 201 GVG auch auf Verfahren Anwendung, die bei Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 bereits anhängig waren, sowie bei solchen abgeschlossenen Verfahren, deren Dauer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim EGMR ist oder noch werden kann. Die Voraussetzungen dieser Übergangsbestimmung sind im Streitfall nicht erfüllt, weil die beim EGMR eingelegte Beschwerde die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK nicht gewahrt hat.
10
a) Der Kläger hatte zwar am 11. November 2011 und damit noch kurz vor Inkrafttreten des Entschädigungsgesetzes eine auf die Dauer des gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens gerichtete Individualbeschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erhoben. Auch wenn damit eine Beschwerde formal anhängig gewesen ist, war sie jedoch offensichtlich verfristet und hatte deshalb auch nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des neuen Entschädigungsgesetzes keine Aussicht auf Erfolg. Denn das Verfahren, das Gegenstand der Beschwerde war und wegen dessen Dauer der Kläger nunmehr Entschädigung verlangt, war länger als sechs Monate vor Eingang der Beschwerde abgeschlossen. Nach Art. 35 Abs. 1 EMRK kann sich der EGMR mit einer Beschwerde nur befassen, wenn sie innerhalb dieser mit der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung beginnenden Frist eingelegt worden ist. Der Gerichtshof ist dabei an diese Frist gebunden und kann davon nicht absehen (vgl. Leitfaden des EGMR zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Individualbeschwerde 2011, S. 20 Nr. 69).
11
aa) Die Frist beginnt mit Zustellung der oderKenntnisnahmemöglichkeit von der die Rechtswegerschöpfung als weiterer Voraussetzung des Art. 35 Abs. 1 EMRK begründenden letztinstanzlichen Entscheidung (EGMR, NVwZ 1999, 1325 Rn. 30). Außerordentliche oder verfassungsrechtliche Rechtsbehelfe hat der Beschwerdeführer grundsätzlich einzulegen; allerdings muss er nur die Rechtsbehelfe ausschöpfen, die sich auf die gerügten Rechtsverstöße beziehen und zugleich verfügbar, angemessen und wirksam sind (vgl. EGMR, NVwZ 2013, 47 Rn. 35). Zwar konnte vor Inkrafttreten der §§ 198 ff GVG in laufenden Strafverfahren die überlange Verfahrensdauer grundsätzlich mit einer Verfassungsbeschwerde beanstandet werden. Nach Abschluss des Verfahrens kam jedoch eine solche Möglichkeit nicht mehr in Betracht. Insbesondere konnte (auch) auf dem Wege einer Verfassungsbeschwerde eine angemessene Wiedergutmachung für die Verletzung des Gebots der angemessenen Frist in keinem Falle erreicht werden (vgl. EGMR, NJW 2006, 2389 Rn. 105 f sowie EGMR, Urteil vom 13. November 2008, Individualbeschwerde Nr. 26073/03, Rn. 57, 59; Meyer-Ladewig, aaO, Art. 13 Rn. 35).
12
bb) Zu Recht hat das Oberlandesgericht weiter angenommen, dass es für die Einhaltung der Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK und die Frage der Erschöpfung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe nicht auf den Zeitpunkt der Beendigung des vom Kläger angestrengten Amtshaftungsprozesses nebst der sich anschließenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ankommt. Ein Amtshaftungsprozess zählt nicht zu den vor einer Individualbeschwerde auszuschöpfenden Rechtsbehelfen. Der Amtshaftungsanspruch erfasst zwar auch Fälle pflichtwidriger Verzögerung eines Rechtsstreits oder Ermittlungsverfahrens und gewährt insofern einen Anspruch auf Schadensersatz. Wegen der Beschränkung auf schuldhafte Verzögerungen und der Ausklammerung von Nichtvermögensschäden genügt dieser Anspruch aber nicht den Anforderungen an einen kompensatorischen Rechtsbehelf (vgl. BT-Drucks. 17/3802 S. 1 f, 15; Meyer-Ladewig aaO Art. 13 Rn. 42).
13
Mithin stand dem Kläger nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens kein tauglicher Rechtsbehelf gegen die Dauer des Verfahrens zur Verfügung. Abzustellen ist für die Fristberechnung deshalb allein auf die Verfahrenseinstellung.
14
b) Die bloße (formale) Erhebung einer Beschwerde bei dem EGMR reicht aber nicht aus, um nach §§ 198, 199 GVG in Verbindung mit Art. 23 ÜGRG einen Entschädigungsanspruch für die lange Dauer abgeschlossener Verfahren zu begründen; vielmehr muss die Beschwerde innerhalb der Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK eingelegt worden sein.
15
aa) Auch wenn sich aus dem Wortlaut der Übergangsbestimmung des Art. 23 ÜGRG eine solche Einschränkung nicht ergibt, ist sie entgegen der Auffassung der Revision dem Sinn und Zweck dieser Regelung und dem gesetzgeberischen Willen zu entnehmen. Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass nur bei solchen abgeschlossenen überlangen Verfahren eine Entschädigung nach Maßgabe der §§ 198 ff GVG in Betracht kommen soll, bei denen - bezogen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes - eine nach Art. 35 Abs. 1 EMRK zulässige Beschwerde beim EGMR bereits erhoben wurde oder noch erhoben werden kann. Denn mit der Übergangsregelung sollen weitere Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland verhindert und der Gerichtshof entlastet werden. Dieser Zielsetzung würde es zuwiderlaufen, wenn mit der Einlegung verfristeter Individualbeschwerden der Weg für eine innerstaatliche Entschädigung wegen unangemessener Dauer bei längst abgeschlossenen - hier: mehr als neun Jahre - Verfahren geebnet werden könnte. Dass mit der von der Revision vertretenen Auffassung die gesetzgeberische Intention unterlaufen würde, wird auch daran deutlich, dass im Gesetzentwurf der Bundesregierung der ausdrückliche Hinweis enthalten ist, dass der Verfahrensabschluss nicht länger als sechs Monate zurückliegen darf, da die Beschwerdefrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK sechs Monate betrage (vgl. BT-Drucks. 17/3802 S. 31 zu Art. 22 des Entwurfs = Art. 23 ÜGRG). Diesem Zweck entsprechend sollen diejenigen Altverfahren aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herausfallen, bei denen eine Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland auch nach der vor Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Rechtslage durch den EGMR ausgeschlossen war, weil die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK nicht eingehalten war. Art. 23 ÜGRG versteht sich daher unter Einbeziehung dieser Zulässigkeitsvoraussetzung (vgl. LAG Sachsen, Beschluss vom 7. Juni 2012 - 1 Oa 2/12, juris Rn. 7; LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 21. November 2012 - L 2 SF 436/12 EK, juris Rn. 66 und vom 20. Februar 2013 - L 2 SF 1495/12 EK, BeckRS 2013, 67112 Rn. 37 f, 43; siehe auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 2. August 2012 - 23 SchH 5/12 EntV, juris, Rn. 3; BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL, BeckRS 2013, 69771, juris Rn. 12; LSG Hessen, NZS 2013, 472, 475 f Rn. 6; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 198 Rn. 57; Ott in SteinbeißWinkelmann /Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, Art. 23 ÜGRG Rn. 7; Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsund Ermittlungsverfahren, 2013, Art. 23 ÜGRG Rn. 2; Heine, MDR 2012, 327; Söhngen, NZS 2012, 493, 497; Wenner, Soziale Sicherheit 2012, 32, 35; a.A. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29. November 2012 - L 10 SF 5/12 ÜG, juris Rn. 186, 187).
16
bb) Dieser Beurteilung steht der von der Revision in den Vordergrund gestellte Umstand nicht entgegen, dass die Übergangsregelung in der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfs (vgl. BT-Drucks. 17/3802 S. 14, damals noch Art. 22) im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens dahin ergänzt wur- de, dass die Klage für abgeschlossene Verfahren spätestens an dem Tag erhoben werden muss, der sechs Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes liegt (BT-Drucks. 17/7217 S. 21, also am 3. Juni 2012, vgl. BGBl. 2011 I S. 2312). Damit sollte sichergestellt werden, dass bei Altverfahren für Betroffene ebenso wie im Fall des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG eine einheitliche Überlegungsfrist von sechs Monaten gilt, in der sie über die Erhebung einer Entschädigungsklage entscheiden können (vgl. BT-Drucks. 17/7217 S. 30, 31; Ott aaO Art. 23 ÜGRG Rn. 9). Keineswegs sollten damit die Voraussetzungen für die Erhebung einer Beschwerde vor dem EGMR als entbehrlich angesehen werden. Im Gegenteil belegt der Umstand, dass das angegebene Datum 3. Juni 2012 sechs Monate nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes liegt, dass der Gesetzgeber nach wie vor die Fristenregelung des Art. 35 Abs. 1 EMRK im Blick hatte. Dies wird darüber hinaus durch die in Art. 23 ÜGRG enthaltene weitere Voraussetzung bestätigt, wonach die Möglichkeit bestehen muss, eine Beschwerde noch anhängig zu machen; diese Möglichkeit besteht nur, soweit der Beschwerdeführer die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK wahren kann.
17
cc) Die Richtigkeit der vom Senat vorgenommenen Auslegung des Art. 23 ÜGRG wird entgegen der Auffassung der Revision auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der EGMR die Beschwerde des Klägers wegen Nichterschöpfung des (neuen) innerstaatlichen Rechtsbehelfs für unzulässig erklärt und ihm mitgeteilt hat, er könne sich nach Abschluss eines solchen Verfahrens erneut mit einer Beschwerde an den Gerichtshof wenden. Dieser Umstand ist für die Auslegung der Übergangsvorschrift des Art. 23 ÜGRG ohne Aussagekraft. Insbesondere lässt die Entscheidung des EGMR nicht darauf schließen, dass sich der Gerichtshof mit dem Inhalt dieser Übergangsregelung und den darin vorgesehenen Einschränkungen sowie dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung näher befasst hat.
18
Seit der Entscheidung über die Individualbeschwerde Nr. 69789/01 (Brusco ./. Italien, ECHR 2001-IX) vom 6. September 2001 stellt der Gerichtshof in den Vordergrund, dass nach Einführung einer neuen innerstaatlichen Entschädigungsregelung diese zunächst geltend zu machen und auszuschöpfen sei. Dabei hat er für das deutsche Recht in der Individualbeschwerdesache Nr. 53126/09 vom 29. Mai 2012 (NVwZ aaO S. 48 Rn. 43) wie auch in verschiedenen anderen Verfahren (Entscheidungen vom 10. Juli 2012, Individualbeschwerden Nr. 27366/07 u.a. sowie 64208/11 u.a.) der Tatsache besondere Bedeutung beigemessen, dass der Beschwerdeführer nach dem neuen Entschädigungsgesetz berechtigt sei, seine Ansprüche gemäß den Übergangsbestimmungen zu diesem Gesetz vor den innerstaatlichen Gerichten geltend zu machen , und dies den Willen des Gesetzgebers widerspiegele, den Personen, die vor Inkrafttreten des Rechtsschutzgesetzes Beschwerde vor dem Gerichtshof erhoben hatten, auf innerstaatlicher Ebene Wiedergutmachung zu leisten. Diese allgemeinen Ausführungen erlauben jedoch nicht den Schluss, dass der EGMR bei diesen Entscheidungen die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 198 ff GVG und insbesondere des Art. 23 ÜGRG einer eingehenden Prüfung unterzogen hat. Dem steht schon entgegen, dass der Gerichtshof stets zum Ausdruck gebracht hat, dass es bei Einführung eines Rechtsbehelfs, mit dem eine Entschädigung verlangt werden kann, wichtig sei, dass die nationalen Instanzen als erste und ohne Verzögerung solche Anträge prüften, weil sie besser in der Lage seien, den für die Entscheidung erheblichen Sachverhalt festzustellen und die Höhe der Entschädigung zu berechnen (NVwZ aaO).
19
Der an den Kläger gerichtete Hinweis des EGMR vermag daher keinen Aufschluss darüber zu geben, ob die §§ 198, 199 GVG nach der Übergangsregelung des Art. 23 ÜGRG auch im Falle einer Versäumung der Sechs-MonatsFrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK zum Zuge kommen können.
Schlick Herrmann Wöstmann
Hucke Mayer

Vorinstanz:
OLG Celle, Entscheidung vom 24.10.2012 - 23 SchH 10/12 -

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.

(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.

(1) Die Klage muss den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde. Die Klage soll einen bestimmten Antrag enthalten und von dem Kläger oder einer zu seiner Vertretung befugten Person mit Orts- und Zeitangabe unterzeichnet sein. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Abschrift beigefügt werden.

(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt § 67 entsprechend.

(1) Für einen nicht prozeßfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter kann der Vorsitzende bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen.

(2) Die Bestellung eines besonderen Vertreters ist mit Zustimmung des Beteiligten oder seines gesetzlichen Vertreters auch zulässig, wenn der Aufenthaltsort eines Beteiligten oder seines gesetzlichen Vertreters vom Sitz des Gerichts weit entfernt ist.

(3) bis (5) (weggefallen)

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Die Klage ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate. Bei einer öffentlichen Bekanntgabe nach § 85 Abs. 4 beträgt die Frist ein Jahr. Die Frist beginnt mit dem Tag zu laufen, an dem seit dem Tag der letzten Veröffentlichung zwei Wochen verstrichen sind.

(2) Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung des bei der Beklagten gesetzlich unfallversicherten R. P. (Versicherter) streitig.

2

Der Versicherte erlitt am 31. Januar 2004 einen Arbeitsunfall. Er wurde am selben Tag wegen einer Luxation der linken Hüfte in der unfallchirurgischen Abteilung des Krankenhauses B., dessen Trägerin die Klägerin ist, aufgenommen. Nach seiner Entlassung am 25. Februar 2004 machte die Klägerin mit Rechnung vom 5. März 2004 eine Vergütung von 2.729,41 € geltend. Sie verlangte ua für die Zeit vom 20. bis zum 24. Februar 2004 die Fallpauschale für tagesbezogenes Entgelt bei Grenzverweildauerüberschreitung in Höhe von 704,35 € und den (anteiligen) Investitionszuschlag in Höhe von 22,48 €. Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 30. März 2004 mit, dass der Versicherte nach dem 19. Februar 2004 lediglich krankengymnastisch mobilisiert worden sei und wegen des insoweit nicht notwendigen stationären Aufenthalts nur ein Betrag von 2.002,58 € gezahlt werde. Nachdem die Klägerin auf behandlungsbedürftige Kreislaufsensationen hingewiesen hatte, bat die Beklagte um Überlassung von Behandlungsunterlagen.

3

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 28. Juli 2004 auf, den Restbetrag von 726,83 € zu zahlen. Das Sozialgericht Dresden hat die am 23. August 2004 erhobene Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 7. Januar 2006). Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 26. Juni 2008). Der Vergütungsanspruch sei gesetzlich nicht geregelt. Er ergebe sich auch nicht aus der "Entgeltvereinbarung für Krankenhäuser im Freistaat Sachsen 2004" vom 3. Mai 2004 (EntgV) und nicht aus der "Vereinbarung zu den allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB V". Zwischen den Beteiligten sei vielmehr eine Art Drittschuldner-Beziehung zustande gekommen, bei der die Beklagte den Heilbehandlungsanspruch ihres Versicherten auf das Krankenhaus übertragen habe und der Zahlungsanspruch der Klägerin nicht ohne die Möglichkeit der Einsichtnahme in medizinische Unterlagen durch die Beklagte bestehe. Die im Krankenversicherungsrecht für die Fälligkeit von Vergütungsansprüchen geltenden Grundsätze seien nicht maßgebend. Krankenhäuser würden zu 95 vH von Krankenversicherten und nur zu 3 vH von Unfallversicherten belegt. Eine vergleichbare wirtschaftliche Notwendigkeit zur unverzüglichen Begleichung der Rechnungen durch die Unfallversicherungsträger sei daher nicht gegeben. Außerdem stehe den Berufsgenossenschaften der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Überprüfung von Krankenhausrechnungen nicht zur Verfügung.

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 54 des Vertrages gemäß § 34 Abs 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung der ärztlichen Leistungen (Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger, abgedruckt in Hauck/Noftz, SGB VII Gesetzliche Unfallversicherung, Anhang IV K § 34 ) sowie des § 11 Abs 1 Satz 4 und § 8 Abs 7 Satz 3 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (KHEntgG), jeweils iVm Abschnitt IX Abs 1 Satz 1 und 2 EntgV. Durch ihre Zulassung zum Verletzungsartenverfahren sei ein Vertragsverhältnis iS des § 34 Abs 8 SGB VII begründet worden. Diese Zulassung erstrecke sich auch auf andere besondere Heilbehandlungen. Darüber hinaus sei mit der Einweisung des Versicherten durch den Durchgangsarzt (D-Arzt) ein Vertrag zustande gekommen. Sowohl die damit maßgebende Regelung des § 54 Vertrag Ärzte/UV-Träger als auch § 11 Abs 1 Satz 4 und § 8 Abs 7 Satz 3 KHEntgG führten zur Anwendbarkeit der EntgV. Nach Abschnitt IX Abs 1 Satz 1 und 2 EntgV seien Rechnungen innerhalb von 14 Tagen nach Eingang bei den zuständigen Kostenträgern zu begleichen. An die EntgV sei auch die Beklagte als nicht beteiligte Vertragspartei gebunden. Sie sei jedenfalls analog anzuwenden, da es ansonsten an Regelungen zur Fälligkeit und zur Zahlungsfrist fehle. Wegen der Notwendigkeit, die Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser wirtschaftlich abzusichern und eine bedarfsgerechte Krankenversorgung zu gewährleisten, könne nicht von einer bewussten Regelungslücke ausgegangen werden. Eine höhere Belegungsquote zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ergebe sich nur unter Berücksichtigung sämtlicher Krankenkassen. Die EntgV schließe ein Zurückbehaltungsrecht entsprechend § 273 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aus. Darauf könne sich die Beklagte aber auch deshalb nicht berufen, weil es an der vom Bundessozialgericht (BSG) geforderten formal unrichtigen Abrechnung fehle. Abgesehen davon bestehe kein Gegenanspruch auf Herausgabe der Krankenakte über den Versicherten.

5

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. Juni 2008 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 7. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 726,83 € nebst 2 vH Zinsen hieraus seit dem 22. März 2004 zu zahlen

6

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen

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Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz) . Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende Entscheidung über den von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht aus.

9

Für den hier geltend gemachten Vergütungs- und Zinsanspruch ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Nach § 51 Abs 1 Nr 3 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Entscheidend ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Zivil- oder des Sozialrechts geprägt wird, damit die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag der Klägerin darstellt, und nicht, ob diese sich auf eine zivilrechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (vgl BSG vom 22. April 2009 - B 13 SF 1/08 R - SozR 4-1500 § 51 Nr 5 RdNr 11; BSG vom 6. September 2007 - B 3 SF 1/07 R - SozR 4-1720 § 17a Nr 3 RdNr 9, jeweils mwN) .

10

Die von der Klägerin erhobenen Ansprüche sind danach öffentlich-rechtlicher Natur. Sie macht die Vergütung aufgrund vertraglicher Beziehungen iS des § 34 Abs 8 SGB VII für eine stationäre Behandlung geltend, auf die Versicherte gegenüber dem Unfallversicherungsträger nach § 26 Abs 1 Satz 1 iVm § 27 Abs 1 Nr 6 SGB VII Anspruch haben und die gemäß § 33 Abs 1 und 2 SGB VII in einem Krankenhaus iS des § 107 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erbracht wird. Das Streitverhältnis ist damit dem Unfallversicherungsrecht zuzuordnen.

11

Die auf Zahlung der restlichen Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten gerichtete (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG ist statthaft und zulässig. Die Beklagte ist weder berechtigt noch verpflichtet, über das Bestehen und die Höhe des von einem Krankenhausträger wegen der Krankenhausbehandlung eines Versicherten geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruchs durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Ein solcher ist auch nicht ergangen. Die Beklagte hat der Klägerin lediglich die Kürzung des Rechnungsbetrags erläutert. Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen sind nicht zu beachten. Es war weder ein Vorverfahren durchzuführen noch eine Klagefrist einzuhalten (vgl BSG vom 23. Juli 2002 - B 3 KR 64/01 R - BSGE 90, 1, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20) .

12

Anhand der bisherigen Tatsachenfeststellungen kann nicht entschieden werden, ob der Klägerin der geltend gemachte Vergütungsanspruch nebst Zinsen zusteht. Ein die Vergütung regelnder Vertrag ist zwischen den Beteiligten weder aufgrund der Zulassung zum Verletzungsartenverfahren (dazu 1.) noch mit der Einweisung des Versicherten durch den D-Arzt (dazu 2.) zustande gekommen. Die Klägerin kann sich in Bezug auf den Anspruchsgrund auch nicht auf § 54 Vertrag Ärzte/UV-Träger (dazu 3.), das KHEntgG (dazu 4.) oder die EntgV (dazu 5.) berufen. Als Rechtsgrundlage kommt vielmehr § 683 BGB wegen einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) in Betracht. Allerdings setzt der Aufwendungsersatz die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung voraus, die vom LSG zu klären sein wird (dazu 6.). Von deren Feststellung kann nicht wegen der mit der Krankenhausgesellschaft S. eV geschlossenen Vereinbarung zu den allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs 2 Nr 1 und 2 SGB V abgesehen werden (dazu 7.). Die Fälligkeit des Aufwendungsersatzes setzt nicht die Überlassung von Behandlungsunterlagen zum Zwecke der Einsichtnahme und Abrechnungsprüfung voraus (dazu 8.). Deren Versagung führt allenfalls zu einem Leistungsverweigerungsrecht, für dessen Ausübung im gerichtlichen Verfahren aber kein Bedürfnis besteht (dazu 9.).

13

1. Eine vertragliche Vereinbarung über die Durchführung und Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung wird nicht bereits dadurch begründet, dass ein behandlungsbedürftiger Versicherter in ein Krankenhaus aufgenommen wird, das zum Verletzungsartenverfahren (vgl dazu § 37 Vertrag Ärzte/UV-Träger iVm Anhang 1) zugelassen ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit sich diese Zulassung auch auf andere besondere Heilbehandlungsmaßnahmen erstreckt. Ein durch übereinstimmende Willenserklärungen herbeigeführtes Rechtsgeschäft über die individuelle Behandlung sämtlicher stationär aufgenommener Versicherter allein aufgrund der Berechtigung zur Durchführung bestimmter Heilbehandlungsmaßnahmen ist weder vom LSG festgestellt worden noch zu erkennen.

14

2. Unabhängig davon, dass eine Einweisung des Versicherten durch den D-Arzt vom LSG ebenfalls nicht festgestellt wurde, wäre auch allein dadurch eine Behandlungs- und Vergütungsvereinbarung zwischen den Beteiligten nicht zustande gekommen. Der an einem zum Verletzungsartenverfahren zugelassenen Krankenhaus tätige D-Arzt entscheidet nach Art oder Schwere der Verletzung, ob eine stationäre oder ambulante Behandlung erforderlich ist (§ 37 Abs 2 Satz 1 Vertrag Ärzte/UV-Träger) . Damit wird sicher gestellt, dass der Unfallverletzte die vom Ausmaß der Verletzungen abhängige notwendige Behandlung erhält. Dass einem D-Arzt zugleich die Rechtsmacht eingeräumt wäre, namens der Unfallversicherungsträger eine auf stationäre Behandlung in einem bestimmten Krankenhaus und deren Vergütung gerichtete Willenserklärung abzugeben, hat das LSG nicht festgestellt und ist auch nicht ersichtlich.

15

3. Ein Vergütungsanspruch lässt sich auch nicht aus § 65 Vertrag Ärzte/UV-Träger(in der Fassung vom 1. Mai 2001) ableiten. Danach sind Arztrechnungen unverzüglich, spätestens innerhalb einer Frist von vier Wochen zu begleichen, es sei denn, dies ist aus besonderen Gründen nicht möglich. An diesem Vertrag sind keine Krankenhäuser, sondern nur Ärzte beteiligt, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, von den Unfallversicherungsträgern zugelassen oder auf Antrag beteiligt worden sind (§ 4 Abs 1 und 2 Vertrag Ärzte/UV-Träger) . Er ist lediglich zwischen dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, dem Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und dem Bundesverband der Unfallkassen einerseits sowie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung andererseits zustande gekommen. Die Klägerin ist daher weder unmittelbar noch mittelbar über die sie vertretende Krankenhausgesellschaft Vertragspartei.

16

Die Anwendbarkeit des Vertrages Ärzte/UV-Träger ergibt sich auch nicht aufgrund seiner die stationären Behandlungen betreffenden §§ 54 und 55. Nach § 54 Satz 1 Vertrag Ärzte/UV-Träger gelten bei stationärer Behandlung die Regelungen der Bundespflegesatzverordnung (BPflV; und seit 1. April 2008 des KHEntgG) in der jeweils geltenden Fassung. § 55 Vertrag Ärzte/UV-Träger sieht vor, dass die stationäre Behandlung mit der Aufnahme in das Krankenhaus beginnt, die am Aufnahmetag im Krankenhaus erbrachten ärztlichen Leistungen als stationäre Leistungen gelten und für die im Rahmen stationärer Behandlung außerhalb des Krankenhauses erbrachten Leistungen kein Vergütungsanspruch besteht, soweit sie als Bestandteil der allgemeinen Krankenhausleistungen mit dem Pflegesatz (oder seit 1. April 2008 mit dem aktuellen DRG-Entgelttarif) abgegolten sind. Mit diesen Regelungen wird der Anwendungsbereich des Vertrages Ärzte/UV-Träger nicht auf stationäre Behandlungen und deren Vergütung erweitert. Sie dienen allein der Abgrenzung zu den nicht stationären vergütungsfähigen Leistungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte.

17

4. Der geltend gemachte Vergütungsanspruch dem Grunde nach ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften des KHEntgG in der vom 1. Januar bis zum 26. Juli 2004 gültigen Fassung.

18

Nach § 1 Abs 1 KHEntgG werden die voll- und teilstationären Leistungen der Krankenhäuser nach diesem Gesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) vergütet. Diese Rechtsnorm begünstigt zwar den konkret bestimmten Personenkreis der Krankenhäuser und macht mit der Formulierung "werden…vergütet" die Verpflichtung zu einer Leistung deutlich. Eine Vergütungspflicht ist vom KHEntgG auch bezweckt. Es hat zum 1. Januar 2003 die BPflV bei den Krankenhäusern ersetzt, die dem neu eingeführten DRG-Vergütungssystem nach § 17b KHG unterliegen. Dabei wurde in § 1 Abs 1 KHEntgG die Regelung des § 1 Abs 1 BPflV in der Fassung vom 21. August 1985 (BGBl I 1666) übernommen, die ebenfalls anordnete, dass die stationären und teilstationären Leistungen der Krankenhäuser nach dieser Verordnung vergütet werden. Demgegenüber war in § 1 Abs 1 BPflV in der Fassung vom 25. April 1973 (BGBl I 333) noch bestimmt, dass sich die Pflegesätze der Krankenhäuser nach den Vorschriften dieser Verordnung regeln. Mit der zum 1. Januar 1986 eingeführten Neufassung wurde festgelegt, dass die Pflegesätze nicht mehr die Funktion haben, "Kosten in weitgehender Abstraktion von erbrachten Leistungen zu ersetzen, sondern konkrete Krankenhausleistungen zu vergüten" (vgl amtliche Begründung der Bundesregierung, abgedruckt in Schlauß/Bölke, KHG, BPflV, KaGeb, Kommentar Band II, Abschn II S 91, Stand November 1997) .

19

Die Eingangsvorschrift des § 1 Abs 1 KHEntgG enthält kein subjektiv-öffentliches Recht auf Zahlung von Entgelten und Zuschlägen für erbrachte Krankenhausleistungen, denn sie verleiht den begünstigten Personen nicht die Rechtsmacht, die Befolgung der öffentlich-rechtlichen Pflicht von dem Hoheitsträger rechtlich verlangen zu können(vgl BSG vom 5. September 2006 - B 4 R 71/06 R - BSGE 97, 63 = SozR 4-2500 § 255 Nr 1, jeweils RdNr 32 mwN) . Sie wird vielmehr durch § 7 Satz 1 KHEntgG konkretisiert. Danach werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit im Einzelnen beschriebenen Entgelten "abgerechnet". Die Vorschriften des KHEntgG bilden daher nicht die rechtliche Grundlage für den Vergütungsanspruch dem Grunde nach, sondern nur für die Abrechnung einer vergütungsfähigen Krankenhausbehandlung, indem die Art und die Höhe der zu zahlenden Entgelte und Zuschläge bestimmt wird. Diese Beurteilung wird durch die Systematik des KHEntgG bestätigt. § 1 Abs 1 KHEntgG findet sich im Abschnitt 1 "Allgemeine Vorschriften", während Abschnitt 2 die "Vergütung der Krankenhausleistungen" betrifft, der sich zudem mit den Vereinbarungen von Gesamtbeträgen, Erlösbudgets, Zu- und Abschlägen sowie sonstigen Entgelten befasst. Die "Entgeltarten und Abrechnung" sind im Abschnitt 3 geregelt.

20

§ 7 Satz 1 Nr 3 und § 9 Abs 2 Halbs 2 KHEntgG iVm der Verordnung zum Fallpauschalensystem der Krankenhäuser für das Jahr 2004(Fallpauschalenverordnung 2004 - KFPV 2004) vom 13. Oktober 2003 (BGBl I 1995) bestimmt nur die Höhe des geltend gemachten Entgelts wegen Überschreitung der Grenzverweildauer. Danach werden die allgemeinen Krankenhausleistungen mit in einem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog bestimmten ergänzenden Entgelten bei Überschreitung der Grenzverweildauer der Fallpauschale vergütet (§ 7 Satz 1 Nr 3 KHEntgG) . Kommt unter den Vertragsparteien auf Bundesebene - wie hier für das Jahr 2004 - ein Fallpauschalenkatalog nicht zustande, kann das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung den Fallpauschalenkatalog durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen (§ 9 Abs 2 Halbs 2 KHEntgG iVm § 17b Abs 7 Satz 1 Nr 1 KHG in der Fassung des Fallpauschalenänderungsgesetzes vom 17. Juli 2003 ) . Das ist hier mit der KFPV 2004 geschehen. Der streitige Investitionszuschlag ist in § 8 Abs 3 Satz 1 KHEntgG geregelt, der diese Leistung für Krankenhäuser im Beitrittsgebiet bis zum 31. Dezember 2014 für jeden Tag des Krankenhausaufenthalts mit Ausnahme des Entlassungstags (Belegungstage) vorsieht.

21

5. Soweit sich die Klägerin auf Abschnitt IX Abs 1 Satz 1 EntgV beruft, wonach die Rechnungen innerhalb von 14 Tagen nach Eingang bei den zuständigen Kostenträgern zu begleichen sind, kann offen bleiben, ob der Senat mangels revisiblen Bundesrechts oder sonstigen Rechts, dessen Geltungsbereich sich iS des § 162 SGG über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt, an die Anwendung und Auslegung durch das LSG gebunden ist. Die EntgV scheidet als Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Forderung dem Grunde nach aus.

22

Die zwischen der Klägerin einerseits und der AOK Sachsen sowie dem Verband der Angestellten-Krankenkassen eV, dem Arbeiter-Ersatzkassenverband eV und dem Krankenhausberatungszentrum der Barmer Ersatzkasse Dresden andererseits schriftlich abgefasste EntgV beruht auf § 11 KHEntgG. Nach Abs 1 dieser Vorschrift haben die Vertragsparteien gemäß § 18 Abs 2 KHG in einer Vereinbarung den Gesamtbetrag, das Erlösbudget, die Summe der Bewertungsrelationen, den krankenhausindividuellen Basisfallwert, die Zu- und Abschläge, die sonstigen Entgelte, die Mehr- und Mindererlösausgleiche(Satz 1) sowie eine zeitnahe Zahlung der Entgelte an das Krankenhaus (Satz 3) zu regeln. Eine solche Vereinbarung kommt allein durch Einigung zwischen den Vertragsparteien zustande, die an der Verhandlung teilgenommen haben (§ 11 Abs 1 Satz 4 Halbs 1 KHEntgG) . Die EntgV gilt jedoch nicht für die Beklagte, weil § 18 Abs 2 KHG nur diejenigen Sozialleistungsträger als Vertragsparteien vorsieht, auf die allein im Jahr vor Beginn der Entgeltverhandlungen mehr als 5 vH der Belegungs- und Berechnungstage des Krankenhauses entfallen. Das ist bei der Beklagten nach den Feststellungen des LSG nicht der Fall.

23

Für eine Vertragsbindung der Beklagten in analoger Anwendung des § 11 Abs 1 Satz 4 KHEntgG ist kein Raum. Zur Bestimmung des Begriffs der Vertragspartei verweist § 11 Abs 1 Satz 1 KHEntgG ausdrücklich auf § 18 Abs 2 KHG. Daher fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie (vgl dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl, S 370 ff; BSG vom 20. März 2007 - B 2 U 19/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 23 RdNr 17) . Dass der Gesetzgeber in Kenntnis des § 18 Abs 2 KHG gleichwohl den Kreis der nach § 11 KHEntgG in Frage kommenden Vertragsparteien hätte erweitern wollen, um einer bedarfsgerechten Krankenversorgung mit leistungsfähigen Krankenhäusern Rechnung zu tragen, ist bei einer Belegungsdichte von höchstens 5 vH nicht ersichtlich. Die geforderte Mindestbelegung soll vielmehr gewährleisten, dass die betreffenden Sozialleistungsträger aufgrund ihres Anteils an der Bettenbelegung einerseits die Verhältnisse des Krankenhauses kennen und andererseits ein hinreichendes Eigeninteresse an der sachgerechten Festlegung der Entgelte haben.

24

6. Der für die stationäre Behandlung des Versicherten geltend gemachte Zahlungsanspruch kann sich aus den Vorschriften über eine GoA gemäß §§ 677 ff BGB ergeben. Diese sind im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden (BSG vom 27. Juni 1990 - 5 RJ 39/89 - BSGE 67, 100, 101 = SozR 3-7610 § 683 Nr 1 S 2 mwN) . Für den Bereich der Sozialversicherung gilt dies jedenfalls dann, wenn der Geschäftsführer - wie hier die Klägerin - kein Leistungsträger iS der §§ 102 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist, mithin ein Erstattungsanspruch nach diesen Bestimmungen ausscheidet, und der Geschäftsführer mit der Geschäftsführung eine Aufgabe eines sozialrechtlichen Leistungsträgers übernommen hat(BSG vom 17. November 1999 - B 6 KA 14/99 R - SozR 3-2500 § 75 Nr 11 S 56 mwN) . Die öffentlich-rechtliche Natur der GoA ergibt sich hier daraus, dass die Klägerin stationäre Heilbehandlungsmaßnahmen erbracht hat, die von der Beklagten als zuständigem Unfallversicherungsträger als Sachleistung zur Verfügung zu stellen sind (§ 26 Abs 1 Satz 1, Abs 4 Satz 2, § 27 Abs 1 Nr 6 SGB VII) . An besonderen Bestimmungen, die das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn abweichend regeln, die den Handelnden zum unentgeltlichen Tätigwerden verpflichten oder die einen Rückgriff auf die Grundsätze über die GoA nicht erlauben, fehlt es im vorliegenden Verfahren (vgl BSG aaO) .

25

Nach § 677 BGB handelt es sich um eine GoA, wenn jemand ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. In einem solchen Fall kann der Geschäftsführer gemäß § 683 BGB wie ein Beauftragter( § 670 BGB ) Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Die Klägerin war weder von der Beklagten mit der stationären Behandlung des Versicherten beauftragt worden noch ihr gegenüber aus anderen Gründen dazu berechtigt. Dass die stationären Behandlungen in Krankenhäusern zu erbringen sind (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB VII) , steht der Annahme einer Fremdgeschäftsführung nicht entgegen. Ob die Klägerin ein Geschäft geführt hat, das dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen der Beklagten entsprochen hätte, kann indes wegen fehlender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Diese Voraussetzungen wären dann erfüllt, wenn die Klägerin eine medizinisch erforderliche Behandlung durchgeführt hätte, die die Beklagte im Verhältnis zum Versicherten als Sachleistung der gesetzlichen Unfallversicherung hätte erbringen müssen.

26

Das LSG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - keine Feststellungen dazu getroffen, dass die stationäre Behandlung des Versicherten über den 19. Februar 2004 hinaus medizinisch geboten war. Die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung für die Zeit vom 20. bis zum 24. Februar 2004 ist aber eine Bedingung für die Entstehung und Fälligkeit des behaupteten Vergütungsanspruchs - hier in Form des Aufwendungsersatzes - und kann daher nicht offen bleiben. Nach § 26 Abs 1 Satz 1 iVm § 27 Abs 1 Nr 6 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Heilbehandlung in Krankenhäusern. Die stationäre Behandlung wird gemäß § 33 Abs 1 und 2 SGB VII in einem Krankenhaus iS des § 107 SGB V erbracht, wenn die Aufnahme erforderlich ist, weil das Behandlungsziel anders nicht erreicht werden kann. Sie umfasst nach § 33 Abs 1 Satz 3 SGB VII im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall für die medizinische Versorgung der Versicherten notwendig sind. Die Vergütung einer medizinisch nicht notwendigen stationären Krankenhausbehandlung ist daher ausgeschlossen. Das LSG wird infolgedessen die gebotenen Feststellungen dazu nachzuholen haben, ob die Krankenhausbehandlung des Versicherten über den 19. Februar 2004 hinaus medizinisch erforderlich war.

27

7. Darauf kann nicht deshalb verzichtet werden, weil die Fälligkeit der Vergütungsansprüche der Klägerin gegenüber den Krankenkassen ggf vor Klärung der medizinischen Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung eintritt. Das BSG hat die in vielen Landesverträgen zu § 112 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V vereinbarte Regelung, dass die Krankenkassen die Rechnungen innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungseingang zu begleichen haben, zwar stets dahingehend ausgelegt, dass die Fälligkeit nach Ablauf der Zahlungsfrist unabhängig davon eintritt, ob ein Prüfverfahren zur Notwendigkeit und Dauer einer Krankenhausbehandlung noch eingeleitet werden soll oder ein solches noch nicht abgeschlossen ist, und dass die Krankenkasse in derartigen Fällen zur Zahlung verpflichtet ist, ohne das Ergebnis des Prüfverfahrens abwarten zu dürfen(BSG vom 30. Juni 2009 - B 1 KR 24/08 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSG vom 28. September 2006 - B 3 KR 23/05 R - SozR 4-2500 § 112 Nr 6 RdNr 12 S 30 mwN) . Diese Rechtsprechung betrifft aber allein die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen. Eine den Landesverträgen zu § 112 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V entsprechende vertragliche Vereinbarung ist mit Wirkung für die Beklagte nicht abgeschlossen worden. An der mit der Krankenhausgesellschaft S. eV getroffenen Vereinbarung zu den allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs 2 Nr 1 und 2 SGB V ist die Beklagte nicht beteiligt.

28

8. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist der Eintritt der Fälligkeit des Vergütungsanspruchs nicht von der Überlassung der Krankenunterlagen an die Beklagte abhängig. Eine solche Fälligkeitsvoraussetzung ist weder vertraglich noch gesetzlich bestimmt. Sie ergibt sich auch nicht aus der Eigenart des Rechtsverhältnisses zwischen Krankenhaus- und Unfallversicherungsträger. Zwar sind die Krankenhausträger im Regelfall wirtschaftlich nicht unumgänglich darauf angewiesen, dass die Unfallversicherungsträger Rechnungen über stationäre Behandlungen sofort und ohne vorherige Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen begleichen. Die im Krankenversicherungsrecht geltenden Fälligkeitsregelungen sind auf das Unfallversicherungsrecht nicht zu übertragen, weil Krankenhäuser nur zu 3 vH mit Unfallversicherten belegt sind. Daraus folgt aber nicht, dass Zahlungsansprüche der Krankenhausträger, sofern sie wegen der notwendigerweise durchgeführten Behandlung entstanden sind, nicht sofort fällig werden. Entstandene Zahlungsansprüche können auch dann sofort geltend gemacht werden und sind vom Schuldner sofort zu erfüllen, wenn der Gläubiger wirtschaftlich nicht darauf angewiesen ist (vgl § 271 Abs 1 BGB) .

29

Nichts anderes gilt im Hinblick darauf, dass die Unfallversicherungsträger nicht auf eine dem MDK entsprechende Einrichtung zurückgreifen können. Dies erschwert ihnen zwar eine Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen, vor allem dann, wenn sie - wie hier - erst nach abgeschlossener Behandlung unterrichtet werden. Gleichwohl ist es nicht erforderlich, dass deshalb der Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit eines entstandenen Anspruchs hinausgeschoben wird. Denn der Krankenhausträger leistet und finanziert vor, während der Unfallversicherungsträger im Falle der verspäteten Zahlung allein das Risiko trägt, einen Verzugsschaden ersetzen und Prozesszinsen zahlen zu müssen.

30

Zahlt der Unfallversicherungsträger den geltend gemachten Rechnungsbetrag nicht oder nur zum Teil, weil er die Voraussetzungen für den Vergütungsanspruch dem Grunde oder der Höhe nach nicht als erfüllt ansieht, geht er das Risiko der gerichtlichen Inanspruchnahme durch den Krankenhausträger ein. Erkennt er im Laufe des Rechtsstreits die Haupt- und Nebenforderung an, bleibt zudem das Risiko, mit den Kosten des Verfahrens belastet zu werden (§ 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 156 Verwaltungsgerichtsordnung) . Diesem Kostenrisiko des Unfallversicherungsträgers steht das Beweisrisiko des klagenden Krankenhausträgers gegenüber. Dieser trägt die Beweislast für diejenigen Tatsachen, die den geltend gemachten Anspruch begründen (BSG vom 30. Juni 2009 - B 1 KR 24/08 R - mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) und damit ua auch für die Notwendigkeit der erbrachten Krankenhausleistungen und die Verfahrenskosten im Falle des Unterliegens wegen Beweislosigkeit. Allein diese Risikoverteilung zwischen Krankenhaus- und Unfallversicherungsträger vermag die Begründung einer außergesetzlichen zusätzlichen Fälligkeitsvoraussetzung in Form der Herausgabe der Behandlungsunterlagen nicht zu rechtfertigen.

31

9. Es kann dahinstehen, ob der Unfallversicherungsträger berechtigt ist, vom Krankenhausträger die Herausgabe von Krankenunterlagen zum Zwecke der Einsichtnahme und Abrechnungsprüfung zu verlangen. Ein solcher Anspruch begründet allenfalls ein Zurückbehaltungsrecht in entsprechender Anwendung des § 273 BGB, das aber nicht zur Klageabweisung, sondern nur zur Verurteilung zur Zahlung des Rechnungsbetrages Zug um Zug gegen Überlassung der Behandlungsunterlagen des Versicherten an die Beklagte führen könnte(§ 274 BGB) . In einem auf Verurteilung zur Zahlung von Krankenhausentgelten gerichteten sozialgerichtlichen Klageverfahren stellt sich jedoch die Frage, ob der Unfallversicherungsträger wegen der Weigerung eines Krankenhauses, Behandlungsunterlagen zu überlassen, zur Leistungsverweigerung befugt ist, regelmäßig nicht. Denn das Zurückbehaltungsrecht des Schuldners setzt das Bestehen eines Anspruchs des Gläubigers auf die verweigerte Leistung voraus. Damit hat das Gericht - wie bereits ausgeführt wurde - sämtliche Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs, infolgedessen die Voraussetzungen des stationären Heilbehandlungsanspruchs des Versicherten gegen den Unfallversicherungsträger einschließlich der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung festzustellen, ehe es den Unfallversicherungsträger zur Zahlung verurteilt.

32

Ob die stationäre Krankenhausbehandlung eines Versicherten infolge eines Versicherungsfalls aus medizinischen Gründen im durchgeführten Umfang erforderlich war, hat das Gericht im Streitfall uneingeschränkt und ohne Bindung an die Beurteilung des zuständigen Krankenhausarztes eigenständig zu überprüfen (BSG Großer Senat vom 25. September 2007 - GS 1/06 - BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, jeweils RdNr 27 f) . Es hat daher von Amts wegen (§ 103 SGG) zu ermitteln, ob das Behandlungsziel anders nicht erreicht werden konnte (§ 33 Abs 1 SGB VII) . Zur Klärung dieser Frage sind die Behandlungsunterlagen vom klagenden Krankenhausträger beizuziehen (§ 106 Abs 3 Nr 2 SGG) . Zur Übersendung der Behandlungsunterlagen ist der Krankenhausträger auch ohne Einverständniserklärung des Versicherten im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungslast nach § 202 SGG iVm§ 142 Zivilprozessordnung verpflichtet (vgl BSG vom 15. November 2007 - B 3 KR 13/07 R - SozR 4-1500 § 120 Nr 2 RdNr 19) , so dass auch der Unfallversicherungsträger im gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit hat, die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung zu beurteilen. Geht er nach Prüfung der Krankenakte von der medizinischen Erforderlichkeit der stationären Behandlung aus, kann er dem durch Anerkenntnis (§ 101 Abs 2 SGG) Rechnung tragen. Sieht er weiterhin die Voraussetzungen des behaupteten Zahlungsanspruchs als nicht erfüllt an, obliegt dem Gericht die Entscheidung über deren Vorliegen und damit auch über die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung. In beiden Fällen besteht kein Bedürfnis für die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts.

33

Sollte das LSG im wieder eröffneten Berufungsverfahren die medizinische Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung feststellen, wird es auch über den geltend gemachten Zinsanspruch zu entscheiden haben.

34

Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren bleibt dem LSG vorbehalten. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3 und § 47 Abs 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. Dezember 2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob eine Prozesserklärung der Klägerin den Rechtsstreit um die Aufhebung und Erstattung von Alg beendet hat.

2

Die Klägerin bezog vorläufiges Alg seit dem 17.7.2010 und nahm ab 20.9.2010 eine Teilzeittätigkeit auf. Die beklagte Agentur für Arbeit hob daraufhin die Alg-Bewilligung ab 15.11.2010 auf und forderte die Erstattung überzahlter Leistungen (Bescheide vom 10.1.2011 und 11.5.2011; Widerspruchsbescheid vom 23.5.2011). Die vor dem SG Lübeck erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Urteil vom 28.11.2012 - S 40 AL 118/11). Die Berufung der Klägerin (L 3 AL 1/13) hat deren Prozessbevollmächtigter mit einem fünfseitigen Schriftsatz vom 4.4.2013 (Posteingang beim LSG am 8.4.2013) und Ausführungen zu einer nur geringfügigen Zeitüberschreitung bei der für die Annahme des Wegfalls der Arbeitslosigkeit maßgebenden 15-Stunden-Grenze sowie fehlender grober Fahrlässigkeit hinsichtlich der Verletzung von Mitteilungspflichten begründet.

3

Am 15.5.2013 ist bei dem Berufungsgericht eine vom SG Lübeck übersandte Abschrift eines Schreibens des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 3.5.2013 an das erstinstanzliche Gericht mit Hinweis auf das Aktenzeichen S 40 AL 118/11 eingegangen. Dieses Schreiben, nach dessen Inhalt "der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt" wurde, war am 6.5.2013 bei dem SG eingegangen. Auf der Grundlage dieses Schreibens hat das LSG das anhängige Verfahren (L 3 AL 1/13) ausgetragen und die Akte an das SG zurückgesandt.

4

Zeitgleich war beim SG Lübeck unter dem Aktenzeichen S 36 AL 242/10 ein älteres Verfahren in einer anderen Kammer anhängig, in dem um die mit einer fehlenden Arbeitsfähigkeit der Klägerin begründete Ablehnung eines Antrages auf Alg ab dem 1.7.2010 gestritten wurde (Bescheid vom 11.8.2010; Widerspruchsbescheid vom 20.10.2010). Nach Einholung eines Gutachtens bewilligte die Beklagte Alg für die Zeit vom 1.7. bis 16.7.2010 und erklärte sich zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits bereit (Schriftsatz vom 18.1.2013, eingegangen beim SG am 22.1.2013). Auf den Einwand des Prozessbevollmächtigten, die Beklagte wolle nur die Kosten des Rechtsstreits ohne Vorverfahrenskosten übernehmen (Schreiben vom 20.3.2013, eingegangen am 21.3.2013), verwies das SG auf das Schreiben der Beklagten vom 28.2.2013, wonach auch die Kosten für das Vorverfahren umfasst waren.

5

Mit den beiden Schreiben vom 3.6.2013 an das SG erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu den Aktenzeichen S 36 AL 242/10 (Eingang am 5.7.2013) sowie S 40 AL 118/11 (Eingang am 30.7.2013), dass sein Kostenfestsetzungsantrag vom 25.4.2013 und seine Erledigungserklärung vom 3.5.2013 zu dem Aktenzeichen S 36 AL 242/10 hätten eingereicht werden sollen und es sich bei dem in beiden Schreiben tatsächlich angegebenen Aktenzeichen S 40 AL 118/11 um ein Versehen gehandelt habe.

6

Nachdem das LSG der Beklagten in dem streitigen Verfahren L 3 AL 1/13 mitgeteilt hatte, dass dieses Verfahren aufgrund des Schreibens vom 3.5.2013 erledigt sei (Schreiben des LSG vom 23.5.2013), hat die Klägerin gegenüber dem LSG erklärt, dass keine Erledigungserklärung abgegeben worden sei. Das Berufungsverfahren solle fortgeführt werden.

7

Nach erneuter Eintragung des Verfahrens hat das LSG festgestellt, dass der Rechtsstreit durch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 3.5.2013 in der Hauptsache erledigt sei (Urteil vom 11.12.2015). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Erklärung sei als Klagerücknahme auszulegen, weil mit ihr unzweideutig zum Ausdruck gebracht worden sei, dass die Klägerin von ihrem Rechtsschutzbegehren Abstand nehme. Auf die materielle Rechtslage komme es nicht an, weil die Klägerin dispositionsbefugt sei. Die Erledigungserklärung binde das Gericht und die Beteiligten auch dann, wenn der Rechtsstreit materiell nicht erledigt sei. Die Voraussetzungen für einen nur ausnahmsweise möglichen Widerruf einer Prozesserklärung seien offensichtlich nicht erfüllt. Durch die Weiterleitung der Erklärung an das zuständige LSG sei die Erledigungserklärung mit Eingang am 15.5.2013 wirksam geworden. Anhaltspunkte dafür, dass die Rücknahmeerklärung nur gegenüber dem unzuständigen Gericht habe erfolgen sollen, seien nicht gegeben. Weder für die Beklagte noch für das LSG, dem schon die Tatsache eines weiteren Rechtsstreits der Klägerin nicht bekannt gewesen sei, sei ein entgegenstehender Wille oder Irrtum des Prozessbevollmächtigten bekannt oder erkennbar gewesen.

8

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 102, 103 SGG. Die Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen erfordere, dass das SG bei objektiv bestehenden Unklarheiten von Prozesserklärungen - diese seien hier offenkundig - nachfragen und den Sachverhalt weiter aufklären müsse. Die Auslegung der Erklärung vom 3.5.2013 als auf das streitige Verfahren bezogene Klagerücknahme sei aus mehreren Gründen unzutreffend. Es sei nur eine Erledigungserklärung abgegeben worden, die nicht mit einer Klagerücknahme gleichzusetzen sei. Eine Klagerücknahme ergebe sich nach der für das Berufungsgericht erkennbaren "prozessualen Konstellation" ersichtlich nicht, weil die Berufung gegen das Urteil des SG Lübeck vom 28.11.2012 (Az S 40 AL 118/11) kurz zuvor am 4.4.2013 und zudem gegenüber dem LSG begründet worden sei. Auch sei kein erledigendes Ereignis eingetreten. Zudem sei die Erledigungserklärung auch nicht gegenüber dem zuständigen Gericht abgegeben worden.

9

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
das Berufungsurteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. Dez. 2015, Aktenzeichen: L 3 AL 49/13 abzuändern mit der Maßgabe, dass das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht das Berufungsverfahren zum Aktenzeichen L 3 AL 1/13 (alt) fortzuführen hat, hilfsweise auch das Verfahren L 3 AL 49/13 und das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 28. Nov. 2012 sowie den Bescheid vom 10. Jan. 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2011 aufzuheben.

10

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Sie verweist auf die angefochtene Entscheidung. Das SG habe den in Rede stehenden Schriftsatz der Klägerin vom 3.5.2013 an das LSG weiterreichen müssen, ohne dass es einer vorherigen Rückfrage bei dem Prozessbevollmächtigen bedurft habe.

Entscheidungsgründe

12

Der Senat konnte trotz fehlender Vertretung der Klägerin im Termin vom 23.2.2017 mündlich verhandeln und entscheiden, weil sie in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 110 Abs 1 S 2 SGG).

13

Die Revision der Klägerin hat im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung Erfolg (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Die bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG lassen eine abschließende Entscheidung des Senats nicht zu.

14

Das LSG hat zu Unrecht festgestellt, dass sich das Verfahren durch die Erklärung des Prozessbevollmächtigten vom 3.5.2013 durch Klagerücknahme erledigt hat (§ 102 Abs 1 SGG). Mit ihrer Revision macht die Klägerin zu Recht geltend, dass die Auslegung dieser Erklärung durch das Berufungsgericht Bundesrecht verletzt (§ 162 SGG), insbesondere den in § 133 BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken, der auch im öffentlichen Recht und Prozessrecht gilt(vgl BSG Urteil vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R - juris RdNr 20).

15

Bei Prozesserklärungen hat das Revisionsgericht - anders als bei materiell-rechtlichen Erklärungen - die Auslegung der fraglichen Erklärung durch die Instanzgerichte in vollem Umfang zu überprüfen, also das wirklich Gewollte, das in der Äußerung erkennbar ist, zu ermitteln. Dies folgt aus dem in § 133 BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken, der auch im öffentlichen Recht und Prozessrecht gilt. Bei der Auslegung von Erklärungen ist nicht am Wortlaut zu haften, sondern der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen (BSG Urteil vom 29.5.1980 - 9 RV 8/80 - juris RdNr 8; BSG Urteil vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R - juris RdNr 21; BSG Beschluss vom 8.11.2005 - B 1 KR 76/05 B - SozR 4-1500 § 158 Nr 2, RdNr 6; BSG Beschluss vom 23.6.2015 - B 1 KR 18/15 B - juris RdNr 4). Auch die Begleitumstände einer Erklärung sind von Bedeutung (BSG Urteil vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R - juris RdNr 21). Vor diesem Hintergrund muss eine Klagerücknahme unmissverständlich, völlig eindeutig und unzweifelhaft erfolgen (Hauck in Hennig, SGG, § 102 SGG RdNr 8, Stand April 2010). Dies ist hier aufgrund der rechtlichen Gegebenheiten und weiterer objektiver Begleitumstände nicht der Fall.

16

Zwar ist mit dem LSG davon auszugehen, dass die hier ihrem Wortlaut nach vorliegende Mitteilung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt werde, je nach prozessualer Konstellation eine Klagerücknahme, Berufungsrücknahme oder Annahme eines von der Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses sein kann, ohne dass von den Gerichten umfassende Überlegungen zu den Motiven der jeweiligen Erklärungen erwartet werden können. Die Abgabe einer derartigen Erklärung führt grundsätzlich zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 101 Abs 2 SGG, § 102 Abs 1 S 2 SGG; BSG Urteil vom 20.12.1995 - 6 RKa 18/95 - juris RdNr 11; vgl auch Hauck, SGb 2004, 407, 411). Dies bedeutet aber nicht, dass jeder Erledigungserklärung dieser Inhalt zugeordnet werden kann.

17

Der Schriftsatz der Klägerin vom 3.5.2013 bedurfte hier angesichts besonderer Umstände der Auslegung. Das LSG hätte berücksichtigen müssen, dass das Schreiben des Prozessbevollmächtigten an das SG Lübeck gerichtet war und in dem anhängigen Berufungsverfahren zunächst keine Wirkungen entfalten konnte. Nach der gesetzlichen Vorgabe des § 269 Abs 2 S 1 ZPO ist die Erklärung einer Klagerücknahme vielmehr an das Gericht zu richten, bei dem die Sache anhängig ist, also nach - wie hier - eingelegtem Rechtsmittel an das Rechtsmittelgericht(BSG Beschluss vom 27.9.1983 - 8 BK 16/82 - SozR 1500 § 102 Nr 5 S 1; Wehrhahn in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 102 RdNr 2; Eschner in Jansen, SGG, 4. Aufl 2012, § 102 RdNr 8). § 269 Abs 2 S 1 ZPO, wonach die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten dem Gericht gegenüber zu erklären sind, ist nach § 202 S 1 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden(Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 11. Aufl 2014, § 102 RdNr 7). Der Regelung des § 269 Abs 2 S 1 ZPO ist zu entnehmen, dass die Rücknahmeerklärung notwendig im anhängigen Verfahren(Zöller, ZPO, 31. Aufl 2016, § 269 RdNr 12a) abzugeben ist, in dem sie zur Auswirkung kommen soll (BGH Urteil vom 8.5.1981 - V ZR 75/80 - MDR 1981, 1002). Sie muss daher gegenüber dem Prozessgericht (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Aufl 2017, § 269 RdNr 27) erfolgen, also nach Rechtsmitteleinlegung gegenüber dem Rechtsmittelgericht (Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl 2008, § 269 RdNr 31), wovon auch das LSG ausgegangen ist.

18

Ausgehend hiervon und angesichts weiterer Umstände durften das SG und das LSG die Erklärung vom 3.5.2013 nicht ohne Weiteres dem nicht in Bezug genommenen Berufungsverfahren zuordnen bzw dieses Schreiben nicht ohne Nachfrage weiterleiten bzw auslegen. Entscheidend ist insoweit, dass objektive Begleitumstände vorlagen, die gegen eine Auslegung als Klage- oder Berufungsrücknahme in dem anhängigen Verfahren sprachen. So hätte für das SG vor Weiterleitung der Erklärung vom 3.5.2013 zumindest Veranlassung zu einer Rückfrage bei dem Prozessbevollmächtigen bestanden, weil zuvor - gleichfalls mit dem unzutreffenden Aktenzeichen S 40 AL 118/11 - ein Kostenfestsetzungsantrag vom 25.4.2013 eingegangen war, der inhaltlich in mehrfacher Hinsicht auf das weitere, inzwischen durch Anerkenntnis der Beklagten und Erledigungserklärung der Klägerin beendete Verfahren vor dem SG zu dem Aktenzeichen S 36 AL 242/10 Bezug nimmt. In einer Zusammenschau der mit einem unzutreffenden Aktenzeichen versehenen Schriftsätze war ohne Weiteres erkennbar, dass die Schriftsätze bzw Erklärungen sämtlich dem bereits seit längerem und weiterhin bei dem SG anhängigen Verfahren S 36 AL 242/10 zuzuordnen waren. Diese unzureichende Prüfung ist den Gerichten zuzurechnen.

19

Für eine abschließende Entscheidung des Senats fehlt es an tatsächlichen Feststellungen zu der von der Klägerin begehrten Aufhebung der Bescheide vom 10.1.2011 und 11.5.2011 idF des Widerspruchsbescheids vom 23.5.2011, insbesondere hinsichtlich des Umfangs der von der Klägerin ausgeübten Beschäftigung und einer grob fahrlässigen Verletzung von Mitteilungspflichten. Bei einer erneuten Entscheidung im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) In folgenden Verfahren wird die Verfahrensgebühr mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig:

1.
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten,
2.
in Sanierungs- und Reorganisationsverfahren nach dem Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz,
3.
in Insolvenzverfahren und in schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
3a.
in Verfahren nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz,
4.
in Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes und
5.
in Prozessverfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit.
Im Verfahren über ein Rechtsmittel, das vom Rechtsmittelgericht zugelassen worden ist, wird die Verfahrensgebühr mit der Zulassung fällig.

(2) Soweit die Gebühr eine Entscheidung oder sonstige gerichtliche Handlung voraussetzt, wird sie mit dieser fällig.

(3) In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen bestimmt sich die Fälligkeit der Kosten nach § 9.

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

Durch die Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

(1) Ansprüche auf Sozialleistungen verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind.

(2) Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß.

(3) Die Verjährung wird auch durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung oder durch Erhebung eines Widerspruchs gehemmt. Die Hemmung endet sechs Monate nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag oder den Widerspruch.

(4) (weggefallen)

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage,
2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger,
3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1),
4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird,
5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
6.
die Zustellung der Streitverkündung,
6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird,
7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens,
8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens,
9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird,
10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist,
11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens,
12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt,
13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und
14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.

(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(1) Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern.

(2) Das zur Befriedigung eines verjährten Anspruchs Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, auch wenn in Unkenntnis der Verjährung geleistet worden ist. Das Gleiche gilt von einem vertragsmäßigen Anerkenntnis sowie einer Sicherheitsleistung des Schuldners.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage,
2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger,
3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1),
4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird,
5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
6.
die Zustellung der Streitverkündung,
6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird,
7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens,
8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens,
9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird,
10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist,
11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens,
12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt,
13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und
14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.

(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(1) Gegen die Entscheidung über den Entschädigungsanspruch ist der Rechtsweg gegeben. Die Klage ist innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Entscheidung zu erheben. Für die Ansprüche auf Entschädigung sind die Zivilkammern der Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig.

(2) Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag ist der Anspruch nicht übertragbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 22/06
vom
30. November 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Eine Partei, die sich für bedürftig halten darf, wahrt die Frist des § 13 Abs. 1
Satz 2 StrEG auch durch einen vollständigen Prozesskostenhilfeantrag, wenn
die Klage unverzüglich nach der von ihr nicht verzögerten Entscheidung über
den Prozesskostenhilfeantrag zugestellt wird.
BGH, Beschluss vom 30. November 2006 - III ZB 22/06 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. November 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr
und Dr. Herrmann

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg, 4. Zivilsenat, vom 6. Februar 2006 - 4 W 2798/05 - aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die begehrte Prozesskostenhilfe an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Die Klägerin verlangt vom beklagten Freistaat eine Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 13. November 2003 stellte das Amtsgericht fest, dass die Klägerin wegen im Einzelnen beschriebener strafprozessualer Maßnahmen zu entschädigen sei. Mit am 7. April 2005 zugegangenem Bescheid vom 31. März 2005 lehnte der Generalstaatsanwalt den Entschädigungsantrag der Klägerin ab.
2
Die Klägerin reichte am 6. Juli 2005 beim Landgericht eine durch ihre Prozessbevollmächtigte unterzeichnete Klage und - in separatem Schriftsatz - einen Prozesskostenhilfeantrag ein, in dem es heißt, "die beabsichtigte Klage" habe hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zur Begründung wird auf die "anliegende Klage" Bezug genommen. In einer Stellungnahme zu dem Prozesskostenhilfeantrag machte der Beklagte mit Schriftsatz vom 9. August 2005 geltend, die Klage sei derzeit bei Gericht nicht anhängig und die Klageanträge seien nur unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt. Hierauf erklärte die Klägerin mit Schriftsatz vom 22. August 2005, dass die Klage bei Gericht anhängig sei und die Klageanträge nicht nur bedingt für den Fall der Prozesskostenhilfebewilligung gestellt worden seien. Auf Verfügung des Gerichts vom 29. August 2005, wie das Gesuch behandelt werden solle, wiederholte sie mit Schreiben vom 2. September 2005 diese Klarstellung und bat um Berechnung der Gerichtskosten. Nach Aufforderungen vom 16. und 28. September 2005 überwies sie den angeforderten Kostenvorschuss am 29. September 2005. Die Klage wurde sodann am 28. Oktober 2005 zugestellt.
3
Das Landgericht, das die Klage als nicht unbedingt erhoben behandelt hat, hat den Prozesskostenhilfeantrag am 5. Dezember 2005 zurückgewiesen, weil die Ausschlussfrist nach § 13 StrEG nicht gewahrt sei. Die Zustellung der Klage am 28. Oktober 2005 sei nicht mehr rechtzeitig im Sinne des § 167 ZPO erfolgt. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.


4
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Prozesskostenhilfe kann der Klägerin nicht mit der Begründung versagt werden, die Frist des § 13 StrEG sei durch die Zustellung der am 6. Juli 2005 bei Gericht eingegangenen Klage nicht gewahrt worden.
5
1. a) Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG ist die Klage, mit der die Entscheidung über den Entschädigungsanspruch im Rechtsweg zu überprüfen ist, innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Entscheidung zu erheben. Für die Erhebung der Klage kommt es nach § 253 Abs. 1 ZPO grundsätzlich auf deren Zustellung an. Soll durch die Zustellung - wie hier - eine Frist gewahrt werden, tritt diese Wirkung nach § 167 ZPO bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Diese Bestimmung ist auch auf die Klagefrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG anwendbar (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1983 - III ZR 154/81 - MDR 1983, 1002 f zu § 270 Abs. 3 ZPO a.F.).
6
b) Ob eine Zustellung "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt ist, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Danach soll die Partei bei der Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden. Denn derartige Verzögerungen liegen außerhalb ihres Einflussbereichs. Dagegen sind der Partei die Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können. Eine Zustellung "demnächst" nach der Einreichung oder Anbringung des zuzustellenden Antrags oder der zuzustellenden Erklärung bedeutet daher eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr "demnächst" erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges - auch leicht fahrlässiges - Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (vgl. Senatsurteil vom 7. April 1983 - III ZR 140/81 - VersR 1983, 661, 662; Senatsbeschluss vom 2. November 1989 - III ZR 181/88 - BGHR ZPO § 270 Abs. 3 demnächst 4; siehe auch BGHZ 145, 358, 362 m.w.N.).
7
Diese Grundsätze gelten auch bei Verzögerungen durch ein Prozesskostenhilfeverfahren. Deshalb wahrt die Einreichung der Klageschrift auch in diesem Fall rückwirkend die Frist, wenn die Klage nur unverzüglich nach der vom Kläger nicht verzögerten (positiven oder negativen) Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zugestellt wird (vgl. Senatsurteil vom 21. März 1991 - III ZR 94/89 - NJW 1991, 1745, 1746).
8
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist es bis zur Zustellung der Klage am 28. Oktober 2005 zu keinen nennenswerten Verzögerungen gekommen, die der Klägerin zuzurechnen wären.
9
a) In der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG ist hier nicht nur ein mit einem Prozesskostenhilfeantrag versehener Klageentwurf eingegangen, sondern bereits die von einem postulationsfähigen Anwalt unterzeichnete Klageschrift. Die Frage einer Einzahlung oder Anforderung eines Gerichtskostenvorschusses für die Zustellung der Klage stellte sich (zunächst) nicht, da die Klägerin mit der Stellung ihres Prozesskostenhilfeantrags deutlich machte, dass sie im Hinblick auf ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von entstehenden Ge- richtskosten befreit werden wollte. Dies setzte notwendigerweise eine nähere Prüfung ihres Prozesskostenhilfeantrags und - nach Maßgabe des § 118 Abs. 1 ZPO - eine Anhörung des Gegners voraus. Eine solche, im Bewilligungsverfahren angelegte Verzögerung steht der Möglichkeit einer (späteren) Zustellung "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO nicht entgegen. Die Klägerin war insoweit - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - auch nicht gehalten, einen Antrag nach § 14 Nr. 3 GKG zu stellen und auf diese Weise eine Zustellung ihrer Klage vor einer ihren Prozesskostenhilfeantrag bescheidenden Entscheidung herbeizuführen (a.A. Meyer, StrEG, 6. Aufl. 2005, § 13 Rn. 8). Weil das aus der Sicht der antragstellenden Partei unverzögerlich betriebene Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren eine Zustellung "demnächst" nicht ausschloss, stand für die Klägerin auch keine zu einem nicht zu ersetzenden Schaden - in der Gestalt eines Anspruchsverlustes - führende Verzögerung im Sinne des § 14 Nr. 3 Buchst. b GKG im Raum, die Anlass für eine entsprechende Antragstellung hätte geben müssen.
10
b) Die prozessuale Situation veränderte sich nicht dadurch, dass der Beklagte im Bewilligungsverfahren nach § 118 ZPO geltend machte, die Klage sei bei Gericht noch nicht anhängig und die Klageanträge seien nur unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt. Dass das erstere nicht zutraf, war den Akten ohne weiteres zu entnehmen. Die Vorinstanzen haben sich indes, ungeachtet der von der Klägerin alsbald vorgenommenen Klarstellung , die Klage sei nicht nur bedingt erhoben worden, auf den Standpunkt gestellt , die Klägerin habe keinen eindeutigen Willen zur unbedingten Klageerhebung erkennen lassen und sei darum für die Verzögerung verantwortlich, die sich aus der späten Einzahlung eines Gerichtskostenvorschusses ergeben habe. Dem ist nicht zu folgen.
11
aa) Die aus der Sicht der Vorinstanzen bestehende Unklarheit über die Vorgehensweise der Klägerin hat nicht zu einer beachtlichen Verzögerung des Verfahrens geführt. Gleichviel ob die Klägerin die Klage unbedingt erheben wollte oder ob sie (zunächst) nur eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag begehrte, waren dieselben prozessualen Schritte zu gehen. Mangels einer Vorschusszahlung und eines Antrags nach § 14 Nr. 3 GKG konnte die Klage in keinem Fall sofort zugestellt werden. Das Gericht hatte daher - wie geschehen - keine andere rechtliche Möglichkeit, als zunächst der Gegenseite Gelegenheit zu geben, sich zu dem Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin zu äußern. Der Senat teilt deshalb nicht die Auffassung des Beschwerdegerichts, aus der Übermittlung des Prozesskostenhilfeantrags an den Gegner habe die Klägerin entnehmen müssen, dass das Gericht nicht von einer unbedingt erhobenen Klage ausgegangen sei, und es habe für sie Anlass bestanden, wegen des Ausbleibens einer Kostenanforderung eine Nachfrage an das Gericht zu richten. Die Übermittlung ihres Antrags an die Gegenseite gab ihr keinen Hinweis auf ein Missverständnis des Gerichts. Mit einer sofortigen Zustellung der Klage konnte sie von vornherein nicht rechnen; auch das Unterbleiben einer Kostenanforderung war nicht "verdächtig", denn durch Stellung ihres Prozesskostenhilfeantrags wollte die Klägerin von der Entrichtung von Gerichtsgebühren gerade befreit werden. Sie hatte daher erst im Hinblick auf den Einwand der Gegenseite, die Klage sei noch nicht anhängig und die Klageanträge seien nur unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt, Anlass, eine klarstellende Erklärung abzugeben, die sie auf Anfrage des Gerichts noch einmal bekräftigt hat. Dann aber hätte, nachdem seit dem 6. Juli 2005 eine Klage bei den Akten war, im normalen Ablauf des Prozesskostenhilfeverfahrens ohne nennenswerte Verzögerung über diesen Antrag entschieden werden können. Insbesondere hatte die Klägerin ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bereits am 6. Juli 2005 unter Beifügung des Vordrucks, eines Bei- blatts und weiterer Belege über ihr Einkommen und ihre laufenden Belastungen ordnungsgemäß dargestellt, was ebenfalls in der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG zu geschehen hat (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 30. November 2006 - III ZB 23/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Dass das Landgericht mit Verfügung vom 9. September 2005 zur Glaubhaftmachung ihrer Belastungen die Vorlage weiterer Belege (über tatsächliche Leistungen anstelle der bislang vorgelegten Rechnungen) begehrte, ließ ihren Antrag nicht als ungenügend erscheinen. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, die Vorinstanzen hätten Prozesskostenhilfe aus Gründen des materiellen Rechts, zu denen sich nur die landgerichtliche Entscheidung am Rande verhält, verweigert, zeigt doch der weitere Verlauf, dass die Klägerin auf die Vorschussanforderung innerhalb einer Frist von weniger als 14 Tagen den Gerichtskostenvorschuss eingezahlt hat, um (notfalls) das Verfahren auf eigene Kosten durchzuführen. Dass es im Anschluss an die Vorschusszahlung erst am 28. Oktober 2005 zur Zustellung der Klage gekommen ist, ist eine der Klägerin nicht zurechenbare Verzögerung, die der Zustellung "demnächst" nicht entgegensteht.
12
bb) Im Übrigen ist eine andere Beurteilung auch dann nicht veranlasst, wenn man davon ausgehen wollte, die Klägerin habe in der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG noch keine unbedingte Klage erhoben, sondern zunächst nur einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt. Zwar genügt die Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags und seine Übermittlung an die Gegenseite für sich gesehen nicht, die Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG zu wahren (vgl. Meyer, aaO; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, Anhang 5 § 13 StrEG Rn. 1; BGHZ 98, 295, 298 zur Wahrung der Frist des § 12 Abs. 3 VVG). Insoweit kommt es vielmehr auf die Zustellung der Klage an. Das Kammergericht (KG-Report Berlin 2005, 168) hat erwogen, die Wertung des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB entsprechend heranzuziehen, der für die Veranlassung der Be- kanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe - neben einer Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) - eine eigenständige Möglichkeit der Verjährungshemmung eingeführt hat. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Zwar ist die entsprechende Anwendung einzelner Verjährungsvorschriften, insbesondere soweit sie Hemmungstatbestände betreffen, je nach dem Sinn und Zweck der in Rede stehenden Ausschlussfrist in Betracht zu ziehen (vgl. Senatsurteil BGHZ 79, 1, 2 zu § 12 StrEG und § 206 BGB a.F.). Ein Bedürfnis hierfür besteht indes nicht, weil den Interessen der finanziell unbemittelten Partei dadurch Rechnung getragen werden kann, dass sie innerhalb der Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG Prozesskostenhilfe beantragt und die Klage unverzüglich nach der von ihr nicht verzögerten (positiven oder negativen) Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zugestellt wird (so wohl auch OLG Schleswig JurBüro 2000, 208; Schätzler /Kunz, StrEG, 3. Aufl. 2003, § 13 Rn. 3). Dies hat der Bundesgerichtshof bereits für die Frist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG entschieden, wonach der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei wird, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht wird (vgl. BGHZ 98, 295, 299 ff; Urteil vom 8. März 1989 - IVa ZR 17/88 - NJW-RR 1989, 675).
13
Grundlage hierfür ist die Überlegung, dass es im Bereich der Verwirklichung des Rechtsschutzes der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebietet, die prozessuale Stellung von Bemittelten und Unbemittelten weitgehend anzugleichen (vgl. BVerfGE 81, 347, 356 m.w.N.). Es ist daher in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon früher anerkannt worden, dass ein ordnungsgemäß begründetes und vollständiges Armenrechtsgesuch, das am letzten Tag vor Ablauf der Frist bei Gericht eingereicht wird, die Hemmungswirkung des § 203 Abs. 2 BGB a.F. auslöst (vgl. BGHZ 70, 235, 237 ff). Verlangt die in Rede stehende Vorschrift darüber hinaus die Erhebung der Klage oder - dem weitgehend gleichbedeutend - die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs (vgl. BGHZ 98, 295; Senatsurteil vom 21. März 1991 - III ZR 94/89 - NJW 1991, 1745), muss hinzukommen, dass die unbemittelte Partei, soweit noch nicht geschehen , alsbald die Klage einreicht, sobald über das Prozesskostenhilfegesuch entschieden worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 1989 aaO). Sie bleibt daher auch bei Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags in der Pflicht, nach der Entscheidung über ihr Gesuch weiterhin alles ihr Zumutbare zu tun, damit die Klage "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO zugestellt werden kann.
14
Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb veranlasst, weil es sich bei dem hier verfolgten Anspruch um einen öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruch handelt. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es nicht, die Rechte der unbemittelten Partei gegenüber der bemittelten Partei in Ansehung der Wahrung der Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG zu schmälern. Eine Partei , die sich berechtigt für bedürftig halten darf, kann auch nicht allgemein darauf verwiesen werden, sie müsse bereits innerhalb der Ausschlussfrist eine Klage einreichen und einen Antrag nach § 14 Nr. 3 GKG stellen. Die Vorfinanzierung eines postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten, der eine entsprechende Klage unterzeichnen müsste, kann im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei nicht verlangt werden.
15
3. Da das Beschwerdegericht noch nicht geprüft hat, ob die Klage, was den geltend gemachten Entschädigungsanspruch angeht, in der Sache hinreichende Erfolgsaussicht hat, ist das Verfahren zur weiteren Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 05.12.2005 - 4 O 6608/05 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 06.02.2006 - 4 W 2798/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 23/06
vom
30. November 2006
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Stellt die Partei wegen einer beabsichtigten Klage auf Entschädigung für eine
Strafverfolgungsmaßnahme einen Prozesskostenhilfeantrag, ohne innerhalb
der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG ihre persönlichen und wirtschaftlichen
Voraussetzungen unter Verwendung des vorgeschriebenen Vordrucks und
unter Beifügung der erforderlichen Belege darzulegen, kommt ihr die Rückwirkung
der späteren Zustellung der Klage auf den Eingang ihres Gesuchs nicht
zugute.
BGH, Beschluss vom 30. November 2006 - III ZB 23/06 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. November 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr
und Dr. Herrmann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 1. Zivilsenat, vom 8. Februar 2006 - 1 W 104/05 - wird zurückgewiesen.

Gründe:


I.


1
Antragsteller Der verlangt von der beklagten Freien und Hansestadt Hamburg eine Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 21. Mai 2002 stellte das Amtsgericht fest, dass der Antragsteller wegen des durch den Vollzug der Untersuchungshaft erlittenen Schadens zu entschädigen sei. Mit am 9. Mai 2005 zugestelltem Bescheid vom 2. Mai 2005 lehnte die Justizbehörde den Entschädigungsantrag des Antragstellers ab.
2
Der Antragsteller reichte am 8. August 2005 beim Landgericht eine durch seine Prozessbevollmächtigte unterzeichnete „Klage sowie Antrag auf Prozesskostenhilfe“ ein. Am Ende der Klageschrift wird zum Prozesskostenhilfeantrag ausgeführt, der Antragsteller sei nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten des Rechtsstreits aufzubringen, da er von Arbeitslosengeld II lebe. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse werde umgehend nachgereicht. Dies geschah - nach gerichtlicher Aufforderung vom 6. Oktober 2005 - am 20. Oktober 2005. Mit Verfügung vom 9. August 2005 ist der Antragsgegnerin eine unbeglaubigte Abschrift der Klage mit dem Prozesskostenhilfeantrag mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zugeleitet worden. Die Klage ist noch nicht zugestellt worden.
3
Landgericht Das hat den Prozesskostenhilfeantrag am 21. November 2005 zurückgewiesen, weil die Prozessführung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Der Antragsteller habe die Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG versäumt. Ihm komme auch die Rückwirkungsfiktion des § 167 ZPO nicht zugute. Zu einer Zustellung "demnächst" könne es nicht mehr kommen, weil der Antragsteller innerhalb der zu wahrenden Frist keine Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht, sondern diese erst nach mehr als zwei Monaten nachgereicht habe. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.


4
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Prozesskostenhilfe kann dem Antragsteller nicht gewährt werden, weil die Vorinstanzen mit Recht davon ausgegangen sind, dass eine etwa noch vorzunehmende Zustellung der Klage die Frist des § 13 StrEG nicht wahrt.
5
1. a) Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG ist die Klage, mit der die Entscheidung über den Entschädigungsanspruch im Rechtsweg zu überprüfen ist, innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Entscheidung zu erheben. Für die Erhebung der Klage kommt es nach § 253 Abs. 1 ZPO grundsätzlich auf deren Zustellung an. Soll durch die Zustellung - wie hier - eine Frist gewahrt werden, tritt diese Wirkung nach § 167 ZPO bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Diese Bestimmung ist auch auf die Klagefrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG anwendbar (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1983 - III ZR 154/81 - MDR 1983, 1002 f zu § 270 Abs. 3 ZPO a.F.).
6
b) Ob eine Zustellung "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Danach soll die Partei bei der Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden. Denn derartige Verzögerungen liegen außerhalb ihres Einflussbereichs. Dagegen sind der Partei die Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können. Eine Zustellung "demnächst" nach der Einreichung oder Anbringung des zuzustellenden Antrags oder der zuzustellenden Erklärung bedeutet daher eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr "demnächst" erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges - auch leicht fahrlässiges - Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (vgl. Senatsurteil vom 7. April 1983 - III ZR 140/81 - VersR 1983, 661, 662; Senatsbeschluss vom 2. November 1989 - III ZR 181/88 - BGHR ZPO § 270 Abs. 3 demnächst 4; siehe auch BGHZ 145, 358, 362 m.w.N.).
7
Diese Grundsätze gelten auch bei Verzögerungen durch ein Prozesskostenhilfeverfahren. Deshalb wahrt die Einreichung der Klageschrift auch in diesem Fall rückwirkend die Frist, wenn die Klage nur unverzüglich nach der vom Kläger nicht verzögerten (positiven oder negativen) Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zugestellt wird (vgl. Senatsurteil vom 21. März 1991 - III ZR 94/89 - NJW 1991, 1745, 1746).
8
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist es hier aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, zu Verzögerungen gekommen, die es ausschließen , dass die Klage noch "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO zugestellt werden kann.
9
a) Zwar ist hier in der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG nicht nur ein mit einem Prozesskostenhilfeantrag versehener Klageentwurf eingegangen, sondern bereits die von einem postulationsfähigen Anwalt unterzeichnete Klageschrift. Die Frage einer Einzahlung oder Anforderung eines Gerichtskostenvorschusses für die Zustellung der Klage stellte sich nicht, da der Antragsteller mit der Stellung seines Prozesskostenhilfeantrags deutlich machte, dass er im Hinblick auf seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von entstehenden Gerichtskosten befreit werden wollte. Dies setzte notwendigerweise eine nähere Prüfung seines Prozesskostenhilfeantrags und - nach Maßgabe des § 118 Abs. 1 ZPO - eine Anhörung des Gegners voraus. Eine solche, im Bewilligungsverfahren angelegte Verzögerung steht der Möglichkeit einer (späteren) Zustellung "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO nicht entgegen.
10
b) Der Senat hat weiter durch Beschluss vom 30. November 2006 (III ZB 22/06 - für BGHZ vorgesehen) entschieden, eine unbemittelte Partei, die innerhalb der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG lediglich einen Prozesskostenhilfeantrag stelle, könne die Rückwirkung des § 167 ZPO in Anspruch nehmen, wenn sie alles ihr Zumutbare für die alsbaldige Zustellung der Klage tue. Zwar genügt die Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags und seine Übermittlung an die Gegenseite für sich gesehen nicht, die Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG zu wahren (vgl. Meyer, StrEG, 6. Aufl. 2005, § 13 Rn. 8; MeyerGoßner , StPO, 49. Aufl. 2006, Anhang 5 § 13 StrEG Rn. 1; BGHZ 98, 295, 298 zur Wahrung der Frist des § 12 Abs. 3 VVG). Insoweit kommt es - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - vielmehr auf die Zustellung der Klage an. Das Kammergericht (KG-Report Berlin 2005, 168) hat erwogen, die Wertung des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB entsprechend heranzuziehen, der für die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe - neben einer Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) - eine eigenständige Möglichkeit der Verjährungshemmung eingeführt hat. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Zwar ist die entsprechende Anwendung einzelner Verjährungsvorschriften, insbesondere soweit sie Hemmungstatbestände betreffen, je nach dem Sinn und Zweck der in Rede stehenden Ausschlussfrist in Betracht zu ziehen (vgl. Senatsurteil BGHZ 79, 1, 2 zu § 12 StrEG und § 206 BGB a.F.). Ein Bedürfnis hierfür besteht hier indes nicht, weil den Interessen der finanziell unbemittelten Partei dadurch Rechnung getragen werden kann, dass sie innerhalb der Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG Prozesskostenhilfe beantragt und die Klage unverzüglich nach der von ihr nicht verzögerten (positiven oder negativen) Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zugestellt wird (so wohl auch OLG Schleswig JurBüro 2000, 208; Schätzler/Kunz, StrEG, 3. Aufl. 2003, § 13 Rn. 3). Dies hat der Bundesgerichtshof bereits für die Frist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG entschieden, wonach der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei wird, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht wird (vgl. BGHZ 98, 295, 299 ff; Urteil vom 8. März 1989 - IVa ZR 17/88 - NJW-RR 1989, 675).
11
Grundlage hierfür ist die Überlegung, dass es im Bereich der Verwirklichung des Rechtsschutzes der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebietet, die prozessuale Stellung von Bemittelten und Unbemittelten weitgehend anzugleichen (vgl. BVerfGE 81, 347, 356 m.w.N.). Es ist daher in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon früher anerkannt worden, dass ein ordnungsgemäß begründetes und vollständiges Armenrechtsgesuch, das am letzten Tag vor Ablauf der Frist bei Gericht eingereicht wird, die Hemmungswirkung des § 203 Abs. 2 BGB a.F. auslöst (vgl. BGHZ 70, 235, 237 ff). Verlangt die in Rede stehende Vorschrift darüber hinaus die Erhebung der Klage oder - dem weitgehend gleichbedeutend - die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs (vgl. BGHZ 98, 295; Senatsurteil vom 21. März 1991 - III ZR 94/89 - NJW 1991, 1745), muss hinzukommen, dass die unbemittelte Partei, soweit noch nicht geschehen , alsbald die Klage einreicht, sobald über das Prozesskostenhilfegesuch entschieden worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 1989 aaO). Sie bleibt daher auch bei Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags in der Pflicht, nach der Entscheidung über ihr Gesuch weiterhin alles ihr Zumutbare zu tun, damit die Klage "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO zugestellt werden kann.
12
c) Mit Recht haben die Vorinstanzen dem Antragsteller aber als Säumnis zugerechnet, dass er seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG unter Einreichung des hierfür vorgesehenen Vordrucks (§ 117 Abs. 4 ZPO) und unter Beifügung der erforderlichen Belege dargelegt hat. Auch wenn dies den zeitlichen Ablauf des konkreten Prozesskostenhilfeverfahrens , in dem die Parteien über die Erfolgsaussicht der Klage mehrere Schriftsätze gewechselt haben, nicht hinausgezögert haben mag, gehört es zu den Pflichten einer unbemittelten Partei, in Fällen, in denen eine fristgebundene Prozesshandlung vorzunehmen ist, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe innerhalb der Frist ordnungsgemäß darzulegen. Das ist im Zusammenhang mit der Einlegung eines Rechtsmittels ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 148, 66, 69; Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2004 - III ZR 381/03 - FamRZ 2005, 196 f; Beschluss vom 6. Juli 2006 - IX ZA 10/06 - FamRZ 2006, 1522 f) und kann auch für die Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht anders beantwortet werden. Dass einer unbemittelten Partei unter solchen, von ihr zu vertretenden Umständen nicht die Wirkung des § 167 ZPO zugute kommen kann, hat auch das Bundesverfassungsgericht in einer Kammerentscheidung gebilligt (NJW 1994, 1853).
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 21.11.2005 - 303 O 436/05 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 08.02.2006 - 1 W 104/05 -

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 23/06
vom
30. November 2006
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Stellt die Partei wegen einer beabsichtigten Klage auf Entschädigung für eine
Strafverfolgungsmaßnahme einen Prozesskostenhilfeantrag, ohne innerhalb
der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG ihre persönlichen und wirtschaftlichen
Voraussetzungen unter Verwendung des vorgeschriebenen Vordrucks und
unter Beifügung der erforderlichen Belege darzulegen, kommt ihr die Rückwirkung
der späteren Zustellung der Klage auf den Eingang ihres Gesuchs nicht
zugute.
BGH, Beschluss vom 30. November 2006 - III ZB 23/06 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. November 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr
und Dr. Herrmann

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 1. Zivilsenat, vom 8. Februar 2006 - 1 W 104/05 - wird zurückgewiesen.

Gründe:


I.


1
Antragsteller Der verlangt von der beklagten Freien und Hansestadt Hamburg eine Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 21. Mai 2002 stellte das Amtsgericht fest, dass der Antragsteller wegen des durch den Vollzug der Untersuchungshaft erlittenen Schadens zu entschädigen sei. Mit am 9. Mai 2005 zugestelltem Bescheid vom 2. Mai 2005 lehnte die Justizbehörde den Entschädigungsantrag des Antragstellers ab.
2
Der Antragsteller reichte am 8. August 2005 beim Landgericht eine durch seine Prozessbevollmächtigte unterzeichnete „Klage sowie Antrag auf Prozesskostenhilfe“ ein. Am Ende der Klageschrift wird zum Prozesskostenhilfeantrag ausgeführt, der Antragsteller sei nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten des Rechtsstreits aufzubringen, da er von Arbeitslosengeld II lebe. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse werde umgehend nachgereicht. Dies geschah - nach gerichtlicher Aufforderung vom 6. Oktober 2005 - am 20. Oktober 2005. Mit Verfügung vom 9. August 2005 ist der Antragsgegnerin eine unbeglaubigte Abschrift der Klage mit dem Prozesskostenhilfeantrag mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zugeleitet worden. Die Klage ist noch nicht zugestellt worden.
3
Landgericht Das hat den Prozesskostenhilfeantrag am 21. November 2005 zurückgewiesen, weil die Prozessführung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Der Antragsteller habe die Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG versäumt. Ihm komme auch die Rückwirkungsfiktion des § 167 ZPO nicht zugute. Zu einer Zustellung "demnächst" könne es nicht mehr kommen, weil der Antragsteller innerhalb der zu wahrenden Frist keine Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht, sondern diese erst nach mehr als zwei Monaten nachgereicht habe. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.


4
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Prozesskostenhilfe kann dem Antragsteller nicht gewährt werden, weil die Vorinstanzen mit Recht davon ausgegangen sind, dass eine etwa noch vorzunehmende Zustellung der Klage die Frist des § 13 StrEG nicht wahrt.
5
1. a) Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG ist die Klage, mit der die Entscheidung über den Entschädigungsanspruch im Rechtsweg zu überprüfen ist, innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Entscheidung zu erheben. Für die Erhebung der Klage kommt es nach § 253 Abs. 1 ZPO grundsätzlich auf deren Zustellung an. Soll durch die Zustellung - wie hier - eine Frist gewahrt werden, tritt diese Wirkung nach § 167 ZPO bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Diese Bestimmung ist auch auf die Klagefrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG anwendbar (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1983 - III ZR 154/81 - MDR 1983, 1002 f zu § 270 Abs. 3 ZPO a.F.).
6
b) Ob eine Zustellung "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Danach soll die Partei bei der Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden. Denn derartige Verzögerungen liegen außerhalb ihres Einflussbereichs. Dagegen sind der Partei die Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können. Eine Zustellung "demnächst" nach der Einreichung oder Anbringung des zuzustellenden Antrags oder der zuzustellenden Erklärung bedeutet daher eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr "demnächst" erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges - auch leicht fahrlässiges - Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (vgl. Senatsurteil vom 7. April 1983 - III ZR 140/81 - VersR 1983, 661, 662; Senatsbeschluss vom 2. November 1989 - III ZR 181/88 - BGHR ZPO § 270 Abs. 3 demnächst 4; siehe auch BGHZ 145, 358, 362 m.w.N.).
7
Diese Grundsätze gelten auch bei Verzögerungen durch ein Prozesskostenhilfeverfahren. Deshalb wahrt die Einreichung der Klageschrift auch in diesem Fall rückwirkend die Frist, wenn die Klage nur unverzüglich nach der vom Kläger nicht verzögerten (positiven oder negativen) Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zugestellt wird (vgl. Senatsurteil vom 21. März 1991 - III ZR 94/89 - NJW 1991, 1745, 1746).
8
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist es hier aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, zu Verzögerungen gekommen, die es ausschließen , dass die Klage noch "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO zugestellt werden kann.
9
a) Zwar ist hier in der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG nicht nur ein mit einem Prozesskostenhilfeantrag versehener Klageentwurf eingegangen, sondern bereits die von einem postulationsfähigen Anwalt unterzeichnete Klageschrift. Die Frage einer Einzahlung oder Anforderung eines Gerichtskostenvorschusses für die Zustellung der Klage stellte sich nicht, da der Antragsteller mit der Stellung seines Prozesskostenhilfeantrags deutlich machte, dass er im Hinblick auf seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von entstehenden Gerichtskosten befreit werden wollte. Dies setzte notwendigerweise eine nähere Prüfung seines Prozesskostenhilfeantrags und - nach Maßgabe des § 118 Abs. 1 ZPO - eine Anhörung des Gegners voraus. Eine solche, im Bewilligungsverfahren angelegte Verzögerung steht der Möglichkeit einer (späteren) Zustellung "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO nicht entgegen.
10
b) Der Senat hat weiter durch Beschluss vom 30. November 2006 (III ZB 22/06 - für BGHZ vorgesehen) entschieden, eine unbemittelte Partei, die innerhalb der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG lediglich einen Prozesskostenhilfeantrag stelle, könne die Rückwirkung des § 167 ZPO in Anspruch nehmen, wenn sie alles ihr Zumutbare für die alsbaldige Zustellung der Klage tue. Zwar genügt die Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags und seine Übermittlung an die Gegenseite für sich gesehen nicht, die Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG zu wahren (vgl. Meyer, StrEG, 6. Aufl. 2005, § 13 Rn. 8; MeyerGoßner , StPO, 49. Aufl. 2006, Anhang 5 § 13 StrEG Rn. 1; BGHZ 98, 295, 298 zur Wahrung der Frist des § 12 Abs. 3 VVG). Insoweit kommt es - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - vielmehr auf die Zustellung der Klage an. Das Kammergericht (KG-Report Berlin 2005, 168) hat erwogen, die Wertung des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB entsprechend heranzuziehen, der für die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe - neben einer Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) - eine eigenständige Möglichkeit der Verjährungshemmung eingeführt hat. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Zwar ist die entsprechende Anwendung einzelner Verjährungsvorschriften, insbesondere soweit sie Hemmungstatbestände betreffen, je nach dem Sinn und Zweck der in Rede stehenden Ausschlussfrist in Betracht zu ziehen (vgl. Senatsurteil BGHZ 79, 1, 2 zu § 12 StrEG und § 206 BGB a.F.). Ein Bedürfnis hierfür besteht hier indes nicht, weil den Interessen der finanziell unbemittelten Partei dadurch Rechnung getragen werden kann, dass sie innerhalb der Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG Prozesskostenhilfe beantragt und die Klage unverzüglich nach der von ihr nicht verzögerten (positiven oder negativen) Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zugestellt wird (so wohl auch OLG Schleswig JurBüro 2000, 208; Schätzler/Kunz, StrEG, 3. Aufl. 2003, § 13 Rn. 3). Dies hat der Bundesgerichtshof bereits für die Frist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG entschieden, wonach der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei wird, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht wird (vgl. BGHZ 98, 295, 299 ff; Urteil vom 8. März 1989 - IVa ZR 17/88 - NJW-RR 1989, 675).
11
Grundlage hierfür ist die Überlegung, dass es im Bereich der Verwirklichung des Rechtsschutzes der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebietet, die prozessuale Stellung von Bemittelten und Unbemittelten weitgehend anzugleichen (vgl. BVerfGE 81, 347, 356 m.w.N.). Es ist daher in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon früher anerkannt worden, dass ein ordnungsgemäß begründetes und vollständiges Armenrechtsgesuch, das am letzten Tag vor Ablauf der Frist bei Gericht eingereicht wird, die Hemmungswirkung des § 203 Abs. 2 BGB a.F. auslöst (vgl. BGHZ 70, 235, 237 ff). Verlangt die in Rede stehende Vorschrift darüber hinaus die Erhebung der Klage oder - dem weitgehend gleichbedeutend - die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs (vgl. BGHZ 98, 295; Senatsurteil vom 21. März 1991 - III ZR 94/89 - NJW 1991, 1745), muss hinzukommen, dass die unbemittelte Partei, soweit noch nicht geschehen , alsbald die Klage einreicht, sobald über das Prozesskostenhilfegesuch entschieden worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 1989 aaO). Sie bleibt daher auch bei Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags in der Pflicht, nach der Entscheidung über ihr Gesuch weiterhin alles ihr Zumutbare zu tun, damit die Klage "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO zugestellt werden kann.
12
c) Mit Recht haben die Vorinstanzen dem Antragsteller aber als Säumnis zugerechnet, dass er seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG unter Einreichung des hierfür vorgesehenen Vordrucks (§ 117 Abs. 4 ZPO) und unter Beifügung der erforderlichen Belege dargelegt hat. Auch wenn dies den zeitlichen Ablauf des konkreten Prozesskostenhilfeverfahrens , in dem die Parteien über die Erfolgsaussicht der Klage mehrere Schriftsätze gewechselt haben, nicht hinausgezögert haben mag, gehört es zu den Pflichten einer unbemittelten Partei, in Fällen, in denen eine fristgebundene Prozesshandlung vorzunehmen ist, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe innerhalb der Frist ordnungsgemäß darzulegen. Das ist im Zusammenhang mit der Einlegung eines Rechtsmittels ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 148, 66, 69; Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2004 - III ZR 381/03 - FamRZ 2005, 196 f; Beschluss vom 6. Juli 2006 - IX ZA 10/06 - FamRZ 2006, 1522 f) und kann auch für die Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht anders beantwortet werden. Dass einer unbemittelten Partei unter solchen, von ihr zu vertretenden Umständen nicht die Wirkung des § 167 ZPO zugute kommen kann, hat auch das Bundesverfassungsgericht in einer Kammerentscheidung gebilligt (NJW 1994, 1853).
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 21.11.2005 - 303 O 436/05 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 08.02.2006 - 1 W 104/05 -

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage,
2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger,
3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1),
4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird,
5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
6.
die Zustellung der Streitverkündung,
6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird,
7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens,
8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens,
9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird,
10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist,
11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens,
12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt,
13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und
14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.

(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 22/06
vom
30. November 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Eine Partei, die sich für bedürftig halten darf, wahrt die Frist des § 13 Abs. 1
Satz 2 StrEG auch durch einen vollständigen Prozesskostenhilfeantrag, wenn
die Klage unverzüglich nach der von ihr nicht verzögerten Entscheidung über
den Prozesskostenhilfeantrag zugestellt wird.
BGH, Beschluss vom 30. November 2006 - III ZB 22/06 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. November 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr
und Dr. Herrmann

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg, 4. Zivilsenat, vom 6. Februar 2006 - 4 W 2798/05 - aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die begehrte Prozesskostenhilfe an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Die Klägerin verlangt vom beklagten Freistaat eine Entschädigung für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 13. November 2003 stellte das Amtsgericht fest, dass die Klägerin wegen im Einzelnen beschriebener strafprozessualer Maßnahmen zu entschädigen sei. Mit am 7. April 2005 zugegangenem Bescheid vom 31. März 2005 lehnte der Generalstaatsanwalt den Entschädigungsantrag der Klägerin ab.
2
Die Klägerin reichte am 6. Juli 2005 beim Landgericht eine durch ihre Prozessbevollmächtigte unterzeichnete Klage und - in separatem Schriftsatz - einen Prozesskostenhilfeantrag ein, in dem es heißt, "die beabsichtigte Klage" habe hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zur Begründung wird auf die "anliegende Klage" Bezug genommen. In einer Stellungnahme zu dem Prozesskostenhilfeantrag machte der Beklagte mit Schriftsatz vom 9. August 2005 geltend, die Klage sei derzeit bei Gericht nicht anhängig und die Klageanträge seien nur unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt. Hierauf erklärte die Klägerin mit Schriftsatz vom 22. August 2005, dass die Klage bei Gericht anhängig sei und die Klageanträge nicht nur bedingt für den Fall der Prozesskostenhilfebewilligung gestellt worden seien. Auf Verfügung des Gerichts vom 29. August 2005, wie das Gesuch behandelt werden solle, wiederholte sie mit Schreiben vom 2. September 2005 diese Klarstellung und bat um Berechnung der Gerichtskosten. Nach Aufforderungen vom 16. und 28. September 2005 überwies sie den angeforderten Kostenvorschuss am 29. September 2005. Die Klage wurde sodann am 28. Oktober 2005 zugestellt.
3
Das Landgericht, das die Klage als nicht unbedingt erhoben behandelt hat, hat den Prozesskostenhilfeantrag am 5. Dezember 2005 zurückgewiesen, weil die Ausschlussfrist nach § 13 StrEG nicht gewahrt sei. Die Zustellung der Klage am 28. Oktober 2005 sei nicht mehr rechtzeitig im Sinne des § 167 ZPO erfolgt. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.


4
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Prozesskostenhilfe kann der Klägerin nicht mit der Begründung versagt werden, die Frist des § 13 StrEG sei durch die Zustellung der am 6. Juli 2005 bei Gericht eingegangenen Klage nicht gewahrt worden.
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1. a) Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG ist die Klage, mit der die Entscheidung über den Entschädigungsanspruch im Rechtsweg zu überprüfen ist, innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Entscheidung zu erheben. Für die Erhebung der Klage kommt es nach § 253 Abs. 1 ZPO grundsätzlich auf deren Zustellung an. Soll durch die Zustellung - wie hier - eine Frist gewahrt werden, tritt diese Wirkung nach § 167 ZPO bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Diese Bestimmung ist auch auf die Klagefrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG anwendbar (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1983 - III ZR 154/81 - MDR 1983, 1002 f zu § 270 Abs. 3 ZPO a.F.).
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b) Ob eine Zustellung "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt ist, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Danach soll die Partei bei der Zustellung von Amts wegen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahrt werden. Denn derartige Verzögerungen liegen außerhalb ihres Einflussbereichs. Dagegen sind der Partei die Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei gewissenhafter Prozessführung hätte vermeiden können. Eine Zustellung "demnächst" nach der Einreichung oder Anbringung des zuzustellenden Antrags oder der zuzustellenden Erklärung bedeutet daher eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr "demnächst" erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges - auch leicht fahrlässiges - Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (vgl. Senatsurteil vom 7. April 1983 - III ZR 140/81 - VersR 1983, 661, 662; Senatsbeschluss vom 2. November 1989 - III ZR 181/88 - BGHR ZPO § 270 Abs. 3 demnächst 4; siehe auch BGHZ 145, 358, 362 m.w.N.).
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Diese Grundsätze gelten auch bei Verzögerungen durch ein Prozesskostenhilfeverfahren. Deshalb wahrt die Einreichung der Klageschrift auch in diesem Fall rückwirkend die Frist, wenn die Klage nur unverzüglich nach der vom Kläger nicht verzögerten (positiven oder negativen) Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zugestellt wird (vgl. Senatsurteil vom 21. März 1991 - III ZR 94/89 - NJW 1991, 1745, 1746).
8
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist es bis zur Zustellung der Klage am 28. Oktober 2005 zu keinen nennenswerten Verzögerungen gekommen, die der Klägerin zuzurechnen wären.
9
a) In der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG ist hier nicht nur ein mit einem Prozesskostenhilfeantrag versehener Klageentwurf eingegangen, sondern bereits die von einem postulationsfähigen Anwalt unterzeichnete Klageschrift. Die Frage einer Einzahlung oder Anforderung eines Gerichtskostenvorschusses für die Zustellung der Klage stellte sich (zunächst) nicht, da die Klägerin mit der Stellung ihres Prozesskostenhilfeantrags deutlich machte, dass sie im Hinblick auf ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von entstehenden Ge- richtskosten befreit werden wollte. Dies setzte notwendigerweise eine nähere Prüfung ihres Prozesskostenhilfeantrags und - nach Maßgabe des § 118 Abs. 1 ZPO - eine Anhörung des Gegners voraus. Eine solche, im Bewilligungsverfahren angelegte Verzögerung steht der Möglichkeit einer (späteren) Zustellung "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO nicht entgegen. Die Klägerin war insoweit - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - auch nicht gehalten, einen Antrag nach § 14 Nr. 3 GKG zu stellen und auf diese Weise eine Zustellung ihrer Klage vor einer ihren Prozesskostenhilfeantrag bescheidenden Entscheidung herbeizuführen (a.A. Meyer, StrEG, 6. Aufl. 2005, § 13 Rn. 8). Weil das aus der Sicht der antragstellenden Partei unverzögerlich betriebene Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren eine Zustellung "demnächst" nicht ausschloss, stand für die Klägerin auch keine zu einem nicht zu ersetzenden Schaden - in der Gestalt eines Anspruchsverlustes - führende Verzögerung im Sinne des § 14 Nr. 3 Buchst. b GKG im Raum, die Anlass für eine entsprechende Antragstellung hätte geben müssen.
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b) Die prozessuale Situation veränderte sich nicht dadurch, dass der Beklagte im Bewilligungsverfahren nach § 118 ZPO geltend machte, die Klage sei bei Gericht noch nicht anhängig und die Klageanträge seien nur unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt. Dass das erstere nicht zutraf, war den Akten ohne weiteres zu entnehmen. Die Vorinstanzen haben sich indes, ungeachtet der von der Klägerin alsbald vorgenommenen Klarstellung , die Klage sei nicht nur bedingt erhoben worden, auf den Standpunkt gestellt , die Klägerin habe keinen eindeutigen Willen zur unbedingten Klageerhebung erkennen lassen und sei darum für die Verzögerung verantwortlich, die sich aus der späten Einzahlung eines Gerichtskostenvorschusses ergeben habe. Dem ist nicht zu folgen.
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aa) Die aus der Sicht der Vorinstanzen bestehende Unklarheit über die Vorgehensweise der Klägerin hat nicht zu einer beachtlichen Verzögerung des Verfahrens geführt. Gleichviel ob die Klägerin die Klage unbedingt erheben wollte oder ob sie (zunächst) nur eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag begehrte, waren dieselben prozessualen Schritte zu gehen. Mangels einer Vorschusszahlung und eines Antrags nach § 14 Nr. 3 GKG konnte die Klage in keinem Fall sofort zugestellt werden. Das Gericht hatte daher - wie geschehen - keine andere rechtliche Möglichkeit, als zunächst der Gegenseite Gelegenheit zu geben, sich zu dem Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin zu äußern. Der Senat teilt deshalb nicht die Auffassung des Beschwerdegerichts, aus der Übermittlung des Prozesskostenhilfeantrags an den Gegner habe die Klägerin entnehmen müssen, dass das Gericht nicht von einer unbedingt erhobenen Klage ausgegangen sei, und es habe für sie Anlass bestanden, wegen des Ausbleibens einer Kostenanforderung eine Nachfrage an das Gericht zu richten. Die Übermittlung ihres Antrags an die Gegenseite gab ihr keinen Hinweis auf ein Missverständnis des Gerichts. Mit einer sofortigen Zustellung der Klage konnte sie von vornherein nicht rechnen; auch das Unterbleiben einer Kostenanforderung war nicht "verdächtig", denn durch Stellung ihres Prozesskostenhilfeantrags wollte die Klägerin von der Entrichtung von Gerichtsgebühren gerade befreit werden. Sie hatte daher erst im Hinblick auf den Einwand der Gegenseite, die Klage sei noch nicht anhängig und die Klageanträge seien nur unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt, Anlass, eine klarstellende Erklärung abzugeben, die sie auf Anfrage des Gerichts noch einmal bekräftigt hat. Dann aber hätte, nachdem seit dem 6. Juli 2005 eine Klage bei den Akten war, im normalen Ablauf des Prozesskostenhilfeverfahrens ohne nennenswerte Verzögerung über diesen Antrag entschieden werden können. Insbesondere hatte die Klägerin ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bereits am 6. Juli 2005 unter Beifügung des Vordrucks, eines Bei- blatts und weiterer Belege über ihr Einkommen und ihre laufenden Belastungen ordnungsgemäß dargestellt, was ebenfalls in der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG zu geschehen hat (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 30. November 2006 - III ZB 23/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Dass das Landgericht mit Verfügung vom 9. September 2005 zur Glaubhaftmachung ihrer Belastungen die Vorlage weiterer Belege (über tatsächliche Leistungen anstelle der bislang vorgelegten Rechnungen) begehrte, ließ ihren Antrag nicht als ungenügend erscheinen. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, die Vorinstanzen hätten Prozesskostenhilfe aus Gründen des materiellen Rechts, zu denen sich nur die landgerichtliche Entscheidung am Rande verhält, verweigert, zeigt doch der weitere Verlauf, dass die Klägerin auf die Vorschussanforderung innerhalb einer Frist von weniger als 14 Tagen den Gerichtskostenvorschuss eingezahlt hat, um (notfalls) das Verfahren auf eigene Kosten durchzuführen. Dass es im Anschluss an die Vorschusszahlung erst am 28. Oktober 2005 zur Zustellung der Klage gekommen ist, ist eine der Klägerin nicht zurechenbare Verzögerung, die der Zustellung "demnächst" nicht entgegensteht.
12
bb) Im Übrigen ist eine andere Beurteilung auch dann nicht veranlasst, wenn man davon ausgehen wollte, die Klägerin habe in der Frist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG noch keine unbedingte Klage erhoben, sondern zunächst nur einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt. Zwar genügt die Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags und seine Übermittlung an die Gegenseite für sich gesehen nicht, die Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG zu wahren (vgl. Meyer, aaO; Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. 2006, Anhang 5 § 13 StrEG Rn. 1; BGHZ 98, 295, 298 zur Wahrung der Frist des § 12 Abs. 3 VVG). Insoweit kommt es vielmehr auf die Zustellung der Klage an. Das Kammergericht (KG-Report Berlin 2005, 168) hat erwogen, die Wertung des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB entsprechend heranzuziehen, der für die Veranlassung der Be- kanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe - neben einer Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) - eine eigenständige Möglichkeit der Verjährungshemmung eingeführt hat. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Zwar ist die entsprechende Anwendung einzelner Verjährungsvorschriften, insbesondere soweit sie Hemmungstatbestände betreffen, je nach dem Sinn und Zweck der in Rede stehenden Ausschlussfrist in Betracht zu ziehen (vgl. Senatsurteil BGHZ 79, 1, 2 zu § 12 StrEG und § 206 BGB a.F.). Ein Bedürfnis hierfür besteht indes nicht, weil den Interessen der finanziell unbemittelten Partei dadurch Rechnung getragen werden kann, dass sie innerhalb der Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG Prozesskostenhilfe beantragt und die Klage unverzüglich nach der von ihr nicht verzögerten (positiven oder negativen) Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zugestellt wird (so wohl auch OLG Schleswig JurBüro 2000, 208; Schätzler /Kunz, StrEG, 3. Aufl. 2003, § 13 Rn. 3). Dies hat der Bundesgerichtshof bereits für die Frist des § 12 Abs. 3 Satz 1 VVG entschieden, wonach der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei wird, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht wird (vgl. BGHZ 98, 295, 299 ff; Urteil vom 8. März 1989 - IVa ZR 17/88 - NJW-RR 1989, 675).
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Grundlage hierfür ist die Überlegung, dass es im Bereich der Verwirklichung des Rechtsschutzes der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebietet, die prozessuale Stellung von Bemittelten und Unbemittelten weitgehend anzugleichen (vgl. BVerfGE 81, 347, 356 m.w.N.). Es ist daher in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon früher anerkannt worden, dass ein ordnungsgemäß begründetes und vollständiges Armenrechtsgesuch, das am letzten Tag vor Ablauf der Frist bei Gericht eingereicht wird, die Hemmungswirkung des § 203 Abs. 2 BGB a.F. auslöst (vgl. BGHZ 70, 235, 237 ff). Verlangt die in Rede stehende Vorschrift darüber hinaus die Erhebung der Klage oder - dem weitgehend gleichbedeutend - die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs (vgl. BGHZ 98, 295; Senatsurteil vom 21. März 1991 - III ZR 94/89 - NJW 1991, 1745), muss hinzukommen, dass die unbemittelte Partei, soweit noch nicht geschehen , alsbald die Klage einreicht, sobald über das Prozesskostenhilfegesuch entschieden worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 1989 aaO). Sie bleibt daher auch bei Stellung eines Prozesskostenhilfeantrags in der Pflicht, nach der Entscheidung über ihr Gesuch weiterhin alles ihr Zumutbare zu tun, damit die Klage "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO zugestellt werden kann.
14
Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb veranlasst, weil es sich bei dem hier verfolgten Anspruch um einen öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruch handelt. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt es nicht, die Rechte der unbemittelten Partei gegenüber der bemittelten Partei in Ansehung der Wahrung der Ausschlussfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 StrEG zu schmälern. Eine Partei , die sich berechtigt für bedürftig halten darf, kann auch nicht allgemein darauf verwiesen werden, sie müsse bereits innerhalb der Ausschlussfrist eine Klage einreichen und einen Antrag nach § 14 Nr. 3 GKG stellen. Die Vorfinanzierung eines postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten, der eine entsprechende Klage unterzeichnen müsste, kann im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei nicht verlangt werden.
15
3. Da das Beschwerdegericht noch nicht geprüft hat, ob die Klage, was den geltend gemachten Entschädigungsanspruch angeht, in der Sache hinreichende Erfolgsaussicht hat, ist das Verfahren zur weiteren Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Herrmann
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 05.12.2005 - 4 O 6608/05 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 06.02.2006 - 4 W 2798/05 -

(1) Gegen die Entscheidung über den Entschädigungsanspruch ist der Rechtsweg gegeben. Die Klage ist innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Entscheidung zu erheben. Für die Ansprüche auf Entschädigung sind die Zivilkammern der Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig.

(2) Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag ist der Anspruch nicht übertragbar.

(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.

(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 67 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Behörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

(5) Die Wiedereinsetzung ist unzulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.