Bundessozialgericht Urteil, 23. Feb. 2017 - B 11 AL 2/16 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:230217UB11AL216R0
bei uns veröffentlicht am23.02.2017

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. Dezember 2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob eine Prozesserklärung der Klägerin den Rechtsstreit um die Aufhebung und Erstattung von Alg beendet hat.

2

Die Klägerin bezog vorläufiges Alg seit dem 17.7.2010 und nahm ab 20.9.2010 eine Teilzeittätigkeit auf. Die beklagte Agentur für Arbeit hob daraufhin die Alg-Bewilligung ab 15.11.2010 auf und forderte die Erstattung überzahlter Leistungen (Bescheide vom 10.1.2011 und 11.5.2011; Widerspruchsbescheid vom 23.5.2011). Die vor dem SG Lübeck erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Urteil vom 28.11.2012 - S 40 AL 118/11). Die Berufung der Klägerin (L 3 AL 1/13) hat deren Prozessbevollmächtigter mit einem fünfseitigen Schriftsatz vom 4.4.2013 (Posteingang beim LSG am 8.4.2013) und Ausführungen zu einer nur geringfügigen Zeitüberschreitung bei der für die Annahme des Wegfalls der Arbeitslosigkeit maßgebenden 15-Stunden-Grenze sowie fehlender grober Fahrlässigkeit hinsichtlich der Verletzung von Mitteilungspflichten begründet.

3

Am 15.5.2013 ist bei dem Berufungsgericht eine vom SG Lübeck übersandte Abschrift eines Schreibens des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 3.5.2013 an das erstinstanzliche Gericht mit Hinweis auf das Aktenzeichen S 40 AL 118/11 eingegangen. Dieses Schreiben, nach dessen Inhalt "der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt" wurde, war am 6.5.2013 bei dem SG eingegangen. Auf der Grundlage dieses Schreibens hat das LSG das anhängige Verfahren (L 3 AL 1/13) ausgetragen und die Akte an das SG zurückgesandt.

4

Zeitgleich war beim SG Lübeck unter dem Aktenzeichen S 36 AL 242/10 ein älteres Verfahren in einer anderen Kammer anhängig, in dem um die mit einer fehlenden Arbeitsfähigkeit der Klägerin begründete Ablehnung eines Antrages auf Alg ab dem 1.7.2010 gestritten wurde (Bescheid vom 11.8.2010; Widerspruchsbescheid vom 20.10.2010). Nach Einholung eines Gutachtens bewilligte die Beklagte Alg für die Zeit vom 1.7. bis 16.7.2010 und erklärte sich zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits bereit (Schriftsatz vom 18.1.2013, eingegangen beim SG am 22.1.2013). Auf den Einwand des Prozessbevollmächtigten, die Beklagte wolle nur die Kosten des Rechtsstreits ohne Vorverfahrenskosten übernehmen (Schreiben vom 20.3.2013, eingegangen am 21.3.2013), verwies das SG auf das Schreiben der Beklagten vom 28.2.2013, wonach auch die Kosten für das Vorverfahren umfasst waren.

5

Mit den beiden Schreiben vom 3.6.2013 an das SG erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu den Aktenzeichen S 36 AL 242/10 (Eingang am 5.7.2013) sowie S 40 AL 118/11 (Eingang am 30.7.2013), dass sein Kostenfestsetzungsantrag vom 25.4.2013 und seine Erledigungserklärung vom 3.5.2013 zu dem Aktenzeichen S 36 AL 242/10 hätten eingereicht werden sollen und es sich bei dem in beiden Schreiben tatsächlich angegebenen Aktenzeichen S 40 AL 118/11 um ein Versehen gehandelt habe.

6

Nachdem das LSG der Beklagten in dem streitigen Verfahren L 3 AL 1/13 mitgeteilt hatte, dass dieses Verfahren aufgrund des Schreibens vom 3.5.2013 erledigt sei (Schreiben des LSG vom 23.5.2013), hat die Klägerin gegenüber dem LSG erklärt, dass keine Erledigungserklärung abgegeben worden sei. Das Berufungsverfahren solle fortgeführt werden.

7

Nach erneuter Eintragung des Verfahrens hat das LSG festgestellt, dass der Rechtsstreit durch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 3.5.2013 in der Hauptsache erledigt sei (Urteil vom 11.12.2015). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Erklärung sei als Klagerücknahme auszulegen, weil mit ihr unzweideutig zum Ausdruck gebracht worden sei, dass die Klägerin von ihrem Rechtsschutzbegehren Abstand nehme. Auf die materielle Rechtslage komme es nicht an, weil die Klägerin dispositionsbefugt sei. Die Erledigungserklärung binde das Gericht und die Beteiligten auch dann, wenn der Rechtsstreit materiell nicht erledigt sei. Die Voraussetzungen für einen nur ausnahmsweise möglichen Widerruf einer Prozesserklärung seien offensichtlich nicht erfüllt. Durch die Weiterleitung der Erklärung an das zuständige LSG sei die Erledigungserklärung mit Eingang am 15.5.2013 wirksam geworden. Anhaltspunkte dafür, dass die Rücknahmeerklärung nur gegenüber dem unzuständigen Gericht habe erfolgen sollen, seien nicht gegeben. Weder für die Beklagte noch für das LSG, dem schon die Tatsache eines weiteren Rechtsstreits der Klägerin nicht bekannt gewesen sei, sei ein entgegenstehender Wille oder Irrtum des Prozessbevollmächtigten bekannt oder erkennbar gewesen.

8

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 102, 103 SGG. Die Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen erfordere, dass das SG bei objektiv bestehenden Unklarheiten von Prozesserklärungen - diese seien hier offenkundig - nachfragen und den Sachverhalt weiter aufklären müsse. Die Auslegung der Erklärung vom 3.5.2013 als auf das streitige Verfahren bezogene Klagerücknahme sei aus mehreren Gründen unzutreffend. Es sei nur eine Erledigungserklärung abgegeben worden, die nicht mit einer Klagerücknahme gleichzusetzen sei. Eine Klagerücknahme ergebe sich nach der für das Berufungsgericht erkennbaren "prozessualen Konstellation" ersichtlich nicht, weil die Berufung gegen das Urteil des SG Lübeck vom 28.11.2012 (Az S 40 AL 118/11) kurz zuvor am 4.4.2013 und zudem gegenüber dem LSG begründet worden sei. Auch sei kein erledigendes Ereignis eingetreten. Zudem sei die Erledigungserklärung auch nicht gegenüber dem zuständigen Gericht abgegeben worden.

9

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
das Berufungsurteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. Dez. 2015, Aktenzeichen: L 3 AL 49/13 abzuändern mit der Maßgabe, dass das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht das Berufungsverfahren zum Aktenzeichen L 3 AL 1/13 (alt) fortzuführen hat, hilfsweise auch das Verfahren L 3 AL 49/13 und das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 28. Nov. 2012 sowie den Bescheid vom 10. Jan. 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2011 aufzuheben.

10

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Sie verweist auf die angefochtene Entscheidung. Das SG habe den in Rede stehenden Schriftsatz der Klägerin vom 3.5.2013 an das LSG weiterreichen müssen, ohne dass es einer vorherigen Rückfrage bei dem Prozessbevollmächtigen bedurft habe.

Entscheidungsgründe

12

Der Senat konnte trotz fehlender Vertretung der Klägerin im Termin vom 23.2.2017 mündlich verhandeln und entscheiden, weil sie in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 165 S 1, § 153 Abs 1, § 110 Abs 1 S 2 SGG).

13

Die Revision der Klägerin hat im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung Erfolg (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Die bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG lassen eine abschließende Entscheidung des Senats nicht zu.

14

Das LSG hat zu Unrecht festgestellt, dass sich das Verfahren durch die Erklärung des Prozessbevollmächtigten vom 3.5.2013 durch Klagerücknahme erledigt hat (§ 102 Abs 1 SGG). Mit ihrer Revision macht die Klägerin zu Recht geltend, dass die Auslegung dieser Erklärung durch das Berufungsgericht Bundesrecht verletzt (§ 162 SGG), insbesondere den in § 133 BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken, der auch im öffentlichen Recht und Prozessrecht gilt(vgl BSG Urteil vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R - juris RdNr 20).

15

Bei Prozesserklärungen hat das Revisionsgericht - anders als bei materiell-rechtlichen Erklärungen - die Auslegung der fraglichen Erklärung durch die Instanzgerichte in vollem Umfang zu überprüfen, also das wirklich Gewollte, das in der Äußerung erkennbar ist, zu ermitteln. Dies folgt aus dem in § 133 BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken, der auch im öffentlichen Recht und Prozessrecht gilt. Bei der Auslegung von Erklärungen ist nicht am Wortlaut zu haften, sondern der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen (BSG Urteil vom 29.5.1980 - 9 RV 8/80 - juris RdNr 8; BSG Urteil vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R - juris RdNr 21; BSG Beschluss vom 8.11.2005 - B 1 KR 76/05 B - SozR 4-1500 § 158 Nr 2, RdNr 6; BSG Beschluss vom 23.6.2015 - B 1 KR 18/15 B - juris RdNr 4). Auch die Begleitumstände einer Erklärung sind von Bedeutung (BSG Urteil vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R - juris RdNr 21). Vor diesem Hintergrund muss eine Klagerücknahme unmissverständlich, völlig eindeutig und unzweifelhaft erfolgen (Hauck in Hennig, SGG, § 102 SGG RdNr 8, Stand April 2010). Dies ist hier aufgrund der rechtlichen Gegebenheiten und weiterer objektiver Begleitumstände nicht der Fall.

16

Zwar ist mit dem LSG davon auszugehen, dass die hier ihrem Wortlaut nach vorliegende Mitteilung, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt werde, je nach prozessualer Konstellation eine Klagerücknahme, Berufungsrücknahme oder Annahme eines von der Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses sein kann, ohne dass von den Gerichten umfassende Überlegungen zu den Motiven der jeweiligen Erklärungen erwartet werden können. Die Abgabe einer derartigen Erklärung führt grundsätzlich zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 101 Abs 2 SGG, § 102 Abs 1 S 2 SGG; BSG Urteil vom 20.12.1995 - 6 RKa 18/95 - juris RdNr 11; vgl auch Hauck, SGb 2004, 407, 411). Dies bedeutet aber nicht, dass jeder Erledigungserklärung dieser Inhalt zugeordnet werden kann.

17

Der Schriftsatz der Klägerin vom 3.5.2013 bedurfte hier angesichts besonderer Umstände der Auslegung. Das LSG hätte berücksichtigen müssen, dass das Schreiben des Prozessbevollmächtigten an das SG Lübeck gerichtet war und in dem anhängigen Berufungsverfahren zunächst keine Wirkungen entfalten konnte. Nach der gesetzlichen Vorgabe des § 269 Abs 2 S 1 ZPO ist die Erklärung einer Klagerücknahme vielmehr an das Gericht zu richten, bei dem die Sache anhängig ist, also nach - wie hier - eingelegtem Rechtsmittel an das Rechtsmittelgericht(BSG Beschluss vom 27.9.1983 - 8 BK 16/82 - SozR 1500 § 102 Nr 5 S 1; Wehrhahn in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 102 RdNr 2; Eschner in Jansen, SGG, 4. Aufl 2012, § 102 RdNr 8). § 269 Abs 2 S 1 ZPO, wonach die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten dem Gericht gegenüber zu erklären sind, ist nach § 202 S 1 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden(Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 11. Aufl 2014, § 102 RdNr 7). Der Regelung des § 269 Abs 2 S 1 ZPO ist zu entnehmen, dass die Rücknahmeerklärung notwendig im anhängigen Verfahren(Zöller, ZPO, 31. Aufl 2016, § 269 RdNr 12a) abzugeben ist, in dem sie zur Auswirkung kommen soll (BGH Urteil vom 8.5.1981 - V ZR 75/80 - MDR 1981, 1002). Sie muss daher gegenüber dem Prozessgericht (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 75. Aufl 2017, § 269 RdNr 27) erfolgen, also nach Rechtsmitteleinlegung gegenüber dem Rechtsmittelgericht (Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl 2008, § 269 RdNr 31), wovon auch das LSG ausgegangen ist.

18

Ausgehend hiervon und angesichts weiterer Umstände durften das SG und das LSG die Erklärung vom 3.5.2013 nicht ohne Weiteres dem nicht in Bezug genommenen Berufungsverfahren zuordnen bzw dieses Schreiben nicht ohne Nachfrage weiterleiten bzw auslegen. Entscheidend ist insoweit, dass objektive Begleitumstände vorlagen, die gegen eine Auslegung als Klage- oder Berufungsrücknahme in dem anhängigen Verfahren sprachen. So hätte für das SG vor Weiterleitung der Erklärung vom 3.5.2013 zumindest Veranlassung zu einer Rückfrage bei dem Prozessbevollmächtigen bestanden, weil zuvor - gleichfalls mit dem unzutreffenden Aktenzeichen S 40 AL 118/11 - ein Kostenfestsetzungsantrag vom 25.4.2013 eingegangen war, der inhaltlich in mehrfacher Hinsicht auf das weitere, inzwischen durch Anerkenntnis der Beklagten und Erledigungserklärung der Klägerin beendete Verfahren vor dem SG zu dem Aktenzeichen S 36 AL 242/10 Bezug nimmt. In einer Zusammenschau der mit einem unzutreffenden Aktenzeichen versehenen Schriftsätze war ohne Weiteres erkennbar, dass die Schriftsätze bzw Erklärungen sämtlich dem bereits seit längerem und weiterhin bei dem SG anhängigen Verfahren S 36 AL 242/10 zuzuordnen waren. Diese unzureichende Prüfung ist den Gerichten zuzurechnen.

19

Für eine abschließende Entscheidung des Senats fehlt es an tatsächlichen Feststellungen zu der von der Klägerin begehrten Aufhebung der Bescheide vom 10.1.2011 und 11.5.2011 idF des Widerspruchsbescheids vom 23.5.2011, insbesondere hinsichtlich des Umfangs der von der Klägerin ausgeübten Beschäftigung und einer grob fahrlässigen Verletzung von Mitteilungspflichten. Bei einer erneuten Entscheidung im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Zivilprozessordnung - ZPO | § 269 Klagerücknahme


(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden. (2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, a

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 103


Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 170


(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision eb

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 162


Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezir

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 102


(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache. (2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länge

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 101


(1) Um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen, können die Beteiligten zu Protokoll des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegensta

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 165


Für die Revision gelten die Vorschriften über die Berufung entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. § 153 Abs. 2 und 4 sowie § 155 Abs. 2 bis 4 finden keine Anwendung.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 110


(1) Der Vorsitzende bestimmt Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung und teilt sie den Beteiligten in der Regel zwei Wochen vorher mit. Die Beteiligten sind darauf hinzuweisen, daß im Falle ihres Ausbleibens nach Lage der Akten entschieden werden kan

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bei uns veröffentlicht am 07.03.2018

Tenor I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.02.2017 wird zurückgewiesen II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 07. März 2018 - L 11 AS 281/17

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Tenor I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.02.2017 wird zurückgewiesen II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 07. März 2018 - L 11 AS 280/17

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bei uns veröffentlicht am 21.03.2018

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Juni 2017 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache durch die Prozesserklärung der Klägerin vom 3. Mai 2013 wirksam erledigt ist.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

In dem Verfahren S 40 AL 118/11 vor dem Sozialgericht Lübeck stritten die Beteiligten über die Aufhebung und Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg).

2

Die 1956 geborene Klägerin bezog (vorläufiges) Alg seit dem 17. Juli 2010 (für 450 Tage) und nahm währenddessen eine Teilzeittätigkeit ab dem 20. September 2010 auf. Die Nebenverdienstbescheinigungen wiesen eine Beschäftigung von mehr als 15 Stunden wöchentlich aus. Mit dem angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10. Januar 2011 hob die Beklagte die Leistungsbewilligung ab dem 1. Oktober 2010 auf und forderte überzahlte Leistungen in Höhe von rd. 1.190,00 EUR für die Monate Oktober und November 2010 zurück. Mit Änderungsbescheid vom 11. Mai 2011 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober 2010 bis 14. November 2010 wiederum Leistungen und wies im Übrigen den von der Klägerin erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2011 zurück, weil die Klägerin ab dem 15. November 2010 wöchentlich mehr als 15 Stunden gearbeitet habe. Den Erstattungsbetrag minderte die Beklagte auf 317,92 EUR. Mit der am 27. Juni 2011 vor dem Sozialgericht Lübeck erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und im Wesentlichen damit begründet, dass sie zu keinem Zeitpunkt so viel habe arbeiten wollen, dass der Alg-Anspruch entfalle.

3

Die Klägerin hat nach Aktenlage beantragt,

4

den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2011 in der Fassung des Widerspruchbescheids vom 23. Mai 2011 aufzuheben.

5

Die Beklagte hat beantragt,

6

die Klage abzuweisen.

7

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28. November 2012 hat das Sozialgericht mit Urteil vom gleichen Tag die Klage abgewiesen, weil der Klägerin ab dem 15. November 2010 kein Anspruch auf Alg mangels Beschäftigungslosigkeit zustehe. Auch handele es sich bei der Überschreitung der Arbeitszeit nicht um eine solche von geringer Dauer. Das Urteil ist der Klägerin am 7. Dezember 2012 zugegangen. Hiergegen hat die Klägerin am 4. Januar 2013 Berufung bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt.

8

Unter dem Aktenzeichen S 36 AL 242/10 war ein weiteres sozialgerichtliches Verfahren beim Sozialgericht Lübeck anhängig, in dem es um die Ablehnung eines Antrages auf Gewährung von Alg ab dem 1. Juli 2010 ging (Bescheid vom 11. August 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2010). Die Ablehnung erfolgt im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Klägerin nicht arbeitsfähig sei. Nach Einholung eines medizinischen Gutachtens vom 1. Dezember 2012 erkannte die Beklagte den Anspruch der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli bis 16. Juli 2010 an und erklärte sich im gleichen Schriftsatz vom 18. Januar 2013 (Eingang am 22. Januar 2013) zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits dem Grunde nach bereit. Mit weiterem Schreiben vom 28. Februar 2013 (Eingang am 1. März 2013) erklärte sich die Beklagte dem Grunde nach zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten auch für das Vorverfahren bereit. Nachdem der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 20. März 2013 (Eingang 21. März 2013) sich dagegen wandte, dass die Beklagte nur die Kosten die Kosten des Rechtsstreits ohne Vorverfahrenskosten übernehmen wolle, wies das Sozialgericht auf das Beklagtenschreiben vom 28. Februar 2013 hin. Mit Schreiben vom 3. Juni 2013 (Eingang am 5. Juli 2013) erklärte der Prozessbevollmächtigte zum Aktenzeichen S 36 AL 242/10, dass seine Schreiben vom 25. April [Kostenfestsetzungsantrag] und 3. Mai 2013 [Erledigungserklärung – dazu siehe unten –] selbstverständlich zu diesem Aktenzeichen hätten eingereicht werden sollen und es sich bei dem tatsächlich angegebenen Aktenzeichen S 40 AL 118/11 um ein Versehen handele.

9

In dem Berufungsverfahren L 3 AL 1/13 (S 40 AL 118/11) begründete die Klägerin die Berufung mit Schriftsatz vom 4. April 2013 und beantragte die Aufhebung des Bescheids vom 10. Januar 2011 in der Fassung des Widerspruchbescheids vom 23. Mai 2011. Die zunächst per Fax übersandte Berufungsbegründung erfolgte am 8. April 2013 per Post. Am 15. Mai 2013 ging beim LSG die vom SG Lübeck übersandte Abschrift eines Schreibens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 3. Mai 2013 mit der Bitte um weitere Veranlassung ein. Dabei handelte es sich um eine am 6. Mai 2013 an das Sozialgericht zu dem erstinstanzlichen Aktenzeichen S 40 AL 118/11 erfolgte Erledigungserklärung in der Hauptsache in dem Rechtsstreit der Klägerin gegen die Bundesagentur für Arbeit. Weitere Zusätze enthielt das unterschriebene Schreiben nicht. Das Berufungsverfahren wurde von Seiten des LSG ausgetragen und die Akte an das Sozialgericht Lübeck zurückgesandt, die dort am 28. Mai 2013 einging. Mit Schreiben vom 23. Mai 2013 teilte das LSG der Beklagten mit, dass das Verfahren aufgrund der Ablichtung des mit übersandten Schreibens der Rechtsanwälte vom 3. Mai 2013 für erledigt erklärt worden und das Verfahren damit erledigt sei.

10

Am 5. November 2013 ging beim LSG das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein, in welchem diese unter Bezugnahme auf das Schreiben des LSG vom 23. Mai 2013 an die Beklagte erklärten, dass dieses Schreiben unzutreffend und gegenüber dem Senat keinerlei Erledigungserklärung abgegeben worden sei. Lediglich in einer anderen vor dem Sozialgericht Lübeck vormals anhängigen Rechtsstreitigkeit der Klägerin zum Aktenzeichen S 40 AL 118/11 sei eine Erledigungserklärung in der Hauptsache mit Schriftsatz vom 3. Mai 2013 abgegeben worden. Richtigerweise hätte das Aktenzeichen S 36 AL 242/10 angegeben werden müssen. Das Berufungsverfahren solle fortgeführt werden. Beigefügt war eine Abschrift der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 3. Juni 2013 (Eingang beim Sozialgericht Lübeck am 30. Juli 2013), in dem zu dem Aktenzeichen S 40 AL 118/11 mitgeteilt wurde, dass die Schriftsätze vom 25. April 2013 und 3. Mai 2013 zu dem Aktenzeichen S 36 AL 242/10 hätten eingereicht werden sollen. Bei dem angegebenen Aktenzeichen S 40 AL 118/11 handele es sich um ein anderes Verfahren der Klägerin, versehentlich sei das Aktenzeichen S 40 AL 118/11 angegeben worden. Es werde gebeten, dieses Versehen zu entschuldigen. Ein entsprechendes Schreiben sei unter gleichem Datum zum Aktenzeichen S 36 AL 242/10 gesandt worden (s.o.).

11

Von Seiten des Senats wurden die Prozessbevollmächtigten der Klägerin darauf hingewiesen, dass das Verfahren neu eingetragen worden sei und fortgeführt werde, wobei es zunächst um die Frage gehe, ob das Verfahren durch den Schriftsatz vom 3. Mai 2013 wirksam beendet worden sei. Für eine Sachentscheidung sei nur Raum, wenn der Senat eine wirksame Verfahrensbeendigung verneine.

12

In ihrer Stellungnahme vom 2. Dezember 2013 weist die Beklagte darauf hin, dass die Erledigungserklärung der Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 3. Mai 2013 eindeutig und ausdrücklich zu dem Aktenzeichen S 40 AL 118/11 erfolgt sei, welches dem Berufungsverfahren L 3 AL 1/13 zugrunde gelegen habe. Die Erledigungserklärung sei an das (richtige) erstinstanzliche Gericht gerichtet. Da eine Erledigung der Klage bis zur Rechtskraft des ergangenen Urteils möglich sei mit der Wirkung, dass das erstinstanzlich ergangene Urteil wirkungslos werde, sei die Erklärung auch in sich schlüssig. Ein Irrtum sei nicht erkennbar gewesen. Deshalb habe die Beklagte die Vollstreckungsstelle benachrichtigt, die die Beitreibung der Forderung fortgesetzt habe. Erst hierauf habe sich die Klägerseite gemeldet. Aus Beklagtensicht sei das Verfahren wirksam beendet worden und könne nicht fortgesetzt werden.

13

Demgegenüber trägt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 2. Dezember 2013 vor: Aus dem Schriftsatz vom 3. Mai 2013 könne keine wirksame Prozesserklärung für das laufende Berufungsverfahren im Sinne einer wirksamen Verfahrensbeendigung hergeleitet werden. Es handele sich bei der Angabe des Aktenzeichens für den Schriftsatz vom 3. Mai 2013 um ein reines Versehen, es sei ein anderes zwischen den Parteien geführtes Verfahren betroffen gewesen. Für die Annahme einer wirksamen Verfahrensbeendigung durch den in Rede stehenden Schriftsatz für das vor dem Berufungsgericht geführte Verfahren fehle es schon an den erforderlichen prozessualen Anknüpfungspunkten: So sei der Senat nicht Adressat der Erklärung aus dem Schriftsatz vom 3. Mai 2013 gewesen, sondern das Sozialgericht und damit die unzuständige Instanz. Eine wirksame Prozesserklärung könne nur gegenüber dem Senat selbst abgegeben werden. Und zweitens sei auch keine Klagrücknahme erfolgt, so dass keine wirksame verfahrensbeendigende Erklärung vor dem Senat abgegeben worden sei. Denn die gegenüber dem Sozialgericht abgegebene prozessuale Erklärung habe sich auf eine „Erledigung in der Hauptsache“ bezogen. Eine solche prozessuale Erklärung habe vorliegend überhaupt nicht angestanden, nachdem über die Klage (Hauptsache) bereits durch Urteil abweisend entschieden worden sei. Deswegen sei für eine Erledigungserklärung kein Raum mehr und es habe sich insoweit um eine prozessual unzulässige Erklärung gehandelt.

14

Die Klägerin beantragt,

15

das Berufungsverfahren L 3 AL 1/13 (alt) fortzuführen und das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 28. November 2012 sowie den Bescheid vom 10. Januar 2011 in der Fassung des Widerspruchbescheids vom 23. Mai 2011 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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festzustellen, dass das Berufungsverfahren L 3 AL 1/13 (alt) durch Prozesserklärung der Klägerin vom 3. Mai 2013 wirksam beendet wurde,
hilfsweise,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

20

Die Klägerin hat durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 3. Mai 2013 den Rechtsstreit in der Hauptsache wirksam für erledigt erklärt, § 102 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Diese Feststellung war vom Senat zu treffen, nachdem die Klägerin die Wirksamkeit der Erklärung wegen eines ihr unterlaufenen Versehens bestritten hatte.

21

Die Erledigungserklärung der Hauptsache hat die Beendigung der Rechtshängigkeit zur Folge. Die vom Prozessbevollmächtigten vorgenommene Prozesshandlung bindet die Klägerin, als hätte sie sie selbst vorgenommen, § 73 Abs.6 Satz 7 SGG i.V.m. § 85 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Angesichts dessen kommt eine Sachentscheidung nicht in Betracht.

22

Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGG kann der Kläger die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache. Vorliegend ist keine ausdrückliche Klagrücknahme erfolgt, sondern es wurde in der streitigen Erklärung vom 3. Mai 2013 die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache erklärt. Diese Erklärung ist aber als Klagrücknahme auszulegen. Denn die Klägerin hat mit ihr unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass sie von ihrem Rechtsschutzbegehren Abstand nimmt. Auf die materielle Rechtslage kommt es nicht an, da der Kläger insoweit dispositionsbefugt ist. Unabhängig vom kostenrechtlichen Hintergrund (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 11. Aufl. § 125 Rz. 10) ist im sozialgerichtlichen Verfahren die einseitige Erledigungserklärung – wie vorliegend – möglich. Hierzu hat das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 1995 weiter ausgeführt: „Die Erledigungserklärung hat hier (anders als nach § 91a Abs. 1 ZPO oder § 161 Abs. 2 VwGO) keine eigenständige, insbesondere kostenrechtliche Bedeutung; sie stellt sich je nach prozessualer Konstellation entweder als Klagrücknahme oder als Annahme eines von der Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses dar. In beiden Fällen führt die Abgabe der entsprechenden Erklärung zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 101 Abs. 2, § 102 Satz 2 SGG). Die Erledigungserklärung ist eine Prozesshandlung, die das Gericht und die Beteiligten bindet, auch wenn der Rechtsstreit materiell nicht erledigt wurde. Sie kann grundsätzlich nicht widerrufen oder wegen Irrtums angefochten werden“ (BSG vom 20. Dezember 1995 – 6 RKa 18/95 –). Eine Anfechtung ist damit nicht möglich und ein Widerruf nur unter den Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Verfahrens nach §§ 179, 180 SGG entsprechend möglich. Die Voraussetzungen eines ausnahmsweise möglichen Widerrufs entsprechend den Regeln über die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenen Verfahrens (§§ 579, 580 ZPO) sind vorliegend offensichtlich nicht erfüllt.

23

Die als Klagrücknahme auszulegende Erledigungserklärung ist wirksam.

24

Der letztmögliche Zeitpunkt für eine Klagrücknahme ist in § 102 Abs. 1 Satz 1 SGG dahin bestimmt, dass sie bis zur Rechtskraft des Urteils möglich ist. Die Klage kann also auch nach Verkündung eines Urteils erster oder zweiter Instanz und auch noch im Rechtsmittelverfahren zurückgenommen werden (vgl. Meyer-Ladewig u.a. a.a.O. § 102 Rz. 6f). Diese Voraussetzung ist unproblematisch erfüllt. Denn weder im Zeitpunkt des Eingangs der streitigen Erklärung beim Sozialgericht noch beim LSG war das von der Klägerin angefochtene Urteil wegen des anhängigen Berufungsverfahrens rechtskräftig. Allerdings ist die Erklärung nicht bereits mit Eingang beim Sozialgericht Lübeck wirksam geworden, sondern erst mit Zugang beim LSG. Zwar bestimmt die Regelung in § 102 SGG nicht, gegenüber welchem Gericht die Rücknahmeerklärung abzugeben ist, insbesondere wenn bereits ein Rechtsmittelverfahren anhängig ist. Mit der herrschenden Literaturmeinung (vgl. z.B. Peters/Sautter/Wolff, Stand 4. Aufl. 33.Nachtr., zu § 102 a.F., zu 3. Frist; Breitkreuz/Fichte, SGG 2. Aufl. 2014, § 102 Rz. 2; Meyer-Ladewig u.a. a.a.O. § 102 Rz. 7 lit. a; Jansen SGG, 4. Aufl. 2012, § 102 Rz. 8; Roos/Wahrendorf SGG 2014 § 102 Rz. 9; Rohwer-Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, Stand August/2008, Rz. 8) ist auch der Senat der Auffassung, dass die Klagrücknahme gegenüber dem Gericht abzugeben ist, bei dem die Sache anhängig ist, während eines laufenden Berufungsverfahrens also gegenüber dem Rechtsmittelgericht. Soweit sich Teile des Schrifttums demgegenüber insoweit auf eine Entscheidung des BSG (Beschluss vom 27. September 1983 – 8 BK 16/82-) berufen, vermag der Senat dieser Entscheidung allerdings die ihm beigelegte Stringenz nicht zu entnehmen. In dem dort zu entscheidenden Fall war die Konstellation eine gänzlich andere. Es ging darum, ob zu § 102 SGG a.F., nachdem eine Klagrücknahme nur „bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung“ möglich war, eine Klagrücknahme gegenüber dem BSG wirksam erklärt werden konnte, nachdem gegen ein Berufungsurteil bei nicht zugelassener Revision ein Beschwerdeverfahren beim BSG bereits anhängig war. Hierzu hat das BSG angenommen, dass die Klage durch Erklärung gegenüber dem BSG zurückgenommen werden kann. Überzeugender ist für das Erfordernis, die Rücknahmeerklärung gegenüber dem Gericht abzugeben, bei dem die Sache anhängig ist, die Bestimmung des § 269 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO, die über die Verweisungsnorm des § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar ist. Danach ist die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Hieraus folgt, dass die Erklärung gegenüber dem Gericht zu erfolgen hat, bei dem die mündliche Verhandlung durchgeführt wird, hier also dem LSG. Vorliegend war die Erledigungserklärung an das – unzuständige - Sozialgericht gerichtet, weil die Sache dort nicht mehr anhängig war, sodass die Erklärung bei dortigem Eingang am 6. Mai 2013 nicht wirksam wurde. Dies steht aber der Wirksamkeit der Erledigungserklärung gleichwohl nicht entgegen; denn die Wirkungen der Erledigungserklärung treten jedenfalls mit dem Eingang des Schriftsatzes bei dem zuständigen Gericht ein (vgl. Bundesgerichtshof [BGH], Beschluss vom 19. Februar 1991 – X ZR 14/91- unter Berufung auf BGH vom 21. März 1977 (Beschluss) - II ZB 5/77-). Letzteres führte hierzu weiter aus, dass nur dann, wenn der Widerspruch zu dieser (Rücknahme)Erklärung zu dem wirklichen Willen der anderen Partei und der Irrtum ihres Prozessbevollmächtigten, auf dem die Erklärung beruhte, für ihn und das Gericht ganz offensichtlich waren, es dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen würde, sich auf diese Erklärung zu berufen. Hiernach ist durch die Weiterleitung der Erklärung an das – zuständige – LSG die Erledigungserklärung mit Eingang am 15. Mai 2013 wirksam geworden. Anhaltspunkte dafür, dass die Rücknahmeerklärung nur gegenüber dem unzuständigen Gericht erfolgen sollte, sind nicht gegeben. Es war aber vorliegend aber weder für die Beklagte, an die die Erledigungserklärung mit Schreiben vom 23. Mai 2013 übersandt worden war, noch für das LSG weder ein entgegen stehender Wille noch der Irrtum des Prozessbevollmächtigten bekannt oder erkennbar. Schon die Tatsache eines weiteren Rechtsstreits der Klägerin war dem LSG nicht bekannt. Soweit in älterer finanzgerichtlicher Rechtsprechung die Klagrücknahme unter dem weiteren Erfordernis des Wissens und Wollens der Weitergabe der Erklärung an das Gericht steht, ist dies vor dem Hintergrund der dortigen Verfahrensordnung zu sehen, nach der eine schriftliche Klagrücknahme auch gegenüber dem beklagten Finanzamt erfolgen kann. In diesen Fällen muss klar erkennbar sein dass der Kläger die Klage dem Gericht gegenüber zurücknimmt und seine Erklärung mit Wissen und Wollen dem Gericht vorgelegt wird (vgl. Bundesfinanzhof [BFH], Beschluss vom 5. März 1971–VI R 184/68-). Derartige Besonderheiten gibt es im sozialgerichtlichen Verfahren nicht. Dieser Maßstab ist daher auch nicht geeignet, Antworten auf die hier relevante Fragestellung der irrtümlichen Abgabe einer Prozesserklärung zu geben.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

26

Der Senat lässt vorliegend die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zu. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage der Wirksamkeit einer irrtümlich abgegebenen Erledigungserklärung (oder Klagrücknahme) gegenüber dem erstinstanzlichen Gericht während eines laufenden Berufungsverfahrens gibt es - soweit erkennbar – nicht.


Für die Revision gelten die Vorschriften über die Berufung entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. § 153 Abs. 2 und 4 sowie § 155 Abs. 2 bis 4 finden keine Anwendung.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Der Vorsitzende bestimmt Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung und teilt sie den Beteiligten in der Regel zwei Wochen vorher mit. Die Beteiligten sind darauf hinzuweisen, daß im Falle ihres Ausbleibens nach Lage der Akten entschieden werden kann.

(2) Das Gericht kann Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(3) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 22. Januar 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger ist Alleinerbe der am 2.11.2013 verstorbenen, bei der beklagten Krankenkasse versichert gewesenen J. (Versicherte). Die Versicherte blieb mit ihrem Begehren auf eine Haushaltshilfe im Zeitraum vom 1.11.2009 bis 30.10.2010 bei der Beklagten ohne Erfolg. Hiergegen hat sie "Klage mit Einleitung des Mediatorenverfahren hilfsweise eAO (aufschiebend bedingt, wenn die Beklagte das Mediatorenverf. ablehnt)" erhoben. Die Klage ist unter dem Az - S 8 KR 114/10 -, das Eilverfahren unter dem Az - S 8 KR 139/10 ER - geführt worden. Die Versicherte hat unter dem Az - S 8 KR 139/10 ER - mitgeteilt: "Hiermit ziehe ich die Klage-eAO zurück" (5.5.2010). Nachdem der Schwiegersohn der Versicherten erklärt hatte, dass sich die Rücknahme nur auf das Eilverfahren bezogen habe, hat das SG festgestellt, dass der Rechtsstreit durch Klagerücknahme erledigt sei (Gerichtsbescheid vom 6.3.2013). Das LSG hat die nach dem Ableben der Versicherten vom Kläger als deren Alleinerbe fortgeführte Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, die Formulierung "Hiermit ziehe ich die Klage-eAO zurück" könne nach den Umständen nur bedeuten, dass sie beide Verfahren beenden wolle (Urteil vom 22.1.2015).

2

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil. Er macht sinngemäß geltend, das SG und das ihm folgende LSG hätten im Fortsetzungsverfahren eine Sachentscheidung treffen müssen.

3

II. Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet.

4

1. Das LSG-Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), den der Kläger entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 SGG bezeichnet. Zu Recht rügt der Kläger, das SG hätte in der Sache entscheiden müssen. Die Versicherte hat mit dem Schreiben vom 5.5.2010 ihre Klage nicht zurückgenommen. Bei Prozesserklärungen hat das Revisionsgericht - anders als bei materiell-rechtlichen Erklärungen (vgl zu Letzteren zB BSGE 75, 92, 96 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10 mwN)- die Auslegung der Erklärung in vollem Umfang zu überprüfen, also das wirklich Gewollte, das in der Äußerung erkennbar ist, zu ermitteln (BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2; BSG Urteil vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R; BSG Urteil vom 29.5.1980 - 9 RV 8/80 - Juris; BSGE 21, 13, 14 = SozR Nr 5 zu § 156 SGG; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 488 f mwN). Dabei ist nach dem in § 133 BGB zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedanken, der auch im öffentlichen Recht und im Prozessrecht gilt, bei der Auslegung von Erklärungen nicht am Wortlaut zu haften, sondern der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen(BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 2; BSG Urteil vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R - Juris). Bei der Auslegung sind zudem das Willkürverbot gemäß Art 3 Abs 1 GG, das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art 19 Abs 4 GG und das Rechtsstaatsprinzip zu beachten. Das Rechtsstaatsprinzip verbietet es dem Richter, das Verfahrensrecht so auszulegen und anzuwenden, dass den Beteiligten der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelinstanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird (vgl BVerfGE 77, 275, 284 mwN). Objektiv willkürlich ist es daher zB, im Widerspruch zu diesen verfassungsrechtlichen Grundgedanken dem Sachvortrag eines Beteiligten in einem Rechtsbehelfsverfahren entgegen Wortlaut und erkennbarem Sinn eine Bedeutung beizulegen, die zur Feststellung führt, dass der Rechtsstreit durch Klagerücknahme erledigt ist, während bei sachdienlicher Auslegung ohne Weiteres eine Sachentscheidung möglich wäre (vgl BVerfG Beschluss vom 6.8.1992 - 2 BvR 89/92 - NJW 1993, 1380, 1381). Eine angemessene Auslegung dient zugleich der Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl dazu BVerfGE 107, 395, 401 ff = SozR 4-1100 Art 103 Nr 1 RdNr 5 ff; BVerfGE 110, 77, 85; zur Auswirkung des verfassungsrechtlichen Auftrags der Gerichte zur Gewährung effektiven und möglichst lückenlosen Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt auf die Auslegung von Prozesserklärungen vgl auch BSG SozR 4-1500 § 92 Nr 2 RdNr 16; zur Auslegung vgl auch Senat SozR 4-1500 § 158 Nr 1 RdNr 14 mwN).

5

Danach hätte das SG das Schreiben der Versicherten vom 5.5.2010 nur so verstehen können, dass diese damit allein den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurücknehmen wollte. Die Erklärung vom 5.5.2010 wurde direkt auf der Eingangsbestätigung des SG im Eilverfahren (S 8 KR 139/10 ER) vom 4.5.2010 vermerkt und per Fax an das SG gesandt. Das SG durfte schon angesichts der Rechtsfolgen einer Prozesserklärung die Erklärung ohne den Willen des Erklärenden nicht (gleichzeitig) einem anderen als dem bezeichneten Verfahren zuordnen. Rein formal hat die Versicherte im Verfahren - S 8 KR 114/10 - keine Prozesserklärung abgegeben. Hieran ändert auch der Wortlaut der Erklärung nichts. Er bezieht nicht eindeutig zusätzlich zum Eilverfahren auch noch das Klageverfahren ein. Grammatikalisch ist die Rücknahme auf ein Verfahren gerichtet, "die Klage-eAO". Die Klägerin benennt im Kontext auch nicht das Az des Klageverfahrens - S 8 KR 114/10 -. Sie verbindet die Worte Klage und eAO durch einen Bindestrich, weil sie - wie sie später selbst angibt ("Klage im einstweiligen Rechtsschutzverfahren") - auch das Eilverfahren als Klage verstanden hat.

6

Der in der Entscheidung des SG liegende Verfahrensfehler hat sich in der angefochtenen Entscheidung des LSG fortgesetzt, da auch das LSG nicht zur Sache entschieden, sondern lediglich das Prozessurteil des SG bestätigt hat (vgl insoweit BSG SozR 3-1500 § 73 Nr 10; BSGE 4, 200, 201; vgl auch BVerwG Beschluss vom 16.11.1982 - 9 B 3232.82 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr 216).

7

Die Entscheidung des LSG beruht auch auf diesem Verfahrensfehler. Wäre das LSG nämlich nicht von einer wirksamen Klagerücknahme ausgegangen, so hätte es den Rechtsstreit zurückverweisen oder aber in der Sache selbst entscheiden müssen (vgl dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 102 RdNr 12).

8

2. Nach § 160a Abs 5 SGG kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

9

3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen, können die Beteiligten zu Protokoll des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können. Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen.

(2) Das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs erledigt insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(1) Der Kläger kann die Klage bis zur Rechtskraft des Urteils zurücknehmen. Die Klagerücknahme erledigt den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Absatz 1 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und gegebenenfalls aus § 197a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 155 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren auf Antrag durch Beschluss ein und entscheidet über Kosten, soweit diese entstanden sind. Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.