Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2015 - 1 StR 447/14

bei uns veröffentlicht am22.07.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 447/14
vom
22. Juli 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
8. Juli 2015, in der Sitzung am 22. Juli 2015, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener
und der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Mosbacher,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 8. Juli 2015 -
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18. Februar 2014, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte S. der Steuerhinterziehung in sechs Fällen sowie der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen dahingehend abgeändert , dass der Angeklagte wie folgt verurteilt ist: aa) hinsichtlich der Fälle 2 und 10 der Anklage (Beihilfe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer für den Monat September 2009 bzw. das 3. Quartal 2009) zu einer einheitlichen Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bb) hinsichtlich der Fälle 4 und 14 der Anklage (Beihilfe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer für den Monat Januar 2010) zu einer einheitlichen Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je zehn Euro sowie cc) hinsichtlich der Fälle 5 und 15 der Anklage (Beihilfe zur Hinterziehung von Umsatzsteuer für den Monat März 2010) zu einer einheitlichen Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten; die in diesen Fällen darüber hinaus festgesetzten Einzelstrafen entfallen;
c) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 3 der Anklage sowie im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten S. wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen sowie wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen.
2
Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revisionen. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist es unbegründet.

A.

3
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
4
Der nicht revidierende Mitangeklagte G. war Initiator eines im Zeitraum April 2009 bis März 2010 betriebenen und auf die Hinterziehung von Umsatzsteuer im Handel mit CO2-Emissionszertifikaten ausgerichteten „Betrugssystems“ , in das ab September 2009 auch der Angeklagte S. eingebunden war.
5
Die im Inland ansässige E. GmbH (im Folgenden: E. ), die von G. faktisch beherrscht wurde, erwarb ab April 2009 CO2- Emissionszertifikate „umsatzsteuerfrei“im Ausland. Die Zertifikate wurden zeit- nah an die ebenfalls von G. geführte I. S.A. (im Folgenden : I. ) mit Sitz in Luxemburg weiterveräußert, die der E. über die Leistungen Gutschriften unter Ausweis deutscher Umsatzsteuer erteilte. Die I. veräußerte die Zertifikate an die vom Angeklagten S. geführte C. GmbH (im Folgenden: C. ), wobei auch insoweit im Gutschriftsverfahren unter Ausweis deutscher Umsatzsteuer abgerechnet wurde. Die C. veräußerte die Zertifikate an mehrere deutsche Abnehmer , darunter auch Banken, weiter. Nach dem 7. Januar 2010 schied die E. aus der Leistungskette aus. Die I. erwarb die Zertifikate ab diesem Zeitpunkt direkt aus dem Ausland, erteilte aber dennoch weiterhin Gutschriften mit Ausweis deutscher Umsatzsteuer an die E. und leistete entsprechende Zahlungen.
6
Die E. , die als sog. Missing Trader in das Umsatzsteuerbetrugssystem eingebunden war, erklärte in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für das zweite, dritte und vierte Quartal 2009 zwar die Umsätze aus der Veräußerung der Zertifikate an die I. . Um die Umsatzsteuerschuld zu mindern, machte sie jedoch einen Vorsteuerabzug aus Scheinrechnungen vermeintlicher inländischer Lieferanten geltend (Fälle 1 bis 3 der Anklage). Für die Monate Januar und März 2010 gab sie keine Umsatzsteuervoranmeldungen mehr ab (Fälle 4 und 5 der Anklage). Nach den Berechnungen der Strafkammer wurde hierdurch zugunsten der E. insgesamt Umsatzsteuer in Höhe von 11.484.179,12 Euro verkürzt (UA S. 50 - 55, 125).
7
In den Umsatzsteuervoranmeldungen der I. , die als sog. Buffer auftrat, erklärte der Mitangeklagte G. als deren Geschäftsführer für die Voranmeldungszeiträume April bis Juli 2009, September 2009 bis Januar 2010 sowie März 2010 die Leistungen an die C. – teilweise allerdings mit niedrigeren als den Rechnungsbeträgen – als steuerpflichtige Umsätze und machte dabei die in den der E. erteilten Gutschriften ausgewiesene Umsatzsteuer zu Unrecht als Vorsteuer geltend (Fälle 6 - 15 der Anklage). Dadurch wurde nach den Berechnungen des Landgerichts zugunsten der I. insgesamt Umsatzsteuer in Höhe von 10.667.491,10 Euro verkürzt (UA S. 55 - 66, 125 f.).
8
Für die als weiteren „Buffer“ eingeschaltete C. machte der Angeklagte S. als deren Geschäftsführer in den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate September 2009 bis Januar 2010 sowie März 2010 zu Unrecht einen Vorsteuerabzug aus den der I. erteilten Gutschriften geltend (Fälle 20 bis 25 der Anklage). Der Angeklagte S. hatte im August 2009 erkannt, dass die C. in ein Umsatzsteuerbetrugssystem eingebunden war und die I. lediglich zum Zwecke des Umsatzsteuerbetrugs mit Emissionszertifikaten handelte. Er wusste zudem, dass mindestens ein weiteres Unternehmen in die Umsatzsteuerbetrugskette eingeschaltet war, das seinerseits Steuern verkürzte, und billigte dies. Hierdurch wurde nach den Berechnungen des Landgerichts zugunsten der C. Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 4.663.456,61 Euro verkürzt (UA S. 67 - 73, 126).

B.


9
I. Die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte S. eine Verletzung von § 257b StPO i.V.m. § 273 Abs. 1 Satz 2 StPO geltend macht, dringt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen nicht durch.
10
II. Mit der Sachrüge hat die Revision des Angeklagten teilweise Erfolg. Sie führt zu einer Abänderung des Schuldspruchs und zu einer Aufhebung von Teilen des Strafausspruchs. 1. Die Verurteilung des Angeklagten S. wegen Hinterziehung von
11
Umsatzsteuer zugunsten der C. in sechs Fällen (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) wird von den Feststellungen getragen.
12
Der Angeklagte machte als Geschäftsführer der C. in den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate September 2009 bis Januar 2010 sowie März 2010 unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen, indem er die in den der I. erteilten Gutschriften offen ausgewiesene Umsatzsteuer zu Unrecht als Vorsteuer geltend machte (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich
13
geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen abziehen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt dabei voraus, dass der Unternehmer eine Rechnung bzw. Gutschrift i.S.v. §§ 14, 14a UStG besitzt. Der Vorsteuerabzug ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union jedoch dann zu versagen, wenn der Steuerpflichtige - im unionsrechtlichen Sinne - selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist und er deswegen als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist (vgl. EuGH, Urteile vom 6. Juli 2006, Rechtssache C-439/04 u.a., Kittel und Recolta Recycling, Slg. 2006, I-6161 und vom 18. Dezember 2014, Rechtssache C-131/13 u.a., Italmoda, DStR 2015, 573; BGH, Beschluss vom 19. November 2014 - 1 StR 219/14, wistra 2015, 147 mwN). Für die Frage, ob die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug vorliegen , ist nicht der Zeitpunkt der Abgabe der Steueranmeldung, in welcher der Vorsteuerabzug vorgenommen wird, maßgeblich, sondern derjenige der Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2015 - 1 StR 216/14, NStZ 2015, 283 mwN und vom 1. Oktober 2013 – 1StR 312/13, NStZ 2014, 331). Der Angeklagte erkannte Mitte August 2009, dass die C. in eine Umsatzsteuerbetrugskette eingebunden war, so dass jedenfalls für die ab September 2009 bezogenen Leistungen der Vorsteuerabzug zu Unrecht geltend gemacht wurde. 2. Auch die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte S. habe
14
durch den Ankauf der CO2-Zertifikate und die Erteilung der Gutschriften zu Steuerhinterziehungen zugunsten der Firmen I. und E. Hilfe geleistet (§ 27 StGB), hält rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist grundsätzlich jede Hand15 lung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 1. August 2000 – 5 StR 624/99, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 21). Ist eine Person in ein auf Hinterziehung von Umsatzsteuer ausgerichtetes Gesamtsystem integriert, fördert sie, wenn sie von den anderen Geschäften in der Lieferkette Kenntnis hat, als Gehilfe mit ihrem eigenen Beitrag innerhalb der Lieferkette auch jeweils eine Umsatzsteuerhinterziehung der anderen Mitglieder, die an den auf Hinterziehung der Umsatzsteuer gerichteten Geschäften beteiligt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2002 - 5 StR 212/02, NStZ 2003, 268).

16
b) Gehilfenvorsatz liegt vor, wenn der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern; Einzelheiten der Haupttat braucht er nicht zu kennen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 1. August 2000 – 5 StR 624/99, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 21 mwN). Entscheidend ist, dass der Gehilfe die Dimension der Tat erfassen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 - 1 StR 454/14, NStZ-RR 2015, 75). Ob der Gehilfe den Erfolg der Haupttat wünscht oder ihn lieber vermeiden würde, ist dagegen nicht entscheidend. Es reicht, dass die Hilfe an sich geeignet ist, die fremde Haupttat zu fördern oder zu erleichtern, und der Hilfeleistende dies weiß (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2000 – 5 StR 624/99, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 21). Ausgehend von diesen Maßstäben sind hier die tatsächlichen Vorausset17 zungen für das Vorliegen des Gehilfenvorsatzes rechtsfehlerfrei festgestellt. Der Angeklagte S. hat – was er selbst eingeräumt hat – im August 2009 erkannt , dass die C. vom Mitangeklagten G. in eine Umsatzsteuerbetrugskette eingebunden worden war, in die mindestens ein weiteres Unternehmen eingeschaltet war, das seinerseits Steuern verkürzte. Damit konnte der Angeklagte S. auch die Dimension der Steuerverkürzung erfassen und nahm diese billigend in Kauf.
18
3. Entgegen der Auffassung der Revision, wonach es sich bei den Beihilfetaten des Angeklagten S. um mitbestrafte Vortaten der von ihm täterschaftlich begangenen Steuerhinterziehung zugunsten der C. handeln soll, ist das Landgericht im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die Taten zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit i.S.v. § 53 StGB stehen. Denn die Steuerverkürzungen betreffen Steueransprüche gegenüber unterschiedlichen Steuerpflichtigen, nämlich die Steueransprüche betreffend die Umsatzsteuer gegenüber der C. einerseits und der E. bzw. der I. andererseits.
Gleichwohl begegnet die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Beihilfeta19 ten des Angeklagten S. durch das Landgericht insoweit durchgreifenden Bedenken, als das Landgericht den Ankauf der Emissionszertifikate in den betreffenden Voranmeldungszeiträumen jeweils als eigenständige Beihilfe zur Hinterziehung der Umsatzsteuer zugunsten der E. und zugunsten der I. gewertet hat. Ob bei Beihilfe Tateinheit oder Tatmehrheit anzunehmen ist, hängt von
20
der Anzahl der Beihilfehandlungen und der vom Gehilfen geförderten Haupttaten ab. Tatmehrheit gemäß § 53 StGB ist anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen mehrere selbstständige Taten gefördert werden, also den Haupttaten jeweils eigenständige Beihilfehandlungen zuzuordnen sind. Dagegen liegt eine einheitliche Beihilfe i.S.v. § 52 StGB vor, wenn der Gehilfe mit einer einzigen Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines anderen Hilfe leistet (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2008 - 5 StR 594/07, wistra 2008, 217). Dasselbe gilt wegen der Akzessorietät der Teilnahme, wenn sich mehrere Unterstützungshandlungen auf dieselbe Haupttat beziehen (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107).
21
Nach diesen Grundsätzen hat der Angeklagte S. im jeweiligen Voranmeldungszeitraum durch den Ankauf der Emissionszertifikate und die Erteilung von Gutschriften sowohl zur Hinterziehung von Umsatzsteuer zugunsten der E. als auch gleichzeitig zugunsten der I. Hilfe geleistet. Somit liegt entgegen der Annahme des Landgerichts eine einheitliche Beihilfe zu mehreren Haupttaten vor; der Schuldumfang bleibt hiervon unberührt. Damit bilden die zugunsten sowohl der E. als auch der I. vorgenommenen Unterstützungshandlungen hinsichtlich der Voranmeldungszeiträume September 2009 betr. I. bzw. 3. Quartal 2009 (Anteil September 2009) betr. E. (Fälle 2 und 10 der Anklage), Januar 2010 (Fälle 4 und 14 der Anklage) und März 2010 (Fälle 5 und 15 der Anklage) jeweils nur eine selbstständige Tat der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Die Unterstützungshandlungen zur Hinter- ziehung von Umsatzsteuer zugunsten der E. für das 4. Quartal 2009 (Fall 3 der Anklage) gehen in denjenigen zur Hinterziehung von Umsatzsteuer zugunsten der I. für die Monate Oktober bis Dezember 2009 (Fälle 11 bis 13 der Anklage) auf. Eine eigenständige Beihilfe im Fall 3 der Anklage liegt damit nicht vor. Es gefährdet daher den Bestand des Urteils nicht, dass bei isolierter Betrachtung des Falles 3 der Anklage lediglich eine Beihilfe zu einer versuchten Steuerhinterziehung vorgelegen hätte, weil das Finanzamt in diesem Fall die gemäß § 168 Satz 2 AO erforderliche Zustimmung zur Auszahlung des geltend gemachten Umsatzsteuerüberhangs verweigert hatte (UA S. 53; vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. Oktober 2014 – 1 StR 182/14, wistra 2015, 188 und Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 StR 196/14, wistra 2014, 486).
22
Der Senat ändert daher den Schuldspruch dahingehend ab, dass der Angeklagte neben der Steuerhinterziehung in sechs Fällen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in lediglich sechs (statt zehn) Fällen schuldig ist. Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte S. nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. 4. Die abweichende konkurrenzrechtliche Beurteilung wirkt sich – trotz
23
insgesamt unveränderten Schuldumfangs – auf die verhängten Einzelstrafen aus. Sie haben teilweise zu entfallen. Auch die vom Landgericht verhängte Gesamtstrafe hat keinen Bestand.
24
a) Soweit mehrere vom Landgericht als rechtlich selbstständig gewertete Beihilfetaten jeweils eine Tat im materiellen Sinn darstellen, hält der Senat die jeweils höchste für diese Taten vom Landgericht verhängte Einzelstrafe aufrecht (§ 354 Abs. 1 StPO analog). Denn es ist wegen des bei Annahme einer einheitlichen Beihilfe höheren Schuldumfangs ausgeschlossen, dass das Landgericht bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Einstufung der Taten eine geringere Einzelstrafe als die jeweils höchste für einen Teil des Tatunrechts festgesetzte verhängt hätte. Die weiteren für Teile der einheitlichen Tat verhängten Einzelstrafen entfallen. Auch die für Fall 3 der Anklage festgesetzte Einzelstrafe, zugleich die Einsatzstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten, fällt weg, weil es insoweit neben den Taten in den Fällen 11 bis 13 der Anklage an einer weiteren eigenständigen Beihilfetat fehlt. Hierdurch wird der Angeklagte nicht beschwert.
25
b) Die Strafzumessung der Einzelstrafen weist im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten S. auf. Insbesondere hat das Landgericht hinsichtlich der Beihilfetaten bei der Strafrahmenwahl zutreffend darauf abgestellt, ob das Gewicht der Beihilfehandlung selbst die Annahme eines besonders schweren Falls i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 AO rechtfertigt. Es hat insbesondere nicht verkannt, dass das Vorliegen des vertypten Milderungsgrunds Beihilfe (§ 27 Abs. 2 Satz 2 StGB) Anlass sein kann, einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung zu verneinen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 1 StR 142/14, wistra 2015, 235).
c) Der Wegfall von Einzelstrafen, darunter der Einsatzstrafe, zieht die Auf26 hebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Der Senat kann trotz gleichbleibenden Schuldumfangs auch angesichts der zahlreichen verbleibenden Einzelstrafen nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender Beurteilung der Tatkonkurrenzen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe
27
erkannt hätte. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von den Rechtsfehlern nicht betroffen sind.
Raum Graf Jäger
Cirener Mosbacher

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2015 - 1 StR 447/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2015 - 1 StR 447/14

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2015 - 1 StR 447/14 zitiert 15 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 15 Vorsteuerabzug


(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen: 1. die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuera

Abgabenordnung - AO 1977 | § 370 Steuerhinterziehung


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 14 Ausstellung von Rechnungen


(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und

Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Abgabenordnung - AO 1977 | § 168 Wirkung einer Steueranmeldung


Eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt Satz 1 erst, wenn die Finanzbehörde z

Strafprozeßordnung - StPO | § 273 Beurkundung der Hauptverhandlung


(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesu

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 14a Zusätzliche Pflichten bei der Ausstellung von Rechnungen in besonderen Fällen


(1) Hat der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und führt er einen Umsatz in einem ander

Strafprozeßordnung - StPO | § 257b Erörterung des Verfahrensstands mit den Verfahrensbeteiligten


Das Gericht kann in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2015 - 1 StR 447/14 zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2015 - 1 StR 447/14 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. März 2008 - 5 StR 594/07

bei uns veröffentlicht am 04.03.2008

5 StR 594/07 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 4. März 2008 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. März 2008 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird da

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Dez. 2002 - 5 StR 212/02

bei uns veröffentlicht am 11.12.2002

5 StR 212/02 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 11. Dezember 2002 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Dezember 2002 beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil d

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2015 - 1 StR 142/14

bei uns veröffentlicht am 27.01.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR142/14 vom 27. Januar 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. A

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2015 - 1 StR 216/14

bei uns veröffentlicht am 29.01.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 2 1 6 / 1 4 vom 29. Januar 2015 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Januar 2015 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen: A

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2015 - 1 StR 454/14

bei uns veröffentlicht am 13.01.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 S t R 4 5 4 / 1 4 vom 13. Januar 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Januar 20

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Nov. 2014 - 1 StR 219/14

bei uns veröffentlicht am 19.11.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR219/14 vom 19. November 2014 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. November 2014 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: Auf die Revision der Angeklagt

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Okt. 2014 - 1 StR 182/14

bei uns veröffentlicht am 07.10.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 S t R 1 8 2 / 1 4 vom 7. Oktober 2014 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. Oktober 2014, an der teilgenommen haben: Ri

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Juli 2014 - 1 StR 196/14

bei uns veröffentlicht am 23.07.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 1 9 6 / 1 4 vom 23. Juli 2014 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juli 2014 gemäß § 44, § 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2015 - 1 StR 447/14.

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Mai 2019 - 4 StR 601/18

bei uns veröffentlicht am 23.05.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 601/18 vom 23. Mai 2019 in der Strafsache gegen wegen Verdachts der Beihilfe zum unerlaubten Umgang mit Abfällen u.a. ECLI:DE:BGH:2019:230519U4STR601.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtsh

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2019 - 1 StR 75/19

bei uns veröffentlicht am 06.06.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 75/19 vom 6. Juni 2019 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung ECLI:DE:BGH:2019:060619B1STR75.19.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbund

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Okt. 2017 - 1 StR 447/14

bei uns veröffentlicht am 10.10.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 447/14 vom 10. Oktober 2017 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ________________________ AO § 370 Abs. 1; UStG § 3a Abs. 4 Nr. 1; GG Art. 103 Abs. 2; EU-Gr

Bundesgerichtshof Urteil, 28. Okt. 2015 - 1 StR 465/14

bei uns veröffentlicht am 28.10.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 465/14 vom 28. Oktober 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen zu 1.: Steuerhinterziehung u.a. zu 2.: Beihilfe zur Steuerhinterziehung ECLI:DE:BGH:2015:281015U1STR465.14.0 Der 1. Strafsenat

Referenzen

Das Gericht kann in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das Verfahren zu fördern.

(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.

(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.

(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.

(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.

(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Hat der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und führt er einen Umsatz in einem anderen Mitgliedstaat aus, an dem eine Betriebsstätte in diesem Mitgliedstaat nicht beteiligt ist, so ist er zur Ausstellung einer Rechnung mit der Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ verpflichtet, wenn die Steuer in dem anderen Mitgliedstaat von dem Leistungsempfänger geschuldet wird und keine Gutschrift gemäß § 14 Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Führt der Unternehmer eine sonstige Leistung im Sinne des § 3a Absatz 2 in einem anderen Mitgliedstaat aus, so ist die Rechnung bis zum fünfzehnten Tag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Umsatz ausgeführt worden ist, auszustellen. In dieser Rechnung sind die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers und die des Leistungsempfängers anzugeben. Wird eine Abrechnung durch Gutschrift gemäß § 14 Absatz 2 Satz 2 über eine sonstige Leistung im Sinne des § 3a Absatz 2 vereinbart, die im Inland ausgeführt wird und für die der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b Absatz 1 und 5 schuldet, sind die Sätze 2 und 3 und Absatz 5 entsprechend anzuwenden.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung im Sinne des § 3c Absatz 1 im Inland aus, ist er zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet. Satz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer an dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18j teilnimmt.

(3) Führt der Unternehmer eine innergemeinschaftliche Lieferung aus, ist er zur Ausstellung einer Rechnung bis zum fünfzehnten Tag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Umsatz ausgeführt worden ist, verpflichtet. In der Rechnung sind auch die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers und die des Leistungsempfängers anzugeben. Satz 1 gilt auch für Fahrzeuglieferer (§ 2a). Satz 2 gilt nicht in den Fällen der §§ 1b und 2a.

(4) Eine Rechnung über die innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs muss auch die in § 1b Abs. 2 und 3 bezeichneten Merkmale enthalten. Das gilt auch in den Fällen des § 2a.

(5) Führt der Unternehmer eine Leistung im Sinne des § 13b Absatz 2 aus, für die der Leistungsempfänger nach § 13b Absatz 5 die Steuer schuldet, ist er zur Ausstellung einer Rechnung mit der Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ verpflichtet; Absatz 1 bleibt unberührt. Die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung nach § 14 Absatz 4 Satz 1 Nummer 8 wird nicht angewendet.

(6) In den Fällen der Besteuerung von Reiseleistungen nach § 25 hat die Rechnung die Angabe „Sonderregelung für Reisebüros“ und in den Fällen der Differenzbesteuerung nach § 25a die Angabe „Gebrauchtgegenstände/Sonderregelung“, „Kunstgegenstände/Sonderregelung“ oder „Sammlungsstücke und Antiquitäten/Sonderregelung“ zu enthalten. In den Fällen des § 25 Abs. 3 und des § 25a Abs. 3 und 4 findet die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8) keine Anwendung.

(7) Wird in einer Rechnung über eine Lieferung im Sinne des § 25b Abs. 2 abgerechnet, ist auch auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts und die Steuerschuldnerschaft des letzten Abnehmers hinzuweisen. Dabei sind die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers und die des Leistungsempfängers anzugeben. Die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8) findet keine Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR219/14
vom
19. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. November 2014 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 22. November 2013 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es die Angeklagte S. betrifft.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte S. wegen Steuerhinterziehung in 18 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt; den Angeklagten B. hat es wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte Revision eingelegt, die sie auf Rügen der Verletzung sachlichen und des Verfahrensrechts stützt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Rügen der Verletzung formellen Rechts kommt es nicht mehr an.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Die Angeklagte S. handelte als Zwischenhändlerin mit Verbrauchsgütern , sogenannten „fast moving consumer goods“, vor allem Rasierklingen und Getränkedosen. Zu diesem Zweck betrieb sie im Tatzeitraum zwischen Januar 2009 bis Juli 2010 das Einzelunternehmen E. und ab August 2010 bis Mai 2011 als einzige Gesellschafterin und Geschäftsführerin die E. GmbH.
4
In dem genannten Tatzeitraum waren die beiden Firmen der Angeklagten als sogenannte „buffer“ in von unbekannt gebliebenen Initiatoren „europaweit aufgebaute betrügerische Umsatzsteuerkettengeschäfte eingebunden“. Diesen lag folgendes Muster zugrunde: Die Angeklagte erwarb die tatsächlich existierende Ware von jeweils einem von insgesamt drei in das System eingebundenen inländischen Zwischenhändlern mit Sitz in Deutschland, die die Funktion eines sogenannten missing trader einnahmen. Diese hatten die Ware von in anderen EU-Staaten ansässigen Händlern als innergemeinschaftliche Lieferung erworben und veräußerten sie anschließend zu unauffälligen Preisen unter gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer an die Firmen der Angeklagten. Dabei unterhielten die von den Initiatoren des Umsatzsteuerbetrugs gesteuerten „missing trader“ keinen Geschäftsbetrieb und entfalteten keine Geschäftstätigkeit; sie gaben gegenüber dem Finanzamt gar keine oder falsche Erklärungen ab und waren nur für einen begrenzten Zeitraum aktiv. Die Angeklagte verkaufte die Waren stets mit offenem Ausweis der Umsatzsteuer, „fast ausnahmslos“ an einen einzigen Kunden. Ab Anfang 2011 war vor dem Erwerb durch die Firmen der Angeklagten noch jeweils ein weiterer „buffer“ in die Lieferkette eingebun- den, von dem die Angeklagte die Waren erwarb. Als solche zwischengeschalte- ten „buffer“ agierten zwei Firmen, die von den Initiatoren als „willenlose Werkzeuge“ gesteuert wurden.
5
Den Initiatoren des „Umsatzsteuerbetrugs“ kam es dabei darauf an, dass die „missing trader“ keine Umsatzsteuer erklären bzw. abführen, um auf diese Weise die vom inländischen Erwerber infolge des Weiterverkaufs mitüberwiesene Umsatzsteuer für sich zu vereinnahmen. Sie bemühten sich jedoch da- rum, diese Absicht der Angeklagten gegenüber zu verbergen und sich als „redliche Kaufleute“ zu gerieren. Daher wusste die Angeklagte beim Abschluss der Geschäfte „zwar nicht sicher“ um die Einbindung ihrer Firmen in den Umsatz- steuerbetrug, sie hielt eine solche jedoch zumindest für möglich und billigte sie, um durch den Weiterverkauf einen schnellen Gewinn zu erwirtschaften.
6
Dennoch machte sie in der Jahressteuererklärung 2009 und in den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar 2010 bis Mai 2011 die in den Rechnungen der „missing trader“ ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge in Höhe von insgesamt 5.844.667,97 Euro als Vorsteuer geltend.

II.


7
Der Schuldspruch gegen die Angeklagte S. hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
8
1. Die fehlende Berechtigung zum Vorsteuerabzug der Angeklagten ist nicht in allen Fällen tragfähig begründet.
9
a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt dabei voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Vorsteuerabzug dann zu versagen, wenn der Steuerpflichtige - im unionsrechtlichen Sinne - selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist und er deswegen als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist (EuGH, Urteil vom 6. Juli 2006 in den Rechtssachen C-439/04 und C-440/04 „Kittel und Recolta Recycling“, Slg. 2006, I-6161, Rn. 53, 55 f.; BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331 ff. mwN).
10
Für die Frage, wann die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorliegen müssen, kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Steueranmeldung an, in welcher der Vorsteuerabzug vorgenommen wird. Vielmehr ist ein Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG dann zulässig, wenn dessen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Ausführung der Lieferungen bzw. sonstigen Leistungen vorgelegen haben. Eine einmal bestehende Berechtigung zum Vorsteuerabzug entfällt auch nicht etwa deshalb nachträglich wieder, weil der Unternehmer später von Umständen Kenntnis erlangt, die einem Vorsteuerabzug entgegengestanden hätten, wenn er sie bereits beim Bezug der Waren gekannt hätte (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 334).
11

b) Diese Maßgaben hat das landgerichtliche Urteil nicht bedacht. Vielmehr lassen die Urteilsausführungen besorgen, dass es hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen für die fehlende Berechtigung zum Vorsteuerabzug unzutreffend auf einen späteren Zeitpunkt abgestellt hat.
12
Zwar stellt die Strafkammer im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung fest, dass die Angeklagte S. schon bei Abschluss der Geschäfte mit den „missing trader“ die Einbindung ihrer Firmen in ein Umsatzsteuerkarussell billigend in Kauf genommen hat. Dies wird jedoch von den beweiswürdigenden Erwägungen zum Vorstellungsbild der Angeklagten S. nicht getragen. Denn dort ist als Ergebnis der von der Strafkammer angestellten Würdigung festgehalten, dass aufgrund der Gesamtheit der Indizien keine Zweifel daran bestünden, dass „die Angeklagte bei Abgabe der Umsatzsteuererklärungen einen un- berechtigten Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der missing trader bzw. buffer um ihrer Geschäfte willen zumindest billigend in Kauf nahm“.
13
aa) Bei den die Geschäftsbeziehungen zu jedem einzelnen „missing trader“ bzw. vorgeschalteten „buffer“ betreffenden Erwägungen - eine zusammenfassende Würdigung findet sich insoweit nicht - ist dann für die Firmen D. , R. , I. , IE. zwar noch festgestellt, dass die Angeklagte „auch während der Geschäftsbeziehungen“ dieses Vorstellungsbild hatte. Damit ist aber nicht belegt, dass die Angeklagte S. zum relevanten Zeitpunkt, nämlich dem Bezug der jeweiligen Waren, um ihre fehlende Berechtigung zum Vorsteuerabzug wusste. Dies wird erhellt durch die Differenzierung hinsichtlich des Zeitpunkts des Vorliegens eines bedingten Vorsatzes der Angeklagten S. . Konnte die Strafkammer sich betreffend Handelsbeziehungen zum „missing trader“ Ra. davon überzeugen, dass der bedingte Vorsatz schon zu deren Beginn vorlag, so ist für die Feststellung zum Vorstellungsbild in Bezug auf die anderen „missing trader“ bzw. „buffer“ ein anderer, späterer Zeitpunkt gewählt.
14
bb) Daneben lassen aber die von der Strafkammer im Rahmen ihrer jeweiligen Gesamtwürdigung herangezogenen Indizien ebenfalls besorgen, dass sie sich des rechtlich relevanten Zeitpunkts für das Vorstellungsbild der Angeklagten nicht bewusst war und sich mithin jedenfalls für die ersten Lieferungen auch keine entsprechende Überzeugung gebildet hat. So gründet sie ihre Überzeugung maßgeblich auf Fehler und Mängel, die sich aus den Rechnungen der jeweils betroffenen Firmen ergeben. Das Landgericht stellt aber nicht fest, wann der Angeklagten diese Unterlagen zugegangen sind. Ob dies in der Gesamtheit tatsächlich vor sämtlichen Lieferungen erfolgte, ist weder festgestellt, noch kann es den sonstigen Umständen der Handelstätigkeit der Angeklagten, die die Waren erst nach dem Weiterverkauf an ihre Kunden selber erwarb, entnommen werden.
15
cc) Zwar ist für die Geschäftsbeziehungen zur als „missing trader“ agierenden Firma Ra. festgestellt, dass die Angeklagte schon zu Beginn der Geschäftsbeziehungen die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen erfüllte (oben II.1.b.aa). Dies entbehrt aber einer tragfähigen Grundlage. Denn die Überzeugung wird maßgeblich auf Fehler und Mängel in den Rechnungen der Ra. gestützt. Auch insoweit ist nicht festgestellt, wann diese der Angeklagten vorgelegen haben und ob dies bereits vor Bezug der ersten Ware geschehen ist, mithin schon zu diesem Zeitpunkt Einfluss auf ihr Vorstellungsbild haben konnte.
16
2. Daneben leidet das Urteil an der fehlenden Nachvollziehbarkeit der Steuerberechnung. Die Urteilsgründe müssen die für erwiesen erachteten Tat- sachen mitteilen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1989 - 3 StR 55/89, BGHR, StPO, § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 4; Beschluss vom 19. April 2007 - 5 StR 549/06, NStZ 2007, 595; Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08, NStZ 2009, 639, 640). Bei der Steuerhinterziehung, bei der die Strafvorschrift des § 370 AO durch die im Einzelfall anzuwendenden steuerrechtlichen Vorschriften materiell-rechtlich ausgefüllt wird, müssen die jeweiligen Umstände festgestellt werden, aus denen sich ergibt, welches steuerlich erhebliche Verhalten im Rahmen der jeweiligen Abgabenart zu einer Steuerverkürzung geführt hat. Dazu gehören insbesondere auch diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2011 - 1 StR 154/11). Die auf den Besteuerungsgrundlagen aufbauende Steuerberechnung ist Rechtsanwendung und daher Aufgabe des Tatrichters (Urteil vom 12. Mai 2009 - 1 StR 718/08, NStZ 2009, 639, 640; Beschluss vom 25. März 2010 - 1 StR 52/10, wistra 2010, 228; Beschluss vom 13. Juli 2011 - 1 StR 154/11; Beschluss vom 19. November 2013 - 1 StR 498/13 wistra 2014, 102).
17
Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht in vollem Umfang gerecht, da es eine Auflistung der einzelnen Umsätze und deren Verteilung auf die jeweiligen Veranlagungszeiträume und die Bezugsquellen vermissen lässt. Soweit es stattdessen auf eine Berechnung durch einen zeugenschaftlich vernommenen Steuerfahnder verweist, ersetzt dies eine solche Darstellung nicht. Denn es ermöglicht dem Senat nicht, die Berechnung der von der Angeklagten hinterzogenen Steuern nachzuvollziehen. Dies gilt insbesondere, soweit für die Berech- nungsweise des Zeugen wiedergegeben wird, er habe „im Falle für ihn nicht erklärlicher Differenzen“ bzw. bei für ihn nicht erklärlichen Abweichungen der erklärten Vorsteuern von den Buchhaltungsunterlagen den für die Angeklagte günstigsten Wert angenommen. Insoweit weist der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zu Recht darauf hin, dass es sich um eine Schlussfolgerung handelt, die mangels Kenntnis ihrer Grundlagen nicht nachvollzogen werden kann. Soweit das Urteil darauf verweist, dass der Zeuge die Steuerverkürzung berechnet habe, die auch der Anklageschrift zugrunde lag, weckt dies angesichts des von der Revision aufgezeigten Rechenfehlers für den Veranlagungszeitraum 2011, der sich gleichlautend in der Anklageschrift findet, durchgreifende Zweifel an der Berechnungsweise.
18
Dieser Darstellungsmangel stellt einen Rechtsfehler dar, der sich auf den Schuldspruch auswirkt. Denn es kann angesichts der nicht nachvollziehbaren Berechnung nicht ausgeschlossen werden, dass in einem Veranlagungszeitraum kein unberechtigter Vorsteuerabzug erklärt wurde.
19
3. Der Senat hebt das Urteil einschließlich sämtlicher Feststellungen auf; der nunmehr zur Entscheidung aufgeforderte Tatrichter kann so die erforderlichen Feststellungen insgesamt neu treffen.
20
4. Sollte das neu zuständige Tatgericht abermals zu dem Schluss kommen , dass die Firmen der Angeklagten Waren von als „missing trader“ agierenden Firmen bezogen, ohne aber mit diesen bzw. den Initiatoren des Umsatzsteuerhinterziehungskarussells kollusiv zusammenzuwirken, wird es eine sorgfältige Gesamtwürdigung der für und gegen die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen sprechenden Umstände vorzunehmen haben. Soweit es hierfür den Umstand berücksichtigen möchte, dass bei der Geschäftskorrespondenz der Angeklagten mit den jeweiligen „missing trader“ bzw. den vorgeschalteten „buf- fer“ teilweise identische Rechtschreibfehler und Mängel vorgelegen haben, so wird es die daraus resultierenden Folgerungen für das Vorstellungsbild der Angeklagten zu würdigen haben, allein der Hinweis darauf ersetzt eine solche Würdigung nicht.
Graf Cirener Radtke
Mosbacher Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 1 6 / 1 4
vom
29. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Januar 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 27. November 2013 im Strafausspruch dahin geändert, dass die Einzelstrafe für Fall 2 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum April 2006) auf einen Monat Freiheitsstrafe festgesetzt wird.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt, von der zwei Monate als vollstreckt gelten. Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision.
2
Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4, § 354 Abs. 1 StPO); im Übrigen ist es unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts führte der Angeklagte als technischer Leiter den operativen Geschäftsbetrieb der A. GmbH (im Folgenden : A. ), die u.a. mit alten Kraftfahrzeugkatalysatoren handelte, die der stofflichen Wiederverwertung zugeführt wurden. Er war insbesondere für den Kontakt mit Lieferanten zuständig und traf die Entscheidungen, mit welchen Unternehmen Geschäftsbeziehungen aufgenommen bzw. fortgeführt werden sollten.
4
a) Im Zeitraum Februar 2005 bis März 2007 bezog die A. Altkatalysatoren von einer Gruppe um die bereits rechtskräftig verurteilten M. und Ma. , die mit Hilfe von "Scheinunternehmen" gewerbsmäßig Umsatzsteuer im Altmetallhandel hinterzog. Als Anlieferer traten die zeitlich nacheinander eingesetzten "Scheinunternehmen" P. GmbH B. H. (im Folgenden: P. I), P. I. B. GmbH (im Folgenden : P. II), C. GmbH (im Folgenden: C. ) und B. GmbH (im Folgenden: B. ) auf, als deren Geschäftsführer Mitglieder der Gruppe fungierten. Die angelieferten Altkatalysatoren stammten nicht von diesen "Scheinunternehmen", die keinen operativen Geschäftsbetrieb unterhielten und zu entsprechenden Lieferungen nicht in der Lage gewesen wären , sondern wurden von der Gruppe im Ausland beschafft. Über die Anlieferungen wurde im Gutschriftverfahren mit den "Scheinunternehmen" abgerechnet. Die "Scheinunternehmen", die plangemäß ihren umsatzsteuerlichen Ver- pflichtungen nicht nachkamen, indem sie entweder keine oder unrichtige Steueranmeldungen abgaben und geschuldete Umsatzsteuer nicht abführten, vereinnahmten die von der A. ausgezahlten Umsatzsteuerbeträge für die Gruppe.
5
Der Angeklagte erkannte spätestens Ende April 2006 nach einem Gespräch mit M. und Ma. die Möglichkeit als naheliegend, dass es sich bei der zu diesem Zeitpunkt als Anlieferer auftretenden P. II um ein "Scheinunternehmen" handelte, das nur zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung vorgeschoben wurde. Da er die Umsätze und Gewinne aus künftigen Lieferungen nicht verlieren wollte, setzte er die Geschäftsbeziehung fort und nahm dabei billigend in Kauf, dass die A. Vorsteuer aus den angeblichen Lieferungen der P. II zu Unrecht geltend machen würde. Auch bei den zeitlich nachfolgend als Anlieferer auftretenden Gesellschaften C. und B. erkannte der Angeklagte aufgrund der personellen Kontinuität die Möglichkeit als naheliegend, dass es sich auch insoweit nur um zum Zwecke der Umsatzsteuerhinterziehung vorgeschobene "Scheinunternehmen" handelte und nahm dies ebenso billigend in Kauf wie die daraus resultierende fehlende Berechtigung der A. zum Vorsteuerabzug.
6
b) Im Zeitraum März 2006 bis Dezember 2007 trat zudem der vom Angeklagten angeworbene bereits rechtskräftig verurteilte R. als Anlieferer von Altmetall und Altkatalysatoren auf. Teilweise unterzeichnete R. Scheingutschriften über angebliche Lieferungen an die A. , die tatsächlich nicht erbracht wurden, teils brachte er "zum Schein" Anlieferungen Dritter zu A. , die im Gutschriftverfahren auf ihn abgerechnet wurden. R. führte - wie der Angeklagte von Anfang an wusste - die in den "Scheingutschriften" ausgewiesene Umsatzsteuer nicht ab.
7
c) In den vom gutgläubigen Buchhalter bzw. dem ebenfalls gutgläubigen Steuerberater der A. abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate März 2006 bis Dezember 2006 und in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2007 wurden die in den Gutschriften über die Anlieferungen der P. II,C. und B. sowie des R. offen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer geltend gemacht. Die Vorsteuerbeträge beliefen sich in Summe auf 1.825.489,31 Euro, davon 1.732.233,80 Euro aus Anlieferungen durch P. II, C. und B. sowie 93.255,51 Euro aus Anlieferungen durch R. .
8
2. Das Landgericht hat die Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. der Umsatzsteuerjahreserklärung durch den gutgläubigen Buchhalter bzw. den ebenfalls gutgläubigen Steuerberater der A. als Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB durch den Angeklagten als mittelbaren Täter gewertet.
9
Der Vorsteuerabzug aus den Gutschriften sei zu Unrecht erfolgt, da es sich bei den "Scheinunternehmen" nicht um Unternehmer i.S.v. § 15 UStG handele und diese die Leistungen tatsächlich nicht erbracht hätten. Dies habe der Angeklagte hinsichtlich der Anlieferungen durch R. von Anfang an gewusst , so dass der Vorsteuerabzug insgesamt zu versagen sei. Hinsichtlich der Anlieferungen durch P. II, C. und B. habe er dies ab Ende April 2006 billigend in Kauf genommen, so dass die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs ab der am 7. Juni 2006 abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat April 2006, in der Vorsteuer in Höhe von 144.269,60 Euro aus angeblichen Lieferungen der P. II geltend gemacht wurde, zu Unrecht erfolgt sei. Für den Zeitraum vor April 2006 sei dem Angeklagten ein vorsätzliches Handeln nicht nachzuweisen, so dass dieser insoweit freizusprechen sei.

II.


10
Die Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 23. Juli 2014 zutreffend dargelegten Gründen ohne Erfolg.

III.


11
Der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen hält materiellrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis Stand.
12
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen, dass für dieA. durch den Angeklagten als mittelbaren Täter in den durch den gutgläubigen Buchhalter bzw. den ebenfalls gutgläubigen Steuerberater abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate März 2006 bis Dezember 2006 sowie in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2007 aus Gutschriften für die Lieferung von Altkatalysatoren und Altmetall zu Unrecht ein Vorsteuerabzug vorgenommen wurde. Damit hat der Angeklagte täterschaftlich gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht, die zu einer Steuerverkürzung geführt haben (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 168 StPO).
13
Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
14
1. Die Verurteilung im Fall 2 der Urteilsgründe wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum April 2006 hat Bestand, auch wenn das Landgericht hinsichtlich der Vorsteuerabzugsberechtigung der A. in Höhe von 144.269,60 Euro aus den Lieferungen der P. II im April 2006 auf einen unzutreffenden Zeitpunkt abgestellt hat.
15
a) Für die Frage, ob die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug vorliegen , kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Steueranmeldung, in welcher der Vorsteuerabzug vorgenommen wird, sondern auf den Zeitpunkt der Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung an. Eine einmal bestehende Berechtigung zum Vorsteuerabzug fällt nicht deshalb nachträglich weg, weil der Unternehmer später von Umständen Kenntnis erlangt, die dem Vorsteuerabzug entgegen gestanden hätten, wenn er sie bereits bei Bezug der Waren gekannt hätte. Demnach ist es für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug ohne Bedeutung , ob der Leistungsempfänger, der eine Lieferung noch "in gutem Glauben" erhalten hat, nachträglich erkennt, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt hat, der in eine anderweitig begangene "Mehrwertsteuerhinterziehung" einbezogen war (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 333 mwN).
16
b) Im Zeitpunkt der Lieferung der Altkatalysatoren durch die P. II im April 2006 lagen die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug vor.
17
Die Auffassung des Landgerichts, ein Vorsteuerabzug scheide deswegen aus, weil die P. II als "Scheinunternehmen" nicht als Unternehmer i.S.v. § 15 UStG anzusehen sei und die Leistungen nicht erbracht habe, begegnet durchgreifenden Bedenken.
18
(1) Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen, wenn er eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die Rechnung kann nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG auch von einem Leistungsempfänger, der Unternehmer oder eine nichtunternehmerische juristische Person ist, im sog. Gutschriftverfahren ausgestellt werden. Ein Vorsteuerabzug kommt demnach nur in Betracht, wenn der Rechnungsaussteller bzw. der Empfänger der Gutschrift und der leistende Unternehmer, der die in der Rechnung bzw. Gutschrift bezeichnete Leistung ausgeführt hat, identisch sind.
19
(2) Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Auch ein Strohmann, der nach außen im eigenen Namen auftritt, im Verhältnis zum Hintermann jedoch auf dessen Rechnung handelt, kann daher leistender Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein. Vorgeschobene Strohmanngeschäfte zwischen einem Strohmann und dem Leistungsempfänger sind hingegen dann umsatzsteuerrechtlich - wie auch zivilrechtlich - unbeachtlich, wenn sie nur zum Schein (vgl. § 41 Abs. 2 AO) abgeschlossen sind, mithin die Vertragsparteien - der Strohmann und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 2014 - 1 StR 29/14, NStZ-RR 2014, 310, 312; vom 5. Februar 2014 - 1 StR 422/13, wistra 2014, 191 und vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 333 jeweils mwN).
20
(3) Gemessen daran war die P. II für die im Voranmeldungszeitraum April 2006 erfolgten Lieferungen von Altkatalysatoren als leistende Unternehmerin anzusehen. Nach den Feststellungen des Landgerichts gingen zum Zeitpunkt der Lieferungen auf Seiten der Leistungsempfängerin A. alle Beteiligten einschließlich des Angeklagten davon aus, dass vertragliche Beziehungen zur P. II bestanden. Bis Ende April 2006 wusste bei A. weder jemand davon noch hätte jemand davon wissen müssen, dass die P. II nur zum Zwecke der Umsatzsteuerhinterziehung vorgeschoben wurde. Der Um- stand, dass der Angeklagte im Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung am 7. Juni 2006 diese Möglichkeit als naheliegend erkannt hatte und dies billigend in Kauf nahm, führt nicht nachträglich zu einer Versagung des Vorsteuerabzugs (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 333 mwN).
21
c) Der Schuldspruch hat aber im Hinblick darauf Bestand, dass im Voranmeldungszeitraum April 2006 aus den Gutschriften über die Anlieferungen durch R. Vorsteuer i.H.v. 3.085,12 Euro zu Unrecht geltend gemacht wurde.
22
(1) Dies ergibt sich, soweit es sich um reine Scheingutschriften gehandelt hat, bereits daraus, dass die in den Gutschriften bezeichneten Leistungen - wie der Angeklagte wusste - tatsächlich nicht ausgeführt wurden.
23
(2) Auch soweit R. "zum Schein" Anlieferungen Dritter zu A. brachte, die im Gutschriftverfahren auf ihn abgerechnet wurden, besteht kein Vorsteuerabzugsrecht der A. .
24
Der Angeklagte, der R. selbst angeworben hatte, wusste von Beginn der Geschäftsbeziehung an, dass sich A. mit den den Gutschriften zugrunde liegenden Erwerbsvorgängen an Umsätzen beteiligt hat, die in eine "Mehrwertsteuerhinterziehung" einbezogen waren. Dies führt zu einer Versagung des Vorsteuerabzugs der A. (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 333 mwN).
25
Die A. muss sich das Wissen des Angeklagten zurechnen lassen. Einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nicht nur das etwaige Wissen ihres Geschäftsführers als ihres gesetzlichen Vertreters nach § 35 GmbHG, sondern auch das Wissen ihrer sonstigen Angestellten in analoger Anwendung des § 166 BGB zuzurechnen, wenn die Mitarbeiter die Kenntnisse infolge der vorgesehenen Arbeitsteilung und Organisation des Betriebs im Rahmen ihrer Zuständigkeit erlangt haben oder hätten erlangt haben müssen. Dies beruht auf der Erwägung, dass derjenige, der sich zur Erfüllung seiner Verpflichtungen eines anderen bedient, nicht besser stehen darf als derjenige, der diese Verpflichtungen selbst erfüllt (vgl. BFH, Urteil vom 19. Mai 2010 - XI R 78/07, BFH/NV 2010, 2132 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 318/12, wistra 2013, 463). Die Zuständigkeit des Angeklagten für das operative Geschäft und insbesondere für die Entscheidungen über Aufnahme und Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen mit den Lieferanten rechtfertigt eine Zurechnung seiner in diesem Zusammenhang erlangten Kenntnisse.
26
2. Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in den übrigen Fällen ist nicht zu beanstanden. In den betreffenden Steueranmeldungen wurde zu Unrecht ein Vorsteuerabzug hinsichtlich der in den Gutschriften ausgewiesenen Umsatzsteuer in Anspruch genommen.
27
Insbesondere hätte der Angeklagte, der ab dem Voranmeldungszeitraum Mai 2006 auch hinsichtlich der Lieferungen der P. II sowie der zeitlich nachfolgend als Anlieferer auftretenden Firmen C. und B. die naheliegende Möglichkeit erkannte, dass diese nur zum Zwecke der Umsatzsteuerhinterziehung vorgeschoben wurden, und dies billigend in Kauf nahm, jedenfalls wissen müssen, das sich die A. auch insoweit mit den Erwerbsgeschäften an einem Umsatz beteiligte, der in eine "Mehrwertsteuerhinterziehung" einbezogen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, wistra 2014, 141 mwN). Auch dieses "Wissenmüssen" des Angeklagten muss sich die A. zurechnen lassen (vgl. BFH, Urteil vom 19. Mai 2010 - XI R 78/07, BFH/NV 2010, 2132 mwN).
28
3. Die Annahme, der Angeklagte habe die Steuerhinterziehung als mittelbarer Täter (vgl. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) begangen, wird von den Feststellungen getragen. Der Angeklagte hat durch seine Tatbeiträge - nämlich die Entscheidung , die Geschäftsbeziehung mit P. II fortzuführen bzw. Geschäftsbeziehungen zu C. , B. und R. aufzunehmen - bewirkt, dass durch den ohne Vorsatz handelnden Buchhalter bzw. Steuerberater in den von diesen abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate März 2006 bis Dezember 2006 bzw. in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2007 die in den Gutschriften der P. II, C. , B. und R. ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge zu Unrecht als Vorsteuer geltend gemacht wurde.
29
4. Auch die Annahme von Tatmehrheit (§ 53 StGB) ist nicht zu beanstanden. Der Tatbeitrag des Angeklagten erschöpfte sich nicht in der Einrichtung eines auf Steuerhinterziehung ausgerichteten Systems (sog. uneigentliches Organisationsdelikt; vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 2008 - 5 StR 90/08, wistra 2008, 261). Der Angeklagte hat durch die Abwicklung der Anlieferungen und Abrechnungen einen Beitrag zur Abgabe jeder unrichtigen Steueranmeldung geleistet.

IV.


30
Im Rahmen der Strafzumessung hält allein der Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 2 (Hinterziehung von Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum April 2006) revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat bei der Festsetzung der Einzelstrafe eine zu hohe Steuerverkürzung zugrunde gelegt, indem es zu Unrecht (vgl. zu 1.b.) von einer fehlenden Berechtigung zum Vorsteuerabzug über die Anlieferungen von R. in Höhe von 3.085,12 Euro hinaus auch für die Lieferungen der P. II im April 2006 in Höhe von 144.269,60 Euro ausgegangen ist.
31
Der Senat setzt auf den Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 354 Abs. 1 StPO im Fall 2 eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Monat (vgl. § 370 Abs. 1 AO) fest.
32
Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat trotz der Herabsetzung der im Fall 2 der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe Bestand. Der Senat schließt angesichts der in den übrigen Fällen verhängten Einzelfreiheitsstrafen aus, dass das Landgericht auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

V.

33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, Abs. 4 StPO. Der nur geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen. Raum Graf Jäger Cirener Mosbacher

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

5 StR 212/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 11. Dezember 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Dezember 2002

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 26. November 2001 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen und wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf nur folgendes: Die Verurteilung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung hält im Schuldspruch sachlichrechtlicher Nachprüfung stand, weil der Angeklagte nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des landgerichtlichen Urteils in ein Gesamtsystem in der Art eines Umsatzsteuerkarussells integriert war. Dies wirkt sich, wenn der Angeklagte – wie hier – von den in der Lieferkette nachfolgenden Geschäften Kenntnis hatte, in der strafrechtlichen Beurteilung nicht nur auf die von ihm selbst abgegebenen Steuererklärungen aus. Vielmehr förderte er mit seinem eigenen Beitrag innerhalb der Lieferkette auch jeweils eine Umsatzsteuerhinterziehung der anderen Mitglieder, die an den auf Hinterziehung der Umsatzsteuer gerichteten Geschäften beteiligt waren.
Bedenken begegnet indes die Bestimmung des Schuldumfangs. Bei solchen Umsatzsteuerkarussellen ist kennzeichnend, daß in die Kette einzelne Personen eingebaut sind, die entweder keine Umsatzsteuer anmelden oder die geschuldete Umsatzsteuer nicht abführen. Hierdurch entsteht dann letztlich der durch das Gesamtsystem bewirkte Steuerschaden. Der Bundesgerichtshof hat deshalb entschieden, daß im Rahmen der Strafzumessung maßgeblich auf den insgesamt durch das Karussell bewirkten deliktischen Steuerschaden abzustellen ist, weil dieser der Tat ihr eigentliches Gepräge gibt (BGH NJW 2002, 3036, 3039).
Diesen Anforderungen wird das landgerichtliche Urteil nicht in vollem Umfang gerecht. Soweit es bei dem Angeklagten hinsichtlich der täterschaftlich begangenen Hinterziehungshandlungen statt des Gesamtschadens nur den unmittelbar durch seine Erklärungen bewirkten Steuerschaden zur Last legt, beschwert dies den Angeklagten nicht. Anders stellt sich der Fall freilich hinsichtlich der Verurteilung wegen Beihilfe an der durch W und B - begangenen Steuerhinterziehung dar. Diese beiden Personen folgten dem Angeklagten in der Kette nach. Der von dem Angeklagten schon verursachte Steuerschaden setzte sich in ihrem Verhalten nur fort und vergrößerte sich allenfalls. Dies bedeutet aber gleichzeitig, daß das Steueraufkommen nicht in der Summe der beiden Hinterziehungshandlungen gefährdet ist, sondern lediglich im Umfang des jeweils höheren Hinterziehungsbetrages. Diesen inneren Zusammenhang hätte das Landgericht bei der Strafzumessung bedenken müssen (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 Strafzumessung 14). Deshalb wird es regelmäßig angezeigt sein, das Verfahren allein auf die täterschaftlichen Steuerhinterziehungen zu beschränken und insoweit den steuerlichen Gesamtschaden als Gesichtspunkt in die Strafzumessung einzustellen. Damit erspart sich der Tatrichter nicht nur eine im Einzelfall schwierige Abschichtung des jeweils eigenständigen Schuldumfanges der miteinander verzahnten Taten, sondern auch zusätzliche Feststellungen zu den (häufig im Ausland abgegebenen) Steuererklärungen der übrigen Teilnehmer an den Umsatzsteuerkarussellen.
Das Urteil kann im vorliegenden Fall dennoch auch im Strafausspruch aufrechterhalten bleiben. Der Senat schließt aus, daß sich der aufgezeigte Fehler auf die Verhängung der Einzelstrafe wegen Beihilfe (ein Jahr Freiheitsstrafe ) oder gar auf die Gesamtstrafe ausgewirkt hat. Hierbei ist nämlich zu bedenken, daß sich die Beihilfehandlung insgesamt auf die gesamte Organisation der von W und B gesteuerten Absatzkette erstreckte. Mithin erlangt sie aus diesem Grunde erhebliches Gewicht. Schon dieser Gesichtspunkt läßt die Verhängung einer noch milderen Strafe fernliegend erscheinen.
Harms Gerhardt Raum Brause Schaal

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 4 5 4 / 1 4
vom
13. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Januar
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Mosbacher
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Fischer,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten Z. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten Z. und T. und die der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14. April 2014 werden verworfen.
2. Die Angeklagten Z. und T. haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft sowie die den Angeklagten Z. und T. hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hatte die Angeklagte Z. mit Urteil vom 3. Dezember 2012 wegen versuchten Betrugs in zwei Fällen und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt, wobei das Landgericht davon ausging, dass die Gefahr bei der Sprengstoffexplosion bedingt vorsätzlich verursacht worden war. Der Mitangeklagte T. war in diesem Urteil wegen zweier tateinheitlicher Fälle der Beihilfe zum versuchten Betrug in Tateinheit mit Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, bei der die Gefahr ebenfalls bedingt vorsätzlich hervorge- rufen worden war, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt worden.
2
Auf die Revision der Angeklagten hob der Senat das Urteil mit Beschluss vom 16. September 2013 - 1 StR 264/13 - bezüglich der Angeklagten Z. mit den Feststellungen im Schuldspruch, soweit sie wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion verurteilt worden war, jedoch mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und im gesamten Strafausspruch auf. Hinsichtlich des Angeklagten T. hob der Senat das Urteil mit den Feststellungen - ebenfalls mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen - auf. Im Umfang der Aufhebungen wurde die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

II.


3
Das Landgericht hat die Angeklagte Z. sodann mit dem angefochtenen Urteil wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und - bereits aufgrund des Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 3. Dezember 2012 - wegen versuchten Betrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
4
Den Angeklagten T. hat es wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Beihilfe zum versuchten Betrug zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
5
Gegen dieses Urteil wenden sich sowohl die Angeklagten als auch die Staatsanwaltschaft mit ihren Rechtsmitteln. Die Staatsanwaltschaft hat Revisionen zu Lasten beider Angeklagter eingelegt und diese mit der Sachrüge begründet. Die Angeklagten beanstanden ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts.

III.


6
Nach den rechtskräftigen und den im neuen Urteil getroffenen ergänzenden Feststellungen des Landgerichts betrieb die Angeklagte Z. die in ihrem Eigentum stehende, hochverschuldete Gaststätte „ K. “,in der der Angeklagte T. als Hilfskoch beschäftigt war. Es bestanden für diese Gaststätte eine Gebäudeversicherung sowie eine Geschäftsinhaltsversicherung bei der E. und eine Hausratversicherung bei der V. . Die beiden Angeklagten vereinbarten, eine Sprengstoffexplosion zur Aufhebung der Gebrauchsfähigkeit der Gaststätte herbeizuführen , damit die Angeklagte Z. unter Vortäuschen eines Versicherungsfalls an die entsprechenden Versicherungsleistungen gelangen konnte. Die Angeklagte Z. versprach dem Angeklagten T. , der zunächst nur 1.000 Euro für sein Tätigwerden forderte, ein Drittel der Versicherungssumme, wenn er die entsprechenden Manipulationen vornehmen würde.
7
Zur Ausführung dieses Plans trafen sich die Angeklagten während der Betriebsferien der Gaststätte am 3. Januar 2012 gegen 18.00 Uhr im Gastraum des Lokals. Die Angeklagte Z. übergab dem Angeklagten T. als Anzahlung 700 Euro. Der Angeklagte T. schraubte daraufhin zwei der drei Gasleitungen in der Küche der Gaststätte auf, so dass pro Stunde 10 kg Propangas entwichen, und eine unmittelbare Explosionsgefahr bestand. Die Angeklagte Z. begab sich anschließend in ihre über der Gaststätte im ersten Obergeschoss gelegene Wohnung, um diverse Gegenstände zu holen. Nach Vorstellung der beiden Angeklagten bestand zwar die Möglichkeit, dass es ohne weiteres Tätigwerden zu einer Explosion kommen könnte. Für wahrscheinlicher hielten die Angeklagten jedoch, dass der Angeklagte T. am Folgetag die Explosion mittels eines Feuerzeuges herbeiführen müsse. Zu diesem Zweck ließ der Angeklagte T. auch Werkzeug vor Ort zurück. Die Angeklagten rechneten damit, dass es bei der Explosion die Fensterfront nach außen drücken würde und die Gaststätte anschließend nicht mehr nutzbar wäre, der AngeklagteT. jedoch beim Auslösen der Explosion hinter der Tür zur Küche sicher wäre. Von einer Gefährdung für andere Menschen oder bedeutende fremde Sachwerte gingen die beiden Angeklagten nicht aus, obwohl sie diese bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätten erkennen können und müssen.
8
Durch die am 4. Januar 2012 um 4.15 Uhr eingetretene Explosion wurde die gesamte Wand an der Ostseite des Gebäudes bis unterhalb des Daches weggesprengt. Es entstanden keine Personenschäden, jedoch Sachschäden an den Nachbargebäuden im Gesamtwert von mindestens 394.281,44 Euro. Zum Teil zersprangen die Fensterscheiben der Nachbargebäude, so dass Scherben auf die in ihren Betten schlafenden Menschen fielen. Die Angeklagte Z. meldete den Schaden der Versicherung am 4. Januar 2012 und reichte am 16. Februar 2012 eine Schadensaufstellung über 167.587,00 Euro bei der E. und über 48.314,50 Euro bei der V. ein.
9
Die Polizei stellte bereits am 5. Januar 2012 fest, dass die Sprengstoffexplosion durch eine Manipulation verursacht worden war. Zu einer Auszahlung von Versicherungsleistungen kam es daher nicht. Der Angeklagte T.
legte am 7. März 2012 in Kenntnis dieser Tatsachen ein - auch die Angeklagte Z. belastendes - Geständnis ab.

IV.


10
Revision der Angeklagten Z.
11
Die Revision der Angeklagten Z. , mit der sie insbesondere die Strafzumessung rügt, bleibt ohne Erfolg. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
12
Die fehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Auch die Strafzumessung des Landgerichts weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Es liegt kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB vor, soweit das Landgericht zulasten der Angeklagten das „hohe Maß der Pflichtwidrigkeit“ sowie den entstandenen hohen Sachscha- den berücksichtigte (UA S. 22). Dass tatsächlich ein hoher, die Mindestgrenze für einen bedeutenden Sachwert (vgl. dazu Fischer, StGB, 62. Aufl., § 315 Rn. 16a) weit überschreitender Sachschaden eintrat, ist dem Gefährdungsdelikt des § 308 StGB nicht immanent und mithin ein zulässiges Strafzumessungskriterium. Ebenso verhält es sich mit dem besonders hohen Maß an Pflichtwidrigkeit , das darin zu sehen ist, dass eine unkontrollierte Explosion in einem dichtbesiedelten Bereich herbeigeführt wurde. Das sich daraus ergebende hohe Maß der persönlichen Schuld der Angeklagten darf strafschärfend berücksichtigt werden (vgl. auch Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 31).
13
Soweit die Revision beanstandet hat, dass das Landgericht die besonders erschwerte Haftsituation der Angeklagten Z. aufgrund von deren Schwerhörigkeit unzureichend berücksichtigt habe, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf. Zwar ist die Angeklagte Z. bereits fortgeschrittenen Alters und schwerhörig, jedoch hat sich das Landgericht mit diesem Umstand in seinem Urteil ausdrücklich auseinandergesetzt und dargelegt, dass die Schwerhörigkeit der Angeklagten Z. zur Überzeugung des Landgerichts aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen Eindrucks weder eine besondere Beschwer in der Untersuchungshaft war, noch für die künftige Haftverbüßung sein wird.
14
Auch die Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen die Angeklagte Z. sprechenden Umstände und unter besonderer Würdigung des engen Zusammenhangs zwischen der Sprengstoffexplosion und dem geplanten Versicherungsbetrug unter Erhöhung der Einsatzstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und Berücksichtigung der rechtskräftigen Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren bzw. neun Monaten für die beiden Betrugstaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten gebildet. Entgegen dem Revisionsvorbringen hat das Landgericht hierbei den für die Gesamtstrafe gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 StGB vorgegebenen Strafrahmen (Freiheitsstrafe bis zu sechs Jahren und zwei Monaten) nicht nahezu ausgeschöpft.

V.


15
Revision des Angeklagten T.
16
Der Angeklagte T. beanstandet mit seiner Revision, dass hinsichtlich seiner Person nur ein Fall der Beihilfe zum Betrug vorläge, da er keine Kenntnis von mehreren betroffenen Versicherungen gehabt habe; ferner sei er von diesem Versuch zurückgetreten, indem er frühzeitig ein - auch die Angeklagte Z. belastendes - Geständnis abgelegt habe und dadurch die Auszahlung der Versicherungsleistungen verhindert habe. Auch die Revision des Angeklagten T. , deren Beschränkung auf die Verurteilung wegen Beihilfe zum versuchten Betrug in zwei Fällen wegen der tateinheitlichen Begehungsweise mit der nicht angegriffenen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion nicht wirksam ist, bleibt ohne Erfolg.
17
Insbesondere hat das Landgericht den Angeklagten T. rechtsfehlerfrei wegen Beihilfe zum versuchten Betrug in zwei Fällen verurteilt. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass der Angeklagte T. gewusst hatte, dass die Angeklagte Z. „aufgrund der von ihm durchgeführten Tat gegenüber Versicherungsunternehmen einen Versicherungsfall vortäuschen würde, um dadurch zu Unrecht die Auszahlung von Versicherungssummen zu erreichen …“ (UA S. 10). Bereits dem Wortlaut nach ist also nicht nur eine Versicherung erfasst, sondern es ist vielmehr von einem Versicherungsfall die Rede. Darüber hinaus ist für den Gehilfenvorsatz nicht erforderlich, dass der Gehilfe alle Einzelheiten der Haupttat kennt. Vielmehr ist entscheidend, dass der Gehilfe die Dimension des Unrechts der ins Auge gefassten Tat erfassen kann. Der Gehilfenvorsatz unterscheidet sich insofern vom Anstiftervorsatz, da der Anstifter eine konkrete Tat vor Augen haben muss, während der Gehilfe einen von der Haupttat losgelösten Beitrag erbringt (BGH, Urteil vom 18. April 1996 - 1 StR 14/96, NStZ 1997, 272, 273; Beschluss vom 20. Januar 2011 - 3 StR 420/10, NStZ-RR 2011, 177; Urteil vom 18. Juni 1991 - 1 StR 164/91, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 7). Der Angeklagte T. wusste vorliegend, dass die Angeklagte Z. den durch die Explosion entstandenen Schaden versicherungsrechtlich geltend machen wollte. Damit hat er den Umfang des Unrechts erkannt. Auf die Anzahl der geschädigten Versicherungen kommt es dabei nicht an.
18
Ferner hat das Landgericht hier zu Recht keinen Rücktritt vom Versuch durch das Geständnis des Angeklagten T. angenommen. Ein Fall des § 24 Abs. 2 StGB liegt nicht vor, da der Versuch bereits fehlgeschlagen war, als der Angeklagte T. sein Geständnis ablegte. Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn der Taterfolg aus Sicht des Täters mit den bereits eingesetzten oder zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr erreicht werden kann, ohne dass eine ganz neue Handlungs- und Kausalkette in Gang gesetzt wird (BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 228; Urteil vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369; Beschluss vom 29. Januar 2002 - 4 StR 520/01, NStZ-RR 2002, 168, 169; Urteil vom 15. September 2005 - 4 StR 216/05, NStZ-RR 2006, 168, 169; Urteil vom 19. Mai 2010 - 2 StR 278/09, NStZ 2010, 690, 691; Beschluss vom 22. März 2012 - 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239; Urteil vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156, 157 f.). Die Manipulation der Gasleitungen war zu diesem Zeitpunkt bereits von der Polizei entdeckt und die Angeklagte Z. der Tat verdächtigt worden, was der Angeklagte T. auch wusste. Daher war ihm bei Ablegen seines Geständnisses bewusst, dass eine Tatvollendung in Form der Auszahlung der Versicherungssumme durch die Versicherungsunternehmen nicht mehr erreicht werden könnte.

VI.


19
Revisionen der Staatsanwaltschaft
20
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft bleiben sowohl im Hinblick auf die Angeklagte Z. (nachfolgend 1.) als auch bezüglich des Angeklagten T. (nachfolgend 2.) erfolglos.
21
1. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit der Sachrüge in erster Linie gegen die Annahme einer nur fahrlässigen Verursachung der Gefahr für fremde Sachen von bedeutendem Wert. Diese Annahme beruhe nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung, da es widersprüchlich sei, wenn die Kammer einerseits annehme, dass die Angeklagten mit der Explosion die Fortführung der Gaststätte unmöglich machen wollten, andererseits aber den Angeklagten glaubte, dass sie von keiner konkreten Gefährdung für fremde Sachen von bedeutendem Wert ausgingen. Die Nachprüfung hat hier aber keinen Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten ergeben.
22
Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei in der Beweiswürdigung den Angaben des Angeklagten T. Glauben geschenkt, dass die Angeklagten zwar die Möglichkeit gesehen hätten, dass eine Explosion ohne weiteres Zutun eintritt, sie es jedoch für wahrscheinlicher hielten, dass der Angeklagte T. am nächsten Tag mittels eines Feuerzeugs nachhelfen müsste und er davon ausging, dass er dabei hinter einer Tür in Sicherheit sei. Von einer Gefahr für Leib oder Leben anderer Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert sei man nicht ausgegangen. Diese Einlassung des Angeklagten T. sah das Landgericht als dadurch untermauert an, dass man am Tatort tatsächlich noch Werkzeug vorfand, das der Angeklagte für die geplante Manipulation am nächs- ten Tag zurückgelassen hatte. Ferner wurde diese Aussage nach Meinung des Landgerichts dadurch gestützt, dass die Angeklagte Z. sich nach Öffnen der Gasleitungen noch in ihre über der Gaststätte gelegene Wohnung begab. Dass es bei Gasexplosionen tatsächlich zu unterschiedlichen Geschehensabläufen kommen kann, bestätigte dem Landgericht der Sachverständige M. (UA S. 12). Das Landgericht setzte sich hierbei auch mit der Tatsache, dass der Angeklagte T. das Gas roch und sich der Funktionsweise von Gas grundsätzlich bewusst war, sowie mit dem von der Staatsanwaltschaft aufgezeigten Widerspruch auseinander, dass die Angeklagten einerseits die Nutzbarkeit der Gaststätte mittels der Explosion aufheben wollten, andererseits aber von keiner Gefahr für Leib oder Leben anderer Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert ausgingen. Das Landgericht gelangt jedoch im Rahmen der ihm originär zustehenden Beweiswürdigung rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung , dass die Angaben des Angeklagten T. , die dieser konstant bei der Polizei und in der Hauptverhandlung machte und hierbei auch für ihn negative Fakten wie die Tatsache, dass er den Gasgeruch wahrnahm, angab, glaubhaft sind und dieser von keiner entsprechenden konkreten Gefährdung ausging. Nichts anderes kann für die Angeklagte Z. gelten, die ihre Einschätzung der Gefährdungslage ja gerade aus den ihr von dem Angeklagten T. übermittelten Informationen zu der Manipulation bilden musste. Ohne Rechtsfehler sieht das Landgericht es als untermauerndes Indiz gegen die Annahme einer konkreten Gefährdung durch die Angeklagte Z. an, dass diese sich nach der Manipulation noch einige Zeit in ihrer über der Gaststätte befindlichen Wohnung aufhielt. Denn dies unterstreicht, dass die Angeklagten die sofortige erhebliche Gefahr, die durch das austretende Gas entstanden war, nicht erkannten.
23
2. Das Landgericht hat auch rechtsfehlerfrei die Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren gegen den Angeklagten T. zur Bewährung ausgesetzt. Erforderlich für die Aussetzung zur Bewährung sind neben einer günstigen Sozialprognose auch noch besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB; außerdem darf die Verteidigung der Rechtsordnung den Vollzug der Freiheitsstrafe nicht gebieten (§ 56 Abs. 3 StGB). Dem genügt das angefochtene Urteil.
24
Das Landgericht nahm vorliegend ohne Rechtsfehler an, dass sich der Angeklagte T. bereits die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch aufgrund des Eindrucks der Untersuchungshaft ein Leben ohne Straftaten führen wird (§ 56 Abs. 1 StGB). Dies begründet das Landgericht vor allem damit, dass der Angeklagte T. aus Mitleid mit der Angeklagten Z. und nicht aus eigenem Gewinnstreben agierte, sich frühzeitig geständig zeigte und Aufklärungshilfe leistete. Ferner lebe der Angeklagte T. in einer festen Beziehung und gehe einer Arbeit nach. Auch die Tatsache, dass das Landgericht an dieser Stelle nicht explizit auf den Strafbefehl vom 4. Februar 2013 eingeht, begründet keinen Rechtsfehler. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe - insbesondere den Ausführungen unter II.2. - ergibt sich, dass das Landgericht die Verurteilung durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Mannheim durchaus gesehen hat. Es ist daher nicht zu besorgen, dass im Rahmen der Frage nach der positiven Sozialprognose dieser Aspekt keine Berücksichtigung fand.
25
Auch bei der Annahme der besonderen Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB unterliefen dem Landgericht keine ersichtlichen Rechtsfehler. Zwar weist die Staatsanwaltschaft zu Recht darauf hin, dass die besonderen Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB umso gewichtiger sein müssen, je näher die Freiheitsstrafe an der Zweijahresgrenze liegt (BGH, Urteil vom 21. März 1985 - 4 StR 53/85, wistra 1985, 147, 148; Urteil vom 27. August 1986 - 3 StR 265/86, NStZ 1987, 21; Urteil vom 18. September 1986 - 4 StR 455/86, BGHR StGB § 56 Abs. 2 Aussetzung, fehlerhafte 2; Urteil vom 12. November 1987 - 4 StR 550/87, wistra 1988, 106, 107; Urteil vom 15. Februar 1994 - 5 StR 692/93, wistra 1994, 193; Urteil vom 12. Juni 2001 - 5 StR 95/01, StV 2001, 676). Jedoch hat das Landgericht hier eine umfassende Abwägung vorgenommen , die diesen Anforderungen genügt. Es bezieht insbesondere in seine Betrachtung mit ein, dass der nicht vorbestrafte Angeklagte sich nach der Untersuchungshaft erfolgreich um Arbeit bemüht hat, geständig war und Aufklärungshilfe leistete, durch die die Angeklagte Z. überführt werden konnte.
26
Ebenso wenig rechtsfehlerhaft ist die Annahme des Landgerichts, dass die Verteidigung der Rechtsordnung den Vollzug der Freiheitsstrafe nicht gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB). Die Rüge der Staatsanwaltschaft, dass hier eine substantiellere Auseinandersetzung mit der Frage der Verteidigung der Rechtsordnung geboten gewesen wäre, greift nicht durch. Eine solche ist zwar, wie die Revision zu Recht vorträgt, geboten, wenn im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalls eine Strafaussetzung für das allgemeine Rechtsempfinden schlechthin unverständlich oder gar unerträglich wäre, und die Strafaussetzung das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und den Schutz der Rechtsordnung vor kriminellen Angriffen erschüttern könnte (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1970 - 1 StR 353/70, BGHSt 24, 40, 46; Beschluss vom 21. Januar 1970 - 4 StR 238/70, BGHSt 24, 64, 66). Solch ein Fall liegt hier jedoch gerade nicht vor. Das Landgericht führt an, dass der Angeklagte T. den erheblichen Fremdschaden an den umliegenden Häusern nicht gewollt habe. Soweit die Staatsanwaltschaft in ihrer Revision auf die allgemeine Gefährlichkeit von Sprengstoffexplosionen abstellt, übersieht sie, dass generalpräventive Erwägungen - wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat (UA S. 25) - nicht dazu führen dürfen, bestimmte Tatbestände gänzlich von der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung auszuschließen (st. Rspr.; z.B. BGH, Beschluss vom 21. Januar 1970 - 4 StR 238/70, BGHSt 24, 64, 67; Urteil vom 27. September 2012 - 4 StR 255/12, NStZ-RR 2013, 40, 41). Auch wurde nicht festgestellt, dass zu dieser Zeit eine den Rechtsfrieden bedrohende Häufung derartiger Straftaten in der Gegend vorlag, die entsprechende Reaktionen erfordern würden (vgl. dazu Fischer, StGB, 62. Aufl., § 56 Rn. 14).
Raum Rothfuß Graf
Mosbacher Fischer

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

5 StR 594/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 4. März 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. März 2008

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 22. Mai 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt in 13 Fällen schuldig ist, und
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Einbeziehung der rechtskräftigen Einzelstrafen aus einer zäsurbildenden früheren Verurteilung und unter Aufrechterhaltung der dort angeordneten Maßregeln – wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 36 Fällen und wegen Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen in 24 Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitgeberanteilen, zu einer Gesamtfrei- heitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Daneben hat es den Angeklagten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen sowie wegen Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen in Tateinheit mit Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitgeberanteilen in sechs Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den – über den mit der gleichen Zielrichtung gestellten Antrag des Generalbundesanwalts hinausgehenden – aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Urteilsfeststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen. Sie rechtfertigen allerdings das vom Landgericht angenommene Konkurrenzverhältnis der Taten nicht. Der Senat ändert daher den Schuldspruch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ab. Er schließt aus, dass sich der geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldspruch wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
3
a) Ob bei Beihilfe Tateinheit oder -mehrheit anzunehmen ist, hängt von der Anzahl der Beihilfehandlungen und der vom Gehilfen geförderten Haupttaten ab. Tatmehrheit nach § 53 StGB ist anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen mehrere selbständige Taten unterstützt werden, also den Haupttaten jeweils eigenständige Beihilfehandlungen zuzuordnen sind. Dagegen liegt eine Beihilfe im Sinne des § 52 StGB vor, wenn der Gehilfe mit einer einzigen Unterstützungshandlung zu mehreren Haupttaten eines anderen Hilfe leistet (vgl. BGH NStZ 2000, 83). Dasselbe gilt wegen der Akzessorietät der Teilnahme, wenn sich mehrere Unterstützungshandlungen auf dieselbe Haupttat beziehen (BGHSt 46, 107, 116; vgl. zum Ganzen auch Jäger wistra 2000, 344, 346).
4
b) Nach diesen Grundsätzen hält die Verurteilung des Angeklagten wegen jeweils selbständiger Fälle der Beihilfe (§ 53 StGB) rechtlicher Nach- prüfung nicht stand, soweit der Angeklagte durch dieselben Unterstützungshandlungen sowohl zur Hinterziehung von Umsatzsteuer und von Lohnsteuer als auch zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt Beihilfe geleistet hat. Vielmehr ist der Angeklagte – ohne dass sich der Schuldumfang verändert – lediglich der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Vorenthalten von Arbeitsentgelten in 13 Fällen schuldig. Danach gilt hier grundsätzlich, dass der Angeklagte bezogen auf jeden Monat nur eine Tat begangen hat, indem er den Haupttätern Scheinrechnungen überließ, auf deren Grundlage diese für die A. S. GmbH unrichtige Umsatzsteuererklärungen, unrichtige Lohnsteueranmeldungen sowie unrichtige Sozialversicherungsbeitragsnachweise abgaben. Allerdings sind dabei die Auswirkungen etwaiger Quartalsanmeldungen und Jahreserklärungen zu beachten.
5
aa) Die erste strafbare Beihilfe des Angeklagten umfasst dessen gesamte Unterstützungstätigkeit zu allen sich auf das Jahr 2002 beziehenden und im Rahmen der Geschäftstätigkeit der A. S. GmbH begangenen Haupttaten der Hinterziehung von Umsatzsteuer und Lohnsteuer sowie des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt. Mit der Erstellung und Übergabe von Scheinrechnungen im Zeitraum von Juli bis Dezember 2002 unterstützte der Angeklagte monatlich jeweils sowohl die Einreichung unrichtiger Lohnsteueranmeldungen und Umsatzsteuervoranmeldungen als auch die Fertigung und Einreichung unrichtiger Beitragsnachweise für die Sozialversicherung. Somit leistete der Angeklagte mit sechs Tatbeiträgen zu insgesamt 18 Haupttaten Hilfe. Da mit diesen Tatbeiträgen aber jeweils zugleich die Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2002 erleichtert werden sollte, mithin alle Unterstützungshandlungen auch der Förderung dieser Haupttat dienten, liegt insoweit insgesamt nur eine einheitliche Beihilfe im Sinne von § 52 StGB zu allen 19 Haupttaten vor (vgl. Jäger aaO).
6
bb) Die vom Angeklagten im Zeitraum von Januar bis März 2003 mit der Überlassung von Scheinrechnungen für die A. S. GmbH geleisteten Unterstützungshandlungen bilden eine weitere einheitliche Beihilfe zu den in diesem Zeitraum begangenen Haupttaten der Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Einreichung unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen, der Hinterziehung von Lohnsteuer durch Einreichung einer unrichtigen Quartalsanmeldung und des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt durch Einreichung unrichtiger Beitragsnachweise. Denn sämtliche in diesem Zeitraum vom Angeklagten erstellten Scheinrechnungen dienten auch der Förderung der Lohnsteuerhinterziehung durch Einreichung einer unrichtigen Lohnsteueranmeldung für das erste Quartal 2003.
7
cc) Gleiches gilt für die Hinterziehung von Umsatz- und Lohnsteuer sowie das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen im Zeitraum von April bis Juni 2003 mit Blick auf die Hilfeleistung zur Hinterziehung der Lohnsteuer durch Einreichung einer unrichtigen Lohnsteueranmeldung für das zweite Quartal 2003. Dass der Angeklagte mit den im Jahr 2003 geleisteten Unterstützungshandlungen auch zur Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2003 Hilfe geleistet habe, hat das Landgericht nicht festgestellt. Ein derartiger Tatvorwurf ist auch nicht aus dem Verfahren nach § 154a StPO ausgeschieden worden.
8
dd) Für den Zeitraum von August 2003 bis März 2004 hat das Landgericht als Beihilfehandlungen des Angeklagten die Gründung einer weiteren Scheinfirma (der K. GmbH) und die Einweisung des gesondert verfolgten St. in das Ausstellen und die Weitergabe von Scheinrechungen festgestellt (UA S. 15 f., 36). Wieviele Scheinrechnungen der Angeklagte selbst in diesem Tatzeitraum übergab und welchen Anmeldezeitraum diese Rechnungen betrafen, konnte das Landgericht nicht feststellen. Der Senat schließt insoweit weitergehende Feststellungen in einem neuen Rechtsgang aus. Damit kann für diesen Zeitraum nur von einer einheitlichen Beihilfehandlung des Angeklagten durch seinen Organisationsbeitrag bei Beginn der Deliktsserie ausgegangen werden.
9
Dieser Organisationsbeitrag und die im Juli 2003 noch unter einer anderen Scheinfirma (der D. GmbH) vom Angeklagten übergebenen Scheinrechnungen förderten zugleich dieselbe Haupttat, nämlich die Abgabe der unrichtigen Lohnsteueranmeldung für das dritte Quartal 2003. Daher bilden diese beiden Handlungen eine Tat im Sinne des § 52 StGB. Die Beihilfe zur Lohnsteuerhinterziehung für das dritte Quartal 2003 steht ihrerseits mit der Beihilfe zur Hinterziehung der Umsatzsteuer und zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt für den Monat Juli 2003 in Tateinheit. Damit ist für den Tatzeitraum von Juli 2003 bis März 2004 von einer Tat im Sinne des § 52 StGB auszugehen.
10
ee) Im verbleibenden Tatzeitraum von Dezember 2004 bis August 2005 hat der Angeklagte in jedem Monat eine selbständige Beihilfe im Sinne des § 52 StGB zu den im Rahmen der A. S. GmbH verwirklichten Haupttaten der Hinterziehung von Lohnsteuer sowie des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt begangen. Mit der Übergabe von Scheinrechnungen hat er jeweils zugleich zur Hinterziehung von Lohnsteuern als auch zu einer Tat nach § 266a StGB Hilfe geleistet.
11
c) Der Senat sieht gemäß § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO davon ab, in der Urteilsformel bei jedem Einzelfall die gleichartige Tateinheit zum Ausdruck zu bringen. Hierdurch würde der Tenor unübersichtlich; dies widerspräche dem Gebot der Klarheit und Verständlichkeit der Urteilsformel (vgl. BGH wistra 2007, 388, 391 m.w.N.).
12
2. Die Änderung des Konkurrenzverhältnisses bedingt hier die Aufhebung sämtlicher Einzel- und Gesamtstrafen. Den auf der Grundlage des neu gefassten Schuldspruchs festzusetzenden Einzelstrafen sind jeweils höhere Hinterziehungsbeträge zugrundezulegen. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei den hier vorliegenden Rechtsfehlern nicht.
13
3. Für die Festsetzung der neuen 13 Einzelstrafen weist der Senat auf Folgendes hin:
14
Die Höhe der bisherigen, nunmehr entfallenen Einzelstrafen darf überschritten werden. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) steht dem nicht entgegen. Es ist bei dieser Sachlage lediglich geboten, dass jeweils die Summe der bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten wird (vgl. BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12). Überdies hat es bei Einzelgeldstrafen zu verbleiben, soweit im betreffenden Gesamtkomplex bisher nur Einzelgeldstrafen verhängt worden sind (vgl. etwa die für die im Tatzeitraum von Januar bis März 2003 oder im Dezember 2004 begangenen Beihilfehandlungen verhängten Einzelgeldstrafen ). Schließlich dürfen die beiden neu zu bildenden Gesamtstrafen nicht höher sein als die bisherigen (st. Rspr.; BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 3, 7, 12 m.w.N.).
15
Der neue Tatrichter wird bei der Strafbemessung auch zu bedenken haben, dass sich allein durch die Änderung des Konkurrenzverhältnisses der Gesamtunrechtsgehalt der Taten nicht verringert hat. Insbesondere die rechtsfehlerfrei festgestellten Hinterziehungsbeträge bleiben hiervon unberührt. Allerdings wird das neue Tatgericht bei der Strafzumessung im Hinblick auf die Hinterziehung der Umsatzsteuer für das Jahr 2002 zu beachten haben , dass sich die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Juli bis Dezember 2002 und die Umsatzsteuerjahreserklärung 2002 auf dieselbe Steuerart und dasselbe Steueraufkommen eines Besteuerungszeitraumes beziehen und sich der Unrechtsgehalt teilweise überschneidet, wenn auch nicht vollständig deckungsgleich ist (vgl. BGHSt 49, 359, 362 ff.; BGH wistra 2005, 145, 146 f.). Der neue Tatrichter sollte – soweit sich das Verfahren auf die Hinterziehung von Umsatzsteuer für das Jahr 2002 bezieht – eine Verfahrensbeschränkung nach § 154a StPO auf den Tatvorwurf der Beihilfe zu der durch die Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2002 begangenen Steuerhinterziehung in Betracht ziehen (vgl. auch dazu BGHSt aaO S. 365; BGH aaO).
16
Etwa zu treffende neue Feststellungen dürfen zugrundegelegt werden, wenn sie den nunmehr rechtskräftigen nicht widersprechen.
Basdorf Gerhardt Brause Schaal Jäger

Eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt Satz 1 erst, wenn die Finanzbehörde zustimmt. Die Zustimmung bedarf keiner Form.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 1 8 2 / 1 4
vom
7. Oktober 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
7. Oktober 2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als Vorsitzender,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener
und die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte – in der Verhandlung –,
Justizangestellte – bei der Verkündung –
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 9. Oktober 2013 – auch soweit es den Mitangeklagten T. betrifft – aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in dreizehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Die Angeklagte wendet sich mit einer Verfahrensrüge und der näher ausgeführten Sachrüge gegen ihre Verurteilung. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge überwiegend Erfolg. Mit der Rüge der Verletzung von Verfahrensrecht dringt die Angeklagte dagegen nicht durch.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat die Angeklagte gemeinsam mit dem Mitangeklagten T. jeweils zugunsten der T. GmbH durch unrichtige Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2009 und 2010 sowie durch unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis Juli 2011, September 2011, Dezember 2011 sowie Januar und Februar 2012 Vorsteuern in einer Gesamthöhe von 1.113.891,10 Euro zu Unrecht geltend gemacht. Die T. GmbH war als Exporteur wenigstens in ein europaweit tätiges sog. Umsatzsteuerkarussell eingebunden. Die Gesellschaft erwarb von verschiedenen Missing Tradern unterschiedliche Elektronikartikel. Diese waren zuvor aus dem europäischen Ausland nach Deutschland verbracht worden. Die als Missing Trader agierenden Unternehmen kamen ihren jeweiligen steuerlichen Verpflichtungen nicht nach, indem sie entweder keine oder unrichtige Umsatzsteuererklärungen abgaben und geschuldete Umsatzsteuer nicht abführten. Die T. GmbH veräußerte die erworbenen Waren ihrerseits wiederum in das europäische Ausland.
4
Die Angeklagte, die innerhalb der T. GmbH für die Abwicklung des Ein- und Verkaufs der Elektronikartikel zuständig war, bewirkte zusammen mit dem Mitangeklagten T. , dem GmbH-Geschäftsführer, dass die Rechnungen der Missing Trader in die Buchhaltung der T. GmbH eingestellt und daraus in den jeweiligen Steuererklärungen Vorsteuern geltend gemacht wurden. In sämtlichen verfahrensgegenständlichen Veranlagungszeiträumen überstieg die erklärte Vorsteuer die erklärte Umsatzsteuer erheblich.
5
Nach den weiteren Feststellungen des Landgerichts rechneten beide Angeklagte jedenfalls ab Ende des Jahres 2009 mit der Möglichkeit, dass die T. GmbH in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden war und nahmen dies billigend in Kauf; sie nahmen auch billigend in Kauf, dass die entsprechenden Rechnungen nicht hätten in die Buchhaltung und in die Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. Umsatzsteuerjahreserklärungen eingestellt werden dürfen.

II.

6
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen weder bezüglich der Angeklagten noch bezüglich des nicht revidierenden Mitangeklagten T. die Schuldsprüche wegen vollendeter Steuerhinterziehung in jeweils dreizehn Fällen. Es mangelt an zusätzlichen Feststellungen, aus denen sich das Vorliegen jeweils vollendeter Taten ergibt. Dagegen hat die auch gegen die Feststellungen gerichtete Verfahrensrüge der Angeklagten keinen Erfolg.
7
1. Die Verfahrensrüge, mit der die Angeklagte eine Verletzung ihres Anspruchs auf ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK, hier in Verbindung mit § 257c StPO) geltend macht, dringt nicht durch. Sie ist nicht in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Weise ausgeführt.
8
a) Folgendes Verfahrensgeschehen liegt nach dem Vorbringen zugrunde :
9
In der Sitzung vom 1. August 2013, dem zweiten Hauptverhandlungstag, gab der Vorsitzende den Inhalt eines außerhalb der Hauptverhandlung zur Vorbereitung einer Verständigung geführten Gesprächs bekannt. Am darauffol- genden dritten Hauptverhandlungstag, dem 6. August 2013, gab der Vorsitzende sodann den Verständigungsvorschlag der Strafkammer bekannt. Bei vollumfänglichem Geständnis gemäß Anklage wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe mit einer Untergrenze von einem Jahr neun Monaten und einer Obergrenze von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, in Aussicht gestellt. Ausweislich der von der Revision vorgetragenen Sitzungsniederschrift belehrte der Vorsitzende anschließend die Angeklagten gemäß § 257c Abs. 4, Abs. 5 StPO. Nach der Belehrung erklärte einer der Verteidiger der Angeklagten die Zustimmung zu dem Verständigungsvorschlag der Straf- kammer. Die Angeklagte selbst erklärte: „Die Erklärung meines Verteidigers ist richtig, ich mache sie mir zu eigen“. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft stimmte dem Verständigungsvorschlag ebenfalls zu.
10
Das Verfahren u.a. gegen die Angeklagte wurde abgetrennt. Am 9. Oktober 2013, dem 16. Hauptverhandlungstag, wurden die Schlussvorträge gehalten. Dabei forderte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft als Bewährungsauflage eine Geldzahlung durch die Angeklagte. Ihr Verteidiger wies in seinem Schlussplädoyer darauf hin, dass angesichts der mittlerweile gegen die Angeklagte ergangenen Steuerbescheide eine Geldauflage unverhältnismäßig sei und allenfalls eine Arbeitsauflage ausgesprochen werden solle.
11
In seinem im Anschluss an das angefochtene Urteil verkündeten Bewährungsbeschluss legte das Landgericht der Angeklagten die Erbringung von 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit auf.
12
b) Die Revision rügt eine Verletzung des Anspruchs der Angeklagten auf ein faires Verfahren. Das Fairnessgebot erfordere, bei einem aufgrund einer Absprache gemäß § 257c StPO zustande gekommenen Urteil mit einer Bewährungsstrafe bereits im Rahmen der der Verständigung vorausgehenden Ge- spräche eventuell zu verhängende Bewährungsauflagen anzusprechen. Anderenfalls werde der Angeklagte von einer im Bewährungsbeschluss erfolgenden Auflage überrascht. Diesbezüglich trägt die Revision vor, im Rahmen der zur Herbeiführung der Verständigung geführten Gespräche sei nicht über solche Auflagen gesprochen worden. Die Angeklagte sei deshalb durch den im Rahmen des Schlussvortrags erfolgten Antrag des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft , eine Geldauflage zu verhängen, völlig überrascht worden.
13
c) Unter den maßgeblichen Umständen des konkreten Einzelfalles ist die erhobene Rüge nicht in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise ausgeführt.
14
aa) Um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen, müssen die den behaupteten Verfahrensmangel begründenden Tatsachen so genau und vollständig mitgeteilt werden, dass das Revisionsgericht im Sinne einer vorweggenommenen Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Akten prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 8. Januar 2013 – 1 StR 602/12, NStZ 2013, 672; vom 11. März 2014 – 1 StR 711/13, NStZ 2014, 532 f. jeweils mwN). Der vom Gesetz geforderte Tatsachenvortrag muss zudem für eine zulässige Verfahrensrüge in sich widerspruchsfrei sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 2005 – 1 StR 117/05, NStZ-RR 2006, 181, 182; vom 29. Juni 2010 – 1 StR 157/10, StV 2011, 399; vom 23. August2011 – 1 StR 153/11 [insoweit inBGHSt 57, 1 f. nicht abgedruckt]; siehe auch Cirener NStZ-RR 2012, 65 f.; Gericke in KK-StPO, 7. Aufl., § 344 Rn. 38 mwN).
15
Daran gemessen genügt die Verfahrensrüge nicht dem von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO Geforderten.
16
bb) Nach der Rechtsprechung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs gebietet der Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK), dass ein Angeklagter vor einer Verständigung gemäß § 257c StPO, deren Gegenstand die Verhängung einer zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe ist, auf konkret in Betracht kommende Bewährungsauflagen hingewiesen werden muss (BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2014 – 4 StR 254/13, NJW 2014, 1831 f.; vom 11. September 2014 – 4 StR 148/14, NStZ 2014, 665 f.). Eine Verständigung im Strafverfahren sei nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn durch eine vorherige Belehrung sichergestellt ist, dass der Angeklagte vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung informiert ist (vgl. BGH, aaO unter Bezugnahme auf BVerfGE 133, 168, 237). Diese Grundsätze erforderten es, dass das Gericht vor einer Verständigung offenlegt, dass es die Verhängung einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe allein nicht für ausreichend hält, sondern zur Verwirklichung der Genugtuungsfunktion des Strafverfahrens Bewährungsauflagen in Betracht zieht. Denn nur wenn der Angeklagte über den gesamten Umfang der Rechtsfolgenerwartung bei der Verständigung informiert sei, könne er autonom eine Entscheidung über seine Mitwirkung treffen (BGH, aaO mwN).
17
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs sieht in dem auch hier relevanten Zusammenhang den den Fairnessverstoß begründenden Verfahrensfehler in der fehlenden Offenlegung des gesamten Umfangs der Rechtsfolgenerwartung vor dem Zustandekommen der Verständigung (BGH, aaO). Er knüpft der Sache nach an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu der Bedeutung der Belehrungspflicht aus § 257c Abs. 5 StPO an. Mit der Pflicht zur Belehrung über die Möglichkeiten des Gerichts, sich gemäß § 257c Abs. 4 StPO von dem in Aussicht gestellten Ergebnis wieder zu lösen, habe der Gesetzgeber die Fairness des Verständigungsverfahrens sichern und zugleich die Autonomie des Angeklagten in weitem Umfang schützen wollen (vgl. BVerfGE 133, 168, 224 Rn. 99 und 237 Rn. 125; BVerfG, Beschluss vom 25. August 2014 – 2 BvR 2048/13, NJW 2014, 3506, 3507 Rn. 14). Durch die Belehrungspflicht solle ferner denjenigen Gefährdungen der Selbstbelastungsfreiheit Rechnung getragen werden, die mit der Aussicht auf eine das Tatgericht grundsätzlich bindende Zusage einer Strafobergrenze und der dadurch begründeten Anreiz- und Verlockungssituation einhergehen (BVerfGE, aaO; siehe auch BGH, Beschluss vom 11. April 2013 – 1 StR 563/12, StraFO 2013, 286; BGH, Urteil vom 7. August 2013 – 5 StR 253/13, NStZ 2013, 728 f.).
18
cc) Der Senat kann offen lassen, ob der Rechtsprechung des 4. Strafsenats insoweit zu folgen wäre, dass die vom Bundesverfassungsgericht für Fairnessverletzungen im Zusammenhang mit Verstößen gegen die Belehrungspflicht aus § 257c Abs. 5 StPO formulierten verfassungsrechtlichen Anforderungen an die revisionsgerichtliche Beruhensprüfung (vgl. BVerfGE 133, 168, 224 f. Rn. 99 und 238 Rn. 127; BVerfG, Beschluss vom 25. August 2014 – 2 BvR 2048/13,NJW 2014, 3506, 3507 Rn. 16) auch auf eine unterbliebene Unterrichtung über Bewährungsauflagen bei im gerichtlichen Verständigungsvorschlag in Aussicht gestellter zur Bewährung auszusetzender Freiheitsstrafe (siehe BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 4 StR 254/13, NJW 2014, 1831, 1832) zu übertragen sind. Denn unabhängig davon hätte die Revision bei der hier vorliegenden Verfahrenslage sowohl zu dem Zeitpunkt als auch zu dem Inhalt des von der Angeklagten abgelegten Geständnisses vortragen müssen, um den gesetzlichen Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu genügen und dem Senat die Prüfung zu ermöglichen, ob die geltend gemachte Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens vorliegt.
19
(1) Der behauptete Verfahrensverstoß soll in einem mit dem Fairnessprinzip nicht zu vereinbarenden Eingriff in die Autonomie der Angeklagten liegen , sich im Hinblick auf den das Tatgericht grundsätzlich bindenden Verstän- digungsvorschlag (vgl. § 257c Abs. 4 StPO) ihrer Selbstbelastungsfreiheit durch Ablegen eines Geständnisses zu begeben. Wesentlich ist damit die unzureichende Information über den gesamten Umfang der Rechtsfolgenerwartung; denn nur auf der Grundlage umfassender Information kann der Angeklagte autonom über die Mitwirkung an der Verständigung entscheiden (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 4 StR 254/13, NJW 2014, 1831, 1832).
20
Ein solcher Verfahrensverstoß setzt ersichtlich voraus, dass das Geständnis zeitlich dem – im Hinblick auf die gesamte Rechtsfolgenerwartung – unvollständigen Verständigungsvorschlag des Gerichts (§ 257c Abs. 3 Satz 1 StPO) nachfolgt. Aus den in § 257c Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 StPO eröffneten Möglichkeiten für das Gericht, sich von einem Verständigungsvorschlag wieder zu lösen, lässt sich zudem auf einen inhaltlichen Bezug des Geständnisses zu dem gerichtlichen Verständigungsvorschlag schließen. Angesichts der gesetzlichen Konzeption des zu einer Verständigung nach § 257c Abs. 3 StPO führenden Verfahrens kann regelmäßig auch von einer solchen zeitlichen Abfolge von Verständigungsvorschlag und Geständnis sowie einem Inhalt des Geständnisses ausgegangen werden, der den vom Gericht formulierten Erwartungen (z.B. „vollumfängliches Geständnis nach Maßgabe des Anklagevorwurfs“) entspricht. Weicht das von einem Angeklagten im Rahmen einer Verständigung zugesagte Verhalten von dem vom Gericht Erwarteten ab bzw. bleibt dahinter zurück, entfällt die Bindungswirkung aus § 257c Abs. 4 StPO jedenfalls dann, wenn sich aufgrund des erwartungswidrigen Verhaltens des Angeklagten nach der Überzeugung des Gerichts der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr als tat- und schuldangemessen erweist (BGH, Beschluss vom 21. Februar 2013 – 1 StR 633/12, NStZ 2013, 417, 419 Rn. 23; Moldenhauer/Wenske in KK- StPO, 7. Aufl., § 257c Rn. 27). Das im Rahmen einer Verständigung abgegebene Geständnis bezieht sich dementsprechend regelmäßig auch auf die im Verständigungsvorschlag zum Ausdruck kommende Erwartung über den Inhalt des Geständnisses. Dass dieses vom Gericht auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen ist (BVerfGE 133, 168, 209 f. Rn. 71), steht dem nicht entgegen, sondern belegt unter Berücksichtigung der Gründe für die Aufhebung der sonst eintretenden Bindung des Gerichts an den zugesagten Strafrahmen die inhaltliche Verknüpfung von Verständigungsvorschlag und Geständnis.
21
(2) Welche Anforderungen aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO vor diesem Hintergrund an den Tatsachenvortrag bei Rüge eines die Verfahrensfairness verletzenden, inhaltlich unzureichenden Verständigungsvorschlags generell zu stellen sind, bedarf keiner Entscheidung. Wird der gerügte Verfahrensfehler auf eine Beeinträchtigung der Autonomie der Angeklagten gestützt, im Rahmen eines auf eine Verständigung gemäß § 257c Abs. 3 StPO abzielenden Verfahrens an ihrer Selbstbelastungsfreiheit festzuhalten oder diese durch Mitwirkung am Verständigungsverfahren und Abgabe eines Geständnisses aufzugeben, ist aber zumindest ein Tatsachenvortrag erforderlich, aus dem sich im Hinblick auf den Verfahrensablauf die Möglichkeit einer Verletzung dieser Autonomie ergibt. Jedenfalls bei der hier gegebenen Verfahrenslage bedurfte es dazu sowohl Angaben über den Zeitpunkt des von der Angeklagten abgelegten Geständnisses als auch über dessen Inhalt. Dies resultiert aus Folgendem:
22
Aus dem tatrichterlichen Urteil, das der Senat wegen der ebenfalls zulässig erhobenen Sachrüge zur Kenntnis zu nehmen hat, ergibt sich im Rahmen der Ausführungen zur Strafzumessung, dass die Angeklagte ihr Geständ- nis „bereits zu Beginn der Hauptverhandlung abgegeben“ hatte (UA S. 52). Ob damit ein Geständnis bereits zeitlich vor dem Verständigungsvorschlag und dessen Annahme am dritten Hauptverhandlungstag erfolgte, lässt sich weder dem angefochtenen Urteil noch dem Vorbringen der Revision ausreichend eindeutig entnehmen. Diese trägt – bestätigt durch den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 6. August 2013, dem dritten Hauptverhandlungstag – lediglich vor, nachdem der Vorsitzende den die Angeklagte betreffenden Verständigungsvorschlag bekannt gegeben und alle Angeklagten gemäß § 257c Abs. 4, Abs. 5 StPO belehrt hatte, habe Rechtsanwalt W. als Verteidiger der Angeklagten dem Verständigungsvorschlag zugestimmt. Ausweislich der von der Revision vorgetragenen Sitzungsniederschrift erklärte anschließend die Angeklagte: „Die Erklärung meines Verteidigers ist richtig und ich mache sie mir zu eigen“. Dass diese Erklärung über die durch § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO geforderte Zustimmung zum Verständigungsvorschlag hinaus ein Geständnis enthielte, ist hier nicht ohne Weiteres ersichtlich und wird auch von der Revision nicht ausdrücklich behauptet.
23
Es wird damit nicht hinreichend klargestellt, ob das vom Tatgericht zu- grunde gelegte „vollumfängliche“ Geständnis der Angeklagten (vgl. UA S. 29), zeitlich nach dem Zustandekommen der Verständigung und mit inhaltlichem Bezug auf den gerichtlichen Verständigungsvorschlag abgelegt wurde.
24
Der Hinweis auf das Geständnis „zu Beginn der Hauptverhandlung“ er- fordert jedenfalls Tatsachenvortrag zu der konkreten zeitlichen Abfolge von Verständigungsvorschlag und Geständnis. Die Abfolge von Verständigungsvorschlag vor Geständnis wird zwar schon wegen der vorstehend aufgezeigten inhaltlichen Verknüpfung der Bindungswirkung aus § 257c Abs. 4 StPO mit dem weiteren Verhalten des jeweiligen Angeklagten – typischerweise eines den Erwartungen des Gerichts entsprechenden Geständnisses – der praktische Regelfall sein. Zwingend ist dies jedoch nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2014 – 4 StR 148/14, NStZ 2014, 665 f.).
25
Entsprechender Vortrag war hier nicht deshalb verzichtbar, weil das Urteil selbst ausführt, „den Geständnissen seien jeweils Verständigungen gemäß § 257c StPO vorausgegangen“ (UA S. 30). Das Urteil ist seinerseits nicht völlig eindeutig. Das gilt sowohl im Hinblick auf den Inhalt des Geständnisses als auch auf den Zeitpunkt, zu dem es abgelegt worden ist. In Bezug auf die zeitliche Abfolge von Verständigung und Geständnis bringt das Urteil, wie bereits angedeutet, einerseits zum Ausdruck, dem Geständnis sei eine Verständigung vorausgegangen, andererseits soll das Geständnis „zu Beginn der Hauptver- handlung“ (UA S. 52)abgelegt worden sein. Da ausweislich des durch die Sitzungsniederschrift bestätigten Revisionsvorbringens die Verständigung mit der Angeklagten erst am dritten Hauptverhandlungstag stattgefunden hat, kann der Senat die Abfolge von Verständigung und Geständnis nicht hinreichend verlässlich dem Urteil selbst entnehmen. Die Revision beschränkt sich auf den Vortrag, die Feststellungen beruhten auf einer geständigen Einlassung der Angeklagten , der eine Verständigung gemäß § 257c StPO vorausging und verweist auf die entsprechende Seite im tatrichterlichen Urteil. Da das Urteil seinerseits zum zeitlichen Ablauf des Verständigungsgeschehens nicht eindeutig ist, bedurfte es eines vollständigen und widerspruchsfreien Tatsachenvortrags der Revision dazu.
26
Dem Revisionsvorbringen lässt sich auch nicht zweifelsfrei entnehmen, dass die Angeklagte das vom Landgericht dem Urteil zugrunde gelegte Geständnis aufgrund des Verständigungsvorschlags abgelegt hat. Der Senat entnimmt der von der Revision vorgetragenen Sitzungsniederschrift vom 6. August 2013, dass der gerichtliche Verständigungsvorschlag „für den Fall eines vollumfänglichen Geständnisses gemäß Anklage“ erfolgte. Ein solches „vollumfängliches“ Geständnis hat die Angeklagte aber ausweislich der Urteilsgründe gerade nicht abgegeben. Im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung bezüglich der Jahre 2009 und 2010 hat die Angeklagte sich eingelas- sen, erst „Anfang bis Mitte des Jahres 2010die Möglichkeit der Einbindung in ein Umsatzsteuerkarussell erkannt“ zu haben (UA S. 46).Dieser geständigen Einlassung ist das Landgericht nicht gefolgt, sondern hat aufgrund seiner Be- weiswürdigung die Überzeugung gewonnen, dass die Angeklagte – wie der Mitangeklagte T. – bereits ab Ende des Jahres 2009 die Möglichkeit der Einbindung der T. GmbH in ein Umsatzsteuerkarussell erkannt und billigend in Kauf genommen hat. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes hätte es eines Vortrags der Revision dazu bedurft, dass die Angeklagte nach dem konsentierten Verständigungsvorschlag ein Geständnis abgelegt hat, das im Hinblick auf diesen abgegeben worden ist. Daran fehlt es jedoch.
27
Ohne solchen Tatsachenvortrag aber kann der Senat nicht beurteilen, ob der Fairnessgrundsatz durch unzureichende Information der Angeklagten über die gesamte Rechtsfolgenerwartung vor ihrem Geständnis verletzt worden ist. Angesichts der Unzulässigkeit der Rüge bedarf es keiner Entscheidung, ob das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Rechtsfehler beruhen kann, obwohl die verhängte Bewährungsauflage dem Schlussantrag des Verteidigers der Angeklagten entspricht.
28
2. Die Feststellungen des Landgerichts tragen nicht die Verurteilungen jeweils wegen vollendeter Steuerhinterziehung.
29
a) Bei sämtlichen Steueranmeldungen für die T. GmbH ist ein Überschuss der Vorsteuerbeträge über die Umsatzsteuerbeträge festgestellt (Tabellen UA S. 27 und 28). Es handelt sich mithin durchgängig um Fälle der Steuervergütung i.S.v. § 168 Satz 2 AO (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 StR 196/14, wistra 2014, 486 mwN). In den Konstellationen des § 168 Satz 2 AO tritt der Vollendungserfolg aber erst mit der Zustimmung der Finanzbehörde ein. Ausdrückliche Feststellungen dazu hat das Landgericht nicht getroffen. Selbst aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe vermag der Senat keine entsprechenden Anhaltspunkte zu entnehmen.
30
Das Urteil bedarf deshalb der Aufhebung im Schuld- und Strafausspruch. Die getroffenen Feststellungen bleiben dagegen aufrechterhalten; sie sind von der zur Aufhebung führenden Gesetzesverletzung nicht betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO). Diese bedürfen hinsichtlich sämtlicher verfahrensgegenständlicher Taten der Ergänzung im Hinblick auf die zur Vollendung der Steuerhinterziehungen jeweils erforderlichen Zustimmungen der Finanzbehörden bei dem festgestellten Vorliegen von Steuervergütungen gemäß § 168 Satz 2 AO.
31
b) Soweit die Angeklagte wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO im Hinblick auf die Umsatzsteuerjahreserklärung 2009 für die T. GmbH verurteilt worden ist, muss der neue Tatrichter zudem ergänzende Feststellungen zu dem Zeitpunkt der Kenntnis von der Möglichkeit der Einbeziehung des Unternehmens in ein Umsatzsteuerkarussell treffen. Das Landgericht hat zugrunde gelegt, die Angeklagte habe spätestens Ende 2009 die Möglichkeit der Einbindung in ein Karussell erkannt und diese billigend in Kauf genommen. Das belegt den objektiven Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO – bezogen auf das Jahr 2009 – nicht.
32
Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend aufgezeigt hat, macht derjenige, der in Umsatzsteuererklärungen die in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend macht, unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn er sich mit dem der Rechnung zugrunde liegenden Erwerb an einem in eine „Mehrwertsteuerhinterziehung“ einbezogenen Umsatz beteiligte (siehe nur BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 – 1 StR 24/10, NJW 2011, 1616). Ein Recht zum Vorsteuerabzug besteht aus solchen Rechnungen nicht. Das Recht zum Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) entfällt jedoch nur dann, wenn der Steuerpflichtige im Zeitpunkt des Leistungsbezuges von der Einbe- ziehung in die „Mehrwertsteuerhinterziehung“ wusste oder hätte wissen müssen (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 – 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 333 Rn. 16 ff. mwN). Angesichts der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des Leistungsbezugs lässt eine zeitlich danach eintretende Kenntnis von der Einbindung in die „Mehrwertsteuerhinterziehung“ das Recht zum Vorsteuerabzug nicht entfal- len. Da das Landgericht den jeweiligen Zeitpunkt des Leistungsbezuges hinsichtlich der das Jahr 2009 betreffenden Rechnungen (vgl. UA S. 24) nicht festgestellt hat, lässt sich die fehlende Berechtigung zum Vorsteuerabzug für diese Rechnungen nicht auf die ab Jahresende 2009 bestehende Kenntnis der Angeklagten stützen. Insoweit bedarf es ergänzender Feststellungen, zu welchen Zeitpunkten der jeweilige Leistungsbezug erfolgte und ob die Angeklagte bereits dabei zumindest um die Einbindung der T. GmbH in die „Mehrwertsteuerhinterziehung“ hätte wissen müssen.
33
3. Sachlich-rechtlich ist dagegen nicht zu beanstanden, dass die Angeklagte als Mittäterin der Steuerhinterziehung verurteilt worden ist.
34
Täter einer Steuerhinterziehung i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO kann nicht nur der Steuerpflichtige sein. Vielmehr kommt als Täter einer Steuerhinterziehung durch aktives Tun grundsätzlich jedermann in Betracht („wer“), sofern er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht. Mittäter kann daher auch eine Person sein, der das Gesetz keine steuerlichen Pflichten zuweist, sofern nur die Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen Begehungsweise i.S.v. § 25 Abs. 2 StGB gegeben sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. November 1986 – 3 StR 405/86, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 1; BGH, Urteil vom 28. Mai 1986 – 3 StR 103/86, NStZ 1986, 463; BGH, Beschluss vom 6. Oktober 1989 – 3 StR 80/89, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Mittäter 3; BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 – 5 StR 520/02, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Täter 4; BGH, Be- schluss vom 7. November 2006 – 5 StR 164/06, wistra 2007, 112; BGH, Urteil vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 225 Rn. 42).
35
Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 30. Juni 2005 – 5 StR 12/05, NStZ 2006, 44; vom 15. Januar 1991 – 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291; vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 226 Rn. 43 jeweils mwN).
36
Die erkennbar auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände getroffene Wertung des Landgerichts, die Angeklagte sei in sämtlichen Fällen Mittäterin und nicht nur Gehilfin der durch Einreichung unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. der Umsatzsteuerjahreserklärungen (2009 und 2010) zugunsten der T. GmbH begangenen Steuerhinterziehungen gewesen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat das nur geringe unmittelbare eigene Tatinteresse der Angeklagten bedacht. Es hat aber ersichtlich entscheidend auf die weitgehend selbständige Abwicklung des Ein- und Verkaufs der Elektronikartikel, aus dem jeweils die zu Unrecht in die Steueranmeldungen eingestellten Rechnungen hervorgingen, sowie auf die Prüfung der Rechnungen seitens der Angeklagten vor der Einstellung in die Buchführung der T. GmbH abgestellt. Da damit an den Umfang der Tatbeteiligung und Tatherrschaft angeknüpft wird, ist dies nicht zu beanstanden.

III.

37
Da der bei der Angeklagten zur Aufhebung des Urteils führende Rechtsfehler in gleicher Weise bei dem nicht revidierenden, als Mittäter verurteilten Mitangeklagten T. vorliegt, war die Aufhebung auch auf ihn zu erstrecken (§ 357 Satz 1 StPO). Rothfuß Jäger Cirener Radtke Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 1 9 6 / 1 4
vom
23. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juli 2014 gemäß § 44,
§ 46 Abs. 1, § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten S. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung von Verfahrensrügen wird verworfen. 2. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 6. November 2013, soweit es sie betrifft , aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen Steuerhinterziehung in 31 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten S. hat es der Steuerhinterziehung in 38 Fällen schuldig gesprochen und gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verhängt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte H. mit der näher ausgeführten Sachrüge. Der Angeklagte S. macht neben der ebenfalls näher ausgeführten Ver- letzung materiellen Rechts auch Verfahrensbeanstandungen geltend. Die Rechtsmittel haben auf die Sachrügen hin weitgehend Erfolg.
2
Der Angeklagte H. hat darüber hinaus sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils eingelegt.

I.


3
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte H. als Geschäftsführer der C. GmbH (nachfolgend: C. ) durch die Einbindung der Gesellschaft in ein europaweit tätiges sog. Umsatzsteuerkarussell im Zeitraum von Oktober 2009 bis April 2012 zugunsten der C. eine Verkürzung von Umsatzsteuer in einer Gesamthöhe von 8.105.555,09 Euro bewirkt. Die Gesellschaft war in ein im Wesentlichen von belgischen Hintermännern gesteuertes Umsatzsteuerkarussell regelmäßig als sog. Buffer in einer sich über mehrere Glieder erstreckenden Lieferkette von Soft- und Hardware-Artikeln eingebunden.
4
Der Angeklagte S. war als Mitarbeiter der D. , einer Hauptabnehmerin der C. in der dem Karussell zugrunde liegenden Lieferkette, tätig. Durch das Einstellen von Rechnungen der C. in die Buchhaltung der D. sowie der sich daran anschließenden Geltendmachung von Vorsteuer aus diesen Rechnungen bewirkte der Angeklagte S. für den Zeitraum zwischen März 2009 und April 2012 eine Hinterziehung von Umsatzsteuern zugunsten der D. in Höhe von 6.777.209,15 Euro.
5
Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht die beiden Beschwerdeführer jeweils wegen Steuerhinterziehung in der vorstehend genannten Anzahl von Fällen verurteilt. Dabei ist es ersichtlich jeweils von vollendeten Taten ausgegangen.

II.


6
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen bezüglich beider Angeklagter diese Schuldsprüche nicht. Das Landgericht hat weder ausdrücklich festgestellt, ob die in den einzelnen Tatzeiträumen zu Unrecht zugunsten der beiden Gesellschaften geltend gemachten Vorsteuern zu einer Steuervergütung (§ 168 Satz 2 AO) oder zu einer Zahllast (§ 168 Satz 1 AO) der Unternehmen geführt haben, noch lässt sich dies dem Gesamtzusammenhang des Urteils entnehmen. Von dem Vorliegen einer Steuervergütung oder einer Zahllast hängt aber ab, ob die Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) – hier von Umsatzsteuer – vollendet ist oder diese lediglich das Versuchsstadi- um erreicht hat.
7
1. Die gegen die vorgenannten Feststellungen und die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung gerichteten Angriffe der Revisionen bleiben ohne Erfolg.
8
a) Soweit die Revision des Angeklagten S. die tatrichterlichen Feststellungen mit verschiedenen Verfahrensrügen angreift, sind diese Beanstandungen entgegen den gesetzlichen Vorgaben nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO erhoben worden und schon deshalb erfolglos.
9
aa) Das Urteil ist dem Verteidiger am 29. Januar 2014 zugestellt worden. Die Monatsfrist zur Begründung der Revision endete damit gemäß § 43 Abs. 1 StPO am Freitag, dem 28. Februar 2014. Der Verfahrensrügen enthaltende Schriftsatz des Verteidigers ging aber erst am 3. März 2014 ein; die in dem Schriftsatz in Bezug genommenen Anlagen sogar erst am 7. März 2014.
10
bb) Dem mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 25. Juni 2014 gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – nach der Auslegung (§ 300 StPO) des Senats – in die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist mit dem Ziel, Verfahrensrügen nachzuholen, war nicht zu entsprechen.
11
Dabei kann der Senat offenlassen, ob der Antrag überhaupt zulässig erhoben ist. Er erhält entgegen § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 StPO keine Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses (zu diesem Erfordernis BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 2013 – 1 StR 412/13; vom 27. Januar 2014 – 4 StR 376/13). Insbesondere wird nicht vorgetragen, zu welchem Zeitpunkt der Angeklagte Kenntnis von dem Wegfall des Hindernisses erlangt hat. Darauf kommt es aber für den Beginn der Wochenfrist aus § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO an (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2013 – 1 StR 412/13).
12
Der Antrag ist jedenfalls unbegründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt bei einer – wie hier durch die Revisionsbegründung des Verteidigers vom 13. November 2013 – bereits form- und fristgerecht begründeten Revision eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht (BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2012 – 1 StR 301/12, NStZ-RR 2012, 316; vom 25. September 2012 – 1 StR 361/12, wistra 2013, 34) und ausnahmsweise lediglich dann in Betracht, wenn der Beschwerdeführer unverschuldet durch äußere Umstände oder unvorhersehbare Zufälle daran gehindert war, eine Ver- fahrensrüge rechtzeitig formgerecht zu begründen (BGH, Beschluss vom 18. Juni 2008 – 2 StR 485/07, NStZ 2008, 705, 706 Rn. 4 mwN). Eine Ausnahme greift zudem in besonderen Prozesssituationen ein, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2007 – 1 StR 301/12, NStZ-RR 2012, 316 mwN). Eine solche Ausnahmesituation wird nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Dem rechtzeitigen Erheben von Verfahrensrügen stand lediglich ein fehlerhaftes Verständnis der Berechnung der Monatsfrist nach Maßgabe von § 43 Abs. 1 StPO entgegen.
13
cc) Im Übrigen entsprächen die verspätet erhobenen Verfahrensrügen sämtlich nicht den Anforderungen aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Darauf hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 3. Juni 2014 hingewiesen. Insoweit ergänzend bemerkt der Senat, dass bei den als Verstöße gegen „§ 244Abs. 2, 267 Abs. 3, Abs. 4, 261 StPO“ (RB vom 3. März 2014 S. 8-16) überschriebenen Verfahrensbeanstandungen bereits die Angriffsrichtung der Rüge nicht ausreichend zu erkennen ist. Soweit allein die Verletzung von § 244 Abs. 2 StPO mit dem Vorbringen, der Geschäftsführer der D. und der Verkaufsleiter hätten zu den „vorbenannten Fragen … geladen und gehört werden müssen“, gerügt wird, fehlt es an den erforderlichen bestimmten Beweis- behauptungen. Entsprechendes gilt auch für die übrigen Verfahrensrügen, mit denen (auch) jeweils die Verletzung der Aufklärungspflicht geltend gemacht wird.
14
b) Wie in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zutreffend aufgezeigt wird, beschränken sich die Beanstandungen der Revision des Angeklagten H. auf den in der Revision unbeachtlichen Versuch, eine eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Tatgerichts zu setzen und urteilsfremdes Geschehen zum Gegenstand des Rechtsmittels zu machen. Revisible Rechtsfehler in der Beweiswürdigung werden nicht aufgezeigt.
15
c) Gleiches gilt für die Revision des Angeklagten S. , soweit er sich mit der Sachrüge gegen die Feststellungen und die Beweiswürdigung des Landgerichts wendet.
16
2. Den bislang getroffenen Feststellungen lässt sich aber weder für den Angeklagten H. noch für den Angeklagten S. entnehmen , ob es sich bei den verfahrensgegenständlichen Taten um vollendete oder lediglich um versuchte Hinterziehungen der Umsatzsteuer handelt.
17
§ 370 Abs. 1 AO ist nicht lediglich ein Erklärungs-, sondern auch ein Erfolgsdelikt. Vollendung tritt erst ein, wenn der Täter durch seine Tathandlung Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat (BGH, Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 318/12, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Vollendung 3 mwN). Liegt wie hier bei allen verfahrensgegenständlichen Taten beider revidierender Angeklagter eine Voranmeldung der Umsatzsteuer zugrunde, tritt für die Fälle der Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder der Steuervergütung der tatbestandliche Verkürzungserfolg erst aufgrund der gemäß § 168 Satz 2 AO erforderlichen Zustimmung der Finanzbehörde ein. In den Konstellationen des § 168 Satz 1 AO ist die Steuerhinterziehung dagegen bereits mit der (unrichtigen) Anmeldung vollendet (BGH aaO; siehe auch BGH, Beschluss vom 5. Februar 2014 – 1 StR 422/13, NStZ 2014, 335, 336).
18
Das Landgericht hat sich sowohl bezüglich der Steuerhinterziehung zugunsten der C. (Angeklagter H. ) als auch bezüglich derjenigen zugunsten der D. (Angeklagter S. ) auf die tabellarische Erfassung der sich in den relevanten Veranlagungszeiträumen ergebenden Verkürzungsbeträge beschränkt (UA S. 68/69 und UA S. 82/83). Daraus allein lässt sich aber nach dem Vorstehenden nicht ableiten, ob bereits mit den jeweiligen Voranmeldungen ein Verkürzungserfolg eingetreten ist oder nicht. Der Senat vermag auch dem Gesamtzusammenhang des Urteils keine entsprechenden Anhaltspunkte zu entnehmen. Zu möglichen Zustimmungserklärungen der zuständigen Finanzbehörden verhält sich das Urteil in Bezug auf die beiden begünstigten Unternehmen nicht.
19
Angesichts der damit nach den bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossenen Möglichkeit, dass es sich bei sämtlichen verfahrensgegenständlichen Konstellationen lediglich um Versuchstaten handelt, hebt der Senat das Urteil auf, soweit es die Angeklagten H. und S. betrifft. Die Sache war daher im Umfang der Aufhebung zurückzuverweisen.
20
3. Da die getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei sind (oben II.1.), bleiben diese aufrechterhalten. Das gilt auch bezüglich der für die Strafzumessung bedeutsamen Feststellungen über die Höhe der hinsichtlich der sog. missing trader dem Fiskus entstandenen Steuerschäden. Ergänzende, den bisher getroffenen nicht widersprechende Feststellungen zu den Voraussetzungen von § 168 Satz 1 oder Satz 2 AO sind möglich und erforderlich.

III.


21
Aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen war die Aufhebung nicht gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten De. zu erstrecken. Dieser hat die ihm vorgeworfenen Steuerhinterziehungen zugunsten eines anderen Unternehmens begangen. Es handelt sich damit um andere Taten, als diejenigen, wegen derer die Beschwerdeführer verurteilt worden sind.

IV.


22
Die sofortige Beschwerde (§ 464 Abs. 3 StPO) des Angeklagten H. gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils ist gegenstandslos, weil der Senat das angefochtene Urteil auch insoweit aufgehoben und an ein anderes Tatgericht zurückverwiesen hat.
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschriftsleistung gehindert. Rothfuß Rothfuß Jäger Cirener Radtke

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR142/14
vom
27. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 9. Juli 2013 aufgehoben
a) in den Strafaussprüchen und
b) in den Aussprüchen über den Verfall von Wertersatz. 2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen 69 Fällen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig gesprochen. Es hat den Angeklagten K. deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, den Angeklagten D. zu einer solchen von drei Jahren und den Angeklagten S. zu einer solchen von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der gegen die Angeklagten K. und S. verhängten Gesamtfreiheitsstrafen hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es gegen die Angeklagten den Verfall von Wertersatz angeordnet, gegen den Angeklagten K. in Höhe von 60.000 Euro, gegen den Angeklagten D. in Höhe von 30.000 Euro und gegen den Angeklagten S. in Höhe von 7.500 Euro.
2
Die Angeklagten wenden sich gegen ihre Verurteilung mit auf die Beanstandung der Verletzung materiellen und (ohne dies näher auszuführen) formellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben lediglich zum Strafausspruch und zum Ausspruch über den Verfall von Wertersatz mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.


3
Zu den Schuldsprüchen sind die Revisionen der Angeklagten aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts genannten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Nachprüfung des Urteils auf die Revisionsrechtfertigungen der Angeklagten hat insoweit keinen sie beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

II.


4
Die Strafaussprüche haben insgesamt keinen Bestand.
5
1. In den Fällen 1 bis 24 der Urteilsgründe hat das Landgericht bei allen drei Angeklagten besonders schwere Fälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 Satz 1 AO, § 27 Abs. 1 StGB) angenommen, weil die Angeklagten jeweils das Regelbeispiel eines besonders schweren Falls der Tatbegehung als Mitglied einer Bande (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO) erfüllt haben und zum Teil auch noch das Regelbeispiel einer Steuerverkürzung in großem Ausmaß (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) verwirklicht ist.
6
Bereits die Strafrahmenwahl in diesen Fällen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Ausführungen des Landgerichts lassen nicht erkennen, dass dem Landgericht die Notwendigkeit einer eigenen Gesamtwürdigung der jeweiligen Beihilfehandlung als solcher bewusst war. Entscheidend ist nicht, dass sich die Tat des Haupttäters, zu der Beihilfe geleistet wird, als besonders schwerer Fall erweist; zu prüfen ist vielmehr, ob das Gewicht der Beihilfehandlung selbst die Annahme eines besonders schweren Falles rechtfertigt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2000 - 3 StR 225/00, wistra 2001, 105). Dies gilt nicht nur in Fällen unbenannter besonders schwerer Fälle, sondern auch dann, wenn im Wege einer Gesamtwürdigung zu klären ist, ob die Indizwirkung eines oder mehrerer Regelbeispiele für besonders schwere Fälle widerlegt ist. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft auch nicht bedacht, dass das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes Beihilfe Anlass sein kann, einen besonders schweren Fall zu verneinen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Einzelstrafen auf diesen Rechtsfehlern beruhen.
7
2. Der Senat hebt die Einzelstrafen insgesamt auf, weil nicht auszuschließen ist, dass die in den Fällen 1 bis 24 der Urteilsgründe verhängten Strafen (darunter die Einsatzstrafen) die übrigen Einzelstrafen beeinflusst haben. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafen nach sich.

III.


8
Auch die Aussprüche über den Verfall von Wertersatz haben keinen Bestand. Das Landgericht hat nach der Feststellung des von den Angeklag- ten aus den Taten Erlangten den Verfallsbetrag gemäß § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB bei dem Angeklagten K. auf 60.000 Euro, bei dem Angeklagten D. auf 30.000 Euro und bei dem Angeklagten S. auf 7.500 Euro beschränkt, weil eine Verfallsanordnung in voller Höhe der erlangten Beträge eine unbillige Härte darstellen würde (UA S. 47). Dabei hat es die Härtefallregelung des § 73c StGB nicht ausschließbar zum Nachteil der Angeklagten rechtsfehlerhaft angewendet.
9
a) Die Annahme einer „unbilligen Härte“ im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB setzt nach ständiger Rechtsprechung eine Situation voraus, nach der die Anordnung des Verfalls das Übermaßverbot verletzen würde, also schlechthin „ungerecht“ wäre. Die Auswirkungen müssen im konkreten Einzel- fall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen; es müssen besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des Verfallszwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 - 4 StR 153/08, wistra 2009, 23).
10
b) Die Aussprüche über den Verfall von Wertersatz können hier schon deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht die gebotene Prüfungsreihenfolge nicht beachtet hat. Dies kann die Angeklagten beschweren.
11
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis zwischen der bei „unbilliger Härte“ zwingend zum Ausschluss der Verfallsanordnung führenden Regelung in § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB einerseits und der Ermessensvorschrift in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB andererseits , dass regelmäßig zunächst auf der Grundlage letztgenannter Vorschrift zu prüfen ist, ob von einer Anordnung des Verfalls oder Verfalls von Wertersatz abgesehen werden kann. Denn gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB kann eine Verfallsanordnung unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen Wert zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden sind. Es ist deshalb zunächst festzustellen, was der jeweilige Angeklagte für die Tat oder aus ihr erlangt hat, sodann ist diesem Betrag der Wert seines noch vorhandenen Vermögens gegenüberzustellen. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
12
Das Landgericht hat zunächst die Beträge festgestellt, welche die Angeklagten im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB für die von ihnen begangenen Taten erhalten haben. Es hat sodann den Verfall von Wertersatz (§ 73a StGB) jeweils auf einen niedrigeren Betrag beschränkt. Als Begründung hierfür hat es lediglich angeführt, dass in Anbetracht der wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten und des Umstands, dass sie mit einer Inanspruchnahme für die Steuerschulden der Firma Sy. aus § 71 AO zu rechnen haben, eine Verfallsanordnung in voller Höhe der erlangten Beträge eine unbillige Härte darstellen würde.
13
Ohne nähere Ausführungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen kann der Senat jedoch nicht prüfen, ob das Erlangte jeweils noch im Vermögen der Angeklagten vorhanden war und ob sogar ein gänzliches Absehen von einer Verfallsanordnung gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB in Betracht kam.
14
c) Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da sie von den Rechtsfehlern, die zur Teilaufhebung des Urteils geführt haben, nicht betroffen sind. Das neue Tatgericht wird jedenfalls zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten ergänzende, mit den bisherigen nicht im Widerspruch stehende weitere Feststellungen zu treffen haben.

IV.


15
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat zur Möglichkeit der Verhängung kurzer (Einzel-)Freiheitsstrafen:
16
Im Rahmen der Anwendung des § 47 Abs. 1 StGB dürfen auch generalpräventive Erwägungen vorgenommen werden. Nach dieser Vorschrift ist es ausreichend, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe entweder zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Damit genügt es, dass die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe aus generalpräventiven Gründen unerlässlich ist (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 47 Rn. 7, 10).
Rothfuß Graf Jäger
Radtke Mosbacher