Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2015 - 1 StR 216/14

bei uns veröffentlicht am29.01.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 1 6 / 1 4
vom
29. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Januar 2015 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 27. November 2013 im Strafausspruch dahin geändert, dass die Einzelstrafe für Fall 2 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum April 2006) auf einen Monat Freiheitsstrafe festgesetzt wird.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt, von der zwei Monate als vollstreckt gelten. Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision.
2
Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4, § 354 Abs. 1 StPO); im Übrigen ist es unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

I.


3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts führte der Angeklagte als technischer Leiter den operativen Geschäftsbetrieb der A. GmbH (im Folgenden : A. ), die u.a. mit alten Kraftfahrzeugkatalysatoren handelte, die der stofflichen Wiederverwertung zugeführt wurden. Er war insbesondere für den Kontakt mit Lieferanten zuständig und traf die Entscheidungen, mit welchen Unternehmen Geschäftsbeziehungen aufgenommen bzw. fortgeführt werden sollten.
4
a) Im Zeitraum Februar 2005 bis März 2007 bezog die A. Altkatalysatoren von einer Gruppe um die bereits rechtskräftig verurteilten M. und Ma. , die mit Hilfe von "Scheinunternehmen" gewerbsmäßig Umsatzsteuer im Altmetallhandel hinterzog. Als Anlieferer traten die zeitlich nacheinander eingesetzten "Scheinunternehmen" P. GmbH B. H. (im Folgenden: P. I), P. I. B. GmbH (im Folgenden : P. II), C. GmbH (im Folgenden: C. ) und B. GmbH (im Folgenden: B. ) auf, als deren Geschäftsführer Mitglieder der Gruppe fungierten. Die angelieferten Altkatalysatoren stammten nicht von diesen "Scheinunternehmen", die keinen operativen Geschäftsbetrieb unterhielten und zu entsprechenden Lieferungen nicht in der Lage gewesen wären , sondern wurden von der Gruppe im Ausland beschafft. Über die Anlieferungen wurde im Gutschriftverfahren mit den "Scheinunternehmen" abgerechnet. Die "Scheinunternehmen", die plangemäß ihren umsatzsteuerlichen Ver- pflichtungen nicht nachkamen, indem sie entweder keine oder unrichtige Steueranmeldungen abgaben und geschuldete Umsatzsteuer nicht abführten, vereinnahmten die von der A. ausgezahlten Umsatzsteuerbeträge für die Gruppe.
5
Der Angeklagte erkannte spätestens Ende April 2006 nach einem Gespräch mit M. und Ma. die Möglichkeit als naheliegend, dass es sich bei der zu diesem Zeitpunkt als Anlieferer auftretenden P. II um ein "Scheinunternehmen" handelte, das nur zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung vorgeschoben wurde. Da er die Umsätze und Gewinne aus künftigen Lieferungen nicht verlieren wollte, setzte er die Geschäftsbeziehung fort und nahm dabei billigend in Kauf, dass die A. Vorsteuer aus den angeblichen Lieferungen der P. II zu Unrecht geltend machen würde. Auch bei den zeitlich nachfolgend als Anlieferer auftretenden Gesellschaften C. und B. erkannte der Angeklagte aufgrund der personellen Kontinuität die Möglichkeit als naheliegend, dass es sich auch insoweit nur um zum Zwecke der Umsatzsteuerhinterziehung vorgeschobene "Scheinunternehmen" handelte und nahm dies ebenso billigend in Kauf wie die daraus resultierende fehlende Berechtigung der A. zum Vorsteuerabzug.
6
b) Im Zeitraum März 2006 bis Dezember 2007 trat zudem der vom Angeklagten angeworbene bereits rechtskräftig verurteilte R. als Anlieferer von Altmetall und Altkatalysatoren auf. Teilweise unterzeichnete R. Scheingutschriften über angebliche Lieferungen an die A. , die tatsächlich nicht erbracht wurden, teils brachte er "zum Schein" Anlieferungen Dritter zu A. , die im Gutschriftverfahren auf ihn abgerechnet wurden. R. führte - wie der Angeklagte von Anfang an wusste - die in den "Scheingutschriften" ausgewiesene Umsatzsteuer nicht ab.
7
c) In den vom gutgläubigen Buchhalter bzw. dem ebenfalls gutgläubigen Steuerberater der A. abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate März 2006 bis Dezember 2006 und in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2007 wurden die in den Gutschriften über die Anlieferungen der P. II,C. und B. sowie des R. offen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer geltend gemacht. Die Vorsteuerbeträge beliefen sich in Summe auf 1.825.489,31 Euro, davon 1.732.233,80 Euro aus Anlieferungen durch P. II, C. und B. sowie 93.255,51 Euro aus Anlieferungen durch R. .
8
2. Das Landgericht hat die Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. der Umsatzsteuerjahreserklärung durch den gutgläubigen Buchhalter bzw. den ebenfalls gutgläubigen Steuerberater der A. als Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB durch den Angeklagten als mittelbaren Täter gewertet.
9
Der Vorsteuerabzug aus den Gutschriften sei zu Unrecht erfolgt, da es sich bei den "Scheinunternehmen" nicht um Unternehmer i.S.v. § 15 UStG handele und diese die Leistungen tatsächlich nicht erbracht hätten. Dies habe der Angeklagte hinsichtlich der Anlieferungen durch R. von Anfang an gewusst , so dass der Vorsteuerabzug insgesamt zu versagen sei. Hinsichtlich der Anlieferungen durch P. II, C. und B. habe er dies ab Ende April 2006 billigend in Kauf genommen, so dass die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs ab der am 7. Juni 2006 abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat April 2006, in der Vorsteuer in Höhe von 144.269,60 Euro aus angeblichen Lieferungen der P. II geltend gemacht wurde, zu Unrecht erfolgt sei. Für den Zeitraum vor April 2006 sei dem Angeklagten ein vorsätzliches Handeln nicht nachzuweisen, so dass dieser insoweit freizusprechen sei.

II.


10
Die Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 23. Juli 2014 zutreffend dargelegten Gründen ohne Erfolg.

III.


11
Der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen hält materiellrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis Stand.
12
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen, dass für dieA. durch den Angeklagten als mittelbaren Täter in den durch den gutgläubigen Buchhalter bzw. den ebenfalls gutgläubigen Steuerberater abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate März 2006 bis Dezember 2006 sowie in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2007 aus Gutschriften für die Lieferung von Altkatalysatoren und Altmetall zu Unrecht ein Vorsteuerabzug vorgenommen wurde. Damit hat der Angeklagte täterschaftlich gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht, die zu einer Steuerverkürzung geführt haben (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 168 StPO).
13
Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
14
1. Die Verurteilung im Fall 2 der Urteilsgründe wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum April 2006 hat Bestand, auch wenn das Landgericht hinsichtlich der Vorsteuerabzugsberechtigung der A. in Höhe von 144.269,60 Euro aus den Lieferungen der P. II im April 2006 auf einen unzutreffenden Zeitpunkt abgestellt hat.
15
a) Für die Frage, ob die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug vorliegen , kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Steueranmeldung, in welcher der Vorsteuerabzug vorgenommen wird, sondern auf den Zeitpunkt der Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung an. Eine einmal bestehende Berechtigung zum Vorsteuerabzug fällt nicht deshalb nachträglich weg, weil der Unternehmer später von Umständen Kenntnis erlangt, die dem Vorsteuerabzug entgegen gestanden hätten, wenn er sie bereits bei Bezug der Waren gekannt hätte. Demnach ist es für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug ohne Bedeutung , ob der Leistungsempfänger, der eine Lieferung noch "in gutem Glauben" erhalten hat, nachträglich erkennt, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt hat, der in eine anderweitig begangene "Mehrwertsteuerhinterziehung" einbezogen war (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 333 mwN).
16
b) Im Zeitpunkt der Lieferung der Altkatalysatoren durch die P. II im April 2006 lagen die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug vor.
17
Die Auffassung des Landgerichts, ein Vorsteuerabzug scheide deswegen aus, weil die P. II als "Scheinunternehmen" nicht als Unternehmer i.S.v. § 15 UStG anzusehen sei und die Leistungen nicht erbracht habe, begegnet durchgreifenden Bedenken.
18
(1) Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen, wenn er eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die Rechnung kann nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG auch von einem Leistungsempfänger, der Unternehmer oder eine nichtunternehmerische juristische Person ist, im sog. Gutschriftverfahren ausgestellt werden. Ein Vorsteuerabzug kommt demnach nur in Betracht, wenn der Rechnungsaussteller bzw. der Empfänger der Gutschrift und der leistende Unternehmer, der die in der Rechnung bzw. Gutschrift bezeichnete Leistung ausgeführt hat, identisch sind.
19
(2) Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Auch ein Strohmann, der nach außen im eigenen Namen auftritt, im Verhältnis zum Hintermann jedoch auf dessen Rechnung handelt, kann daher leistender Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein. Vorgeschobene Strohmanngeschäfte zwischen einem Strohmann und dem Leistungsempfänger sind hingegen dann umsatzsteuerrechtlich - wie auch zivilrechtlich - unbeachtlich, wenn sie nur zum Schein (vgl. § 41 Abs. 2 AO) abgeschlossen sind, mithin die Vertragsparteien - der Strohmann und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 2014 - 1 StR 29/14, NStZ-RR 2014, 310, 312; vom 5. Februar 2014 - 1 StR 422/13, wistra 2014, 191 und vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 333 jeweils mwN).
20
(3) Gemessen daran war die P. II für die im Voranmeldungszeitraum April 2006 erfolgten Lieferungen von Altkatalysatoren als leistende Unternehmerin anzusehen. Nach den Feststellungen des Landgerichts gingen zum Zeitpunkt der Lieferungen auf Seiten der Leistungsempfängerin A. alle Beteiligten einschließlich des Angeklagten davon aus, dass vertragliche Beziehungen zur P. II bestanden. Bis Ende April 2006 wusste bei A. weder jemand davon noch hätte jemand davon wissen müssen, dass die P. II nur zum Zwecke der Umsatzsteuerhinterziehung vorgeschoben wurde. Der Um- stand, dass der Angeklagte im Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung am 7. Juni 2006 diese Möglichkeit als naheliegend erkannt hatte und dies billigend in Kauf nahm, führt nicht nachträglich zu einer Versagung des Vorsteuerabzugs (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 333 mwN).
21
c) Der Schuldspruch hat aber im Hinblick darauf Bestand, dass im Voranmeldungszeitraum April 2006 aus den Gutschriften über die Anlieferungen durch R. Vorsteuer i.H.v. 3.085,12 Euro zu Unrecht geltend gemacht wurde.
22
(1) Dies ergibt sich, soweit es sich um reine Scheingutschriften gehandelt hat, bereits daraus, dass die in den Gutschriften bezeichneten Leistungen - wie der Angeklagte wusste - tatsächlich nicht ausgeführt wurden.
23
(2) Auch soweit R. "zum Schein" Anlieferungen Dritter zu A. brachte, die im Gutschriftverfahren auf ihn abgerechnet wurden, besteht kein Vorsteuerabzugsrecht der A. .
24
Der Angeklagte, der R. selbst angeworben hatte, wusste von Beginn der Geschäftsbeziehung an, dass sich A. mit den den Gutschriften zugrunde liegenden Erwerbsvorgängen an Umsätzen beteiligt hat, die in eine "Mehrwertsteuerhinterziehung" einbezogen waren. Dies führt zu einer Versagung des Vorsteuerabzugs der A. (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, NStZ 2014, 331, 333 mwN).
25
Die A. muss sich das Wissen des Angeklagten zurechnen lassen. Einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist nicht nur das etwaige Wissen ihres Geschäftsführers als ihres gesetzlichen Vertreters nach § 35 GmbHG, sondern auch das Wissen ihrer sonstigen Angestellten in analoger Anwendung des § 166 BGB zuzurechnen, wenn die Mitarbeiter die Kenntnisse infolge der vorgesehenen Arbeitsteilung und Organisation des Betriebs im Rahmen ihrer Zuständigkeit erlangt haben oder hätten erlangt haben müssen. Dies beruht auf der Erwägung, dass derjenige, der sich zur Erfüllung seiner Verpflichtungen eines anderen bedient, nicht besser stehen darf als derjenige, der diese Verpflichtungen selbst erfüllt (vgl. BFH, Urteil vom 19. Mai 2010 - XI R 78/07, BFH/NV 2010, 2132 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 318/12, wistra 2013, 463). Die Zuständigkeit des Angeklagten für das operative Geschäft und insbesondere für die Entscheidungen über Aufnahme und Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen mit den Lieferanten rechtfertigt eine Zurechnung seiner in diesem Zusammenhang erlangten Kenntnisse.
26
2. Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung in den übrigen Fällen ist nicht zu beanstanden. In den betreffenden Steueranmeldungen wurde zu Unrecht ein Vorsteuerabzug hinsichtlich der in den Gutschriften ausgewiesenen Umsatzsteuer in Anspruch genommen.
27
Insbesondere hätte der Angeklagte, der ab dem Voranmeldungszeitraum Mai 2006 auch hinsichtlich der Lieferungen der P. II sowie der zeitlich nachfolgend als Anlieferer auftretenden Firmen C. und B. die naheliegende Möglichkeit erkannte, dass diese nur zum Zwecke der Umsatzsteuerhinterziehung vorgeschoben wurden, und dies billigend in Kauf nahm, jedenfalls wissen müssen, das sich die A. auch insoweit mit den Erwerbsgeschäften an einem Umsatz beteiligte, der in eine "Mehrwertsteuerhinterziehung" einbezogen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13, wistra 2014, 141 mwN). Auch dieses "Wissenmüssen" des Angeklagten muss sich die A. zurechnen lassen (vgl. BFH, Urteil vom 19. Mai 2010 - XI R 78/07, BFH/NV 2010, 2132 mwN).
28
3. Die Annahme, der Angeklagte habe die Steuerhinterziehung als mittelbarer Täter (vgl. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) begangen, wird von den Feststellungen getragen. Der Angeklagte hat durch seine Tatbeiträge - nämlich die Entscheidung , die Geschäftsbeziehung mit P. II fortzuführen bzw. Geschäftsbeziehungen zu C. , B. und R. aufzunehmen - bewirkt, dass durch den ohne Vorsatz handelnden Buchhalter bzw. Steuerberater in den von diesen abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate März 2006 bis Dezember 2006 bzw. in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2007 die in den Gutschriften der P. II, C. , B. und R. ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge zu Unrecht als Vorsteuer geltend gemacht wurde.
29
4. Auch die Annahme von Tatmehrheit (§ 53 StGB) ist nicht zu beanstanden. Der Tatbeitrag des Angeklagten erschöpfte sich nicht in der Einrichtung eines auf Steuerhinterziehung ausgerichteten Systems (sog. uneigentliches Organisationsdelikt; vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 2008 - 5 StR 90/08, wistra 2008, 261). Der Angeklagte hat durch die Abwicklung der Anlieferungen und Abrechnungen einen Beitrag zur Abgabe jeder unrichtigen Steueranmeldung geleistet.

IV.


30
Im Rahmen der Strafzumessung hält allein der Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 2 (Hinterziehung von Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum April 2006) revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat bei der Festsetzung der Einzelstrafe eine zu hohe Steuerverkürzung zugrunde gelegt, indem es zu Unrecht (vgl. zu 1.b.) von einer fehlenden Berechtigung zum Vorsteuerabzug über die Anlieferungen von R. in Höhe von 3.085,12 Euro hinaus auch für die Lieferungen der P. II im April 2006 in Höhe von 144.269,60 Euro ausgegangen ist.
31
Der Senat setzt auf den Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 354 Abs. 1 StPO im Fall 2 eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Monat (vgl. § 370 Abs. 1 AO) fest.
32
Der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat trotz der Herabsetzung der im Fall 2 der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe Bestand. Der Senat schließt angesichts der in den übrigen Fällen verhängten Einzelfreiheitsstrafen aus, dass das Landgericht auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

V.

33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, Abs. 4 StPO. Der nur geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen. Raum Graf Jäger Cirener Mosbacher

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2015 - 1 StR 216/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2015 - 1 StR 216/14

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2015 - 1 StR 216/14 zitiert 15 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 15 Vorsteuerabzug


(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen: 1. die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuera

Abgabenordnung - AO 1977 | § 370 Steuerhinterziehung


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 14 Ausstellung von Rechnungen


(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und

Strafgesetzbuch - StGB | § 53 Tatmehrheit


(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 166 Willensmängel; Wissenszurechnung


(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht. (2) H

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 35 Vertretung der Gesellschaft


(1) Die Gesellschaft wird durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Hat eine Gesellschaft keinen Geschäftsführer (Führungslosigkeit), wird die Gesellschaft für den Fall, dass ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben oder

Abgabenordnung - AO 1977 | § 41 Unwirksame Rechtsgeschäfte


(1) Ist ein Rechtsgeschäft unwirksam oder wird es unwirksam, so ist dies für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Dies gilt nicht

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 14a Zusätzliche Pflichten bei der Ausstellung von Rechnungen in besonderen Fällen


(1) Hat der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und führt er einen Umsatz in einem ander

Strafprozeßordnung - StPO | § 168 Protokoll über richterliche Untersuchungshandlungen


Über jede richterliche Untersuchungshandlung ist ein Protokoll aufzunehmen. Für die Protokollführung ist ein Urkundsbeamter der Geschäftsstelle zuzuziehen; hiervon kann der Richter absehen, wenn er die Zuziehung eines Protokollführers nicht für erfor

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2015 - 1 StR 216/14 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2015 - 1 StR 216/14 zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 19. März 2013 - 1 StR 318/12

bei uns veröffentlicht am 19.03.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 318/12 vom 19. März 2013 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. März 2013, an der teilgenommen haben: Rich

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Feb. 2014 - 1 StR 422/13

bei uns veröffentlicht am 05.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 4 2 2 / 1 3 vom 5. Februar 2014 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Februar 2014 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Re

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Apr. 2008 - 5 StR 90/08

bei uns veröffentlicht am 01.04.2008

5 StR 90/08 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 1. April 2008 in der Strafsache gegen wegen Betrugs Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. April 2008 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Pots

Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Okt. 2013 - 1 StR 312/13

bei uns veröffentlicht am 01.10.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 312/13 vom 1. Oktober 2013 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Oktober 2013 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des L

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juli 2014 - 1 StR 29/14

bei uns veröffentlicht am 08.07.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 S t R 2 9 / 1 4 vom 8. Juli 2014 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2014 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des La

Bundesfinanzhof Urteil, 19. Mai 2010 - XI R 78/07

bei uns veröffentlicht am 19.05.2010

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die 1997 gegründet und ins Handelsregister eingetragen wurde. Das Stammkapital betrug 50.000
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2015 - 1 StR 216/14.

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Sept. 2019 - 1 StR 240/19

bei uns veröffentlicht am 17.09.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 240/19 vom 17. September 2019 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung ECLI:DE:BGH:2019:170919B1STR240.19.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anh

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Mai 2018 - 1 StR 159/17

bei uns veröffentlicht am 15.05.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 159/17 vom 15. Mai 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. 5. wegen zu 1., 3., 4. und 5.: Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu 2.: Steuerhinterziehung ECLI:DE:BGH:2018:150518U1STR159.17.0 De

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juli 2015 - 1 StR 447/14

bei uns veröffentlicht am 22.07.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 447/14 vom 22. Juli 2015 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 8. Juli 2015, in der Sitzung am 22. Juli

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2015 - 1 StR 373/15

bei uns veröffentlicht am 27.10.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 373/15 vom 27. Oktober 2015 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ________________________ AO § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Ein großes Ausmaß im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

Über jede richterliche Untersuchungshandlung ist ein Protokoll aufzunehmen. Für die Protokollführung ist ein Urkundsbeamter der Geschäftsstelle zuzuziehen; hiervon kann der Richter absehen, wenn er die Zuziehung eines Protokollführers nicht für erforderlich hält. In dringenden Fällen kann der Richter eine von ihm zu vereidigende Person als Protokollführer zuziehen. Das Protokoll ist von dem Richter und, sofern ein solcher zugezogen wurde, dem Protokollführer zu unterschreiben.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 312/13
vom
1. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Oktober 2013 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 1. Februar 2013 aufgehoben
a) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte in den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe verurteilt worden ist; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen mit Ausnahme derjenigen zum Umfang der Lieferungen der Firma Me. im Jahr 2009 aufrechterhalten.

b) im Strafausspruch auch in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe und hinsichtlich der Gesamtstrafe; von den zugehörigen Feststellungen werden lediglich diejenigen zu den Lieferungen der Firma Me. im Fall VIII. 8. der Urteilsgründe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
a) Seit Oktober 2008 betätigte sich der Angeklagte zusammen mit dem gesondert verfolgten T. im Online-Handel mit Elektronikgeräten (vorwiegend mit Flachbildschirmfernsehern). Die Geschäfte betrieben sie zunächst über die von ihnen gemeinsam geführte Gesellschaft M. I. OHG (im Folgenden: M. OHG). Am 30. September 2010 gründeten sie dann die M. B. GmbH (im Folgenden : M. GmbH) mit identischem Geschäftszweck.
4
b) Beide Firmen waren seit Ende 2009 als sog. buffer in „Umsatzsteuer- hinterziehungssysteme“ eingebunden, die von verschiedenen Gruppierungen aus dem Großraum B. organisiert worden waren. Den Systemen zur Hinterziehung von Umsatzsteuer lag folgendes Muster zugrunde:
5
Unter Einbindung von Strohleuten gegründete Gesellschaften sollten gegen Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer Flachbildschirmfernseher an gewerbliche Abnehmer verkaufen und den vereinbarten Kaufpreis bei der Lieferung in bar entgegennehmen. Die in diesen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer sollte von diesen Gesellschaften entweder schon nicht angemeldet, zumindest aber nicht abgeführt werden. Bereits nach kurzer Zeit, möglichst vor Aufdeckung des Systems, sollten diese Firmen (sog. missing trader) ihre „ver- meintliche Gewerbetätigkeit“ wieder einstellen. Ziel war es, die Nichtabführung der vereinnahmten Umsatzsteuer nicht auf einen einmaligen Liefervorgang zu beschränken, sondern die nachfolgenden Warenbewegungen des Abnehmers weiter zu kontrollieren und zu steuern, um wieder über die verkauften Geräte verfügen und diese erneut dem „Wirtschaftskreislauf“ zuführen zu können. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass der gewonnene Abnehmer (sog. buffer) durch lukrative Angebote von Scheinfirmen veranlasst werden sollte, die Fernseher im Rahmen vermeintlicher innergemeinschaftlicher Lieferungen umsatzsteuerfrei zu veräußern. Tatsächlich sollten die Geräte aber nicht ins innergemeinschaftliche Ausland verbracht werden, sondern in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben. Durch den hierdurch ermöglichten umsatzsteuerfreien Ankauf sollte es den die Warenbewegungen beherrschenden Personen ermög- licht werden, die Geräte sehr günstig erneut anzubieten. Für den „buffer“ brach- te die Teilnahme an diesem System den wirtschaftlichen Vorteil, dass er - aufgrund des umsatzsteuerfreien Ankaufs sowie der Nichtabführung der vereinnahmten Umsatzsteuer durch den Lieferanten - Zugang zu konkurrenzlos günstigen Waren erhielt und trotzdem die von ihm gezahlte Umsatzsteuer bei den Finanzbehörden als Vorsteuer geltend machen konnte.
6
c) Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten die von dem Angeklagten geleiteten Gesellschaften M. OHG und M. GmbH in mehreren derartigen Umsatzsteuerkarussellen, die nahtlos ineinander übergin- gen, jeweils die Funktion eines „buffers“. Gleichwohl machte der Angeklagte hinsichtlich solcher Geschäfte die in den an diese Gesellschaften gerichteten Rechnungen gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge in Steueranmeldungen gegenüber den Finanzbehörden als Vorsteuern geltend. In der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2009 betreffend die M. OHG führte dies zu einer Verminderung der Zahllast um 460.979,48 Euro (Fall IX. der Urteilsgründe ); aufgrund unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis Juli 2010 und September 2010, Oktober 2010 für die M. OHGsowie betreffend die M. GmbH für Januar 2011 (Fälle VIII. 1. bis 10. der Urteilsgründe) kam es jeweils zur Verkürzung von Umsatzsteuer mit Erstattung geltend gemachter Vorsteuer bei einem Verkürzungsumfang von insgesamt 2.642.114 Euro. Das Finanzamt erteilte in den Fällen eines Vorsteuerüberhanges jeweils die erforderliche Zustimmung zur Auszahlung (vgl. § 168 S. 2 AO).
7
d) Nach den Feststellungen des Landgerichts erkannte der Angeklagte erst am 18. März 2010 die Einbindung der von ihm geleiteten Firmen in Umsatzsteuerkarusselle. Er beendete gleichwohl die Geschäftsbeziehung zu den Betreibern der Karussellsysteme nicht und nahm trotz seiner Erkenntnis, dass die Warenbewegungen innerhalb von Umsatzsteuerkarussellgeschäften stattfanden , in Umsatzsteuervoranmeldungen für die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer einen Vorsteuerabzug vor. Eine Berichtigung der für Januar 2010 eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung gemäß § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO nahm der Angeklagte nicht vor.
8
2. Das Landgericht hat die Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen und der Umsatzsteuerjahreserklärung in den Fällen VIII. 2. bis 10. sowie IX.
der Urteilsgründe jeweils als Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gewertet. Zu den Zeitpunkten der Einreichung dieser Steueranmeldungen habe der Angeklagte gewusst, dass die von ihm geleiteten Firmen in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden gewesen seien und er deshalb mangels vorgenommener Lieferung keinen Vorsteuerabzug hätte geltend machen dürfen. Auf eine „Gutgläubigkeit“ des Angeklagten zum Zeitpunkt der Ausführung der Liefe- rungen für die Anmeldungszeiträume bis März 2010 komme es dabei nicht an, sie liege im Übrigen auch nicht vor, weil der Angeklagte hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt habe.
9
Zum Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für den Voranmeldungszeitraum Januar 2010 am 4. März 2010 (Fall VIII. 1. der Urteilsgründe ) sei der Angeklagte, anders als bei Abgabe der übrigen Erklärungen, zwar noch „gutgläubig“ gewesen. Weil er aber nachträglich die Einbindung in eine „Umsatzsteuerkette“ erkannt habe, habe für ihn die Verpflichtung bestan- den, eine berichtigende Erklärung nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO abzugeben. Da er dieser Verpflichtung vorsätzlich nicht nachgekommen sei, habe er sich insoweit einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar gemacht.

II.


10
Die Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Rechtsfehlerfrei ist die Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe (nachfolgend 1.). Demgegenüber wird der Schuldspruch in den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe von den Feststellungen nicht getragen; das Landgericht ist insoweit hin- sichtlich der Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG von falschen Maßstäben ausgegangen (nachfolgend 2.). Ein Teilfreispruch kommt nicht in Betracht, weil möglich ist, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die auch in diesen Fällen einen Schuldspruch rechtfertigen können (nachfolgend 3.). Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand (nachfolgend 4.). Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nur insoweit, als diese von der fehlerhaften Rechtsanwendung betroffen sind, im Übrigen zur Ermöglichung widerspruchsfreier Feststellungen (nachfolgend 5.).
11
1. Der Schuldspruch in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Denn die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen, dass der Angeklagte in diesen Fällen in den Steueranmeldungen für die M. OHG bzw. die M. GmbH zu Unrecht aus Eingangsrechnungen für die Lieferung von elektronischen Geräten einen Vorsteuerabzug vorgenommen hat, obwohl er bereits bei Bezug der Geräte wusste, dass die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG nicht vorlagen. Damit hat er gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht, die zu einer Steuerverkürzung geführt haben (vgl. § 168 AO).
12
a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt dabei voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.
13
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt es für die Frage, wann die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorliegen müssen, nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Steueranmeldung an, in welcher der Vorsteuerabzug vorgenommen wird. Vielmehr ist ein Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG dann zulässig, wenn dessen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Ausführung der Lieferungen bzw. sonstigen Leistungen vorgelegen haben. Insbesondere fällt eine einmal bestehende Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht deshalb nachträglich weg, weil der Unternehmer später von Umständen Kenntnis erlangt, die einem Vorsteuerabzug entgegengestanden hätten, wenn er sie bereits beim Bezug der Waren gekannt hätte. Auch wird er durch diese nachträgliche Kenntnis nicht rückwirkend zum Nichtunternehmer.
14
aa) Im Rahmen der Auslegung des § 15 UStG sind die dieser Vorschrift zugrunde liegende Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. EU Nr. L 347 S. 1; im Folgenden : Mehrwertsteuersystemrichtlinie) und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu beachten (sog. richtlinienkonforme Auslegung). Danach gilt Folgendes:
15
Bei dem in Art. 167 ff. der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vorgesehenen Recht zum Vorsteuerabzug handelt es sich um einem integralen Bestandteil des Mehrwertsteuersystems; es kann sofort ausgeübt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 in der Rechtssache C-285/11 „Bonik“, DStRE 2013, 803). Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie unterscheidet dabei zwischen der Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug (Art. 167 i.V.m. Art. 63 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ) und der Ausübung dieses Rechts (Art. 178 f. der Mehrwertsteuersystemrichtlinie). Nach Art. 167 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die ab- ziehbare Steuer entsteht. Dies ist nach Art. 63 der Richtlinie bereits dann der Fall, wenn die Lieferung oder die Dienstleistung bewirkt ist; lediglich die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts setzt zusätzlich den Besitz einer den Anforderungen des Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie entsprechenden Rechnung voraus (vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-152/02 „Terra Baubedarf“ zu Art. 17, 18 der von der Mehrwertsteuersystemrichtlinie abgelösten „Sechste(n) Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage 77/388/EWG“, im Folgenden: Sechste Richtlinie 77/388/EWG).
16
bb) Aus der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts, zu dem die Lieferung oder sonstige Leistung bewirkt wird, für die Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug folgt, dass für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug die Verhältnisse bei Bezug der Leistung maßgebend sind (vgl. BFH, Urteil vom 13. Mai 2009 - XI R 84/07, BStBl II 2009, 868 unter Hinweis auf Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG; vgl. auch BFH, Urteile vom 18. April 2013 - V R 19/12, BFH/NV 2013, 1515 und vom 8. September 2011 - V R 43/10, BFHE 235, 501).
17
cc) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Vorsteuerabzug dann zu versagen, wenn der Steuerpflichtige - im unionsrechtlichen Sinne - selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist und er deswegen als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist (EuGH, Urteil vom 6. Juli 2006 in den Rechtssachen C-439/04 und C-440/04 „Kittel und Recolta Recycling“, Slg. 2006, I-6161, Rn. 53, 55 f.; vgl. auch EuGH, Urteile vom 6. Dezember 2012 in der Rechtssache C-285/11 „Bonik“, DStRE 2013, 803, Rn. 37 ff. und vom 21. Juni 2012 in den Rechtssachen C-80/11 und C-142/11 „Mahagében und Dávid“, DStRE 2012, 1336 Rn. 42, 45). Demgegenüber wäre es nach der Rechtsprechung des EuGH mit den Regelungen über den Vorsteuerabzug in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht vereinbar, einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Leistenden begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausging oder nachfolgte, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde, durch die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts mit einer Sanktion zu belegen (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Juni 2012 in den Rechtssachen C-80/11 und C-142/11 „Mahagében und Dávid“,DStRE 2012, 1336 Rn. 47 mwN). Denn Wirtschaftsteilnehmer , die alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug - sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug - einbezogen sind, dürfen auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Mai 2006 in der Rechtssache C-384/04 „Federation of Technological Industries u.a.“, Slg. 2006 I-4191 Rn. 33).
18
c) Gemessen an diesen sich aus dem Unionsrecht ergebenden Maßstäben hat es für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug keine Bedeutung, ob der Leistungsempfänger, der eine Lieferung noch „in gutem Glauben“ erhalten hat, nachträglich erkennt, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt hat, der in eine anderweit begangene „Mehrwertsteuerhinterziehung“ einbezogen war. Es verstieße auch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-110/94 „Inzo“, Slg. 1996 I-857 Rn. 21), wenn einem Unternehmer, der von solchen Umständen zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges weder wusste noch hätte wissen müssen, wegen nachträglich eingetretener „Bösgläubigkeit“ rückwirkend das Recht auf den Vorsteuerabzug entzogen werden könnte.
19
d) Trotz des unrichtigen rechtlichen Ansatzes des Landgerichts tragen die Feststellungen in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe den Schuldspruch der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Denn die Urteilsfeststellungen belegen, dass dem Angeklagten bereits seit dem 18. März 2010 und damit in diesen Fällen auch schon beim Warenbezug bekannt war, dass die von ihm geleitete Firma M. OHG (und später auch die M. GmbH) in ein Umsatzsteuerkarussell einbezogen war und die Waren von „missing tradern“ bzw. einem „buffer“ erhalten hatte. Damit fehlte es in diesen Fällen an einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Lieferung an diese Unternehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 24/10, wistra 2011, 264). Indem der Angeklagte in diesen Fällen gleichwohl in den Steueranmeldungen einen Vorsteuerabzug vorgenommen hat, hat er gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben gemacht.
20
e) Soweit der Angeklagte für September 2010 (Fall VIII. 8. der Urteilsgründe ) einen Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Firma Me. in Höhe von 11.337,68 Euro vorgenommen hat, ist den Feststellungen jedoch nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob die Voraussetzungen für eine Versagung des Vorsteuerabzugs vorgelegen haben. Denn das Landgericht hat festgestellt, dass die Lieferbeziehung zu dieser Firma bereits im Februar 2010 (UA S. 13) und damit zu einem Zeitpunkt beendet wurde, als der Angeklagte nach den Feststellungen noch keine Kenntnis von der Einbindung der M. OHG in ein „Umsatzsteuerhinterziehungssystem“ hatte. Es ist daher nicht auszu- schließen, dass sich der Vorsteuerabzug insoweit auf Geschäftsvorfälle vor dem 18. März 2010 bezieht. Dies lässt den Schuldspruch jedoch unberührt, weil die Feststellungen belegen, dass der Angeklagte in der Umsatzsteuervoranmeldung für September 2010 einen unberechtigten Vorsteuerabzug in Höhe von 12.112,50 Euro aus einer Rechnung der Firma H. über eine Lieferung im Juni 2010 vorgenommen hat (UA S. 19).
21
2. Der Schuldspruch in den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
22
a) Auch in den Fällen VIII. 2. und 3. sowie IX. der Urteilsgründe hat das Landgericht bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen eines Vorsteuerabzugs gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vorgelegen haben, zu Unrecht auf den Zeitpunkt der Einreichung der jeweiligen Steueranmeldung abgestellt, in welcher der Angeklagte den entsprechenden Vorsteuerabzug vorgenommen hat. Maßgeblich für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug war auch hier allein der jeweilige Zeitpunkt des Warenbezugs. Dieser lag aber in diesen Fällen jeweils vor dem 18. März 2010, dem Tag, an dem der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen die Einbindung der M. OHG in Hinterziehungsstrukturen erkannte.
23
Tragfähige Feststellungen zu dem Vorstellungsbild des Angeklagten beim jeweiligen Warenbezug, die in diesen Fällen die Versagung des Vorsteuerabzugs zweifelsfrei rechtfertigen würden, enthalten die Urteilsgründe nicht. Allein der Umstand, dass sich die M. OHG beim Erwerb der Fernseher objektiv an Umsätzen beteiligte, die in Umsatzsteuerhinterziehungen von „missing tradern“ einbezogen waren, rechtfertigt die Versagung des Vor- steuerabzugs nicht. Vielmehr kommt - wie dargelegt - nach der Rechtsprechung des EuGH in solchen Fällen die Versagung des Vorsteuerabzugs nur dann in Betracht, wenn der Leistungsempfänger weiß oder zumindest hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogenen Umsatz beteiligt. Ob dies der Fall ist, hängt von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Juni 2012 in den Rechtssachen C-80/11 und C-142/11 „Mahagében und Dávid“, DStRE 2012, 1336), die vom Tatgericht in einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu würdigen sind. Daran fehlt es hier.
24
Das Landgericht hat zwar hilfsweise ausgeführt, dass der Angeklagte auch jeweils zum Zeitpunkt der Lieferungen nicht „gutgläubig“ gewesen sei, weil er „die Unrichtigkeit der Vorsteuerabzugsberechtigung“ zu diesem Zeit- punkt bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können. Dies wird jedoch nicht näher belegt. Der Senat kann die erforderliche Gesamtwürdigung der Umstände nicht nachholen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 1999 - 1 StR 390/99, NStZ 1999, 607). Eine Fallgestaltung, in der bereits auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ohnehin lediglich ein rechtlich vertretbares Ergebnis möglich ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 14. März 2003 - 2 StR 239/02, NStZ 2003, 657), liegt nicht vor.
25
b) Der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO im Fall VIII. 1. der Urteilsgründe kann gleichfalls keinen Bestand haben.
26
aa) Das Landgericht hat den die Strafbarkeit begründenden Pflichtverstoß darin gesehen, dass der Angeklagte die für Januar 2010 abgegebene Umsatzsteuervoranmeldung nicht gemäß § 153 Abs. 1 AO berichtigt habe, obwohl er nachträglich erkannt habe, dass der dort geltend gemachte Vorsteuerabzug unberechtigt gewesen sei.
27
bb) Gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO hat der Steuerpflichtige, wenn er nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen.
28
cc) Das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Anzeige- und Berichtigungspflicht wird hier jedoch durch die Urteilsfeststellungen nicht belegt. Denn die für Januar 2010 von dem Angeklagten eingereichte Umsatzsteuervoranmeldung wäre nur dann unrichtig, wenn die Voraussetzungen für eine Versagung des Vorsteuerabzugs schon beim Warenbezug gegeben waren. Dies belegen die Urteilsfeststellungen indes nicht, zumal da das Landgericht hinsichtlich der Voraussetzungen für die Versagung des Vorsteuerabzugs zu Unrecht nicht auf das Vorstellungsbild des Angeklagten beim Warenbezug, sondern auf dasjenige bei Einreichung der Steueranmeldungen abgestellt hat.
29
3. Ein Teilfreispruch in den Fällen VIII. 1. bis 3. und IX. der Urteilsgründe kommt nicht in Betracht, da es noch möglich erscheint, dass Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten beim Warenbezug getroffen werden können, die auch insoweit eine Verurteilung rechtfertigen (vgl. auch BGH, Urteile vom 26. Juli 2012 - 1 StR 492/11, wistra 2012, 477 und vom 7. März 1995 - 1 StR 523/94, BGHR StPO § 354 Abs. 1 Freisprechung 1). Das Landgericht hat - wie dargelegt - selbst darauf hingewiesen, dass Anhaltspunkte dafür bestehen , dass der Angeklagte schon vor dem 18. März 2010 die „Unrichtigkeit der Vorsteuerabzugsberechtigung hätte erkennen können“. Eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) kommt dabei nur in Betracht, wenn mindestens bedingter Hinterziehungsvorsatz vorliegt; für den Ordnungswidrig- keitentatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) genügt Leichtfertigkeit.
30
4. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
31
a) Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen VIII.1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen und zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
32
b) Der Einzelstrafausspruch im Fall VIII. 8. der Urteilsgründe ist schon deswegen aufzuheben, weil es zum Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Firma Me. an Feststellungen zum zugrunde liegenden Leistungszeitpunkt fehlt. Vom Vorstellungsbild des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt kann aber aus den genannten Gründen die Berechtigung zum Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG abhängen. Damit ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht in diesem Fall den Schuldumfang unrichtig bestimmt hat.
33
c) Der Senat hebt auch die übrigen Einzelstrafen auf, da nicht auszuschließen ist, dass diese in ihrer Höhe durch die aufgehobenen Einzelstrafen im Ergebnis beeinflusst sind (vgl. BGH, Urteile vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, wistra 2012, 236 und vom 16. Mai 1995 - 1 StR 117/95). Bei den dem Angeklagten zur Last liegenden Taten handelt es sich um eine Serie gleichartiger Taten, die in einem inneren Zusammenhang stehen.
34
Im Übrigen bestehen gegen die Strafzumessung auch deshalb Bedenken , weil das Landgerichtzum Nachteil des Angeklagten gewertet hat, dass er - außer hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 2010 - mit direk- tem Vorsatz gehandelt habe, wobei er sich im Wissen um die Zusammenhänge gezielt aus eigenem Gewinnstreben dem Umsatzsteuerkarussellsystem angeschlossen habe. Aus den Ausführungen des Landgerichts wird nicht hinreichend deutlich, ob es insoweit allein auf die Vorsatzform abgehoben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 1990 - 3 StR 313/90, BGHR § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4) oder - was erforderlich wäre - eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1992 - 1 StR 708/91, BGHR § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 5; vgl. auch Schäfer/ Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 618).
35
5. Zwar beruht die Teilaufhebung des Urteils allein auf Wertungsfehlern des Landgerichts. Da das Landgericht aber ausgehend von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz zum Vorstellungsbild des Angeklagten Feststellungen bezogen auf die falschen Zeitpunkte getroffen hat, bedarf es weiterer Feststellungen zu den Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs in den Fällen VIII. 1. bis 3. und IX. der Urteilsgründe. Um dem neuen Tatgericht eine bruchlose und widerspruchsfreie Würdigung des Beweisergebnisses auf der Grundlage der für die maßgeblichen Zeitpunkte zu treffenden neuen Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat in den Fällen, in denen der Schuldspruch keinen Bestand hat, auch die zugrunde liegenden Feststellungen auf.
36
Aufzuheben sind daher die Feststellungen zu den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe einschließlich derjenigen zur Strafzumessung. Im Hinblick darauf, dass die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen vom fehlerhaften rechtlichen Ansatz der Strafkammer nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO), bleiben diese jedoch aufrechterhalten. Ausgenommen sind die Feststellungen zur Höhe der Umsätze mit der Firma Me. im Jahr 2009, weil diese im Hinblick auf den Anteil der in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuern im Verhältnis zu den Gesamtrechnungsbeträgen nicht ohne weiteres nachvollziehbar sind (UA S. 12).
37
Soweit der Strafausspruch auch in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe , in denen der Schuldspruch Bestand hat, und betreffend die Gesamtstrafe aufgehoben wird, bedarf es im Hinblick auf die allein vorliegenden Wertungsfehler keiner Aufhebungen von Feststellungen. Ausgenommen sind die bislang lückenhaften Feststellungen zu den Lieferungen der Firma Me. im Fall VIII. 8. der Urteilsgründe.
38
Auch soweit die Feststellungen Bestand haben, darf das neue Tatgericht ergänzende Feststellungen treffen, die zu bisherigen nicht im Widerspruch stehen.
Raum Graf Jäger
Radtke Mosbacher

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Hat der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und führt er einen Umsatz in einem anderen Mitgliedstaat aus, an dem eine Betriebsstätte in diesem Mitgliedstaat nicht beteiligt ist, so ist er zur Ausstellung einer Rechnung mit der Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ verpflichtet, wenn die Steuer in dem anderen Mitgliedstaat von dem Leistungsempfänger geschuldet wird und keine Gutschrift gemäß § 14 Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Führt der Unternehmer eine sonstige Leistung im Sinne des § 3a Absatz 2 in einem anderen Mitgliedstaat aus, so ist die Rechnung bis zum fünfzehnten Tag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Umsatz ausgeführt worden ist, auszustellen. In dieser Rechnung sind die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers und die des Leistungsempfängers anzugeben. Wird eine Abrechnung durch Gutschrift gemäß § 14 Absatz 2 Satz 2 über eine sonstige Leistung im Sinne des § 3a Absatz 2 vereinbart, die im Inland ausgeführt wird und für die der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b Absatz 1 und 5 schuldet, sind die Sätze 2 und 3 und Absatz 5 entsprechend anzuwenden.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung im Sinne des § 3c Absatz 1 im Inland aus, ist er zur Ausstellung einer Rechnung verpflichtet. Satz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer an dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18j teilnimmt.

(3) Führt der Unternehmer eine innergemeinschaftliche Lieferung aus, ist er zur Ausstellung einer Rechnung bis zum fünfzehnten Tag des Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Umsatz ausgeführt worden ist, verpflichtet. In der Rechnung sind auch die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers und die des Leistungsempfängers anzugeben. Satz 1 gilt auch für Fahrzeuglieferer (§ 2a). Satz 2 gilt nicht in den Fällen der §§ 1b und 2a.

(4) Eine Rechnung über die innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs muss auch die in § 1b Abs. 2 und 3 bezeichneten Merkmale enthalten. Das gilt auch in den Fällen des § 2a.

(5) Führt der Unternehmer eine Leistung im Sinne des § 13b Absatz 2 aus, für die der Leistungsempfänger nach § 13b Absatz 5 die Steuer schuldet, ist er zur Ausstellung einer Rechnung mit der Angabe „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ verpflichtet; Absatz 1 bleibt unberührt. Die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung nach § 14 Absatz 4 Satz 1 Nummer 8 wird nicht angewendet.

(6) In den Fällen der Besteuerung von Reiseleistungen nach § 25 hat die Rechnung die Angabe „Sonderregelung für Reisebüros“ und in den Fällen der Differenzbesteuerung nach § 25a die Angabe „Gebrauchtgegenstände/Sonderregelung“, „Kunstgegenstände/Sonderregelung“ oder „Sammlungsstücke und Antiquitäten/Sonderregelung“ zu enthalten. In den Fällen des § 25 Abs. 3 und des § 25a Abs. 3 und 4 findet die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8) keine Anwendung.

(7) Wird in einer Rechnung über eine Lieferung im Sinne des § 25b Abs. 2 abgerechnet, ist auch auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts und die Steuerschuldnerschaft des letzten Abnehmers hinzuweisen. Dabei sind die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Unternehmers und die des Leistungsempfängers anzugeben. Die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8) findet keine Anwendung.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Ist ein Rechtsgeschäft unwirksam oder wird es unwirksam, so ist dies für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Dies gilt nicht, soweit sich aus den Steuergesetzen etwas anderes ergibt.

(2) Scheingeschäfte und Scheinhandlungen sind für die Besteuerung unerheblich. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgebend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 2 9 / 1 4
vom
8. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juli 2014 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29. Juli 2013 aufgehoben,
a) mit den Feststellungen, soweit es ihn betrifft,
b) mit den Feststellungen, soweit die Mitangeklagte F. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in fünf Fällen (Fälle C.III.1 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist,
c) im Ausspruch über die die Mitangeklagte F. betreffende Gesamtstrafe. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten W. „wegen Steuerhinter- ziehung in zwölf Fällen“ zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, wobei es in die erste Gesamtfreiheitsstrafe eine andere Strafe einbezogen hat. Die nicht revidierende Mitangeklagte F. hat es wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in fünf Fällen sowie wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte W. mit der Sachrüge und Verfahrensrügen. Die Revision führt bereits mit der Sachrüge zur umfassenden Aufhebung des Urteils (§ 349 Abs. 4 StPO) betreffend den Angeklagten W. . Dies zieht hinsichtlich der nicht revidierenden Mitangeklagten in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang ebenfalls die Aufhebung nach sich (§ 357 Satz 1 StPO).

I.


3
1. Das Landgericht hat festgestellt:
4
Der Angeklagte verkaufte als „ambulanter Schrotthändler“ in erheblichem Umfang Schrott- und Altmetalle. Kleinere Mengen verkaufte er im eigenen Namen. Weit überwiegend setzte er jedoch zum Verkauf des von ihm erworbenen Schrotts Strohleute ein, um das Ausmaß seines Schrotthandels zu verschleiern und so seiner Steuerpflicht zu entgehen. Als ein solcher Strohmann fungierte der Zeuge D. . Diesem fiel die Aufgabe zu, als Lieferant des dem Angeklagten gehörenden Schrotts und Altmetalls aufzutreten. Die an den Zeugen D. ausbezahlten Kaufpreise einschließlich der Umsatzsteuer händigte dieser an den Angeklagten aus, erhielt aber Beträge von rund 300 Euro als Entlohnung für seine Tätigkeit. Auf diese Art und Weise lieferten der Angeklagte W. und der Zeuge D. zwischen Oktober 2003 und Oktober 2006 in 245 Fällen erhebliche Mengen Schrott und Altmetall bei mehreren Schrotthandelsfirmen ein. Die Empfängerfirmen stellten die Abrechnungen jeweils auf den Namen des Zeugen D. aus. Ebenso wie der Zeuge D. trat auch die Mitangeklagte F. ab Mai 2006 bis Ende 2007 für den Angeklagten in Erscheinung. Auf ihren Namen wurden insgesamt 75 Schrottlieferungen abgerechnet.
5
Dabei war dem Angeklagten ebenso wie D. und F. be- wusst, dass er „entsprechend der tatsächlichen Gegebenheiten selbst als Ein- lieferer gegenüber den Schrotthandelsfirmen hätte auftreten und die Einnahmen aus den Einlieferungen (....) zur Umsatzsteuer, zur Gewerbesteuer und zur Einkommensteuer hätte erklären müssen“. Dennoch gab er keine Umsatzsteu- erjahreserklärungen (Jahre 2003 bis 2007), Einkommensteuererklärungen (Veranlagungszeiträume 2004 bis 2007) und Gewerbesteuererklärungen (Veranlagungszeiträume 2004 bis 2006) ab. Hierdurch wurden Steuern in Höhe von insgesamt 558.120 Euro verkürzt.
6
2. Das Landgericht hat die über F. und D. erfolgten Schrottlieferungen dem Angeklagten zugerechnet und ihn zur Anmeldung der hierauf anfallenden Umsatzsteuer verpflichtet erachtet, da er „wirtschaftlich ... der wahre Einlieferer des Schrotts“ gewesen sei. Dies folgert es daraus, dass F. und D. „auf Rechnung des Angeklagten“ handelten, nicht „In- haber“ des Schrotts waren und nur der Angeklagte „wirtschaftlich in der Lage war“, die Schrotthandelsunternehmen mit Schrott in dem erfolgten Umfang zu beliefern. Zur Berechnung der verkürzten Umsatzsteuer hat es die über D. und F. abgerechneten Schrotteinlieferungen ermittelt und die auf den eigenen Namen des Angeklagten erfolgten Lieferungen hinzugerechnet. Bei der Berechnung der verkürzten Einkommensteuer und der Gewerbesteuer ist es ebenfalls von den über F. , D. oder seinen eigenen Namen abgerechneten Schrottlieferungen als Betriebseinnahmen ausgegangen; es hat diesen aber Betriebsausgaben in Höhe von 90 Prozent gegenüber gestellt.

II.


7
Das Urteil hält materiell-rechtlicher Prüfung nicht stand. Denn die vom Landgericht vorgenommene umsatz- und ertragsteuerliche Zurechnung der von F. und D. vorgenommenen Schrotteinlieferungen bei den Schrotthandelsfirmen auf den Angeklagten wird von den Feststellungen nicht getragen. Allein die – für sich genommen rechtsfehlerfrei – festgestellte Strohmanneigenschaft reicht hierzu nicht aus.
8
1. Fälle C.II.4 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Umsatzsteuer)
9
Die Erstreckung der Umsatzsteuererklärungspflicht des Angeklagten auf die von D. und F. abgerechneten Schrotteinlieferungen findet in den Feststellungen keine Grundlage. Da es keine umsatzsteuerrechtliche Mitunternehmerschaft gibt, trifft den Angeklagten die sich aus einer Unternehmerstellung im Sinne des § 2 UStG ergebende Erklärungspflicht für das Geschäft mit den Schrotthandelsunternehmen nur dann, wenn die Einlieferungen von D. und F. durch ihn und nicht durch diese als leistende Unternehmer erfolgten. Dies ist bislang nicht belegt, denn tragfähige Feststellungen zu den Vorstellungen der jeweiligen Vertragspartner dazu, wen die Rechtswirkungen des Geschäfts treffen sollten, fehlen. Dessen hätte es aber bedurft, denn es gilt Folgendes:
10
a) Auch ein Strohmann, der nach außen im eigenen Namen auftritt, im Verhältnis zum Hintermann jedoch auf dessen Rechnung handelt, kann leistender Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 2014 – 1 StR 422/13, NStZ 2014, 335 mwN). Dem steht weder entgegen, dass er im Innenverhältnis die Weisungen des Auftraggebers zu befolgen hat (vgl. BFH, Urteil vom 26. Juni 2003 – V R 22/02, DStRE 2004, 153; Nieskens in Rau/Dürrwächter, UStG, 158. Lfg., § 3 Rn. 2441 [Strohmann]; zu den Leistungsbeziehungen zwischen Stroh- und Hintermann vgl. BFH, Urteil vom 12. Mai 2011 – V R 25/10, DStRE 2011, 1326), noch, dass er zuvor kein Eigentum an den Liefergegenständen erworben hat (vgl. Urteil vom 28. Januar 1999 – V R 4/98, BFHE 188, 456). Umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich ist es auch, dass dem Strohmann der wirtschaftliche Erfolg seiner Tätigkeit letztlich nicht verbleibt (BFH, Urteil vom 26. Juni 2003 – V R 22/02, DStRE 2004, 153). Für die umsatzsteuerrechtliche Einstufung des Strohmannes als Leistender reicht es vielmehr aus, wenn er den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über den Liefergegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht, vgl. hierzu zusammenfassend Leonard in Bunjes, UStG, 13. Aufl., § 3 Rn. 51 ff.).
11
b) „Vorgeschobene“ Strohmanngeschäfte zwischen einem Strohmann und dem Leistungsempfänger sind aber dann umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich , wenn sie nur zum Schein (vgl. § 41 Abs. 2 AO) abgeschlossen sind, mithin die Vertragsparteien – der Strohmann und der Leistungsempfänger – einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem Hintermann eintreten sollen (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 5. Februar 2014 – 1 StR 422/13 mwN, NStZ 2014, 335). Ob dies der Fall ist, hängt von den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls ab, die vom Tatgericht in einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände (vgl. auch BFH, Urteil vom 4. September 2003 – V R 9/02, V R 10/02, BFHE 203, 389) zu würdigen sind.
12
c) Dass im vorliegenden Fall allein die Annahme eines solchen Scheingeschäfts die Stellung des Angeklagten als Leistender tragen könnte, hat das Landgericht nicht in den Blick genommen. Es bleibt daher unerörtert, ob es sich aus Sicht der Schrotthandelsfirmen bei den Einlieferungen um Eigengeschäfte des Angeklagten handelte, worauf es für eine Erklärungspflicht des Angeklagten insoweit angekommen wäre.
13
2. Fälle C.II.6 der Urteilsgründe (Hinterziehung von Gewerbesteuer)
14
Die nicht näher begründete Annahme des Landgerichts, die über F. bzw. D. abgerechneten Schrottlieferungen seien auch gewerbesteuerlich allein dem Angeklagten zuzurechnen, hält rechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand. Der Umstand, dass F. und D. „nicht auf eigene Rechnung“ tätig geworden sind, führt nicht notwendig dazu, dass der Angeklagte ertragsteuerlich als der alleinige Gewerbetreibende anzusehen ist. Bei einer Mitunternehmerschaft zwischen dem Angeklagten und den jeweiligen Strohleuten – bei Einsatz von zwei Strohleuten u.U. sogar mehrere – ergeben sich aber abweichende gewerbesteuerrechtliche Erklärungspflichten.
15
a) Für die Frage, wer von mehreren Personen, die an einer gewerblichen Tätigkeit beteiligt sind, ertragsteuerlich als Unternehmer anzusehen ist, kommt es dabei weder auf die von den Beteiligten ausdrücklich gewählte Bezeichnung ihrer Rechtsbeziehungen (BFH, Beschluss vom 2. September 1985 – IV B 51/85, BStBl. II 1986, 10), noch auf den Rechtsschein, der nach außen etwa durch die gewerbepolizeiliche Anmeldung gesetzt wird (BFH, Beschluss vom 14. September 2004 – XI B 121/03 mwN), an. (Mit-)Unternehmer i.S.d. § 15 EStG ist vielmehr, wer nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eine (Mit-)Unternehmerinitiative entfalten kann und das (Mit-)Unternehmerrisiko trägt (vgl. Bode in Blümich, EStG, KStG, GewStG, 122. Aufl., § 15 EStG Rn. 222; zur Gewerbesteuer vgl. auch Sarrazin in Lenski/Steinberg, GewStG, 109. Lief., § 2 Rn. 165, jeweils mit mwN aus der Rspr. des BFH). Die Merkmale der (Mit-) Unternehmerinitiative und des (Mit-)Unternehmerrisikos können im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein, müssen jedoch beide vorliegen. Dies ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände durch den Tatrichter zu würdigen (BFH, Beschluss vom 25. Juni 1984 – GrS 4/82 – BStBl II 1984, 751).
16
b) Tritt eine Person nach außen als Unternehmer im eigenen Namen auf, handelt sie aber auf Rechnung eines Dritten und ist im Innenverhältnis an dessen Weisungen gebunden (Strohmann), so kann deren Mitunternehmerschaft daraus folgen, dass ihr, weil sie nach außen als Geschäftsinhaber auftritt , eine Vertretungsmacht zukommt, die durch Abreden im Innenverhältnis naturgemäß nicht beschränkbar ist (BFH, Urteil vom 10. Mai 2007 – IV R 2/05, BFHE 218, 152). Entscheidend ist auch hier stets das Gesamtbild der Verhältnisse (zu besonderen Fallgestaltungen [Prägung durch persönliche Arbeitsleistung , geringe Kapitalintensität, geringes wirtschaftliches Risiko] etwa BFH, Urteil vom 4. November 2004 – III R 21/02, BFHE 207, 321).
17
c) Die danach erforderliche Gesamtwürdigung der tatsächlichen Umstände lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Das Landgericht hat seine Wertung , der Angeklagte habe die aus den Einlieferungen durch D. und F. resultierende Gewerbe(- und Einkommen)steuer geschuldet, vielmehr auch insoweit allein auf das interne Verhältnis zwischen dem Angeklagten und seinen Strohleuten gestützt. Freilich ist die Frage, wer Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ist und die aufgrund im Rahmen eines Unternehmens getätigter Umsätze entstandene Umsatzsteuer schuldet, unabhängig von der Frage zu beantworten, wer einen Gewerbebetrieb führt und deswegen zur Einkommensteuer und zur Gewerbesteuer zu veranlagen ist (vgl. BFH, Beschluss vom 20. Februar 2004 – V B 152/03). Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Auftreten von F. und D. nach außen bei der ertragsteuerlichen Zurechnung der Betriebseinnahmen von vornherein in jeder Hinsicht außer Betracht bleiben könnte [zur (Mit-)Unternehmerschaft in Fallgestaltungen der Einschaltung von Strohleuten vgl. auch Haep in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 257. Lfg., § 15 EStG Rn. 365 mwN aus der Rspr. des BFH].
18
3. Fälle C.II.7 (Hinterziehung von Einkommensteuer)
19
Aus den unter 2. dargelegten Gründen kann letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass auch die bei den Einkommensteuerhinterziehungen zugrunde gelegten Hinterziehungsbeträge fehlerhaft berechnet worden sind.

III.


20
Der Senat hebt die dem Urteil zu Grunde liegenden Feststellungen den Angeklagten betreffend umfassend auf (§ 353 Abs. 2 StPO), auch um dem neuen Tatrichter die Gelegenheit zu geben, widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen.

IV.


21
Soweit die nicht revidierende Mitangeklagte F. wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer verurteilt worden ist, kam eine Erstreckung der Aufhebung des Urteils gemäß § 357 StPO nicht in Betracht. Die Abrechnungen der Schrotteinlieferungen auf den Namen der Mitangeklagten F. waren nämlich ausweislich der Urteilsgründe unter Ausweis der Umsatzsteuer erfolgt. Da sie damit in jedem Falle – und sei es gemäß § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG – die in den auf ihren Namen ausgestellten Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer schuldete, scheidet hier schon aus diesem Grunde eine den Angeklagten W. und die Mitangeklagte F. gleichermaßen betreffende Gesetzesverletzung aus. Soweit sie jedoch wegen Beteiligung an der den Angeklagten W. zur Last gelegten Steuerhinterziehung verurteilt worden ist (Fälle C.III.1 der Urteilsgründe), beruht dies auf dem gleichen sachlich-rechtlichen Mangel, so dass die Aufhebung des Urteils insoweit gemäß § 357 Satz 1 StPO auf sie zu erstrecken ist. Damit entfallen die in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe.

V.


22
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
23
1. Käme die neu berufene Strafkammer zu dem Schluss, dass die Umsätze durch die Strohleute dem Angeklagten umsatzsteuerrechtlich nicht zurechenbar sein sollten, wäre zu prüfen, ob der Angeklagte bei der Einlieferung an die Schrotthandelsunternehmen zugleich eine umsatzsteuerrechtliche Lieferung an F. und D. bewirkte. Der Umfang der vom Angeklagten verkürz- ten Umsatzsteuer wäre dabei allerdings auf der Grundlage der erzielten Kaufpreise abzüglich der von F. bzw. D. einbehaltenen Geldbeträge zu bestimmen (vgl. [zu Treuhandverhältnissen] auch Flückiger inPlückebaum/ Widmann, UStG, 188. Lief., § 3 Abs. 1 Rn. 328).
24
2. Anhand der oben dargelegten Grundsätze wird zu prüfen sein, ob ertragsteuerlich von einer bzw. mehreren Mitunternehmerschaft(en) zwischen dem Angeklagten einerseits und F. bzw. D. andererseits auszugehen ist. Liegt eine Mitunternehmerschaft vor, sind zur Ermittlung der vom Angeklagten hinterzogenen Einkommensteuer dessen gewerblich erzielte Gewinne insgesamt entsprechend der tatsächlichen Teilhabe am betrieblichen Ergebnis (vgl. Haep in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 257. Lfg., § 15 EStG Rn. 365 mwN) – erforderlichenfalls im Wege der Schätzung – einzustellen. Im Hinblick auf die verkürzte Gewerbesteuer ist zu berücksichtigen, dass sich im Falle des Vorliegens einer Mitunternehmerschaft die Pflicht zur Abgabe einer Gewerbesteuererklärung auf jeden einzelnen Gewerbebetrieb erstreckt (zusammenfassend zu den Erklärungspflichten Madauß, NZWiSt 2013, 332, 336). Für den Fall, dass ertragsteuerlich F. und D. die Einkünfte aus den hier in Rede stehenden Schrottverkäufen in voller Höhe zuzurechnen sind, kommt in Betracht, die – um die Zahlungen an F. bzw. D. verminderten – Einkünfte dem Angeklagten als (dann) Einzelgewerbetreibenden zuzurechnen.
25
3. Sollte abermals auf zwei Gesamtfreiheitsstrafen erkannt werden, wird zu beachten sein, dass sich schon aus dem Tenor, nicht nur aus den Gründen des Urteils ergeben muss, für wie viele Taten der Angeklagte zu den jeweiligen Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt ist.
Raum Jäger Cirener
RiBGH Prof. Dr. Mosbacher ist im Urlaub und deshalb an der Unterschriftsleistung verhindert. Radtke Raum

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 4 2 2 / 1 3
vom
5. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Februar 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 25. März 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten K. , S. und A. jeweils wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren (Angeklagte K. und A. ) bzw. drei Jahren und sechs Monaten (Angeklagter S. ) verurteilt und bestimmt, dass die vom Angeklagten A. in Österreich erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 angerechnet wird.
2
Hiergegen haben die Angeklagten Revision eingelegt, mit der sie jeweils die Verletzung materiellen Rechts rügen; die Angeklagten K. und S. erheben auch Verfahrensrügen.

3
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben mit der Sachrüge jeweils vollen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrügen nicht bedarf.

I.


4
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts handelten die Angeklagten über die von ihnen geführte Su. GmbH mit Computerbauteilen. Diese bezogen sie über die Initiatoren eines auf die "planmäßige Nichtabführung der Umsatzsteuer" gerichteten Hinterziehungssystems. Diese Initiatoren waren der bereits verurteilte Zeuge O. sowie der gesondert Verfolgte B. . O. und B. hatten die Ware aus dem Ausland beschafft und (in näher bezeichneter Weise, UA S. 15) "direkt an die Su. GmbH angeliefert" (UA S. 26). Die der Su. GmbH in diesem Zusammenhang erteilten Rechnungen waren demgegenüber auf die M. GmbH bzw. auf die E. GmbH ausgestellt. Bei diesen Firmen handelte es sich um wirtschaftlich inaktive, formal von Strohleuten vertretene, tatsächlich aber von O. und B. sowie dem Zeugen Ei. beherrschte Firmen. O. und B. hatten diese Firmen "zwischengeschaltet", um die wahren Lieferwege und die im Vorfeld stattgefundene Umsatzsteuerhinterziehung zu verschleiern. Diese Umsatzsteuerhinterziehung bestand darin, dass weitere - ebenfalls von O. und B. gesteuerte - inländische Firmen (jedenfalls nach Papierlage) die Computerbauteile von in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässigen Firmen erwarben und rechnungsmäßig unter Ausweis von Umsatzsteuer an die M. GmbH bzw. die E. GmbH weiterverkauften, die in den Rechnun- gen ausgewiesene Umsatzsteuer jedoch "planmäßig" nicht an die Finanzbehörden abführten.
5
b) Aufgrund einer Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten der Su. GmbH vom 27. April 2005 wussten die Angeklagten, dass gegen O. und B. ein Ermittlungsverfahren anhängig war (UA S. 26). Anlässlich dieser Durchsuchung wurde den Angeklagten die Funktionsweise eines Umsatzsteuerkarussells und der Verdacht gegen O. , mit der M. GmbH ein solches Umsatzsteuerkarussell zu betreiben, erläutert. Danach brachen die Einkäufe bei der M. GmbH und der E. GmbH weg; die letzte der Su. GmbH in diesem Zusammenhang erteilte Rechnung datierte vom 26. April 2005.
6
c) In der am 10. April 2006 für das Jahr 2004 und der am 22. Februar 2007 für das Jahr 2005 abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung der Su. GmbH machten die Angeklagten aus den Einkäufen bei den Firmen M. GmbH und der E. GmbH die jeweils ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer geltend. Diese Vorsteuerbeträge beliefen sich in Summe auf rund 850.000 Euro (Jahr 2004) und 1.330.000 Euro (Jahr 2005).
7
2. Das Landgericht hat die Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2004 und 2005 jeweils als Taten der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gewertet.
8
Der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der M. GmbH und der E. GmbH sei ungerechtfertigt, weil, was den Angeklagten bekannt gewesen sei, sich die Su. GmbH an einem "Umsatzsteu- erkarussell" beteiligt habe und nicht die in den Rechnungen genannten Firmen, sondern O. und B. die tatsächlichen Lieferanten der Su. GmbH gewesen seien.
9
Dass die Angeklagten zum Zeitpunkt der Abgabe der Jahresumsatzsteuererklärungen die mangelnde Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der M. GmbH und E. GmbH zumindest billigend in Kauf genommen hätten, folge bereits daraus, dass die Angeklagten anlässlich der Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten der Su. GmbH, also noch vor Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen, von dem Ermittlungsverfahren gegen O. und B. und von deren auf Hinterziehung von Umsatzsteuer angelegten System erfuhren. Damit, so das Landgericht, war bei allen Angeklagten nach der Durchsuchung am 27. April 2005 dolus eventualis gegeben (UA S. 32).

II.


10
Das Urteil hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
11
Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung nicht. Zum einen ist die mangelnde Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der M. GmbH bzw. der E. GmbH nicht rechtsfehlerfrei begründet (nachfolgend unter 1.). Zum anderen kann den getroffenen Feststellungen nicht entnommen werden, ob jeweils Tatvollendung oder nur Versuch vorliegt (nachfolgend unter 2.).

12
1. Die Annahme des Landgerichts, dass die Angeklagten in den Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Su. GmbH gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht haben, indem sie die in den Rechnungen der Firmen M. GmbH und E. GmbH ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machten, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
13
a) Dass sich die Angeklagten mit den Warenbezügen von den Firmen M. GmbH und E. GmbH an einem von O. und B. initiierten "Umsatzsteuerkarussell" beteiligten, genügt für sich genommen nicht, um die mangelnde Berechtigung zum Vorsteuerabzug (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) zu begründen.
14
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs macht derjenige, der in Umsatzsteuererklärungen die in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer geltend macht, unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn er sich mit dem der Rechnung zu Grunde liegenden Erwerb an einem in eine "Mehrwertsteuerhinterziehung" einbezogenen Umsatz beteiligte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 24/10, NJW 2011, 1616), denn aus solchen Erwerben steht ihm kein Vorsteuerabzugsrecht zu. Dies gilt jedoch nur dann, wenn er bereits zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges von der Einbeziehung in die "Mehrwertsteuerhinterziehung" wusste oder hätte wissen müssen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 - 1 StR 312/13 mwN zur Rechtsprechung des EuGH). Bei nachträglicher - also nach Leistungsbezug eintretender - "Bösgläubigkeit" bleibt das Vorsteuerabzugsrecht aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG hingegen unberührt (vgl. BGH aaO).
15
Indem das Landgericht die mangelnde Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der M. GmbH und E. GmbH mit der Beteiligung der Angeklagten an einem "Umsatzsteuerkarussell" verneint und sich hierbei maßgeblich auf die Erwägung gestützt hat, den Angeklagten sei im Rahmen der Durchsuchung vom 27. April 2005 der Tatverdacht gegen O. und B. in näher bezeichneter Weise erläutert worden, hat es demnach auf einen rechtlich unzutreffenden Zeitpunkt abgestellt.
16
Die Durchsuchung vom 27. April 2005 erfolgte zwar zeitlich gesehen vor Abgabe der verfahrensgegenständlichen Umsatzsteuerjahreserklärungen. Sämtliche hier in Rede stehenden Warenlieferungen waren aber zuvor, zuletzt einen Tag vor der Durchsuchung, in Rechnung gestellt worden. Die Erkenntnisse über O. und B. hatten die Angeklagten also - davon geht die Kammer jedenfalls zugunsten der Angeklagten aus - erst erlangt, als sie die in den Rechnungen aufgeführten Computerbauteile bereits für die Su. GmbH bezogen hatten. Diese Erkenntnisse durften daher für die Versagung des Vorsteuerabzugs nicht herangezogen werden.
17
Eine frühere Kenntnis der Angeklagten lässt sich auch dem Urteil in seiner Gesamtheit nicht hinreichend sicher entnehmen. Das Landgericht war zwar "davon überzeugt", dass die Angeklagten schon vor der genannten Durchsuchung von O. s "Umsatzsteuerkarussell bzw. betrügerischen Handelsketten" gewusst hätten. Das Landgericht hat aber keine Feststellungen darüber getroffen , ab wann dieses Wissen bei jedem der Angeklagten genau vorgelegen hat.
Ebenso wenig ist nachvollziehbar dargelegt, worauf das Landgericht insoweit seine Überzeugung stützt.
18
b) Auch soweit das Landgericht ergänzend das Vorsteuerabzugsrecht mit der Begründung verneint hat, die in den Rechnungen genannten M. GmbH bzw. E. GmbH als von O. und B. "zwischengeschaltete" Firmen seien nicht die "wahren Lieferanten" der Su. GmbH gewesen, ist dies nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landgericht war offenbar der Ansicht, dass diese Firmen wegen ihrer Eigenschaft als "Strohmannfirmen" nicht als Leistende im Sinne des Umsatzsteuergesetzes angesehen werden könnten. Dies trifft indes so nicht zu.
19
Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, vgl. nur BFH, Beschluss vom 31. Januar 2002 - V B 108/01, BFHE 198, 208).
20
Auch ein "Strohmann", der nach außen im eigenen Namen auftritt, im Verhältnis zum "Hintermann" jedoch auf dessen Rechnung handelt, kann daher leistender Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sein (vgl. BFH aaO; BFH, Urteil vom 10. November 2010 - XI R 15/09, wistra 2011, 237 mwN). Dementsprechend können dem "Strohmann" auch solche Leistungen zuzurechnen sein, die der "Hintermann" berechtigterweise im Namen des Strohmannes tatsächlich ausgeführt hat (vgl. BFH, Urteil vom 10. November 2010 - XI R 15/09, wistra 2011, 237 mwN).
21
"Vorgeschobene" Strohmanngeschäfte zwischen einem "Strohmann" und dem Leistungsempfänger sind hingegen dann umsatzsteuerrechtlich (wie auch zivilrechtlich) unbeachtlich, wenn sie nur zum Schein (vgl. § 41 Abs. 2 AO) abgeschlossen sind, mithin die Vertragsparteien - der "Strohmann" und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (zu den Maßstäben vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, wistra 2013, 314; BFH, Urteil vom 10. November 2010 - XI R 15/09, wistra 2011, 237; BFH, Beschluss vom 31. Januar 2002 - V B 108/01, BFHE 198, 208; vgl. auch BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 - 5 StR 520/02, BGHR UStG § 2 Unternehmer 4).
22
Gemessen daran fehlt es im angefochtenen Urteil an ausreichenden Feststellungen für die Annahme des Landgerichts, nicht die in den Rechnungen genannten Firmen M. GmbH und E. GmbH, sondern O. und B. seien die "wahren" Lieferanten der Su. GmbH gewesen. Die bloße Feststellung, dass O. und B. diese Firmen - sei es auch zum Zwecke der Hinterziehung von Umsatzsteuer - "zwischengeschaltet" hatten, genügt für sich genommen jedenfalls nicht. Vielmehr kam es auch auf die Sicht der Leistungsempfängerin Su. GmbH bzw. der für sie handelnden Angeklagten an. Dass aber die vertraglichen Beziehungen auch aus Sicht der Angeklagten nur zum Schein mit den Firmen M. GmbH und E. GmbH eingegangen bzw. abgewickelt wurden, diese Firmen also auch aus Sicht der Angeklagten in Wahrheit keine Rechte und Pflichten aus den Lieferungen an die Su. GmbH übernehmen wollten, verstand sich vorliegend nicht von selbst und hätte daher näherer Erörterung bedurft.
23
2. Das angefochtene Urteil war auch deshalb aufzuheben, weil ihm die für die Beurteilung der Frage, ob Tatvollendung oder nur Versuch gegeben ist, maßgeblichen Umstände nicht entnommen werden können. Die Urteilsgründe enthalten zwar Feststellungen zur Höhe der in den Umsatzsteuerjahreserklärungen geltend gemachten Vorsteuerbeträge. Mangels Feststellungen zu weiteren Angaben in den Erklärungen kann der Senat aber nicht nachprüfen, ob die (unrichtigen) Steueranmeldungen zu einer Steuervergütung (§ 168 Satz 2 AO) oder zu einer Zahllast (§ 168 Satz 1 AO) der Su. GmbH geführt haben. Hiervon hängt aber die Frage der Tatvollendung ab (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 318/12, BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Vollendung 3).
24
3. Die dem Urteil zu Grunde liegenden Feststellungen hat der Senat ebenfalls aufgehoben (§ 353 Abs. 2 StPO), zum einen, weil sie auf der Grundlage einer fehlerhaften Rechtsansicht getroffen wurden und zum anderen vor allem, um dem neuen Tatrichter die Gelegenheit zu geben, neue widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen.

25
Die Sache war daher insgesamt zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
26
Eine abschließende Entscheidung durch den Senat kam nicht in Betracht , da nicht auszuschließen ist, dass Feststellungen getroffen werden können , die erneut zu einer Verurteilung der Angeklagten führen.
Wahl Rothfuß Jäger
Radtke Mosbacher

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 312/13
vom
1. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Oktober 2013 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 1. Februar 2013 aufgehoben
a) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte in den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe verurteilt worden ist; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen mit Ausnahme derjenigen zum Umfang der Lieferungen der Firma Me. im Jahr 2009 aufrechterhalten.

b) im Strafausspruch auch in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe und hinsichtlich der Gesamtstrafe; von den zugehörigen Feststellungen werden lediglich diejenigen zu den Lieferungen der Firma Me. im Fall VIII. 8. der Urteilsgründe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
a) Seit Oktober 2008 betätigte sich der Angeklagte zusammen mit dem gesondert verfolgten T. im Online-Handel mit Elektronikgeräten (vorwiegend mit Flachbildschirmfernsehern). Die Geschäfte betrieben sie zunächst über die von ihnen gemeinsam geführte Gesellschaft M. I. OHG (im Folgenden: M. OHG). Am 30. September 2010 gründeten sie dann die M. B. GmbH (im Folgenden : M. GmbH) mit identischem Geschäftszweck.
4
b) Beide Firmen waren seit Ende 2009 als sog. buffer in „Umsatzsteuer- hinterziehungssysteme“ eingebunden, die von verschiedenen Gruppierungen aus dem Großraum B. organisiert worden waren. Den Systemen zur Hinterziehung von Umsatzsteuer lag folgendes Muster zugrunde:
5
Unter Einbindung von Strohleuten gegründete Gesellschaften sollten gegen Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer Flachbildschirmfernseher an gewerbliche Abnehmer verkaufen und den vereinbarten Kaufpreis bei der Lieferung in bar entgegennehmen. Die in diesen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer sollte von diesen Gesellschaften entweder schon nicht angemeldet, zumindest aber nicht abgeführt werden. Bereits nach kurzer Zeit, möglichst vor Aufdeckung des Systems, sollten diese Firmen (sog. missing trader) ihre „ver- meintliche Gewerbetätigkeit“ wieder einstellen. Ziel war es, die Nichtabführung der vereinnahmten Umsatzsteuer nicht auf einen einmaligen Liefervorgang zu beschränken, sondern die nachfolgenden Warenbewegungen des Abnehmers weiter zu kontrollieren und zu steuern, um wieder über die verkauften Geräte verfügen und diese erneut dem „Wirtschaftskreislauf“ zuführen zu können. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass der gewonnene Abnehmer (sog. buffer) durch lukrative Angebote von Scheinfirmen veranlasst werden sollte, die Fernseher im Rahmen vermeintlicher innergemeinschaftlicher Lieferungen umsatzsteuerfrei zu veräußern. Tatsächlich sollten die Geräte aber nicht ins innergemeinschaftliche Ausland verbracht werden, sondern in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben. Durch den hierdurch ermöglichten umsatzsteuerfreien Ankauf sollte es den die Warenbewegungen beherrschenden Personen ermög- licht werden, die Geräte sehr günstig erneut anzubieten. Für den „buffer“ brach- te die Teilnahme an diesem System den wirtschaftlichen Vorteil, dass er - aufgrund des umsatzsteuerfreien Ankaufs sowie der Nichtabführung der vereinnahmten Umsatzsteuer durch den Lieferanten - Zugang zu konkurrenzlos günstigen Waren erhielt und trotzdem die von ihm gezahlte Umsatzsteuer bei den Finanzbehörden als Vorsteuer geltend machen konnte.
6
c) Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten die von dem Angeklagten geleiteten Gesellschaften M. OHG und M. GmbH in mehreren derartigen Umsatzsteuerkarussellen, die nahtlos ineinander übergin- gen, jeweils die Funktion eines „buffers“. Gleichwohl machte der Angeklagte hinsichtlich solcher Geschäfte die in den an diese Gesellschaften gerichteten Rechnungen gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge in Steueranmeldungen gegenüber den Finanzbehörden als Vorsteuern geltend. In der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2009 betreffend die M. OHG führte dies zu einer Verminderung der Zahllast um 460.979,48 Euro (Fall IX. der Urteilsgründe ); aufgrund unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis Juli 2010 und September 2010, Oktober 2010 für die M. OHGsowie betreffend die M. GmbH für Januar 2011 (Fälle VIII. 1. bis 10. der Urteilsgründe) kam es jeweils zur Verkürzung von Umsatzsteuer mit Erstattung geltend gemachter Vorsteuer bei einem Verkürzungsumfang von insgesamt 2.642.114 Euro. Das Finanzamt erteilte in den Fällen eines Vorsteuerüberhanges jeweils die erforderliche Zustimmung zur Auszahlung (vgl. § 168 S. 2 AO).
7
d) Nach den Feststellungen des Landgerichts erkannte der Angeklagte erst am 18. März 2010 die Einbindung der von ihm geleiteten Firmen in Umsatzsteuerkarusselle. Er beendete gleichwohl die Geschäftsbeziehung zu den Betreibern der Karussellsysteme nicht und nahm trotz seiner Erkenntnis, dass die Warenbewegungen innerhalb von Umsatzsteuerkarussellgeschäften stattfanden , in Umsatzsteuervoranmeldungen für die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer einen Vorsteuerabzug vor. Eine Berichtigung der für Januar 2010 eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung gemäß § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO nahm der Angeklagte nicht vor.
8
2. Das Landgericht hat die Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen und der Umsatzsteuerjahreserklärung in den Fällen VIII. 2. bis 10. sowie IX.
der Urteilsgründe jeweils als Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gewertet. Zu den Zeitpunkten der Einreichung dieser Steueranmeldungen habe der Angeklagte gewusst, dass die von ihm geleiteten Firmen in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden gewesen seien und er deshalb mangels vorgenommener Lieferung keinen Vorsteuerabzug hätte geltend machen dürfen. Auf eine „Gutgläubigkeit“ des Angeklagten zum Zeitpunkt der Ausführung der Liefe- rungen für die Anmeldungszeiträume bis März 2010 komme es dabei nicht an, sie liege im Übrigen auch nicht vor, weil der Angeklagte hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt habe.
9
Zum Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für den Voranmeldungszeitraum Januar 2010 am 4. März 2010 (Fall VIII. 1. der Urteilsgründe ) sei der Angeklagte, anders als bei Abgabe der übrigen Erklärungen, zwar noch „gutgläubig“ gewesen. Weil er aber nachträglich die Einbindung in eine „Umsatzsteuerkette“ erkannt habe, habe für ihn die Verpflichtung bestan- den, eine berichtigende Erklärung nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO abzugeben. Da er dieser Verpflichtung vorsätzlich nicht nachgekommen sei, habe er sich insoweit einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar gemacht.

II.


10
Die Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Rechtsfehlerfrei ist die Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe (nachfolgend 1.). Demgegenüber wird der Schuldspruch in den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe von den Feststellungen nicht getragen; das Landgericht ist insoweit hin- sichtlich der Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG von falschen Maßstäben ausgegangen (nachfolgend 2.). Ein Teilfreispruch kommt nicht in Betracht, weil möglich ist, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die auch in diesen Fällen einen Schuldspruch rechtfertigen können (nachfolgend 3.). Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand (nachfolgend 4.). Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nur insoweit, als diese von der fehlerhaften Rechtsanwendung betroffen sind, im Übrigen zur Ermöglichung widerspruchsfreier Feststellungen (nachfolgend 5.).
11
1. Der Schuldspruch in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Denn die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen, dass der Angeklagte in diesen Fällen in den Steueranmeldungen für die M. OHG bzw. die M. GmbH zu Unrecht aus Eingangsrechnungen für die Lieferung von elektronischen Geräten einen Vorsteuerabzug vorgenommen hat, obwohl er bereits bei Bezug der Geräte wusste, dass die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG nicht vorlagen. Damit hat er gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht, die zu einer Steuerverkürzung geführt haben (vgl. § 168 AO).
12
a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt dabei voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.
13
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt es für die Frage, wann die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorliegen müssen, nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Steueranmeldung an, in welcher der Vorsteuerabzug vorgenommen wird. Vielmehr ist ein Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG dann zulässig, wenn dessen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Ausführung der Lieferungen bzw. sonstigen Leistungen vorgelegen haben. Insbesondere fällt eine einmal bestehende Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht deshalb nachträglich weg, weil der Unternehmer später von Umständen Kenntnis erlangt, die einem Vorsteuerabzug entgegengestanden hätten, wenn er sie bereits beim Bezug der Waren gekannt hätte. Auch wird er durch diese nachträgliche Kenntnis nicht rückwirkend zum Nichtunternehmer.
14
aa) Im Rahmen der Auslegung des § 15 UStG sind die dieser Vorschrift zugrunde liegende Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. EU Nr. L 347 S. 1; im Folgenden : Mehrwertsteuersystemrichtlinie) und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu beachten (sog. richtlinienkonforme Auslegung). Danach gilt Folgendes:
15
Bei dem in Art. 167 ff. der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vorgesehenen Recht zum Vorsteuerabzug handelt es sich um einem integralen Bestandteil des Mehrwertsteuersystems; es kann sofort ausgeübt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 in der Rechtssache C-285/11 „Bonik“, DStRE 2013, 803). Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie unterscheidet dabei zwischen der Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug (Art. 167 i.V.m. Art. 63 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ) und der Ausübung dieses Rechts (Art. 178 f. der Mehrwertsteuersystemrichtlinie). Nach Art. 167 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die ab- ziehbare Steuer entsteht. Dies ist nach Art. 63 der Richtlinie bereits dann der Fall, wenn die Lieferung oder die Dienstleistung bewirkt ist; lediglich die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts setzt zusätzlich den Besitz einer den Anforderungen des Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie entsprechenden Rechnung voraus (vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-152/02 „Terra Baubedarf“ zu Art. 17, 18 der von der Mehrwertsteuersystemrichtlinie abgelösten „Sechste(n) Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage 77/388/EWG“, im Folgenden: Sechste Richtlinie 77/388/EWG).
16
bb) Aus der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts, zu dem die Lieferung oder sonstige Leistung bewirkt wird, für die Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug folgt, dass für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug die Verhältnisse bei Bezug der Leistung maßgebend sind (vgl. BFH, Urteil vom 13. Mai 2009 - XI R 84/07, BStBl II 2009, 868 unter Hinweis auf Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG; vgl. auch BFH, Urteile vom 18. April 2013 - V R 19/12, BFH/NV 2013, 1515 und vom 8. September 2011 - V R 43/10, BFHE 235, 501).
17
cc) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Vorsteuerabzug dann zu versagen, wenn der Steuerpflichtige - im unionsrechtlichen Sinne - selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist und er deswegen als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist (EuGH, Urteil vom 6. Juli 2006 in den Rechtssachen C-439/04 und C-440/04 „Kittel und Recolta Recycling“, Slg. 2006, I-6161, Rn. 53, 55 f.; vgl. auch EuGH, Urteile vom 6. Dezember 2012 in der Rechtssache C-285/11 „Bonik“, DStRE 2013, 803, Rn. 37 ff. und vom 21. Juni 2012 in den Rechtssachen C-80/11 und C-142/11 „Mahagében und Dávid“, DStRE 2012, 1336 Rn. 42, 45). Demgegenüber wäre es nach der Rechtsprechung des EuGH mit den Regelungen über den Vorsteuerabzug in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht vereinbar, einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Leistenden begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausging oder nachfolgte, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde, durch die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts mit einer Sanktion zu belegen (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Juni 2012 in den Rechtssachen C-80/11 und C-142/11 „Mahagében und Dávid“,DStRE 2012, 1336 Rn. 47 mwN). Denn Wirtschaftsteilnehmer , die alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug - sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug - einbezogen sind, dürfen auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Mai 2006 in der Rechtssache C-384/04 „Federation of Technological Industries u.a.“, Slg. 2006 I-4191 Rn. 33).
18
c) Gemessen an diesen sich aus dem Unionsrecht ergebenden Maßstäben hat es für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug keine Bedeutung, ob der Leistungsempfänger, der eine Lieferung noch „in gutem Glauben“ erhalten hat, nachträglich erkennt, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt hat, der in eine anderweit begangene „Mehrwertsteuerhinterziehung“ einbezogen war. Es verstieße auch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-110/94 „Inzo“, Slg. 1996 I-857 Rn. 21), wenn einem Unternehmer, der von solchen Umständen zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges weder wusste noch hätte wissen müssen, wegen nachträglich eingetretener „Bösgläubigkeit“ rückwirkend das Recht auf den Vorsteuerabzug entzogen werden könnte.
19
d) Trotz des unrichtigen rechtlichen Ansatzes des Landgerichts tragen die Feststellungen in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe den Schuldspruch der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Denn die Urteilsfeststellungen belegen, dass dem Angeklagten bereits seit dem 18. März 2010 und damit in diesen Fällen auch schon beim Warenbezug bekannt war, dass die von ihm geleitete Firma M. OHG (und später auch die M. GmbH) in ein Umsatzsteuerkarussell einbezogen war und die Waren von „missing tradern“ bzw. einem „buffer“ erhalten hatte. Damit fehlte es in diesen Fällen an einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Lieferung an diese Unternehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 24/10, wistra 2011, 264). Indem der Angeklagte in diesen Fällen gleichwohl in den Steueranmeldungen einen Vorsteuerabzug vorgenommen hat, hat er gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben gemacht.
20
e) Soweit der Angeklagte für September 2010 (Fall VIII. 8. der Urteilsgründe ) einen Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Firma Me. in Höhe von 11.337,68 Euro vorgenommen hat, ist den Feststellungen jedoch nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob die Voraussetzungen für eine Versagung des Vorsteuerabzugs vorgelegen haben. Denn das Landgericht hat festgestellt, dass die Lieferbeziehung zu dieser Firma bereits im Februar 2010 (UA S. 13) und damit zu einem Zeitpunkt beendet wurde, als der Angeklagte nach den Feststellungen noch keine Kenntnis von der Einbindung der M. OHG in ein „Umsatzsteuerhinterziehungssystem“ hatte. Es ist daher nicht auszu- schließen, dass sich der Vorsteuerabzug insoweit auf Geschäftsvorfälle vor dem 18. März 2010 bezieht. Dies lässt den Schuldspruch jedoch unberührt, weil die Feststellungen belegen, dass der Angeklagte in der Umsatzsteuervoranmeldung für September 2010 einen unberechtigten Vorsteuerabzug in Höhe von 12.112,50 Euro aus einer Rechnung der Firma H. über eine Lieferung im Juni 2010 vorgenommen hat (UA S. 19).
21
2. Der Schuldspruch in den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
22
a) Auch in den Fällen VIII. 2. und 3. sowie IX. der Urteilsgründe hat das Landgericht bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen eines Vorsteuerabzugs gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vorgelegen haben, zu Unrecht auf den Zeitpunkt der Einreichung der jeweiligen Steueranmeldung abgestellt, in welcher der Angeklagte den entsprechenden Vorsteuerabzug vorgenommen hat. Maßgeblich für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug war auch hier allein der jeweilige Zeitpunkt des Warenbezugs. Dieser lag aber in diesen Fällen jeweils vor dem 18. März 2010, dem Tag, an dem der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen die Einbindung der M. OHG in Hinterziehungsstrukturen erkannte.
23
Tragfähige Feststellungen zu dem Vorstellungsbild des Angeklagten beim jeweiligen Warenbezug, die in diesen Fällen die Versagung des Vorsteuerabzugs zweifelsfrei rechtfertigen würden, enthalten die Urteilsgründe nicht. Allein der Umstand, dass sich die M. OHG beim Erwerb der Fernseher objektiv an Umsätzen beteiligte, die in Umsatzsteuerhinterziehungen von „missing tradern“ einbezogen waren, rechtfertigt die Versagung des Vor- steuerabzugs nicht. Vielmehr kommt - wie dargelegt - nach der Rechtsprechung des EuGH in solchen Fällen die Versagung des Vorsteuerabzugs nur dann in Betracht, wenn der Leistungsempfänger weiß oder zumindest hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogenen Umsatz beteiligt. Ob dies der Fall ist, hängt von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Juni 2012 in den Rechtssachen C-80/11 und C-142/11 „Mahagében und Dávid“, DStRE 2012, 1336), die vom Tatgericht in einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu würdigen sind. Daran fehlt es hier.
24
Das Landgericht hat zwar hilfsweise ausgeführt, dass der Angeklagte auch jeweils zum Zeitpunkt der Lieferungen nicht „gutgläubig“ gewesen sei, weil er „die Unrichtigkeit der Vorsteuerabzugsberechtigung“ zu diesem Zeit- punkt bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können. Dies wird jedoch nicht näher belegt. Der Senat kann die erforderliche Gesamtwürdigung der Umstände nicht nachholen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 1999 - 1 StR 390/99, NStZ 1999, 607). Eine Fallgestaltung, in der bereits auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ohnehin lediglich ein rechtlich vertretbares Ergebnis möglich ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 14. März 2003 - 2 StR 239/02, NStZ 2003, 657), liegt nicht vor.
25
b) Der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO im Fall VIII. 1. der Urteilsgründe kann gleichfalls keinen Bestand haben.
26
aa) Das Landgericht hat den die Strafbarkeit begründenden Pflichtverstoß darin gesehen, dass der Angeklagte die für Januar 2010 abgegebene Umsatzsteuervoranmeldung nicht gemäß § 153 Abs. 1 AO berichtigt habe, obwohl er nachträglich erkannt habe, dass der dort geltend gemachte Vorsteuerabzug unberechtigt gewesen sei.
27
bb) Gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO hat der Steuerpflichtige, wenn er nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen.
28
cc) Das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Anzeige- und Berichtigungspflicht wird hier jedoch durch die Urteilsfeststellungen nicht belegt. Denn die für Januar 2010 von dem Angeklagten eingereichte Umsatzsteuervoranmeldung wäre nur dann unrichtig, wenn die Voraussetzungen für eine Versagung des Vorsteuerabzugs schon beim Warenbezug gegeben waren. Dies belegen die Urteilsfeststellungen indes nicht, zumal da das Landgericht hinsichtlich der Voraussetzungen für die Versagung des Vorsteuerabzugs zu Unrecht nicht auf das Vorstellungsbild des Angeklagten beim Warenbezug, sondern auf dasjenige bei Einreichung der Steueranmeldungen abgestellt hat.
29
3. Ein Teilfreispruch in den Fällen VIII. 1. bis 3. und IX. der Urteilsgründe kommt nicht in Betracht, da es noch möglich erscheint, dass Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten beim Warenbezug getroffen werden können, die auch insoweit eine Verurteilung rechtfertigen (vgl. auch BGH, Urteile vom 26. Juli 2012 - 1 StR 492/11, wistra 2012, 477 und vom 7. März 1995 - 1 StR 523/94, BGHR StPO § 354 Abs. 1 Freisprechung 1). Das Landgericht hat - wie dargelegt - selbst darauf hingewiesen, dass Anhaltspunkte dafür bestehen , dass der Angeklagte schon vor dem 18. März 2010 die „Unrichtigkeit der Vorsteuerabzugsberechtigung hätte erkennen können“. Eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) kommt dabei nur in Betracht, wenn mindestens bedingter Hinterziehungsvorsatz vorliegt; für den Ordnungswidrig- keitentatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) genügt Leichtfertigkeit.
30
4. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
31
a) Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen VIII.1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen und zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
32
b) Der Einzelstrafausspruch im Fall VIII. 8. der Urteilsgründe ist schon deswegen aufzuheben, weil es zum Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Firma Me. an Feststellungen zum zugrunde liegenden Leistungszeitpunkt fehlt. Vom Vorstellungsbild des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt kann aber aus den genannten Gründen die Berechtigung zum Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG abhängen. Damit ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht in diesem Fall den Schuldumfang unrichtig bestimmt hat.
33
c) Der Senat hebt auch die übrigen Einzelstrafen auf, da nicht auszuschließen ist, dass diese in ihrer Höhe durch die aufgehobenen Einzelstrafen im Ergebnis beeinflusst sind (vgl. BGH, Urteile vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, wistra 2012, 236 und vom 16. Mai 1995 - 1 StR 117/95). Bei den dem Angeklagten zur Last liegenden Taten handelt es sich um eine Serie gleichartiger Taten, die in einem inneren Zusammenhang stehen.
34
Im Übrigen bestehen gegen die Strafzumessung auch deshalb Bedenken , weil das Landgerichtzum Nachteil des Angeklagten gewertet hat, dass er - außer hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 2010 - mit direk- tem Vorsatz gehandelt habe, wobei er sich im Wissen um die Zusammenhänge gezielt aus eigenem Gewinnstreben dem Umsatzsteuerkarussellsystem angeschlossen habe. Aus den Ausführungen des Landgerichts wird nicht hinreichend deutlich, ob es insoweit allein auf die Vorsatzform abgehoben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 1990 - 3 StR 313/90, BGHR § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4) oder - was erforderlich wäre - eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1992 - 1 StR 708/91, BGHR § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 5; vgl. auch Schäfer/ Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 618).
35
5. Zwar beruht die Teilaufhebung des Urteils allein auf Wertungsfehlern des Landgerichts. Da das Landgericht aber ausgehend von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz zum Vorstellungsbild des Angeklagten Feststellungen bezogen auf die falschen Zeitpunkte getroffen hat, bedarf es weiterer Feststellungen zu den Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs in den Fällen VIII. 1. bis 3. und IX. der Urteilsgründe. Um dem neuen Tatgericht eine bruchlose und widerspruchsfreie Würdigung des Beweisergebnisses auf der Grundlage der für die maßgeblichen Zeitpunkte zu treffenden neuen Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat in den Fällen, in denen der Schuldspruch keinen Bestand hat, auch die zugrunde liegenden Feststellungen auf.
36
Aufzuheben sind daher die Feststellungen zu den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe einschließlich derjenigen zur Strafzumessung. Im Hinblick darauf, dass die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen vom fehlerhaften rechtlichen Ansatz der Strafkammer nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO), bleiben diese jedoch aufrechterhalten. Ausgenommen sind die Feststellungen zur Höhe der Umsätze mit der Firma Me. im Jahr 2009, weil diese im Hinblick auf den Anteil der in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuern im Verhältnis zu den Gesamtrechnungsbeträgen nicht ohne weiteres nachvollziehbar sind (UA S. 12).
37
Soweit der Strafausspruch auch in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe , in denen der Schuldspruch Bestand hat, und betreffend die Gesamtstrafe aufgehoben wird, bedarf es im Hinblick auf die allein vorliegenden Wertungsfehler keiner Aufhebungen von Feststellungen. Ausgenommen sind die bislang lückenhaften Feststellungen zu den Lieferungen der Firma Me. im Fall VIII. 8. der Urteilsgründe.
38
Auch soweit die Feststellungen Bestand haben, darf das neue Tatgericht ergänzende Feststellungen treffen, die zu bisherigen nicht im Widerspruch stehen.
Raum Graf Jäger
Radtke Mosbacher

(1) Die Gesellschaft wird durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Hat eine Gesellschaft keinen Geschäftsführer (Führungslosigkeit), wird die Gesellschaft für den Fall, dass ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben oder Schriftstücke zugestellt werden, durch die Gesellschafter vertreten.

(2) Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, sind sie alle nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt. Ist der Gesellschaft gegenüber eine Willenserklärung abzugeben, genügt die Abgabe gegenüber einem Vertreter der Gesellschaft nach Absatz 1. An die Vertreter der Gesellschaft nach Absatz 1 können unter der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift Willenserklärungen abgegeben und Schriftstücke für die Gesellschaft zugestellt werden. Unabhängig hiervon können die Abgabe und die Zustellung auch unter der eingetragenen Anschrift der empfangsberechtigten Person nach § 10 Abs. 2 Satz 2 erfolgen.

(3) Befinden sich alle Geschäftsanteile der Gesellschaft in der Hand eines Gesellschafters oder daneben in der Hand der Gesellschaft und ist er zugleich deren alleiniger Geschäftsführer, so ist auf seine Rechtsgeschäfte mit der Gesellschaft § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden. Rechtsgeschäfte zwischen ihm und der von ihm vertretenen Gesellschaft sind, auch wenn er nicht alleiniger Geschäftsführer ist, unverzüglich nach ihrer Vornahme in eine Niederschrift aufzunehmen.

(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.

(2) Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die 1997 gegründet und ins Handelsregister eingetragen wurde. Das Stammkapital betrug 50.000 DM. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war X, der daneben die Firma X, Beschriftungen/Siebdruck betrieb. Gegenstand des Unternehmens war lt. Gewerbeanmeldung und Gesellschaftsvertrag der Handel mit Computerteilen. Das Geschäft wurde mit zwei Angestellten --Y und Z-- geführt. Während X für die finanzielle Abwicklung der einzelnen Geschäfte verantwortlich war, waren Y und Z für den laufenden Geschäftsbetrieb zuständig. Z hatte im Gegensatz zu Y, der dies nicht wollte, eine umfassende Vertretungsmacht für den Handel mit Computerprozessoren (CPU).

2

Vor ihrer Tätigkeit bei der Klägerin waren Y und Z bei der Firma A beschäftigt. Die Beschäftigungsverhältnisse endeten, nachdem der Geschäftsführer dieser Firma wegen Steuerhinterziehung inhaftiert worden war. Davor hatte Y bereits bei Computerfirmen im Vertrieb gearbeitet.

3

Im Anschluss an eine Prüfung der Steuerfahndungsstelle erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) am 4. Juli 2003 geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1999 und 2000 sowie am 7. Juli 2003 geänderte Bescheide über die Festsetzungen der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Januar und Februar 2001, welche zwischenzeitlich durch den Jahressteuerbescheid 2001 vom 11. Oktober 2006 ersetzt wurden. Hintergrund waren Feststellungen der Steuerfahndung, wonach die Klägerin in den Streitjahren erhebliche nichtabzugsfähige Vorsteuern geltend gemacht hatte. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Beträge: 20.071.462,08 DM im Jahr 1999, 20.777.535,11 DM im Jahr 2000 und 2.095.858,12 DM bei den Voranmeldungen für die Monate Januar und Februar 2001.

4

Nach den Ermittlungen der Steuerfahndung hat sich die Klägerin an einem betrügerischen europaweiten Umsatzsteuerkarussell beteiligt. Dabei werden Waren aus einem anderen Mitgliedstaat an einen Erwerber im Inland steuerfrei geliefert. Der Erwerber (sog. "Missing Trader") veräußert die Ware mit einem geringen Aufschlag an einen Abnehmer (sog. "Buffer I"), der den in der Rechnung des "Missing Trader" ausgewiesenen Steuerbetrag als Vorsteuer abzieht. Der "Missing Trader" zahlt --wie von vornherein beabsichtigt-- keine Umsatzsteuer und ist nicht zu belangen, weil er nicht auffindbar ist. Der "Buffer I" veräußert die Ware an einen sog. "Buffer II" Die Waren werden schließlich nach dem Vorsteuerabzug durch den "Buffer II" von diesem an einen Exporteur (sog. Distributor) veräußert, der sie wieder steuerfrei in den Ausgangsmitgliedstaat liefert und die ihm berechnete Umsatzsteuer als Vorsteuer abzieht.

5

Nach den Feststellungen der Steuerfahndung nahm die Klägerin  innerhalb des Karussells die Stellung eines sog. "Buffer II" ein. Sie bezog dabei ihre Waren nahezu ausschließlich von einem anderen "Buffer", der Firma B, und verkaufte die erworbenen Computerteile an weitere, an dem Karussell als sog. Distributoren beteiligte Firmen, insbesondere auch an die Firma C. Hierbei war es nach Ermittlungen der Steuerfahndung zu Doppel- und Mehrfachdurchläufen derselben Ware gekommen. Auch nach den Feststellungen im Urteil der 3. Strafkammer des Landgerichts L gegen Verantwortliche der Firma B war die Klägerin an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt. Ein deswegen gegen X eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde mit Verfügung vom 21. März 2003 nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt; das Verfahren gegen Z wurde gegen Zahlung einer Geldauflage von 2.500 € nach § 153a StPO eingestellt. Das Verfahren gegen Y wurde nach dessen Tod gleichfalls eingestellt.

6

Gegen die geänderten Bescheide erhob die Klägerin eine Untätigkeitsklage. Während des Klageverfahrens wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

7

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem am 1. Oktober 2007 verkündeten Urteil als unbegründet ab und ließ die Revision zu. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 574 veröffentlicht.

8

Infolge der mündlichen Verhandlungen beim FG ergingen im Wege einer teilweisen Abhilfe des FA am 22. Oktober 2007 geänderte Umsatzsteuerjahresbescheide für die Jahre 1999, 2000 und 2001.

9

Zur Begründung der Revision beruft sich die Klägerin im Wesentlichen darauf, dass das FA die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zum rechtsmissbräuchlich erschlichenen Vorsteuerabzug bei Beteiligung an Karussellgeschäften für die hier erstmals zu entscheidende Fallgestaltung überinterpretiert habe. Sie habe als sog. "Buffer II" keinen Kontakt zur "Missing Trader"-Ebene gehabt und sei ihren steuerlichen Verpflichtungen mit im Prüfungszeitraum angemeldeter und abgeführter Umsatzsteuer von ca. 43,5 Mio. DM und vollständiger Gewinnversteuerung sorgfältig nachgekommen. Die Firma B als Hauptlieferant habe die aus den Ausgangsrechnungen an sie resultierende Umsatzsteuer gleichfalls angemeldet und abgeführt, auch wenn die Vorsteuer aus den Rechnungen der "missing trader" zu Unrecht in Anspruch genommen worden sei. Zu einer strafrechtlichen Verurteilung sei es nicht gekommen. In dieser Konstellation den Vorsteuerabzug wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Steuerpflichtigen zu versagen, sei insbesondere mit dem Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer nach Art. 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) unvereinbar. In verfassungsrechtlicher Hinsicht sei insoweit neben der in Art. 14 des Grundgesetzes (GG) verankerten Eigentumsgarantie auch das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG im Hinblick auf die gebotene Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und das Verbot unzulässiger Rückwirkung durch Rückverlagerung des neuen § 25d des Umsatzsteuergesetzes 1999 in der ab 2002 geltenden Fassung (UStG) auf einen Altsachverhalt betroffen. Ferner stelle sich die Frage, ob mit der Streichung des Vorsteuerabzugs in dieser Dimension nicht eine erdrosselnde wirtschaftliche (Straf-)Sanktion trotz fehlender Strafbarkeit verhängt werde, welche zwar dem Wortlaut nach nicht gegen den Grundsatz "nulla poena sine lege" nach Art. 103 Abs. 2 GG verstoße, allerdings möglicherweise den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletze.

10

Der EuGH habe bereits in seinem Urteil vom 12. Januar 2006 Rs. C-354/03, C-355/03 und C-484/93 --Optigen-- (Slg. 2006, I-483) geklärt, dass das Recht eines Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug nicht dadurch berührt werde, dass in der Lieferkette, zu der diese Umsätze gehörten, ein anderer Umsatz vorausgehe oder nachfolge, welcher mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sei, ohne dass der Steuerpflichtige hiervon Kenntnis habe oder haben könne. Das Urteil des EuGH vom 6. Juli 2006 Rs. C-439/04 und C-440/04 --Kittel und Recolta Recycling-- (Slg. 2006, I-6161) zeige, dass nichts anderes gelte, wenn solche Umsätze im Rahmen eines vom Verkäufer begangenen Betrugs ausgeführt würden. Dabei sei insbesondere das Neutralitätsprinzip zu beachten. Dies verbiete nach ständiger Rechtsprechung des EuGH eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten und unerlaubten Geschäften. Deshalb müssten Wirtschaftsteilnehmer, die alle Maßnahmen getroffen hätten, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden könnten, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen seien, auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen dürfen, ohne Gefahr zu laufen, ihr Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren.

11

Im Streitfall müsse sie, die Klägerin, mangels "Kennenmüssens" ihres Geschäftsführers, dessen strafrechtliches Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, als gutgläubig gelten. Denn es sei der Rechtsgedanke des § 69 der Abgabenordnung heranzuziehen, wonach es wegen der damit verbundenen Haftung lediglich auf die Kenntnis oder das "Kennenmüssen" des Geschäftsführers ankommen könne.

12

Das FG habe bei seiner Beweiswürdigung auch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen.

13

Mit Schriftsätzen vom 7. Januar 2010 und vom 12. Mai 2010 trägt die Klägerin ergänzend vor, dass das Vorhandensein von Doppel- und Mehrfachdurchläufen in diesem Verfahren --wie auch bei anderen Verfahren zu Umsatzsteuerkarussellgeschäften-- eine entscheidende Rolle gespielt habe. So hätten Fehlein-schätzungen des FA (nicht vorhandene Mehrfachdurchläufe, nicht kriminelle Vortaten in der Kette) schon während des finanzgerichtlichen Verfahrens zu einer Teilabhilfe der ursprünglich zurückgeforderten Vorsteuerbeträge von 10 % (insgesamt ca. 5 % des Gesamtvolumens) geführt. Sie habe zwischenzeitlich Erkenntnisse gewonnen, die den Beweiswert der diese Mehrfachdurchläufe dokumentierenden Kopien der Boxetiketten der an- und verkauften Warenpakete in Frage stellten. Diese Kopien seien aus Beweiszwecken für etwaige Kundenreklamationen zwar ursprünglich in ihrem Büro gefertigt und auch dort von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden. Die Steuerfahndung habe die Ermittlungsakten betreffend die nicht streitbefangenen Vorjahre 1997 und 1998 aber erst nach der mündlichen Verhandlung des FG vollständig zurückgegeben. Daraus ergebe sich nun folgendes Bild: Die Kopien der Vorjahre 1997 und 1998 sähen anders aus als diejenigen der Streitjahre, die als Beweismittel den Berichten der Steuerfahndung und dem FG-Urteil zugrunde gelegt worden seien. Während die Kopien der Vorjahre 1997 und 1998 ab Mitte 1997 weiße Zwischenräume zwischen den einzelnen Boxlabeln aufwiesen, seien die sonstigen Kopien aus den Streitjahren 1999 und 2000 mit schwarzen Zwischenräumen versehen. Dies sei auffällig. Denn ihr Geschäftsführer habe ab Mitte 1997 auf dem Kopiergerät mit Krepppapier eine "Maske" gefertigt, um Toner zu sparen. Ab diesem Zeitpunkt seien auf den Kopien daher nur noch weiße Zwischenräume zwischen den einzelnen Boxetiketten sichtbar gewesen, nicht jedoch schwarze Zwischenräume, wie dies bei den in den Ordnern der Streitjahre befindlichen Kopien der Fall sei. Es komme hinzu, dass die in den Ordnern der Streitjahre befindlichen Kopien abweichend von der bei ihr üblichen Praxis teilweise doppelseitig seien und mehr als 3 Boxetiketten auf einer Seite enthielten, was bei den ursprünglichen Kopien nicht der Fall gewesen sei. Ihre Recherchen hätten ergeben, dass die ursprünglichen Kopien von den Ermittlungsbehörden nochmals vervielfältigt worden seien. Die genannten Umstände stellten den Beweiswert der für die Streitjahre vorhandenen Kopien in Frage. Da sie diese Erkenntnisse erst nach vollständiger Akteneinsicht nach dem Ende der mündlichen Verhandlung beim FG habe gewinnen können, sei insoweit eine neue Beweisaufnahme beim FG durchzuführen. Die Berücksichtigung neuer tatsächlicher Erkenntnisse sei auch nach dem Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens beim FG ausnahmsweise "im Sinne des Rechtsgedankens des § 580 Nr. 2 und 7b" der Zivilprozessordnung (ZPO) möglich (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Mai 2008 XI B 211/07). Das FG-Urteil sei insoweit aus formellen Gründen aufzuheben.

14

Ferner rechtfertigten die Feststellungen des FG keine vollständige Versagung des Vorsteuerabzugsrechts. Denn das FG habe entsprechend den Feststellungen der Steuerfahndung nur einen Umfang an Doppel- und Mehrfachdurchläufen von ca. 8 % in 1999, von 15 % in 2000 und von 5,13 % in 2001 angenommen. Da die übrigen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugsrechts erfüllt seien, dürfe die Klage allenfalls nur teilweise abgewiesen werden.

15

Schließlich sei ggf. eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) geboten. Denn der EuGH habe --soweit ersichtlich-- über die Anwendung der Rechtsgrundsätze seiner bisherigen Urteile zum Missbrauch des Vorsteuerabzugsrechts (EuGH-Urteile in Slg. 2006, I-483, und in Slg 2006, I-6161) beim Umsatzsteuerkarussell auf den sog. "Buffer II" noch nicht entschieden. Eine Abrundung der bisherigen Rechtsprechung des EuGH wäre gerade im Hinblick auf die bereits dargestellten Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit und zum Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer wünschenswert. Außerdem sei in diesem Zusammenhang der Begriff "means of knowledge" in der Rechtsprechung des EuGH insofern noch nicht abschließend geklärt, als Zweifel bestünden, ob die vom Dienst der Europäischen Union (EU) vorgenommene Übersetzung in die deutsche Sprache mit "wissen müssen" oder "wissen können" zutreffend sei. Auch dies sei klärungsbedürftig (vgl. Weber, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2009, 834 ff.).

16

Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen,

hilfsweise, das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide für 1999, 2000 und 2001 vom 22. Oktober 2007 dahingehend zu ändern, dass weitere Vorsteuerbeträge jeweils in Höhe von 18.314.273 DM (9.363.939,09 €) in 1999, 20.032.663 DM (10.242.537,95 €) in 2000 und 1.833.552 DM (937.480,25 €) in 2001 zum Abzug zugelassen werden.

17

Höchst hilfsweise regt sie an, das Verfahren auszusetzen und im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens den EuGH anzurufen und folgende Rechtsfrage vorzulegen:

18

"Wie sind die Rechtsprechungsgrundsätze zur Versagung des Vorsteuerabzugs, wenn der Leistungsempfänger wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich an betrugsbehafteten Umsätzen beteiligt, auszulegen oder zu konkretisieren?"

19

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

20

II. Die Revision der Klägerin führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sie ist jedoch in der Sache unbegründet.

21

1. Das FG hat über die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerbescheide vom 4. Juli 2003 betreffend die Streitjahre 1999 und 2000 und vom 11. Oktober 2006 zum Streitjahr 2001 entschieden. An die Stelle dieser Bescheide traten nach Verkündung des FG-Urteils gemäß § 68 Satz 1, § 121 Satz 1 FGO die Änderungsbescheide vom 22. Oktober 2007. Damit liegen dem FG-Urteil nicht mehr existierende Bescheide zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil keinen Bestand mehr haben kann (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695, m.w.N.).

22

Einer Zurückverweisung an das FG lediglich aus formalen Gründen nach § 127 FGO bedarf es nicht, weil sich durch die Änderungsbescheide der bisherige Streitstoff nicht verändert hat. Der erkennende Senat entscheidet deshalb in der Sache selbst (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 100 FGO).

23

2. Das FG hat zu Recht die (objektiven) Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG bejaht und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen Vorsteuerabzug wegen "Bösgläubigkeit" versagt.

24

a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

25

Der dieser nationalen Vorschrift zu Grunde liegende Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG bestimmt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Der Steuerpflichtige ist danach befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer u.a. die (im Inland) geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden, soweit sie für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden (Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG).

26

Im Streitfall verfügt die Klägerin nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG über den formalen Anforderungen des § 14 UStG genügende Rechnungen ihrer Lieferanten über die Lieferungen von CPUs. Die Lieferanten waren auch Unternehmer. Ferner sind die in den Rechnungen ausgewiesenen CPUs an die Klägerin tatsächlich geliefert und von dieser nach Veräußerung weitergeliefert worden.

27

Der Annahme von Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1 UStG an die Klägerin steht nicht entgegen, dass der Geschäftsführer ihrer Hauptlieferantin wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist. Zwar ist nach der Rechtsprechung des EuGH der Begriff der Lieferung bei einem mit einem Mehrwertsteuerbetrug behafteten Umsatz nicht erfüllt (vgl. Urteil vom 21. Februar 2006 Rs. C-255/02 --Halifax--, Slg. 2006, I-1609, Randnr. 59). Es ist aber zu berücksichtigen, dass jeder Umsatz in einer Lieferkette für sich zu betrachten ist; Umsätze, die nicht selbst mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sind, sind eine wirtschaftliche Tätigkeit eines Steuerpflichtigen und stellen Lieferungen dar (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-483, Randnrn. 47, 49 und 51). Die Lieferanten der Klägerin haben nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ihre Lieferungen in ihren Steuererklärungen angemeldet und die Umsatzsteuer abgeführt, sodass diese Umsätze nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz nicht selbst mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet und Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1 UStG sind.

28

b) Die Entscheidung des FG, der Vorsteuerabzug sei gleichwohl zu versagen, hält ebenfalls einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

29

aa) Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH in den Urteilen in Slg. 2006, I-483 und in Slg. 2006, I-6161 ist nach dem BFH-Urteil vom 19. April 2007 V R 48/04 (BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315) der Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war.

30

bb) Im Streitfall ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin hinsichtlich der Kenntnis oder des "Kennenmüssens" der objektiven Umstände, wonach sie an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt war, nicht nur das etwaige Wissen ihres Geschäftsführers als ihres gesetzlichen Vertreters nach § 35 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sondern auch das ihrer sonstigen Angestellten in analoger Anwendung von § 166 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zuzurechnen ist. Dies beruht auf der Erwägung, dass derjenige, der sich zur Erfüllung seiner Verpflichtungen eines anderen bedient, nicht besser stehen darf als derjenige, der diese Verpflichtungen selbst erfüllt. Daher ist für die entsprechende Anwendung von § 166 BGB das Bestehen eines Vertretungsverhältnisses nicht maßgeblich (vgl. BFH-Urteile vom 29. Juli 2003 VII R 3/01, BFHE 203, 222, und vom 26. April 1988 VII R 124/85, BFHE 153, 463). Eine Wissenszurechnung kommt jedoch nach wertender Beurteilung nur für die Kenntnisse in Betracht, welche die Mitarbeiter infolge der vorgesehenen Arbeitsteilung und Organisation des Betriebs im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit erlangt haben (MünchKommBGB/Schramm, 5. Aufl., § 166 Rz 20, 24, 25, und Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 31. Januar 2006  4 U 423/04, OLG-Report Saarbrücken 2006, 944, Rz 48, m.w.N.) oder hätten erlangen müssen.

31

Im Streitfall hat das FG festgestellt, dass X für die finanzielle Abwicklung der einzelnen Geschäfte verantwortlich war; für den laufenden Geschäftsbetrieb seien hingegen Y und Z zuständig gewesen. Z hatte darüber hinaus umfassende Vertretungsmacht für den Handel mit CPUs. Y war zwar nicht vertretungsberechtigt, hat aber nach eigenem Vortrag des X den Betrieb tatsächlich geführt, d.h. X hat sich seiner im rechtsgeschäftlichen Verkehr wie eines Vertreters bedient.

32

Diese Umstände rechtfertigen die Annahme des FG, der Klägerin sei auch ein "Wissenmüssen" des Y und der Z zuzurechnen.

33

cc) Die Würdigung des FG, Y und Z hätten zumindest wissen müssen, dass die Klägerin sich mit ihrem jeweiligen Erwerb an einem Umsatz beteiligt habe, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen gewesen sei, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315, unter II.3.a). Die Beweiswürdigung des FG kann im Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden, ob Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorgekommen sind; die Würdigung des FG muss denkgesetzlich möglich, jedoch nicht die einzig in Betracht kommende sein (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23. November 1995 IV R 75/94, BFHE 179, 307, BStBl II 1996, 194).

34

Im Streitfall hat das FG seine Überzeugung, Y und Z hätten von der Einbeziehung der umstrittenen Umsätze in einen Mehrwertsteuerbetrug wissen müssen, nach Durchführung umfangreicher Beweisaufnahmen aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) gewonnen. Es hat im Wege einer Gesamtbetrachtung darauf abgestellt, dass Y und Z von Doppel- und Mehrfachdurchläufen der CPUs Kenntnis gehabt hätten, Y insoweit auch ein "Problembewusstsein" gehabt habe und dass bei den unter den "Original-Equipment-Manufacturer"-Preisen liegenden Einkaufspreisen schnell --und wegen der festen Gewinnaufschlagssätze und der festen Lieferbeziehungen-- praktisch ohne Risiko hohe Umsätze und Gewinne erzielt worden seien. Die Würdigung des FG, diese Umstände hätten einen ordentlichen Kaufmann misstrauisch machen müssen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung am oben dargestellten Maßstab stand:

35

(1) Einen Verfahrensfehler des FG hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Soweit sie die Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO wegen des Unterlassens der Einvernahme der Umsatzsteuer-Sonderprüfer als Zeugen rügt, hat sie die Rüge nicht in zulässiger Weise erhoben, weil sie nicht hinreichend dargetan hat, weshalb sich dem FG die Einvernahme dieser Zeugen hätte aufdrängen müssen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43, m.w.N.).

36

(2) Die Annahme des FG, angesichts der festgestellten Tatsachen habe die Einholung von Bankauskünften und Handelsregisterauszügen zu Beginn der Geschäftsbeziehung nicht ausgereicht, um die Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung auszuschließen, steht nicht im Widerspruch zu Erfahrungssätzen oder Denkgesetzen, sondern ist denkgesetzlich möglich und nachvollziehbar.

37

(3) Ein Verstoß der angefochtenen Entscheidung gegen einen Erfahrungssatz lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass das FG München in seinem zu einem Umsatzsteuerkarussell ergangenen Urteil vom 8. Februar 2007  14 K 1898/04 (EFG 2007, 881) Mehrfachdurchläufen von 2 % keine ausreichende Indizwirkung für ein "Wissenmüssen" beigemessen hat. Denn anders als dort hat das FG im Streitfall nicht allein auf das Vorhandensein und die Kenntnis der Angestellten von Mehrfachdurchläufen, sondern zusätzlich darauf abgestellt, dass Y aufgrund seiner Branchenkenntnisse die Mehrfachdurchläufe als Problem erkannt und deshalb auf diese ungehalten reagiert, aber gleichwohl an der Lieferfirma festgehalten habe.

38

(4) Auch der Hinweis der Klägerin, dass mehrere Umsatzsteuer-Sonderprüfungen bei ihr zu keinen Beanstandungen geführt hätten, rechtfertigt es nicht, die Würdigung des FG, Y und Z hätten von der Einbeziehung der umstrittenen Umsätze in einen Mehrwertsteuerbetrug wissen müssen, zu beanstanden. Denn diese Sonderprüfungen haben sich auf das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG und die korrekte Versteuerung der eigenen Umsätze der Klägerin und nicht auf eine eventuelle "Bösgläubigkeit" ihres Geschäftsführers und ihrer Angestellten bezogen.

39

(5) Auch das Vorbringen der Klägerin in ihren nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsätzen vermag der Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen.

40

Aus § 118 Abs. 2 FGO wird der Rechtsgrundsatz abgeleitet, dass neues tatsächliches Vorbringen zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Rechts im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt u.a. zwar im Hinblick auf Tatsachen, deren Beachtung sonst im Wege der Restitutionsklage gegen das Urteil des FG durchgesetzt werden könnte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Oktober 1999 VII R 152/97, BFHE 191, 140, BStBl II 2000, 93, m.w.N.). Dieser Ausnahmetatbestand liegt im Streitfall aber nicht vor.

41

- Nach § 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 2 ZPO findet eine Restitutionsklage statt, wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war. Dafür ist nach § 581 Abs. 1 ZPO aber Voraussetzung, dass wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder dass die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Die Klägerin hat zwar ausgeführt, dass sie eine Fälschung der von ihr angefertigten Kopien für möglich hält, sie hat aber nicht dargelegt, dass deswegen eine Verurteilung erfolgt ist oder die weiteren Voraussetzungen des § 581 Abs. 1 ZPO erfüllt sind.

42

Darüber hinaus ist nach § 582 ZPO die Restitutionsklage nur zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Im Streitfall hätte die Klägerin schon im Klageverfahren auf die unterschiedliche Art der Kopien und die daraus von ihr gezogene Schlussfolgerung einer Fälschung aufmerksam machen können. Denn nicht nur in den Aktenordnern für die Jahre 1997 und 1998, sondern auch in den vom FG zum Verfahren beigezogenen Akten für das Streitjahr 1999 haben sich Kopien mit weißen Zwischenräumen befunden (vgl. Seite 4 des Schriftsatzes der Klägerin vom 7. Januar 2010).

43

- Auch der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO liegt nicht vor. Danach findet die Restitutionsklage statt, wenn die Partei eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass die unterschiedliche Art der Kopien in den Aktenordnern der Jahre 1997 und 1998 gegenüber den Kopien in den Aktenordnern für die Streitjahre zu einer günstigeren Entscheidung für die Klägerin geführt hätte. Denn das FG hat seine Entscheidung über die Kenntnis der Angestellten der Klägerin von Mehrfachdurchläufen nicht aus einem bestimmten Prozentsatz von Mehrfachdurchläufen abgeleitet, der sich aus den Kopien der Boxetiketten ergab. Es hat seine Überzeugung vielmehr auf die Aussagen mehrerer Zeugen über die Mehrfachdurchläufe und die Reaktion des Y darauf sowie auf die eigenen Aussagen des Y und der Z gestützt (vgl. Seite 16 des Urteils).

44

Außerdem war die Klägerin auch nicht ohne ihr Verschulden außerstande, bereits im Klageverfahren auf die Unterschiede bei den Kopien hinzuweisen, da sich --wie oben ausgeführt-- Kopien mit weißen Zwischenräumen auch in den im Klageverfahren beigezogenen Akten für das Streitjahr 1999 befunden haben.

45

3. Das Begehren der Klägerin, zumindest teilweise weitere Vorsteuerbeträge zu berücksichtigen, ist nicht gerechtfertigt. Soweit die Klägerin zur Begründung auf die Prozentsätze der Doppel- und Mehrfachdurchläufe verweist, ist dies für die Höhe der abziehbaren Vorsteuern nicht entscheidungserheblich. Denn der Vorsteuerabzug ist nicht nur bei Doppel- und Mehrfachdurchläufen zu versagen, sondern bei allen Geschäften, bei denen der Steuerpflichtige wusste, wissen konnte oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist (vgl. oben unter II.2.b aa). Dazu hat das FG festgestellt, dass bei sämtlichen Liefervorgängen, bei denen die Vorsteuer nicht zum Abzug zugelassen worden ist, Lieferanten involviert waren, bei denen die "Missing-Trader-Eigenschaft" feststeht (Seite 15 des Urteils). An diese Feststellung ist der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden.

46

4. Soweit die Klägerin ausführt, wegen ihrer relativ entfernten Stellung zum sog. "Missing Trader" als sog. "Buffer II" sei die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts im Streitfall unverhältnismäßig und verstoße gegen das Prinzip der Rechtssicherheit, kann ihr Vortrag schon deshalb keinen Erfolg haben, weil diese Rechtsfolge als Ausnahme von dem Neutralitätsprinzip im Einklang mit der zitierten einschlägigen Rechtsprechung des EuGH zur Versagung des Vorsteuerabzugsrechts bei einer Beteiligung des Unternehmens an einem betrügerischen Umsatzsteuerkarussell steht (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2006, I-483, und in Slg. 2006, I-6161).

47

5. Es besteht auch keine Veranlassung, den EuGH erneut nach Art. 267 AEUV im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens anzurufen. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin hat der EuGH bereits ausdrücklich geklärt, dass ein Missbrauch des Vorsteuerabzugsrechts auch gegeben sein kann, wenn "ein anderer Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet ist" und "dieser Steuerpflichtige hiervon Kenntnis hat oder haben kann" (EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-483). Diese Formulierung umfasst auch Eingangsbezüge des sog. "Buffer II", der nicht in einer unmittelbaren Lieferbeziehung zum sog. "Missing Trader" steht.

48

Zweifel an der Auslegung des für die Entscheidung des Streitfalls maßgeblichen Gemeinschaftsrechts ergeben sich auch nicht aus dem Hinweis der Klägerin auf den Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 7. Juli 2009  1 StR 41/09 (Deutsches Steuerrecht 2009, 1688) zur Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung bei kollusivem Zusammenwirken der Beteiligten zur Hinterziehung von Mehrwertsteuer im Mitgliedstaat des Erwerbers. Die Rechtsfragen in dem vom BGH vorgelegten Fall sind mit denen des Streitfalls nicht vergleichbar. Denn dort ist nicht der Vorsteuerabzug, sondern die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung streitig, wenn feststeht, dass die Lieferung tatsächlich in einen anderen Mitgliedstaat erfolgt ist, so dass der steuerliche Schaden --anders als im Streitfall-- allein im Ausland eingetreten ist.

49

Soweit die Klägerin ausführt, es sei zweifelhaft, ob die vom Übersetzungsdienst der EU vorgenommene Übersetzung von "means of knowledge" in die deutsche Sprache mit "wissen müssen" oder "wissen können" zutreffend sei (vgl. hierzu Weber, UR 2009, 834 ff.), ist nicht dargetan oder ersichtlich, inwiefern diese begriffliche Unterscheidung im Streitfall erheblich sein könnte.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 318/12
vom
19. März 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
19. März 2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt - in der Verhandlung - und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
der Angeklagte H. persönlich,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 5. Dezember 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Steuerhinterziehung zu Geldstrafen von 300 Tagessätzen zu je 220 Euro (Angeklagter K. ) bzw. 120 Euro (Angeklagter H. ) verurteilt. Zudem hat es ausgespro- chen, dass wegen einer konventionswidrigen Verfahrensverzögerung von den verhängten Geldstrafen jeweils 60 Tagessätze als verbüßt gelten. Im Übrigen hat es die Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung durch unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuern für Drucker zugunsten der I. GmbH freigesprochen.
2
Die Angeklagten wenden sich mit ihren Revisionen gegen die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung. Sie machen ein Verfahrenshindernis geltend und rügen im Übrigen die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Zudem haben sie jeweils sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil eingelegt. Die Staatsanwaltschaft hat ihre zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und auf die Sachrüge gestützten Revisionen auf die Strafaussprüche beschränkt, die sie für nicht mehr schuldangemessen mild hält.
3
Ein Verfahrenshindernis liegt nicht vor. Die vom Generalbundesanwalt jeweils teilweise vertretenen Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten führen - bei unwirksamer Rechtsmittelbeschränkung der Staatsanwaltschaft - jeweils bereits auf die Sachrüge zur vollständigen Aufhebung des angefochtenen Urteils zugunsten der Angeklagten, die Revisionen der Staatsanwaltschaft sowohl zulasten als auch zugunsten der Angeklagten (§ 301 StPO). Einer Erörterung der von den Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht mehr. Der Teilfreispruch ist gegenstandslos und entfällt.

A.

Urteilsgründe des angefochtenen Urteils

I.

4
Abgeurteilt ist die in Mittäterschaft beider Angeklagter begangene Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Einreichung einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 für die I. GmbH (im Folgenden: I. ), die wegen des Vorliegens einer umsatzsteuerlichen Organschaft beim Organträger, der IP. AG (im Folgenden: IP. ) zu einer Steuerverkürzung geführt habe. Das Landgericht ist der Ansicht, dass diese Steuererklärung als Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehe. Der Angeklagte K. war zur Tatzeit Vorstandsvorsitzender der IP. , der Angeklagte H. Geschäftsführer der I. .
5
Der Wertung, dass die für die I. eingereichte Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 unrichtig gewesen sei, liegt die Feststellung zugrunde, dass die I. italienische und spanische „Missing Trader“ beliefert habe, was den Angeklagten bei Abgabe dieser Steuererklärung ebenso bekannt gewesen sei wie der Umstand, dass diese innergemeinschaftlichen Lieferungen wegen missbräuchlichen Verhaltens nicht umsatzsteuerbefreit und daher als steuerpflichtig anzumelden gewesen seien.

II.

6
Das Landgericht hat im Wesentlichen folgenden Sachverhalt festgestellt:
7
1. Seit dem 25. August 2000 hielt die IP. alle Geschäftsanteile an der B. GmbH (im Folgenden: B. ), die wiederum seit dem 22. Dezember 2000 sämtliche Anteile an der I. hielt. Vorstandsvorsitzender der IP. war der Angeklagte K. ; Geschäftsführerin der I. war zunächst im Zeitraum vom 17. April 2001 bis zum 15. Dezember 2001 A. (UA S. 13). Der Angeklagte H. übernahm am 16. Dezember 2001 die Geschäftsführung der I. . Leitungsaufgaben hatte er - im Vorgriff auf seine Geschäftsführerbestellung - allerdings bereits schon kurz zuvor wahrgenommen (UA S. 20). Seine Bestellung wurde am 16. Januar 2002 ins Handelsregister eingetragen (UA S. 20). Dem früheren Mitangeklagten O. , der bis zum 8. April 2003 Vorstandsmitglied der IP. war (UA S. 12), wurde bei der I. am 9. Mai 2001 (UA S. 13) und bei der B. am 13. Juni 2001 (UA S. 13) Einzelprokura erteilt.
8
Nach der Vornahme von Umstrukturierungen gliederte die IP. sowohl die B. als auch die I. organisatorisch, finanziell und wirtschaftlich „in den Konzern“ ein. Die IP. erledigte dabei sämtliche Buchhaltungsarbeiten für die I. . Nachdem das Finanzamt deswegen zunächst für die Zeit ab 1. Januar 2002 das Bestehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) aller drei Gesellschaften mit der IP. als Organträger angenommen hatte, teilte es am 28. Mai 2003 der I. mit, dass es nun bereits für die Zeit ab 1. Juni 2001 vom Vorliegen einer Organschaft ausgehe. Nach den Feststellungen war der Angeklagte K. kein faktischer Geschäftsführer der I. ; er war in das operative Geschäft der I. nicht eingebunden, nahm keinen Einfluss darauf und erteilte den jeweiligen Geschäftsführern im operativen Geschäftsfeld auch keine Anweisungen (UA S. 21).
9
Die I. übernahm für den IP. -Konzern den internationalen Vertrieb von Computerkomponenten. In der am 15. April 2001 eröffneten Niederlassung in Ol. wurde das sog. Trading betrieben (UA S. 18). Dorthin wechselte im April 2001 ein Großteil der Belegschaft des Vertriebsbüros der ehemaligen Firma S. in E. , die nach Durchsuchungen wegen des Verdachts der Beteiligung an Umsatzsteuerhinterziehungen italienischer und spanischer Firmen insolvent geworden war (UA S. 15 f.).
10
Bereits bei seinen Einstellungsverhandlungen hatte der Angeklagte H. den Angeklagten K. darüber informiert, dass gegen ihn im Hinblick auf seine Tätigkeit bei der Firma S. ein Ermittlungsverfahren wegen Umsatzsteuerhinterziehung anhängig sei, weil Abnehmer der FirmaS. als „Missing Trader“ verdächtigt würden. Beide Angeklagtewaren sich darüber einig, dass die verdächtigten Firmen, die sich aus Durchsuchungsbeschlüssen ergaben, nicht von der I. beliefert werden sollten (UA S. 19). Außerdem kamen sie überein, dass zur Vermeidung der Einbeziehung der I. in ein Umsatzsteuerkarussell oder der Belieferung von „Missing Tradern“ Maßnahmen zu ergreifen seien. Deshalb sollten die Seriennummern der „durchlaufenden Waren“ in das Warenwirtschaftssystem aufgenommen werden. Zudem sollten u.a. eine Auskunftsdatei zur Überprüfung der Kunden angelegt und deren Umsatzsteueridentifikationsnummer vor jedem Geschäft überprüft werden (UA S. 19). Anhand der vorhandenen Daten sollte tagesaktuell das Bestätigungsverfahren nach § 18e UStG durchgeführt werden (UA S. 22).
11
2. Die Niederlassung der I. in Ol. belieferte im Veranlagungszeitraum 2001 u.a. die italienischen Firmen T. und F. sowie die spanischen Firmen M. , U. und C. (UA S. 24). Bei diesen Firmen handelte es sich ausnahmslos um sog. „Missing Trader“, die als „Scheingesellschaften“ nur zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung „zwischengeschaltet“ worden waren, um den wirklichen Abnehmern einen Vorsteu- erabzug (aus Rechnungen über Inlandslieferungen) zu ermöglichen. Sie ver- kauften die Waren an die wirklichen italienischen und spanischen Abnehmer weiter und wiesen in den diesbezüglichen Ausgangsrechnungen die italienische bzw. spanische Umsatzsteuer aus. Die Abnehmer machten aus diesen Rechnungen gegenüber den Finanzbehörden Vorsteuern geltend. Demgegenüber führten die genannten „Missing Trader“ die bei ihnen anfallende Umsatzsteuer zu keiner Zeit ab. Sie waren jeweils nur wenige Monate am Markt tätig.
12
Gegenüber der I. offenbarten die „Missing Trader“ ihre Abnehmer nicht. Allerdings nahmen die bei der I. tätigen Vertriebsmitarbeiter bereits im Zeitpunkt der einzelnen Lieferungen in Kauf, dass die im jeweiligen Bestimmungsland vorgesehene Umsatzbesteuerung durch Verschleierungsmaßnahmen und falsche Angaben gezielt umgangen werden sollte, um den tatsächlichen Abnehmern einen ungerechtfertigten Steuervorteil zu verschaffen. Sie nahmen weiter in Kauf, dass diese „missbräuchliche Praxis“ bei innergemeinschaftlichen Lieferungen keine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG auslöste (UA S. 6). Ihnen war bewusst, dass sie sich an einem Umsatz beteilig- ten, der in eine „Mehrwertsteuerhinterziehung“ einbezogen war, und billigten dies stillschweigend (UA S. 39). Dabei wirkten sie kollusiv mit den Verantwortli- chen der „Missing Trader“ zusammen, um die Hinterziehung der im Bestim- mungsland geschuldeten Umsatzsteuern zu ermöglichen (UA S. 8). Der Umsatz mit den genannten Firmen belief sich im Jahr 2001 auf insgesamt 23.703.416,48 Euro, davon entfielen nur 58.438,10 Euro auf die Zeit bis zum 31. Mai 2001 (UA S. 6).
13
3. In den Umsatzsteuervoranmeldungen des Jahres 2001 für die I. wurden die Umsätze aus den verfahrensgegenständlichen innergemeinschaftlichen Lieferungen - vorbereitet „durch die Mitarbeiter der Buchhaltung der IP. “ - als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG erklärt (UA S. 55).
14
4. Spätestens seit der Durchsuchung der Geschäftsräume der IP. und der I. am 3. Dezember 2002 und der dabei erfolgten Bekanntgabe der Einleitung von Steuerstrafverfahren wegen falscher Umsatzsteuervoranmeldungen im Jahr 2001 rechneten beide Angeklagte damit, dass die I. „Mis- sing Trader“ beliefert hatte und insoweit keine Umsatzsteuerbefreiungen in An- spruch nehmen konnte. Ihnen kam es aber darauf an, durch Abgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen für das Jahr 2001 das beim Finanzamt Landshut anhängige Besteuerungsverfahren möglichst schnell zum Abschluss zu bringen , um die Freigabe eines vom Finanzamt bis zur Klärung des Sachverhalts gesperrten Umsatzsteuerguthabens der IP. in Höhe von 5 Mio. Euro (UA S. 56) zu erreichen (UA S. 6).
15
Wie mit dem Angeklagten K. abgesprochen, erklärte der Angeklagte H. gegenüber dem Finanzamt Fürstenfeldbruck in der Umsatzsteuerjahreserklärung der I. für das Jahr 2001 am 24. März 2003 die getätigten Umsätze aus den Geschäften mit den genannten italienischen und spanischen Firmen in Höhe von mehr als 23,7 Mio. Euro (23.703.416,48 Euro) als steuerfreie Umsätze aus innergemeinschaftlichen Lieferungen i.S.v. § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG (UA S. 6, 58). Die nach Auffassung des Landgerichts hierauf entfallende und hinterzogene Umsatzsteuer betrug 3.277.497,18 Euro (UA S. 58). Insgesamt bezifferte der Angeklagte H. in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 der I. den verbleibenden Überschuss auf 30.448.505,46 DM und errechnete unter Berücksichtigung des Vorauszahlungssolls (in Form eines Überschusses aus den Umsatzsteuervoranmeldungen von 30.448.505,32 DM) einen Erstattungsanspruch von 0,14 DM (UA S. 58).
16
Wegen der Unkenntnis der Angeklagten vom Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft enthielt die Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 der I. sämtliche Umsätze aus dem Jahr 2001; demgegenüber waren die Umsät- ze der I. in der von dem Angeklagten K. am 23. April 2003 für die IP. beim Finanzamt Landshut eingereichte Umsatzsteuerjahreserklärung nicht enthalten (UA S. 5, 57).
17
5. Eine Auszahlung des sich aus der Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 für die I. ergebenden Erstattungsbetrages von 0,14 DM durch die Finanzbehörden fand nicht statt. Vielmehr erging am 11. Juni 2003 gegen die I. ein Umsatzsteuerbescheid für 2001, in dem wegen der vom Finanzamt angenommenen Organschaft eine Zahllast von 12.412.964 Euro festgesetzt wurde. Die IP. beglich diesen Betrag (UA S. 58).
18
6. Gegen den am 9. Juli 2003 gegenüber der IP. erlassenen Umsatzsteuerbescheid 2001, der einen Erstattungsanspruch von 7.772.459 Euro festsetzte , legte die IP. Einspruch ein, um nach Feststellung der Steuerfreiheit der verfahrensgegenständlichen innergemeinschaftlichen Lieferungen die Erhöhung ihres Umsatzsteuerguthabens um 4.317.840 Euro zu erreichen.
19
Am 16. November 2006 verständigten sich die IP. und das Finanzamt Landshut dahingehend, dass 92 Prozent der ab 1. Juni 2001 getätigten Umsätze , also 21.753.381,03 Euro, bei ihr als Organträgerin zu versteuern seien, was bei einem Steuersatz von 16 Prozent eine Umsatzsteuerschuld von 3.000.466,35 Euro ergab. Die Umsatzsteuerschulden der IP. und der I. wurden fristgerecht bezahlt (UA S. 7, 58).

III.

20
Das Landgericht ist der Auffassung, dass die Angeklagten mit der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 für die I. durch den Angeklagten H. am 24. März 2003 gemeinschaftlich (§ 25 Abs. 2 StGB) eine Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) begangen haben.
21
1. Die Steuerverkürzung ergebe sich daraus, dass die hier (wegen missbräuchlichen Verhaltens) steuerpflichtigen Umsätze aus den innergemeinschaftlichen Lieferungen weder in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 der I. noch in derjenigen der IP. als steuerpflichtig erklärt worden seien (UA S. 117). Stattdessen habe der Angeklagte H. nach Absprache mit dem Angeklagten K. diese Umsätze in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 der I. unrichtig als umsatzsteuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen angemeldet, obwohl beide Angeklagte damit gerechnet hätten, dass die Voraussetzungen dieser Steuerbefreiung nicht gegeben waren (UA S. 117).
22
2. Die Umsatzsteuerpflicht bestehe deswegen, weil nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht erlaubt sei (UA S. 118). Ein „derart betrügerischer Missbrauch“ liege jedenfalls dann vor, wenn sich der Steuerpflichtige bewusst an einem in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogenen Umsatz beteilige. Dabei komme es nicht darauf an, ob er die Umsatzsteuerhinterziehung selbst begangen habe, es genüge vielmehr, wenn ihm diese bekannt sei (UA S. 119). Zur Versagung der Steuerfreiheit müsse objektiv feststehen, dass der Unternehmer die missbräuchliche oder betrügerische Praxis des Erwerbers kannte oder sich daran beteiligte. Für die Versagung der Umsatzsteuerbefreiung genüge es, dass der Steuerpflichtige gewusst habe oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen gewesen sei (UA S. 119). Dies sei hier der Fall gewesen, denn die Zwi- schenschaltung der „Missing Trader“ habe allein der Vermeidung einer Er- werbsbesteuerung der Lieferungen der I. in Italien bzw. Spanien gedient.
Die innergemeinschaftlichen Kontrollmitteilungen seien gezielt dadurch umgan- gen worden, dass die „Missing Trader“ nur kurzzeitig am Markt gewesen seien, also zum Zeitpunkt der innergemeinschaftlichen Kontrollmitteilungen bereits nicht mehr existiert hätten (UA S. 120).
23
3. Das Wissen der Vertriebsmitarbeiter der I. hat das Landgericht in entsprechender Anwendung des § 166 BGB der I. als Unternehmer zugerechnet (UA S. 120).
24
4. Vertrauensschutz gemäß § 6a Abs. 4 UStG habe die I. nicht beanspruchen können, weil die Vertriebsmitarbeiter hätten erkennen können und auch erkannt hätten, dass die „Missing Trader“ zum Zwecke der Mehrwertsteuerhinterziehung bloß formal zwischengeschaltet worden waren (UA S. 121).
25
5. Zwischen der IP. als Organträger und der I. habe zum 1. Juni 2001 eine umsatzsteuerliche Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) bestanden. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die I. finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in die IP. eingegliedert worden. Mit der Erteilung der Einzelprokura an den früheren Mitangeklagten O. am 30. Mai 2001 sei die Eingliederung in die IP. , die über ihre Beteiligung an der B. die I. beherrscht habe, abgeschlossen gewesen (UA S. 121).
26
6. Trotz der Annahme, dass nicht die I. , sondern wegen des Vorliegens einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft die IP. als Organträger Schuldnerin der Umsatzsteuer aus den Umsätzen mit den „Missing Tradern“ gewesen sei, hat das Landgericht eine vollendete Umsatzsteuerhinterziehung durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 für die I. angenommen. Wegen der Organschaft sei der erstrebte Taterfolg statt bei der I. bei der IP. als Organträgerin eingetreten.
27
Der Umstand, dass die Tathandlung in der Abgabe einer Steueranmeldung (Umsatzsteuerjahreserklärung) mit einem Erstattungsbetrag von 0,14 DM liege, der nicht ausbezahlt worden sei, stehe der Annahme einer vollendeten Steuerhinterziehung nicht entgegen. Aus § 1 Abs. 2 der Kleinbetragsverordnung ergebe sich, dass in einem solchen Fall eine Erstattung generell nicht stattfinde, sodass es einer ausdrücklichen Zustimmung nicht bedürfe. Deshalb stehe gemäß § 168 Satz 2 AO die (unrichtige) Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich, was die Steuerverkürzung bewirke (UA S. 8, 122).
28
7. Den Umstand, dass entgegen der Vorstellung der Angeklagten in der zweiten Jahreshälfte 2001 nicht die I. , sondern aufgrund der Organschaft die IP. Steuerschuldnerin hinsichtlich der Umsätze mit den „Missing Tradern“ gewesen sei, hat das Landgericht als unbeachtliche Abweichung des tatsächlichen von dem von den Angeklagten vorgestellten Kausalverlauf gewertet(UA S. 8). Diese Fehlvorstellung schließe daher den Tatvorsatz der Angeklagten nicht aus (UA S. 8, 131).

B.

Rechtsmittel der Angeklagten
29
Die Revisionen der Angeklagten haben Erfolg; ihre sofortigen Beschwerden gegen die Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil sind gegenstandslos.

I.

Verfahrensvoraussetzungen
30
Ein Verfahrenshindernis besteht nicht. Entgegen der Auffassung der Revisionen fehlt es auch nicht an der in jeder Lage des Verfahrens zu beachtenden Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklageschrift (§ 200 StPO) und - daran anknüpfend - einem wirksamen Eröffnungsbeschluss.
31
1. Eine Anklage ist nur dann unwirksam mit der Folge, dass das Verfahren wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung einzustellen ist, wenn etwaige Mängel dazu führen, dass die Anklage ihrer Umgrenzungsfunktion nicht genügt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 - 1 StR 148/11, BGHSt 57, 138 Rn. 6, mwN). Bei Steuerhinterziehungen genügt zur Wahrung der Umgrenzungsfunktion regelmäßig die Benennung der Daten der Steuererklärungen, in denen unrichtige Angaben enthalten sein sollen, der Steuerarten und der Veranlagungszeiträume ; denn diese Umstände gewährleisten eine Unterscheidung von anderen denkbaren strafbaren Verhaltensweisen (BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 1 StR 665/08, wistra 2009, 465).
32
2. Ausgehend von diesen Maßstäben ist hier sowohl die Anklageschrift als auch der Eröffnungsbeschluss wirksam. Die Anklageschrift, an die der Eröffnungsbeschluss anknüpft, erfüllt noch ihre Funktion, die angeklagten Taten der Hinterziehung von Umsatzsteuer ausreichend zu umschreiben.
33
a) Durch die Benennung der am 24. März 2003 eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 für die I. als Tathandlung war der Tatvorwurf einer mit dieser Steuererklärung begangenen Umsatzsteuerhinterziehung als historisches Ereignis (§ 264 StPO) ausreichend genau beschrieben und damit hinreichend umgrenzt. Die in der Anklageschrift vorgenommene Bezeichnung von Art und Umfang unrichtiger Angaben lässt die Umgrenzung der von der Anklage umfassten Tatvorwürfe unberührt; sie hat lediglich für die Informationsfunktion der Anklage Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2009 - 1 StR 665/08, wistra 2009, 465). Der Umstand, dass die Anklageschrift insoweit lediglich unberechtigte Vorsteuerabzüge (§ 15 UStG), nicht aber zu Unrecht als umsatzsteuerfrei behandelte innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG) benannt hat, berührt daher die Wirksamkeit von Anklage und Eröffnungsbeschluss nicht.
34
b) Soweit das Tatgericht darauf abstellt, dass die von Mitarbeitern der I. veranlassten innergemeinschaftlichen Lieferungen auch nicht als steuerpflichtige Umsätze in die am 23. April 2003 für die IP. eingereichte Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 Eingang gefunden haben, ist auch dies von Anklage und Eröffnungsbeschluss erfasst. Denn die Anklage legt beiden Angeklagten auch hinsichtlich dieser Steuererklärung ein Vergehen der Steuerhinterziehung zur Last. Für die Umgrenzungsfunktion dieses (weiteren) Tatvorwurfs i.S.d. § 264 StPO gilt das oben Gesagte entsprechend.

II.

Revisionen der Angeklagten
35
Die Revisionen der Angeklagten haben bereits mit der Sachrüge Erfolg; eines Eingehens auf die erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht mehr. Die Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch wegen vollendeter Steuerhinterziehung weder hinsichtlich der für die I. abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 (nachfolgend 1.) noch bezüglich der für die IP. eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 (nachfolgend 2.). Der vom Landgericht ausgesprochene Teilfreispruch „im Übrigen“ geht ins Leere (nachfolgend 3.). Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen, weil eine abschließende Entscheidung in der Revisionsinstanz nicht in Betracht kommt (nachfolgend 4.).
36
1. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen eine Verurteilung der Angeklagten wegen einer in Mittäterschaft begangenen vollendeten Umsatzsteuerhinterziehung durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 für die I. (§ 370 Abs. 1 AO i.V.m. § 18 Abs. 3 UStG) nicht.
37
a) Die Urteilsfeststellungen belegen bereits keine Tathandlung.
38
Eine tatbestandsmäßige Handlung i.S.v. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO begeht, wer „den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht“. Unrichtig wären die Angaben in der für die I. eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung hier dann, wenn die Umsätze mit den „Missing Tradern“ in diese Steuererklärung als steuerpflichtige Umsätze aufzunehmen gewesen wären. Dies belegen die Urteilsfeststellungen indes nicht.
39
aa) Das Landgericht ist erkennbar von der Annahme ausgegangen, dass beim zunächst unerkannten Vorliegen einer Organschaft die für eine Organgesellschaft (hier: die I. ) abgegebene Umsatzsteuerjahreserklärung als Erklärung für den Organträger (hier: die IP. ) gilt und die Frage der Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung sich danach richtet, welche Umsätze der Organgesellschaft der Organträger als eigene Umsätze anzumelden gehabt hätte. Dies trifft jedoch nicht zu.

40
Die für die I. abgegebene Umsatzsteuerjahreserklärung wäre auch im Falle einer bestehenden Organschaft nicht als Steuererklärung für die IP. als Organträger zu behandeln gewesen. Wegen der auch bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft weiterhin bestehenden zivilrechtlichen Selbständigkeit einer Organgesellschaft wirken die für diese abgegebenen Steuererklärungen allein für die Organgesellschaft und nicht für und gegen ein sie beherrschendes Unternehmen.
41
Allerdings treffen im Falle einer Organschaft alle steuerlichen Erklärungspflichten , die sich aus § 18 UStG ergeben, allein den Organträger (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, UStG, 63. Lfg., § 2 Rn. 144). Die Organgesellschaft schuldet in einem solchen Fall keine Umsatzsteuern, weil sie gemäß § 2 Nr. 2 UStG nicht als Unternehmerin selbständig tätig wird, und muss deshalb auch keine Umsätze anmelden. Aus diesem Grund muss eine Umsatzsteuerveranlagung der Organgesellschaft rückgängig gemacht werden, wenn sich nachträglich das Vorliegen einer Organschaft herausstellt (Klenk aaO Rn. 145). Dies bedeutet umgekehrt aber auch, dass im Falle des Vorliegens einer Organschaft eine für die Organgesellschaft abgegebene Umsatzsteuerjahreserklärung jedenfalls insoweit nicht unrichtig oder unvollständig ist, als von dieser getätigte Umsätze dort nicht aufgenommen wurden. Denn die getätigten Umsätze gelten nicht als ihre Umsätze, sondern als die des Organträgers.
42
bb) Die für die I. eingereichte Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 wäre aber dann unrichtig, wenn die vom Landgericht angenommene Organ- schaft in Wirklichkeit gar nicht vorgelegen hat und die Umsätze mit den „Missing Tradern“ zudem als steuerpflichtige Umsätze anzumelden gewesen waren. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist indes nicht tragfähig festgestellt.
43
(1) Zwar belegen die Urteilsfeststellungen das Vorliegen der vom Landgericht angenommenen umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen der IP. und der I. ab dem 1. Juni 2001 nicht. Da aber nicht ausgeschlossen werden kann, dass hierzu weitere Feststellungen getroffen werden können, kann der Senat nicht ohne weiteres zum Nachteil der Angeklagten vom Nichtvorliegen einer Organschaft ausgehen.
44
(a) Eine umsatzsteuerliche Organschaft setzt gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG voraus, dass eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Rechtliche Folge einer Organschaft ist, dass die Unternehmensteile als ein Unternehmen zu behandeln sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG) und die umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten wie auch die Steuerschuldnerschaft allein den Organträger treffen (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, UStG, 63. Lfg., § 2 Rn. 144; Korn in Bunjes, UStG, 12. Aufl., § 2 Rn. 138). Das (zivilrechtliche) Innenverhältnis der beteiligten Unternehmen ist hiervon nicht betroffen. Vielmehr gilt der Grundsatz, dass derjenige Beteiligte am Organkreis, aus dessen Umsätzen die an das Finanzamt gezahlten Umsatzsteuerbeträge herrühren, im Innenverhältnis der Organschaft auch die Steuerlast zu tragen hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2013 - II ZR 91/11, DStR 2013, 478, 480).
45
(b) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs setzt die für die Annahme einer Organschaft erforderliche Eingliederung ein Verhältnis der Über- und Unterordnung zwischen einer Organgesellschaft als „untergeordneter Person“ und dem sog. Organträger voraus (vgl. BFH, Urteil vom 7. Juli 2011 - V R 53/10, DStR 2011, 2044, 2045 mwN). Die neben der finanziellen und wirtschaftlichen Eingliederung erforderliche organisatorische Eingliederung erfordert dabei , dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt, wobei er die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrschen muss (BFH aaO mwN).
46
Die organisatorische Eingliederung besteht zwischen zwei Kapitalgesellschaften insbesondere bei einer Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen der beiden Gesellschaften. Darüber hinaus kann sich die organisatorische Eingliederung auch aus einer (teilweisen) personellen Verflechtung über die Geschäftsführungsorgane ergeben, wenn dem Organträger eine Willensdurchsetzung in der Organgesellschaft möglich ist (BFH, Urteil vom 7. Juli 2011 - V R 53/10, DStR 2011, 2044, 2046). Zwar reicht es für die eine organisatorische Eingliederung begründende personelle Verflechtung aus, dass der oder die Geschäftsführer der Organgesellschaft leitende Mitarbeiter des Organträgers sind (BFH aaO). Demgegenüber genügt es aber nicht, dass ein leitender Mitarbeiter des Mehrheits- oder Alleingesellschafters nur Prokurist bei der vermeintlichen Organgesellschaft ist, während es sich bei dem einzigen Geschäftsführer der vermeintlichen Organgesellschaft um eine Person handelt, die weder Mitglied der Geschäftsführung noch leitender Angehöriger des Mehrheits- bzw. Alleingesellschafters ist (BFH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - V R 7/10, DStR 2011, 308, 309). In Ausnahmefällen kann eine organisatorische Eingliederung auch ohne personelle Verflechtung in den Leitungsgremien des Organträgers und der Organgesellschaft vorliegen. Voraussetzung für diese schwächste Form der organisatorischen Eingliederung ist jedoch, dass institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft gegeben sind (vgl. BFH, Urteil vom 3. April 2008 - V R 76/05, BStBl. II 2008, 905; vgl. auch die weiteren Nachweise aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im BMF-Schreiben vom 7. März 2013 zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft - GZ IV D 2 - S 7105/11/10001).
47
(c) Nach diesen Grundsätzen wird die für die Annahme des Vorliegens einer Organschaft zwischen der IP. als Muttergesellschaft und der I. als Tochtergesellschaft der B. und damit als Enkelgesellschaft der IP. erforderliche organisatorische Eingliederung von den Urteilsfeststellungen nicht getragen. Es fehlt die erforderliche personelle Verflechtung zwischen Mutterund Enkelgesellschaft und eine sich hieraus ergebende Beherrschung der Enkelgesellschaft I. durch die IP. . Institutionell abgesicherte Eingriffsmöglichkeiten der IP. und Eingriffe in die laufende Geschäftsführung der I. sind ebenfalls nicht festgestellt.
48
Vielmehr war der Angeklagte K. nach den Urteilsfeststellungen kein faktischer Geschäftsführer der I. ; er war in das operative Geschäft der I. nicht eingebunden, nahm keinen Einfluss darauf und erteilte den jeweiligen Geschäftsführern im operativen Geschäftsfeld auch keine Anweisungen (UA S. 21). Geschäftsführerin der I. war seit dem 17. April2001 A. (UA S. 13). Der Angeklagte H. wurde erst zum 16. Dezember 2001 Geschäftsführer der I. , nachdem er bereits wenige Tage zuvor im Vorgriff hierauf Leitungsaufgaben wahrgenommen hatte (UA S. 20). Eine Beherrschung der I. durch die IP. in der laufenden Geschäftsführung ab 1. Juni 2001 ist damit nicht festgestellt. Zwar war nach den Urteilsfeststellungen dem früheren Mitangeklagten O. , der bis zum 8. April 2003 Vorstandsmitglied der IP. war (UA S. 12), bei der I. am 9. Mai 2001 (UA S. 13) und bei der B. am 13. Juni 2001 (UA S. 13) Einzelprokura erteilt worden. Dies genügt jedoch für die erforderliche personelle Verflechtung mit der IP. nicht, da nicht festgestellt ist, dass die zu dieser Zeit als Geschäftsführerin der I. bestellte A. Mitglied der Geschäftsführung oder leitende Angehörige der IP. war.

49
(d) Der Senat kann allerdings nicht ausschließen, dass sich weitere Feststellungen treffen lassen, welche die Annahme einer umsatzsteuerlichen Organschaft doch noch rechtfertigen könnten.
50
(2) Auch die Wertung des Landgerichts, bei den Umsätzen mit den „Mis- sing Tradern“ handele es sich wegen missbräuchlichen Verhaltens nicht um umsatzsteuerbefreite Umsätze, wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen. Vielmehr hat das Landgericht die Versagung der Umsatzsteuerbefreiung für die tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferungen auf widersprüchliche Feststellungen gestützt. Solche Feststellungen lassen eine abschließende Beurteilung, ob das Landgericht mit Recht vom Wegfall der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferung wegen missbräuchlichen Verhaltens ausgegangen ist, nicht zu.
51
(a) Innergemeinschaftliche Lieferungen sind unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG).
52
Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen (abgesehen von den Fällen der Lieferung neuer Fahrzeuge) weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat. Der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.
53
(b) Nach der auf der Grundlage einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2010, Rechtssache R, C-285/09, NJW 2011, 203) ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 41/09, BGHSt 57, 32) entfällt allerdings die Steuerbefreiung dann, wenn der Lieferer bei der Lieferung die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hat, um diesem zu ermöglichen , im Empfängerstaat Umsatzsteuer zu hinterziehen, wenn sonst der fragliche Umsatz jeglicher Besteuerung entgehen würde. Es bestehen nebeneinander zwei Versagungsgründe:
54
(aa) Der erste Versagungsgrund - beiderseitige kollusive Täuschung - beruht darauf, dass die nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung erforderliche Besteuerung des Erwerbs im Bestimmungsland verhindert wird, wenn der Lieferer mit dem Abnehmer kollusiv zusammenwirkt und dabei die Identität des Abnehmers verschleiert. Denn maßgeblich für die Steuerbefreiung sind der zwischen innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb bestehende Besteuerungszusammenhang und die damit bezweckte Verlagerung des Steueraufkommens auf den Bestimmungsmitgliedstaat durch die dort beim Abnehmer als Steuerschuldner vorzunehmende Besteuerung, die es nicht zulässt, die Steuerfreiheit trotz absichtlicher Täuschung über die Person des Abnehmers (Erwerbers) in Anspruch zu nehmen (vgl. auch BFH, Urteil vom 11. August 2011 - V R 50/09, DStR 2011, 1901 Rn. 24).
55
(bb) Darüber hinaus verbleibt es auch dann bei der Steuerpflicht (zweiter Versagungsgrund), wenn - obwohl die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit objektiv vorliegen - der Steuerpflichtige unter Verstoß gegen die Pflichten zum Buch- und Belegnachweis die Identität des Erwerbers verschleiert, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen (vgl. auch BFH, Urteil vom 11. August 2011 - V R 50/09, DStR 2011, 1901 Rn. 22 mwN; BFH, Urteil vom 17. Februar 2011 - V R 30/10, wistra 2011, 354).
56
(c) Ob einer dieser Versagungsgründe gegeben ist, hängt somit davon ab, ob die I. bei den einzelnen Lieferungen über die Person des jeweiligen Abnehmers getäuscht hat.
57
(aa) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (EuGH, Urteil vom 27. September2007 - C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797 Rn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH aaO Rn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (vgl. BFH, Urteil vom 17. Februar 2011 - V R 30/10, wistra 2011, 354 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen , der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber. Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (BFH aaO).
58
(bb) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S.v. § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige , dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (vgl. BFH, Urteil vom 17. Februar 2011 - V R 30/10, wistra 2011, 354 mwN). Abnehmer (Erwerber ) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH aaO).
59
(cc) Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen. Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft , ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich (vgl. BFH, Urteil vom 17. Februar 2011 - V R 30/10, wistra 2011, 354 mwN).
60
(dd) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erlaubt die Feststellung , der Empfänger der Lieferung habe die mit Hilfe der bezogenen Lieferungen ausgeführten Umsätze nicht versteuert, für sich genommen nicht den Schluss, nicht der Vertragspartner ("Missing Trader"), sondern eine andere Person sei Empfänger der Lieferung (vgl. BFH, Urteil vom 14. Dezember 2011 - XI R 32/09, BFH/NV 2012, 1004; BFH, Beschluss vom 5. Dezember 2005 - V B 44/04, BFH/NV 2006, 625). Darüber hinaus ist die ordnungsgemäße Erfüllung von Steuererklärungspflichten kein Tatbestandsmerkmal der Unternehmereigenschaft (vgl. BFH, Urteil vom 8. November 2007 - V R 72/05, BFHE 219, 422; vgl. aber zur Unternehmereigenschaft bei Einbindung in ein auf die Verkürzung von Umsatzsteuer ausgelegtes Hinterziehungssystem BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 24/10, wistra 2011, 264).
61
(d) Ob hier eine zur Versagung der Steuerbefreiung aus § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG vorliegende Täuschung über Erwerber der jeweiligen Lieferungen vorliegt, lässt sich den Urteilsfeststellungen nicht zweifelsfrei entnehmen, da die Urteilsgründe zur Rolle der vom Landgericht als „Missing Trader“ gewer- teten Vertragspartner der I. widersprüchliche Feststellungen enthalten.
62
Einerseits wertet das Landgericht die „Missing Trader“ als Scheingesell- schaften (UA S. 39), was nahe legt, dass es sich nach der Überzeugung des Landgerichts bei diesen Gesellschaften um nicht existente oder nicht als Unternehmer tätige Gesellschaften handelte, die lediglich als Abnehmer angegeben wurden, um die Identität der wahren Abnehmer zu verschleiern. Andererseits stellt das Landgericht fest, dass die „Missing Trader“ die von der I. bezo- genen Waren weiterverkauften, um ihren „tatsächlichen Abnehmern“, die sie gegenüber der I. nicht offenbarten, einen Vorsteuerabzug zu ermöglichen (UA S. 6). Dies deutet darauf hin, dass es sich bei den „Missing Tradern“ um die wirklichen Erwerber der Waren der I. handelte, die ihren umsatzsteuerlichen Pflichten nicht nachkamen und ihrerseits die Erwerber aus einem Weiterverkauf nicht offenbarten.
63
An anderer Stelle in den Urteilsgründen stellt das Landgericht fest, dass die Vertriebsmitarbeiter der I. mit den Verantwortlichen der „Missing Tra- der“ kollusiv zusammenarbeiteten, um ihnen die Hinterziehung von Umsatz- steuer zu ermöglichen (UA S. 8, 120). Im Widerspruch dazu steht die Feststel- lung des Landgerichts, dass den Vertriebsmitarbeitern der I. lediglich bewusst war, dass sie sich an einem Umsatz beteiligten, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, was sie stillschweigend billigten (UA S. 39). Sie hätten lediglich billigend in Kauf genommen, dass die Umsatzbesteuerung durch gezielte Maßnahmen umgangen werden sollte (UA S. 6).
64
Es bleibt daher nach den Urteilsfeststellungen offen, wer die wirklichen Erwerber der Waren der I. waren und ob sich Mitarbeiter der I. an einer Täuschung über die Identität dieser Erwerber beteiligt haben. Haben Vertreter oder Mitarbeiter der I. nicht an einer derartigen Identitätstäuschung mitgewirkt, greift keiner der genannten Versagungsgründe ein.
65
(e) Angesichts der unklaren und widersprüchlichen Feststellungen zu den tatsächlichen Erwerbern bedarf es keiner Entscheidung dazu, ob eine Steuerpflicht einer innergemeinschaftlichen Lieferung trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen hierfür auch dann in Betracht kommt, wenn dem Unternehmer - der nicht über die Identität des Abnehmers täuscht - nur bekannt ist, dass der Abnehmer, den er nach seinen Belegen und buchmäßigen Aufzeichnungen als Abnehmer führt, seine steuerlichen Verpflichtungen im Bestimmungsmitgliedstaat nicht erfüllt (vom Bundesfinanzhof bislang offen gelassen , vgl. BFH, Urteil vom 17. Februar 2011 - V R 30/10, wistra 2011, 354; zur Zurechnung des Wissens von Mitarbeitern vgl. BFH, Urteil vom 19. Mai 2010 - XI R 78/07, DStRE 2010, 1263).
66
b) Selbst für den Fall, dass die Umsätze mit den „Missing Tradern“ in die Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 der I. aufzunehmen gewesen wären, läge mangels eingetretener Steuerverkürzung jedenfalls keine vollendete Steuerhinterziehung vor.
67
Die Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO ist nicht nur ein Erklärungs -, sondern auch ein Erfolgsdelikt. Die Tat ist nur dann vollendet, wenn durch sie kausal ein Taterfolg herbeigeführt worden ist. Der Taterfolg besteht darin, dass der Täter durch die Tathandlung Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat. Steuern sind dabei namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden (§ 370 Abs. 4 Satz 1 HS 1 AO; näher BGH, Beschluss vom 22. November 2012 - 1 StR 537/12, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). Daran fehlt es hier.
68
aa) Allerdings steht gemäß § 168 Satz 1 AO eine Steueranmeldung, zu der auch eine Umsatzsteuerjahreserklärung zählt (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG, § 150 Abs. 1 Satz 3 AO), einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Führt die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher zu entrichtenden Steuer oder zu einer Steuervergütung, so gilt dies indes erst, wenn die Finanzbehörde zustimmt (§ 168 Satz 2 AO). Diese Zustimmung bedarf keiner Form (§ 168 Satz 3 AO).
69
bb) Hier bedurfte es für die Gleichsetzung der Steueranmeldung mit einer Steuerfestsetzung der Zustimmung der Finanzbehörde. Denn die Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 der I. wies einen verbleibenden Überschuss der Vorsteuerbeträge über die Umsatzsteuerbeträge und damit eine Steuervergütung i.S.v. § 168 S. 2 AO (vgl. HHSp-Heuermann, AO, 210. Lfg., § 168 Rn. 15; Pahlke/Koenig-Cöster, AO, 2. Aufl., § 168 Rn. 16; vgl. auch Vogel/ Schwarz-Raudszus, UStG, 150. Lfg., § 18 Abs. 1 - 4 Rn. 77) in Höhe von 30.448.505,46 DM aus (UA S. 57).
70
cc) Die Finanzbehörde hat hier die nach § 168 Satz 2 AO erforderliche Zustimmung weder ausdrücklich noch konkludent erteilt. Eine solche Zustim- mung lag auch nicht im Hinblick darauf vor, dass in der Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 der I. unter Berücksichtigung des sich aus den Umsatzsteuervoranmeldungen ergebenden Vorauszahlungssolls lediglich ein Erstattungsbetrag von 0,14 DM geltend gemacht wurde.
71
(1) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ergibt sich eine allgemeine Zustimmung, die nicht gesondert mitgeteilt werden müsste, auch nicht aus der Kleinbetragsverordnung (KBV). Zwar enthält § 1 Abs. 2 KBV die Regelung, dass u.a. eine angemeldete Umsatzsteuervorauszahlung oder eine für das Kalenderjahr angemeldete Umsatzsteuer nur abweichend festgesetzt, geändert oder berichtigt wird, wenn die Abweichung von der angemeldeten Steuer mindestens zehn Euro beträgt. Die Kleinbetragsverordnung ersetzt jedoch nicht die im Falle eines angemeldeten Erstattungsbetrages erforderliche Zustimmung des Finanzamts. Vielmehr setzt § 1 Abs. 2 KBV eine als Steuerfestsetzung geltende Steueranmeldung voraus, an der es bei einem angemeldeten Erstattungsbetrag bis zur Zustimmung durch die Finanzbehörde gerade noch fehlt (vgl. § 168 Satz 2 AO). Die Kleinbetragsverordnung trifft keine Regelung darüber , wann eine Steueranmeldung als Steuerfestsetzung gilt; sie bestimmt lediglich , dass bei Abweichungen bis zu zehn Euro eine abweichende Festsetzung der bereits festgesetzten Steuer nicht stattfindet.
72
(2) Auch eine sonstige allgemein erteilte Zustimmung zu einer Steuervergütung liegt nicht vor. Zwar wird in der Verwaltungspraxis regelmäßig eine Zustimmung zu einer Auszahlung erteilt, wenn der sich aus einer Steueranmeldung ergebende Erstattungsbetrag 2.500 Euro nicht übersteigt. Auch in diesem Fall stehen die Steueranmeldungen aber erst dann einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich, wenn die Zustimmung tatsächlich erteilt und dem Steuerpflichtigen auch bekannt (gemacht) wird (vgl. BFH, Beschluss vom 10. September 1999 - V B 39/99, BFH/NV 2000, 351 sowie Nr. 9 des AEAO zu § 168 AO). Daran fehlt es hier. Die in der Praxis übliche Nichtauszahlung von Erstattungsbeträgen unter einem Euro (vgl. BMF-Schreiben vom 22. März 2001 - IV A 4 - S 0512 - 2/01 -, BStBl. I 2001, 242) ersetzt ebenfalls nicht eine gemäß § 168 Satz 2 AO erforderliche Zustimmung des Finanzamts.
73
2. Die Nichtanmeldung der Umsätze mit den „Missing Tradern“ in der vom Angeklagten K. am 23. April 2003 beim Finanzamt Landshut für die IP. eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 (UA S. 6) kann ebenfalls eine Verurteilung wegen vollendeter Steuerhinterziehung nicht tragen.
74
Zwar war auch der Vorwurf der Steuerhinterziehung durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 für die IP. hinsichtlich beider Angeklagter Gegenstand der Anklageschrift vom 29. Juli 2009 (Anklagesatz, Abschnitt II) und unterlag daher als weiterer Tatvorwurf i.S.v. § 264 StPO der Kognitionspflicht des Landgerichts. Er war auch nicht vom Teilfreispruch erfasst (s. UA S. 140 ff.), zumal da das Landgericht die unrichtige Behandlung der verfahrensgegenständlichen Umsätze in den für die I. und die IP. eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärungen als einheitliche Tat behandelt hat (UA S. 117). Für einen Schuldspruch wegen vollendeter Steuerhinterziehung hätte es jedoch jedenfalls tragfähiger Feststellungen zum Vorliegen einer Organschaft und zur fehlenden Steuerfreiheit der Umsätze mit den „Missing Tradern“ bedurft. Daran fehlt es jedoch aus den (unter 1.) bereits genannten Gründen.
75
3. Der vom Landgericht ausgesprochene Teilfreispruch geht ins Leere und ist daher gegenstandslos. Die Vorwürfe der unberechtigten Geltendmachung von Vorsteuern für Drucker zugunsten der I. und die der Nichtanmeldung wegen missbräuchlichen Verhaltens nicht steuerbefreiter innergemeinschaftlicher Lieferungen betreffen dieselbe Umsatzsteuerjahreserklärung und wären - wenn sie erwiesen würden - Teil einer einheitlichen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO. Hinsichtlich eines Teils einer einheitlichen Straftat ist ein Teilfreispruch rechtlich nicht möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 2004 - 2 StR 224/04 mwN).
76
4. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Der Senat hat geprüft, ob eine abschließende Entscheidung bereits in der Revisionsinstanz möglich ist. Dies ist jedoch nicht der Fall.
77
a) Eine Änderung des Schuldspruchs auf versuchte Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 22 StGB) wegen untauglichen Versuchs im Hinblick auf die für die I. eingereichte Umsatzsteuerjahreserklärung 2001 kommt mangels tragfähiger Tatsachengrundlage nicht in Betracht.
78
Wegen untauglichen Versuchs macht sich strafbar, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB), obwohl die tatsächlichen Voraussetzungen für Tatbestandsmerkmale fehlen, die er irrig für gegeben hält. Erforderlich ist, dass die Tat, so wie der Täter sie sich vorstellt, alle Merkmale des strafgesetzlichen Tatbestandes erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1954 - 1 StR 677/53, BGHSt 6, 251, 256).
79
Ob dies hier der Fall ist, d.h. ob die Angeklagten sich hier Umstände vorgestellt hatten, bei denen die I. die Umsätze mit den „Missing Tradern“ als umsatzsteuerpflichtige Umsätze hätte anmelden müssen, lässt sich den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils nicht zweifelsfrei entnehmen.
80
Zwar hat das Landgericht zum Vorstellungsbild der Angeklagten festgestellt , der Angeklagte H. habe seit dem 11. Dezember 2001 (UA S. 125) billigend in Kauf genommen, dass es sich bei den in Rede stehenden Vertragspartnern um „Missing Trader“ gehandelt habe und „die I. sich durch die Lieferungen an deren Steuerhinterziehungen beteiligte“. Auch der Angeklagte K. habe nach der Durchsuchung im Dezember 2002 (UA S. 126) damit gerechnet, dass die I. „Missing Trader“ beliefert hatte. Seine Überzeugung vom bedingten Tatvorsatz der Angeklagten stützt das Landgericht jedoch auf die von ihm getroffenen Feststellungen zur Rolle der von ihm als „Missing Trader“ eingestuften Vertragspartner. Da diese Feststellungen aber, wie oben dargestellt, unklar und widersprüchlich sind, können sie auch keine tragfähige Grundlage für Schlussfolgerungen zum Vorstellungsbild der Angeklagten darstellen. Mangels rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite kommt somit eine Abänderung des Schuldspruchs auf versuchte Steuerhinterziehung nicht in Betracht.
81
b) Auch ein (Teil-)Freispruch scheidet aus. Der Senat kann weder hinsichtlich der I. noch der IP. ausschließen, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die einen Schuldspruch wegen (versuchter) Steuerhinterziehung rechtfertigen.

III.

82
Sofortige Beschwerden der Angeklagten gegen die Kostenentscheidung
83
Angesichts der Aufhebung des angefochtenen Urteils sind die sofortigen Beschwerden der Angeklagten gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils (§ 464 Abs. 3 StPO) gegenstandslos.

C.

Revisionen der Staatsanwaltschaft
84
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben ebenfalls Erfolg; sie führen zulasten und zugunsten (§ 301 StPO) der Angeklagten zur vollständigen Aufhebung des angefochtenen Urteils.
85
Die Staatsanwaltschaft hat ihre zuungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen auf den Strafausspruch beschränkt. Eine Beschränkung eines Rechtsmittels allein auf den Rechtsfolgenausspruch ist zwar grundsätzlich zulässig. Die in der Regel gegebene Trennbarkeit zwischen Schuld- und Strafausspruch ist jedoch - ausnahmsweise - zu verneinen, wenn die Schuldfeststellungen eine Überprüfung des Strafausspruchs nicht ermöglichen. Dies ist der Fall, wenn unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat. Derartige Feststellungen können nicht Grundlage eines Strafausspruchs sein (vgl. BGH, Urteile vom 26. Juli 2012 - 1 StR 492/11, wistra 2012, 477, vom 22. Mai 2012 - 1 StR 103/12, wistra 2012, 350 mwN und vom 22. Februar 1996 - 1 StR 721/95, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 12; Gössel in Löwe/ Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 318 Rn. 38 zum insoweit gleich zu behandelnden Fall der Berufungsbeschränkung).
86
So verhält es sich hier. Wie dargelegt, tragen die bisher getroffenen Feststellungen die Schuldsprüche nicht und bieten deshalb keine Grundlage für die Prüfung eines Rechtsfolgenausspruchs, so dass die Rechtsmittelbeschränkung unwirksam ist. Somit führt auch die Revision der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung des Urteils insgesamt. Daher gilt für das neue Tatgericht das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) nicht.

D.

87
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
88
Sollte das neue Tatgericht wieder zu der Feststellung gelangen, dass von der Finanzverwaltung ein Umsatzsteuerguthaben zurückgehalten wurde, das den erstrebten Verkürzungsumfang übersteigt, würde dies für sich allein nicht die Annahme rechtfertigen, der Steueranspruch sei nicht ernsthaft gefährdet gewesen (UA S. 135). Er wäre hier bereits dann gefährdet, wenn die Möglichkeit bestünde, dass die Voraussetzungen einer Versagung der Steuerbefreiung für durchgeführte innergemeinschaftliche Lieferungen sich nicht erweisen oder die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG sich nicht widerlegen lassen könnten, obwohl sie tatsächlich nicht gegeben sind. Wahl Graf Jäger Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 312/13
vom
1. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Oktober 2013 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 1. Februar 2013 aufgehoben
a) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit der Angeklagte in den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe verurteilt worden ist; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen mit Ausnahme derjenigen zum Umfang der Lieferungen der Firma Me. im Jahr 2009 aufrechterhalten.

b) im Strafausspruch auch in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe und hinsichtlich der Gesamtstrafe; von den zugehörigen Feststellungen werden lediglich diejenigen zu den Lieferungen der Firma Me. im Fall VIII. 8. der Urteilsgründe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
a) Seit Oktober 2008 betätigte sich der Angeklagte zusammen mit dem gesondert verfolgten T. im Online-Handel mit Elektronikgeräten (vorwiegend mit Flachbildschirmfernsehern). Die Geschäfte betrieben sie zunächst über die von ihnen gemeinsam geführte Gesellschaft M. I. OHG (im Folgenden: M. OHG). Am 30. September 2010 gründeten sie dann die M. B. GmbH (im Folgenden : M. GmbH) mit identischem Geschäftszweck.
4
b) Beide Firmen waren seit Ende 2009 als sog. buffer in „Umsatzsteuer- hinterziehungssysteme“ eingebunden, die von verschiedenen Gruppierungen aus dem Großraum B. organisiert worden waren. Den Systemen zur Hinterziehung von Umsatzsteuer lag folgendes Muster zugrunde:
5
Unter Einbindung von Strohleuten gegründete Gesellschaften sollten gegen Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer Flachbildschirmfernseher an gewerbliche Abnehmer verkaufen und den vereinbarten Kaufpreis bei der Lieferung in bar entgegennehmen. Die in diesen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer sollte von diesen Gesellschaften entweder schon nicht angemeldet, zumindest aber nicht abgeführt werden. Bereits nach kurzer Zeit, möglichst vor Aufdeckung des Systems, sollten diese Firmen (sog. missing trader) ihre „ver- meintliche Gewerbetätigkeit“ wieder einstellen. Ziel war es, die Nichtabführung der vereinnahmten Umsatzsteuer nicht auf einen einmaligen Liefervorgang zu beschränken, sondern die nachfolgenden Warenbewegungen des Abnehmers weiter zu kontrollieren und zu steuern, um wieder über die verkauften Geräte verfügen und diese erneut dem „Wirtschaftskreislauf“ zuführen zu können. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass der gewonnene Abnehmer (sog. buffer) durch lukrative Angebote von Scheinfirmen veranlasst werden sollte, die Fernseher im Rahmen vermeintlicher innergemeinschaftlicher Lieferungen umsatzsteuerfrei zu veräußern. Tatsächlich sollten die Geräte aber nicht ins innergemeinschaftliche Ausland verbracht werden, sondern in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben. Durch den hierdurch ermöglichten umsatzsteuerfreien Ankauf sollte es den die Warenbewegungen beherrschenden Personen ermög- licht werden, die Geräte sehr günstig erneut anzubieten. Für den „buffer“ brach- te die Teilnahme an diesem System den wirtschaftlichen Vorteil, dass er - aufgrund des umsatzsteuerfreien Ankaufs sowie der Nichtabführung der vereinnahmten Umsatzsteuer durch den Lieferanten - Zugang zu konkurrenzlos günstigen Waren erhielt und trotzdem die von ihm gezahlte Umsatzsteuer bei den Finanzbehörden als Vorsteuer geltend machen konnte.
6
c) Nach den Feststellungen des Landgerichts hatten die von dem Angeklagten geleiteten Gesellschaften M. OHG und M. GmbH in mehreren derartigen Umsatzsteuerkarussellen, die nahtlos ineinander übergin- gen, jeweils die Funktion eines „buffers“. Gleichwohl machte der Angeklagte hinsichtlich solcher Geschäfte die in den an diese Gesellschaften gerichteten Rechnungen gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge in Steueranmeldungen gegenüber den Finanzbehörden als Vorsteuern geltend. In der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2009 betreffend die M. OHG führte dies zu einer Verminderung der Zahllast um 460.979,48 Euro (Fall IX. der Urteilsgründe ); aufgrund unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis Juli 2010 und September 2010, Oktober 2010 für die M. OHGsowie betreffend die M. GmbH für Januar 2011 (Fälle VIII. 1. bis 10. der Urteilsgründe) kam es jeweils zur Verkürzung von Umsatzsteuer mit Erstattung geltend gemachter Vorsteuer bei einem Verkürzungsumfang von insgesamt 2.642.114 Euro. Das Finanzamt erteilte in den Fällen eines Vorsteuerüberhanges jeweils die erforderliche Zustimmung zur Auszahlung (vgl. § 168 S. 2 AO).
7
d) Nach den Feststellungen des Landgerichts erkannte der Angeklagte erst am 18. März 2010 die Einbindung der von ihm geleiteten Firmen in Umsatzsteuerkarusselle. Er beendete gleichwohl die Geschäftsbeziehung zu den Betreibern der Karussellsysteme nicht und nahm trotz seiner Erkenntnis, dass die Warenbewegungen innerhalb von Umsatzsteuerkarussellgeschäften stattfanden , in Umsatzsteuervoranmeldungen für die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer einen Vorsteuerabzug vor. Eine Berichtigung der für Januar 2010 eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung gemäß § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO nahm der Angeklagte nicht vor.
8
2. Das Landgericht hat die Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen und der Umsatzsteuerjahreserklärung in den Fällen VIII. 2. bis 10. sowie IX.
der Urteilsgründe jeweils als Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gewertet. Zu den Zeitpunkten der Einreichung dieser Steueranmeldungen habe der Angeklagte gewusst, dass die von ihm geleiteten Firmen in ein Umsatzsteuerkarussell eingebunden gewesen seien und er deshalb mangels vorgenommener Lieferung keinen Vorsteuerabzug hätte geltend machen dürfen. Auf eine „Gutgläubigkeit“ des Angeklagten zum Zeitpunkt der Ausführung der Liefe- rungen für die Anmeldungszeiträume bis März 2010 komme es dabei nicht an, sie liege im Übrigen auch nicht vor, weil der Angeklagte hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt habe.
9
Zum Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für den Voranmeldungszeitraum Januar 2010 am 4. März 2010 (Fall VIII. 1. der Urteilsgründe ) sei der Angeklagte, anders als bei Abgabe der übrigen Erklärungen, zwar noch „gutgläubig“ gewesen. Weil er aber nachträglich die Einbindung in eine „Umsatzsteuerkette“ erkannt habe, habe für ihn die Verpflichtung bestan- den, eine berichtigende Erklärung nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO abzugeben. Da er dieser Verpflichtung vorsätzlich nicht nachgekommen sei, habe er sich insoweit einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar gemacht.

II.


10
Die Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Rechtsfehlerfrei ist die Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe (nachfolgend 1.). Demgegenüber wird der Schuldspruch in den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe von den Feststellungen nicht getragen; das Landgericht ist insoweit hin- sichtlich der Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG von falschen Maßstäben ausgegangen (nachfolgend 2.). Ein Teilfreispruch kommt nicht in Betracht, weil möglich ist, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die auch in diesen Fällen einen Schuldspruch rechtfertigen können (nachfolgend 3.). Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand (nachfolgend 4.). Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nur insoweit, als diese von der fehlerhaften Rechtsanwendung betroffen sind, im Übrigen zur Ermöglichung widerspruchsfreier Feststellungen (nachfolgend 5.).
11
1. Der Schuldspruch in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Denn die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen, dass der Angeklagte in diesen Fällen in den Steueranmeldungen für die M. OHG bzw. die M. GmbH zu Unrecht aus Eingangsrechnungen für die Lieferung von elektronischen Geräten einen Vorsteuerabzug vorgenommen hat, obwohl er bereits bei Bezug der Geräte wusste, dass die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG nicht vorlagen. Damit hat er gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht, die zu einer Steuerverkürzung geführt haben (vgl. § 168 AO).
12
a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt dabei voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.
13
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt es für die Frage, wann die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorliegen müssen, nicht auf den Zeitpunkt der Abgabe der Steueranmeldung an, in welcher der Vorsteuerabzug vorgenommen wird. Vielmehr ist ein Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG dann zulässig, wenn dessen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Ausführung der Lieferungen bzw. sonstigen Leistungen vorgelegen haben. Insbesondere fällt eine einmal bestehende Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht deshalb nachträglich weg, weil der Unternehmer später von Umständen Kenntnis erlangt, die einem Vorsteuerabzug entgegengestanden hätten, wenn er sie bereits beim Bezug der Waren gekannt hätte. Auch wird er durch diese nachträgliche Kenntnis nicht rückwirkend zum Nichtunternehmer.
14
aa) Im Rahmen der Auslegung des § 15 UStG sind die dieser Vorschrift zugrunde liegende Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. EU Nr. L 347 S. 1; im Folgenden : Mehrwertsteuersystemrichtlinie) und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu beachten (sog. richtlinienkonforme Auslegung). Danach gilt Folgendes:
15
Bei dem in Art. 167 ff. der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vorgesehenen Recht zum Vorsteuerabzug handelt es sich um einem integralen Bestandteil des Mehrwertsteuersystems; es kann sofort ausgeübt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 in der Rechtssache C-285/11 „Bonik“, DStRE 2013, 803). Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie unterscheidet dabei zwischen der Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug (Art. 167 i.V.m. Art. 63 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ) und der Ausübung dieses Rechts (Art. 178 f. der Mehrwertsteuersystemrichtlinie). Nach Art. 167 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die ab- ziehbare Steuer entsteht. Dies ist nach Art. 63 der Richtlinie bereits dann der Fall, wenn die Lieferung oder die Dienstleistung bewirkt ist; lediglich die Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts setzt zusätzlich den Besitz einer den Anforderungen des Art. 178 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie entsprechenden Rechnung voraus (vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-152/02 „Terra Baubedarf“ zu Art. 17, 18 der von der Mehrwertsteuersystemrichtlinie abgelösten „Sechste(n) Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage 77/388/EWG“, im Folgenden: Sechste Richtlinie 77/388/EWG).
16
bb) Aus der Maßgeblichkeit des Zeitpunkts, zu dem die Lieferung oder sonstige Leistung bewirkt wird, für die Entstehung des Rechts auf Vorsteuerabzug folgt, dass für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug die Verhältnisse bei Bezug der Leistung maßgebend sind (vgl. BFH, Urteil vom 13. Mai 2009 - XI R 84/07, BStBl II 2009, 868 unter Hinweis auf Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG; vgl. auch BFH, Urteile vom 18. April 2013 - V R 19/12, BFH/NV 2013, 1515 und vom 8. September 2011 - V R 43/10, BFHE 235, 501).
17
cc) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Vorsteuerabzug dann zu versagen, wenn der Steuerpflichtige - im unionsrechtlichen Sinne - selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist und er deswegen als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen ist (EuGH, Urteil vom 6. Juli 2006 in den Rechtssachen C-439/04 und C-440/04 „Kittel und Recolta Recycling“, Slg. 2006, I-6161, Rn. 53, 55 f.; vgl. auch EuGH, Urteile vom 6. Dezember 2012 in der Rechtssache C-285/11 „Bonik“, DStRE 2013, 803, Rn. 37 ff. und vom 21. Juni 2012 in den Rechtssachen C-80/11 und C-142/11 „Mahagében und Dávid“, DStRE 2012, 1336 Rn. 42, 45). Demgegenüber wäre es nach der Rechtsprechung des EuGH mit den Regelungen über den Vorsteuerabzug in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie nicht vereinbar, einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Leistenden begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausging oder nachfolgte, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde, durch die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts mit einer Sanktion zu belegen (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Juni 2012 in den Rechtssachen C-80/11 und C-142/11 „Mahagében und Dávid“,DStRE 2012, 1336 Rn. 47 mwN). Denn Wirtschaftsteilnehmer , die alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug - sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug - einbezogen sind, dürfen auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Mai 2006 in der Rechtssache C-384/04 „Federation of Technological Industries u.a.“, Slg. 2006 I-4191 Rn. 33).
18
c) Gemessen an diesen sich aus dem Unionsrecht ergebenden Maßstäben hat es für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug keine Bedeutung, ob der Leistungsempfänger, der eine Lieferung noch „in gutem Glauben“ erhalten hat, nachträglich erkennt, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt hat, der in eine anderweit begangene „Mehrwertsteuerhinterziehung“ einbezogen war. Es verstieße auch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-110/94 „Inzo“, Slg. 1996 I-857 Rn. 21), wenn einem Unternehmer, der von solchen Umständen zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges weder wusste noch hätte wissen müssen, wegen nachträglich eingetretener „Bösgläubigkeit“ rückwirkend das Recht auf den Vorsteuerabzug entzogen werden könnte.
19
d) Trotz des unrichtigen rechtlichen Ansatzes des Landgerichts tragen die Feststellungen in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe den Schuldspruch der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Denn die Urteilsfeststellungen belegen, dass dem Angeklagten bereits seit dem 18. März 2010 und damit in diesen Fällen auch schon beim Warenbezug bekannt war, dass die von ihm geleitete Firma M. OHG (und später auch die M. GmbH) in ein Umsatzsteuerkarussell einbezogen war und die Waren von „missing tradern“ bzw. einem „buffer“ erhalten hatte. Damit fehlte es in diesen Fällen an einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Lieferung an diese Unternehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - 1 StR 24/10, wistra 2011, 264). Indem der Angeklagte in diesen Fällen gleichwohl in den Steueranmeldungen einen Vorsteuerabzug vorgenommen hat, hat er gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben gemacht.
20
e) Soweit der Angeklagte für September 2010 (Fall VIII. 8. der Urteilsgründe ) einen Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Firma Me. in Höhe von 11.337,68 Euro vorgenommen hat, ist den Feststellungen jedoch nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob die Voraussetzungen für eine Versagung des Vorsteuerabzugs vorgelegen haben. Denn das Landgericht hat festgestellt, dass die Lieferbeziehung zu dieser Firma bereits im Februar 2010 (UA S. 13) und damit zu einem Zeitpunkt beendet wurde, als der Angeklagte nach den Feststellungen noch keine Kenntnis von der Einbindung der M. OHG in ein „Umsatzsteuerhinterziehungssystem“ hatte. Es ist daher nicht auszu- schließen, dass sich der Vorsteuerabzug insoweit auf Geschäftsvorfälle vor dem 18. März 2010 bezieht. Dies lässt den Schuldspruch jedoch unberührt, weil die Feststellungen belegen, dass der Angeklagte in der Umsatzsteuervoranmeldung für September 2010 einen unberechtigten Vorsteuerabzug in Höhe von 12.112,50 Euro aus einer Rechnung der Firma H. über eine Lieferung im Juni 2010 vorgenommen hat (UA S. 19).
21
2. Der Schuldspruch in den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
22
a) Auch in den Fällen VIII. 2. und 3. sowie IX. der Urteilsgründe hat das Landgericht bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen eines Vorsteuerabzugs gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG vorgelegen haben, zu Unrecht auf den Zeitpunkt der Einreichung der jeweiligen Steueranmeldung abgestellt, in welcher der Angeklagte den entsprechenden Vorsteuerabzug vorgenommen hat. Maßgeblich für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug war auch hier allein der jeweilige Zeitpunkt des Warenbezugs. Dieser lag aber in diesen Fällen jeweils vor dem 18. März 2010, dem Tag, an dem der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen die Einbindung der M. OHG in Hinterziehungsstrukturen erkannte.
23
Tragfähige Feststellungen zu dem Vorstellungsbild des Angeklagten beim jeweiligen Warenbezug, die in diesen Fällen die Versagung des Vorsteuerabzugs zweifelsfrei rechtfertigen würden, enthalten die Urteilsgründe nicht. Allein der Umstand, dass sich die M. OHG beim Erwerb der Fernseher objektiv an Umsätzen beteiligte, die in Umsatzsteuerhinterziehungen von „missing tradern“ einbezogen waren, rechtfertigt die Versagung des Vor- steuerabzugs nicht. Vielmehr kommt - wie dargelegt - nach der Rechtsprechung des EuGH in solchen Fällen die Versagung des Vorsteuerabzugs nur dann in Betracht, wenn der Leistungsempfänger weiß oder zumindest hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogenen Umsatz beteiligt. Ob dies der Fall ist, hängt von den Gegebenheiten des Einzelfalls ab (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Juni 2012 in den Rechtssachen C-80/11 und C-142/11 „Mahagében und Dávid“, DStRE 2012, 1336), die vom Tatgericht in einer Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände zu würdigen sind. Daran fehlt es hier.
24
Das Landgericht hat zwar hilfsweise ausgeführt, dass der Angeklagte auch jeweils zum Zeitpunkt der Lieferungen nicht „gutgläubig“ gewesen sei, weil er „die Unrichtigkeit der Vorsteuerabzugsberechtigung“ zu diesem Zeit- punkt bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können. Dies wird jedoch nicht näher belegt. Der Senat kann die erforderliche Gesamtwürdigung der Umstände nicht nachholen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. August 1999 - 1 StR 390/99, NStZ 1999, 607). Eine Fallgestaltung, in der bereits auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ohnehin lediglich ein rechtlich vertretbares Ergebnis möglich ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 14. März 2003 - 2 StR 239/02, NStZ 2003, 657), liegt nicht vor.
25
b) Der Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO im Fall VIII. 1. der Urteilsgründe kann gleichfalls keinen Bestand haben.
26
aa) Das Landgericht hat den die Strafbarkeit begründenden Pflichtverstoß darin gesehen, dass der Angeklagte die für Januar 2010 abgegebene Umsatzsteuervoranmeldung nicht gemäß § 153 Abs. 1 AO berichtigt habe, obwohl er nachträglich erkannt habe, dass der dort geltend gemachte Vorsteuerabzug unberechtigt gewesen sei.
27
bb) Gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO hat der Steuerpflichtige, wenn er nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen.
28
cc) Das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Anzeige- und Berichtigungspflicht wird hier jedoch durch die Urteilsfeststellungen nicht belegt. Denn die für Januar 2010 von dem Angeklagten eingereichte Umsatzsteuervoranmeldung wäre nur dann unrichtig, wenn die Voraussetzungen für eine Versagung des Vorsteuerabzugs schon beim Warenbezug gegeben waren. Dies belegen die Urteilsfeststellungen indes nicht, zumal da das Landgericht hinsichtlich der Voraussetzungen für die Versagung des Vorsteuerabzugs zu Unrecht nicht auf das Vorstellungsbild des Angeklagten beim Warenbezug, sondern auf dasjenige bei Einreichung der Steueranmeldungen abgestellt hat.
29
3. Ein Teilfreispruch in den Fällen VIII. 1. bis 3. und IX. der Urteilsgründe kommt nicht in Betracht, da es noch möglich erscheint, dass Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten beim Warenbezug getroffen werden können, die auch insoweit eine Verurteilung rechtfertigen (vgl. auch BGH, Urteile vom 26. Juli 2012 - 1 StR 492/11, wistra 2012, 477 und vom 7. März 1995 - 1 StR 523/94, BGHR StPO § 354 Abs. 1 Freisprechung 1). Das Landgericht hat - wie dargelegt - selbst darauf hingewiesen, dass Anhaltspunkte dafür bestehen , dass der Angeklagte schon vor dem 18. März 2010 die „Unrichtigkeit der Vorsteuerabzugsberechtigung hätte erkennen können“. Eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) kommt dabei nur in Betracht, wenn mindestens bedingter Hinterziehungsvorsatz vorliegt; für den Ordnungswidrig- keitentatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) genügt Leichtfertigkeit.
30
4. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
31
a) Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen VIII.1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen und zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
32
b) Der Einzelstrafausspruch im Fall VIII. 8. der Urteilsgründe ist schon deswegen aufzuheben, weil es zum Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Firma Me. an Feststellungen zum zugrunde liegenden Leistungszeitpunkt fehlt. Vom Vorstellungsbild des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt kann aber aus den genannten Gründen die Berechtigung zum Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG abhängen. Damit ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht in diesem Fall den Schuldumfang unrichtig bestimmt hat.
33
c) Der Senat hebt auch die übrigen Einzelstrafen auf, da nicht auszuschließen ist, dass diese in ihrer Höhe durch die aufgehobenen Einzelstrafen im Ergebnis beeinflusst sind (vgl. BGH, Urteile vom 7. Februar 2012 - 1 StR 525/11, wistra 2012, 236 und vom 16. Mai 1995 - 1 StR 117/95). Bei den dem Angeklagten zur Last liegenden Taten handelt es sich um eine Serie gleichartiger Taten, die in einem inneren Zusammenhang stehen.
34
Im Übrigen bestehen gegen die Strafzumessung auch deshalb Bedenken , weil das Landgerichtzum Nachteil des Angeklagten gewertet hat, dass er - außer hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 2010 - mit direk- tem Vorsatz gehandelt habe, wobei er sich im Wissen um die Zusammenhänge gezielt aus eigenem Gewinnstreben dem Umsatzsteuerkarussellsystem angeschlossen habe. Aus den Ausführungen des Landgerichts wird nicht hinreichend deutlich, ob es insoweit allein auf die Vorsatzform abgehoben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 1990 - 3 StR 313/90, BGHR § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 4) oder - was erforderlich wäre - eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1992 - 1 StR 708/91, BGHR § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 5; vgl. auch Schäfer/ Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 618).
35
5. Zwar beruht die Teilaufhebung des Urteils allein auf Wertungsfehlern des Landgerichts. Da das Landgericht aber ausgehend von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz zum Vorstellungsbild des Angeklagten Feststellungen bezogen auf die falschen Zeitpunkte getroffen hat, bedarf es weiterer Feststellungen zu den Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs in den Fällen VIII. 1. bis 3. und IX. der Urteilsgründe. Um dem neuen Tatgericht eine bruchlose und widerspruchsfreie Würdigung des Beweisergebnisses auf der Grundlage der für die maßgeblichen Zeitpunkte zu treffenden neuen Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat in den Fällen, in denen der Schuldspruch keinen Bestand hat, auch die zugrunde liegenden Feststellungen auf.
36
Aufzuheben sind daher die Feststellungen zu den Fällen VIII. 1. bis 3. sowie IX. der Urteilsgründe einschließlich derjenigen zur Strafzumessung. Im Hinblick darauf, dass die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen vom fehlerhaften rechtlichen Ansatz der Strafkammer nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO), bleiben diese jedoch aufrechterhalten. Ausgenommen sind die Feststellungen zur Höhe der Umsätze mit der Firma Me. im Jahr 2009, weil diese im Hinblick auf den Anteil der in den Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuern im Verhältnis zu den Gesamtrechnungsbeträgen nicht ohne weiteres nachvollziehbar sind (UA S. 12).
37
Soweit der Strafausspruch auch in den Fällen VIII. 4. bis 10. der Urteilsgründe , in denen der Schuldspruch Bestand hat, und betreffend die Gesamtstrafe aufgehoben wird, bedarf es im Hinblick auf die allein vorliegenden Wertungsfehler keiner Aufhebungen von Feststellungen. Ausgenommen sind die bislang lückenhaften Feststellungen zu den Lieferungen der Firma Me. im Fall VIII. 8. der Urteilsgründe.
38
Auch soweit die Feststellungen Bestand haben, darf das neue Tatgericht ergänzende Feststellungen treffen, die zu bisherigen nicht im Widerspruch stehen.
Raum Graf Jäger
Radtke Mosbacher

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die 1997 gegründet und ins Handelsregister eingetragen wurde. Das Stammkapital betrug 50.000 DM. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war X, der daneben die Firma X, Beschriftungen/Siebdruck betrieb. Gegenstand des Unternehmens war lt. Gewerbeanmeldung und Gesellschaftsvertrag der Handel mit Computerteilen. Das Geschäft wurde mit zwei Angestellten --Y und Z-- geführt. Während X für die finanzielle Abwicklung der einzelnen Geschäfte verantwortlich war, waren Y und Z für den laufenden Geschäftsbetrieb zuständig. Z hatte im Gegensatz zu Y, der dies nicht wollte, eine umfassende Vertretungsmacht für den Handel mit Computerprozessoren (CPU).

2

Vor ihrer Tätigkeit bei der Klägerin waren Y und Z bei der Firma A beschäftigt. Die Beschäftigungsverhältnisse endeten, nachdem der Geschäftsführer dieser Firma wegen Steuerhinterziehung inhaftiert worden war. Davor hatte Y bereits bei Computerfirmen im Vertrieb gearbeitet.

3

Im Anschluss an eine Prüfung der Steuerfahndungsstelle erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) am 4. Juli 2003 geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1999 und 2000 sowie am 7. Juli 2003 geänderte Bescheide über die Festsetzungen der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Januar und Februar 2001, welche zwischenzeitlich durch den Jahressteuerbescheid 2001 vom 11. Oktober 2006 ersetzt wurden. Hintergrund waren Feststellungen der Steuerfahndung, wonach die Klägerin in den Streitjahren erhebliche nichtabzugsfähige Vorsteuern geltend gemacht hatte. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Beträge: 20.071.462,08 DM im Jahr 1999, 20.777.535,11 DM im Jahr 2000 und 2.095.858,12 DM bei den Voranmeldungen für die Monate Januar und Februar 2001.

4

Nach den Ermittlungen der Steuerfahndung hat sich die Klägerin an einem betrügerischen europaweiten Umsatzsteuerkarussell beteiligt. Dabei werden Waren aus einem anderen Mitgliedstaat an einen Erwerber im Inland steuerfrei geliefert. Der Erwerber (sog. "Missing Trader") veräußert die Ware mit einem geringen Aufschlag an einen Abnehmer (sog. "Buffer I"), der den in der Rechnung des "Missing Trader" ausgewiesenen Steuerbetrag als Vorsteuer abzieht. Der "Missing Trader" zahlt --wie von vornherein beabsichtigt-- keine Umsatzsteuer und ist nicht zu belangen, weil er nicht auffindbar ist. Der "Buffer I" veräußert die Ware an einen sog. "Buffer II" Die Waren werden schließlich nach dem Vorsteuerabzug durch den "Buffer II" von diesem an einen Exporteur (sog. Distributor) veräußert, der sie wieder steuerfrei in den Ausgangsmitgliedstaat liefert und die ihm berechnete Umsatzsteuer als Vorsteuer abzieht.

5

Nach den Feststellungen der Steuerfahndung nahm die Klägerin  innerhalb des Karussells die Stellung eines sog. "Buffer II" ein. Sie bezog dabei ihre Waren nahezu ausschließlich von einem anderen "Buffer", der Firma B, und verkaufte die erworbenen Computerteile an weitere, an dem Karussell als sog. Distributoren beteiligte Firmen, insbesondere auch an die Firma C. Hierbei war es nach Ermittlungen der Steuerfahndung zu Doppel- und Mehrfachdurchläufen derselben Ware gekommen. Auch nach den Feststellungen im Urteil der 3. Strafkammer des Landgerichts L gegen Verantwortliche der Firma B war die Klägerin an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt. Ein deswegen gegen X eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde mit Verfügung vom 21. März 2003 nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt; das Verfahren gegen Z wurde gegen Zahlung einer Geldauflage von 2.500 € nach § 153a StPO eingestellt. Das Verfahren gegen Y wurde nach dessen Tod gleichfalls eingestellt.

6

Gegen die geänderten Bescheide erhob die Klägerin eine Untätigkeitsklage. Während des Klageverfahrens wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

7

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem am 1. Oktober 2007 verkündeten Urteil als unbegründet ab und ließ die Revision zu. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 574 veröffentlicht.

8

Infolge der mündlichen Verhandlungen beim FG ergingen im Wege einer teilweisen Abhilfe des FA am 22. Oktober 2007 geänderte Umsatzsteuerjahresbescheide für die Jahre 1999, 2000 und 2001.

9

Zur Begründung der Revision beruft sich die Klägerin im Wesentlichen darauf, dass das FA die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zum rechtsmissbräuchlich erschlichenen Vorsteuerabzug bei Beteiligung an Karussellgeschäften für die hier erstmals zu entscheidende Fallgestaltung überinterpretiert habe. Sie habe als sog. "Buffer II" keinen Kontakt zur "Missing Trader"-Ebene gehabt und sei ihren steuerlichen Verpflichtungen mit im Prüfungszeitraum angemeldeter und abgeführter Umsatzsteuer von ca. 43,5 Mio. DM und vollständiger Gewinnversteuerung sorgfältig nachgekommen. Die Firma B als Hauptlieferant habe die aus den Ausgangsrechnungen an sie resultierende Umsatzsteuer gleichfalls angemeldet und abgeführt, auch wenn die Vorsteuer aus den Rechnungen der "missing trader" zu Unrecht in Anspruch genommen worden sei. Zu einer strafrechtlichen Verurteilung sei es nicht gekommen. In dieser Konstellation den Vorsteuerabzug wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Steuerpflichtigen zu versagen, sei insbesondere mit dem Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer nach Art. 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) unvereinbar. In verfassungsrechtlicher Hinsicht sei insoweit neben der in Art. 14 des Grundgesetzes (GG) verankerten Eigentumsgarantie auch das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG im Hinblick auf die gebotene Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und das Verbot unzulässiger Rückwirkung durch Rückverlagerung des neuen § 25d des Umsatzsteuergesetzes 1999 in der ab 2002 geltenden Fassung (UStG) auf einen Altsachverhalt betroffen. Ferner stelle sich die Frage, ob mit der Streichung des Vorsteuerabzugs in dieser Dimension nicht eine erdrosselnde wirtschaftliche (Straf-)Sanktion trotz fehlender Strafbarkeit verhängt werde, welche zwar dem Wortlaut nach nicht gegen den Grundsatz "nulla poena sine lege" nach Art. 103 Abs. 2 GG verstoße, allerdings möglicherweise den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletze.

10

Der EuGH habe bereits in seinem Urteil vom 12. Januar 2006 Rs. C-354/03, C-355/03 und C-484/93 --Optigen-- (Slg. 2006, I-483) geklärt, dass das Recht eines Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug nicht dadurch berührt werde, dass in der Lieferkette, zu der diese Umsätze gehörten, ein anderer Umsatz vorausgehe oder nachfolge, welcher mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sei, ohne dass der Steuerpflichtige hiervon Kenntnis habe oder haben könne. Das Urteil des EuGH vom 6. Juli 2006 Rs. C-439/04 und C-440/04 --Kittel und Recolta Recycling-- (Slg. 2006, I-6161) zeige, dass nichts anderes gelte, wenn solche Umsätze im Rahmen eines vom Verkäufer begangenen Betrugs ausgeführt würden. Dabei sei insbesondere das Neutralitätsprinzip zu beachten. Dies verbiete nach ständiger Rechtsprechung des EuGH eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten und unerlaubten Geschäften. Deshalb müssten Wirtschaftsteilnehmer, die alle Maßnahmen getroffen hätten, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden könnten, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen seien, auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen dürfen, ohne Gefahr zu laufen, ihr Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren.

11

Im Streitfall müsse sie, die Klägerin, mangels "Kennenmüssens" ihres Geschäftsführers, dessen strafrechtliches Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, als gutgläubig gelten. Denn es sei der Rechtsgedanke des § 69 der Abgabenordnung heranzuziehen, wonach es wegen der damit verbundenen Haftung lediglich auf die Kenntnis oder das "Kennenmüssen" des Geschäftsführers ankommen könne.

12

Das FG habe bei seiner Beweiswürdigung auch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen.

13

Mit Schriftsätzen vom 7. Januar 2010 und vom 12. Mai 2010 trägt die Klägerin ergänzend vor, dass das Vorhandensein von Doppel- und Mehrfachdurchläufen in diesem Verfahren --wie auch bei anderen Verfahren zu Umsatzsteuerkarussellgeschäften-- eine entscheidende Rolle gespielt habe. So hätten Fehlein-schätzungen des FA (nicht vorhandene Mehrfachdurchläufe, nicht kriminelle Vortaten in der Kette) schon während des finanzgerichtlichen Verfahrens zu einer Teilabhilfe der ursprünglich zurückgeforderten Vorsteuerbeträge von 10 % (insgesamt ca. 5 % des Gesamtvolumens) geführt. Sie habe zwischenzeitlich Erkenntnisse gewonnen, die den Beweiswert der diese Mehrfachdurchläufe dokumentierenden Kopien der Boxetiketten der an- und verkauften Warenpakete in Frage stellten. Diese Kopien seien aus Beweiszwecken für etwaige Kundenreklamationen zwar ursprünglich in ihrem Büro gefertigt und auch dort von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden. Die Steuerfahndung habe die Ermittlungsakten betreffend die nicht streitbefangenen Vorjahre 1997 und 1998 aber erst nach der mündlichen Verhandlung des FG vollständig zurückgegeben. Daraus ergebe sich nun folgendes Bild: Die Kopien der Vorjahre 1997 und 1998 sähen anders aus als diejenigen der Streitjahre, die als Beweismittel den Berichten der Steuerfahndung und dem FG-Urteil zugrunde gelegt worden seien. Während die Kopien der Vorjahre 1997 und 1998 ab Mitte 1997 weiße Zwischenräume zwischen den einzelnen Boxlabeln aufwiesen, seien die sonstigen Kopien aus den Streitjahren 1999 und 2000 mit schwarzen Zwischenräumen versehen. Dies sei auffällig. Denn ihr Geschäftsführer habe ab Mitte 1997 auf dem Kopiergerät mit Krepppapier eine "Maske" gefertigt, um Toner zu sparen. Ab diesem Zeitpunkt seien auf den Kopien daher nur noch weiße Zwischenräume zwischen den einzelnen Boxetiketten sichtbar gewesen, nicht jedoch schwarze Zwischenräume, wie dies bei den in den Ordnern der Streitjahre befindlichen Kopien der Fall sei. Es komme hinzu, dass die in den Ordnern der Streitjahre befindlichen Kopien abweichend von der bei ihr üblichen Praxis teilweise doppelseitig seien und mehr als 3 Boxetiketten auf einer Seite enthielten, was bei den ursprünglichen Kopien nicht der Fall gewesen sei. Ihre Recherchen hätten ergeben, dass die ursprünglichen Kopien von den Ermittlungsbehörden nochmals vervielfältigt worden seien. Die genannten Umstände stellten den Beweiswert der für die Streitjahre vorhandenen Kopien in Frage. Da sie diese Erkenntnisse erst nach vollständiger Akteneinsicht nach dem Ende der mündlichen Verhandlung beim FG habe gewinnen können, sei insoweit eine neue Beweisaufnahme beim FG durchzuführen. Die Berücksichtigung neuer tatsächlicher Erkenntnisse sei auch nach dem Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens beim FG ausnahmsweise "im Sinne des Rechtsgedankens des § 580 Nr. 2 und 7b" der Zivilprozessordnung (ZPO) möglich (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Mai 2008 XI B 211/07). Das FG-Urteil sei insoweit aus formellen Gründen aufzuheben.

14

Ferner rechtfertigten die Feststellungen des FG keine vollständige Versagung des Vorsteuerabzugsrechts. Denn das FG habe entsprechend den Feststellungen der Steuerfahndung nur einen Umfang an Doppel- und Mehrfachdurchläufen von ca. 8 % in 1999, von 15 % in 2000 und von 5,13 % in 2001 angenommen. Da die übrigen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugsrechts erfüllt seien, dürfe die Klage allenfalls nur teilweise abgewiesen werden.

15

Schließlich sei ggf. eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) geboten. Denn der EuGH habe --soweit ersichtlich-- über die Anwendung der Rechtsgrundsätze seiner bisherigen Urteile zum Missbrauch des Vorsteuerabzugsrechts (EuGH-Urteile in Slg. 2006, I-483, und in Slg 2006, I-6161) beim Umsatzsteuerkarussell auf den sog. "Buffer II" noch nicht entschieden. Eine Abrundung der bisherigen Rechtsprechung des EuGH wäre gerade im Hinblick auf die bereits dargestellten Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit und zum Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer wünschenswert. Außerdem sei in diesem Zusammenhang der Begriff "means of knowledge" in der Rechtsprechung des EuGH insofern noch nicht abschließend geklärt, als Zweifel bestünden, ob die vom Dienst der Europäischen Union (EU) vorgenommene Übersetzung in die deutsche Sprache mit "wissen müssen" oder "wissen können" zutreffend sei. Auch dies sei klärungsbedürftig (vgl. Weber, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2009, 834 ff.).

16

Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen,

hilfsweise, das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide für 1999, 2000 und 2001 vom 22. Oktober 2007 dahingehend zu ändern, dass weitere Vorsteuerbeträge jeweils in Höhe von 18.314.273 DM (9.363.939,09 €) in 1999, 20.032.663 DM (10.242.537,95 €) in 2000 und 1.833.552 DM (937.480,25 €) in 2001 zum Abzug zugelassen werden.

17

Höchst hilfsweise regt sie an, das Verfahren auszusetzen und im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens den EuGH anzurufen und folgende Rechtsfrage vorzulegen:

18

"Wie sind die Rechtsprechungsgrundsätze zur Versagung des Vorsteuerabzugs, wenn der Leistungsempfänger wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich an betrugsbehafteten Umsätzen beteiligt, auszulegen oder zu konkretisieren?"

19

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

20

II. Die Revision der Klägerin führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sie ist jedoch in der Sache unbegründet.

21

1. Das FG hat über die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerbescheide vom 4. Juli 2003 betreffend die Streitjahre 1999 und 2000 und vom 11. Oktober 2006 zum Streitjahr 2001 entschieden. An die Stelle dieser Bescheide traten nach Verkündung des FG-Urteils gemäß § 68 Satz 1, § 121 Satz 1 FGO die Änderungsbescheide vom 22. Oktober 2007. Damit liegen dem FG-Urteil nicht mehr existierende Bescheide zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil keinen Bestand mehr haben kann (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695, m.w.N.).

22

Einer Zurückverweisung an das FG lediglich aus formalen Gründen nach § 127 FGO bedarf es nicht, weil sich durch die Änderungsbescheide der bisherige Streitstoff nicht verändert hat. Der erkennende Senat entscheidet deshalb in der Sache selbst (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 100 FGO).

23

2. Das FG hat zu Recht die (objektiven) Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG bejaht und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen Vorsteuerabzug wegen "Bösgläubigkeit" versagt.

24

a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

25

Der dieser nationalen Vorschrift zu Grunde liegende Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG bestimmt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Der Steuerpflichtige ist danach befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer u.a. die (im Inland) geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden, soweit sie für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden (Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG).

26

Im Streitfall verfügt die Klägerin nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG über den formalen Anforderungen des § 14 UStG genügende Rechnungen ihrer Lieferanten über die Lieferungen von CPUs. Die Lieferanten waren auch Unternehmer. Ferner sind die in den Rechnungen ausgewiesenen CPUs an die Klägerin tatsächlich geliefert und von dieser nach Veräußerung weitergeliefert worden.

27

Der Annahme von Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1 UStG an die Klägerin steht nicht entgegen, dass der Geschäftsführer ihrer Hauptlieferantin wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist. Zwar ist nach der Rechtsprechung des EuGH der Begriff der Lieferung bei einem mit einem Mehrwertsteuerbetrug behafteten Umsatz nicht erfüllt (vgl. Urteil vom 21. Februar 2006 Rs. C-255/02 --Halifax--, Slg. 2006, I-1609, Randnr. 59). Es ist aber zu berücksichtigen, dass jeder Umsatz in einer Lieferkette für sich zu betrachten ist; Umsätze, die nicht selbst mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sind, sind eine wirtschaftliche Tätigkeit eines Steuerpflichtigen und stellen Lieferungen dar (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-483, Randnrn. 47, 49 und 51). Die Lieferanten der Klägerin haben nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ihre Lieferungen in ihren Steuererklärungen angemeldet und die Umsatzsteuer abgeführt, sodass diese Umsätze nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz nicht selbst mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet und Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1 UStG sind.

28

b) Die Entscheidung des FG, der Vorsteuerabzug sei gleichwohl zu versagen, hält ebenfalls einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

29

aa) Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH in den Urteilen in Slg. 2006, I-483 und in Slg. 2006, I-6161 ist nach dem BFH-Urteil vom 19. April 2007 V R 48/04 (BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315) der Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war.

30

bb) Im Streitfall ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin hinsichtlich der Kenntnis oder des "Kennenmüssens" der objektiven Umstände, wonach sie an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt war, nicht nur das etwaige Wissen ihres Geschäftsführers als ihres gesetzlichen Vertreters nach § 35 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sondern auch das ihrer sonstigen Angestellten in analoger Anwendung von § 166 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zuzurechnen ist. Dies beruht auf der Erwägung, dass derjenige, der sich zur Erfüllung seiner Verpflichtungen eines anderen bedient, nicht besser stehen darf als derjenige, der diese Verpflichtungen selbst erfüllt. Daher ist für die entsprechende Anwendung von § 166 BGB das Bestehen eines Vertretungsverhältnisses nicht maßgeblich (vgl. BFH-Urteile vom 29. Juli 2003 VII R 3/01, BFHE 203, 222, und vom 26. April 1988 VII R 124/85, BFHE 153, 463). Eine Wissenszurechnung kommt jedoch nach wertender Beurteilung nur für die Kenntnisse in Betracht, welche die Mitarbeiter infolge der vorgesehenen Arbeitsteilung und Organisation des Betriebs im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit erlangt haben (MünchKommBGB/Schramm, 5. Aufl., § 166 Rz 20, 24, 25, und Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 31. Januar 2006  4 U 423/04, OLG-Report Saarbrücken 2006, 944, Rz 48, m.w.N.) oder hätten erlangen müssen.

31

Im Streitfall hat das FG festgestellt, dass X für die finanzielle Abwicklung der einzelnen Geschäfte verantwortlich war; für den laufenden Geschäftsbetrieb seien hingegen Y und Z zuständig gewesen. Z hatte darüber hinaus umfassende Vertretungsmacht für den Handel mit CPUs. Y war zwar nicht vertretungsberechtigt, hat aber nach eigenem Vortrag des X den Betrieb tatsächlich geführt, d.h. X hat sich seiner im rechtsgeschäftlichen Verkehr wie eines Vertreters bedient.

32

Diese Umstände rechtfertigen die Annahme des FG, der Klägerin sei auch ein "Wissenmüssen" des Y und der Z zuzurechnen.

33

cc) Die Würdigung des FG, Y und Z hätten zumindest wissen müssen, dass die Klägerin sich mit ihrem jeweiligen Erwerb an einem Umsatz beteiligt habe, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen gewesen sei, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315, unter II.3.a). Die Beweiswürdigung des FG kann im Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden, ob Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorgekommen sind; die Würdigung des FG muss denkgesetzlich möglich, jedoch nicht die einzig in Betracht kommende sein (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23. November 1995 IV R 75/94, BFHE 179, 307, BStBl II 1996, 194).

34

Im Streitfall hat das FG seine Überzeugung, Y und Z hätten von der Einbeziehung der umstrittenen Umsätze in einen Mehrwertsteuerbetrug wissen müssen, nach Durchführung umfangreicher Beweisaufnahmen aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) gewonnen. Es hat im Wege einer Gesamtbetrachtung darauf abgestellt, dass Y und Z von Doppel- und Mehrfachdurchläufen der CPUs Kenntnis gehabt hätten, Y insoweit auch ein "Problembewusstsein" gehabt habe und dass bei den unter den "Original-Equipment-Manufacturer"-Preisen liegenden Einkaufspreisen schnell --und wegen der festen Gewinnaufschlagssätze und der festen Lieferbeziehungen-- praktisch ohne Risiko hohe Umsätze und Gewinne erzielt worden seien. Die Würdigung des FG, diese Umstände hätten einen ordentlichen Kaufmann misstrauisch machen müssen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung am oben dargestellten Maßstab stand:

35

(1) Einen Verfahrensfehler des FG hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Soweit sie die Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO wegen des Unterlassens der Einvernahme der Umsatzsteuer-Sonderprüfer als Zeugen rügt, hat sie die Rüge nicht in zulässiger Weise erhoben, weil sie nicht hinreichend dargetan hat, weshalb sich dem FG die Einvernahme dieser Zeugen hätte aufdrängen müssen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43, m.w.N.).

36

(2) Die Annahme des FG, angesichts der festgestellten Tatsachen habe die Einholung von Bankauskünften und Handelsregisterauszügen zu Beginn der Geschäftsbeziehung nicht ausgereicht, um die Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung auszuschließen, steht nicht im Widerspruch zu Erfahrungssätzen oder Denkgesetzen, sondern ist denkgesetzlich möglich und nachvollziehbar.

37

(3) Ein Verstoß der angefochtenen Entscheidung gegen einen Erfahrungssatz lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass das FG München in seinem zu einem Umsatzsteuerkarussell ergangenen Urteil vom 8. Februar 2007  14 K 1898/04 (EFG 2007, 881) Mehrfachdurchläufen von 2 % keine ausreichende Indizwirkung für ein "Wissenmüssen" beigemessen hat. Denn anders als dort hat das FG im Streitfall nicht allein auf das Vorhandensein und die Kenntnis der Angestellten von Mehrfachdurchläufen, sondern zusätzlich darauf abgestellt, dass Y aufgrund seiner Branchenkenntnisse die Mehrfachdurchläufe als Problem erkannt und deshalb auf diese ungehalten reagiert, aber gleichwohl an der Lieferfirma festgehalten habe.

38

(4) Auch der Hinweis der Klägerin, dass mehrere Umsatzsteuer-Sonderprüfungen bei ihr zu keinen Beanstandungen geführt hätten, rechtfertigt es nicht, die Würdigung des FG, Y und Z hätten von der Einbeziehung der umstrittenen Umsätze in einen Mehrwertsteuerbetrug wissen müssen, zu beanstanden. Denn diese Sonderprüfungen haben sich auf das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG und die korrekte Versteuerung der eigenen Umsätze der Klägerin und nicht auf eine eventuelle "Bösgläubigkeit" ihres Geschäftsführers und ihrer Angestellten bezogen.

39

(5) Auch das Vorbringen der Klägerin in ihren nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsätzen vermag der Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen.

40

Aus § 118 Abs. 2 FGO wird der Rechtsgrundsatz abgeleitet, dass neues tatsächliches Vorbringen zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Rechts im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt u.a. zwar im Hinblick auf Tatsachen, deren Beachtung sonst im Wege der Restitutionsklage gegen das Urteil des FG durchgesetzt werden könnte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Oktober 1999 VII R 152/97, BFHE 191, 140, BStBl II 2000, 93, m.w.N.). Dieser Ausnahmetatbestand liegt im Streitfall aber nicht vor.

41

- Nach § 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 2 ZPO findet eine Restitutionsklage statt, wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war. Dafür ist nach § 581 Abs. 1 ZPO aber Voraussetzung, dass wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder dass die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Die Klägerin hat zwar ausgeführt, dass sie eine Fälschung der von ihr angefertigten Kopien für möglich hält, sie hat aber nicht dargelegt, dass deswegen eine Verurteilung erfolgt ist oder die weiteren Voraussetzungen des § 581 Abs. 1 ZPO erfüllt sind.

42

Darüber hinaus ist nach § 582 ZPO die Restitutionsklage nur zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Im Streitfall hätte die Klägerin schon im Klageverfahren auf die unterschiedliche Art der Kopien und die daraus von ihr gezogene Schlussfolgerung einer Fälschung aufmerksam machen können. Denn nicht nur in den Aktenordnern für die Jahre 1997 und 1998, sondern auch in den vom FG zum Verfahren beigezogenen Akten für das Streitjahr 1999 haben sich Kopien mit weißen Zwischenräumen befunden (vgl. Seite 4 des Schriftsatzes der Klägerin vom 7. Januar 2010).

43

- Auch der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO liegt nicht vor. Danach findet die Restitutionsklage statt, wenn die Partei eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass die unterschiedliche Art der Kopien in den Aktenordnern der Jahre 1997 und 1998 gegenüber den Kopien in den Aktenordnern für die Streitjahre zu einer günstigeren Entscheidung für die Klägerin geführt hätte. Denn das FG hat seine Entscheidung über die Kenntnis der Angestellten der Klägerin von Mehrfachdurchläufen nicht aus einem bestimmten Prozentsatz von Mehrfachdurchläufen abgeleitet, der sich aus den Kopien der Boxetiketten ergab. Es hat seine Überzeugung vielmehr auf die Aussagen mehrerer Zeugen über die Mehrfachdurchläufe und die Reaktion des Y darauf sowie auf die eigenen Aussagen des Y und der Z gestützt (vgl. Seite 16 des Urteils).

44

Außerdem war die Klägerin auch nicht ohne ihr Verschulden außerstande, bereits im Klageverfahren auf die Unterschiede bei den Kopien hinzuweisen, da sich --wie oben ausgeführt-- Kopien mit weißen Zwischenräumen auch in den im Klageverfahren beigezogenen Akten für das Streitjahr 1999 befunden haben.

45

3. Das Begehren der Klägerin, zumindest teilweise weitere Vorsteuerbeträge zu berücksichtigen, ist nicht gerechtfertigt. Soweit die Klägerin zur Begründung auf die Prozentsätze der Doppel- und Mehrfachdurchläufe verweist, ist dies für die Höhe der abziehbaren Vorsteuern nicht entscheidungserheblich. Denn der Vorsteuerabzug ist nicht nur bei Doppel- und Mehrfachdurchläufen zu versagen, sondern bei allen Geschäften, bei denen der Steuerpflichtige wusste, wissen konnte oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist (vgl. oben unter II.2.b aa). Dazu hat das FG festgestellt, dass bei sämtlichen Liefervorgängen, bei denen die Vorsteuer nicht zum Abzug zugelassen worden ist, Lieferanten involviert waren, bei denen die "Missing-Trader-Eigenschaft" feststeht (Seite 15 des Urteils). An diese Feststellung ist der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden.

46

4. Soweit die Klägerin ausführt, wegen ihrer relativ entfernten Stellung zum sog. "Missing Trader" als sog. "Buffer II" sei die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts im Streitfall unverhältnismäßig und verstoße gegen das Prinzip der Rechtssicherheit, kann ihr Vortrag schon deshalb keinen Erfolg haben, weil diese Rechtsfolge als Ausnahme von dem Neutralitätsprinzip im Einklang mit der zitierten einschlägigen Rechtsprechung des EuGH zur Versagung des Vorsteuerabzugsrechts bei einer Beteiligung des Unternehmens an einem betrügerischen Umsatzsteuerkarussell steht (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2006, I-483, und in Slg. 2006, I-6161).

47

5. Es besteht auch keine Veranlassung, den EuGH erneut nach Art. 267 AEUV im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens anzurufen. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin hat der EuGH bereits ausdrücklich geklärt, dass ein Missbrauch des Vorsteuerabzugsrechts auch gegeben sein kann, wenn "ein anderer Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet ist" und "dieser Steuerpflichtige hiervon Kenntnis hat oder haben kann" (EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-483). Diese Formulierung umfasst auch Eingangsbezüge des sog. "Buffer II", der nicht in einer unmittelbaren Lieferbeziehung zum sog. "Missing Trader" steht.

48

Zweifel an der Auslegung des für die Entscheidung des Streitfalls maßgeblichen Gemeinschaftsrechts ergeben sich auch nicht aus dem Hinweis der Klägerin auf den Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 7. Juli 2009  1 StR 41/09 (Deutsches Steuerrecht 2009, 1688) zur Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung bei kollusivem Zusammenwirken der Beteiligten zur Hinterziehung von Mehrwertsteuer im Mitgliedstaat des Erwerbers. Die Rechtsfragen in dem vom BGH vorgelegten Fall sind mit denen des Streitfalls nicht vergleichbar. Denn dort ist nicht der Vorsteuerabzug, sondern die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung streitig, wenn feststeht, dass die Lieferung tatsächlich in einen anderen Mitgliedstaat erfolgt ist, so dass der steuerliche Schaden --anders als im Streitfall-- allein im Ausland eingetreten ist.

49

Soweit die Klägerin ausführt, es sei zweifelhaft, ob die vom Übersetzungsdienst der EU vorgenommene Übersetzung von "means of knowledge" in die deutsche Sprache mit "wissen müssen" oder "wissen können" zutreffend sei (vgl. hierzu Weber, UR 2009, 834 ff.), ist nicht dargetan oder ersichtlich, inwiefern diese begriffliche Unterscheidung im Streitfall erheblich sein könnte.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

5 StR 90/08

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 1. April 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Betrugs
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. April 2008

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 1. August 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Betrugs in drei Fällen schuldig ist, und
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gewerbsmäßigen“ Betrugs in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und zwei Monaten verurteilt und daneben gegen ihn ein Berufsverbot ausgesprochen. Die auf die Sachrüge und Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Annahme von Tatmehrheit in den Fällen 1 bis 14 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Senat ändert die Verurteilung insoweit auf Tateinheit ab. Es ist auszuschließen, dass der Angeklagte sich gegen die Änderung des Konkurrenzverhältnisses wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
3
Nach den Feststellungen führte der Angeklagte die Vermittlungsgeschäfte mit den geschädigten Verkäufern von Personenkraftwagen bzw. in den Fällen 3 und 10 der Urteilsgründe mit den geschädigten Käufern nicht selbst durch, sondern überließ dies innerhalb der von ihm zweimal umbenannten Gesellschaft den von ihm angestellten und angewiesenen gutgläubigen Tatmittlern (§ 263 Abs. 1 StGB i.V.m. § 25 Abs. 1 zweite Variante StGB). Die Feststellungen belegen keinen eigenständigen, nur jeweils einen der Einzelfälle fördernden Tatbeitrag des Angeklagten. Sofern er in Einzelfällen die betrügerisch erlangten Bargelder aus der Firmenkasse entnahm, geschah dies erst nach Tatbeendigung. Damit erschöpften sich die Tatbeiträge des Angeklagten im Aufbau und in der Aufrechterhaltung eines auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebs und sind damit als – uneigentliches – Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (vgl. BGHSt 49, 177, 184; BGHR StGB § 263 Täterschaft 1; BGH NStZ 1996, 296 f.).
4
2. Regelbeispiele sind nicht in der Urteilsformel aufzunehmen. Die Kennzeichnung als „gewerbsmäßig“ hat daher zu entfallen (vgl. auch unten 3b).
5
3. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.
6
a) Die Zusammenziehung der genannten 14 Fälle zu einer Tat ließe für sich genommen den Schuldumfang unberührt (vgl. BGHR StGB § 263 Täterschaft 1; BGH NStZ 1996, 296 f.; BGH, Beschluss vom 9. Januar 2008 – 5 StR 572/07, Rdn. 5). Gleiches gilt in diesem Fallkomplex im Hinblick auf das vom Landgericht zutreffend angenommene Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit. Der Angeklagte beherrschte die GmbH und entzog ihr mittels überhöhter Mietzahlungen und weiterer Scheingeschäfte die zuvor betrügerisch erlangten Kaufpreisgelder (UA S. 15 ff). Vereinnahmt der Angeklagte für eine von ihm beherrschte GmbH Gelder, dann reicht es für die Gewerbsmäßigkeit aus, wenn er sich aus diesen Zahlungen bedient (BGHR StGB § 261 Strafzumessung 2; BGH wistra 2008, 104).
7
Gleichwohl sind sämtliche – angesichts der Schadensbeträge in den Einzelfällen als empfindlich zu bewertenden – Einzelstrafen und die Gesamtstrafe aufzuheben. Dies ist schon deshalb geboten, weil das Landgericht der Strafzumessung einen durch die 16 Betrugstaten verursachten Schaden in Höhe von rund 232.000 Euro zugrundegelegt hat. Tatsächlich errechnet sich jedoch aus den festgestellten Schadensbeträgen in den Einzelfällen eine Summe von rund 157.000 Euro. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Landgericht den zu hoch angesetzten Gesamtschadensbetrag auch bei Verhängung der Einzelstrafen in den Blick genommen hat.
8
b) Hinzu kommt insbesondere, dass die Gewerbsmäßigkeit der Betrugstaten in den Fällen 15 und 16 der Urteilsgründe, für welche das Landgericht allein wegen der Schadenshöhe die höchsten Einzelstrafen verhängt hat, nicht belegt ist (vgl. dazu BGH wistra 2008, 104; 1999, 465; 1994, 230, 232; BGH, Urteil vom 21. Juni 2007 – 5 StR 532/06, Rdn. 27).
9
c) Der Senat hält die bisher getroffenen Feststellungen aufrecht. Er schließt aus, dass sich in einem neuen Rechtsgang in den Fällen 15 und 16 der Urteilsgründe Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit treffen lassen. Das Berufsverbot bleibt unberührt.
10
4. Damit sind drei Einzelstrafen und die Gesamtstrafe unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) neu festzusetzen. Dabei gilt hinsichtlich des ersten Fallkomplexes (Fälle 1 bis 14 der Urteilsgründe), dass die Höhe der bisherigen, nunmehr entfallenen Einzelstrafen überschritten werden darf. Allerdings darf die Summe der bisherigen Einzelstrafen aus den Fällen 1 bis 14 der Urteilsgründe bei der Bemessung der neu festzusetzenden Einzelstrafe nicht überschritten werden (vgl. BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12). Der neue Tatrichter kann zu den aufrechterhaltenen Feststellungen nicht im Widerspruch stehende weitere Feststellungen treffen.
Basdorf Gerhardt Raum Brause Schaal

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.