Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 11. Apr. 2016 - 11 S 393/16

bei uns veröffentlicht am11.04.2016

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Februar 2016 - 6 K 5836/15 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhoben und begründete Beschwerde (vgl. §§ 146 Abs. 4 Sätze 1 bis 3, 147 Abs. 1 VwGO), hat keinen Erfolg. Zwar zieht die Beschwerde mit den dargelegten Gründen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) die angegriffene Entscheidung, mit der es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Ausweisungsverfügung wiederherzustellen und gegen die ebenfalls verfügte Abschiebungsandrohung anzuordnen, erfolgreich in Zweifel (I.). Jedoch erweist sich der Beschluss im Ergebnis als zutreffend (II.).
I.
1. Das Verwaltungsgericht hat u.a. entschieden, dass der Antragsgegner hinsichtlich des Antragstellers eine zutreffende Gefährdungsprognose gestellt habe. Dabei sei das zur Ausweisung führende Strafurteil ausführlich ausgewertet worden. Unter anderem heißt es in dem angegriffenen Beschluss:
„Nach den Feststellungen des Landgerichts Stuttgart … habe der Antragsteller am Tatabend ein Einhandmesser in der Hosentasche mit sich geführt. Das hinter dem Rücken versteckt gehaltene und deshalb von Tatopfer nicht erkennbare Messer habe er aus nichtigem Anlass heimtückisch eingesetzt und es dem Tatopfer wuchtig in den Oberbauch gestoßen.“
Mit der Beschwerde wird hiergegen geltend gemacht, dass der Antragsgegner und das Verwaltungsgericht dem Antragsteller das Tatmerkmal der Heimtücke vorwürfen. Das Landgericht habe den Antragsteller aber nicht wegen versuchten Mordes, sondern wegen versuchten Totschlags verurteilt.
2. Mit diesem zutreffenden Vorbringen zieht die Beschwerde den angegriffenen Beschluss erfolgreich in Zweifel, da der Sache nach ein Verstoß sowohl gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO iVm. § 122 Abs. 1 VwGO als auch gegen Art. 103 Abs. 1 GG dargetan ist, der auch vorliegt.
a) Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen Überzeugung. Ein Mangel bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung liegt u.a. dann vor, wenn die angegriffene Entscheidung auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert (BVerwG, Beschluss vom 23.12.2015 - 2 B 40.14 -, juris Rn. 53 m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.07.2012 - 2 S 1265/12 -, NVwZ-RR 2012, 778). Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch eine Entscheidung aufgrund unzutreffender, aktenwidriger Tatsachengrundlage beinhaltet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugleich einen Verstoß gegen den in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (BVerwG, Urteil vom 15.04.1997 - 8 C 20.96 -, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr 274 m.w.N.).
b) Der angegriffene Beschluss verstößt davon ausgehend gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG, da mit ihm eine aktenwidrige Feststellung zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt getroffen wird. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass die Feststellungen des Antragsgegner-Vertreters im angegriffenen Bescheid vom 2. Oktober 2015 (dort S. 8 unten) zur heimtückischen Verwendung der Tatwaffe zutreffend seien und übernimmt diese auch für sich und die weitere Würdigung. Hingegen hat das Landgericht im seinem Strafurteil vom 21. Januar 2013 ein heimtückisches Handeln des Antragstellers mangels Arglosigkeit des Opfers ausdrücklich verneint (Urteilsabdruck S. 15). Die zutreffende tatsächliche und rechtliche Erfassung der Straftat, die zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt hat, die wiederum der Ausgangspunkt einer Ausweisungsverfügung geworden ist, ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Ausweisungsverfügung zwingend zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu rechnen.
II.
1. a) Ergibt die auf dargelegte Gründe beschränkte Prüfung des Beschwerdegerichts (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), dass die tragende Begründung des Verwaltungsgerichts die Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht rechtfertigt, hat es umfassend zu prüfen, ob vorläufiger Rechtsschutz nach allgemeinen Maßstäben zu gewähren ist (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.03.2013 - 8 S 2504/12 -, VBlBW 2013, 384 m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn der angegriffene Beschluss - wie hier - unter Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG zustande gekommen und dies mit der Beschwerde geltend gemacht worden ist. Eine isolierte Prüfung, ob der Gehörsverstoß sich auch nach der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts auf eine entscheidungserhebliche Tatsache bezieht und die angegriffene Entscheidung also auf dem Grundrechtsverstoß beruht, hat im Unterschied zum Berufungszulassungsverfahren, zur Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und zum Revisionsverfahren (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124a, Rn. 224) zu unterbleiben. Denn im Unterschied zu den genannten Verfahrensarten ist das Beschwerdeverfahren grundsätzlich unmittelbar auf die endgültige Entscheidung über das Rechtsschutzgesuch gerichtet (VGH Bad-Württ., Beschluss vom 27.02.2014 - 8 S 2146/13 -, VBlBW 2015, 78; SächsOVG, Beschluss vom 15.03.2016 - 3 B 302/15 -, juris, Rn. 7, BayVGH, Beschluss vom 19.01.2015 - 10 C 14.1799 -, juris, Rn. 14).
b) Mit der umfassenden Prüfung durch den Senat (unter 2.b)) wird auch der dem angegriffene Beschluss anhaftende Verstoß gegen § 5 Abs. 3 VwGO geheilt.
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Die Kammer in der Besetzung von drei Richterinnen und nicht die Einzelrichterin wäre zur Entscheidung berufen gewesen, da der Beschluss über die Übertragung des Rechtsstreits auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Sachentscheidung selbst noch nicht wirksam geworden war.
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aa) Nach § 5 Abs. 3 Sätze 1 und 2 VwGO entscheidet die Kammer des Verwaltungsgerichts bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung in der Besetzung von drei Richtern. Nach § 6 Abs. 1 und Abs. 4 VwGO soll die Kammer den Rechtsstreit bei Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 durch Beschluss in der Regel einem ihrer Mitglieder übertragen. Der nicht anfechtbare Beschluss ist den Beteiligten in Anwendung von § 173 Satz 1 VwGO iVm. § 329 Abs. 2 Satz 1 ZPO formlos mitzuteilen (BVerwG; Beschluss vom 15.10.2001 - 8 B 104.01 -, NVwZ-RR 2002, 150; Stelkens/Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Mai 2010, § 6, Rn. 46). Der Beschluss über die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter erlangt Wirksamkeit mit seiner Bekanntgabe (BVerwG, Beschluss vom 15.10.2001 - 8 B 104.01 -, NVwZ-RR 2002, 150; BFH, Beschluss vom 10.08.1994 - II R 29/94 -, BFHE 175, 16; aA. <Übergabe an die Geschäftsstelle>: Kronisch, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 6, Rn. 83), wobei teilweise vertreten wird, dass es auf den Beginn der Bekanntgabe durch die Hinausgabe der Entscheidung durch die Geschäftsstelle zur Post zum Zwecke der Bekanntgabe ankomme (VGH Bad.-Württ, Urteil vom 14.09.1993 - 14 S 1312/93 -, ESVGH 44, 81). Von der - hier erheblichen - Wirksamkeit der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter - im Außenverhältnis - ist die für den Spruchkörper eintretende interne Bindung, die durch die dokumentierte Übergabe an die Geschäftsstelle eintreten dürfte (Funke-Kaiser, in: Bader u.a., VwGO, 6. Aufl. 2014, § 6, Rn. 12), zu unterscheiden. Jedenfalls ist ein gleichzeitiges Erlassen des Übertragungsbeschlusses und der Sachentscheidung durch den Einzelrichter unzulässig (Kronisch, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 6, Rn. 84), da in diesem Fall die Bestimmung des gesetzlichen Richters aus der Perspektive der Beteiligten nicht mehr klar und eindeutig möglich wäre. Der Beschluss zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter muss vor der Sachentscheidung durch den Einzelrichter wirksam werden.
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Darüber hinaus kann eine spätere Bekanntgabe nicht zurückwirken; Entscheidungen des Einzelrichters, die dieser vor seiner wirksamen Bestellung trifft, sind auch dann nicht vom zuständigen Richter erlassen, wenn der Übertragungsbeschluss nachfolgend bekannt gegeben wird (Stelkens/Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Mai 2010, § 6, Rn. 46; Funke-Kaiser, in: Bader u.a., VwGO, 6. Aufl. 2014, § 6, Rn. 12; aA. Geiger, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 6, Rn. 10; Gersdorf, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 01.07.2015, § 6, Rn. 18), weil es an einer gesetzlichen Anordnung der Möglichkeit fehlt, gerichtliche Beschlüsse rückwirkend wirksam werden zu lassen.
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bb) Gemessen hieran war die Einzelrichterin zum Zeitpunkt der Übergabe des hier angegriffenen Beschlusses nicht zur Entscheidung berufen. Zunächst ist die Übergabe des Einzelrichterübertragungsbeschlusses vom 9. Februar 2016 an die Geschäftsstelle nicht dokumentiert. Aus der Verfügung der Geschäftsstelle vom 11. Februar 2016 lässt sich entnehmen, dass neben der Endentscheidung auch der Beschluss über die Einzelrichterübertragung an die Beteiligen geschickt wurde („+je EZBs“). Auch ist dokumentiert, dass der angegriffene Beschluss am 11. Februar 2016 bei der Geschäftsstelle eingegangen ist. Damit sind die beiden Beschlüsse zeitgleich - frühestens mit der Herausgabe der Beschlüsse an die Post (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.01.1994 - 6 C 2.92 -, BVerwGE 95, 64) - wirksam geworden, was nach Vorstehendem dazu führt, dass eine Zuständigkeit der Einzelrichterin zum erheblichen Zeitpunkt nicht wirksam begründet worden ist.
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2. Die umfassende Prüfung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO durch den Senat ergibt, dass das Verwaltungsgericht diesen in der Sache zu Recht abgelehnt hat.
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Zutreffend hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers dahingehend aufgefasst, dass er auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Ausweisung als Nr. 1 des Bescheids vom 2. Oktober 2015 (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO iVm § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage gegen die Abschiebungsandrohung einschließlich der gesetzten Ausreisefrist (Nr. 3 und Nr. 4 des Bescheids; § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO iVm. § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO, § 12 LVwVG) gerichtet ist. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist ausweislich des eindeutigen Antrags des Antragstellers im Schriftsatz vom 10. März 2016 die Dauer der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots.
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Zutreffend hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ausweisung durch den Beklagten-Vertreter in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gerecht werdenden Weise begründet worden ist.
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Die vom Senat zu treffende umfassende Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers fällt zu dessen Lasten aus. Der Klage kommen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (vgl. BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261, Rn. 8 und vom 04.10.2012 - 1 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230, Rn. 16) weder gegen die Ausweisungsverfügung (a) noch gegen die Abschiebungsandrohung mit Ausreisefristsetzung (b) Erfolgsaussichten zu. Darüber hinaus liegt auch das erforderliche besondere Vollzugsinteresse vor, das den Vollzug der Ausweisungsverfügung und der Abschiebungsandrohung vor Rechtskraft der Entscheidung im Hauptsacheverfahren rechtfertigt (c).
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a) Die gegen den Antragsteller verfügte Ausweisung ist rechtmäßig ergangen. Ermächtigungsgrundlage für die Ausweisung ist § 53 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 54 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 1a AufenthG in der seit dem 17. März 2016 geltenden Fassung (Art. 1 des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016, BGBl. I., S. 394).
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aa) Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung, nicht mehr eingeräumt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/15 -, juris, Rn. 49; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 5; Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 1, Stand 10.02.2016, Rn. 54 ff.).
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Hier erfüllt das Verhalten des Antragstellers das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und - soweit mit Blick auf Art. 13 ARB 1/80 anwendbar - des § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG (1). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Antragstellers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, hat (2). Der Aufenthalt des Antragstellers gefährdet die öffentliche Sicherheit und Ordnung (3). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung der Rechtsmäßigkeit des weiteren Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4). Auch die hier einschlägigen Vorgaben des § 53 Abs. 3 AufenthG werden durch die Ausweisungsverfügung beachtet (5).
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(1) Beim Antragsteller liegt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor, da er wegen einer vorsätzlichen Straftat - nämlich wegen eines versuchten Totschlags in Tateinheit mit einer gefährlichen Körperverletzung - zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren - nämlich drei Jahren und sechs Monaten - verurteilt worden ist. Damit lag beim Antragsteller auch nach der vom 1. Januar 2016 bis zum 16. März 2016 geltenden Fassung des § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vor. Dort war bei Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse typisiert worden. Jedenfalls diese erste Neufassung des § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist auch unbeschadet der Anwendbarkeit des Art. 13 ARB 1/80 hier einschlägig. Denn der mit der grundlegenden Neuregelung des Ausweisungsrechts durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) einhergehende Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, beinhaltet bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln des Assoziationsrechts (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/15 - juris, Rn. 150).
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Mit der Verurteilung vom 21. Januar 2013 erfüllt der Antragsteller auch den Tatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG, denn er ist wegen einer vorsätzlichen Straftat gegen das Leben zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden und hat die Straftat mit Gewalt begangen. Es kann offen bleiben, ob die Vorschrift des § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG auf den von Art. 13 ARB 1/80 begünstigten Personenkreis anwendbar ist oder sich die nachträgliche Einfügung eines ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse typisierenden Tatbestands als neue Beschränkung der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt im Sinne des Art. 13 ARB 1/80 darstellt, ohne dass dies durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt wäre (siehe zu dieser immanenten Schranke der Stand-Still-Klausel des Art. 13 ARB 1/80: EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C 225/12 - , NVwZ-RR 2014, 115 Rn. 40) mit der Folge, dass dieser Tatbestand außer Anwendung zu bleiben hätte. Ebenso kann offen bleiben, ob die Einführung neuer Ausweisungsinteressen nach dem 1. Januar 2016 überhaupt um eine neue Beschränkung im Sinne der Stand-Still-Klauseln des Assoziationsrechts darstellt oder mit Blick darauf, dass die verschiedenen Ausweisungsinteressen Teil der nach den § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG geforderten Gesamtabwägung sind, deren Ausgang wiederum an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messen ist, soweit eine Privilegierung nach Art. 14 ARB 1/80 vorliegt, eine Neugewichtung von Interessen und Belangen durch den Gesetzgeber vor Art. 13 ARB 1/80 weitgehend unproblematisch erscheint. Denn in den Fällen, in denen durch eine strafrechtliche Verurteilung aufgrund einer Tat im materiellen Sinne mehrere Tatbestände des § 54 AufenthG erfüllt werden, führt dies nicht zu einer typisierten Verstärkung des besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses. Daher kommt es hier nicht darauf an, ob neben § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ein weiterer Tatbestand auf ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse führt oder ob § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG bei Verurteilungen wegen Straftaten gegen das Leben im Verhältnis zu § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG die speziellere Norm ist.
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(2) Dem Antragsteller kommt ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse zu, da dieser im Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsverfügung eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).
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(3) Der Aufenthalt des Antragstellers gefährdet die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG.
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Die hohe vom Antragsteller ausgehende Wiederholungsgefahr folgt aus seiner hohen Aggressivität, die sich in dem der Ausweisung zugrunde liegenden Verbrechen das erste Mal aktenkundig manifestiert hat. Der Senat schließt sich den Ausführungen der 4. großen Jugendkammer des Landgerichts an, wonach bei der Tatbegehung aus nichtigem Anlass die hohe Hemmschwelle eines vorsätzlichen Tötungsdelikts überwunden worden ist. Daraus, dass der Anlass für die Tat und deren Ausführung in keinem auch nur im Ansatz nachvollziehbaren Verhältnis zueinander stehen, schließt auch der Senat darauf, dass beim Antragsteller erhebliche Persönlichkeitsmängel bestehen, die - weiterhin - Anlass zur Befürchtung weiterer gravierender Straftaten geben. Insbesondere hat der Strafvollzug nicht dazu beigetragen, diese vom Aufenthalt des Klägers ausgehende erhebliche Gefahr für Leib und Leben Anderer zu senken. So geht das Amtsgericht Ravensburg in seinem Beschluss vom 22. Juni 2015, mit dem es die Aussetzung der Restjugendstrafe zur Bewährung ablehnt, nach persönlicher Anhörung des Antragstellers davon aus, dieser sich mit seiner Suchtproblematik - während des Vollzuges wurde der Antragsteller einmal positiv auf THC und Subutex getestet und ist damit nicht, wie die Beschwerde irrig behauptet, „im Strafvollzug nie durch … Drogenkonsum aufgefallen“ - nur unzureichend auseinandergesetzt habe und die bei ihm bestehende Gewalt- und Aggressionsproblematik nicht hinreichend therapiert worden sei. Das Landgericht Ravensburg hat diese Entscheidung mit Beschluss vom 1. Juli 2015 bestätigt und betont, dass die Stellungnahme der JVA Ravensburg überdurchschnittlich negativ ausgefallen sei. Die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit stünden auch angesichts der unbehandelt im Raum stehenden Gewalt- und Suchtproblematik einer vorzeitigen Entlassung klar entgegen. Diese Prognosen des Vollstreckungsgerichts haben sich auch noch während des weiteren Vollzugs als zutreffend erwiesen. So ist der Antragsteller am 12. September 2015 in der JVA Ravensburg gegenüber einem Vollzugsbeamten durch Drohung von Anwendung körperlicher Gewalt und durch ein unangepasstes, distanzloses Verhalten aufgefallen. Dies führte zu der Anordnung von zwei Tagen Arrest, dessen Vollzug auf Bewährung ausgesetzt worden ist. Selbst einen Monat vor der Vollverbüßung seiner Strafe, am 17. November 2015, kann es beim Antragsteller zu einem gegen einen Mitgefangenen gerichteten aggressiven Verhalten. Er schlug dabei so heftig gegen eine Glastüre, dass diese zersprang und beleidigte den Mitgefangen u.a. als „Hurensohn“. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Auffassung des Antragsgegner-Vertreters und des Verwaltungsgerichts, dass beim Antragsteller eine bedeutende Wiederholungsgefahr vorliegt, als offenkundig richtig. Unerheblich ist, dass das sich beim Antragsteller zeigende aggressive, gewalttätige Verhalten nicht zu einer strafrechtlichen Verfolgung, sondern allein zu einer disziplinarischen Ahndung geführt hat. Denn für die Bejahung einer Wiederholungsgefahr bedarf es keiner weiteren strafrechtlichen Verurteilungen, sondern der Bewertung der Gesamtpersönlichkeit, für die als ein wesentlicher Gesichtspunkt das Verhalten während des Strafvollzugs heranzuziehen ist.
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Nicht durchzudringen vermag der Antragsteller mit seinem Vortrag in der Klagebegründung, die Entscheidung der Strafvollstreckungsgerichte, die am Maßstab des § 88 JGG orientiert seien, bezögen sich auf die Gefahr der Begehung jeglicher Straftaten, ohne dass es auf eine - zu erwartende - Tatschwere ankommen könne, deswegen sei auch nicht festgestellt, dass vom Antragsteller weitere schwere Gewalttaten zu erwarten seien. Denn sowohl die begangene Tat als auch das Verhalten des Antragstellers im Strafvollzug lassen keinen ernstlichen Zweifel daran bestehen, dass er - weiterhin - Gewalt auch gegen Personen als Lösung von tatsächlichen oder von ihm angenommenen Konflikten, seien sie auch noch so unbedeutend, ansieht. Im Übrigen ist auch bei einer Entscheidung nach § 88 Abs. 1 JGG das Restrisiko möglicherweise doch drohender Straftaten zu bewerten, wobei bei der Frage, ob dieses vertretbar oder unvertretbar ist, die Bedeutung und Wertigkeit des gefährdeten Rechtsguts zentral ist. Je höherwertiger das gefährdete Rechtsgut, umso geringer muss das Risiko eines Rückfalls sein, um den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit im Sinne des § 88 Abs. 1 JGG den Vorzug zu geben (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.07.2006 - 3 Ws 213/06 -, StV 2007, 12). Daher bezieht sich die Prognose in den Beschlüssen des Amts- und des Landgerichts Ravensburg nicht auf das Risiko der Begehung von Bagatellstraftaten durch den Antragsteller.
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Soweit der Antragsteller - mit der Klagebegründung - geltend macht, dass vieles dafür spreche, dass sein Reifeprozess noch nicht abgeschlossen sei und sein jugendspezifisches Aggressionsverhalten sich auch ohne besondere Therapie bessern könne und diese deshalb nicht die einzige Möglichkeit sei, sein Leben künftig besser in den Griff zu bekommen, zeigt dies nicht auf, dass die Gefahrenprognose im angegriffenen Bescheid zu seinen Lasten fehlerhaft sein könnte. Denn letztlich räumt er damit ein derzeit bestehendes hohes Aggressionspotential ein. Hingegen ist der Umstand, dass der Antragsteller, wie in der Klagebegründung formuliert - „…zu der Auffassung gelangt ist, dass er für sich keine Wiederholungsgefahr mehr sieht und deshalb keine Sozialtherapie braucht…“, ein neuerlicher deutlicher Beleg dafür, dass der Antragsteller die Tat und ihren Ursprung nicht aufzuarbeiten willens ist, so dass die in der Tat zum Ausdruck gebrachte erhebliche Gefährlichkeit weiterhin fortbesteht. Im Übrigen vermag der Senat in dem begangenen versuchten Totschlag kein jugendspezifisches Aggressionsverhalten zu erkennen.
28 
Entgegen dem Beschwerdevorbringen bedürfen die Verwaltungsgerichte im Falle des Antragstellers keines Sachverständigen, um die Frage der vom Aufenthalt des Klägers ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit hinreichend festzustellen. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist nämlich geklärt, dass bei der gerichtlichen Überprüfung der Ausweisung eines strafgerichtlich verurteilten Ausländers hinsichtlich der gebotenen Gefahrenprognose nicht allein auf das Strafurteil und die diesem zugrunde liegende Straftat, sondern auf die Gesamtpersönlichkeit abzustellen ist und dabei auch nachträgliche Entwicklungen einzubeziehen sind. Bei dieser Prognoseentscheidung bewegt sich das Gericht regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die dem Richter allgemein zugänglich sind. Der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedarf es nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände - etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen - nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (BVerwG, Urteil vom 04.10.2012 - 1 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230, Rn. 12 und Beschluss vom 11.09.2015 - 1 B 39.15 - InfAuslR 2016, 1, Rn. 12).
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(4) (a) § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, sowie - in der seit dem 17. März 2016 geltenden Fassung - die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen, diese unterschreiten oder ihnen entgegenstehen. Insbesondere ist hier der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles signifikant von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen. Sind im konkreten Fall keine Gründe von erheblichem Gewicht - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
30 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen (Bauer, a. a. O., § 53 AufenthG, Rn. 51).
31 
(b) Bei der erforderlichen Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen am weiteren Verbleib des Antragstellers im Bundesgebiet ist zu seinen Gunsten insbesondere in den Blick zu nehmen, dass er seit seiner Geburt in der Bundesrepublik Deutschland lebt, hier seine Schul- und Berufsausbildung absolviert hat, dass seine Eltern und Geschwister im Bundesgebiet leben und sein Bleibeinteresse schon allein aufgrund der gesetzgeberischen Wertung in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besonders schwer wiegt. Weiter ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu seinen Gunsten zu unterstellen, dass sein Vortrag, in der Türkei lebten keine Verwandten ersten bis dritten Grades, zutreffend ist und die Ausweisung auch deshalb eine erheblichen Eingriff in sein Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens (Art. 8 Abs. 1 EMRK, Art. 7 GRCh) darstellt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass er nach der Entlassung aus der Strafhaft zwischenzeitlich wieder in die elterliche Wohnung eingezogen und mit seinen Eltern in familiärer Lebensgemeinschaft lebt.
32 
Der Senat glaubt dem Antragsteller nicht, dass er nur rudimentäre Kenntnisse der türkischen Sprache haben will. Das Landgericht hat in seinem Strafurteil nämlich aufgrund der Angaben des Antragstellers in der Hauptverhandlung festgestellt, dass in seiner Familie deutsch und türkisch gesprochen werde. Es kann dahinstehen, ob er die türkische Schriftsprache tatsächlich nicht beherrscht, wie er behauptet. Da er alphabetisiert ist und er hinreichende Kenntnisse der gesprochenen türkischen Sprache besitzen dürfte, spricht nichts dagegen, sich in kürzerer Zeit auch die Schriftsprache anzueignen.
33 
(c) Zu Lasten des Antragstellers ist bereits die abstrakte Schwere des begangenen Verbrechens, das zum Entstehen des Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 1a AufenthG geführt hat, zu berücksichtigen. Neben der oben bereits festgestellten besonders hohen Wiederholungsgefahr, die sich auch während des gesamten Strafvollzugs immer wieder bestätigte und die zwischenzeitlich auch nicht durch die Teilnahme an einer Therapie gesenkt worden ist, muss zu Lasten des Antragstellers auch die fehlende Bereitschaft und / oder Fähigkeit zur Rechtstreue (zur Problematik dieses Tatbestandsmerkmals: Bauer/Beichel-Benedetti, NVwZ 2016, 416 <420>) berücksichtigt werden.
34 
Der Antragsteller ist bereits als Jugendlicher im Alter von 15 Jahren sieben tatmehrheitlicher Vergehen des gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall, davon in drei Fällen als Versuch schuldig gesprochen worden. Er hatte eine Arbeitsauflage von 70 Stunden abzuleisten. Auch im Strafvollzug verstieß er wiederholt gegen die Hausordnung und verhielt sich trotz wiederholter disziplinarischer Ahndungen distanzlos und beachtete Regeln nicht. Auch insoweit verhielt er sich nicht rechtstreu im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG. Eine neue, eigenständige Bedeutung kommt diesem zum 17.03.2016 ausdrücklich eingeführten Abwägungskriterium aber nicht zu. Diese Umstände waren auch zuvor bei der erforderlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu bewerten und zu berücksichtigen und sind insbesondere auch im Rahmen der Gefahrenprognose auch vor der Gesetzesänderung von erheblicher Bedeutung gewesen.
35 
(d) Das Ergebnis der gesetzlich geforderten Gesamtabwägung ist hier ein deutliches Überwiegen des - öffentlichen - Interesses an der Ausreise gegenüber den bestehenden, besonders schwerwiegenden Bleibeinteressen. Die hohe Gefahr der Begehung von Gewaltstraftaten durch den Antragsteller ist auch mit Blick auf seine Bindungen an das Bundesgebiet und seine im Faktischen nur lose Bindung an die Türkei nicht hinzunehmen, die Ausweisung erweist sich trotz der erheblichen Eingriffe in den Rechtskreis des Antragstellers als verhältnismäßig.
36 
Der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ist gemessen an den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aufgestellten Anforderungen (zu den Kriterien siehe insbesondere EGMR, Urteile vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279 und vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich auch: Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., 2016, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 95 ff. und Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m.w.N.) mit Blick auf die erheblichen vom Aufenthalt des Klägers ausgehenden Gefahren für Leben und die körperliche Unversehrtheit anderer gerechtfertigt.
37 
Dies gilt auch hinsichtlich Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat, kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a.a.O.). Andererseits folgt aus fehlenden Bindungen an den Herkunftsstaat aber nicht, dass eine Ausweisung sich deshalb stets als unverhältnismäßig erweisen würde. Dem Antragsteller kann es zugemutet werden, neue Bindungen und Beziehungen in der Türkei aufzubauen und sie dort mit Leben zu erfüllen. Dies gilt insbesondere wegen der festgestellten, außergewöhnlich hohen Wiederholungsgefahr. Weiter wesentlich für dieses klare Abwägungsergebnis dürfte auch sein, dass keine Familienangehörigen auf die Anwesenheit des Antragstellers im Bundesgebiet angewiesen sind. Es spricht auch nichts dafür, dass sein Einzug in den elterlichen Haushalt und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sich unmittelbar günstig auf das vorhandene Aggressionspotential des Antragstellers auswirken könnten, nachdem er dessen Ursachen bislang nicht hinreichend bekämpft hat.
38 
(5) Die verfügte Ausweisung des Antragstellers genügt auch den Anforderungen des § 53 Abs. 3 Var. 4 AufenthG. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
39 
(a) Dem Antragsteller kommt als in Deutschland geborenen Sohn eines hier abhängig beschäftigten türkischen Staatsangehörigen freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- und Gehaltsverhältnis zu im Sinne des Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 (siehe zum „Nachzug“ im Sinne des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 durch Geburt: EuGH, Urteil vom 11.11.2004 - C-467/02 -, InfAuslR 2005, 13 Rn. 26). Da sein Vater mehr als drei Jahre ordnungsgemäß im Bundesgebiet beschäftigt war und der Antragsteller in Deutschland seine Berufsausbildung zum Teilezurichter abgeschlossen hat, darf er sich auf jedes Stellenangebot bewerben (Art. 7 Satz 2 ARB 1/80).
40 
(b) Die Vorgaben des § 53 Abs. 3 AufenthG sind in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils unionsrechtlich privilegierten Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen, was sich auch aus der Gesetzesbegründung ergibt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.01.2016 - 11 S 889/15 -, juris, Rn. 123; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG, Rn. 54). Der unionsrechtliche Bezugsrahmen für Art. 14 ARB 1/80 ist dabei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. 2004, L 16, S. 44). Danach ist eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung - im Sinne des Unionsrechts - mit Art. 14 ARB 1/80 zu vereinbaren, sofern das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine tatsächliche und schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (EuGH, Urteil vom 08.12.2011 - C-371/08 -, NVwZ 2012, 422, Rn. 86).
41 
(c) Auch gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die gegen den Antragsteller verfügte Ausweisung als rechtmäßig. Angesichts der hohen Gefahr für Leib und Leben anderer, die durch den Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet ausgeht (siehe oben), ist auch eine tatsächliche und schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft festzustellen, denn die Gefahr von Kapitalverbrechen, noch dazu bei einer gleichsam willkürlichen Auswahl der potentiellen Opfer, bedroht die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung insgesamt und damit sogar die öffentliche Sicherheit im unionsrechtlichen Sinne (vgl. EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 - , NVwZ 2011, 221, Rn. 47). Die Maßnahme erweist sich auch am Maßstab des Art. 14 ARB 1/80 gemessen als verhältnismäßig und damit unerlässlich (siehe zum Begriff der Unerlässlichkeit als Umschreibung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit: Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, Art. 14 ARB 1/80 Rn. 42). Hier gilt angesichts der erheblichen vom Antragsteller ausgehenden Gefahren nichts anderes als oben zu § 53 Abs. 2 AufenthG bereits ausgeführt.
42 
bb) Das von der Ausweisung ausgelöste Einreise- und Aufenthaltsverbot (§ 11 Abs. 1 AufenthG) ist entsprechend den Vorgaben des § 11 Abs. 2 Sätze 1 bis 4 AufenthG mit dem angegriffenen Bescheid befristet worden. Nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats handelt es sich bei der Befristungsentscheidung - entgegen dem Wortlaut des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG - weiterhin um eine gebundene, gerichtlich vollständig überprüfbare Entscheidung (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 09.12.2015 - 11 S 1857/15 -, juris Rn. 25). Daraus folgt, dass mit rechtskräftigem Abschluss des Klageverfahrens gesichert eine Entscheidung zur Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots besteht und nicht - wie bei der Annahme eine Ermessensentscheidung über die Dauer der Befristung - die Folge einer aufzuhebenden weil ermessensfehlerhaften Befristungsentscheidung eine im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung fehlende Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots mit der Folge der Rechtswidrigkeit der Ausweisung selbst sein kann (siehe zum - ausnahmsweisen - Rechtmäßigkeitszusammenhang von Ausweisung und Befristungsentscheidung etwa: EGMR, Urteil vom 27.10.2005 - 32231/02 -, InfAuslR 2006, 3). Deshalb hängt die Rechtmäßigkeit einer Ausweisung nicht von der rechtmäßigen Bestimmung der Länge der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ab. Es bedarf im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes daher keiner inzidenten Überprüfung der Länge der Befristung.
43 
b) Auch die verfügte Abschiebungsandrohung - nebst der Ausreisefristsetzung nach Haftentlassung - ist rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage für die Abschiebungsandrohung ist § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Die dem Antragsteller eingeräumte Ausreisefrist von zwei Wochen nach Haftentlassung ist angesichts des gesetzlich vorgegebenen Rahmens von sieben bis dreißig Tagen ermessensfehlerfrei bestimmt worden. Insbesondere ist die tragende Erwägung im angegriffenen Bescheid für die Unterschreitung der Regelhöchstfrist, dass zu berücksichtigen sei, dass der Antragsteller weder ein Arbeitsverhältnis noch Wohnraum kündigen müsse, nicht zu beanstanden (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
44 
c) Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist die - wenn auch nicht mit einer ausdrücklichen Begründung untermauerte - Auffassung des Verwaltungsgerichts, es bestehe ein besonderes Vollzugsinteresse, dass die Vollziehung der Ausweisung und der daraus resultierenden Ausreisepflicht schon vor rechtskräftigem Abschluss des Klageverfahrens erfolgt, zutreffend.
45 
aa) Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist immer auch zu prüfen, ob überwiegende öffentliche Belange dafür streiten, den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Der Rechtsschutzanspruch des Betroffenen ist dabei umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt. Das gilt unabhängig davon, ob der Sofortvollzug eines Verwaltungsakts einer gesetzlichen (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1-3 oder Satz 2 VwGO) oder einer behördlichen Anordnung (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) entspringt (BVerfG, Beschluss vom 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 -, BVerfGE 69, 220 < 228 f.>; BVerfG (K), Beschluss vom 11.05.2007 - 2 BvR 2483/06 -, BVerfGK 11, 179 ). Die hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Hauptsacheverfahren zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird, reicht - auch bei gesetzlich angeordnetem Sofortvollzug - nicht aus, um die Umsetzung der Maßnahme vor der endgültigen Klärung ihrer Rechtmäßigkeit im Hauptsacheverfahren zu rechtfertigen. So bedürfen Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung von Ausländern eine besondere Rechtfertigung, die von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und eine Gefährdungsprognose bezogen auf den Zeitraum zwischen beabsichtigtem Vollzug und Rechtskraft der Entscheidung im Hauptsacheverfahren erfordert (BVerfG (K), Beschluss vom 24.08.2011 - 1 BvR 1611/11 -, NVwZ 2012, 104 <105>; VGH Bad.-Württ, Beschlüsse vom 17.12.2015 - 8 S 2187/15 -, juris, Rn. 18 und vom 16.06.2011 - 11 S 1305/11 -, InfAuslR 2011, 349).
46 
bb) Gemessen an diesen Maßstäben liegt das geforderte besondere Vollzugsinteresse vor. Der Antragsteller ist bis zu seiner Entlassung nach der vollständigen Verbüßung seiner Jugendstrafe immer wieder durch Distanz- und Disziplinlosigkeit im Vollzug aufgefallen. Noch im November 2015 hat er im Rahmen eines Streits mit einem Mitgefangenen eine Glasscheibe mit der Faust zerschlagen. Der damit zum Ausdruck kommende, weiterhin vom Antragsteller nicht kontrollierte Hang zur Gewalttätigkeit rechtfertigt die Prognose, dass von ihm bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, die sich im diesem Zeitraum auch realisieren kann. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller bei der der Ausweisung zugrunde liegenden Tat aus nichtigem Anlass handelte.
47 
Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist der Anspruch des Antragsteller auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG durch den Sofortvollzug nicht berührt. Zum einen ist er durch seinen Prozessbevollmächtigten vertreten. Auch kann er sich selbst schriftlich gegenüber dem Verwaltungsgericht äußern. Soweit eine Teilnahme an einer etwaigen mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts über seine Ausweisung erforderlich sein sollte, kommt die Erteilung einer Betretenserlaubnis nach § 11 Abs. 8 Satz 1 AufenthG in Betracht (vgl. ThürOVG, Beschluss vom 02.12.2014 - 3 EO 757/14 - InfAuslR 2015, 141).
48 
d) Andere Gründe, die es gebieten würden, trotz nicht bestehender Erfolgsaussichten der Klage und trotz eines bestehenden besonderen Vollzugsinteresses dennoch den Suspensivinteressen des Antragstellers den Vorrang einzuräumen, gibt es für den Senat nicht.
49 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
50 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 11. Apr. 2016 - 11 S 393/16

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(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Mai 2012 - 3 K 3515/11 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.688,48 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das bezeichnete Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart zuzulassen, bleibt ohne Erfolg. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
1. Der Beklagte hat den Kläger mit Bescheid vom 3.12.2010 zu rückständigen Rundfunkgebühren für ein Radio- und ein Fernsehgerät für die Zeit vom April 2000 bis November 2010 in Anspruch genommen. Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage macht der Kläger geltend, die Rundfunkgebührenpflicht für ein Fernsehgerät sei erst ab Dezember 2008 entstanden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach der Vernehmung des im vorliegenden Fall tätig gewordenen Rundfunkgebührenbeauftragten des Beklagten sowie der Lebensgefährtin des Klägers als Zeugen mit der Begründung abgewiesen, es sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Kläger bereits ab Mai 2000 in seiner Wohnung ein Fernsehgerät zum Empfang bereit gehalten habe. Der Kläger wendet hiergegen ein, das Verwaltungsgericht habe die Aussagen der Zeugen nicht richtig gewürdigt; der Beklagte habe den ihm obliegenden Beweis für die Richtigkeit der im Anmeldeformular festgehaltenen Anmeldedaten nicht erbracht.
2. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es gehört danach zur Aufgabe des Tatsachengerichts, sich auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens im Wege einer freien Beweiswürdigung seine Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Wie es seine Überzeugung bildet, wie es also die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise würdigt, unterliegt seiner Freiheit. Die Einhaltung der daraus entstehenden verfahrensrechtlichen Verpflichtungen ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigen oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Die Freiheit des Gerichts ist aber dann überschritten, wenn es entweder seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zu Grunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BVerwG, Beschl. v. 28.3.2012 - 8 B 76.11 - Juris; BVerwG, Beschl. v. 17.5.2011 - 8 B 88.10 - Juris).
Mit Einwänden gegen die freie, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene richterliche Überzeugung wird die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts dementsprechend erst dann in Frage gestellt, wenn gute Gründe dafür aufgezeigt werden, dass die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Überzeugungsbildung mangelhaft ist, etwa weil das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung mit Blick auf eine entscheidungserhebliche Tatsache von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist oder die Beweiswürdigung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist. Letzteres ist insbesondere bei einer Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder offensichtlich sachwidriger und damit willkürlicher Beweiswürdigung anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung des Ergebnisses einer Beweisaufnahme genügt dagegen zur Begründung ernstlicher Zweifel nicht (vgl. u.a. OVG NRW, Beschl. v. 21.6.2012 - 18 A 1459/11 - Juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 28.2.2012 - 1 L 159/11 - Juris; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 18.1.2001 - 4 L 2401/00 - Juris).
3. Hiervon ausgehend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat die Angaben des Rundfunkgebührenbeauftragten des Beklagten für glaubhaft gehalten. Die Angaben des Zeugen seien frei von Widersprüchen und nicht deshalb in Zweifeln zu ziehen, weil der Zeuge sich nicht mehr an das Randgeschehen erinnern könne. Seine Glaubwürdigkeit werde auch nicht dadurch gemindert, dass er sich zur Erinnerung an die gebührenrelevanten Umstände auf seine Aufzeichnungen im Anmeldeformular stütze. Für die Annahme, dass sich das dort genannte Datum „Mai 2000“ nicht auf die erstmalige Anschaffung eines Fernsehgeräts beziehe, sondern auf den Einzug in die Wohnung, gebe es keine vernünftigen Anhaltspunkte. Diese Würdigung der Aussage des Zeugen weist weder gedankliche Lücken noch Ungereimtheiten auf. Etwas anderes wird auch in der Begründung des Zulassungsantrags nicht behauptet. Soweit der Kläger meint, dass das Verwaltungsgericht aus den Aussagen des Zeugen andere Schlüsse hätte ziehen müssen, genügt das, wie ausgeführt, nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 3 GKG.
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsteller zu 1 und 2 wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. November 2012 - 11 K 3405/12 - geändert, soweit er deren Antrag ablehnt. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller zu 1 und 2 gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 21. September 2012 wird angeordnet.

Die Beschwerden der Antragsteller zu 3 bis 5 gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. November 2012 - 11 K 3405/12 - werden zurückgewiesen.

Die Antragsteller zu 3 bis zu 5 tragen jeweils ein Viertel der Gerichtskosten, ein Viertel der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und des Beigeladenen sowie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen. Die Antragsgegnerin und der Beigeladene tragen jeweils ein Achtel der Gerichtskosten, jeweils die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 1 und zu 2 sowie je ein Viertel ihrer außergerichtlichen Kosten.

Der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen auf jeweils 15.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung zur Änderung der Nutzung eines Wohnheims mit Werkstatt und Schulungsräumen in Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber sowie Büros mit Lagerräumen.
Die Antragsgegnerin erteilte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 21.09.2012 die streitbefangene Baugenehmigung zur oben beschriebenen Nutzungsänderung entsprechend seinem Antrag vom 11.06.2012 in Anwendung von § 31 Abs. 1 BauGB, § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Der Bauantrag war ausdrücklich auf „Gemeinschaftsunterkünfte zur Unterbringung von Personen nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (Asylbewerber)“ gerichtet.
Das Baugrundstück (Flst. Nr. ...) befindet sich ebenso wie das im Miteigentum der Antragsteller zu 1 und zu 2 befindliche Grundstück (Flst. Nr. ...) im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Handwerkergebiet“ der Gemeinde Oeffingen vom 29.10.1973, in dem nach Nr. 1.2 seines Textteils für das gesamte Plangebiet ein „beschränktes Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 4 BauNVO“ festgesetzt wird, in dem „nur nicht wesentlich störende Betriebe im Sinne von § 6 BauNVO zulässig [sind]“. Die Grundstücke der Antragsteller zu 4 und zu 5 grenzen südlich bzw. südöstlich an das Grundstück des Beigeladenen an und befinden sich innerhalb eines durch Bebauungsplan festgesetzten Industriegebiets. Das Grundstück der Antragstellerin zu 3 befindet sich südwestlich des Grundstücks des Beigeladenen auf der anderen Seite der „... Straße“ im Geltungsbereich eines weiteren Bebauungsplans, der dort ein Gewerbegebiet festsetzt.
Die Antragsteller haben gegen die genehmigte Nutzungsänderung Widerspruch erhoben. Ihre Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 21.11.2012 abgelehnt: Die Widersprüche der Antragsteller zu 3 bis 5 seien ersichtlich aussichtslos. Da sich deren Grundstücke außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans „Handwerkergebiet“ befänden, könnten sie sich nicht auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen. Das in § 15 Abs. 1 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt, da nicht ersichtlich sei, aus welchen Gründen die Antragsteller zu 3 bis 5 durch das Bauvorhaben unzumutbar beeinträchtigt sein könnten. Hingegen erwiesen sich die Erfolgsaussichten der Widersprüche der Antragsteller zu 1 und 2 als offen. Sie könnten sich auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen. Die genehmigte Gemeinschaftsunterkunft sei zwar nach § 8 Abs. 2 BauNVO im Gewerbegebiet nicht zulässig. Sie sei indes nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO durch die Antragsgegnerin ausnahmsweise zugelassen worden. Asylbewerberunterkünfte seien Einrichtungen für soziale Zwecke im Sinne dieser Vorschrift. Die Zulassung auf der Grundlage des § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO setze aber voraus, dass die Gemeinschaftsunterkunft mit der Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets vereinbar sei. Entscheidend sei, ob ein Vorhaben generell geeignet sei, ein bodenrechtlich beachtliches Störpotential zu entfalten, das sich mit der Zweckbestimmung des Baugebiets nicht vertrage. Ob sich nach diesen Grundsätzen eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber mit der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets vertrage, das geprägt sei von werktätiger Geschäftigkeit, sei offen. Ob es sich bei der genehmigten Gemeinschaftsunterkunft um eine wohnähnliche Nutzung handele, könne nach den vorgelegten Bauunterlagen nicht festgestellt werden. Die Klärung müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Die notwendige Interessenabwägung falle zu Lasten der Antragsteller aus. Da es sich im Wesentlichen um eine Nutzungsänderung eines vorhandenen Gebäudes handele, wäre die Nutzung nach einer etwaigen rechtskräftigen Aufhebung der Baugenehmigung einzustellen, ohne dass die Antragsteller durch die geringfügigen baulichen Änderungen in ihren Rechten verletzt würden.
Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerden der Antragsteller, die weiterhin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche begehren. Die Antragsgegnerin und der Beigeladene sind der Beschwerde entgegengetreten.
Wegen der Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegenden Akten der Antragsgegnerin und die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die zulässigen (§§ 146, 147 VwGO) Beschwerden der Antragsteller zu 1 und 2 sind begründet. Die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs ist anzuordnen (1.). Hingegen haben die zulässigen Beschwerden der Antragsteller zu 3 bis 5 keinen Erfolg (2.).
1. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben zu einer Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Antragsteller zu 1 und 2 Anlass. Mit ihrem Beschwerdevorbringen rügen die Antragsteller zu Recht die Richtigkeit der den angefochtenen Beschluss tragenden Rechtsauffassung, die Erfolgsaussichten ihrer Widersprüche seien offen (a)). Die deshalb erforderliche Prüfung ihres Rechtsschutzbegehrens durch den Senat an den allgemeinen Maßstäben des § 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO führt zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche (b)).
a) Die Rüge der Antragsteller zu 1 und 2, wonach sich das Verwaltungsgericht fragen lassen müsse, weshalb es sich bei der Nutzung des Gebäudes als Gemeinschaftsunterkunft nicht um eine wohnähnliche Nutzung handele, obwohl es selbst „Bezüge zu einer Wohnnutzung“ festgestellt habe und es nicht bezweifelt werden könne, dass es sich bei Gemeinschaftsunterkünften jedenfalls um wohnähnliche Nutzungen handele, greift zunächst hinsichtlich der Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts durch, dass diese Frage offen sei.
10 
Der Ansatz des Verwaltungsgericht, dass es der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müsse, ob es sich bei der genehmigten Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber um eine wohnähnliche Nutzung handele, weil dies nach den genehmigten Bauvorlagen nicht festgestellt werden könne, ist nämlich nicht zutreffend. Denn wäre der Baugenehmigung die mit ihr zugelassene Art der baulichen Nutzung nicht zu entnehmen, handelte es sich um einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot aus § 37 Abs. 1 LVwVfG; die Baugenehmigung erwiese sich bereits als rechtswidrig. Insoweit kann es bei der Drittanfechtung der Baugenehmigung auch nicht auf die tatsächliche sondern allein auf die genehmigte Art der Nutzung ankommen (vgl. Sauter, LBO, 3. Aufl., Stand: Juni 2010, § 58 LBO Rn. 33). Die Kategorisierung der genehmigten Nutzungsart hat nämlich anhand der Vorgaben der einschlägigen Baunutzungsverordnung - hier die Fassung der Bekanntmachung vom 26.11.1968 (BGBl. I, S. 1237, ber. BGBl. 1969 I, S. 11) BauNVO 1968 - und der Bauvorlagen zu erfolgen. Die Frage der Bestimmtheit der Baugenehmigung hinsichtlich der mit ihr genehmigten Art der baulichen Nutzung kann im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch beantwortet werden, so sie denn entscheidungserheblich ist. Abgesehen davon ist den genehmigten Bauvorlagen hinreichend bestimmt jedenfalls zu entnehmen, dass eine wohnähnliche Nutzung genehmigt ist (siehe nachfolgend b) aa) (b) (aa)).
11 
b) Ergibt die auf dargelegte Gründe beschränkte Prüfung des Beschwerdegerichts (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), dass die tragende Begründung des Verwaltungsgerichts die Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht rechtfertigt, hat es umfassend zu prüfen, ob vorläufiger Rechtsschutz nach allgemeinen Maßstäben zu gewähren ist (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.01.2009 - 9 S 70.08 - juris Rn. 3 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 21.12.2006 - 7 B 2193/06 - BauR 2007, 861 und vom 08.05.2002 - 1 B 241/02 - NVwZ-RR 2003, 50; vgl. auch Senatsbeschluss vom 25.11.2004 - 8 S 1870/04 - VBlBW 205, 282; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 146 Rn. 115).
12 
Die vom Senat zu treffende umfassende Interessenabwägung (§§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragsteller zu 1 und 2 fällt zu Lasten der Antragsgegnerin und des Beigeladenen aus. Anders als das Verwaltungsgericht misst der Senat dem privaten Interesse des Beigeladenen, von der Baugenehmigung - dem gesetzlichen Regelfall entsprechend (§ 212a Abs. 1 BauGB) - sofort Gebrauch machen zu dürfen, keinen Vorrang vor dem Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung bei. Vielmehr überwiegt das Suspensivinteresse der Antragsteller zu 1 und 2. Maßgeblich hierfür ist, dass sich die angegriffene Baugenehmigung in der Hauptsache wohl als rechtswidrig erweisen wird und sie die Antragsteller dadurch in eigenen Rechten verletzen dürfte, so dass sie wohl aufzuheben sein wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
13 
aa) Auf die von den Antragstellern aufgeworfene Frage, ob die streitbefangene Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 02.02.2012 - 4 C 14.10 - BVerwGE 142, 1) in bauplanungsrechtlicher Hinsicht eine Anlage für soziale Zwecke sein kann, kommt es für die Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache allerdings nicht an. Unabhängig von der Beantwortung dieser Frage erweist sich die erteilte Baugenehmigung voraussichtlich als rechtswidrig.
14 
(a) Sollte es sich bei der Gemeinschaftsunterkunft um keine Anlage für soziale Zwecke handeln, wäre sie in dem (beschränkten) Gewerbegebiet ersichtlich unzulässig, da sie dann weder unter den hier eingeschränkten Katalog von Nutzungsarten nach § 8 Abs. 2 BauNVO 1968 noch unter eine andere in § 8 Abs. 3 BauNVO 1968 für ausnahmsweise zulässig erklärte Nutzungsart fallen könnte. Der Senat weist jedoch darauf hin, dass er nach seiner bisherigen Rechtsprechung bei einer „heimmäßigen Unterbringung“ von Asylbewerbern das Vorliegen einer Anlage für soziale Zwecke angenommen hat (Senatsurteil vom 11.05.1990 - 8 S 220/90 - juris Rn. 23 = NVwZ 1990, 1202) und eine Zulassung einer Gemeinschaftsunterkunft in einem Gewerbegebiet bislang allein in Fällen einer Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) als rechtmäßig angesehen hat (Senatsbeschlüsse vom 17.07.1992 - 8 S 1621/92 - DÖV 993, 257 und vom 29.09.1993 - 8 S 2160/93 - NVwZ 1994, 800 (801)). Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Gemeinschaftsunterkunft ,„zumindest“ als Einrichtung für soziale Zwecke angesehen und offen gelassen, ob die Unterbringung von Asylbewerbern generell als Wohnnutzung einzustufen sei (BVerwG, Beschluss vom 04.06.1997 - 4 C 2.96 - NVwZ 1998, 173).
15 
(b) Ebenfalls bauplanungsrechtlich unzulässig wäre die Gemeinschaftsunterkunft, wenn es sich bei ihr um eine Anlage für soziale Zwecke im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO 1968 handeln sollte. Denn eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber ist in einem Gewerbegebiet deshalb auch nicht ausnahmsweise nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als Anlage für soziale Zwecke zulässig, weil sie nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung für eine mehr als nur unbeachtlich kurze Dauer Lebensmittelpunkt des einzelnen Asylbewerbers ist, ihr damit ein wohnähnlicher Charakter zukommt und sie sich daher in einem Gewerbegebiet als gebietsunverträglich erweist.
16 
(aa) Die Wohnähnlichkeit der Nutzung ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Baurechtlich genehmigt ist die Nutzung des Gebäudes des Beigeladenen für den dauernden Aufenthalt von 68 Personen. Diese können sich in den ihnen zugewiesenen Räumen und den Gemeinschaftsräumen uneingeschränkt zu jeder Zeit aufhalten. Für den einzelnen Asylbewerber stellt sich die Gemeinschaftsunterkunft daher regelmäßig für die Dauer seines Asylverfahrens als sein räumlicher Lebensmittelpunkt dar; erst mit dem Abschluss des Asylverfahrens (oder mit einem erstinstanzlich obsiegenden Urteil, § 53 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG) endet in aller Regel die vorläufige Unterbringung (vgl. § 7 Abs. 4 und 5 des Gesetzes über die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen - Flüchtlingsaufnahmegesetz - FlüAG - vom 11.03.2004, GBl. S. 99, zuletzt geändert durch Art. 71 der Achten Verordnung des Innenministeriums zur Anpassung des Landesrechts an die geänderten Geschäftsbereiche und Bezeichnungen der Ministerien vom 25.01.2012 (GBl. S. 65)), die grundsätzlich in der Gemeinschaftsunterkunft erfolgt, § 6 Abs. 1 Satz 1 FlüAG. Der gesetzliche Begriff der vorläufigen Unterbringung aus § 6 FlüAG grenzt dabei lediglich die Unterbringungsform von derjenigen der Anschlussunterbringung (vgl. §§ 11 ff. FlüAG) ab. Aus ihm kann gerade nicht auf eine nur unbeachtlich kurze Dauer der Unterbringung des einzelnen Asylbewerbers geschlossen werden. Hinsichtlich der Verweildauer ist zu berücksichtigen, dass ein Asylverfahren auch bei günstigem Verlauf die Dauer von einigen Monaten kaum unterschreiten kann, häufig tatsächlich diese Zeit aber deutlich überschreiten wird. So gibt etwa das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für das Jahr 2011 eine durchschnittliche Gesamtverfahrensdauer für das Verwaltungs- und Gerichtsverfahren von 12,2 Monaten an, die sich im ersten Halbjahr 2012 auf 13,1 Monate erhöht hat (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Hrsg.), Das deutsche Asylverfahren - ausführlich erklärt, Nürnberg 2012, S. 40). Im Jahr 2011 lag der Median-Wert der Verfahrensdauer bei acht Monaten (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Hrsg.), Das Bundesamt in Zahlen 2011, Nürnberg 2011, S. 54). Die sich daraus ergebende nicht nur kurze Verweildauer des Einzelnen in der Unterkunft als seinem Lebensmittelpunkt - die dessen Schutzwürdigkeit bauplanungsrechtlich grundsätzlich erhöht - ist letztlich ausschlaggebend für die Einstufung der Nutzung als „wohnähnlich“ (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 29.04.1992 - 4 C 43.89 - BVerwGE 90, 140 zu einem Arbeitnehmerwohnheim als „Beherbergungsbetrieb“).
17 
(bb) Aus der Wohnähnlichkeit ihrer Nutzung folgt, dass eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber trotz der ausnahmsweisen Zulässigkeit von Anlagen für soziale Zwecke (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) in einem Gewerbegebiet mangels ihrer Gebietsverträglichkeit nicht ausnahmsweise zulässig ist.
18 
Die Zulässigkeit eines bestimmten Vorhabens innerhalb eines Baugebiets der Baunutzungsverordnung richtet sich nicht allein nach der Einordnung des Vorhabens in eine bestimmte Nutzungs- oder Anlagenart, sondern auch nach der Zweckbestimmung des jeweiligen Baugebiets. Die Prüfung der Gebietsverträglichkeit rechtfertigt sich aus dem typisierenden Ansatz der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung. Der Verordnungsgeber will durch die Zuordnung von Nutzungen zu den näher bezeichneten Baugebieten die vielfältigen und oft gegenläufigen Ansprüche an die Bodennutzung zu einem schonenden Ausgleich im Sinne überlegter Städtebaupolitik bringen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die vom Verordnungsgeber dem jeweiligen Baugebiet zugewiesene allgemeine Zweckbestimmung den Charakter des Gebiets eingrenzend bestimmt (BVerwG, Urteil vom 02.02.2012 - 4 C 14.10 - BVerwGE 142, 1 Rn. 16; vgl. auch Urteile vom 18.11.2010 - 4 C 10.09 - BVerwGE 138, 166 Rn. 19 und vom 21.03.2002 - 4 C 1.02 - BVerwGE 116, 155 (158)). Hinsichtlich des Gebietstypus des Gewerbegebiets gilt, dass Bauvorhaben, die außerhalb des Anwendungsbereichs des § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO einer Wohn- oder wohnähnlichen Nutzung zu dienen bestimmt sind, mit dem Charakter eines Gewerbegebietes - abgesehen von gebietsakzessorischen Wohnnutzungen sonstiger Art - unvereinbar sind. Denn in Gewerbegebieten soll nicht gewohnt werden. Neben der Wohnnutzung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO kann allein ein sehr kurzfristiger, vorübergehender Aufenthaltszweck in Anlagen nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig sein (BVerwG, Beschluss vom 13.05.2002 - 4 B 86.01 - NVwZ 2002, 1384 (1385)). Wohnähnliche Nutzungsformen sind daher regelmäßig abstrakt gebietsunverträglich.
19 
In Anwendung der vorstehenden Grundsätze erweist sich damit eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in einem Gewerbegebiet als nicht ausnahmsweise zulässig nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Nichts anderes gilt hier aufgrund der Festsetzung eines beschränkten Gewerbegebiets nach § 8 Abs. 4 BauNVO 1968. Denn auch ein derartiges Gebiet entspricht seiner allgemeinen Zweckbestimmung nach dem Typus eines Gewerbegebiets (BVerwG, Beschluss vom 15.04.1987 - 4 B 71.87 - NVwZ 1987, 970; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.03.1997 - 10 S 2815/96 - NVwZ 1999, 439 (440)). Aus dem Vorstehenden ergibt sich auch, dass die Rechtsauffassung des Beigeladenen nicht zutrifft, dass das Verwaltungsgericht es dem Hauptsacheverfahren überlassen müsse, die Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets zu klären. Denn bezogen auf die Zweckbestimmung des Gebiets nach § 8 BauNVO 1968 stellen sich keine nicht höchstrichterlich abschließend geklärten Fragen. Die Eigenart des konkreten Gewerbegebiets des Bebauungsplans „Handwerkergebiet“ ist für die typisierende Gebietsverträglichkeit der zugelassenen Nutzung nicht relevant, sondern erst bei der Anwendung des § 15 Abs. 1 BauNVO.
20 
bb) Die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat zu Gunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet eine nachbarschützende Funktion (BVerwG, Urteile vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 und vom 02.02.2012 - 4 C 14.10 - BVerwGE 142, 1 Rn. 24; Senatsurteil vom 29.01.2008 - 8 S 2748/06 - VBlBW 2008, 377), mit der Folge, dass eine rechtswidrige baurechtliche Zulassung einer Nutzungsart - so wie sehr wahrscheinlich hier - die anderen Grundstückseigentümer im Baugebiet auch in eigenen Rechten verletzt.
21 
c)Gegebenenfalls wird die Widerspruchsbehörde die im bisherigen Verfahren von keinem der Beteiligten erörterte Frage zu klären haben, ob die Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber nicht (teilweise) von der möglicherweise ursprünglich erteilten Baugenehmigung für ein Wohnheim mit umfasst und abgedeckt wird, sofern diese Baugenehmigung noch wirksam sein sollte. Dann käme es gegebenenfalls jedenfalls für einen Teil der Nutzung auf die Rechtmäßigkeit der hier gegenständlichen Baugenehmigung nicht an. Überdies ist zu berücksichtigen, dass für den Fall, dass bereits ursprünglich eine wohnähnliche Nutzung genehmigt worden sein sollte, sich dies möglicherweise auch auf die Schutzbedürftigkeit der Antragsteller zu 1 und 2 auswirken kann.
22 
d) Angesichts der nach dem Vorstehenden sehr wahrscheinlich rechtswidrigen und die Antragsteller in eigenen Rechten verletzenden Baugenehmigung kommen den privaten Interessen des Beigeladenen und den öffentlichen Interessen am weiteren Vollzug der Baugenehmigung nur geringe Gewichte zu. Die Interessen der Antragsteller an der Abwehr einer rechtswidrigen Nutzung des Grundstücks überwiegen deutlich. Soweit der Beigeladene ein überwiegendes öffentliches Interesse aus Art. 16a GG und der staatlichen Schutz- und Unterbringungspflicht für Asylbewerber einerseits und aus dem akuten Mangel an Unterbringungsmöglichkeiten andererseits herleiten will, vermag dies hier zu keiner anderen Würdigung zu führen. Der Vortrag bleibt pauschal und unsubstantiiert. Angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Baugenehmigung müsste dem für die Unterbringung zuständigen Land Baden-Württemberg eine anderweitige Unterbringung der in der genehmigten Unterkunft wohnenden Flüchtlinge nicht möglich oder zumutbar sein, um dem Vollzugsinteresse dennoch den Vorrang einräumen zu können. Dafür ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass für den Fall eines tatsächlichen und erheblichen Mangels an Unterbringungsmöglichkeiten für Asylbewerber gegebenenfalls an eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB gedacht werden könnte. Eine solche ist bislang aber nicht erteilt.
23 
2. Die Beschwerden der Antragsteller zu 3 bis 5 haben hingegen aus den dargelegten Gründen, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, keinen Erfolg.
24 
a) Das Verwaltungsgericht hat sich zur Begründung seiner Auffassung zutreffend darauf gestützt, dass die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan nur zu Gunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet eine nachbarschützende Funktion zukommt (BVerwG, Urteile vom 16.09.1993 - 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 (155) und vom 02.02.2012 - 4 C 14.10 - BVerwGE 142, 1 Rn. 24; Senatsurteil vom 29.01.2008 - 8 S 2748/06 - VBlBW 2008, 377). Hiergegen wenden sich die Antragsteller zu 3 bis 5 mit dem Vortrag, dass es zwar stimme, dass ihnen ein Gebietserhaltungsanspruch nicht zukomme, mit der planungsrechtlichen Festsetzung „Industriegebiet“ die auf dem benachbarten Baugrundstück geplante wohnähnliche Nutzung unter dem Aspekt des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO aber nicht vereinbar sei. Nutzungen nach § 9 BauNVO seien außerhalb der in § 9 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO geregelten Ausnahmen prinzipiell mit wohnähnlichen Nutzungen unvereinbar. Die Zulassung der wohnähnlichen Nutzung gefährde die bisherige Nutzung der Grundstücke der Antragsteller zu 4 und 5. Mit diesem Vortrag sind mögliche Erfolgsaussichten der Widersprüche dieser Antragsteller nicht dargetan. Denn allein der Umstand, dass die in einem festgesetzten Industriegebiet liegenden Grundstücke der Antragsteller zu 4 und 5 unmittelbar an das Grundstück des Beigeladenen angrenzen, sagt noch nichts über die behauptete Rücksichtslosigkeit der Nutzungsänderung aus. Die beiden Antragsteller behaupten zwar, die bisherige Grundstücksnutzung sei durch „die Zulassung der wohnähnlichen Nutzung gefährdet“. Dieser Vortrag ist jedoch unsubstantiiert. Weder im bisherigen behördlichen Verfahren bis zur Erteilung der Baugenehmigung noch im gerichtlichen Verfahren nach § 80a Abs. 3 und § 80 Abs. 5 VwGO haben die Antragsteller nämlich zu den auf ihren Grundstücken genehmigten Nutzungen konkret vorgetragen. Allein der Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren dazu verhalten, was mit Blick auf § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO hier aber nicht zugunsten der Antragsteller relevant sein kann. Damit verfehlt die Beschwerde die einzelfallbezogene Sichtweise, die das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO konkretisierte Rücksichtnahmegebot verlangt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.09.1999 - 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314).
25 
Soweit die Beschwerde zutreffend darauf hinweist, das Verwaltungsgericht gehe fälschlicherweise davon aus, dass das Grundstück der Antragstellerin zu 3 in einem festgesetzten Industriegebiet liege, führt dies ebenfalls zu keiner ihr günstigeren Entscheidung. Mit der Beschwerde wird nicht dargetan, was aus dem Umstand, dass das Grundstück in einem festgesetzten Gewerbegebiet - das nicht dasjenige ist, in dem sich das Grundstück des Beigeladenen befindet - folgen soll. Ein Gebietserhaltungsanspruch kommt der Antragstellerin zu 3 jedenfalls ebenso wie den Antragstellern zu 4 und 5 nicht zu.
26 
b) Im Übrigen weist der Senat jedoch für das Widerspruchsverfahren hinsichtlich der Antragsteller zu 4 und 5 auf folgende zwei Gesichtspunkte hin. Ausweislich der dem Senat vorliegenden Behördenakten hat der Antragsteller zu 4 als Eigentümer des Grundstücks Flst. Nr. ... (... Straße ...) zwar Widerspruch eingelegt. Jedoch finden sich von ihm keine innerhalb von vier Wochen nach Zustellung der Angrenzerbenachrichtigung im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 LBO erhobenen Einwendungen, so dass er aufgrund von § 55 Abs.2 Satz 2 LBO mit allen Einwendungen ausgeschlossen sein könnte. Insbesondere wird weder der Antragsteller zu 4 noch das Grundstück „... Straße ...“ im Einwendungsschreiben seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 31.07.2012 erwähnt. Auch die Antragstellerin zu 5 hat innerhalb der Vierwochenfrist keine in den Bauakten dokumentierten Einwendungen erhoben. Jedoch finden sich im Einwendungsschreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 31.07.2012 Einwendungen einer „... GmbH“ bezogen auf das Grundstück ... Straße ... Hier könnte es sich um eine rechtlich unbeachtliche Falschbezeichnung der Antragstellerin zu 5 handeln, was gegebenenfalls aufzuklären wäre.
27 
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 und 3, 155 Abs. 1 Satz 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO.
28 
Da der Beigeladene mit seinem Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde ein Kostenrisiko eingegangen ist (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, den Antragstellern zu 3 bis 5 anteilsmäßig die außergerichtlichen Kosten des insoweit obsiegenden Beigeladenen aufzuerlegen. Darüber hinaus tragen er und die Antragsgegnerin anteilig die Kosten des Verfahrens, soweit sie - nämlich bezogen auf die Antragsteller zu 1 und 2 - unterlegen sind.
29 
4. Die Streitwertfestsetzung und -abänderung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG und lehnt sich entsprechend der ständigen Senatsrechtsprechung (vgl. etwa Beschluss vom 29.01.2008 - 8 S 2748/06 - juris Rn. 44) an die Nrn. II.1.5 und II.9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327) an. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist bei der Drittanfechtung einer Baugenehmigung kein Raum für die Anwendung des § 52 Abs. 2 GKG. Da mit dem Vollzug der Nutzungsänderung keine vollendeten, unumkehrbaren Tatsachen geschaffen werden können, ist der Streitwert von 7.500 EUR - je betroffenem Grundstück - zu halbieren, so dass insgesamt ein Streitwert von 15.000,- EUR (4*3.750,- EUR) festzusetzen ist.
30 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25. September 2013 - 7 K 1981/13 - teilweise geändert. Die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Zwangsgeldandrohungen aus dem Bescheid des Landratsamts Alb-Donau-Kreis vom 22. Mai 2013 wird angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen auf 12.500,-- EUR und für das Beschwerdeverfahren auf 25.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde ist nur teilweise zulässig und insoweit auch nur teilweise begründet.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht es abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die ihm gegenüber verfügten Zwangsgeldandrohungen zur Durchsetzung der gegen ihn ergangenen - zwischenzeitlich bestandskräftigen - Abbruchsanordnung vom 08.10.1997 anzuordnen. Weiter hat es abgelehnt, im Wege der einstweiligen Anordnung „die (vorläufige) Einstellung der Vollstreckung anzuordnen“.
Die Beschwerde ist unzulässig, soweit mit ihr erstmals begehrt wird, „die Vollstreckung aus der Abbruchsverfügung vom 08.10.1997 in [der Gestalt] des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 25.03.2004 für unzulässig zu erklären“, „hilfsweise … festzustellen, dass die Vollstreckung aus der Abbruchsverfügung vom 08.10.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 25.03.2004 unzulässig ist (I.). Zulässig ist die Beschwerde hingegen, soweit sie sich gegen die Ablehnung des Eilrechtsschutzgesuchs durch das Verwaltungsgericht richtet. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben zu einer Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Zwangsgeldandrohungen Anlass (II.1. und 2.). Im Übrigen hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg (II.3.).
I.
Der Antragsteller hat mit seinen als Nr. 3 und Nr. 4 bezeichneten, oben im Wortlaut wiedergegebenen Beschwerdeanträgen den Streitgegenstand im Beschwerdeverfahren in unzulässiger Weise geändert. Insoweit ist die Beschwerde unzulässig.
1. Im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 VwGO ist aufgrund der Einschränkungen des gerichtlichen Prüfungsmaßstabs durch § 146 Abs. 4 Satz 3 und Satz 6 VwGO eine Antragserweiterung oder -änderung im Regelfall unzulässig. Mit der der Entlastung der Oberverwaltungsgerichte dienenden Qualifizierung der Beschwerdebegründung einerseits (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) und der Beschränkung des Prüfungsumfangs andererseits (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist eine Antragsänderung oder -erweiterung in der Beschwerdeinstanz regelmäßig nämlich nicht vereinbar. Zulässig ist eine Antragsänderung nur, soweit sie sachdienlich ist und der Beschwerdeführer mit ihr einer Änderung der Sachlage Rechnung trägt, die vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingetreten ist und daher noch in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden kann (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.10.2010 - 1 S 2029/10 - VBlBW 2011, 95 m.w.N., vgl. auch Senatsbeschluss vom 20.01.2011 - 8 S 2679/10).
2. Der Antragsteller hat seine Anträge im Beschwerdeverfahren mit den Anträgen Nr. 3 und Nr. 4 erweitert, ohne dass dies auf eine Änderung der Sachlage vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist zurückzuführen wäre. Deshalb ist die Antragserweiterung unzulässig.
Abweichend vom Verfahren vor dem Verwaltungsgericht begehrt er im Beschwerdeverfahren nun erstmals eine endgültige Entscheidung über die Unzulässigkeit der Vollstreckung aus der Verfügung des Landratsamts Alb-Donau-Kreis vom 08.10.1997. Dass er hier eine endgültige Entscheidung begehrt, zeigt sich an seinem als Nr. 5 bezeichneten Antrag, mit dem er eindeutig eine einstweilige Regelung „bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dieser Sache“ anstrebt, wie er dies auch schon im erstinstanzlichen Verfahren getan hat. Die Beschwerdeanträge Nr. 3 und Nr. 4 finden auch keine Entsprechung im erstinstanzlichen Verfahren und sind deshalb Erweiterungen der bislang gestellten Anträge. Das Verwaltungsgericht hat die in der Klagebegründung des Antragstellers vom 01.07.2013 enthaltenen Anträge Nr. 1 und Nr. 2, die den Beschwerdeanträgen Nr. 3 und Nr. 4 entsprechen, zutreffend ausgehend von der Betreffzeile des Schriftsatzes der „Vollstreckungsgegenklage / Feststellungsklage“ und damit allein einem Hauptsacheverfahren (anhängig beim Verwaltungsgericht unter 7 K 1980/13) zugeordnet und sie dahin ausgelegt, dass sie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht gestellt sein sollen. Im Übrigen hat der Antragsteller dieser Auslegung seiner Anträge durch den Senat, auf die er durch den Berichterstatter mit Schreiben vom 10.02.2014 hingewiesen worden ist, nicht widersprochen.
Die Antragerweiterung ist überdies auch deswegen nicht sachdienlich im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO, weil im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO die begehrte endgültige Regelung nicht erstritten werden kann.
II.
Die Beschwerde ist erfolgreich, soweit sie sich gegen die Ablehnung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die verfügten Zwangsgeldandrohungen richtet. Zu Recht rügt der Antragsteller eine Verletzung seines durch Art. 103 Abs. 1 GG garantierten Rechts auf rechtliches Gehör (1.) Die daher gebotene umfassende Prüfung seines Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO führt zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs durch den Senat (2.). Sein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, gerichtet auf die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung, bleibt jedoch ohne Erfolg (3.).
10 
1. a) Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass die Zwangsgeldandrohung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Aus der Stellungnahme des Antragsgegners vom 31.07.2013 ergebe sich, dass dieser auch hinsichtlich weiterer ungenehmigter Bauten im Bereich der „Erbacher Seenplatte“ tätig sei. Das Gericht kenne die Baulichkeiten, die Gegenstand der Verfügung vom 08.10.1997 seien, sowie das übrige Anwesen des Antragstellers und die Umgebung aus dem in der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2007 eingenommenen Augenschein. Darüber hinaus kenne die Kammer die „Erbacher Seenplatte“ aus verschiedenen anderen Verfahren. Daher sei es der Kammer auch bekannt, dass es in diesem Bereich keine anderen ungenehmigten Bauwerke gebe, die von Umfang und Intensität her dem Anwesen des Antragstellers auch nur ansatzweise gleichkämen. Es könne offen bleiben, ob der weiter gestellte Antrag, die vorläufige Einstellung der Vollstreckung anzuordnen, zulässig sei. Jedenfalls sei er aus den darstellten Gründen nicht erfolgreich. Es gebe keinen Anlass, die weitere Vollstreckung auszusetzen.
11 
b) Zutreffend rügt die Beschwerde, dass das Verwaltungsgericht nicht mitteile, aus welchen anderen Verfahren es die Erbacher Seenplatte kenne und damit das Recht des Antragstellers auf rechtliches Gehör verletze.
12 
aa) Aus § 108 Abs. 2 VwGO, der in Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO über den Wortlaut des § 122 Abs. 1 VwGO hinaus anwendbar ist (Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Januar 2012, § 122 Rn. 3) und Art. 103 Abs. 1 GG folgt der Anspruch der Verfahrensbeteiligten, alle Erkenntnisquellen, auf die sich das Gericht stützen will, vor der Entscheidung zur Kenntnis nehmen zu können, um sich gegebenenfalls mit ihnen auseinandersetzen und Einwände anbringen zu können (BVerwG, Beschluss vom 19.07.2012 - 1 B 6.12 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 89; vgl. allgemein auch BVerwG, Urteil vom 22.03.1983 - 9 C 860.82 - BVerwGE 67, 83; vgl. Senatsbeschluss vom 30.06.2011 A 8 S 700/11 - juris Rn. 7). Jedenfalls soweit die in Bezug genommenen Erkenntnisquellen den Beteiligten nicht aus vorangegangenen Verfahren bekannt sind, bedarf es auch im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO grundsätzlich eines entsprechenden Hinweises des Gerichts, um sie zum Gegenstand des Verfahrens zu machen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.05.2002 - 4 B 1.02 - juris Rn. 9; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.03.1999 - 13 S 819/98 - VBlBW 1999, 265), wenn es sie entscheidungstragend verwerten will. Allein in Fällen besonderer Dringlichkeit der Angelegenheit kann im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anderes gelten (vgl. Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Januar 2012, § 122 Rn. 3.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör bezieht sich nur auf Tatsachen, die nach der Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich sind (BVerwG, Beschluss vom 29.07.2010 - 8 B 106.09 - Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 77 Rn. 33 f. m.w.N.).
13 
bb) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Verwaltungsgericht das Recht des Antragstellers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Das Verwaltungsgericht hat vor seiner Entscheidung nicht alle Erkenntnisquellen offen gelegt, auf die es seine Tatsachenfeststellung gestützt hat. Denn nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts kommt es darauf an, dass es im Bereich der „Erbacher Seenplatte“ keine anderen ungenehmigten Bauwerke gibt, die von Umfang und Intensität her dem Anwesen des Antragstellers auch nur ansatzweise gleichkommen. Dieser Umstand führt nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts dazu, dass der Eintritt in die Vollstreckung gegen den Antragsteller vor dem Abschluss der Verfahren hinsichtlich andere ungenehmigter Bauten nicht gleichheitswidrig sei. Die Kenntnis von „Umfang und Intensität“ der anderen Bauten hat das Verwaltungsgericht auch aus „verschiedenen anderen Verfahren“ gewonnen, ohne dass für den Antragsteller oder das Beschwerdegericht erkennbar wäre, welche Verfahren dies sind und welche genauen Erkenntnisse in diesen Verfahren gewonnen worden wären, die die tatrichterliche Wertung zu Umfang und Intensität anderer Bauwerke stützen.
14 
2. a) Ergibt die auf dargelegte Gründe beschränkte Prüfung des Beschwerdegerichts (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO), dass die tragende Begründung des Verwaltungsgerichts die Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht rechtfertigt, hat es umfassend zu prüfen, ob vorläufiger Rechtsschutz nach allgemeinen Maßstäben zu gewähren ist (Senatsbeschluss vom 14.03.2013 - 8 S 2504/12 - VBlBW 2013, 384 m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn der angegriffene Beschluss unter Verstoß gegen § 108 Abs. 2 VwGO zustande gekommen und dies mit der Beschwerde geltend gemacht worden ist. Eine isolierte Prüfung, ob der Gehörsverstoß sich auch nach der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts auf eine entscheidungserhebliche Tatsache bezieht, hat im Unterschied zum Berufungszulassungsverfahren, zur Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und zum Revisionsverfahren (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124a Rn. 224) zu unterbleiben. Denn im Unterschied zu den genannten Verfahrensarten ist das Beschwerdeverfahren grundsätzlich unmittelbar auf die endgültige Entscheidung über das Rechtsschutzgesuch gerichtet. Das Berufungszulassungsverfahren und das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision dienen zur Entlastung der Rechtsmittelgerichte hingegen als „Filter“ (Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124 Rn. 21), so dass es gerechtfertigt ist, durch eine Kontrolle des Beruhens eines Gehörsverstoßes auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Rechtsmittelgerichts im Zulassungsverfahren zu überprüfen, ob es des - weiteren - Rechtsmittelverfahrens bedarf. Gleiches gilt für die Geltendmachung des absoluten Revisionsgrundes der Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 138 Nr. 3 VwGO), da hier der sonst regelmäßig notwendigen Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen (Berufungs-)Verhandlung und Entscheidung (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) vorgebeugt werden soll, wenn die vom Gehörsverstoß betroffenen Tatsachen nach Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich sind. Für das Beschwerdeverfahren hingegen ist es jedenfalls für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vor dem Hintergrund der regelmäßig nur summarischen Prüfung der Sachlage durch die Verwaltungsgerichte geboten, im Falle eines Gehörsverstoßes dem Beschwerdegericht die vollständige Prüfung des Rechtsschutzgesuchs anhand der allgemeinen Maßstäbe zu eröffnen.
15 
b) Die umfassende Prüfung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO durch den Senat führt zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Zwangsgeldandrohungen im Bescheid des Landratsamts Alb-Donau-Kreis vom 22.05.2013.
16 
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 12 LVwVG für zulässig erachtet. Die vom Senat zu treffende umfassende Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs des Antragstellers fällt aber nunmehr zu dessen Gunsten aus. Denn zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats, der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der Anfechtung einer Zwangsgeldandrohung bei noch ausstehender Widerspruchsentscheidung maßgeblich ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.02.1996 - 9 S 91/94 - NVwZ-RR 1997, 444 (445)), erweisen sich die Zwangsgeldandrohungen als derzeit rechtswidrig, weil sie bereits in formeller Hinsicht dem Begründungserfordernis aus § 39 Abs. 1 LVwVfG nicht gerecht werden und daraus auch ein Verstoß gegen materielles Recht unmittelbar folgt.
17 
aa) Nach § 39 Abs. 1 LVwVfG ist u.a. ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen (Satz 1). In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (Satz 2). Die Begründung von Ermessensentscheidung soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (Satz 3).
18 
Sowohl die Entscheidung, ob ein Verwaltungsakt mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden soll, die Auswahl des Zwangsmittels (§ 19 LVwVG) als auch die Bestimmung der Höhe des Zwangsgelds, dessen Festsetzung angedroht werden soll (§ 20 Abs. 4 LVwVG und § 23 LVwVG) stehen im Ermessen der Vollstreckungsbehörde (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.12.2003 - 5 S 2781/02 - VBlBW 2004, 226). Weder die Auswahl des Zwangsmittels - bei der vertretbaren Handlung des Abbruchs baulicher Anlagen käme auch die Ersatzvornahme in Betracht, ohne dass es nach baden-württembergischen Landesrecht einen gesetzlichen Vorrang des einen vor dem anderen Zwangsmittel gäbe - noch die Bestimmung der jeweiligen Höhe der angedrohten Zwangsgelder ist im Bescheid vom 22.05.2013 begründet worden. Da die Ausnahmebestimmungen des § 39 Abs. 2 LVwVfG hier sämtlich nicht einschlägig sind und weder die Zwangsmittelauswahl noch die Bestimmung der Zwangsmittelhöhe im nur intendierten Ermessen der Vollstreckungsbehörde stehen (vgl. zur möglicherweise fehlenden Begründungspflicht in diesem Fällen: Senatsurteil vom 22.04.2002 - 8 S 177/02 - VBlBW 2003, 123 (127)), verstößt dies ersichtlich gegen die Vorgaben des § 39 Abs. 1 LVwVfG.
19 
bb) Ist eine Ermessensentscheidung unter Verstoß gegen § 39 Abs. 1 LVwVfG nicht begründet, leidet sie auch inhaltlich an einem Mangel, der zu ihrer Rechtswidrigkeit führt (OVG Niedersachsen, Urteil vom 10.02.2011 - 12 LB 318/08 - NZV 2012, 100 (101); vgl. auch Sächsisches OVG, Beschluss vom 19.10.2012 - 2 A 762/11 - juris Rn. 9). Daher erweisen sich die angegriffenen Zwangsgeldandrohungen derzeit auch als materiell rechtswidrig.
20 
cc) Gründe, die trotz der voraussichtlichen Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohungen für ein Fortbestehen ihrer sofortigen Vollziehbarkeit stritten, gibt es keine. Angesichts der auch materiellen Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidungen ist die bloße Möglichkeit der Heilung der hier beanstandeten Fehler im Widerspruchsverfahren nicht ausreichend, um von einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzusehen. Dem Antragsgegner bleibt ein Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO nach einer hinreichenden Begründung der Zwangsgeldandrohungen unbenommen.
21 
3. Der sachdienlich ausgelegte, zusätzlich und nicht nur hilfsweise gestellte Antrag, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die bei dem Verwaltungsgericht Sigmaringen unter dem Aktenzeichen 7 K 1980/13 anhängige Klage die Vollstreckung aus der Abbruchsverfügung des Landratsamts Alb-Donau-Kreis vom 08.10.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen einstweilen einzustellen, ist nicht zulässig, denn dem Antragsteller fehlt insoweit das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller erreicht mit dem Widerspruch gegen die ergangenen Zwangsgeldandrohungen und der - im Beschwerdeverfahren erzielten - Anordnung der aufschiebenden Wirkung effektiven - nachgänglichen - Rechtsschutz gegen die Vollstreckung. Sollte der Antragsgegner die Vollstreckung aus der Verfügung vom 08.10.1997 weiter betreiben und entweder unter Aufhebung der Zwangsgeldandrohungen vom 22.05.2013 eine andere Zwangsgeldandrohung erlassen oder aber die Ersatzvornahme androhen - andere Zwangsmittel (§ 19 LVwVG) kommen ersichtlich nicht in Betracht - kann gegen die jeweiligen Verwaltungsakte (vgl. zur Verwaltungsaktqualität von Zwangsgeldandrohung und -festsetzung BVerwG, Gerichtsbescheid vom 26.06.1997 - 1 A 10.95 - NVwZ 1998, 393) erneut Widerspruch eingelegt und vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gesucht werden. Es besteht derzeit keine Notwendigkeit, vorläufigen vorbeugenden Rechtsschutz mit dem Ziel der Verhinderung einer Zwangsmittelandrohung zu eröffnen (vgl. Kuhla, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 01.10.2013, § 123 Rn. 10).
III.
22 
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Antragsgegner ist im Sinne dieser Vorschrift nur zu einem geringen Teil unterlegen, so dass der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Denn das Obsiegen hinsichtlich der Vollziehbarkeit der Zwangsgeldandrohungen fällt gegenüber dem Obliegen hinsichtlich der erstrebten endgültigen oder vorläufigen Einstellung der Vollstreckung, der im Vergleich eine ungleich höhere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (siehe auch III. 2.), kaum ins Gewicht. Der Ausspruch der Kostentragungspflicht auch für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht erfolgt zur Klarstellung.
23 
2. Die Streitwertfestsetzung und -abänderung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Die Bedeutung der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht erstrebten Einstellung der Zwangsvollstreckung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die unter dem Aktenzeichen 7 K 1980/13 anhängige Klage für den Antragsteller, nach der der Streitwert zu bestimmen ist (§ 52 Abs. 1 GKG), ist als Bruchteil von dem Wert zu bestimmen, die dem Angriff auf die zu vollstreckende Grundverfügung zukommt. Dieser wurde vom erkennenden Gerichtshof (Beschluss vom 09.04.2008 - 8 S 2930/07) und vom Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 13.01.2009 - 4 B 70.08 - juris) auf 50.000,- EUR festgesetzt. Der Senat setzt hier ein Viertel dieses Wertes, also 12.500,-- EUR, an. Der Streitwert für den Antrag auf Anordnung der aufschiebende Wirkung, der sich in Anlehnung an Nr. II. 1. 5 und 1.6.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichts errechnet - und sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht nach § 52 Abs. 3 GKG bestimmen kann, weil eine Zwangsgeldandrohung keinen auf eine bezifferte Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt darstellt -, ist entgegen § 39 Abs. 1 GKG nicht mit dem Wert von 12.500,-- EUR für die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung zusammenzurechnen, weil die beiden Rechtsschutzanträge denselben Gegenstand im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG betreffen. Denn der Antrag auf vorläufige Einstellung der Vollstreckung umfasst bei wirtschaftlicher Betrachtung - auf diese kommt es im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG entscheidend an (BGH, Beschluss vom 12.09.2013 - I ZR 58/11 - WRP 2014, 192 Rn. 6) - den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Zwangsgeldandrohungen und geht über ihn hinaus.
24 
Im Beschwerdeverfahren tritt - durch die unzulässige Antragserweiterung - der Streitwert für die beantragte - endgültige - Einstellung der Zwangsvollstreckung hinzu. Die Bedeutung dieses Antrags bemisst der Senat mit der Hälfte des Wertes, die der Anfechtung der Grundverfügung zukommt, so dass sich für das Beschwerdeverfahren ein Streitwert von 25.000,-- EUR ergibt. Dem steht § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG mit seiner Begrenzung des Streitwerts auf den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs nicht entgegen, weil der Streitgegenstand - wenn auch unzulässigerweise - erweitert worden ist, § 47 Abs. 2 Satz 2 GKG. Einer Addition der Streitwerte für die weiteren mit der Beschwerde verfolgten Begehren steht wieder § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG entgegen.
25 
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

(1) Das Verwaltungsgericht besteht aus dem Präsidenten und aus den Vorsitzenden Richtern und weiteren Richtern in erforderlicher Anzahl.

(2) Bei dem Verwaltungsgericht werden Kammern gebildet.

(3) Die Kammer des Verwaltungsgerichts entscheidet in der Besetzung von drei Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern, soweit nicht ein Einzelrichter entscheidet. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden (§ 84) wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit.

(1) Die Kammer soll in der Regel den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn

1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
Ein Richter auf Probe darf im ersten Jahr nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, daß inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage ergibt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann ein Rechtsbehelf nicht gestützt werden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Die auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergehenden Beschlüsse des Gerichts müssen verkündet werden. Die Vorschriften der §§ 309, 310 Abs. 1 und des § 311 Abs. 4 sind auf Beschlüsse des Gerichts, die Vorschriften des § 312 und des § 317 Abs. 2 Satz 1, 2, Absatz 3 und 4 auf Beschlüsse des Gerichts und auf Verfügungen des Vorsitzenden sowie eines beauftragten oder ersuchten Richters entsprechend anzuwenden.

(2) Nicht verkündete Beschlüsse des Gerichts und nicht verkündete Verfügungen des Vorsitzenden oder eines beauftragten oder ersuchten Richters sind den Parteien formlos mitzuteilen. Enthält die Entscheidung eine Terminsbestimmung oder setzt sie eine Frist in Lauf, so ist sie zuzustellen.

(3) Entscheidungen, die einen Vollstreckungstitel bilden oder die der sofortigen Beschwerde oder der Erinnerung nach § 573 Abs. 1 unterliegen, sind zuzustellen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Vorschriften des § 11 gelten für das Oberverwaltungsgericht entsprechend, soweit es über eine Frage des Landesrechts endgültig entscheidet. An die Stelle der Revisionssenate treten die nach diesem Gesetz gebildeten Berufungssenate.

(2) Besteht ein Oberverwaltungsgericht nur aus zwei Berufungssenaten, so treten an die Stelle des Großen Senats die Vereinigten Senate.

(3) Durch Landesgesetz kann eine abweichende Zusammensetzung des Großen Senats bestimmt werden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 - 1 K 102/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und wurde am ... 1973 in ... (Türkei) geboren. Er ist verheiratet, reiste mit seiner Frau und seinen damals drei Kindern am ... 1997 in die Bundesrepublik ein und beantragte am folgenden Tag Asyl. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 9. Oktober 1997 wurden die Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt und zugleich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 4 AuslG festgestellt. Inzwischen hat der Kläger mit seiner Frau, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, sieben Kinder, von denen sechs die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Vier der Kinder studieren, zwei besuchen das Gymnasium und eines die Grundschule.
Der Kläger war zunächst im Besitz von Aufenthaltsbefugnissen bis Mitte 2005. Ein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis vom März 2006 nahm der Kläger mit Blick auf den Bezug von öffentlichen Leistungen zurück. Ende März 2009 beantragte er erneut die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. In diesem Zuge erfolgte eine Regelanfrage nach § 73 Abs. 2 und 3 AufenthG, die zu der Mitteilung führte, dass Erkenntnisse vorlägen. Der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers erbat am 4. Juni 2009 von der Stadt ... die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG, nachdem das Bundesamt am 13. März 2009 mitgeteilt hatte, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme nach § 73 Abs. 1 bzw. 2 AsylG nicht vorliegen würden. Unter dem 9. Juni 2009 teilte die Stadt ... dem Kläger mit, dass die Ermittlungen des Landeskriminalamts noch nicht abgeschlossen seien. Ausweislich eines in der Akte der Stadt ... befindlichen Vermerks vom 19. November 2009 ging die Stadt sodann davon aus, dass auf eine Rückantwort des Landeskriminalamts und auf die Regelanfrage verzichtet werden könne. Die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG wurde dem Kläger schließlich am 4. Dezember 2009 erteilt.
Das in der Akte der Stadt befindliche Schreiben des Regierungspräsidiums ... an die Stadt vom 22. September 2009, das per Mail an diese gegangen sein soll, findet sich in der Akte erstmals als Anhang einer Mail des Regierungspräsidiums, datierend vom 22. Mai 2010. In diesem bittet das Regierungspräsidium die Stadt um Durchführung einer Sicherheitsbefragung. Die Stadt teilte dem Regierungspräsidium mit, dass die Aufforderung zur Durchführung einer Sicherheitsbefragung nicht zu den Akten gekommen sei, was eventuell mit einer längeren Krankheitszeit der früheren Sachbearbeiterin zusammenhängen könne. Sie informierte das Regierungspräsidium darin im weiteren über die Erteilung der Niederlassungserlaubnis an den Kläger.
Mit Schreiben vom 11. Juni 2010 informierte die Stadt dem Kläger darüber, dass das Regierungspräsidium sie aufgefordert habe, mit ihm eine Sicherheitsbefragung durchzuführen. Das Regierungspräsidium teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23. Juli 2010 mit, dass die Niederlassungserlaubnis in Unkenntnis von Bedenken seitens der Sicherheitsbehörden gegen den weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland erteilt worden sei. Es prüfe derzeit eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung. Hierzu werde dem Kläger die Möglichkeit eines Sicherheitsgesprächs zur weiteren Aufklärung gegeben. Am 23. Februar 2011 fand eine Sicherheitsbefragung des Klägers statt. Am anschließenden Sicherheitsgespräch nahm der Kläger nicht teil.
Mit hier angegriffener Verfügung vom 10. Januar 2012 wurde der Kläger durch das Regierungspräsidium ausgewiesen und verpflichtet, sich zweimal wöchentlich unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt ... begrenzt und die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet.
In der Verfügung wurde im Wesentlichen zunächst in tatsächlicher Hinsicht auf Erkenntnisse über sicherheitsrelevante Aktivitäten des Klägers ab 2001 und bis Dezember 2010 abgestellt und im Übrigen darauf, dass er unverändert Vorstandsmitglied (nunmehr 2. Vorsitzender) der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ (YEK-KOM) sei. Die Ausweisung beruhe auf § 55 AufenthG in Verbindung mit § 54 Nr. 5 AufenthG. Besonderer Ausweisungsschutz nach Art. 14 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei bestehe nicht, da der Kläger nur über wenige Monate hinweg abhängig beschäftigt gewesen sei. Seit Januar 2005 stehe er mit seiner Familie im Leistungsbezug nach dem SGB II. Die vorliegenden Erkenntnisse wiesen ausreichend Tatsachen für die gerechtfertigte Annahme nach, dass der Kläger entsprechende Unterstützungshandlungen gegenüber einer Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, vorgenommen habe. Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle sich um Vereinigungen im Sinne dieser Vorschrift. Die vom Kläger genannten Veranstaltungen, an denen dieser teilweise maßgeblich mitgewirkt habe, hätten erkennbar dazu gedient, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, sondern jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung der inkriminierten Bestrebungen zu fördern. Insoweit sei die Freiheit der Meinungsäußerung beschränkt. Entscheidend sei zudem, dass der Kläger nicht bloß passiver Teilnehmer an denen vom Landesamt für Verfassungsschutz benannten Veranstaltungen der unterstützenden Vereinigung gewesen sei, sondern in hervorgehobener Funktion, beispielsweise als Redner, diese tragend mitgestaltet und er sich auch nicht distanziert habe, wenn durch andere Teilnehmer der PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen gehuldigt worden sei. Er habe damit auch durch den Anschein der Billigung den Terrorismus gefördert. Das Engagement des Klägers als Vorsitzender im kurdischen Kulturverein e.V. ... sei ebenfalls als Unterstützungshandlung zu werten, da dieser nach Erkenntnissen und Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz als KONGRA-GEL-nah einzustufen sei. In der Vergangenheit habe der Vereinssitz mehrfach zwischen ... und ... gewechselt, wobei die Vereine auch unter verschiedenen Namen im Vereinsregister eingetragen worden seien. Nach Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz könne davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesen Vereinen um die Vorgängervereine des heutigen kurdischen Kulturvereins e.V. ... handle. Zum einen bestehe zwischen diesen Vereinen Personengleichheit der Vereinsbesucher und auch von einigen Vorstandsmitgliedern, die im Großraum .../... wohnhaft seien. Zum anderen hätten in allen Vereinen Vereinsfeierlichkeiten anlässlich bestimmter PKK-Gedenktage sowie „Märtyrergedenkveranstaltungen“ und „Volksversammlungen“ stattgefunden. Der Verein sei auch Mitglied in der YEK-KOM, die ein Dachverband von überwiegend KONGRA-GEL-nahen örtlichen Kurdenvereinen sei. Als 2. Vorstandsvorsitzendem seien dem Kläger deren Aktivitäten zuzurechnen. Von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit des Klägers sei auszugehen. Die Ausweisung sei danach aus spezialpräventiven Gründen gerechtfertigt. Die Ausweisung des Klägers sei auch nicht unverhältnismäßig mit Blick auf Art. 8 EMRK. Hinsichtlich der Integrationsleistung des Klägers sei zu beachten, dass er seinen Lebensunterhalt für sich und seine Familie nicht selbst sichern könne und weitere Verwurzelungserfolge des Klägers nicht ersichtlich seien. Das öffentliche Ausweisungsinteresse überwiege hier sein Bleibeinteresse, dem im Übrigen durch seine Duldung Rechnung getragen werden könne. Es sei ihm daher zuzumuten, seinen weiteren Aufenthalt auf Grundlage der Aussetzung der Abschiebung auszugestalten. Auch sei einzustellen, dass die Ausweisung auf Antrag befristet werde.
Der Umstand, dass die Stadt ... als untere Ausländerbehörde am 4. Dezember 2009 eine Niederlassungserlaubnis erteilt habe, obwohl die Sicherheitsbehörden auch schon zu diesem Zeitpunkt Erkenntnisse über den Kläger gehabt hätten, welche zu Bedenken gegen seinen weiteren Aufenthalt führen könnten, sei hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung unschädlich. Insbesondere handele es sich nicht um ein rechtsmissbräuchliches, widersprüchliches Behördenverhalten. Der Stadt ... sei lediglich ein Wissen dahingehend zurechenbar, dass überhaupt Erkenntnisse seitens der Sicherheitsbehörden vorgelegen hätten. Über deren Inhalt und Gegenstand sowie den Umstand, dass diese geeignet gewesen seien, Bedenken gegen den weiteren Aufenthalt des Klägers zu begründen, habe die Stadt ... keine Kenntnis gehabt. Vor der Mitteilung der Sicherheitsbehörden seien entsprechende Ausweisungsgründe der Ausländerbehörde noch nicht bekannt gewesen und könnten daher auch nicht verbraucht sein. Es genüge nicht, dass die Ausländerbehörde Kenntnis darüber habe, dass die Sicherheitsbehörden entsprechende Erkenntnisse hätten. Entscheidend sei, dass weitere maßgebliche Erkenntnisse auch nach dem 4. Dezember 2009 erlangt worden seien, wie der Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 17. Juli 2011 sie darstelle.
Die angeordnete zweimalige wöchentliche Meldepflicht und die räumliche Beschränkung auf den Stadtbezirk ... beruhten auf §§ 54a Absatz 1 Satz 1 AufenthG. Die Auflagen seien auch verhältnismäßig. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei zum Schutz der öffentlichen Sicherheit geboten, dies insbesondere mit Blick auf die notwendige Kontrolle des Verhaltens des Klägers. Dies gelte insbesondere auch mit Blick darauf, dass die tatsächliche Beendigung des Aufenthalt des Klägers nicht möglich sei.
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Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2012 erhob der Kläger Klage, mit dem Antrag, die Verfügung vom 10. Januar 2012 aufzuheben.
11 
Das Verwaltungsgericht hörte den Kläger in der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren persönlich zu den ihm vorgeworfenen Aktivitäten und seiner derzeitigen Funktion in der NAV-DEM und deren Zielrichtung an. Er räumte dabei die ihm vorgehaltenen Teilnahmen an den genannten Veranstaltungen in tatsächlicher Hinsicht vollumfänglich ein. Insbesondere treffe es zu, dass er am 8. September 2012 Versammlungsleiter des kurdischen Kulturfestivals 2012 in ... gewesen und dort eine Videobotschaft von Murat Karayilan ausgestrahlt worden sei. Derzeit sei er 2. Vorsitzender der NAV-DEM. Diese sei durch eine Namens- und Satzungsänderung der YEK-KOM im Juni 2014 entstanden. Ein Antrag auf Löschung im Vereinsregister oder ein Auflösungsbeschluss bezüglich des Vereins YEK-KOM sei nicht erfolgt. Neben ihm und dem 1. Vorsitzenden, die bereits bei der YEK-KOM im Vorstand gewesen seien, seien drei neue Mitglieder in den fünfköpfigen Vorstand gewählt worden. Die NAV-DEM halte, wie die YEK-KOM zuvor, jedes Jahr zwei große Veranstaltungen ab. Er gehe auch weiterhin zu genehmigten Veranstaltungen anderer kurdischer Organisationen, auch in seiner Funktion als 2. Vorsitzender der NAV-DEM trete er als Redner auf. Das Verwaltungsgericht hörte des Weiteren Frau ... als Mitarbeiterin des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg informatorisch zu den Aktivitäten des Klägers und den Erkenntnissen des Landesamtes zu den Organisationen YEK-KOM und NAV-DEM an. Sie führte aus, dass sie die in den vorliegenden Berichten des Landesamtes zum Ausdruck gebrachte Einschätzung der eindeutigen Nähe des Vereins YEK-KOM zur KONGRA-GEL, in dem der Verein der PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen Raum zur Verbreitung ihrer Erklärungen und Äußerungen biete, teile. Dies gelte auch für die NAV-DEM, wie etwa eine Veranstaltung im Dezember 2014 gezeigt habe. Dem Landesamt lägen noch keine konkreten Erkenntnisse vor, dass zwischen YEK-KOM und NAV-DEM insoweit Unterschiede bestünden.
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Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 27. Januar 2015 den Beklagten verpflichtet, die Wirkungen der Ausweisung auf acht Jahre nach Ausreise des Klägers zu befristen und im Übrigen die Klage abgewiesen.
13 
Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei nur teilweise begründet, soweit der Beklagte verpflichtet sei, die Wirkungen der Ausweisungsverfügung auf acht Jahre nach Ausreise des Klägers zu befristen. Im Übrigen verletze diese den Kläger nicht in seinen Rechten. Ein erhöhter Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei (ARB 1/80) bestehe nicht, da der Kläger keine assoziationsrechtliche Rechtsposition erworben habe. Dies, da er selbst in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, bei seinen Beschäftigungsverhältnissen jeweils kürzer als ein Jahr angestellt gewesen zu sein. Etwaige Rechtspositionen nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 wären daher durch den jeweils nächstfolgenden Arbeitgeberwechsel erloschen.
14 
Der Kläger sei in den Jahren von 2001 bis 2003 Vorsitzender des kurdischen Kulturvereins e.V. ... gewesen. Zwischen 2004 und Mitte 2014 sei er mit einer kurzen Unterbrechung Anfang des Jahres 2012 durchgehend Mitglied im Vorstand, zeitweise 2. Vorsitzender, der YEK-KOM gewesen. Im Mai 2012 sei er erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt worden, die inzwischen in die NAV-DEM übergegangen sei.
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Der Kläger erfülle die Tatbestandsvoraussetzung einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen seien nach ständiger Rechtsprechung terroristische Vereinigungen im Sinne dieser Vorschrift. Die PKK werde nach wie vor auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen geführt. Soweit sich der Kläger darauf berufe, die PKK habe nunmehr eine geänderte Ausrichtung mit Blick auf die Verteidigung der kurdischen Bevölkerung und der Jesiden im Nordirak gegen den IS, handele es sich um ein temporäres Phänomen, das nicht mit einem dauerhaften Gewaltverzicht und Friedenskurs gegenüber der Türkei einhergehe. Dies ergebe sich auch aus einem Interview des stellvertretenden PKK-Chefs Cemil Bayik vom 10. Oktober 2014, in dem dieser damit gedroht habe, dass sie den Verteidigungskrieg zum Schutze des Volkes auch wieder aufnehmen könnten. Entsprechende Stellungnahmen gebe es auch vom Oberkommandierenden des bewaffneten Arms der PKK „Volksverteidigungskräfte“, der erklärt habe, dass der Friedensprozess mit der Türkei hinfällig sei und die gemeinsamen Übergriffe des türkischen Staates mit dem islamischen Staat einer Kriegserklärung gleichkämen, wie sich aus der Bundestagsdrucksache 18/3491, Seite 4, entnehmen lasse. Zu berücksichtigen sei auch, dass in der Vergangenheit entsprechende Kursänderungen nicht von Dauer gewesen seien.
16 
Der Kläger unterstütze die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen durch seine langjährige Tätigkeit als Vorstandsmitglied der YEK-KOM bzw. nunmehr der NAV-DEM. Er sei nahezu ununterbrochen seit 2004 im Vorstand beider Vereine gewesen, was er in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich eingeräumt habe. Er habe seine Vorstandstätigkeit aktiv ausgeübt, sei selbst auch als Redner und Versammlungsleiter aufgetreten und habe die Interessen des Dachverbandes gegenüber den Mitgliedsvereinen vertreten. Damit seien dem Kläger die von diesen Organisationen ausgehenden Unterstützungshandlungen zuzurechnen.
17 
YEK-KOM bzw. NAV-DEM unterstützten wiederum die PKK und deren Nachfolgeorganisationen. Die Vereinigungen schafften insbesondere eine Plattform für Botschaften und Propaganda der PKK und gewährleisteten eine ständige Präsenz der PKK im gesellschaftlichen Leben der Kurden im Bundesgebiet. Sie sicherten der PKK auf diesem Wege einen Raum für die Ansprache und die Sicherung von Unterstützung durch im Bundesgebiet lebende Kurden. Diese Einschätzung werde sowohl durch die Selbstdarstellung der YEK-KOM wie auch von der Gestaltung und dem Ablauf ihrer Veranstaltungen sowie der Veranstaltungen ihrer Mitgliedsvereine getragen. Im nach wie vor auf der Internetpräsenz der YEK-KOM abrufbaren Arbeitsprogramm werde auf das Selbstverständnis der in Europa lebenden Kurden als „logistische UnterstützerInnen des nationalen Befreiungskampfes“ verwiesen. Die Pressemitteilung der YEK-KOM zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen auf dem kurdischen Kulturfestival im Jahr 2012 greife dies ebenfalls auf und spreche davon, dass die PKK für Millionen Kurdinnen und Kurden eine legitime Vertretung sei und einen „gerechten Kampf gegen Krieg und Unterdrückung“ führe. Deswegen lasse sich die kurdische Bevölkerung nicht verbieten, die Symbole der PKK öffentlich zu zeigen und sich zu ihr zu bekennen. Bei diesem Selbstverständnis der Kurden handle es sich letztlich um das Selbstverständnis der YEK-KOM selbst. Denn zum einen begreife sich diese gerade als Dachorganisation der Kurden in Deutschland und als deren Interessenvertretung. Zum anderen werde auf dieses Selbstverständnis ohne jegliche Distanzierung und im Gesamtkontext der Forderung nach einer Aufhebung des PKK-Verbots Bezug genommen. Die YEK-KOM biete zudem eine Plattform für Äußerungen von Funktionären der PKK. Auf ihren Großveranstaltungen würden regelmäßig Grußbotschaften führender PKK-Funktionäre verlesen und als Videobotschaft gezeigt. Auf dem genannten Kulturfestival 2012, dessen Versammlungsleiter der Kläger gewesen sei, sei eine Videobotschaft des oben genannten Murat Karayilan und im Jahr 2013 eine solche des ebenfalls schon genannten Cemal Bayik gezeigt worden. Gleiches sei auf den jährlichen Newroz-Festivals geschehen. Die Veranstaltungen der Mitgliedsvereine der YEK-KOM, an denen der Kläger in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied teilgenommen habe, seien jeweils durch die zeitliche Nähe zu für die PKK bedeutsamen Daten (PKK-Gründungsjahrestag; Tag der Festnahme Öcalans) und das regelmäßig stattfindende Märtyrergedenken gekennzeichnet, wie sich aus den Einschätzungen des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 14. Januar 2015, 29. Januar 2014, 17. Oktober 2013 und 27. August 2012 ergebe. Das Gedenken an Märtyrer möge Teil der kurdischen Kultur sein, wie der Kläger meine, zugleich komme jedoch zum Ausdruck, dass der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel im „Befreiungskampf Kurdistans“ grundsätzlich gebilligt werde. Denn ein Gedenken an Märtyrer schließe eine positive Bewertung der mit den Märtyrertod verbundenen Überzeugung ein. Dies gelte erst recht, weil auf den Veranstaltungen von YEK-KOM und ihren Mitgliedsvereinen soweit ersichtlich keine entsprechende Distanzierung von diesem bewaffneten Kampf erfolgt sei. Es handele sich gerade nicht, wie der Kläger wohl geltend machen wolle, um ein bloßes Gedenken an die verstorbenen des eigenen Volkes, sondern um Verstorbene im „Befreiungskampf“ der kurdischen Bevölkerung und zwar insbesondere derer, die bewaffnete Auseinandersetzungen, beispielsweise als Guerillakämpfer, geführt hätten. Durch die Umbenennung der YEK-KOM in NAV-DEM sowie die damit einhergehenden Satzungsänderungen habe sich die Ausrichtung des Vereins nicht verändert. Bereits aus vereinsrechtlicher Sicht liege keine Neugründung sondern eine bloße Umfirmierung vor. Dies ergebe sich aus dem vom Kläger vorgelegten Protokoll der Delegiertenversammlung vom 22. Juni 2014. In der Pressemitteilung zu Umbenennung vom 18. Juli 2014 spreche die Organisation selbst davon, dass „die Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland YEK-KOM e.V. […] ihre Arbeit fortan unter dem Namen NAV-DEM e.V. fortsetzen [wird]“. Dabei sei nicht in Abrede zu stellen, dass die NAV-DEM auf eine umfassendere Organisation kurdischer Vereine ausgerichtet sein möge und ihre satzungsmäßigen Ziele grundsätzlich legitime politische Anliegen beträfen. § 54 Nr. 5 AufenthG stelle jedoch auf tatsächliche Unterstützungshandlungen ab. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Veränderung des Aktivitätsspektrums der NAV-DEM gegenüber der YEK-KOM. Die NAV-DEM führe nach dem übereinstimmenden Bekunden des Klägers und des Landesamtes für Verfassungsschutz die beiden zentralen Großveranstaltungen (Newroz-Feier und kurdisches Kulturfestival) fort. Eine Änderung des Arbeitsprogramms sei bislang nicht erfolgt. Auch eine Distanzierung von den bisherigen Aktivitäten der YEK-KOM bzw. der Aktivitäten der PKK habe es nicht gegeben und gebe es auch jetzt nicht. Im Gegenteil führe die NAV-DEM die politischen Aktivitäten zur Aufhebung des PKK-Verbots fort. So führe eine Presseerklärung vom 24. November 2014 anlässlich des 21. Jahrestages des Verbots der PKK aus, dass das Betätigungsverbot für die PKK dazu geführt habe, dass „jegliches Engagement gegen den Krieg in Kurdistan und für die Rechte des kurdischen Volkes […] Repressionen und Kriminalisierung ausgesetzt [war]“.
18 
Der Kläger könne sich für seine Tätigkeit bei der YEK-KOM bzw. der NAV-DEM nicht auf den Verbrauch der Ausweisungsgründe durch Erteilung der Niederlassungserlaubnis im Jahr 2009 berufen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes könne eine Ausweisung in der Regel nicht mehr auf solche Tatbestände gestützt werden, in deren Kenntnis die Ausländerbehörde zuvor vorbehaltlos eine Aufenthaltserlaubnis erteilt habe. Für den Vertrauensschutz des Ausländers sei maßgeblich, wie dieser bei verständiger Würdigung die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis verstehen durfte. Insofern dürfe eine Ausweisung nicht mehr allein auf die Betätigung des Klägers vor der Erteilung der Niederlassungserlaubnis im Jahr 2009 gestützt werden, da er insoweit davon habe ausgehen dürfen, dass diese Betätigung im Verfahren zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis überprüft worden sei. Jedenfalls für den Zeitraum ab Erlass der angegriffenen Ausweisungsverfügung bis zum Tag der mündlichen Verhandlung, dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt, könne der Kläger jedoch keinen Vertrauensschutz geltend machen. Mit der Anhörung durch die Beklagte am 3. März 2011, spätestens jedoch mit Zustellung der Ausweisungsverfügung am 12. Januar 2012, habe dem Kläger die unterbliebene Prüfung von Ausweisungsgründen nach § 54 Nr. 5 AufenthG durch die Stadt... bewusst sein müssen. Schutzwürdiges Vertrauen auf seine weitere Betätigung für die YEK-KOM ohne entsprechende ausländerrechtliche Konsequenzen habe der Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr entwickeln können. Der bis dahin bestehende Vertrauensschutz hindere aber nur die Neubewertung vergangener Ereignisse, nicht jedoch die Bewertung der fortgesetzten Tätigkeit des Klägers. Die erneute Wahl des Klägers in den Vorstand der YEK-KOM im Mai 2012 stelle die entscheidende Zäsur dar. Dieser habe sich in Kenntnis der Tatsachen, auf die der Beklagte seine Ausweisungsverfügung gestützt habe, dazu entschlossen, seine Tätigkeit im Vorstand von YEK-KOM bzw. NAV-DEM fortzusetzen und er habe damit zum Ausdruck gebracht, dass er von einer weiteren Betätigung nicht Abstand nehme.
19 
Als anerkannter Flüchtling und Besitzer einer Niederlassungserlaubnis, der sich länger als fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, dürfe der Kläger nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Solche lägen insbesondere in den Fällen des §§ 54 Nr. 5 AufenthG vor. Ein Ausnahmefall von dieser Regel sei hier nicht gegeben. Der Kläger habe trotz der im Raum stehenden Ausweisung nunmehr erneut über einen Zeitraum von knapp drei Jahren aktiv die Aktivitäten der PKK über seine Vorstandstätigkeit unterstützt. Dabei habe er durch die Übernahme der Versammlungsleitung beim 20. kurdischen Kulturfestival in ... und seine Rednertätigkeit eine besonders exponierte Rolle eingenommen. Es lägen daher die Voraussetzungen für eine Ausweisung des Klägers im Ermessenswege vor. Die Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden.
20 
Die Ausweisung sei auch gemessen an Art. 21 und Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie rechtmäßig. Auf die Frage, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels Art. 21 Abs. 1 und 2 der Qualifikationsrichtlinie geringer seien als die aus Art. 24 Abs. 1 komme es nicht an. Denn die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie seien erfüllt. Danach dürfe die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, jedenfalls wenn sie ein unbefristetes Aufenthaltsrechts ersatzlos zum Erlöschen bringe, nur erfolgen, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen sei. Dabei sei eine individuelle Prüfung des Einzelfalls erforderlich. In Anlehnung an das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG noch nicht aus. Vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Die Gründe müssten so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, dass Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das setze eine qualifizierte Unterstützung des Terrorismus voraus, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als aktiver Funktionär. Dies setze eine wertende Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles voraus, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und eine Gewaltbereitschaft bestimmt werde. Eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sei auch durch Unterstützung einer Organisation gegeben, die im Bundesgebiet selbst keine Terrorakte verübe, denn es sei grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass sie die Gewalt auch als Mittel zur Lösung politischer Konflikte außerhalb ihres eigentlichen militärischen Aktionsgebiets einsetze. Zudem hätten Funktionäre der PKK auch Kurden in Deutschland zum bewaffneten Kampf in Syrien aufgerufen. Die Rückkehr solcher Kämpfer nach Deutschland stelle sich, wie bei Kämpfern anderer Organisation auch, als unkalkulierbares Sicherheitsrisiko dar. Eine Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch die Aktivitäten der PKK bestehe aber auch dann, wenn die Verübung terroristischer Akte auf dem Bundesgebiet durch die PKK ausgeschlossen wäre und sich alleine auf die Türkei beschränkten. Denn die Türkei und Deutschland seien NATO-Bündnispartner und in ein System kollektiver Verteidigung im Sinne von Art. 24 GG eingebunden. Diese Sicherheitspartnerschaft wäre in Frage gestellt, würde ein Bündnispartner die Unterstützung terroristischer Vereinigungen im Gebiet eines anderen Bündnispartners dulden. Die Duldung solcher Aktivitäten könne zu einer in Stabilisierung der Sicherheitslage im betroffenen Staat führen, die wiederum dessen Handlungs- und Beistandsfunktion gegenüber sein Bündnispartner beeinträchtigen könne.
21 
Der Kläger habe durch seine aktive Funktionärstätigkeit die PKK in diesem Sinne qualifiziert unterstützt. Die aktive Tätigkeit im Vorstand der Vereine sei einer direkten Einbindung in die PKK-Funktionärsebene gleichzusetzen. Ohne die entsprechenden Veranstaltungen der YEK-KOM bzw. NAV-DEM wäre die Organisation und die Sicherung des Zusammenhalts der Anhängerschaft der PKK in Deutschland nicht oder nur unter erheblich erschwerten Bedingungen möglich. Die Aufrechterhaltung eines jahrelangen, bewaffneten Guerillakampfes könne nur aufrechterhalten werden, wenn im Hintergrund der kämpfenden Einheiten ein stabiles und ideologisch gefestigtes Umfeld der Unterstützung, sei es in finanzieller oder politischer Hinsicht, bestehe. Die Bedeutung der YEK-KOM bzw. NAV-DEM für die Aktivitäten der PKK sei als sehr hoch zu bewerten. Besonders deutlich werde dies an den organisierten Veranstaltungen der Vereinigungen. Sie ermöglichten der PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen, unter dem Schirm der Vereine die jeweilige Parteilinie an eine große Zahl von Personen zu vermitteln und dabei das auf den Großveranstaltungen erzeugte Gemeinschaftsgefühl für ihr Anliegen zu nutzen. Eine stärkere Identifikation und Unterstützung der Anliegen einer verbotenen Organisation als die Präsentation der Videobotschaften ihrer Führer vor einem Massenpublikum sei schwerlich vorstellbar. Dies rechtfertige es, die Vorstandstätigkeit in diesen Vereinen, zumal wenn sie im Fall des Klägers ohne jegliche Distanzierung zu den Aktivitäten der PKK erfolge, einer Funktionärstätigkeit in der PKK gleichzusetzen.
22 
Die Anordnung der Meldepflichten und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54 a AufenthG sei ebenfalls rechtmäßig. Der Kläger habe einen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf eine Dauer von acht Jahren.
23 
Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen, da die Frage grundsätzliche Bedeutung habe, ob die Tätigkeit im Vorstand eines nicht verbotenen Vereins, der eine Vereinigung unterstütze, die den Terrorismus unterstützt, die Voraussetzung des Art. 21 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 und Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllen könne.
24 
Gegen das dem Kläger am 31. März 2015 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 20. April 2015, eingegangen am selben Tag, beim Verwaltungsgericht Berufung eingelegt.
25 
Er führt im Wesentlichen aus: Dem Verwaltungsgericht fehle die Sachkunde für die Feststellung, dass die Umbenennung der YEK-KOM in NAV-DEM nicht zu einer wesentlichen Änderung des Aktivitätenspektrums der NAV-DEM gegenüber der YEK-KOM geführt habe. Zudem könne aufgrund einer veränderten internationalen Entwicklung nicht mehr ohne weiteres mit Blick auf die PKK von einer terroristischen Vereinigung ausgegangen werden. Einheiten der PKK hätten insbesondere ab August 2014 verfolgte Jesiden im Norden des Iraks vor dem IS geschützt, dies, nachdem die Peschmergas den Schutz verweigert hätten. Auch bei der Verteidigung von Kobane habe die PKK eine wichtige militärische Schutzfunktion für die schutzlose Zivilbevölkerung über ihren syrischen Zweig YPG übernommen. Diese sei dabei von der US-Luftwaffe unterstützt worden. Die PKK müsse nach Einschätzung westlicher Beobachter in den politischen Prozess eingebunden werden. Die US-Regierung weise ausdrücklich darauf hin, dass die YPG ungeachtet ihrer engen Verbindung zur PKK nicht als terroristische Organisation angesehen werde. Dies habe zu einer Überprüfung der Position der USA und westlicher Staaten im Hinblick auf ihre Einstellung gegenüber der PKK geführt. Haupthindernis bei den Bemühungen um eine gemeinsame internationale Strategie gegen den IS sei die türkische Regierung, die völlig eigene Interessen verfolge. Jedenfalls bedürfe es einer sorgfältigen Aufklärung der aufgezeigten Entwicklung und der darauf beruhenden Einschätzung. Das von den Verfassungsschutzbehörden unterstellte separatistische Ziel bezogen auf die Türkei sei seit langem überholt. Von der PKK gebilligte und koordinierte militärische Einsätze gegen die Türkei würden seit zwei Jahren nicht mehr geführt. Entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK müssten dem nicht zwingend entgegenstehen, sondern könnten auch als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat bewertet werden. Terroristische Aktionen in europäischen Ländern seien seit 2005 nicht mehr unternommen worden. Die politische und militärische Strategie der PKK habe sich seit dem Aufkommen des IS nahezu ausschließlich auf eine Schutzfunktion zu Gunsten der jesidischen und kurdischen Bevölkerung in Syrien verändert. Es entspreche jedenfalls dem Willen der jetzigen Führung der PKK, den Kampf der Einheiten vollständig auf den Schutz der bedrohten Zivilbevölkerung in den bezeichneten Ländern zu konzentrieren.
26 
Das Verwaltungsgericht stelle auf die Vorstandstätigkeit des Klägers bei der YEK-KOM bzw. der NAV-DEM ab, bezeichne jedoch keine einzige Aktivität des Klägers, die als individuelle Unterstützung der PKK ausgelegt werden könne. Der Unterstützungsbegriff werde unzutreffend ausgelegt, insbesondere soweit auf Aktivitäten „im Interessenbereich der PKK“, namentlich der Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbots unter Freilassung Öcalans abgestellt werde. Von derartigen, politisch neutralen Forderungen könne nicht auf Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bzw. eines bewaffneten Kampfes der PKK geschlossen werden. Es handele sich nicht um den Aufruf zur Begehung terroristischer Taten. Soweit das Verwaltungsgericht anführe, dass in dem „Denken an Märtyrer“ zugleich zum Ausdruck komme, dass der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel im Befreiungskampf Kurdistans grundsätzlich gebilligt werde, habe der Kläger darauf hingewiesen, dass er insgesamt 13 nahestehenden Angehörigen in dem Kurdenkonflikt in der Türkei gedacht habe, die durch das türkische Militär getötet worden seien. Er sei gläubiger Muslim und bekunde so seine Trauer und seinen Respekt vor den Toten. Damit habe sich das Verwaltungsgericht in seiner Bewertung nicht auseinandergesetzt.
27 
Das Bundesverwaltungsgericht verlange für eine Unterstützung des Terrorismus aus rechtsstaatlichen Gründen eine engere Verbindung zu den terroristischen Aktivitäten, da dem Einzelnen anderenfalls ein Verhalten zugerechnet werde, dass weder von seinem Willen noch von der durch ihn unterstützten Vereinigung getragen werde. Lediglich die Befürwortung bestimmter spezifischer Ideologien oder Weltanschauungen, sofern daraus nicht Handlungsanleitungen zur Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer oder religiöser Ziele abgeleitet würden, reichten danach nicht aus. Eine Vereinigung könne nur dann als den Terrorismus unterstützende Vereinigung angesehen werden, wenn sie Dritte mit einer entsprechenden Einstellung für die militante Durchsetzung der Ideologie gewinnen wolle. Das Verwaltungsgericht wende § 54 Nr. 5 AufenthG indessen bereits dann an, wenn z.B. die Aufhebung des Vereinsverbots der PKK oder eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts in der Türkei gefordert werde. Es lasse bereits bloße Sympathiebekundungen für eine Organisation, die durch die Sicherheitsbehörden als terroristische eingestuft werde, für den Unterstützungsbegriff ausreichen, ohne dass zusätzliche Tatsachen festgestellt würden, dass die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung auch auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtet seien, etwa dadurch, dass gezielt bei Veranstaltungen Jugendliche für den bewaffneten Kampf in kurdischen Siedlungsgebieten angeworben oder durch konkrete Aktionen Kämpfer der PKK in diesen Gebieten unterstützt würden.
28 
Das Verwaltungsgericht verletze § 54 Nr. 5 AufenthG auch, indem es keinen subjektiven Tatbestand voraussetze. Es stelle auf die Vorstandsfunktionen des Klägers in PKK-nahen Vereinigungen ab, berücksichtige aber nicht, dass dieser an seine 13 verstorbenen Verwandten gedacht habe. Im Übrigen fehlten Feststellungen dazu, dass der Kläger bei seinen Aktivitäten bewusst und gewollt den internationalen Terrorismus unterstütze.
29 
Die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts zum Unterstützungsbegriff werde zudem verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht gerecht. Schon im objektiven Tatbestand sei darauf zu achten, dass der Unterstützungsbegriff nicht unverhältnismäßig namentlich in das Recht auf freie Meinungsäußerung eingreife. Der Organisationsbezug sei daher nicht schon immer dann zu bejahen, wenn in irgendeiner Form auf den verbotenen Verein und seine Aktivitäten hingewiesen werde, ohne dass nach dem deutlich erkennbaren Sinn der Äußerungen die Tätigkeit des Vereins gefördert werden solle. Aus dem Spannungsverhältnis zwischen Grundrechtsschutz und Gefahrenabwehr folge das Erfordernis einer restriktiven Auslegung des Unterstützungsbegriffs. Unterstützungshandlungen müssten auf die Festigung vorhandener terroristischer Strukturen abzielen und der Ausländer selbst müsse einen den Unterstützungsbegriff gerecht werdenden Beitrag zur Unterstützung der Vereinigung leisten. Das Bundesverfassungsgericht weise ausdrücklich darauf hin, dass dem Einzelnen nicht verboten werde, selbst bestimmte politische Ziele anzustreben und zu vertreten, wohl aber, dies durch Förderung der verbotenen Tätigkeit des Vereins zu tun. Die Abwehr richte sich nicht gegen die Handlung des Einzelnen als solche, sondern gegen die mit ihr verbundene Stärkung der Organisation. Es reiche nicht aus, wenn der Außenstehende gleiche Ansichten wie die verbotene Partei vertrete. Einer Meinungsäußerung sei daher nur dann eine objektive Gefahr immanent, wenn zusätzlich äußere, sich nicht nur aus der Willensrichtung des Äußernden ergebende Umstände hinzuträten, die der Äußerung einen unmittelbaren Förderungseffekt geben. Es bedürfe einer auf die terroristische Tätigkeit der Vereinigung bezogene Zweckgerichtetheit und insoweit gelte auch das Regelbeweismaß für Tatsachenfeststellungen. Engagierte Sympathisanten im Umfeld einer terroristischen Organisation, die wie hier der Kläger nicht strukturell in diese eingebunden seien, erfüllten daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht den Begriff der Unterstützung einer Vereinigung, die ihrerseits den Terrorismus unterstütze.
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Es müssten die gleichen Maßstäbe gelten wie für den strafrechtlichen Unterstützungsbegriff. Daran fehle es regelmäßig, wenn die Betätigung sich auf Geldspenden, Verteilung von Zeitungen und Flugblättern, die Teilnahme an friedlichen Demonstrationen, Hungerstreiks oder nicht gewalttätigen Besetzungsaktionen beschränke. Von terroristischem Aktivitäten im Einzelfall sei auszugehen, wenn der Betreffende aufgrund seiner hochrangigen Funktionärstätigkeit für die PKK eine qualifizierte Mitverantwortung für deren kriminelle und terroristische Aktivitäten in Deutschland trage. Dies werde auch durch die Rechtsprechung zur Anwendung von Art. 1 GFK, Art. 12 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2004/83/EG, § 3 Abs. 2 Nr. 2 AsylG bestätigt. Auch dort gehe es um eine Zurechnung nach verwaltungsrechtlichen und nicht strafrechtlichen Grundsätzen, wobei dort der Beweisstandard hinsichtlich der materiellen Zurechnungskriterien gegenüber dem Strafrecht nicht herabgesenkt sei. Hier wie dort gehe es um die Gefährdung wichtiger öffentlicher Schutzgüter durch terroristische Gefahren. Verlangt werde dort ein vorsätzlicher Beitrag mit dem Ziel, die kriminelle Tätigkeit oder die strafbare Absicht der Gruppe zu fördern. Die Beiträge müssten also ausreichend sein, die Fähigkeit der Organisation, terroristische Anschläge zu verüben, zu fördern. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union fordere in diesem Zusammenhang eine individuelle Prüfung der genauen tatsächlichen Umstände. Er gehe davon aus, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit vermutet werden könne. Ob diese Vermutung gerechtfertigt sei, erfordere nach seiner Rechtsprechung aber eine Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände.
31 
In vorliegendem Fall sei zur Entlastung des Klägers zu berücksichtigen, dass er nicht in eine Organisation eingebunden sei, die sich terroristischer Mittel bediene. Zwar gehe das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass für den präventiven Gefahrenabwehrschutz gegenüber dem strafrechtlichen Maßstab der Begriff der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung erweitert werden dürfe. Aus verfassungsrechtlichen Gründen setze aber eine präventive Gefahrenabwehrmaßnahme voraus, dass durch das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorgerufen werde. Es bedürfe stets einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die auf konkret umrissenen Tatsachen beruhe. Dass Sympathiebekundungen für eine terroristische Organisation, selbst Sympathiebekundungen für terroristische Aktivitäten, eine Gefahr begründeten, sei eher fern liegend, sofern keine konkreten Anhaltspunkte dafür geliefert werden könnten, dass durch diese die öffentliche Sicherheit gefährdet werde. Die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad dürften nicht beliebig abgesenkt werden. Aufgrund des prognostischen Charakters des Gefahrenbegriffs und der Tatsache, dass nahezu jedes Gut mehr oder weniger risikogeneigt sei und mit Blick auf das Recht auf Inanspruchnahme grundrechtlicher Freiheiten müsse der Gesetzgeber in abstrakter Weise einen Ausgleich dieser widerstreitenden Interessen erreichen. Dies könne dazu führen, dass Grundrechtseingriffe einer bestimmten Eingriffsintensität erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorgesehen werden dürften. Dies gelte auch für § 54 Nr. 5 AufenthG. Es genüge nicht, dass in irgendeiner Form auf die terroristische Organisation und deren Aktivitäten hingewiesen werde, ohne dass nach dem deutlich erkennbaren Sinn der Äußerung deren terroristische geprägten Tätigkeiten im objektiven Sinne gefördert werden sollten. Gemessen hieran habe der Kläger durch seine Vereinsaktivitäten nicht den internationalen Terrorismus unterstützt. Für § 54 Nr. 5 AufenthG seien ein kognitives und ein voluntatives Element erforderlich. Hinsichtlich des voluntativen Elements des subjektiven Unterstützungsbegriffs fehle es indes an der verfassungsrechtlich gebotenen Eindeutigkeit. Nach der Rechtsprechung genüge es, dass der Einzelne in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst stehe, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringe und damit deren Stellung in der Gesellschaft, vor allem unter Landsleuten, begünstigend beeinflusse, deren Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitere und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefährdungspotenzials beitrage. Dies reiche aus verfassungsrechtlicher Sicht jedoch nicht aus. Auch eine bloße Stärkung eines latenten Gefährdungspotenzials genüge nicht den Anforderungen, die für die Eingriffsverwaltung an das Bestehen einer konkreten Gefahr zu fordern seien. Bei Äußerungen müsse eine vereinsfördernde Zielrichtung eindeutig erkennbar sein. Ob der Betroffene die Grenzen einer erlaubten Tätigkeit überschreite, sei davon abhängig, wie weit der grundrechtlich geschützte Freiheitsbereich reiche. Dies könne ohne voluntative Elemente nicht bestimmt werden. Es sei daher zu verlangen, dass der Einzelne sich mit den Zielvorstellungen und terroristischen Aktivitäten einer Organisation identifiziere. Dementsprechend genüge eine bloße politische Sympathiebekundung des Einzelnen für eine terroristische Organisation nicht. Die Schwelle sei erst überschritten, wenn Sympathie in Form der Verherrlichung des Guerillakampfes bekundet werde. Zwar könne danach auch der Personenkult für Öcalan berücksichtigt werden, weil diesem nach wie vor ein Symbolgehalt für den bewaffneten Kampf der PKK zukomme, es bedürfe aber zusätzlicher tatsächlicher Feststellungen für die Identifikation Einzelner mit dem Terrorismus, in dem Sinne, dass diese mit der Sympathiebekundungen für Personen oder Organisationen zugleich auch deren terroristisch geführten bewaffneten Kampf unterstützen wollten.
32 
Das Verwaltungsgericht habe auch keine schwerwiegenden Gründe im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz der Qualifikationsrichtlinie festgestellt. Eine Regelvermutung, wie das nationale Recht, kenne das Unionsrecht nicht. Es sei eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles erforderlich. Das Refoulementverbot des Art. 33 Abs. 1 GFK müsse hierbei beachtet werden. Daher sei eine eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder Bereitschaft hierzu oder eine strukturelle Einbindung in diese, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, erforderlich. Die bloße Mitgliedschaft des Klägers im Vorstand von YEK-KOM bzw. NAV-DEM sowie dessen Redebeiträge, die im Übrigen nicht dahingehend bewertet worden seien, ob der Kläger in diesen zu Gewaltanwendung aufgerufen habe, genügten nicht.
33 
Aus der Teilnahme an rechtmäßigen Versammlungen und an Veranstaltungen, in der sich die kulturelle Identität als Kurde manifestiert habe, folge nicht automatisch, dass der Betroffene selbst terroristische Handlungen unterstützt habe. Solche Veranstaltung seien auch nicht automatisch terroristische Handlungen.
34 
Zudem sei durch das neue Ausweisungsrecht dem bisherigen Automatismus eine klare Absage erteilt worden. Es sei danach eine ergebnisoffene Abwägung auf Tatbestandsseite erforderlich, die gerichtlich voll überprüfbar sei. Hier fehle es schon an einer konkreten Gefahr als Grundlage einer solchen Abwägung. Generalpräventiv motiviert sei die Ausweisung im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG, dessen Voraussetzungen auch im Übrigen nicht vorlägen, nicht zulässig. Es fehle an der Unerlässlichkeit der Maßnahme. Auch bei Annahme einer vom Kläger ausgehenden Gefahr gehe die Abwägung zu dessen Gunsten aus, da besonders schwerwiegende Ausweisungsinteressen nicht bestünden und zugleich besonders schwerwiegende und schwerwiegende Bleibeinteressen vorlägen. Der langjährige rechtmäßige Aufenthalt des Klägers in Deutschland und die Interessen seiner Familie, mit der er zusammen lebe, seien umfassend zu berücksichtigen. Eine Nachreisen der Familie in die Türkei sei dieser nicht zuzumuten. Auch sei zu beachten, dass eine Beendigung des Aufenthalts des Klägers aufgrund seines Flüchtlingsstatus nicht zulässig sei.
35 
Das Verhalten des Klägers erfülle auch deshalb nicht die Voraussetzungen der Art. 21 Abs. 2 und 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, da er selbst weder terroristische Handlungen begangen habe, noch solche geplant, entschieden oder andere dazu angeleitet bzw. finanziert oder er Mittel dazu beschafft habe. Eine dieser abschließend zu verstehenden Handlungen verlange der Gerichtshof der Europäischen in seiner Entscheidung in der Rechtssache „T.“ (Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 -, juris) jedoch. Auch betone dieser, dass eine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen keine solche Handlung sei und sich daraus nicht zwingend die Unterstützung solcher Taten ergebe.
36 
Der Kläger beantragt,
37 
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 27. Januar 2015 - 1 K 102/12 - die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 10. Januar 2012 aufzuheben.
38 
Der Beklagte beantragt,
39 
die Berufung zurückzuweisen.
40 
Er führt im Wesentlichen aus: Die PKK sei auch nach wie vor als terroristische Organisation zu sehen. Sie sei weiterhin in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 sowie im bindenden Anhang zur Verordnung (EG) 2850/2001, zuletzt aktualisiert durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/513 vom 26. März 2015, aufgeführt. Zudem sei auf die Bundestagsdrucksache 18/3702 vom 7. Januar 2015 zu verweisen, in der die Bundesregierung deutlich mache, weshalb sie am Vereinsverbot bezüglich der PKK festhalte und diese als terroristische Organisation einstufe. Diese halte weiter an ihrem Standpunkt fest, nicht zwischen „guten“ und „bösen“ Terroristen zu unterscheiden. Zwar gehe die Bundesregierung nicht von Angriffen der PKK in Deutschland oder gegen deutsche Ziele aus, dennoch stünden Angriffe gegen Ziele des Nato-Partners Türkei unverändert auf dem Plan der PKK. Dies werde weiterhin von der Bundesregierung missbilligt und im Rahmen der Möglichkeiten deutscher Sicherheitsbehörden verhindert. Die Bundesregierung weise zudem darauf hin, dass die PKK Europa als Rückzugsraum für finanzielle und politische Aktivitäten betrachte. Weiterhin sei der Friedenprozess zwischen der Türkei und den Kurden seit Juli 2015 beendet, da die Waffenruhe zerbrochen und es zu neuen Kämpfen und Anschlägen gekommen sei. Am 22. Juli 2015 seien in Ceylanpinar im Südosten der Türkei zwei Polizisten ermordet worden. Die PKK habe sich hierzu bekannt. Am 10. August 2015 seien mehrere Anschläge in Istanbul erfolgt, darunter einer auf eine Polizeiwache, zu denen sich die PKK ebenfalls bekannt habe. Am 11. August 2015 habe es einen weiteren Anschlag in Südost-Anatolien gegeben, bei dem ein türkischer Soldat ums Leben gekommen sei.
41 
YEK-KOM und NAV-DEM unterstützten die PKK und deren Nachfolgeorganisationen insbesondere durch eine Plattform für Botschaften und Propaganda der PKK; sie gewährleisteten eine ständige Präsenz der PKK im gesellschaftlichen Leben der Kurden im Bundesgebiet. Die bloße Umbenennung der YEK-KOM in die NAV-DEM habe das Verwaltungsgericht zutreffend bewertet, dies werde auch durch den Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 24. August 2015 aufgezeigt. Eine Änderung des Arbeitsprogramms sei nicht erfolgt, es gebe auch keine Distanzierung der NAV-DEM von den Aktivitäten der YEK-KOM. Auf beiden Internetpräsenzen werde jeweils das Logo der NAV-DEM abgebildet, es werde das nahezu identische Layout verwendet, wie die Screenshots vom 20. August 2015 zeigten. Die NAV-DEM sei nach eigenen Angaben Mitglied der KON-KURD-Nachfolgeorganisation (europäischer Dachverband PKK-naher Vereine) und der Vorsitzende der NAV-DEM habe im März 2014 erklärt, dass man die deutsche Demokratie nicht akzeptieren könne, wie sich aus dem Verfassungsschutzbericht des Bundes 2014, Seite 131, ergebe. YEK-KOM bzw. NAV-DEM verträten entgegen der Darstellung des Klägers auch nicht lediglich die selben politischen Forderungen wie die PKK. Vielmehr würden die von der PKK gewählten Mittel der Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele öffentlich unterstützt, zumindest aber gebilligt. Die im verwaltungsgerichtlichen Urteil erwähnte Pressemitteilung der YEK-KOM zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Jahre 2012, in der ausgeführt werde, dass sich die kurdische Bevölkerung nicht verbieten lasse, die Symbole der PKK öffentlich zu zeigen und sich zu ihr zu bekennen, zeige das klare Bekenntnis zur PKK. Von der Gewaltanwendung der PKK habe sich die YEK-KOM auch nicht distanziert.
42 
§ 54 Nr. 5 AufenthG sei im Zusammenhang mit der UN-Resolution 1373 vom 28. September 2001 zu sehen, in der die Staaten dazu aufgefordert würden, die Nutzung ihres Staatsgebietes für die Vorbereitung, Durchführung und Finanzierung internationaler terroristischer Akte zu verhindern. Daher setze § 54 Nr. 5 AufenthG nicht voraus, dass von dem betroffenen Ausländer bereits eine konkrete Gefahr ausgehe. Angesichts der außerordentlichen Gefahren des internationalen Terrorismus sei es gesetzgeberischer Wille, dass die Voraussetzungen dieses Ausweisungsgrundes deutlich niedriger anzusetzen sei.
43 
Erforderlich sei eine wertende Gesamtbetrachtung der Aktivitäten und des Verhaltens des Ausländers. Einzelne belegbare Unterstützungshandlungen müssten vorliegen, die nach vernünftiger Wertung den Schluss zuließen, dass der Ausländer in nicht völlig unerheblicher Weise eine terroristische Organisation unterstütze. Zur Sicherung vor unverhältnismäßigen Eingriffen, etwa in die Meinungsfreiheit, müsse die Tätigkeit für den Ausländer erkennbar geeignet sein, sich auf die unterstützte Vereinigung positiv auszuwirken. Lediglich politische, humanitäre oder sonstige Ziele genügten nicht, das sei auch berücksichtigt worden. Die zahlreichen Aktivitäten des Klägers auch in herausgehobener Funktion könnten nicht als bloßes Gedenken an verstorbene Verwandte gewertet werden, da zugleich der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel gebilligt worden sei. Der Kläger in seinen herausgehobenen Funktionen habe auch gewusst, dass Märtyrergedenkveranstaltungen für die Sache der PKK instrumentalisiert würden. Zurechenbar seien ihm die Unterstützungshandlungen auch mangels klarer Distanzierung durch ihn oder die Organisationen, für die er tätig gewesen sei und ist.
44 
Die Ausweisungsverfügung sei auch nach neuem Recht rechtmäßig. Die Voraussetzungen des Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie lägen vor, nachdem sogar jene des Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie vom Verwaltungsgericht zu Recht bejaht worden seien. Der Kläger irre, wenn er meine, der Gerichtshof der Europäischen Union habe in seiner Entscheidung in der Rechtssache „T.“ zwingend eine Unterstützung in Form von eigenen terroristischen Tätigkeiten oder eine herausgehobene Stellung in der terroristischen Vereinigung selbst zur Voraussetzung gemacht. Stets sei der Einzelfall zu untersuchen und es gebe danach auch andere Formen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.
45 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den Beweisantrag gestellt: „Es soll eine Auskunft zu den Tatsachen, dass die NAV-DEM insbesondere das Ziel verfolgt, die Interessen aller Kurden aus den Staaten Syrien, Irak und Türkei und die Integration der in Deutschland lebenden Kurden zu fördern sowie die Öffentlichkeit auf die Situation der bedrohten kurdischen Minderheiten im Irak und in Syrien hinzuweisen und für die Leistung humanitärer Hilfe für diese Personengruppe zu werden, eingeholt werden durch eine Auskunft durch den Sachverständigen A. I., Steindamm 39, 20099 Hamburg“. Diesen hat der Senat abgelehnt.
46 
Dem Senat liegen die verfahrensbezogenen Akten der Behörde vor. Es hat im weiteren die sich aus Blatt 165 der Gerichtsakten ergebenden weiteren Erkenntnismittel erhoben, die den Parteien zuvor zugänglich gemacht wurden. Wegen des weiteren Vortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
47 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Nicht streitgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, gegen die sich der Kläger mit seinem Berufungsantrag nicht wendet (II.).
I.
48 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
49 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Nicht mehr entscheidungserheblich ist danach, ob der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren seine Ermessenserwägungen in hinreichender Form nachgebessert hat (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 20.11 -, juris). Denn ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1; terminologisch unzutreffend daher: Marx, Aufenthalts- Asyl- und Flüchtlingsrecht, 5. Aufl. 2015, § 7, Rn. 163).
50 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung des weiteren rechtmäßigen Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Aus all dem folgt auch, dass die Ausweisung vorliegend nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln verstößt (5.).
51 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
52 
Der Kläger unterstützt seit längerem und auch aktuell die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
53 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert,
54 
„die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
55 
Im Weiteren wird auf den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP) Bezug genommen (ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris), der in seinem Artikel 1 Abs. 3 terroristische Handlungen wie folgt definiert:
56 
„Im Sinne dieses Gemeinsamen Standpunkts bezeichnet der Ausdruck "terroristische Handlung" eine der nachstehend aufgeführten vorsätzlichen Handlungen, die durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen kann und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert ist, wenn sie mit dem Ziel begangen wird,
57 
i) die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder
58 
ii) eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigterweise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder
59 
iii) die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören:
60 
a) Anschläge auf das Leben einer Person, die zum Tode führen können;
61 
b) Anschläge auf die körperliche Unversehrtheit einer Person;
62 
c) Entführung oder Geiselnahme;
63 
d) weit reichende Zerstörungen an einer Regierungseinrichtung oder einer öffentlichen Einrichtung, einem Verkehrssystem, einer Infrastruktur, einschließlich eines Informatiksystems, einer festen Plattform, die sich auf dem Festlandsockel befindet, einem allgemein zugänglichen Ort oder einem Privateigentum, die Menschenleben gefährden oder zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen können;
64 
e) Kapern von Luft- und Wasserfahrzeugen oder von anderen öffentlichen Verkehrsmitteln oder Güterverkehrsmitteln;
65 
f) Herstellung, Besitz, Erwerb, Beförderung oder Bereitstellung oder Verwendung von Schusswaffen, Sprengstoffen, Kernwaffen, biologischen und chemischen Waffen sowie die Forschung und Entwicklung in Bezug auf biologische und chemische Waffen;
66 
g) Freisetzung gefährlicher Stoffe oder Herbeiführen eines Brandes, einer Explosion oder einer Überschwemmung, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
67 
h) Manipulation oder Störung der Versorgung mit Wasser, Strom oder anderen lebenswichtigen natürlichen Ressourcen, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
68 
i) Drohung mit der Begehung einer der unter den Buchstaben a) bis h) genannten Straftaten;
69 
j) Anführen einer terroristischen Vereinigung;
70 
k) Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung einschließlich durch Bereitstellung von Informationen oder materiellen Mitteln oder durch jegliche Art der Finanzierung ihrer Aktivitäten in dem Wissen, dass diese Beteiligung zu den kriminellen Aktivitäten der Gruppe beiträgt.
71 
Im Sinne dieses Absatzes bezeichnet der Ausdruck "terroristische Vereinigung" einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die in Verabredung handeln, um terroristische Handlungen zu begehen. Der Ausdruck "organisierter Zusammenschluss" bezeichnet einen Zusammenschluss, der nicht zufällig zur unmittelbaren Begehung einer terroristischen Handlung gebildet wird und der nicht notwendigerweise förmlich festgelegte Rollen für seine Mitglieder, eine kontinuierliche Mitgliedschaft oder eine ausgeprägte Struktur hat.“
72 
Bei der hiernach erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
73 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
74 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2012, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
75 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde, die der Kläger auch nicht in Frage stellt (Ziffer 2.1.1. der Ausweisungsverfügung, Blatt 25 bis 27 der Akte des Verwaltungsgerichts; Ziffer 1. a) des Urteils des Verwaltungsgerichts, Seite 8, unten, letzter Absatz bis Seite 10, Blatt 8 bis 10 der Gerichtsakte).
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Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats und in dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkersparty). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: „Die PKK sieht sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen“, so B.. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Die PKK treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Er, B., sei überrascht, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. Und weiter: In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. „Der Preis für Kritik an der PKK kann der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern, Büros. Ich habe viele Drohungen bekommen.“, so B..
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Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
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Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
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Soweit der Kläger daher auf veränderte politische Umstände und dabei insbesondere darauf abstellen will, dass die PKK sich nunmehr dem Kampf gegen den IS, dem Schutz der Zivilbevölkerung im Norden Syriens verpflichtet fühle, den bewaffneten Kampf gegen die Türkei aufgegeben habe und entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat zu bewerten seien, ist dies auch durch das aktuelle Vorgehen der PKK eindrucksvoll widerlegt. Selbst wenn man mit dem Kläger einmal unterstellt, die PKK sei mit der YPG gleichzusetzen und in Syrien dem Schutz der Kurden und Jesiden verpflichtet, ändert dies nichts an den in der Türkei verübten terroristischen Taten.
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b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger unbestritten entfalteten Aktivitäten ab Dezember 2010 als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch vorgehalten werden dürfen.
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Im konkreten Fall können allerdings nur noch diejenigen Aktivitäten des Klägers ein solches begründen, die dieser nach erfolgter Mitteilung im Juli 2010 an ihn, dass wegen seiner Aktivitäten die Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. seine Ausweisung geprüft werde, entfaltet hat. Davor liegende sind aus Gründen des Vertrauensschutzes verbraucht. Denn ein Ausweisungsinteresse ist, wie auch bislang schon ein Ausweisungsgrund, verbraucht, wenn ein Aufenthaltstitel in Kenntnis bzw. in der Sphäre des Staates zuzurechnender Unkenntnis desselben erteilt bzw. verlängert wurde (Discher, in: GK-AufenthG, Juni 2009, Vor §§ 53. ff. AufenthG, Rn. 382 ff., m. w. N.). So liegt der Fall hier. Darauf, ob solche Aktivitäten der den Titel erteilenden Ausländerbehörde tatsächlich selbst bekannt waren, kommt es mit Blick auf den damit bezweckten Vertrauensschutz, der sich aus der Perspektive des betroffenen Ausländers bestimmt, nicht entscheidend an. Vielmehr genügt es, wenn solche Aktivitäten der Ausländerbehörde hätten bekannt sein können, was hier der Fall ist, nachdem diese selbst eine Sicherheitsüberprüfung mit Blick auf vorliegende Erkenntnisse eingeleitet und sodann die Niederlassungserlaubnis erteilt hat, ohne das Ergebnis der Überprüfung abzuwarten. Dass dies unter der - irrigen - Annahme erfolgte, eine Überprüfung sei vorliegend rechtlich nicht erforderlich, ändert hieran nichts.
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Diese Aktivitäten des Klägers sind auch überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
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Soweit der Kläger die dargestellten rechtlichen Maßstäbe in grundsätzlicher Art angreift, überzeugt dies den Senat nicht.
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Der Senat folgt nicht seiner Auffassung, Verfassungs- bzw. Unionsrecht verlangten, dass das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete mit der jeweiligen Einzelhandlung verbundene Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorrufe. Ein verfassungs- oder unionsrechtlicher Rechtssatz, der dazu zwingen würde, nur konkrete terroristische Gefahren mit der Ausweisung zu bekämpfen, ist nicht ersichtlich. Die dahingehende Argumentation des Klägers bleibt daher auch gänzlich unspezifisch. Es ist nichts Grundsätzliches dagegen einzuwenden, wenn der Gesetzgeber mit Blick auf die spezifischen Gefahren terroristischer Aktivitäten unter Berücksichtigung der Bedeutung der davon betroffenen hochrangigen Rechtsgüter (Leib, Leben, Freiheit der Bevölkerung, hohe Sachwerte sowie die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik) und des zumeist konspirativen (Beweisnot), ideologisch motivierten Vorgehens solcher Vereinigungen (Gruppendynamik), aus denen sich gravierende Nachweisschwierigkeiten und deren erschwerte Bekämpfbarkeit ergeben, mit einer Absenkung des Gefahrenmaßstabs reagiert. Dies entspricht anerkannten Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts.
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Soweit der Kläger meint, es sei stets ein Vollbeweis zu führen, gilt nichts anderes. Der gesetzlich normierte abgesenkte Beweismaßstab der Regelung ist dem Grunde nach, insbesondere mit Blick auf die bereichstypische Beweisnot und die Hochwertigkeit der zu schützenden Rechtsgüter, rechtlich unbedenklich, weil sachangemessen. Die Grenzen sind gegebenenfalls von der Rechtsprechung anhand konkreter Fälle zu präzisieren, was auch geschieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701; vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, NVwZ 2005, 1091; VGH Bad.-Württ, Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 09.11.2005 - 24 CS 05.2621 -, NVwZ 2006, 1306; siehe auch: Berlit, NVwZ 2013, 327, m. w. N; Kirsch, NVwZ 2012, 677; Eckertz-Höfer, in: Barwig u. a., Perspektivwechsel im Ausländerrecht?, 2007, 105 <114>; Marx, ZAR 2004, 275). Auch ist sich der Senat durchaus der Problematik von Beweisketten bewusst, bei denen “sich die Beweiskraft […] umso mehr verringert, je länger die Kette ist, und umso schneller vermindert, je geringer die jeweilige Beweiskraft der je einzelnen Indizien ist“ (so schon: Bender/Röder/Nack, Tatsachenfeststellungen vor Gericht, Band I, 1. Aufl., 1981, S. 181 f.). Daraus erwächst in vorliegendem Fall allerdings schon deshalb kein entscheidungserhebliches Problem, weil weder die dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten in tatsächlicher Hinsicht im Streit stehen, noch die der Vereinigungen, in denen er tätig war und ist und letztlich auch nicht die der PKK, sondern jeweils nur deren Bewertung.
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Zudem ist inzwischen geklärt, dass eine gleichlaufende Auslegung von straf- und ausweisungsrechtlichem Unterstützungsbegriff nicht geboten ist (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701). Die nicht deckungsgleichen Ziele des Strafrechts einerseits und des Rechts der Gefahrenabwehr andererseits schließen die Möglichkeit einer effektiven Abwehr terroristischer Gefahren einzig über das Strafecht oder auf der Grundlage der dieses Rechtsgebiet prägenden Begrenzungen aus. Strafe im verfassungsrechtlichen Sinne, verstanden als auch „sozialethisches Unwerturteil“ (so: BVerfG, Beschluss vom 09.07.1997 - 2 BvR 1371/96 -, BVerfGE 96, 245) dient als reaktive Maßnahme vornehmlich dem Schuldausgleich, die Prävention ist nur ein Teilaspekt der Strafzumessung und diese ist wiederum begrenzt durch die individuelle Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB). Damit ist sie im Kern auf die Aufarbeitung schon geschehener oder versuchter Taten (§ 22 StGB) begrenzt. Ihre daher nur punktuell zulässige Erstreckung auf Vorfeldaktivitäten steht, wie die §§ 89a, 129a, 129b StGB und die dazu ergangene Rechtsprechung deutlich machen, in einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis, das es ausschließt, eine hinreichend effektive, insbesondere aktive und rechtzeitige Abwehr künftiger Gefahren nach Opportunitätsgesichtspunkten über Strafvorschriften oder unter Bindung an deren Begrenzungen zu gewährleisten.
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Wenn der Kläger sich schließlich darauf beruft, stets nur an erlaubten (präziser: nicht verbotenen) Veranstaltungen teilgenommen zu haben bzw. teilzunehmen und stets nur für nicht verbotene Vereine tätig zu sein, greift dies aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht durch: Aus rechtlichen nicht, da § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Gegensatz zu Nr. 3 der Vorschrift gerade nicht auf ein Verbot abstellt und ein solches deren Mitglieder vermehrt zu konspirativem Verhalten veranlassen kann, ohne dass damit für die Gefahrenabwehr viel gewonnen wäre. Es kann daher aus Gründen der Gefahrenabwehr opportun sein, von einem solchen abzusehen. Aus tatsächlichen nicht, da es fern liegt, annehmen zu wollen, dem Kläger sei das auch terroristische Verhalten der PKK in der Türkei entgangen und er sei sich im Unklaren über die Bedeutung seines eigenen Tuns, zumal er sich augenscheinlich fast ausschließlich mit der Kurdenthematik zu beschäftigen scheint und er die vom Gericht mitgeteilten Erkenntnisse zur PKK sowie der YEK-KOM bzw. NAV-DEM noch nicht einmal ansatzweise in Abrede gestellt hat (dazu sogleich unten).
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Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen, weitere herausgehobene Tätigkeiten als Redner und Organisator von PKK-nahen Veranstaltungen und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten Aktionen und Veranstaltungen solcher Vereinigungen.
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Im Einzelnen sind dem Kläger zunächst die sich aus der Ausweisungsverfügung ergebenden Aktivitäten bis zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis an ihn vorgehalten worden, auf die hier verwiesen wird (Ziffer 1.2. der Ausweisungsverfügung, Seite 3 bis 9; Blatt 16, unten, bis einschl. Blatt 23, erster Absatz oben, der Akte des Verwaltungsgerichts) und die von diesem ebenso wenig in Abrede gestellt werden, wie die weiteren, die der Kläger nach Mitteilung des Beklagten an ihn im Juli 2010, dass eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung mit Blick auf seine Aktivitäten zu Gunsten der PKK geprüft werde, entfaltet hat:
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- Am 5. Dezember 2010 nahm er an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim in der Siedlerhalle teil. Dort waren eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht. Ein in Guerillauniform auftretender Redner lobte die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe. Dies habe man dem großen Führer Apo und den Parteimärtyrern zu verdanken. Man dürfe auch die Kämpfer an der Front nicht vergessen, die man von hier aus grüße. Ein weiterer Redner referierte über die Geschichte der PKK.
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- Am 20. Februar 2011 nahm der Kläger an einer Mitgliederversammlung der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. (KG HN) teil. Nach einer Schweigeminute für die Märtyrer Kurdistans und der ganzen Welt referierte er über die unzureichende Vorstandstätigkeit des Vereins und forderte dazu auf, verstärkt Mitglieder zu werben. Er wisse, dass im Raum Heilbronn 500 bis 600 kurdische Familien lebten, die meisten von ihnen hätten aber nur deswegen keinen Kontakt zum Verein, weil sie Angst vor den deutschen Behörden hätten. Es bestünde kein Grund zur Furcht, da alles angemeldet und der Verein absolut legal sei. Der Kläger bat die Anwesenden, auf die Kurden zuzugehen, mit ihnen zu reden und ihnen die Angst zu nehmen.
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Nach Durchführung der Sicherheitsbefragung am 23. Februar 2011:
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- Am 5. August 2011 war der Kläger in der Yeni Özgür Politika (YÖP) abgebildet, dies anlässlich einer Kampagne zur Anerkennung der kurdischen Identität, organisiert von der YEK-KOM. Laut der Berichterstattung hat er im Heilbronner Verein über die Ziele der Kampagne informiert.
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- Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums Mannheim vom 30. Januar 2012 war der Kläger am 4. November 2011 Teilnehmer und Redner bei einem Aufzug mit Kundgebung in Mannheim zum Thema „türkische Regierung verwendet Napalmgas und chemische Waffen gegen die türkische Bevölkerung/Schluss mit der Isolationshaft von Öcalan/Schluss mit den Verhaftungswellen in der Türkei gegen die kurdischen Politiker“. Der Redebeitrag des Klägers habe den Eindruck hoher Emotionalität vermittelt.
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- Am 2. Dezember 2011 nahm er an einer Gedenkfeier zum 33. Partei-gründungs-Jahrestag, dem 27. November 1978, in Heilbronn teil. Auch dort hingen Bilder von Öcalan und Parteifahnen, auch der ERNK, der früheren Propagandaorganisation der PKK. Nach einer Gedenkminute für die kurdischen Märtyrer und der Begrüßung schilderte ein Redner die Parteigründung durch Öcalan und dessen Genossen. Die Erfolgsgeschichte der Partei dauere bis heute an, leider aber auch ihre Schwierigkeiten, bedauerlicherweise auch in Europa. Es sei erforderlich, die Partei zu unterstützen. Es wurden mehrfach Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert. Auch dort waren fast ausschließlich PKK-Unterstützer zugegen.
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- Am 13. Dezember 2011 wurde der Kläger erneut in der YÖP anlässlich eines Vereinskongresses in Stuttgart erwähnt. Er forderte dort die hier lebenden Kurden auf, stärker für ihre Identität einzutreten.
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Nach Verfügung der Ausweisung am 10. Januar 2012:
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- In der YÖP vom 14. Februar 2012 wurde er als Teilnehmer des 3. Kongresses der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. abgebildet. Er führte dort in seiner Rede aus, dass die Kurden in der Türkei und in Europa unter Beschuss stünden, da ihnen die Existenz ihrer eigenen Kultur abgesprochen werde.
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- Aus dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden Württemberg vom 19. Dezember 2012 ergibt sich, dass der Kläger zwar das Amt des 2. Vorsitzenden der YEK-KOM seit Ende 2011 nicht mehr ausübt, er jedoch bereits im Mai 2012 erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt wurde.
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- In dieser Funktion ist er ausweislich des weiteren Berichts des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2013 beispielsweise als Versammlungsleiter des 20. kurdischen Kulturfestivals am 8. September 2012 in Mannheim in Erscheinung getreten. Bei dieser Veranstaltung kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Polizeibeamte.
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- Er ergriff am 16. Januar 2013 in Mannheim im Rahmen einer Solidaritätsdemonstration für die drei in Paris ermordeten PKK-Aktivistinnen das Wort und verurteilte das Attentat scharf. Er vertrat die Meinung, dass die Morde nicht nur in den Personen der Aktivistinnen angesiedelt seien, sondern auch auf politische Überlegungen zurückzuführen seien, die einen Fortbestand der kriegerischen Auseinandersetzungen der Heimat zum Ziel hätten. Die Geheimdienste stünden hinter diesem Anschlag. Der französische Staat könne diesen problemlos aufklären, wenn er dies nur wolle. Folglich müssten die Kurden einen legitimen demokratischen Druck auf den französischen Staat ausüben. Der Kläger rief zu Sitzstreiks in allen Städten mit französischen Botschaften und ähnlichen Einrichtungen auf, bis eine Aufklärung des Attentats erfolgt sei.
102 
- Am 21. Mai 2013 war der Kläger im Namen der YEK-KOM bei den Vorstandswahlen der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. anwesend.
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- Am 8. September 2013 fungierte der Kläger als Versammlungsleiter bei einer Mitgliederversammlung mit Vorstandswahl des PKK-nahen mesopotamischen Anadolu Kulturvereins e.V. (MAK). Zur PKK-Nähe des MAK Lahr sei auf den Bericht des Landesamtes vom 9. März 2010 an das Innenministerium zu verweisen.
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- Am 29. April 2014 war der Kläger in der YÖP als Teilnehmer des Gründungskongresses des kurdischen-demokratischen Gesellschaftszentrums am 27. April 2014 in den Räumlichkeiten des PKK-nahen kurdischen Kulturvereins e.V. in ... abgebildet.
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- Am 10. Oktober 2015 hielt der Kläger anlässlich einer Protestaktion in Frankfurt im Namen der NAV-DEM eine Rede.
106 
Nach „Auflösung“ der YEK-KOM am 22. Juni 2014 ließ sich der Kläger am selben Tag in gleicher Sitzung, zusammen mit einem weiteren Vorstandsmitglied der YEK-KOM, in den fünfköpfigen Vorstand der NAV-DEM wählen. Diese Vorstandstätigkeit übt er bis heute aus, und er ist in dieser Funktion seitdem auch als Redner und Versammlungsleiter auf zahlreichen Veranstaltungen aufgetreten, die erkennbar der Propaganda für die PKK dienten. Der Kläger engagiert sich damit seit langem ohne Zäsur in herausgehobener Position unterstützend für die PKK.
107 
Daran, dass die YEK-KOM die PKK unterstützt hat, bestehen weiterhin keine vernünftigen Zweifel. Hierzu hat der Senat schon in seinem Urteil vom 7. Dezember 2011 - 11 S 897/11 -, juris Rn. 47, das vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418, bestätigt wurde, ausgeführt:
108 
„Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder - nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM - für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
109 
Für die NAV-DEM gilt insoweit nicht anderes. Soweit der Kläger unter Verweis auf schriftliche Erklärungen der NAV-DEM meint, dass diese eine andere Ausrichtung als die YEK-KOM habe, nämlich den Kampf gegen den IS, die Förderung der Integration der in Deutschland lebenden Kurden und die Gleichstellung und die Gleichberechtigung der Frauen, überzeugt dies den Senat nicht. Das Verwaltungsgericht hat schon zu Recht auf die fehlende tatsächliche Veränderung der Aktivitäten des Vereins abgestellt, der zudem nicht neu gegründet, sondern nur umbenannt wurde. Es verweist zutreffend auf die Pressemitteilung des Vereins vom 18. Juli 2014, aus der sich ergibt, dass die NAV-DEM selbst nach eigenem Verständnis die Arbeit der YEK-KOM fortführt. Die vom Senat eingesehene Internetpräsenz (navdem.com) bestätigt dies, die Überschrift der Pressemitteilung vom 18. Juli 2014 lautet:
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„YEK-COM heißt jetzt NAV-DEM“
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Die weiteren dort aufgeführten Pressemitteilungen verdeutlichen im Übrigen die Fortführung der Veranstaltungen und Kundgebungen mit gleichem Ablauf und gleichen Themen wie zuvor schon unter dem Namen YEK-KOM:
112 
- Eintrag vom 7. September 2014, Interview mit Yüksel Koc „Das Verbot kriminalisiert die Kurden“, anlässlich einer Festnahme eines Mannes durch die Generalbundesanwaltschaft, der Geld für die PKK gesammelt haben soll, was, nach Koc, eine Kriminalisierung politischer Arbeit bedeute, da dieser selbst keine Gewalt ausgeübt habe.
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- Eintrag zur Kundgebung am 13. September 2014 in Düsseldorf unter dem Motto „Freiheit für Öcalan - Status für die Kurden“.
114 
- Eintrag vom 6. März 2015: Aufruf zur Newroz-Demonstration am 21. März 2015 in Bonn.
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Der Beklagte hat zudem unwidersprochen und zutreffend darauf hingewiesen, dass NAV-DEM und YEK-KOM identische Logos auf ihren Internetpräsenzen verwenden und der Vorsitzende der NAV-DEM im März 2014 erklärt habe, man könne die deutsche Demokratie nicht akzeptieren. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz geht in seiner Broschüre zur „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ vom Juli 2015, dort S. 18, davon aus, dass die NAV-DEM in Nachfolge der YEK-KOM wie diese auch als Dachverband von örtlichen Vereinen diene, in denen die PKK Informationen steuere und Vorgaben umsetze und dass sich die NAV-DEM durch eine aktive Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit sowie den Aufbau von Kontakten zu politischen Entscheidungsträgern bemühe, weitere Unterstützung für deren Anliegen zu erhalten. Diese Einschätzung teilt der Senat aufgrund der dargestellten tatsächlichen Umstände und sieht sich dabei auch die Aktivitäten des Klägers selbst bestätigt.
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Soweit der Kläger meint, dass es dem Verwaltungsgericht an ausreichender Sachkunde gefehlt habe, um eine Änderung des Aufgabenspektrums zu verneinen, erschöpft sich dies in einer schlichten Behauptung, die auf nichts gestützt wird. Sämtliche vom Verwaltungsgericht und dem Beklagten ausführlich dargelegten tatsächlichen Aktivitäten der YEK-KOM und nachfolgend der NAV-DEM sowie der Redner und Teilnehmer an deren Veranstaltungen lässt der Kläger gänzlich unkommentiert, obwohl es ihm als 2. Vorstandsmitglied der NAV-DEM ein Leichtes sein müsste, Tatsächliches zum Verein vorzubringen, das die Wertungen des Verwaltungsgerichts und des Beklagten diesbezüglich erschüttern würde. Es spricht hier daher auch nach Überzeugung des Senats nichts dafür, dass sich an der Ausrichtung oder dem Aktivitätenspektrum etwas geändert haben könnte, zumal es seitens des Vereins zu keinem Zeitpunkt zu eine Distanzierung von der PKK oder auch nur der YEK-KOM gekommen ist.
117 
Dem Beweisantrag des Klägers war vor diesem Hintergrund nicht nachzugehen, zumal etwaige weitere Vereinsziele, die unter Beweis gestellt worden sind, die dargelegten Aktivitäten und Zielrichtungen nicht neutralisieren. Überdies konnte der Kläger nicht dartun, weshalb der von ihm benannte Sachverständige hinreichende Sachkunde haben könnte. Dies hätte ihm oblegen, weil der auf die Bestrebungen und Ziele der NAV-DEM gerichtete Beweisantrag die Benennung eines Sachverständigen erforderte, der über eine spezielle Sachkunde, nämlich über interne Kenntnisse über die NAV-DEM, verfügt, die nicht von jedem Sachverständigen gleichermaßen reproduzierbar ist (vgl. Krehl, in: Karlsruher Kommentar StPO, 7. Aufl., 2013, § 244 StPO, Rn. 80).
118 
Bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied sind dem Kläger sämtliche Aktionen der YEK-KOM und der NAV-DEM zuzurechnen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris, Rn. 50, m. w. N.). Soweit der Kläger dies bezweifelt, ist dies nicht nachvollziehbar, da er selbst darauf hinweist, dass die von ihm insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darauf abstellt, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit unter Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände vermutet werden könne. Unbeschadet dessen bestehen für den Senat aber auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass die vom Kläger entfalteten Aktivitäten von diesem in dem Bewusstsein und mit dem Willen erfolgt sind und erfolgen, die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Das wird deutlich, wenn man das Verhalten des Klägers seit 2004 und auch nach Juli 2010 in der gebotenen Gesamtschau in den Blick nimmt, wie es der Beklagte - vom Kläger unwidersprochen - geschildert hat. Der Aspekt des Vertrauensschutzes gebietet es nicht, bei der Würdigung des Verhaltens des Klägers dessen früheres Verhaltes insgesamt auszublenden. Ein schützenswertes Vertrauen besteht nur insoweit, als die zuvor entfalteten Aktivitäten für sich genommen keine Ausweisung mehr rechtfertigen können. Bei der notwendigen Bewertung neuer, nachfolgender Aktivitäten kann weiterhin auf das gesamte Verhalten des Ausländers zurückgegriffen werden (Discher, a.a.O., Rn. 391; BVerfG, Beschluss vom 19.08.1983 - 2 BvR 1284/83 -, NVwZ 1983, 667; OVG Bln.-Bbg., Beschluss vom 24.10.2013 - OVG 3 N 169.12 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris).
119 
Nach wie vor engagiert sich der Kläger unbeschadet des Ausweisungsverfahrens im Rahmen des Vereins als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter und Redner an Veranstaltungen, die angesichts deren Ablaufs, der dort gehaltenen Reden und der klaren Ausrichtung auf den Führerkult um Öcalan und gefallene Märtyrer auch für den Senat keinen Zweifel aufkommen lassen, dass der Kläger sich, wie auch die NAV-DEM, den Zielen der PKK verpflichtet fühlt, diese mit ihrem Tun unterstützen will und dabei deren Mittel umfassend zumindest billigt, insbesondere auch deren spezifisch als terroristisch zu qualifizierendes Handeln. Seine Teilnahme an Veranstaltungen, wie der am 5. Dezember 2010 an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim, bei der eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht waren und in der ein in Guerillauniform auftretender Redner die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation lobte, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe und in der ausgeführt wurde, dass man dies dem großen Führer „Apo“ (gemeint ist Öcalan) und den Parteimärtyrern zu verdanken habe und man die Kämpfer an der Front nicht vergessen dürfe, die man von hier aus grüße, verdeutlichen dies in aller Klarheit. Für seine Teilnahme an einer Gedenkfeier zum 33. Parteigründungs-Jahrestag in Heilbronn am 2. Dezember 2011, bei der zur Unterstützung der PKK aufgefordert und Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert wurden, gilt nichts anderes. Soweit man aus den weiteren dargestellten Aktivitäten des Klägers ableiten wollte, dass dieser sich nach Erlass der Ausweisungsverfügung gemäßigter verhält, ist dies nach Überzeugung des Senats mit Blick auf das laufende Verfahren taktisch motiviert und lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger, der weiterhin eine führende Rolle in der NAV-DEM spielt, von seinem bisherigen Verhalten glaubhaft Abstand nimmt (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz AufenthG). Sein beredtes Schweigen zu sämtlichen vom Beklagten zusammengetragenen Tatsachen macht dies deutlich.
120 
Das gegenteilige Bild, das der Kläger von seiner Motivation und Haltung zeichnet, ohne hierfür nachvollziehbare Fakten zu benennen, steht daher in offenem Widerspruch zu seinem tatsächlichen Verhalten. Im Übrigen erschöpft sich sein Vortrag hierzu in dem Versuch einer Umdeutung seines Verhaltens, die schon im Ansatz nicht überzeugt. Es ist das eine, um Verstorbene zu trauern oder ihrer zu gedenken, aber etwas gänzlich anderes, Veranstaltungen als Redner oder in Vereinsfunktion zu gestalten oder vorbehaltlos an solchen teilzunehmen, die etwa von in Guerillauniform auftretenden Rednern geprägt werden und in denen der Kampf der PKK in der Türkei glorifiziert wird. Erkennbar geht es auf den vom Kläger mitgestalteten und besuchten Veranstaltungen nicht einfach um die legitime Kundgabe von Meinungen, sondern immer auch um die gezielte moralische, finanzielle und personelle Unterstützung des für legitim gehaltenen und auch terroristische Mittel einsetzenden Kampfes der PKK. Dass damit die PKK auch in der Wahl ihrer Mittel vorbehaltlos unterstützt wird, kann dem Kläger nicht entgangen sein, nachdem dort Auftritte in Guerillauniform stattfinden, den „Märtyrern“ gedacht wird und den Kämpfern an der Front Grußbotschaften gesandt werden. Es greift daher auch viel zu kurz, wenn der Kläger meint, dass es hier um einen ungerechtfertigten Eingriff in sein Recht auf freie Meinungsäußerung gehe. Soweit er daher darauf abstellen will, dass der Sinn von Äußerungen einen deutlich erkennbaren Bezug zur Förderung der PKK aufweisen müsse, mag man dem zustimmen, ein solcher Bezug wird hier aber entgegen der Auffassung des Klägers auch in seinem Handeln deutlich.
121 
Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheits-resolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung einer Gefahr in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, da das konsequent fortgesetzte Handeln des Klägers die gesetzliche Festlegung bestätigt.
122 
2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
123 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Soweit die Vorgaben in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen sind, wovon nach dieser Gesetzesbegründung auszugehen ist (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus), kann daher aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
124 
Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger weder Arbeitnehmer im Sinne des Art. 6 ARB 1/80 noch Familienangehöriger eines solchen Arbeitnehmers nach Art. 7 ARB 1/80 ist, nachdem er in der Vergangenheit nur sporadisch und jeweils nur in kurzen Zeiträumen abhängig beschäftigt gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann. Das wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.
125 
Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
126 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154; a. A.: BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 -, juris), klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
127 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, ist vorliegend auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
128 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
129 
In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
130 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
131 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Einstufung der PKK als eine den Terrorismus jedenfalls unterstützende Vereinigung, deren Unterstützung durch die YEK-KOM bzw. NAV-DEM „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründet. Daran anschließend sind die vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen aufgrund dessen, dass diese von ihm in herausgehobener Funktion für YEK-KOM und NAV-DEM, auf zahlreichen Veranstaltungen seit über zwölf Jahren, unter Beteiligung von offen für die PKK werbenden und deren Kurs vorbehaltlos befürwortenden Akteuren (Auftreten in Guerillauniform, Märtyrergedenken, Grußbotschaften an die Kämpfer an der Front usw.) geleistet wurden und weiter geleistet werden, nicht anders zu bewerten, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat und weiterhin handelt. Diese Bewertung des eine Gefahr für die nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung begründenden Verhaltens des Klägers ist vor diesem Hintergrund auch nicht deshalb zu relativieren, weil die NAV-DEM nicht verboten ist und der Kläger sich im Rahmen von ebenfalls nicht verbotenen Veranstaltungen betätigt hat. Weder entfällt deswegen das Gewicht seiner Unterstützungshandlungen für die PKK noch ergibt sich daraus, dass sich der Kläger über sein Tun im Unklaren gewesen wäre. Dass es gerade aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr geboten sein kann, von einem Vereinsverbot abzusehen, wurde schon dargelegt. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
132 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
133 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
134 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
135 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
136 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nur für jeweils kurze und länger zurückliegende Zeiträume überhaupt einer solchen nachgegangen ist.
137 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk...). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m. w. N.).
138 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
139 
Nach all ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes.
140 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). Insoweit geht der Senat aufgrund der nicht weiter spezifizierten Angabe des Klägers, wonach sechs seiner sieben Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, davon aus, dass jedenfalls auch die noch in seinem Haushalt lebenden minderjährigen Kinder diese besitzen. § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
141 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen oder diesen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen (Bsp.: § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren; § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: 30-jähriger rechtmäßiger Aufenthalt). Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
142 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen.
143 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
144 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
145 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 17 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
146 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m. w. N.).
147 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m. w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a. a. O.).
148 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, juris, Rn. 24). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war nur sporadisch und für kürzere Zeiträume überhaupt erwerbstätig und ist seit längerem von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
149 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
150 
Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
151 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht in Bezug auf die Frage der Verhältnismäßigkeit aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492).
152 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
153 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
154 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren sicherlich gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
155 
Nicht verfahrensgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, nachdem der Kläger mit seinem Berufungsantrag, der gemäß § 124a Abs. 3 VwGO nicht nur begründende sondern auch begrenzende Wirkung hat, alleine die Aufhebung der Ausweisungsverfügung des Beklagten beantragt und er auch in seiner Berufungsbegründung auf die Befristungsfrage nicht abgestellt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2011 - 2 B 37.10 -, juris).
156 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
157 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
158 
Beschluss vom 13. Januar 2016
159 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
160 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
47 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Nicht streitgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, gegen die sich der Kläger mit seinem Berufungsantrag nicht wendet (II.).
I.
48 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
49 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Nicht mehr entscheidungserheblich ist danach, ob der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren seine Ermessenserwägungen in hinreichender Form nachgebessert hat (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 20.11 -, juris). Denn ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1; terminologisch unzutreffend daher: Marx, Aufenthalts- Asyl- und Flüchtlingsrecht, 5. Aufl. 2015, § 7, Rn. 163).
50 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung des weiteren rechtmäßigen Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Aus all dem folgt auch, dass die Ausweisung vorliegend nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln verstößt (5.).
51 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
52 
Der Kläger unterstützt seit längerem und auch aktuell die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
53 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert,
54 
„die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
55 
Im Weiteren wird auf den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP) Bezug genommen (ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris), der in seinem Artikel 1 Abs. 3 terroristische Handlungen wie folgt definiert:
56 
„Im Sinne dieses Gemeinsamen Standpunkts bezeichnet der Ausdruck "terroristische Handlung" eine der nachstehend aufgeführten vorsätzlichen Handlungen, die durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen kann und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert ist, wenn sie mit dem Ziel begangen wird,
57 
i) die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder
58 
ii) eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigterweise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder
59 
iii) die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören:
60 
a) Anschläge auf das Leben einer Person, die zum Tode führen können;
61 
b) Anschläge auf die körperliche Unversehrtheit einer Person;
62 
c) Entführung oder Geiselnahme;
63 
d) weit reichende Zerstörungen an einer Regierungseinrichtung oder einer öffentlichen Einrichtung, einem Verkehrssystem, einer Infrastruktur, einschließlich eines Informatiksystems, einer festen Plattform, die sich auf dem Festlandsockel befindet, einem allgemein zugänglichen Ort oder einem Privateigentum, die Menschenleben gefährden oder zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen können;
64 
e) Kapern von Luft- und Wasserfahrzeugen oder von anderen öffentlichen Verkehrsmitteln oder Güterverkehrsmitteln;
65 
f) Herstellung, Besitz, Erwerb, Beförderung oder Bereitstellung oder Verwendung von Schusswaffen, Sprengstoffen, Kernwaffen, biologischen und chemischen Waffen sowie die Forschung und Entwicklung in Bezug auf biologische und chemische Waffen;
66 
g) Freisetzung gefährlicher Stoffe oder Herbeiführen eines Brandes, einer Explosion oder einer Überschwemmung, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
67 
h) Manipulation oder Störung der Versorgung mit Wasser, Strom oder anderen lebenswichtigen natürlichen Ressourcen, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
68 
i) Drohung mit der Begehung einer der unter den Buchstaben a) bis h) genannten Straftaten;
69 
j) Anführen einer terroristischen Vereinigung;
70 
k) Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung einschließlich durch Bereitstellung von Informationen oder materiellen Mitteln oder durch jegliche Art der Finanzierung ihrer Aktivitäten in dem Wissen, dass diese Beteiligung zu den kriminellen Aktivitäten der Gruppe beiträgt.
71 
Im Sinne dieses Absatzes bezeichnet der Ausdruck "terroristische Vereinigung" einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die in Verabredung handeln, um terroristische Handlungen zu begehen. Der Ausdruck "organisierter Zusammenschluss" bezeichnet einen Zusammenschluss, der nicht zufällig zur unmittelbaren Begehung einer terroristischen Handlung gebildet wird und der nicht notwendigerweise förmlich festgelegte Rollen für seine Mitglieder, eine kontinuierliche Mitgliedschaft oder eine ausgeprägte Struktur hat.“
72 
Bei der hiernach erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
73 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
74 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2012, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
75 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde, die der Kläger auch nicht in Frage stellt (Ziffer 2.1.1. der Ausweisungsverfügung, Blatt 25 bis 27 der Akte des Verwaltungsgerichts; Ziffer 1. a) des Urteils des Verwaltungsgerichts, Seite 8, unten, letzter Absatz bis Seite 10, Blatt 8 bis 10 der Gerichtsakte).
76 
Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats und in dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkersparty). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: „Die PKK sieht sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen“, so B.. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Die PKK treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Er, B., sei überrascht, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. Und weiter: In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. „Der Preis für Kritik an der PKK kann der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern, Büros. Ich habe viele Drohungen bekommen.“, so B..
77 
Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
78 
Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
79 
Soweit der Kläger daher auf veränderte politische Umstände und dabei insbesondere darauf abstellen will, dass die PKK sich nunmehr dem Kampf gegen den IS, dem Schutz der Zivilbevölkerung im Norden Syriens verpflichtet fühle, den bewaffneten Kampf gegen die Türkei aufgegeben habe und entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat zu bewerten seien, ist dies auch durch das aktuelle Vorgehen der PKK eindrucksvoll widerlegt. Selbst wenn man mit dem Kläger einmal unterstellt, die PKK sei mit der YPG gleichzusetzen und in Syrien dem Schutz der Kurden und Jesiden verpflichtet, ändert dies nichts an den in der Türkei verübten terroristischen Taten.
80 
b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger unbestritten entfalteten Aktivitäten ab Dezember 2010 als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch vorgehalten werden dürfen.
81 
Im konkreten Fall können allerdings nur noch diejenigen Aktivitäten des Klägers ein solches begründen, die dieser nach erfolgter Mitteilung im Juli 2010 an ihn, dass wegen seiner Aktivitäten die Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. seine Ausweisung geprüft werde, entfaltet hat. Davor liegende sind aus Gründen des Vertrauensschutzes verbraucht. Denn ein Ausweisungsinteresse ist, wie auch bislang schon ein Ausweisungsgrund, verbraucht, wenn ein Aufenthaltstitel in Kenntnis bzw. in der Sphäre des Staates zuzurechnender Unkenntnis desselben erteilt bzw. verlängert wurde (Discher, in: GK-AufenthG, Juni 2009, Vor §§ 53. ff. AufenthG, Rn. 382 ff., m. w. N.). So liegt der Fall hier. Darauf, ob solche Aktivitäten der den Titel erteilenden Ausländerbehörde tatsächlich selbst bekannt waren, kommt es mit Blick auf den damit bezweckten Vertrauensschutz, der sich aus der Perspektive des betroffenen Ausländers bestimmt, nicht entscheidend an. Vielmehr genügt es, wenn solche Aktivitäten der Ausländerbehörde hätten bekannt sein können, was hier der Fall ist, nachdem diese selbst eine Sicherheitsüberprüfung mit Blick auf vorliegende Erkenntnisse eingeleitet und sodann die Niederlassungserlaubnis erteilt hat, ohne das Ergebnis der Überprüfung abzuwarten. Dass dies unter der - irrigen - Annahme erfolgte, eine Überprüfung sei vorliegend rechtlich nicht erforderlich, ändert hieran nichts.
82 
Diese Aktivitäten des Klägers sind auch überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
83 
Soweit der Kläger die dargestellten rechtlichen Maßstäbe in grundsätzlicher Art angreift, überzeugt dies den Senat nicht.
84 
Der Senat folgt nicht seiner Auffassung, Verfassungs- bzw. Unionsrecht verlangten, dass das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete mit der jeweiligen Einzelhandlung verbundene Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorrufe. Ein verfassungs- oder unionsrechtlicher Rechtssatz, der dazu zwingen würde, nur konkrete terroristische Gefahren mit der Ausweisung zu bekämpfen, ist nicht ersichtlich. Die dahingehende Argumentation des Klägers bleibt daher auch gänzlich unspezifisch. Es ist nichts Grundsätzliches dagegen einzuwenden, wenn der Gesetzgeber mit Blick auf die spezifischen Gefahren terroristischer Aktivitäten unter Berücksichtigung der Bedeutung der davon betroffenen hochrangigen Rechtsgüter (Leib, Leben, Freiheit der Bevölkerung, hohe Sachwerte sowie die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik) und des zumeist konspirativen (Beweisnot), ideologisch motivierten Vorgehens solcher Vereinigungen (Gruppendynamik), aus denen sich gravierende Nachweisschwierigkeiten und deren erschwerte Bekämpfbarkeit ergeben, mit einer Absenkung des Gefahrenmaßstabs reagiert. Dies entspricht anerkannten Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts.
85 
Soweit der Kläger meint, es sei stets ein Vollbeweis zu führen, gilt nichts anderes. Der gesetzlich normierte abgesenkte Beweismaßstab der Regelung ist dem Grunde nach, insbesondere mit Blick auf die bereichstypische Beweisnot und die Hochwertigkeit der zu schützenden Rechtsgüter, rechtlich unbedenklich, weil sachangemessen. Die Grenzen sind gegebenenfalls von der Rechtsprechung anhand konkreter Fälle zu präzisieren, was auch geschieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701; vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, NVwZ 2005, 1091; VGH Bad.-Württ, Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 09.11.2005 - 24 CS 05.2621 -, NVwZ 2006, 1306; siehe auch: Berlit, NVwZ 2013, 327, m. w. N; Kirsch, NVwZ 2012, 677; Eckertz-Höfer, in: Barwig u. a., Perspektivwechsel im Ausländerrecht?, 2007, 105 <114>; Marx, ZAR 2004, 275). Auch ist sich der Senat durchaus der Problematik von Beweisketten bewusst, bei denen “sich die Beweiskraft […] umso mehr verringert, je länger die Kette ist, und umso schneller vermindert, je geringer die jeweilige Beweiskraft der je einzelnen Indizien ist“ (so schon: Bender/Röder/Nack, Tatsachenfeststellungen vor Gericht, Band I, 1. Aufl., 1981, S. 181 f.). Daraus erwächst in vorliegendem Fall allerdings schon deshalb kein entscheidungserhebliches Problem, weil weder die dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten in tatsächlicher Hinsicht im Streit stehen, noch die der Vereinigungen, in denen er tätig war und ist und letztlich auch nicht die der PKK, sondern jeweils nur deren Bewertung.
86 
Zudem ist inzwischen geklärt, dass eine gleichlaufende Auslegung von straf- und ausweisungsrechtlichem Unterstützungsbegriff nicht geboten ist (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701). Die nicht deckungsgleichen Ziele des Strafrechts einerseits und des Rechts der Gefahrenabwehr andererseits schließen die Möglichkeit einer effektiven Abwehr terroristischer Gefahren einzig über das Strafecht oder auf der Grundlage der dieses Rechtsgebiet prägenden Begrenzungen aus. Strafe im verfassungsrechtlichen Sinne, verstanden als auch „sozialethisches Unwerturteil“ (so: BVerfG, Beschluss vom 09.07.1997 - 2 BvR 1371/96 -, BVerfGE 96, 245) dient als reaktive Maßnahme vornehmlich dem Schuldausgleich, die Prävention ist nur ein Teilaspekt der Strafzumessung und diese ist wiederum begrenzt durch die individuelle Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB). Damit ist sie im Kern auf die Aufarbeitung schon geschehener oder versuchter Taten (§ 22 StGB) begrenzt. Ihre daher nur punktuell zulässige Erstreckung auf Vorfeldaktivitäten steht, wie die §§ 89a, 129a, 129b StGB und die dazu ergangene Rechtsprechung deutlich machen, in einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis, das es ausschließt, eine hinreichend effektive, insbesondere aktive und rechtzeitige Abwehr künftiger Gefahren nach Opportunitätsgesichtspunkten über Strafvorschriften oder unter Bindung an deren Begrenzungen zu gewährleisten.
87 
Wenn der Kläger sich schließlich darauf beruft, stets nur an erlaubten (präziser: nicht verbotenen) Veranstaltungen teilgenommen zu haben bzw. teilzunehmen und stets nur für nicht verbotene Vereine tätig zu sein, greift dies aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht durch: Aus rechtlichen nicht, da § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Gegensatz zu Nr. 3 der Vorschrift gerade nicht auf ein Verbot abstellt und ein solches deren Mitglieder vermehrt zu konspirativem Verhalten veranlassen kann, ohne dass damit für die Gefahrenabwehr viel gewonnen wäre. Es kann daher aus Gründen der Gefahrenabwehr opportun sein, von einem solchen abzusehen. Aus tatsächlichen nicht, da es fern liegt, annehmen zu wollen, dem Kläger sei das auch terroristische Verhalten der PKK in der Türkei entgangen und er sei sich im Unklaren über die Bedeutung seines eigenen Tuns, zumal er sich augenscheinlich fast ausschließlich mit der Kurdenthematik zu beschäftigen scheint und er die vom Gericht mitgeteilten Erkenntnisse zur PKK sowie der YEK-KOM bzw. NAV-DEM noch nicht einmal ansatzweise in Abrede gestellt hat (dazu sogleich unten).
88 
Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen, weitere herausgehobene Tätigkeiten als Redner und Organisator von PKK-nahen Veranstaltungen und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten Aktionen und Veranstaltungen solcher Vereinigungen.
89 
Im Einzelnen sind dem Kläger zunächst die sich aus der Ausweisungsverfügung ergebenden Aktivitäten bis zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis an ihn vorgehalten worden, auf die hier verwiesen wird (Ziffer 1.2. der Ausweisungsverfügung, Seite 3 bis 9; Blatt 16, unten, bis einschl. Blatt 23, erster Absatz oben, der Akte des Verwaltungsgerichts) und die von diesem ebenso wenig in Abrede gestellt werden, wie die weiteren, die der Kläger nach Mitteilung des Beklagten an ihn im Juli 2010, dass eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung mit Blick auf seine Aktivitäten zu Gunsten der PKK geprüft werde, entfaltet hat:
90 
- Am 5. Dezember 2010 nahm er an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim in der Siedlerhalle teil. Dort waren eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht. Ein in Guerillauniform auftretender Redner lobte die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe. Dies habe man dem großen Führer Apo und den Parteimärtyrern zu verdanken. Man dürfe auch die Kämpfer an der Front nicht vergessen, die man von hier aus grüße. Ein weiterer Redner referierte über die Geschichte der PKK.
91 
- Am 20. Februar 2011 nahm der Kläger an einer Mitgliederversammlung der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. (KG HN) teil. Nach einer Schweigeminute für die Märtyrer Kurdistans und der ganzen Welt referierte er über die unzureichende Vorstandstätigkeit des Vereins und forderte dazu auf, verstärkt Mitglieder zu werben. Er wisse, dass im Raum Heilbronn 500 bis 600 kurdische Familien lebten, die meisten von ihnen hätten aber nur deswegen keinen Kontakt zum Verein, weil sie Angst vor den deutschen Behörden hätten. Es bestünde kein Grund zur Furcht, da alles angemeldet und der Verein absolut legal sei. Der Kläger bat die Anwesenden, auf die Kurden zuzugehen, mit ihnen zu reden und ihnen die Angst zu nehmen.
92 
Nach Durchführung der Sicherheitsbefragung am 23. Februar 2011:
93 
- Am 5. August 2011 war der Kläger in der Yeni Özgür Politika (YÖP) abgebildet, dies anlässlich einer Kampagne zur Anerkennung der kurdischen Identität, organisiert von der YEK-KOM. Laut der Berichterstattung hat er im Heilbronner Verein über die Ziele der Kampagne informiert.
94 
- Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums Mannheim vom 30. Januar 2012 war der Kläger am 4. November 2011 Teilnehmer und Redner bei einem Aufzug mit Kundgebung in Mannheim zum Thema „türkische Regierung verwendet Napalmgas und chemische Waffen gegen die türkische Bevölkerung/Schluss mit der Isolationshaft von Öcalan/Schluss mit den Verhaftungswellen in der Türkei gegen die kurdischen Politiker“. Der Redebeitrag des Klägers habe den Eindruck hoher Emotionalität vermittelt.
95 
- Am 2. Dezember 2011 nahm er an einer Gedenkfeier zum 33. Partei-gründungs-Jahrestag, dem 27. November 1978, in Heilbronn teil. Auch dort hingen Bilder von Öcalan und Parteifahnen, auch der ERNK, der früheren Propagandaorganisation der PKK. Nach einer Gedenkminute für die kurdischen Märtyrer und der Begrüßung schilderte ein Redner die Parteigründung durch Öcalan und dessen Genossen. Die Erfolgsgeschichte der Partei dauere bis heute an, leider aber auch ihre Schwierigkeiten, bedauerlicherweise auch in Europa. Es sei erforderlich, die Partei zu unterstützen. Es wurden mehrfach Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert. Auch dort waren fast ausschließlich PKK-Unterstützer zugegen.
96 
- Am 13. Dezember 2011 wurde der Kläger erneut in der YÖP anlässlich eines Vereinskongresses in Stuttgart erwähnt. Er forderte dort die hier lebenden Kurden auf, stärker für ihre Identität einzutreten.
97 
Nach Verfügung der Ausweisung am 10. Januar 2012:
98 
- In der YÖP vom 14. Februar 2012 wurde er als Teilnehmer des 3. Kongresses der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. abgebildet. Er führte dort in seiner Rede aus, dass die Kurden in der Türkei und in Europa unter Beschuss stünden, da ihnen die Existenz ihrer eigenen Kultur abgesprochen werde.
99 
- Aus dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden Württemberg vom 19. Dezember 2012 ergibt sich, dass der Kläger zwar das Amt des 2. Vorsitzenden der YEK-KOM seit Ende 2011 nicht mehr ausübt, er jedoch bereits im Mai 2012 erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt wurde.
100 
- In dieser Funktion ist er ausweislich des weiteren Berichts des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2013 beispielsweise als Versammlungsleiter des 20. kurdischen Kulturfestivals am 8. September 2012 in Mannheim in Erscheinung getreten. Bei dieser Veranstaltung kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Polizeibeamte.
101 
- Er ergriff am 16. Januar 2013 in Mannheim im Rahmen einer Solidaritätsdemonstration für die drei in Paris ermordeten PKK-Aktivistinnen das Wort und verurteilte das Attentat scharf. Er vertrat die Meinung, dass die Morde nicht nur in den Personen der Aktivistinnen angesiedelt seien, sondern auch auf politische Überlegungen zurückzuführen seien, die einen Fortbestand der kriegerischen Auseinandersetzungen der Heimat zum Ziel hätten. Die Geheimdienste stünden hinter diesem Anschlag. Der französische Staat könne diesen problemlos aufklären, wenn er dies nur wolle. Folglich müssten die Kurden einen legitimen demokratischen Druck auf den französischen Staat ausüben. Der Kläger rief zu Sitzstreiks in allen Städten mit französischen Botschaften und ähnlichen Einrichtungen auf, bis eine Aufklärung des Attentats erfolgt sei.
102 
- Am 21. Mai 2013 war der Kläger im Namen der YEK-KOM bei den Vorstandswahlen der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. anwesend.
103 
- Am 8. September 2013 fungierte der Kläger als Versammlungsleiter bei einer Mitgliederversammlung mit Vorstandswahl des PKK-nahen mesopotamischen Anadolu Kulturvereins e.V. (MAK). Zur PKK-Nähe des MAK Lahr sei auf den Bericht des Landesamtes vom 9. März 2010 an das Innenministerium zu verweisen.
104 
- Am 29. April 2014 war der Kläger in der YÖP als Teilnehmer des Gründungskongresses des kurdischen-demokratischen Gesellschaftszentrums am 27. April 2014 in den Räumlichkeiten des PKK-nahen kurdischen Kulturvereins e.V. in ... abgebildet.
105 
- Am 10. Oktober 2015 hielt der Kläger anlässlich einer Protestaktion in Frankfurt im Namen der NAV-DEM eine Rede.
106 
Nach „Auflösung“ der YEK-KOM am 22. Juni 2014 ließ sich der Kläger am selben Tag in gleicher Sitzung, zusammen mit einem weiteren Vorstandsmitglied der YEK-KOM, in den fünfköpfigen Vorstand der NAV-DEM wählen. Diese Vorstandstätigkeit übt er bis heute aus, und er ist in dieser Funktion seitdem auch als Redner und Versammlungsleiter auf zahlreichen Veranstaltungen aufgetreten, die erkennbar der Propaganda für die PKK dienten. Der Kläger engagiert sich damit seit langem ohne Zäsur in herausgehobener Position unterstützend für die PKK.
107 
Daran, dass die YEK-KOM die PKK unterstützt hat, bestehen weiterhin keine vernünftigen Zweifel. Hierzu hat der Senat schon in seinem Urteil vom 7. Dezember 2011 - 11 S 897/11 -, juris Rn. 47, das vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418, bestätigt wurde, ausgeführt:
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„Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder - nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM - für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
109 
Für die NAV-DEM gilt insoweit nicht anderes. Soweit der Kläger unter Verweis auf schriftliche Erklärungen der NAV-DEM meint, dass diese eine andere Ausrichtung als die YEK-KOM habe, nämlich den Kampf gegen den IS, die Förderung der Integration der in Deutschland lebenden Kurden und die Gleichstellung und die Gleichberechtigung der Frauen, überzeugt dies den Senat nicht. Das Verwaltungsgericht hat schon zu Recht auf die fehlende tatsächliche Veränderung der Aktivitäten des Vereins abgestellt, der zudem nicht neu gegründet, sondern nur umbenannt wurde. Es verweist zutreffend auf die Pressemitteilung des Vereins vom 18. Juli 2014, aus der sich ergibt, dass die NAV-DEM selbst nach eigenem Verständnis die Arbeit der YEK-KOM fortführt. Die vom Senat eingesehene Internetpräsenz (navdem.com) bestätigt dies, die Überschrift der Pressemitteilung vom 18. Juli 2014 lautet:
110 
„YEK-COM heißt jetzt NAV-DEM“
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Die weiteren dort aufgeführten Pressemitteilungen verdeutlichen im Übrigen die Fortführung der Veranstaltungen und Kundgebungen mit gleichem Ablauf und gleichen Themen wie zuvor schon unter dem Namen YEK-KOM:
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- Eintrag vom 7. September 2014, Interview mit Yüksel Koc „Das Verbot kriminalisiert die Kurden“, anlässlich einer Festnahme eines Mannes durch die Generalbundesanwaltschaft, der Geld für die PKK gesammelt haben soll, was, nach Koc, eine Kriminalisierung politischer Arbeit bedeute, da dieser selbst keine Gewalt ausgeübt habe.
113 
- Eintrag zur Kundgebung am 13. September 2014 in Düsseldorf unter dem Motto „Freiheit für Öcalan - Status für die Kurden“.
114 
- Eintrag vom 6. März 2015: Aufruf zur Newroz-Demonstration am 21. März 2015 in Bonn.
115 
Der Beklagte hat zudem unwidersprochen und zutreffend darauf hingewiesen, dass NAV-DEM und YEK-KOM identische Logos auf ihren Internetpräsenzen verwenden und der Vorsitzende der NAV-DEM im März 2014 erklärt habe, man könne die deutsche Demokratie nicht akzeptieren. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz geht in seiner Broschüre zur „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ vom Juli 2015, dort S. 18, davon aus, dass die NAV-DEM in Nachfolge der YEK-KOM wie diese auch als Dachverband von örtlichen Vereinen diene, in denen die PKK Informationen steuere und Vorgaben umsetze und dass sich die NAV-DEM durch eine aktive Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit sowie den Aufbau von Kontakten zu politischen Entscheidungsträgern bemühe, weitere Unterstützung für deren Anliegen zu erhalten. Diese Einschätzung teilt der Senat aufgrund der dargestellten tatsächlichen Umstände und sieht sich dabei auch die Aktivitäten des Klägers selbst bestätigt.
116 
Soweit der Kläger meint, dass es dem Verwaltungsgericht an ausreichender Sachkunde gefehlt habe, um eine Änderung des Aufgabenspektrums zu verneinen, erschöpft sich dies in einer schlichten Behauptung, die auf nichts gestützt wird. Sämtliche vom Verwaltungsgericht und dem Beklagten ausführlich dargelegten tatsächlichen Aktivitäten der YEK-KOM und nachfolgend der NAV-DEM sowie der Redner und Teilnehmer an deren Veranstaltungen lässt der Kläger gänzlich unkommentiert, obwohl es ihm als 2. Vorstandsmitglied der NAV-DEM ein Leichtes sein müsste, Tatsächliches zum Verein vorzubringen, das die Wertungen des Verwaltungsgerichts und des Beklagten diesbezüglich erschüttern würde. Es spricht hier daher auch nach Überzeugung des Senats nichts dafür, dass sich an der Ausrichtung oder dem Aktivitätenspektrum etwas geändert haben könnte, zumal es seitens des Vereins zu keinem Zeitpunkt zu eine Distanzierung von der PKK oder auch nur der YEK-KOM gekommen ist.
117 
Dem Beweisantrag des Klägers war vor diesem Hintergrund nicht nachzugehen, zumal etwaige weitere Vereinsziele, die unter Beweis gestellt worden sind, die dargelegten Aktivitäten und Zielrichtungen nicht neutralisieren. Überdies konnte der Kläger nicht dartun, weshalb der von ihm benannte Sachverständige hinreichende Sachkunde haben könnte. Dies hätte ihm oblegen, weil der auf die Bestrebungen und Ziele der NAV-DEM gerichtete Beweisantrag die Benennung eines Sachverständigen erforderte, der über eine spezielle Sachkunde, nämlich über interne Kenntnisse über die NAV-DEM, verfügt, die nicht von jedem Sachverständigen gleichermaßen reproduzierbar ist (vgl. Krehl, in: Karlsruher Kommentar StPO, 7. Aufl., 2013, § 244 StPO, Rn. 80).
118 
Bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied sind dem Kläger sämtliche Aktionen der YEK-KOM und der NAV-DEM zuzurechnen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris, Rn. 50, m. w. N.). Soweit der Kläger dies bezweifelt, ist dies nicht nachvollziehbar, da er selbst darauf hinweist, dass die von ihm insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darauf abstellt, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit unter Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände vermutet werden könne. Unbeschadet dessen bestehen für den Senat aber auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass die vom Kläger entfalteten Aktivitäten von diesem in dem Bewusstsein und mit dem Willen erfolgt sind und erfolgen, die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Das wird deutlich, wenn man das Verhalten des Klägers seit 2004 und auch nach Juli 2010 in der gebotenen Gesamtschau in den Blick nimmt, wie es der Beklagte - vom Kläger unwidersprochen - geschildert hat. Der Aspekt des Vertrauensschutzes gebietet es nicht, bei der Würdigung des Verhaltens des Klägers dessen früheres Verhaltes insgesamt auszublenden. Ein schützenswertes Vertrauen besteht nur insoweit, als die zuvor entfalteten Aktivitäten für sich genommen keine Ausweisung mehr rechtfertigen können. Bei der notwendigen Bewertung neuer, nachfolgender Aktivitäten kann weiterhin auf das gesamte Verhalten des Ausländers zurückgegriffen werden (Discher, a.a.O., Rn. 391; BVerfG, Beschluss vom 19.08.1983 - 2 BvR 1284/83 -, NVwZ 1983, 667; OVG Bln.-Bbg., Beschluss vom 24.10.2013 - OVG 3 N 169.12 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris).
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Nach wie vor engagiert sich der Kläger unbeschadet des Ausweisungsverfahrens im Rahmen des Vereins als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter und Redner an Veranstaltungen, die angesichts deren Ablaufs, der dort gehaltenen Reden und der klaren Ausrichtung auf den Führerkult um Öcalan und gefallene Märtyrer auch für den Senat keinen Zweifel aufkommen lassen, dass der Kläger sich, wie auch die NAV-DEM, den Zielen der PKK verpflichtet fühlt, diese mit ihrem Tun unterstützen will und dabei deren Mittel umfassend zumindest billigt, insbesondere auch deren spezifisch als terroristisch zu qualifizierendes Handeln. Seine Teilnahme an Veranstaltungen, wie der am 5. Dezember 2010 an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim, bei der eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht waren und in der ein in Guerillauniform auftretender Redner die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation lobte, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe und in der ausgeführt wurde, dass man dies dem großen Führer „Apo“ (gemeint ist Öcalan) und den Parteimärtyrern zu verdanken habe und man die Kämpfer an der Front nicht vergessen dürfe, die man von hier aus grüße, verdeutlichen dies in aller Klarheit. Für seine Teilnahme an einer Gedenkfeier zum 33. Parteigründungs-Jahrestag in Heilbronn am 2. Dezember 2011, bei der zur Unterstützung der PKK aufgefordert und Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert wurden, gilt nichts anderes. Soweit man aus den weiteren dargestellten Aktivitäten des Klägers ableiten wollte, dass dieser sich nach Erlass der Ausweisungsverfügung gemäßigter verhält, ist dies nach Überzeugung des Senats mit Blick auf das laufende Verfahren taktisch motiviert und lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger, der weiterhin eine führende Rolle in der NAV-DEM spielt, von seinem bisherigen Verhalten glaubhaft Abstand nimmt (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz AufenthG). Sein beredtes Schweigen zu sämtlichen vom Beklagten zusammengetragenen Tatsachen macht dies deutlich.
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Das gegenteilige Bild, das der Kläger von seiner Motivation und Haltung zeichnet, ohne hierfür nachvollziehbare Fakten zu benennen, steht daher in offenem Widerspruch zu seinem tatsächlichen Verhalten. Im Übrigen erschöpft sich sein Vortrag hierzu in dem Versuch einer Umdeutung seines Verhaltens, die schon im Ansatz nicht überzeugt. Es ist das eine, um Verstorbene zu trauern oder ihrer zu gedenken, aber etwas gänzlich anderes, Veranstaltungen als Redner oder in Vereinsfunktion zu gestalten oder vorbehaltlos an solchen teilzunehmen, die etwa von in Guerillauniform auftretenden Rednern geprägt werden und in denen der Kampf der PKK in der Türkei glorifiziert wird. Erkennbar geht es auf den vom Kläger mitgestalteten und besuchten Veranstaltungen nicht einfach um die legitime Kundgabe von Meinungen, sondern immer auch um die gezielte moralische, finanzielle und personelle Unterstützung des für legitim gehaltenen und auch terroristische Mittel einsetzenden Kampfes der PKK. Dass damit die PKK auch in der Wahl ihrer Mittel vorbehaltlos unterstützt wird, kann dem Kläger nicht entgangen sein, nachdem dort Auftritte in Guerillauniform stattfinden, den „Märtyrern“ gedacht wird und den Kämpfern an der Front Grußbotschaften gesandt werden. Es greift daher auch viel zu kurz, wenn der Kläger meint, dass es hier um einen ungerechtfertigten Eingriff in sein Recht auf freie Meinungsäußerung gehe. Soweit er daher darauf abstellen will, dass der Sinn von Äußerungen einen deutlich erkennbaren Bezug zur Förderung der PKK aufweisen müsse, mag man dem zustimmen, ein solcher Bezug wird hier aber entgegen der Auffassung des Klägers auch in seinem Handeln deutlich.
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Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheits-resolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung einer Gefahr in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, da das konsequent fortgesetzte Handeln des Klägers die gesetzliche Festlegung bestätigt.
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2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
123 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Soweit die Vorgaben in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen sind, wovon nach dieser Gesetzesbegründung auszugehen ist (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus), kann daher aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
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Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger weder Arbeitnehmer im Sinne des Art. 6 ARB 1/80 noch Familienangehöriger eines solchen Arbeitnehmers nach Art. 7 ARB 1/80 ist, nachdem er in der Vergangenheit nur sporadisch und jeweils nur in kurzen Zeiträumen abhängig beschäftigt gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann. Das wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.
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Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
126 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154; a. A.: BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 -, juris), klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
127 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, ist vorliegend auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
128 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
129 
In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
130 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
131 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Einstufung der PKK als eine den Terrorismus jedenfalls unterstützende Vereinigung, deren Unterstützung durch die YEK-KOM bzw. NAV-DEM „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründet. Daran anschließend sind die vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen aufgrund dessen, dass diese von ihm in herausgehobener Funktion für YEK-KOM und NAV-DEM, auf zahlreichen Veranstaltungen seit über zwölf Jahren, unter Beteiligung von offen für die PKK werbenden und deren Kurs vorbehaltlos befürwortenden Akteuren (Auftreten in Guerillauniform, Märtyrergedenken, Grußbotschaften an die Kämpfer an der Front usw.) geleistet wurden und weiter geleistet werden, nicht anders zu bewerten, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat und weiterhin handelt. Diese Bewertung des eine Gefahr für die nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung begründenden Verhaltens des Klägers ist vor diesem Hintergrund auch nicht deshalb zu relativieren, weil die NAV-DEM nicht verboten ist und der Kläger sich im Rahmen von ebenfalls nicht verbotenen Veranstaltungen betätigt hat. Weder entfällt deswegen das Gewicht seiner Unterstützungshandlungen für die PKK noch ergibt sich daraus, dass sich der Kläger über sein Tun im Unklaren gewesen wäre. Dass es gerade aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr geboten sein kann, von einem Vereinsverbot abzusehen, wurde schon dargelegt. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
132 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
133 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
134 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
135 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
136 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nur für jeweils kurze und länger zurückliegende Zeiträume überhaupt einer solchen nachgegangen ist.
137 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk...). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m. w. N.).
138 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
139 
Nach all ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes.
140 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). Insoweit geht der Senat aufgrund der nicht weiter spezifizierten Angabe des Klägers, wonach sechs seiner sieben Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, davon aus, dass jedenfalls auch die noch in seinem Haushalt lebenden minderjährigen Kinder diese besitzen. § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
141 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen oder diesen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen (Bsp.: § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren; § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: 30-jähriger rechtmäßiger Aufenthalt). Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
142 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen.
143 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
144 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
145 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 17 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
146 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m. w. N.).
147 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m. w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a. a. O.).
148 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, juris, Rn. 24). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war nur sporadisch und für kürzere Zeiträume überhaupt erwerbstätig und ist seit längerem von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
149 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
150 
Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
151 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht in Bezug auf die Frage der Verhältnismäßigkeit aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492).
152 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
153 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
154 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren sicherlich gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
155 
Nicht verfahrensgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, nachdem der Kläger mit seinem Berufungsantrag, der gemäß § 124a Abs. 3 VwGO nicht nur begründende sondern auch begrenzende Wirkung hat, alleine die Aufhebung der Ausweisungsverfügung des Beklagten beantragt und er auch in seiner Berufungsbegründung auf die Befristungsfrage nicht abgestellt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2011 - 2 B 37.10 -, juris).
156 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
157 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
158 
Beschluss vom 13. Januar 2016
159 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
160 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 - 1 K 102/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und wurde am ... 1973 in ... (Türkei) geboren. Er ist verheiratet, reiste mit seiner Frau und seinen damals drei Kindern am ... 1997 in die Bundesrepublik ein und beantragte am folgenden Tag Asyl. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 9. Oktober 1997 wurden die Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt und zugleich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 4 AuslG festgestellt. Inzwischen hat der Kläger mit seiner Frau, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, sieben Kinder, von denen sechs die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Vier der Kinder studieren, zwei besuchen das Gymnasium und eines die Grundschule.
Der Kläger war zunächst im Besitz von Aufenthaltsbefugnissen bis Mitte 2005. Ein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis vom März 2006 nahm der Kläger mit Blick auf den Bezug von öffentlichen Leistungen zurück. Ende März 2009 beantragte er erneut die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. In diesem Zuge erfolgte eine Regelanfrage nach § 73 Abs. 2 und 3 AufenthG, die zu der Mitteilung führte, dass Erkenntnisse vorlägen. Der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers erbat am 4. Juni 2009 von der Stadt ... die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG, nachdem das Bundesamt am 13. März 2009 mitgeteilt hatte, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme nach § 73 Abs. 1 bzw. 2 AsylG nicht vorliegen würden. Unter dem 9. Juni 2009 teilte die Stadt ... dem Kläger mit, dass die Ermittlungen des Landeskriminalamts noch nicht abgeschlossen seien. Ausweislich eines in der Akte der Stadt ... befindlichen Vermerks vom 19. November 2009 ging die Stadt sodann davon aus, dass auf eine Rückantwort des Landeskriminalamts und auf die Regelanfrage verzichtet werden könne. Die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG wurde dem Kläger schließlich am 4. Dezember 2009 erteilt.
Das in der Akte der Stadt befindliche Schreiben des Regierungspräsidiums ... an die Stadt vom 22. September 2009, das per Mail an diese gegangen sein soll, findet sich in der Akte erstmals als Anhang einer Mail des Regierungspräsidiums, datierend vom 22. Mai 2010. In diesem bittet das Regierungspräsidium die Stadt um Durchführung einer Sicherheitsbefragung. Die Stadt teilte dem Regierungspräsidium mit, dass die Aufforderung zur Durchführung einer Sicherheitsbefragung nicht zu den Akten gekommen sei, was eventuell mit einer längeren Krankheitszeit der früheren Sachbearbeiterin zusammenhängen könne. Sie informierte das Regierungspräsidium darin im weiteren über die Erteilung der Niederlassungserlaubnis an den Kläger.
Mit Schreiben vom 11. Juni 2010 informierte die Stadt dem Kläger darüber, dass das Regierungspräsidium sie aufgefordert habe, mit ihm eine Sicherheitsbefragung durchzuführen. Das Regierungspräsidium teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23. Juli 2010 mit, dass die Niederlassungserlaubnis in Unkenntnis von Bedenken seitens der Sicherheitsbehörden gegen den weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland erteilt worden sei. Es prüfe derzeit eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung. Hierzu werde dem Kläger die Möglichkeit eines Sicherheitsgesprächs zur weiteren Aufklärung gegeben. Am 23. Februar 2011 fand eine Sicherheitsbefragung des Klägers statt. Am anschließenden Sicherheitsgespräch nahm der Kläger nicht teil.
Mit hier angegriffener Verfügung vom 10. Januar 2012 wurde der Kläger durch das Regierungspräsidium ausgewiesen und verpflichtet, sich zweimal wöchentlich unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt ... begrenzt und die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet.
In der Verfügung wurde im Wesentlichen zunächst in tatsächlicher Hinsicht auf Erkenntnisse über sicherheitsrelevante Aktivitäten des Klägers ab 2001 und bis Dezember 2010 abgestellt und im Übrigen darauf, dass er unverändert Vorstandsmitglied (nunmehr 2. Vorsitzender) der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ (YEK-KOM) sei. Die Ausweisung beruhe auf § 55 AufenthG in Verbindung mit § 54 Nr. 5 AufenthG. Besonderer Ausweisungsschutz nach Art. 14 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei bestehe nicht, da der Kläger nur über wenige Monate hinweg abhängig beschäftigt gewesen sei. Seit Januar 2005 stehe er mit seiner Familie im Leistungsbezug nach dem SGB II. Die vorliegenden Erkenntnisse wiesen ausreichend Tatsachen für die gerechtfertigte Annahme nach, dass der Kläger entsprechende Unterstützungshandlungen gegenüber einer Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, vorgenommen habe. Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle sich um Vereinigungen im Sinne dieser Vorschrift. Die vom Kläger genannten Veranstaltungen, an denen dieser teilweise maßgeblich mitgewirkt habe, hätten erkennbar dazu gedient, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, sondern jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung der inkriminierten Bestrebungen zu fördern. Insoweit sei die Freiheit der Meinungsäußerung beschränkt. Entscheidend sei zudem, dass der Kläger nicht bloß passiver Teilnehmer an denen vom Landesamt für Verfassungsschutz benannten Veranstaltungen der unterstützenden Vereinigung gewesen sei, sondern in hervorgehobener Funktion, beispielsweise als Redner, diese tragend mitgestaltet und er sich auch nicht distanziert habe, wenn durch andere Teilnehmer der PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen gehuldigt worden sei. Er habe damit auch durch den Anschein der Billigung den Terrorismus gefördert. Das Engagement des Klägers als Vorsitzender im kurdischen Kulturverein e.V. ... sei ebenfalls als Unterstützungshandlung zu werten, da dieser nach Erkenntnissen und Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz als KONGRA-GEL-nah einzustufen sei. In der Vergangenheit habe der Vereinssitz mehrfach zwischen ... und ... gewechselt, wobei die Vereine auch unter verschiedenen Namen im Vereinsregister eingetragen worden seien. Nach Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz könne davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesen Vereinen um die Vorgängervereine des heutigen kurdischen Kulturvereins e.V. ... handle. Zum einen bestehe zwischen diesen Vereinen Personengleichheit der Vereinsbesucher und auch von einigen Vorstandsmitgliedern, die im Großraum .../... wohnhaft seien. Zum anderen hätten in allen Vereinen Vereinsfeierlichkeiten anlässlich bestimmter PKK-Gedenktage sowie „Märtyrergedenkveranstaltungen“ und „Volksversammlungen“ stattgefunden. Der Verein sei auch Mitglied in der YEK-KOM, die ein Dachverband von überwiegend KONGRA-GEL-nahen örtlichen Kurdenvereinen sei. Als 2. Vorstandsvorsitzendem seien dem Kläger deren Aktivitäten zuzurechnen. Von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit des Klägers sei auszugehen. Die Ausweisung sei danach aus spezialpräventiven Gründen gerechtfertigt. Die Ausweisung des Klägers sei auch nicht unverhältnismäßig mit Blick auf Art. 8 EMRK. Hinsichtlich der Integrationsleistung des Klägers sei zu beachten, dass er seinen Lebensunterhalt für sich und seine Familie nicht selbst sichern könne und weitere Verwurzelungserfolge des Klägers nicht ersichtlich seien. Das öffentliche Ausweisungsinteresse überwiege hier sein Bleibeinteresse, dem im Übrigen durch seine Duldung Rechnung getragen werden könne. Es sei ihm daher zuzumuten, seinen weiteren Aufenthalt auf Grundlage der Aussetzung der Abschiebung auszugestalten. Auch sei einzustellen, dass die Ausweisung auf Antrag befristet werde.
Der Umstand, dass die Stadt ... als untere Ausländerbehörde am 4. Dezember 2009 eine Niederlassungserlaubnis erteilt habe, obwohl die Sicherheitsbehörden auch schon zu diesem Zeitpunkt Erkenntnisse über den Kläger gehabt hätten, welche zu Bedenken gegen seinen weiteren Aufenthalt führen könnten, sei hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung unschädlich. Insbesondere handele es sich nicht um ein rechtsmissbräuchliches, widersprüchliches Behördenverhalten. Der Stadt ... sei lediglich ein Wissen dahingehend zurechenbar, dass überhaupt Erkenntnisse seitens der Sicherheitsbehörden vorgelegen hätten. Über deren Inhalt und Gegenstand sowie den Umstand, dass diese geeignet gewesen seien, Bedenken gegen den weiteren Aufenthalt des Klägers zu begründen, habe die Stadt ... keine Kenntnis gehabt. Vor der Mitteilung der Sicherheitsbehörden seien entsprechende Ausweisungsgründe der Ausländerbehörde noch nicht bekannt gewesen und könnten daher auch nicht verbraucht sein. Es genüge nicht, dass die Ausländerbehörde Kenntnis darüber habe, dass die Sicherheitsbehörden entsprechende Erkenntnisse hätten. Entscheidend sei, dass weitere maßgebliche Erkenntnisse auch nach dem 4. Dezember 2009 erlangt worden seien, wie der Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 17. Juli 2011 sie darstelle.
Die angeordnete zweimalige wöchentliche Meldepflicht und die räumliche Beschränkung auf den Stadtbezirk ... beruhten auf §§ 54a Absatz 1 Satz 1 AufenthG. Die Auflagen seien auch verhältnismäßig. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei zum Schutz der öffentlichen Sicherheit geboten, dies insbesondere mit Blick auf die notwendige Kontrolle des Verhaltens des Klägers. Dies gelte insbesondere auch mit Blick darauf, dass die tatsächliche Beendigung des Aufenthalt des Klägers nicht möglich sei.
10 
Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2012 erhob der Kläger Klage, mit dem Antrag, die Verfügung vom 10. Januar 2012 aufzuheben.
11 
Das Verwaltungsgericht hörte den Kläger in der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren persönlich zu den ihm vorgeworfenen Aktivitäten und seiner derzeitigen Funktion in der NAV-DEM und deren Zielrichtung an. Er räumte dabei die ihm vorgehaltenen Teilnahmen an den genannten Veranstaltungen in tatsächlicher Hinsicht vollumfänglich ein. Insbesondere treffe es zu, dass er am 8. September 2012 Versammlungsleiter des kurdischen Kulturfestivals 2012 in ... gewesen und dort eine Videobotschaft von Murat Karayilan ausgestrahlt worden sei. Derzeit sei er 2. Vorsitzender der NAV-DEM. Diese sei durch eine Namens- und Satzungsänderung der YEK-KOM im Juni 2014 entstanden. Ein Antrag auf Löschung im Vereinsregister oder ein Auflösungsbeschluss bezüglich des Vereins YEK-KOM sei nicht erfolgt. Neben ihm und dem 1. Vorsitzenden, die bereits bei der YEK-KOM im Vorstand gewesen seien, seien drei neue Mitglieder in den fünfköpfigen Vorstand gewählt worden. Die NAV-DEM halte, wie die YEK-KOM zuvor, jedes Jahr zwei große Veranstaltungen ab. Er gehe auch weiterhin zu genehmigten Veranstaltungen anderer kurdischer Organisationen, auch in seiner Funktion als 2. Vorsitzender der NAV-DEM trete er als Redner auf. Das Verwaltungsgericht hörte des Weiteren Frau ... als Mitarbeiterin des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg informatorisch zu den Aktivitäten des Klägers und den Erkenntnissen des Landesamtes zu den Organisationen YEK-KOM und NAV-DEM an. Sie führte aus, dass sie die in den vorliegenden Berichten des Landesamtes zum Ausdruck gebrachte Einschätzung der eindeutigen Nähe des Vereins YEK-KOM zur KONGRA-GEL, in dem der Verein der PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen Raum zur Verbreitung ihrer Erklärungen und Äußerungen biete, teile. Dies gelte auch für die NAV-DEM, wie etwa eine Veranstaltung im Dezember 2014 gezeigt habe. Dem Landesamt lägen noch keine konkreten Erkenntnisse vor, dass zwischen YEK-KOM und NAV-DEM insoweit Unterschiede bestünden.
12 
Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 27. Januar 2015 den Beklagten verpflichtet, die Wirkungen der Ausweisung auf acht Jahre nach Ausreise des Klägers zu befristen und im Übrigen die Klage abgewiesen.
13 
Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei nur teilweise begründet, soweit der Beklagte verpflichtet sei, die Wirkungen der Ausweisungsverfügung auf acht Jahre nach Ausreise des Klägers zu befristen. Im Übrigen verletze diese den Kläger nicht in seinen Rechten. Ein erhöhter Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei (ARB 1/80) bestehe nicht, da der Kläger keine assoziationsrechtliche Rechtsposition erworben habe. Dies, da er selbst in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, bei seinen Beschäftigungsverhältnissen jeweils kürzer als ein Jahr angestellt gewesen zu sein. Etwaige Rechtspositionen nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 wären daher durch den jeweils nächstfolgenden Arbeitgeberwechsel erloschen.
14 
Der Kläger sei in den Jahren von 2001 bis 2003 Vorsitzender des kurdischen Kulturvereins e.V. ... gewesen. Zwischen 2004 und Mitte 2014 sei er mit einer kurzen Unterbrechung Anfang des Jahres 2012 durchgehend Mitglied im Vorstand, zeitweise 2. Vorsitzender, der YEK-KOM gewesen. Im Mai 2012 sei er erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt worden, die inzwischen in die NAV-DEM übergegangen sei.
15 
Der Kläger erfülle die Tatbestandsvoraussetzung einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen seien nach ständiger Rechtsprechung terroristische Vereinigungen im Sinne dieser Vorschrift. Die PKK werde nach wie vor auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen geführt. Soweit sich der Kläger darauf berufe, die PKK habe nunmehr eine geänderte Ausrichtung mit Blick auf die Verteidigung der kurdischen Bevölkerung und der Jesiden im Nordirak gegen den IS, handele es sich um ein temporäres Phänomen, das nicht mit einem dauerhaften Gewaltverzicht und Friedenskurs gegenüber der Türkei einhergehe. Dies ergebe sich auch aus einem Interview des stellvertretenden PKK-Chefs Cemil Bayik vom 10. Oktober 2014, in dem dieser damit gedroht habe, dass sie den Verteidigungskrieg zum Schutze des Volkes auch wieder aufnehmen könnten. Entsprechende Stellungnahmen gebe es auch vom Oberkommandierenden des bewaffneten Arms der PKK „Volksverteidigungskräfte“, der erklärt habe, dass der Friedensprozess mit der Türkei hinfällig sei und die gemeinsamen Übergriffe des türkischen Staates mit dem islamischen Staat einer Kriegserklärung gleichkämen, wie sich aus der Bundestagsdrucksache 18/3491, Seite 4, entnehmen lasse. Zu berücksichtigen sei auch, dass in der Vergangenheit entsprechende Kursänderungen nicht von Dauer gewesen seien.
16 
Der Kläger unterstütze die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen durch seine langjährige Tätigkeit als Vorstandsmitglied der YEK-KOM bzw. nunmehr der NAV-DEM. Er sei nahezu ununterbrochen seit 2004 im Vorstand beider Vereine gewesen, was er in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich eingeräumt habe. Er habe seine Vorstandstätigkeit aktiv ausgeübt, sei selbst auch als Redner und Versammlungsleiter aufgetreten und habe die Interessen des Dachverbandes gegenüber den Mitgliedsvereinen vertreten. Damit seien dem Kläger die von diesen Organisationen ausgehenden Unterstützungshandlungen zuzurechnen.
17 
YEK-KOM bzw. NAV-DEM unterstützten wiederum die PKK und deren Nachfolgeorganisationen. Die Vereinigungen schafften insbesondere eine Plattform für Botschaften und Propaganda der PKK und gewährleisteten eine ständige Präsenz der PKK im gesellschaftlichen Leben der Kurden im Bundesgebiet. Sie sicherten der PKK auf diesem Wege einen Raum für die Ansprache und die Sicherung von Unterstützung durch im Bundesgebiet lebende Kurden. Diese Einschätzung werde sowohl durch die Selbstdarstellung der YEK-KOM wie auch von der Gestaltung und dem Ablauf ihrer Veranstaltungen sowie der Veranstaltungen ihrer Mitgliedsvereine getragen. Im nach wie vor auf der Internetpräsenz der YEK-KOM abrufbaren Arbeitsprogramm werde auf das Selbstverständnis der in Europa lebenden Kurden als „logistische UnterstützerInnen des nationalen Befreiungskampfes“ verwiesen. Die Pressemitteilung der YEK-KOM zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen auf dem kurdischen Kulturfestival im Jahr 2012 greife dies ebenfalls auf und spreche davon, dass die PKK für Millionen Kurdinnen und Kurden eine legitime Vertretung sei und einen „gerechten Kampf gegen Krieg und Unterdrückung“ führe. Deswegen lasse sich die kurdische Bevölkerung nicht verbieten, die Symbole der PKK öffentlich zu zeigen und sich zu ihr zu bekennen. Bei diesem Selbstverständnis der Kurden handle es sich letztlich um das Selbstverständnis der YEK-KOM selbst. Denn zum einen begreife sich diese gerade als Dachorganisation der Kurden in Deutschland und als deren Interessenvertretung. Zum anderen werde auf dieses Selbstverständnis ohne jegliche Distanzierung und im Gesamtkontext der Forderung nach einer Aufhebung des PKK-Verbots Bezug genommen. Die YEK-KOM biete zudem eine Plattform für Äußerungen von Funktionären der PKK. Auf ihren Großveranstaltungen würden regelmäßig Grußbotschaften führender PKK-Funktionäre verlesen und als Videobotschaft gezeigt. Auf dem genannten Kulturfestival 2012, dessen Versammlungsleiter der Kläger gewesen sei, sei eine Videobotschaft des oben genannten Murat Karayilan und im Jahr 2013 eine solche des ebenfalls schon genannten Cemal Bayik gezeigt worden. Gleiches sei auf den jährlichen Newroz-Festivals geschehen. Die Veranstaltungen der Mitgliedsvereine der YEK-KOM, an denen der Kläger in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied teilgenommen habe, seien jeweils durch die zeitliche Nähe zu für die PKK bedeutsamen Daten (PKK-Gründungsjahrestag; Tag der Festnahme Öcalans) und das regelmäßig stattfindende Märtyrergedenken gekennzeichnet, wie sich aus den Einschätzungen des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 14. Januar 2015, 29. Januar 2014, 17. Oktober 2013 und 27. August 2012 ergebe. Das Gedenken an Märtyrer möge Teil der kurdischen Kultur sein, wie der Kläger meine, zugleich komme jedoch zum Ausdruck, dass der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel im „Befreiungskampf Kurdistans“ grundsätzlich gebilligt werde. Denn ein Gedenken an Märtyrer schließe eine positive Bewertung der mit den Märtyrertod verbundenen Überzeugung ein. Dies gelte erst recht, weil auf den Veranstaltungen von YEK-KOM und ihren Mitgliedsvereinen soweit ersichtlich keine entsprechende Distanzierung von diesem bewaffneten Kampf erfolgt sei. Es handele sich gerade nicht, wie der Kläger wohl geltend machen wolle, um ein bloßes Gedenken an die verstorbenen des eigenen Volkes, sondern um Verstorbene im „Befreiungskampf“ der kurdischen Bevölkerung und zwar insbesondere derer, die bewaffnete Auseinandersetzungen, beispielsweise als Guerillakämpfer, geführt hätten. Durch die Umbenennung der YEK-KOM in NAV-DEM sowie die damit einhergehenden Satzungsänderungen habe sich die Ausrichtung des Vereins nicht verändert. Bereits aus vereinsrechtlicher Sicht liege keine Neugründung sondern eine bloße Umfirmierung vor. Dies ergebe sich aus dem vom Kläger vorgelegten Protokoll der Delegiertenversammlung vom 22. Juni 2014. In der Pressemitteilung zu Umbenennung vom 18. Juli 2014 spreche die Organisation selbst davon, dass „die Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland YEK-KOM e.V. […] ihre Arbeit fortan unter dem Namen NAV-DEM e.V. fortsetzen [wird]“. Dabei sei nicht in Abrede zu stellen, dass die NAV-DEM auf eine umfassendere Organisation kurdischer Vereine ausgerichtet sein möge und ihre satzungsmäßigen Ziele grundsätzlich legitime politische Anliegen beträfen. § 54 Nr. 5 AufenthG stelle jedoch auf tatsächliche Unterstützungshandlungen ab. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Veränderung des Aktivitätsspektrums der NAV-DEM gegenüber der YEK-KOM. Die NAV-DEM führe nach dem übereinstimmenden Bekunden des Klägers und des Landesamtes für Verfassungsschutz die beiden zentralen Großveranstaltungen (Newroz-Feier und kurdisches Kulturfestival) fort. Eine Änderung des Arbeitsprogramms sei bislang nicht erfolgt. Auch eine Distanzierung von den bisherigen Aktivitäten der YEK-KOM bzw. der Aktivitäten der PKK habe es nicht gegeben und gebe es auch jetzt nicht. Im Gegenteil führe die NAV-DEM die politischen Aktivitäten zur Aufhebung des PKK-Verbots fort. So führe eine Presseerklärung vom 24. November 2014 anlässlich des 21. Jahrestages des Verbots der PKK aus, dass das Betätigungsverbot für die PKK dazu geführt habe, dass „jegliches Engagement gegen den Krieg in Kurdistan und für die Rechte des kurdischen Volkes […] Repressionen und Kriminalisierung ausgesetzt [war]“.
18 
Der Kläger könne sich für seine Tätigkeit bei der YEK-KOM bzw. der NAV-DEM nicht auf den Verbrauch der Ausweisungsgründe durch Erteilung der Niederlassungserlaubnis im Jahr 2009 berufen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes könne eine Ausweisung in der Regel nicht mehr auf solche Tatbestände gestützt werden, in deren Kenntnis die Ausländerbehörde zuvor vorbehaltlos eine Aufenthaltserlaubnis erteilt habe. Für den Vertrauensschutz des Ausländers sei maßgeblich, wie dieser bei verständiger Würdigung die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis verstehen durfte. Insofern dürfe eine Ausweisung nicht mehr allein auf die Betätigung des Klägers vor der Erteilung der Niederlassungserlaubnis im Jahr 2009 gestützt werden, da er insoweit davon habe ausgehen dürfen, dass diese Betätigung im Verfahren zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis überprüft worden sei. Jedenfalls für den Zeitraum ab Erlass der angegriffenen Ausweisungsverfügung bis zum Tag der mündlichen Verhandlung, dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt, könne der Kläger jedoch keinen Vertrauensschutz geltend machen. Mit der Anhörung durch die Beklagte am 3. März 2011, spätestens jedoch mit Zustellung der Ausweisungsverfügung am 12. Januar 2012, habe dem Kläger die unterbliebene Prüfung von Ausweisungsgründen nach § 54 Nr. 5 AufenthG durch die Stadt... bewusst sein müssen. Schutzwürdiges Vertrauen auf seine weitere Betätigung für die YEK-KOM ohne entsprechende ausländerrechtliche Konsequenzen habe der Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr entwickeln können. Der bis dahin bestehende Vertrauensschutz hindere aber nur die Neubewertung vergangener Ereignisse, nicht jedoch die Bewertung der fortgesetzten Tätigkeit des Klägers. Die erneute Wahl des Klägers in den Vorstand der YEK-KOM im Mai 2012 stelle die entscheidende Zäsur dar. Dieser habe sich in Kenntnis der Tatsachen, auf die der Beklagte seine Ausweisungsverfügung gestützt habe, dazu entschlossen, seine Tätigkeit im Vorstand von YEK-KOM bzw. NAV-DEM fortzusetzen und er habe damit zum Ausdruck gebracht, dass er von einer weiteren Betätigung nicht Abstand nehme.
19 
Als anerkannter Flüchtling und Besitzer einer Niederlassungserlaubnis, der sich länger als fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, dürfe der Kläger nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Solche lägen insbesondere in den Fällen des §§ 54 Nr. 5 AufenthG vor. Ein Ausnahmefall von dieser Regel sei hier nicht gegeben. Der Kläger habe trotz der im Raum stehenden Ausweisung nunmehr erneut über einen Zeitraum von knapp drei Jahren aktiv die Aktivitäten der PKK über seine Vorstandstätigkeit unterstützt. Dabei habe er durch die Übernahme der Versammlungsleitung beim 20. kurdischen Kulturfestival in ... und seine Rednertätigkeit eine besonders exponierte Rolle eingenommen. Es lägen daher die Voraussetzungen für eine Ausweisung des Klägers im Ermessenswege vor. Die Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden.
20 
Die Ausweisung sei auch gemessen an Art. 21 und Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie rechtmäßig. Auf die Frage, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels Art. 21 Abs. 1 und 2 der Qualifikationsrichtlinie geringer seien als die aus Art. 24 Abs. 1 komme es nicht an. Denn die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie seien erfüllt. Danach dürfe die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, jedenfalls wenn sie ein unbefristetes Aufenthaltsrechts ersatzlos zum Erlöschen bringe, nur erfolgen, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen sei. Dabei sei eine individuelle Prüfung des Einzelfalls erforderlich. In Anlehnung an das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG noch nicht aus. Vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Die Gründe müssten so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, dass Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das setze eine qualifizierte Unterstützung des Terrorismus voraus, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als aktiver Funktionär. Dies setze eine wertende Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles voraus, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und eine Gewaltbereitschaft bestimmt werde. Eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sei auch durch Unterstützung einer Organisation gegeben, die im Bundesgebiet selbst keine Terrorakte verübe, denn es sei grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass sie die Gewalt auch als Mittel zur Lösung politischer Konflikte außerhalb ihres eigentlichen militärischen Aktionsgebiets einsetze. Zudem hätten Funktionäre der PKK auch Kurden in Deutschland zum bewaffneten Kampf in Syrien aufgerufen. Die Rückkehr solcher Kämpfer nach Deutschland stelle sich, wie bei Kämpfern anderer Organisation auch, als unkalkulierbares Sicherheitsrisiko dar. Eine Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch die Aktivitäten der PKK bestehe aber auch dann, wenn die Verübung terroristischer Akte auf dem Bundesgebiet durch die PKK ausgeschlossen wäre und sich alleine auf die Türkei beschränkten. Denn die Türkei und Deutschland seien NATO-Bündnispartner und in ein System kollektiver Verteidigung im Sinne von Art. 24 GG eingebunden. Diese Sicherheitspartnerschaft wäre in Frage gestellt, würde ein Bündnispartner die Unterstützung terroristischer Vereinigungen im Gebiet eines anderen Bündnispartners dulden. Die Duldung solcher Aktivitäten könne zu einer in Stabilisierung der Sicherheitslage im betroffenen Staat führen, die wiederum dessen Handlungs- und Beistandsfunktion gegenüber sein Bündnispartner beeinträchtigen könne.
21 
Der Kläger habe durch seine aktive Funktionärstätigkeit die PKK in diesem Sinne qualifiziert unterstützt. Die aktive Tätigkeit im Vorstand der Vereine sei einer direkten Einbindung in die PKK-Funktionärsebene gleichzusetzen. Ohne die entsprechenden Veranstaltungen der YEK-KOM bzw. NAV-DEM wäre die Organisation und die Sicherung des Zusammenhalts der Anhängerschaft der PKK in Deutschland nicht oder nur unter erheblich erschwerten Bedingungen möglich. Die Aufrechterhaltung eines jahrelangen, bewaffneten Guerillakampfes könne nur aufrechterhalten werden, wenn im Hintergrund der kämpfenden Einheiten ein stabiles und ideologisch gefestigtes Umfeld der Unterstützung, sei es in finanzieller oder politischer Hinsicht, bestehe. Die Bedeutung der YEK-KOM bzw. NAV-DEM für die Aktivitäten der PKK sei als sehr hoch zu bewerten. Besonders deutlich werde dies an den organisierten Veranstaltungen der Vereinigungen. Sie ermöglichten der PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen, unter dem Schirm der Vereine die jeweilige Parteilinie an eine große Zahl von Personen zu vermitteln und dabei das auf den Großveranstaltungen erzeugte Gemeinschaftsgefühl für ihr Anliegen zu nutzen. Eine stärkere Identifikation und Unterstützung der Anliegen einer verbotenen Organisation als die Präsentation der Videobotschaften ihrer Führer vor einem Massenpublikum sei schwerlich vorstellbar. Dies rechtfertige es, die Vorstandstätigkeit in diesen Vereinen, zumal wenn sie im Fall des Klägers ohne jegliche Distanzierung zu den Aktivitäten der PKK erfolge, einer Funktionärstätigkeit in der PKK gleichzusetzen.
22 
Die Anordnung der Meldepflichten und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54 a AufenthG sei ebenfalls rechtmäßig. Der Kläger habe einen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf eine Dauer von acht Jahren.
23 
Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen, da die Frage grundsätzliche Bedeutung habe, ob die Tätigkeit im Vorstand eines nicht verbotenen Vereins, der eine Vereinigung unterstütze, die den Terrorismus unterstützt, die Voraussetzung des Art. 21 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 und Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllen könne.
24 
Gegen das dem Kläger am 31. März 2015 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 20. April 2015, eingegangen am selben Tag, beim Verwaltungsgericht Berufung eingelegt.
25 
Er führt im Wesentlichen aus: Dem Verwaltungsgericht fehle die Sachkunde für die Feststellung, dass die Umbenennung der YEK-KOM in NAV-DEM nicht zu einer wesentlichen Änderung des Aktivitätenspektrums der NAV-DEM gegenüber der YEK-KOM geführt habe. Zudem könne aufgrund einer veränderten internationalen Entwicklung nicht mehr ohne weiteres mit Blick auf die PKK von einer terroristischen Vereinigung ausgegangen werden. Einheiten der PKK hätten insbesondere ab August 2014 verfolgte Jesiden im Norden des Iraks vor dem IS geschützt, dies, nachdem die Peschmergas den Schutz verweigert hätten. Auch bei der Verteidigung von Kobane habe die PKK eine wichtige militärische Schutzfunktion für die schutzlose Zivilbevölkerung über ihren syrischen Zweig YPG übernommen. Diese sei dabei von der US-Luftwaffe unterstützt worden. Die PKK müsse nach Einschätzung westlicher Beobachter in den politischen Prozess eingebunden werden. Die US-Regierung weise ausdrücklich darauf hin, dass die YPG ungeachtet ihrer engen Verbindung zur PKK nicht als terroristische Organisation angesehen werde. Dies habe zu einer Überprüfung der Position der USA und westlicher Staaten im Hinblick auf ihre Einstellung gegenüber der PKK geführt. Haupthindernis bei den Bemühungen um eine gemeinsame internationale Strategie gegen den IS sei die türkische Regierung, die völlig eigene Interessen verfolge. Jedenfalls bedürfe es einer sorgfältigen Aufklärung der aufgezeigten Entwicklung und der darauf beruhenden Einschätzung. Das von den Verfassungsschutzbehörden unterstellte separatistische Ziel bezogen auf die Türkei sei seit langem überholt. Von der PKK gebilligte und koordinierte militärische Einsätze gegen die Türkei würden seit zwei Jahren nicht mehr geführt. Entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK müssten dem nicht zwingend entgegenstehen, sondern könnten auch als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat bewertet werden. Terroristische Aktionen in europäischen Ländern seien seit 2005 nicht mehr unternommen worden. Die politische und militärische Strategie der PKK habe sich seit dem Aufkommen des IS nahezu ausschließlich auf eine Schutzfunktion zu Gunsten der jesidischen und kurdischen Bevölkerung in Syrien verändert. Es entspreche jedenfalls dem Willen der jetzigen Führung der PKK, den Kampf der Einheiten vollständig auf den Schutz der bedrohten Zivilbevölkerung in den bezeichneten Ländern zu konzentrieren.
26 
Das Verwaltungsgericht stelle auf die Vorstandstätigkeit des Klägers bei der YEK-KOM bzw. der NAV-DEM ab, bezeichne jedoch keine einzige Aktivität des Klägers, die als individuelle Unterstützung der PKK ausgelegt werden könne. Der Unterstützungsbegriff werde unzutreffend ausgelegt, insbesondere soweit auf Aktivitäten „im Interessenbereich der PKK“, namentlich der Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbots unter Freilassung Öcalans abgestellt werde. Von derartigen, politisch neutralen Forderungen könne nicht auf Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bzw. eines bewaffneten Kampfes der PKK geschlossen werden. Es handele sich nicht um den Aufruf zur Begehung terroristischer Taten. Soweit das Verwaltungsgericht anführe, dass in dem „Denken an Märtyrer“ zugleich zum Ausdruck komme, dass der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel im Befreiungskampf Kurdistans grundsätzlich gebilligt werde, habe der Kläger darauf hingewiesen, dass er insgesamt 13 nahestehenden Angehörigen in dem Kurdenkonflikt in der Türkei gedacht habe, die durch das türkische Militär getötet worden seien. Er sei gläubiger Muslim und bekunde so seine Trauer und seinen Respekt vor den Toten. Damit habe sich das Verwaltungsgericht in seiner Bewertung nicht auseinandergesetzt.
27 
Das Bundesverwaltungsgericht verlange für eine Unterstützung des Terrorismus aus rechtsstaatlichen Gründen eine engere Verbindung zu den terroristischen Aktivitäten, da dem Einzelnen anderenfalls ein Verhalten zugerechnet werde, dass weder von seinem Willen noch von der durch ihn unterstützten Vereinigung getragen werde. Lediglich die Befürwortung bestimmter spezifischer Ideologien oder Weltanschauungen, sofern daraus nicht Handlungsanleitungen zur Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer oder religiöser Ziele abgeleitet würden, reichten danach nicht aus. Eine Vereinigung könne nur dann als den Terrorismus unterstützende Vereinigung angesehen werden, wenn sie Dritte mit einer entsprechenden Einstellung für die militante Durchsetzung der Ideologie gewinnen wolle. Das Verwaltungsgericht wende § 54 Nr. 5 AufenthG indessen bereits dann an, wenn z.B. die Aufhebung des Vereinsverbots der PKK oder eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts in der Türkei gefordert werde. Es lasse bereits bloße Sympathiebekundungen für eine Organisation, die durch die Sicherheitsbehörden als terroristische eingestuft werde, für den Unterstützungsbegriff ausreichen, ohne dass zusätzliche Tatsachen festgestellt würden, dass die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung auch auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtet seien, etwa dadurch, dass gezielt bei Veranstaltungen Jugendliche für den bewaffneten Kampf in kurdischen Siedlungsgebieten angeworben oder durch konkrete Aktionen Kämpfer der PKK in diesen Gebieten unterstützt würden.
28 
Das Verwaltungsgericht verletze § 54 Nr. 5 AufenthG auch, indem es keinen subjektiven Tatbestand voraussetze. Es stelle auf die Vorstandsfunktionen des Klägers in PKK-nahen Vereinigungen ab, berücksichtige aber nicht, dass dieser an seine 13 verstorbenen Verwandten gedacht habe. Im Übrigen fehlten Feststellungen dazu, dass der Kläger bei seinen Aktivitäten bewusst und gewollt den internationalen Terrorismus unterstütze.
29 
Die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts zum Unterstützungsbegriff werde zudem verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht gerecht. Schon im objektiven Tatbestand sei darauf zu achten, dass der Unterstützungsbegriff nicht unverhältnismäßig namentlich in das Recht auf freie Meinungsäußerung eingreife. Der Organisationsbezug sei daher nicht schon immer dann zu bejahen, wenn in irgendeiner Form auf den verbotenen Verein und seine Aktivitäten hingewiesen werde, ohne dass nach dem deutlich erkennbaren Sinn der Äußerungen die Tätigkeit des Vereins gefördert werden solle. Aus dem Spannungsverhältnis zwischen Grundrechtsschutz und Gefahrenabwehr folge das Erfordernis einer restriktiven Auslegung des Unterstützungsbegriffs. Unterstützungshandlungen müssten auf die Festigung vorhandener terroristischer Strukturen abzielen und der Ausländer selbst müsse einen den Unterstützungsbegriff gerecht werdenden Beitrag zur Unterstützung der Vereinigung leisten. Das Bundesverfassungsgericht weise ausdrücklich darauf hin, dass dem Einzelnen nicht verboten werde, selbst bestimmte politische Ziele anzustreben und zu vertreten, wohl aber, dies durch Förderung der verbotenen Tätigkeit des Vereins zu tun. Die Abwehr richte sich nicht gegen die Handlung des Einzelnen als solche, sondern gegen die mit ihr verbundene Stärkung der Organisation. Es reiche nicht aus, wenn der Außenstehende gleiche Ansichten wie die verbotene Partei vertrete. Einer Meinungsäußerung sei daher nur dann eine objektive Gefahr immanent, wenn zusätzlich äußere, sich nicht nur aus der Willensrichtung des Äußernden ergebende Umstände hinzuträten, die der Äußerung einen unmittelbaren Förderungseffekt geben. Es bedürfe einer auf die terroristische Tätigkeit der Vereinigung bezogene Zweckgerichtetheit und insoweit gelte auch das Regelbeweismaß für Tatsachenfeststellungen. Engagierte Sympathisanten im Umfeld einer terroristischen Organisation, die wie hier der Kläger nicht strukturell in diese eingebunden seien, erfüllten daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht den Begriff der Unterstützung einer Vereinigung, die ihrerseits den Terrorismus unterstütze.
30 
Es müssten die gleichen Maßstäbe gelten wie für den strafrechtlichen Unterstützungsbegriff. Daran fehle es regelmäßig, wenn die Betätigung sich auf Geldspenden, Verteilung von Zeitungen und Flugblättern, die Teilnahme an friedlichen Demonstrationen, Hungerstreiks oder nicht gewalttätigen Besetzungsaktionen beschränke. Von terroristischem Aktivitäten im Einzelfall sei auszugehen, wenn der Betreffende aufgrund seiner hochrangigen Funktionärstätigkeit für die PKK eine qualifizierte Mitverantwortung für deren kriminelle und terroristische Aktivitäten in Deutschland trage. Dies werde auch durch die Rechtsprechung zur Anwendung von Art. 1 GFK, Art. 12 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2004/83/EG, § 3 Abs. 2 Nr. 2 AsylG bestätigt. Auch dort gehe es um eine Zurechnung nach verwaltungsrechtlichen und nicht strafrechtlichen Grundsätzen, wobei dort der Beweisstandard hinsichtlich der materiellen Zurechnungskriterien gegenüber dem Strafrecht nicht herabgesenkt sei. Hier wie dort gehe es um die Gefährdung wichtiger öffentlicher Schutzgüter durch terroristische Gefahren. Verlangt werde dort ein vorsätzlicher Beitrag mit dem Ziel, die kriminelle Tätigkeit oder die strafbare Absicht der Gruppe zu fördern. Die Beiträge müssten also ausreichend sein, die Fähigkeit der Organisation, terroristische Anschläge zu verüben, zu fördern. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union fordere in diesem Zusammenhang eine individuelle Prüfung der genauen tatsächlichen Umstände. Er gehe davon aus, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit vermutet werden könne. Ob diese Vermutung gerechtfertigt sei, erfordere nach seiner Rechtsprechung aber eine Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände.
31 
In vorliegendem Fall sei zur Entlastung des Klägers zu berücksichtigen, dass er nicht in eine Organisation eingebunden sei, die sich terroristischer Mittel bediene. Zwar gehe das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass für den präventiven Gefahrenabwehrschutz gegenüber dem strafrechtlichen Maßstab der Begriff der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung erweitert werden dürfe. Aus verfassungsrechtlichen Gründen setze aber eine präventive Gefahrenabwehrmaßnahme voraus, dass durch das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorgerufen werde. Es bedürfe stets einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die auf konkret umrissenen Tatsachen beruhe. Dass Sympathiebekundungen für eine terroristische Organisation, selbst Sympathiebekundungen für terroristische Aktivitäten, eine Gefahr begründeten, sei eher fern liegend, sofern keine konkreten Anhaltspunkte dafür geliefert werden könnten, dass durch diese die öffentliche Sicherheit gefährdet werde. Die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad dürften nicht beliebig abgesenkt werden. Aufgrund des prognostischen Charakters des Gefahrenbegriffs und der Tatsache, dass nahezu jedes Gut mehr oder weniger risikogeneigt sei und mit Blick auf das Recht auf Inanspruchnahme grundrechtlicher Freiheiten müsse der Gesetzgeber in abstrakter Weise einen Ausgleich dieser widerstreitenden Interessen erreichen. Dies könne dazu führen, dass Grundrechtseingriffe einer bestimmten Eingriffsintensität erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorgesehen werden dürften. Dies gelte auch für § 54 Nr. 5 AufenthG. Es genüge nicht, dass in irgendeiner Form auf die terroristische Organisation und deren Aktivitäten hingewiesen werde, ohne dass nach dem deutlich erkennbaren Sinn der Äußerung deren terroristische geprägten Tätigkeiten im objektiven Sinne gefördert werden sollten. Gemessen hieran habe der Kläger durch seine Vereinsaktivitäten nicht den internationalen Terrorismus unterstützt. Für § 54 Nr. 5 AufenthG seien ein kognitives und ein voluntatives Element erforderlich. Hinsichtlich des voluntativen Elements des subjektiven Unterstützungsbegriffs fehle es indes an der verfassungsrechtlich gebotenen Eindeutigkeit. Nach der Rechtsprechung genüge es, dass der Einzelne in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst stehe, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringe und damit deren Stellung in der Gesellschaft, vor allem unter Landsleuten, begünstigend beeinflusse, deren Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitere und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefährdungspotenzials beitrage. Dies reiche aus verfassungsrechtlicher Sicht jedoch nicht aus. Auch eine bloße Stärkung eines latenten Gefährdungspotenzials genüge nicht den Anforderungen, die für die Eingriffsverwaltung an das Bestehen einer konkreten Gefahr zu fordern seien. Bei Äußerungen müsse eine vereinsfördernde Zielrichtung eindeutig erkennbar sein. Ob der Betroffene die Grenzen einer erlaubten Tätigkeit überschreite, sei davon abhängig, wie weit der grundrechtlich geschützte Freiheitsbereich reiche. Dies könne ohne voluntative Elemente nicht bestimmt werden. Es sei daher zu verlangen, dass der Einzelne sich mit den Zielvorstellungen und terroristischen Aktivitäten einer Organisation identifiziere. Dementsprechend genüge eine bloße politische Sympathiebekundung des Einzelnen für eine terroristische Organisation nicht. Die Schwelle sei erst überschritten, wenn Sympathie in Form der Verherrlichung des Guerillakampfes bekundet werde. Zwar könne danach auch der Personenkult für Öcalan berücksichtigt werden, weil diesem nach wie vor ein Symbolgehalt für den bewaffneten Kampf der PKK zukomme, es bedürfe aber zusätzlicher tatsächlicher Feststellungen für die Identifikation Einzelner mit dem Terrorismus, in dem Sinne, dass diese mit der Sympathiebekundungen für Personen oder Organisationen zugleich auch deren terroristisch geführten bewaffneten Kampf unterstützen wollten.
32 
Das Verwaltungsgericht habe auch keine schwerwiegenden Gründe im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz der Qualifikationsrichtlinie festgestellt. Eine Regelvermutung, wie das nationale Recht, kenne das Unionsrecht nicht. Es sei eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles erforderlich. Das Refoulementverbot des Art. 33 Abs. 1 GFK müsse hierbei beachtet werden. Daher sei eine eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder Bereitschaft hierzu oder eine strukturelle Einbindung in diese, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, erforderlich. Die bloße Mitgliedschaft des Klägers im Vorstand von YEK-KOM bzw. NAV-DEM sowie dessen Redebeiträge, die im Übrigen nicht dahingehend bewertet worden seien, ob der Kläger in diesen zu Gewaltanwendung aufgerufen habe, genügten nicht.
33 
Aus der Teilnahme an rechtmäßigen Versammlungen und an Veranstaltungen, in der sich die kulturelle Identität als Kurde manifestiert habe, folge nicht automatisch, dass der Betroffene selbst terroristische Handlungen unterstützt habe. Solche Veranstaltung seien auch nicht automatisch terroristische Handlungen.
34 
Zudem sei durch das neue Ausweisungsrecht dem bisherigen Automatismus eine klare Absage erteilt worden. Es sei danach eine ergebnisoffene Abwägung auf Tatbestandsseite erforderlich, die gerichtlich voll überprüfbar sei. Hier fehle es schon an einer konkreten Gefahr als Grundlage einer solchen Abwägung. Generalpräventiv motiviert sei die Ausweisung im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG, dessen Voraussetzungen auch im Übrigen nicht vorlägen, nicht zulässig. Es fehle an der Unerlässlichkeit der Maßnahme. Auch bei Annahme einer vom Kläger ausgehenden Gefahr gehe die Abwägung zu dessen Gunsten aus, da besonders schwerwiegende Ausweisungsinteressen nicht bestünden und zugleich besonders schwerwiegende und schwerwiegende Bleibeinteressen vorlägen. Der langjährige rechtmäßige Aufenthalt des Klägers in Deutschland und die Interessen seiner Familie, mit der er zusammen lebe, seien umfassend zu berücksichtigen. Eine Nachreisen der Familie in die Türkei sei dieser nicht zuzumuten. Auch sei zu beachten, dass eine Beendigung des Aufenthalts des Klägers aufgrund seines Flüchtlingsstatus nicht zulässig sei.
35 
Das Verhalten des Klägers erfülle auch deshalb nicht die Voraussetzungen der Art. 21 Abs. 2 und 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, da er selbst weder terroristische Handlungen begangen habe, noch solche geplant, entschieden oder andere dazu angeleitet bzw. finanziert oder er Mittel dazu beschafft habe. Eine dieser abschließend zu verstehenden Handlungen verlange der Gerichtshof der Europäischen in seiner Entscheidung in der Rechtssache „T.“ (Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 -, juris) jedoch. Auch betone dieser, dass eine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen keine solche Handlung sei und sich daraus nicht zwingend die Unterstützung solcher Taten ergebe.
36 
Der Kläger beantragt,
37 
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 27. Januar 2015 - 1 K 102/12 - die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 10. Januar 2012 aufzuheben.
38 
Der Beklagte beantragt,
39 
die Berufung zurückzuweisen.
40 
Er führt im Wesentlichen aus: Die PKK sei auch nach wie vor als terroristische Organisation zu sehen. Sie sei weiterhin in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 sowie im bindenden Anhang zur Verordnung (EG) 2850/2001, zuletzt aktualisiert durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/513 vom 26. März 2015, aufgeführt. Zudem sei auf die Bundestagsdrucksache 18/3702 vom 7. Januar 2015 zu verweisen, in der die Bundesregierung deutlich mache, weshalb sie am Vereinsverbot bezüglich der PKK festhalte und diese als terroristische Organisation einstufe. Diese halte weiter an ihrem Standpunkt fest, nicht zwischen „guten“ und „bösen“ Terroristen zu unterscheiden. Zwar gehe die Bundesregierung nicht von Angriffen der PKK in Deutschland oder gegen deutsche Ziele aus, dennoch stünden Angriffe gegen Ziele des Nato-Partners Türkei unverändert auf dem Plan der PKK. Dies werde weiterhin von der Bundesregierung missbilligt und im Rahmen der Möglichkeiten deutscher Sicherheitsbehörden verhindert. Die Bundesregierung weise zudem darauf hin, dass die PKK Europa als Rückzugsraum für finanzielle und politische Aktivitäten betrachte. Weiterhin sei der Friedenprozess zwischen der Türkei und den Kurden seit Juli 2015 beendet, da die Waffenruhe zerbrochen und es zu neuen Kämpfen und Anschlägen gekommen sei. Am 22. Juli 2015 seien in Ceylanpinar im Südosten der Türkei zwei Polizisten ermordet worden. Die PKK habe sich hierzu bekannt. Am 10. August 2015 seien mehrere Anschläge in Istanbul erfolgt, darunter einer auf eine Polizeiwache, zu denen sich die PKK ebenfalls bekannt habe. Am 11. August 2015 habe es einen weiteren Anschlag in Südost-Anatolien gegeben, bei dem ein türkischer Soldat ums Leben gekommen sei.
41 
YEK-KOM und NAV-DEM unterstützten die PKK und deren Nachfolgeorganisationen insbesondere durch eine Plattform für Botschaften und Propaganda der PKK; sie gewährleisteten eine ständige Präsenz der PKK im gesellschaftlichen Leben der Kurden im Bundesgebiet. Die bloße Umbenennung der YEK-KOM in die NAV-DEM habe das Verwaltungsgericht zutreffend bewertet, dies werde auch durch den Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 24. August 2015 aufgezeigt. Eine Änderung des Arbeitsprogramms sei nicht erfolgt, es gebe auch keine Distanzierung der NAV-DEM von den Aktivitäten der YEK-KOM. Auf beiden Internetpräsenzen werde jeweils das Logo der NAV-DEM abgebildet, es werde das nahezu identische Layout verwendet, wie die Screenshots vom 20. August 2015 zeigten. Die NAV-DEM sei nach eigenen Angaben Mitglied der KON-KURD-Nachfolgeorganisation (europäischer Dachverband PKK-naher Vereine) und der Vorsitzende der NAV-DEM habe im März 2014 erklärt, dass man die deutsche Demokratie nicht akzeptieren könne, wie sich aus dem Verfassungsschutzbericht des Bundes 2014, Seite 131, ergebe. YEK-KOM bzw. NAV-DEM verträten entgegen der Darstellung des Klägers auch nicht lediglich die selben politischen Forderungen wie die PKK. Vielmehr würden die von der PKK gewählten Mittel der Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele öffentlich unterstützt, zumindest aber gebilligt. Die im verwaltungsgerichtlichen Urteil erwähnte Pressemitteilung der YEK-KOM zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Jahre 2012, in der ausgeführt werde, dass sich die kurdische Bevölkerung nicht verbieten lasse, die Symbole der PKK öffentlich zu zeigen und sich zu ihr zu bekennen, zeige das klare Bekenntnis zur PKK. Von der Gewaltanwendung der PKK habe sich die YEK-KOM auch nicht distanziert.
42 
§ 54 Nr. 5 AufenthG sei im Zusammenhang mit der UN-Resolution 1373 vom 28. September 2001 zu sehen, in der die Staaten dazu aufgefordert würden, die Nutzung ihres Staatsgebietes für die Vorbereitung, Durchführung und Finanzierung internationaler terroristischer Akte zu verhindern. Daher setze § 54 Nr. 5 AufenthG nicht voraus, dass von dem betroffenen Ausländer bereits eine konkrete Gefahr ausgehe. Angesichts der außerordentlichen Gefahren des internationalen Terrorismus sei es gesetzgeberischer Wille, dass die Voraussetzungen dieses Ausweisungsgrundes deutlich niedriger anzusetzen sei.
43 
Erforderlich sei eine wertende Gesamtbetrachtung der Aktivitäten und des Verhaltens des Ausländers. Einzelne belegbare Unterstützungshandlungen müssten vorliegen, die nach vernünftiger Wertung den Schluss zuließen, dass der Ausländer in nicht völlig unerheblicher Weise eine terroristische Organisation unterstütze. Zur Sicherung vor unverhältnismäßigen Eingriffen, etwa in die Meinungsfreiheit, müsse die Tätigkeit für den Ausländer erkennbar geeignet sein, sich auf die unterstützte Vereinigung positiv auszuwirken. Lediglich politische, humanitäre oder sonstige Ziele genügten nicht, das sei auch berücksichtigt worden. Die zahlreichen Aktivitäten des Klägers auch in herausgehobener Funktion könnten nicht als bloßes Gedenken an verstorbene Verwandte gewertet werden, da zugleich der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel gebilligt worden sei. Der Kläger in seinen herausgehobenen Funktionen habe auch gewusst, dass Märtyrergedenkveranstaltungen für die Sache der PKK instrumentalisiert würden. Zurechenbar seien ihm die Unterstützungshandlungen auch mangels klarer Distanzierung durch ihn oder die Organisationen, für die er tätig gewesen sei und ist.
44 
Die Ausweisungsverfügung sei auch nach neuem Recht rechtmäßig. Die Voraussetzungen des Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie lägen vor, nachdem sogar jene des Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie vom Verwaltungsgericht zu Recht bejaht worden seien. Der Kläger irre, wenn er meine, der Gerichtshof der Europäischen Union habe in seiner Entscheidung in der Rechtssache „T.“ zwingend eine Unterstützung in Form von eigenen terroristischen Tätigkeiten oder eine herausgehobene Stellung in der terroristischen Vereinigung selbst zur Voraussetzung gemacht. Stets sei der Einzelfall zu untersuchen und es gebe danach auch andere Formen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.
45 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den Beweisantrag gestellt: „Es soll eine Auskunft zu den Tatsachen, dass die NAV-DEM insbesondere das Ziel verfolgt, die Interessen aller Kurden aus den Staaten Syrien, Irak und Türkei und die Integration der in Deutschland lebenden Kurden zu fördern sowie die Öffentlichkeit auf die Situation der bedrohten kurdischen Minderheiten im Irak und in Syrien hinzuweisen und für die Leistung humanitärer Hilfe für diese Personengruppe zu werden, eingeholt werden durch eine Auskunft durch den Sachverständigen A. I., Steindamm 39, 20099 Hamburg“. Diesen hat der Senat abgelehnt.
46 
Dem Senat liegen die verfahrensbezogenen Akten der Behörde vor. Es hat im weiteren die sich aus Blatt 165 der Gerichtsakten ergebenden weiteren Erkenntnismittel erhoben, die den Parteien zuvor zugänglich gemacht wurden. Wegen des weiteren Vortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
47 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Nicht streitgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, gegen die sich der Kläger mit seinem Berufungsantrag nicht wendet (II.).
I.
48 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
49 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Nicht mehr entscheidungserheblich ist danach, ob der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren seine Ermessenserwägungen in hinreichender Form nachgebessert hat (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 20.11 -, juris). Denn ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1; terminologisch unzutreffend daher: Marx, Aufenthalts- Asyl- und Flüchtlingsrecht, 5. Aufl. 2015, § 7, Rn. 163).
50 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung des weiteren rechtmäßigen Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Aus all dem folgt auch, dass die Ausweisung vorliegend nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln verstößt (5.).
51 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
52 
Der Kläger unterstützt seit längerem und auch aktuell die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
53 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert,
54 
„die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
55 
Im Weiteren wird auf den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP) Bezug genommen (ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris), der in seinem Artikel 1 Abs. 3 terroristische Handlungen wie folgt definiert:
56 
„Im Sinne dieses Gemeinsamen Standpunkts bezeichnet der Ausdruck "terroristische Handlung" eine der nachstehend aufgeführten vorsätzlichen Handlungen, die durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen kann und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert ist, wenn sie mit dem Ziel begangen wird,
57 
i) die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder
58 
ii) eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigterweise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder
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iii) die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören:
60 
a) Anschläge auf das Leben einer Person, die zum Tode führen können;
61 
b) Anschläge auf die körperliche Unversehrtheit einer Person;
62 
c) Entführung oder Geiselnahme;
63 
d) weit reichende Zerstörungen an einer Regierungseinrichtung oder einer öffentlichen Einrichtung, einem Verkehrssystem, einer Infrastruktur, einschließlich eines Informatiksystems, einer festen Plattform, die sich auf dem Festlandsockel befindet, einem allgemein zugänglichen Ort oder einem Privateigentum, die Menschenleben gefährden oder zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen können;
64 
e) Kapern von Luft- und Wasserfahrzeugen oder von anderen öffentlichen Verkehrsmitteln oder Güterverkehrsmitteln;
65 
f) Herstellung, Besitz, Erwerb, Beförderung oder Bereitstellung oder Verwendung von Schusswaffen, Sprengstoffen, Kernwaffen, biologischen und chemischen Waffen sowie die Forschung und Entwicklung in Bezug auf biologische und chemische Waffen;
66 
g) Freisetzung gefährlicher Stoffe oder Herbeiführen eines Brandes, einer Explosion oder einer Überschwemmung, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
67 
h) Manipulation oder Störung der Versorgung mit Wasser, Strom oder anderen lebenswichtigen natürlichen Ressourcen, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
68 
i) Drohung mit der Begehung einer der unter den Buchstaben a) bis h) genannten Straftaten;
69 
j) Anführen einer terroristischen Vereinigung;
70 
k) Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung einschließlich durch Bereitstellung von Informationen oder materiellen Mitteln oder durch jegliche Art der Finanzierung ihrer Aktivitäten in dem Wissen, dass diese Beteiligung zu den kriminellen Aktivitäten der Gruppe beiträgt.
71 
Im Sinne dieses Absatzes bezeichnet der Ausdruck "terroristische Vereinigung" einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die in Verabredung handeln, um terroristische Handlungen zu begehen. Der Ausdruck "organisierter Zusammenschluss" bezeichnet einen Zusammenschluss, der nicht zufällig zur unmittelbaren Begehung einer terroristischen Handlung gebildet wird und der nicht notwendigerweise förmlich festgelegte Rollen für seine Mitglieder, eine kontinuierliche Mitgliedschaft oder eine ausgeprägte Struktur hat.“
72 
Bei der hiernach erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
73 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
74 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2012, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
75 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde, die der Kläger auch nicht in Frage stellt (Ziffer 2.1.1. der Ausweisungsverfügung, Blatt 25 bis 27 der Akte des Verwaltungsgerichts; Ziffer 1. a) des Urteils des Verwaltungsgerichts, Seite 8, unten, letzter Absatz bis Seite 10, Blatt 8 bis 10 der Gerichtsakte).
76 
Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats und in dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkersparty). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: „Die PKK sieht sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen“, so B.. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Die PKK treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Er, B., sei überrascht, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. Und weiter: In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. „Der Preis für Kritik an der PKK kann der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern, Büros. Ich habe viele Drohungen bekommen.“, so B..
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Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
78 
Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
79 
Soweit der Kläger daher auf veränderte politische Umstände und dabei insbesondere darauf abstellen will, dass die PKK sich nunmehr dem Kampf gegen den IS, dem Schutz der Zivilbevölkerung im Norden Syriens verpflichtet fühle, den bewaffneten Kampf gegen die Türkei aufgegeben habe und entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat zu bewerten seien, ist dies auch durch das aktuelle Vorgehen der PKK eindrucksvoll widerlegt. Selbst wenn man mit dem Kläger einmal unterstellt, die PKK sei mit der YPG gleichzusetzen und in Syrien dem Schutz der Kurden und Jesiden verpflichtet, ändert dies nichts an den in der Türkei verübten terroristischen Taten.
80 
b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger unbestritten entfalteten Aktivitäten ab Dezember 2010 als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch vorgehalten werden dürfen.
81 
Im konkreten Fall können allerdings nur noch diejenigen Aktivitäten des Klägers ein solches begründen, die dieser nach erfolgter Mitteilung im Juli 2010 an ihn, dass wegen seiner Aktivitäten die Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. seine Ausweisung geprüft werde, entfaltet hat. Davor liegende sind aus Gründen des Vertrauensschutzes verbraucht. Denn ein Ausweisungsinteresse ist, wie auch bislang schon ein Ausweisungsgrund, verbraucht, wenn ein Aufenthaltstitel in Kenntnis bzw. in der Sphäre des Staates zuzurechnender Unkenntnis desselben erteilt bzw. verlängert wurde (Discher, in: GK-AufenthG, Juni 2009, Vor §§ 53. ff. AufenthG, Rn. 382 ff., m. w. N.). So liegt der Fall hier. Darauf, ob solche Aktivitäten der den Titel erteilenden Ausländerbehörde tatsächlich selbst bekannt waren, kommt es mit Blick auf den damit bezweckten Vertrauensschutz, der sich aus der Perspektive des betroffenen Ausländers bestimmt, nicht entscheidend an. Vielmehr genügt es, wenn solche Aktivitäten der Ausländerbehörde hätten bekannt sein können, was hier der Fall ist, nachdem diese selbst eine Sicherheitsüberprüfung mit Blick auf vorliegende Erkenntnisse eingeleitet und sodann die Niederlassungserlaubnis erteilt hat, ohne das Ergebnis der Überprüfung abzuwarten. Dass dies unter der - irrigen - Annahme erfolgte, eine Überprüfung sei vorliegend rechtlich nicht erforderlich, ändert hieran nichts.
82 
Diese Aktivitäten des Klägers sind auch überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
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Soweit der Kläger die dargestellten rechtlichen Maßstäbe in grundsätzlicher Art angreift, überzeugt dies den Senat nicht.
84 
Der Senat folgt nicht seiner Auffassung, Verfassungs- bzw. Unionsrecht verlangten, dass das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete mit der jeweiligen Einzelhandlung verbundene Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorrufe. Ein verfassungs- oder unionsrechtlicher Rechtssatz, der dazu zwingen würde, nur konkrete terroristische Gefahren mit der Ausweisung zu bekämpfen, ist nicht ersichtlich. Die dahingehende Argumentation des Klägers bleibt daher auch gänzlich unspezifisch. Es ist nichts Grundsätzliches dagegen einzuwenden, wenn der Gesetzgeber mit Blick auf die spezifischen Gefahren terroristischer Aktivitäten unter Berücksichtigung der Bedeutung der davon betroffenen hochrangigen Rechtsgüter (Leib, Leben, Freiheit der Bevölkerung, hohe Sachwerte sowie die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik) und des zumeist konspirativen (Beweisnot), ideologisch motivierten Vorgehens solcher Vereinigungen (Gruppendynamik), aus denen sich gravierende Nachweisschwierigkeiten und deren erschwerte Bekämpfbarkeit ergeben, mit einer Absenkung des Gefahrenmaßstabs reagiert. Dies entspricht anerkannten Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts.
85 
Soweit der Kläger meint, es sei stets ein Vollbeweis zu führen, gilt nichts anderes. Der gesetzlich normierte abgesenkte Beweismaßstab der Regelung ist dem Grunde nach, insbesondere mit Blick auf die bereichstypische Beweisnot und die Hochwertigkeit der zu schützenden Rechtsgüter, rechtlich unbedenklich, weil sachangemessen. Die Grenzen sind gegebenenfalls von der Rechtsprechung anhand konkreter Fälle zu präzisieren, was auch geschieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701; vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, NVwZ 2005, 1091; VGH Bad.-Württ, Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 09.11.2005 - 24 CS 05.2621 -, NVwZ 2006, 1306; siehe auch: Berlit, NVwZ 2013, 327, m. w. N; Kirsch, NVwZ 2012, 677; Eckertz-Höfer, in: Barwig u. a., Perspektivwechsel im Ausländerrecht?, 2007, 105 <114>; Marx, ZAR 2004, 275). Auch ist sich der Senat durchaus der Problematik von Beweisketten bewusst, bei denen “sich die Beweiskraft […] umso mehr verringert, je länger die Kette ist, und umso schneller vermindert, je geringer die jeweilige Beweiskraft der je einzelnen Indizien ist“ (so schon: Bender/Röder/Nack, Tatsachenfeststellungen vor Gericht, Band I, 1. Aufl., 1981, S. 181 f.). Daraus erwächst in vorliegendem Fall allerdings schon deshalb kein entscheidungserhebliches Problem, weil weder die dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten in tatsächlicher Hinsicht im Streit stehen, noch die der Vereinigungen, in denen er tätig war und ist und letztlich auch nicht die der PKK, sondern jeweils nur deren Bewertung.
86 
Zudem ist inzwischen geklärt, dass eine gleichlaufende Auslegung von straf- und ausweisungsrechtlichem Unterstützungsbegriff nicht geboten ist (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701). Die nicht deckungsgleichen Ziele des Strafrechts einerseits und des Rechts der Gefahrenabwehr andererseits schließen die Möglichkeit einer effektiven Abwehr terroristischer Gefahren einzig über das Strafecht oder auf der Grundlage der dieses Rechtsgebiet prägenden Begrenzungen aus. Strafe im verfassungsrechtlichen Sinne, verstanden als auch „sozialethisches Unwerturteil“ (so: BVerfG, Beschluss vom 09.07.1997 - 2 BvR 1371/96 -, BVerfGE 96, 245) dient als reaktive Maßnahme vornehmlich dem Schuldausgleich, die Prävention ist nur ein Teilaspekt der Strafzumessung und diese ist wiederum begrenzt durch die individuelle Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB). Damit ist sie im Kern auf die Aufarbeitung schon geschehener oder versuchter Taten (§ 22 StGB) begrenzt. Ihre daher nur punktuell zulässige Erstreckung auf Vorfeldaktivitäten steht, wie die §§ 89a, 129a, 129b StGB und die dazu ergangene Rechtsprechung deutlich machen, in einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis, das es ausschließt, eine hinreichend effektive, insbesondere aktive und rechtzeitige Abwehr künftiger Gefahren nach Opportunitätsgesichtspunkten über Strafvorschriften oder unter Bindung an deren Begrenzungen zu gewährleisten.
87 
Wenn der Kläger sich schließlich darauf beruft, stets nur an erlaubten (präziser: nicht verbotenen) Veranstaltungen teilgenommen zu haben bzw. teilzunehmen und stets nur für nicht verbotene Vereine tätig zu sein, greift dies aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht durch: Aus rechtlichen nicht, da § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Gegensatz zu Nr. 3 der Vorschrift gerade nicht auf ein Verbot abstellt und ein solches deren Mitglieder vermehrt zu konspirativem Verhalten veranlassen kann, ohne dass damit für die Gefahrenabwehr viel gewonnen wäre. Es kann daher aus Gründen der Gefahrenabwehr opportun sein, von einem solchen abzusehen. Aus tatsächlichen nicht, da es fern liegt, annehmen zu wollen, dem Kläger sei das auch terroristische Verhalten der PKK in der Türkei entgangen und er sei sich im Unklaren über die Bedeutung seines eigenen Tuns, zumal er sich augenscheinlich fast ausschließlich mit der Kurdenthematik zu beschäftigen scheint und er die vom Gericht mitgeteilten Erkenntnisse zur PKK sowie der YEK-KOM bzw. NAV-DEM noch nicht einmal ansatzweise in Abrede gestellt hat (dazu sogleich unten).
88 
Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen, weitere herausgehobene Tätigkeiten als Redner und Organisator von PKK-nahen Veranstaltungen und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten Aktionen und Veranstaltungen solcher Vereinigungen.
89 
Im Einzelnen sind dem Kläger zunächst die sich aus der Ausweisungsverfügung ergebenden Aktivitäten bis zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis an ihn vorgehalten worden, auf die hier verwiesen wird (Ziffer 1.2. der Ausweisungsverfügung, Seite 3 bis 9; Blatt 16, unten, bis einschl. Blatt 23, erster Absatz oben, der Akte des Verwaltungsgerichts) und die von diesem ebenso wenig in Abrede gestellt werden, wie die weiteren, die der Kläger nach Mitteilung des Beklagten an ihn im Juli 2010, dass eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung mit Blick auf seine Aktivitäten zu Gunsten der PKK geprüft werde, entfaltet hat:
90 
- Am 5. Dezember 2010 nahm er an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim in der Siedlerhalle teil. Dort waren eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht. Ein in Guerillauniform auftretender Redner lobte die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe. Dies habe man dem großen Führer Apo und den Parteimärtyrern zu verdanken. Man dürfe auch die Kämpfer an der Front nicht vergessen, die man von hier aus grüße. Ein weiterer Redner referierte über die Geschichte der PKK.
91 
- Am 20. Februar 2011 nahm der Kläger an einer Mitgliederversammlung der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. (KG HN) teil. Nach einer Schweigeminute für die Märtyrer Kurdistans und der ganzen Welt referierte er über die unzureichende Vorstandstätigkeit des Vereins und forderte dazu auf, verstärkt Mitglieder zu werben. Er wisse, dass im Raum Heilbronn 500 bis 600 kurdische Familien lebten, die meisten von ihnen hätten aber nur deswegen keinen Kontakt zum Verein, weil sie Angst vor den deutschen Behörden hätten. Es bestünde kein Grund zur Furcht, da alles angemeldet und der Verein absolut legal sei. Der Kläger bat die Anwesenden, auf die Kurden zuzugehen, mit ihnen zu reden und ihnen die Angst zu nehmen.
92 
Nach Durchführung der Sicherheitsbefragung am 23. Februar 2011:
93 
- Am 5. August 2011 war der Kläger in der Yeni Özgür Politika (YÖP) abgebildet, dies anlässlich einer Kampagne zur Anerkennung der kurdischen Identität, organisiert von der YEK-KOM. Laut der Berichterstattung hat er im Heilbronner Verein über die Ziele der Kampagne informiert.
94 
- Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums Mannheim vom 30. Januar 2012 war der Kläger am 4. November 2011 Teilnehmer und Redner bei einem Aufzug mit Kundgebung in Mannheim zum Thema „türkische Regierung verwendet Napalmgas und chemische Waffen gegen die türkische Bevölkerung/Schluss mit der Isolationshaft von Öcalan/Schluss mit den Verhaftungswellen in der Türkei gegen die kurdischen Politiker“. Der Redebeitrag des Klägers habe den Eindruck hoher Emotionalität vermittelt.
95 
- Am 2. Dezember 2011 nahm er an einer Gedenkfeier zum 33. Partei-gründungs-Jahrestag, dem 27. November 1978, in Heilbronn teil. Auch dort hingen Bilder von Öcalan und Parteifahnen, auch der ERNK, der früheren Propagandaorganisation der PKK. Nach einer Gedenkminute für die kurdischen Märtyrer und der Begrüßung schilderte ein Redner die Parteigründung durch Öcalan und dessen Genossen. Die Erfolgsgeschichte der Partei dauere bis heute an, leider aber auch ihre Schwierigkeiten, bedauerlicherweise auch in Europa. Es sei erforderlich, die Partei zu unterstützen. Es wurden mehrfach Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert. Auch dort waren fast ausschließlich PKK-Unterstützer zugegen.
96 
- Am 13. Dezember 2011 wurde der Kläger erneut in der YÖP anlässlich eines Vereinskongresses in Stuttgart erwähnt. Er forderte dort die hier lebenden Kurden auf, stärker für ihre Identität einzutreten.
97 
Nach Verfügung der Ausweisung am 10. Januar 2012:
98 
- In der YÖP vom 14. Februar 2012 wurde er als Teilnehmer des 3. Kongresses der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. abgebildet. Er führte dort in seiner Rede aus, dass die Kurden in der Türkei und in Europa unter Beschuss stünden, da ihnen die Existenz ihrer eigenen Kultur abgesprochen werde.
99 
- Aus dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden Württemberg vom 19. Dezember 2012 ergibt sich, dass der Kläger zwar das Amt des 2. Vorsitzenden der YEK-KOM seit Ende 2011 nicht mehr ausübt, er jedoch bereits im Mai 2012 erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt wurde.
100 
- In dieser Funktion ist er ausweislich des weiteren Berichts des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2013 beispielsweise als Versammlungsleiter des 20. kurdischen Kulturfestivals am 8. September 2012 in Mannheim in Erscheinung getreten. Bei dieser Veranstaltung kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Polizeibeamte.
101 
- Er ergriff am 16. Januar 2013 in Mannheim im Rahmen einer Solidaritätsdemonstration für die drei in Paris ermordeten PKK-Aktivistinnen das Wort und verurteilte das Attentat scharf. Er vertrat die Meinung, dass die Morde nicht nur in den Personen der Aktivistinnen angesiedelt seien, sondern auch auf politische Überlegungen zurückzuführen seien, die einen Fortbestand der kriegerischen Auseinandersetzungen der Heimat zum Ziel hätten. Die Geheimdienste stünden hinter diesem Anschlag. Der französische Staat könne diesen problemlos aufklären, wenn er dies nur wolle. Folglich müssten die Kurden einen legitimen demokratischen Druck auf den französischen Staat ausüben. Der Kläger rief zu Sitzstreiks in allen Städten mit französischen Botschaften und ähnlichen Einrichtungen auf, bis eine Aufklärung des Attentats erfolgt sei.
102 
- Am 21. Mai 2013 war der Kläger im Namen der YEK-KOM bei den Vorstandswahlen der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. anwesend.
103 
- Am 8. September 2013 fungierte der Kläger als Versammlungsleiter bei einer Mitgliederversammlung mit Vorstandswahl des PKK-nahen mesopotamischen Anadolu Kulturvereins e.V. (MAK). Zur PKK-Nähe des MAK Lahr sei auf den Bericht des Landesamtes vom 9. März 2010 an das Innenministerium zu verweisen.
104 
- Am 29. April 2014 war der Kläger in der YÖP als Teilnehmer des Gründungskongresses des kurdischen-demokratischen Gesellschaftszentrums am 27. April 2014 in den Räumlichkeiten des PKK-nahen kurdischen Kulturvereins e.V. in ... abgebildet.
105 
- Am 10. Oktober 2015 hielt der Kläger anlässlich einer Protestaktion in Frankfurt im Namen der NAV-DEM eine Rede.
106 
Nach „Auflösung“ der YEK-KOM am 22. Juni 2014 ließ sich der Kläger am selben Tag in gleicher Sitzung, zusammen mit einem weiteren Vorstandsmitglied der YEK-KOM, in den fünfköpfigen Vorstand der NAV-DEM wählen. Diese Vorstandstätigkeit übt er bis heute aus, und er ist in dieser Funktion seitdem auch als Redner und Versammlungsleiter auf zahlreichen Veranstaltungen aufgetreten, die erkennbar der Propaganda für die PKK dienten. Der Kläger engagiert sich damit seit langem ohne Zäsur in herausgehobener Position unterstützend für die PKK.
107 
Daran, dass die YEK-KOM die PKK unterstützt hat, bestehen weiterhin keine vernünftigen Zweifel. Hierzu hat der Senat schon in seinem Urteil vom 7. Dezember 2011 - 11 S 897/11 -, juris Rn. 47, das vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418, bestätigt wurde, ausgeführt:
108 
„Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder - nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM - für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
109 
Für die NAV-DEM gilt insoweit nicht anderes. Soweit der Kläger unter Verweis auf schriftliche Erklärungen der NAV-DEM meint, dass diese eine andere Ausrichtung als die YEK-KOM habe, nämlich den Kampf gegen den IS, die Förderung der Integration der in Deutschland lebenden Kurden und die Gleichstellung und die Gleichberechtigung der Frauen, überzeugt dies den Senat nicht. Das Verwaltungsgericht hat schon zu Recht auf die fehlende tatsächliche Veränderung der Aktivitäten des Vereins abgestellt, der zudem nicht neu gegründet, sondern nur umbenannt wurde. Es verweist zutreffend auf die Pressemitteilung des Vereins vom 18. Juli 2014, aus der sich ergibt, dass die NAV-DEM selbst nach eigenem Verständnis die Arbeit der YEK-KOM fortführt. Die vom Senat eingesehene Internetpräsenz (navdem.com) bestätigt dies, die Überschrift der Pressemitteilung vom 18. Juli 2014 lautet:
110 
„YEK-COM heißt jetzt NAV-DEM“
111 
Die weiteren dort aufgeführten Pressemitteilungen verdeutlichen im Übrigen die Fortführung der Veranstaltungen und Kundgebungen mit gleichem Ablauf und gleichen Themen wie zuvor schon unter dem Namen YEK-KOM:
112 
- Eintrag vom 7. September 2014, Interview mit Yüksel Koc „Das Verbot kriminalisiert die Kurden“, anlässlich einer Festnahme eines Mannes durch die Generalbundesanwaltschaft, der Geld für die PKK gesammelt haben soll, was, nach Koc, eine Kriminalisierung politischer Arbeit bedeute, da dieser selbst keine Gewalt ausgeübt habe.
113 
- Eintrag zur Kundgebung am 13. September 2014 in Düsseldorf unter dem Motto „Freiheit für Öcalan - Status für die Kurden“.
114 
- Eintrag vom 6. März 2015: Aufruf zur Newroz-Demonstration am 21. März 2015 in Bonn.
115 
Der Beklagte hat zudem unwidersprochen und zutreffend darauf hingewiesen, dass NAV-DEM und YEK-KOM identische Logos auf ihren Internetpräsenzen verwenden und der Vorsitzende der NAV-DEM im März 2014 erklärt habe, man könne die deutsche Demokratie nicht akzeptieren. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz geht in seiner Broschüre zur „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ vom Juli 2015, dort S. 18, davon aus, dass die NAV-DEM in Nachfolge der YEK-KOM wie diese auch als Dachverband von örtlichen Vereinen diene, in denen die PKK Informationen steuere und Vorgaben umsetze und dass sich die NAV-DEM durch eine aktive Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit sowie den Aufbau von Kontakten zu politischen Entscheidungsträgern bemühe, weitere Unterstützung für deren Anliegen zu erhalten. Diese Einschätzung teilt der Senat aufgrund der dargestellten tatsächlichen Umstände und sieht sich dabei auch die Aktivitäten des Klägers selbst bestätigt.
116 
Soweit der Kläger meint, dass es dem Verwaltungsgericht an ausreichender Sachkunde gefehlt habe, um eine Änderung des Aufgabenspektrums zu verneinen, erschöpft sich dies in einer schlichten Behauptung, die auf nichts gestützt wird. Sämtliche vom Verwaltungsgericht und dem Beklagten ausführlich dargelegten tatsächlichen Aktivitäten der YEK-KOM und nachfolgend der NAV-DEM sowie der Redner und Teilnehmer an deren Veranstaltungen lässt der Kläger gänzlich unkommentiert, obwohl es ihm als 2. Vorstandsmitglied der NAV-DEM ein Leichtes sein müsste, Tatsächliches zum Verein vorzubringen, das die Wertungen des Verwaltungsgerichts und des Beklagten diesbezüglich erschüttern würde. Es spricht hier daher auch nach Überzeugung des Senats nichts dafür, dass sich an der Ausrichtung oder dem Aktivitätenspektrum etwas geändert haben könnte, zumal es seitens des Vereins zu keinem Zeitpunkt zu eine Distanzierung von der PKK oder auch nur der YEK-KOM gekommen ist.
117 
Dem Beweisantrag des Klägers war vor diesem Hintergrund nicht nachzugehen, zumal etwaige weitere Vereinsziele, die unter Beweis gestellt worden sind, die dargelegten Aktivitäten und Zielrichtungen nicht neutralisieren. Überdies konnte der Kläger nicht dartun, weshalb der von ihm benannte Sachverständige hinreichende Sachkunde haben könnte. Dies hätte ihm oblegen, weil der auf die Bestrebungen und Ziele der NAV-DEM gerichtete Beweisantrag die Benennung eines Sachverständigen erforderte, der über eine spezielle Sachkunde, nämlich über interne Kenntnisse über die NAV-DEM, verfügt, die nicht von jedem Sachverständigen gleichermaßen reproduzierbar ist (vgl. Krehl, in: Karlsruher Kommentar StPO, 7. Aufl., 2013, § 244 StPO, Rn. 80).
118 
Bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied sind dem Kläger sämtliche Aktionen der YEK-KOM und der NAV-DEM zuzurechnen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris, Rn. 50, m. w. N.). Soweit der Kläger dies bezweifelt, ist dies nicht nachvollziehbar, da er selbst darauf hinweist, dass die von ihm insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darauf abstellt, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit unter Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände vermutet werden könne. Unbeschadet dessen bestehen für den Senat aber auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass die vom Kläger entfalteten Aktivitäten von diesem in dem Bewusstsein und mit dem Willen erfolgt sind und erfolgen, die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Das wird deutlich, wenn man das Verhalten des Klägers seit 2004 und auch nach Juli 2010 in der gebotenen Gesamtschau in den Blick nimmt, wie es der Beklagte - vom Kläger unwidersprochen - geschildert hat. Der Aspekt des Vertrauensschutzes gebietet es nicht, bei der Würdigung des Verhaltens des Klägers dessen früheres Verhaltes insgesamt auszublenden. Ein schützenswertes Vertrauen besteht nur insoweit, als die zuvor entfalteten Aktivitäten für sich genommen keine Ausweisung mehr rechtfertigen können. Bei der notwendigen Bewertung neuer, nachfolgender Aktivitäten kann weiterhin auf das gesamte Verhalten des Ausländers zurückgegriffen werden (Discher, a.a.O., Rn. 391; BVerfG, Beschluss vom 19.08.1983 - 2 BvR 1284/83 -, NVwZ 1983, 667; OVG Bln.-Bbg., Beschluss vom 24.10.2013 - OVG 3 N 169.12 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris).
119 
Nach wie vor engagiert sich der Kläger unbeschadet des Ausweisungsverfahrens im Rahmen des Vereins als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter und Redner an Veranstaltungen, die angesichts deren Ablaufs, der dort gehaltenen Reden und der klaren Ausrichtung auf den Führerkult um Öcalan und gefallene Märtyrer auch für den Senat keinen Zweifel aufkommen lassen, dass der Kläger sich, wie auch die NAV-DEM, den Zielen der PKK verpflichtet fühlt, diese mit ihrem Tun unterstützen will und dabei deren Mittel umfassend zumindest billigt, insbesondere auch deren spezifisch als terroristisch zu qualifizierendes Handeln. Seine Teilnahme an Veranstaltungen, wie der am 5. Dezember 2010 an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim, bei der eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht waren und in der ein in Guerillauniform auftretender Redner die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation lobte, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe und in der ausgeführt wurde, dass man dies dem großen Führer „Apo“ (gemeint ist Öcalan) und den Parteimärtyrern zu verdanken habe und man die Kämpfer an der Front nicht vergessen dürfe, die man von hier aus grüße, verdeutlichen dies in aller Klarheit. Für seine Teilnahme an einer Gedenkfeier zum 33. Parteigründungs-Jahrestag in Heilbronn am 2. Dezember 2011, bei der zur Unterstützung der PKK aufgefordert und Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert wurden, gilt nichts anderes. Soweit man aus den weiteren dargestellten Aktivitäten des Klägers ableiten wollte, dass dieser sich nach Erlass der Ausweisungsverfügung gemäßigter verhält, ist dies nach Überzeugung des Senats mit Blick auf das laufende Verfahren taktisch motiviert und lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger, der weiterhin eine führende Rolle in der NAV-DEM spielt, von seinem bisherigen Verhalten glaubhaft Abstand nimmt (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz AufenthG). Sein beredtes Schweigen zu sämtlichen vom Beklagten zusammengetragenen Tatsachen macht dies deutlich.
120 
Das gegenteilige Bild, das der Kläger von seiner Motivation und Haltung zeichnet, ohne hierfür nachvollziehbare Fakten zu benennen, steht daher in offenem Widerspruch zu seinem tatsächlichen Verhalten. Im Übrigen erschöpft sich sein Vortrag hierzu in dem Versuch einer Umdeutung seines Verhaltens, die schon im Ansatz nicht überzeugt. Es ist das eine, um Verstorbene zu trauern oder ihrer zu gedenken, aber etwas gänzlich anderes, Veranstaltungen als Redner oder in Vereinsfunktion zu gestalten oder vorbehaltlos an solchen teilzunehmen, die etwa von in Guerillauniform auftretenden Rednern geprägt werden und in denen der Kampf der PKK in der Türkei glorifiziert wird. Erkennbar geht es auf den vom Kläger mitgestalteten und besuchten Veranstaltungen nicht einfach um die legitime Kundgabe von Meinungen, sondern immer auch um die gezielte moralische, finanzielle und personelle Unterstützung des für legitim gehaltenen und auch terroristische Mittel einsetzenden Kampfes der PKK. Dass damit die PKK auch in der Wahl ihrer Mittel vorbehaltlos unterstützt wird, kann dem Kläger nicht entgangen sein, nachdem dort Auftritte in Guerillauniform stattfinden, den „Märtyrern“ gedacht wird und den Kämpfern an der Front Grußbotschaften gesandt werden. Es greift daher auch viel zu kurz, wenn der Kläger meint, dass es hier um einen ungerechtfertigten Eingriff in sein Recht auf freie Meinungsäußerung gehe. Soweit er daher darauf abstellen will, dass der Sinn von Äußerungen einen deutlich erkennbaren Bezug zur Förderung der PKK aufweisen müsse, mag man dem zustimmen, ein solcher Bezug wird hier aber entgegen der Auffassung des Klägers auch in seinem Handeln deutlich.
121 
Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheits-resolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung einer Gefahr in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, da das konsequent fortgesetzte Handeln des Klägers die gesetzliche Festlegung bestätigt.
122 
2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
123 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Soweit die Vorgaben in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen sind, wovon nach dieser Gesetzesbegründung auszugehen ist (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus), kann daher aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
124 
Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger weder Arbeitnehmer im Sinne des Art. 6 ARB 1/80 noch Familienangehöriger eines solchen Arbeitnehmers nach Art. 7 ARB 1/80 ist, nachdem er in der Vergangenheit nur sporadisch und jeweils nur in kurzen Zeiträumen abhängig beschäftigt gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann. Das wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.
125 
Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
126 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154; a. A.: BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 -, juris), klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
127 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, ist vorliegend auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
128 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
129 
In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
130 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
131 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Einstufung der PKK als eine den Terrorismus jedenfalls unterstützende Vereinigung, deren Unterstützung durch die YEK-KOM bzw. NAV-DEM „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründet. Daran anschließend sind die vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen aufgrund dessen, dass diese von ihm in herausgehobener Funktion für YEK-KOM und NAV-DEM, auf zahlreichen Veranstaltungen seit über zwölf Jahren, unter Beteiligung von offen für die PKK werbenden und deren Kurs vorbehaltlos befürwortenden Akteuren (Auftreten in Guerillauniform, Märtyrergedenken, Grußbotschaften an die Kämpfer an der Front usw.) geleistet wurden und weiter geleistet werden, nicht anders zu bewerten, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat und weiterhin handelt. Diese Bewertung des eine Gefahr für die nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung begründenden Verhaltens des Klägers ist vor diesem Hintergrund auch nicht deshalb zu relativieren, weil die NAV-DEM nicht verboten ist und der Kläger sich im Rahmen von ebenfalls nicht verbotenen Veranstaltungen betätigt hat. Weder entfällt deswegen das Gewicht seiner Unterstützungshandlungen für die PKK noch ergibt sich daraus, dass sich der Kläger über sein Tun im Unklaren gewesen wäre. Dass es gerade aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr geboten sein kann, von einem Vereinsverbot abzusehen, wurde schon dargelegt. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
132 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
133 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
134 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
135 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
136 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nur für jeweils kurze und länger zurückliegende Zeiträume überhaupt einer solchen nachgegangen ist.
137 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk...). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m. w. N.).
138 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
139 
Nach all ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes.
140 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). Insoweit geht der Senat aufgrund der nicht weiter spezifizierten Angabe des Klägers, wonach sechs seiner sieben Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, davon aus, dass jedenfalls auch die noch in seinem Haushalt lebenden minderjährigen Kinder diese besitzen. § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
141 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen oder diesen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen (Bsp.: § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren; § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: 30-jähriger rechtmäßiger Aufenthalt). Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
142 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen.
143 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
144 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
145 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 17 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
146 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m. w. N.).
147 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m. w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a. a. O.).
148 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, juris, Rn. 24). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war nur sporadisch und für kürzere Zeiträume überhaupt erwerbstätig und ist seit längerem von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
149 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
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Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
151 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht in Bezug auf die Frage der Verhältnismäßigkeit aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492).
152 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
153 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
154 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren sicherlich gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
155 
Nicht verfahrensgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, nachdem der Kläger mit seinem Berufungsantrag, der gemäß § 124a Abs. 3 VwGO nicht nur begründende sondern auch begrenzende Wirkung hat, alleine die Aufhebung der Ausweisungsverfügung des Beklagten beantragt und er auch in seiner Berufungsbegründung auf die Befristungsfrage nicht abgestellt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2011 - 2 B 37.10 -, juris).
156 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
157 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
158 
Beschluss vom 13. Januar 2016
159 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
160 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
47 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Nicht streitgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, gegen die sich der Kläger mit seinem Berufungsantrag nicht wendet (II.).
I.
48 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
49 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Nicht mehr entscheidungserheblich ist danach, ob der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren seine Ermessenserwägungen in hinreichender Form nachgebessert hat (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 20.11 -, juris). Denn ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1; terminologisch unzutreffend daher: Marx, Aufenthalts- Asyl- und Flüchtlingsrecht, 5. Aufl. 2015, § 7, Rn. 163).
50 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung des weiteren rechtmäßigen Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Aus all dem folgt auch, dass die Ausweisung vorliegend nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln verstößt (5.).
51 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
52 
Der Kläger unterstützt seit längerem und auch aktuell die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
53 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert,
54 
„die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
55 
Im Weiteren wird auf den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP) Bezug genommen (ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris), der in seinem Artikel 1 Abs. 3 terroristische Handlungen wie folgt definiert:
56 
„Im Sinne dieses Gemeinsamen Standpunkts bezeichnet der Ausdruck "terroristische Handlung" eine der nachstehend aufgeführten vorsätzlichen Handlungen, die durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen kann und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert ist, wenn sie mit dem Ziel begangen wird,
57 
i) die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder
58 
ii) eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigterweise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder
59 
iii) die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören:
60 
a) Anschläge auf das Leben einer Person, die zum Tode führen können;
61 
b) Anschläge auf die körperliche Unversehrtheit einer Person;
62 
c) Entführung oder Geiselnahme;
63 
d) weit reichende Zerstörungen an einer Regierungseinrichtung oder einer öffentlichen Einrichtung, einem Verkehrssystem, einer Infrastruktur, einschließlich eines Informatiksystems, einer festen Plattform, die sich auf dem Festlandsockel befindet, einem allgemein zugänglichen Ort oder einem Privateigentum, die Menschenleben gefährden oder zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen können;
64 
e) Kapern von Luft- und Wasserfahrzeugen oder von anderen öffentlichen Verkehrsmitteln oder Güterverkehrsmitteln;
65 
f) Herstellung, Besitz, Erwerb, Beförderung oder Bereitstellung oder Verwendung von Schusswaffen, Sprengstoffen, Kernwaffen, biologischen und chemischen Waffen sowie die Forschung und Entwicklung in Bezug auf biologische und chemische Waffen;
66 
g) Freisetzung gefährlicher Stoffe oder Herbeiführen eines Brandes, einer Explosion oder einer Überschwemmung, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
67 
h) Manipulation oder Störung der Versorgung mit Wasser, Strom oder anderen lebenswichtigen natürlichen Ressourcen, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
68 
i) Drohung mit der Begehung einer der unter den Buchstaben a) bis h) genannten Straftaten;
69 
j) Anführen einer terroristischen Vereinigung;
70 
k) Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung einschließlich durch Bereitstellung von Informationen oder materiellen Mitteln oder durch jegliche Art der Finanzierung ihrer Aktivitäten in dem Wissen, dass diese Beteiligung zu den kriminellen Aktivitäten der Gruppe beiträgt.
71 
Im Sinne dieses Absatzes bezeichnet der Ausdruck "terroristische Vereinigung" einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die in Verabredung handeln, um terroristische Handlungen zu begehen. Der Ausdruck "organisierter Zusammenschluss" bezeichnet einen Zusammenschluss, der nicht zufällig zur unmittelbaren Begehung einer terroristischen Handlung gebildet wird und der nicht notwendigerweise förmlich festgelegte Rollen für seine Mitglieder, eine kontinuierliche Mitgliedschaft oder eine ausgeprägte Struktur hat.“
72 
Bei der hiernach erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
73 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
74 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2012, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
75 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde, die der Kläger auch nicht in Frage stellt (Ziffer 2.1.1. der Ausweisungsverfügung, Blatt 25 bis 27 der Akte des Verwaltungsgerichts; Ziffer 1. a) des Urteils des Verwaltungsgerichts, Seite 8, unten, letzter Absatz bis Seite 10, Blatt 8 bis 10 der Gerichtsakte).
76 
Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats und in dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkersparty). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: „Die PKK sieht sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen“, so B.. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Die PKK treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Er, B., sei überrascht, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. Und weiter: In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. „Der Preis für Kritik an der PKK kann der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern, Büros. Ich habe viele Drohungen bekommen.“, so B..
77 
Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
78 
Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
79 
Soweit der Kläger daher auf veränderte politische Umstände und dabei insbesondere darauf abstellen will, dass die PKK sich nunmehr dem Kampf gegen den IS, dem Schutz der Zivilbevölkerung im Norden Syriens verpflichtet fühle, den bewaffneten Kampf gegen die Türkei aufgegeben habe und entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat zu bewerten seien, ist dies auch durch das aktuelle Vorgehen der PKK eindrucksvoll widerlegt. Selbst wenn man mit dem Kläger einmal unterstellt, die PKK sei mit der YPG gleichzusetzen und in Syrien dem Schutz der Kurden und Jesiden verpflichtet, ändert dies nichts an den in der Türkei verübten terroristischen Taten.
80 
b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger unbestritten entfalteten Aktivitäten ab Dezember 2010 als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch vorgehalten werden dürfen.
81 
Im konkreten Fall können allerdings nur noch diejenigen Aktivitäten des Klägers ein solches begründen, die dieser nach erfolgter Mitteilung im Juli 2010 an ihn, dass wegen seiner Aktivitäten die Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. seine Ausweisung geprüft werde, entfaltet hat. Davor liegende sind aus Gründen des Vertrauensschutzes verbraucht. Denn ein Ausweisungsinteresse ist, wie auch bislang schon ein Ausweisungsgrund, verbraucht, wenn ein Aufenthaltstitel in Kenntnis bzw. in der Sphäre des Staates zuzurechnender Unkenntnis desselben erteilt bzw. verlängert wurde (Discher, in: GK-AufenthG, Juni 2009, Vor §§ 53. ff. AufenthG, Rn. 382 ff., m. w. N.). So liegt der Fall hier. Darauf, ob solche Aktivitäten der den Titel erteilenden Ausländerbehörde tatsächlich selbst bekannt waren, kommt es mit Blick auf den damit bezweckten Vertrauensschutz, der sich aus der Perspektive des betroffenen Ausländers bestimmt, nicht entscheidend an. Vielmehr genügt es, wenn solche Aktivitäten der Ausländerbehörde hätten bekannt sein können, was hier der Fall ist, nachdem diese selbst eine Sicherheitsüberprüfung mit Blick auf vorliegende Erkenntnisse eingeleitet und sodann die Niederlassungserlaubnis erteilt hat, ohne das Ergebnis der Überprüfung abzuwarten. Dass dies unter der - irrigen - Annahme erfolgte, eine Überprüfung sei vorliegend rechtlich nicht erforderlich, ändert hieran nichts.
82 
Diese Aktivitäten des Klägers sind auch überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
83 
Soweit der Kläger die dargestellten rechtlichen Maßstäbe in grundsätzlicher Art angreift, überzeugt dies den Senat nicht.
84 
Der Senat folgt nicht seiner Auffassung, Verfassungs- bzw. Unionsrecht verlangten, dass das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete mit der jeweiligen Einzelhandlung verbundene Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorrufe. Ein verfassungs- oder unionsrechtlicher Rechtssatz, der dazu zwingen würde, nur konkrete terroristische Gefahren mit der Ausweisung zu bekämpfen, ist nicht ersichtlich. Die dahingehende Argumentation des Klägers bleibt daher auch gänzlich unspezifisch. Es ist nichts Grundsätzliches dagegen einzuwenden, wenn der Gesetzgeber mit Blick auf die spezifischen Gefahren terroristischer Aktivitäten unter Berücksichtigung der Bedeutung der davon betroffenen hochrangigen Rechtsgüter (Leib, Leben, Freiheit der Bevölkerung, hohe Sachwerte sowie die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik) und des zumeist konspirativen (Beweisnot), ideologisch motivierten Vorgehens solcher Vereinigungen (Gruppendynamik), aus denen sich gravierende Nachweisschwierigkeiten und deren erschwerte Bekämpfbarkeit ergeben, mit einer Absenkung des Gefahrenmaßstabs reagiert. Dies entspricht anerkannten Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts.
85 
Soweit der Kläger meint, es sei stets ein Vollbeweis zu führen, gilt nichts anderes. Der gesetzlich normierte abgesenkte Beweismaßstab der Regelung ist dem Grunde nach, insbesondere mit Blick auf die bereichstypische Beweisnot und die Hochwertigkeit der zu schützenden Rechtsgüter, rechtlich unbedenklich, weil sachangemessen. Die Grenzen sind gegebenenfalls von der Rechtsprechung anhand konkreter Fälle zu präzisieren, was auch geschieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701; vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, NVwZ 2005, 1091; VGH Bad.-Württ, Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 09.11.2005 - 24 CS 05.2621 -, NVwZ 2006, 1306; siehe auch: Berlit, NVwZ 2013, 327, m. w. N; Kirsch, NVwZ 2012, 677; Eckertz-Höfer, in: Barwig u. a., Perspektivwechsel im Ausländerrecht?, 2007, 105 <114>; Marx, ZAR 2004, 275). Auch ist sich der Senat durchaus der Problematik von Beweisketten bewusst, bei denen “sich die Beweiskraft […] umso mehr verringert, je länger die Kette ist, und umso schneller vermindert, je geringer die jeweilige Beweiskraft der je einzelnen Indizien ist“ (so schon: Bender/Röder/Nack, Tatsachenfeststellungen vor Gericht, Band I, 1. Aufl., 1981, S. 181 f.). Daraus erwächst in vorliegendem Fall allerdings schon deshalb kein entscheidungserhebliches Problem, weil weder die dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten in tatsächlicher Hinsicht im Streit stehen, noch die der Vereinigungen, in denen er tätig war und ist und letztlich auch nicht die der PKK, sondern jeweils nur deren Bewertung.
86 
Zudem ist inzwischen geklärt, dass eine gleichlaufende Auslegung von straf- und ausweisungsrechtlichem Unterstützungsbegriff nicht geboten ist (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701). Die nicht deckungsgleichen Ziele des Strafrechts einerseits und des Rechts der Gefahrenabwehr andererseits schließen die Möglichkeit einer effektiven Abwehr terroristischer Gefahren einzig über das Strafecht oder auf der Grundlage der dieses Rechtsgebiet prägenden Begrenzungen aus. Strafe im verfassungsrechtlichen Sinne, verstanden als auch „sozialethisches Unwerturteil“ (so: BVerfG, Beschluss vom 09.07.1997 - 2 BvR 1371/96 -, BVerfGE 96, 245) dient als reaktive Maßnahme vornehmlich dem Schuldausgleich, die Prävention ist nur ein Teilaspekt der Strafzumessung und diese ist wiederum begrenzt durch die individuelle Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB). Damit ist sie im Kern auf die Aufarbeitung schon geschehener oder versuchter Taten (§ 22 StGB) begrenzt. Ihre daher nur punktuell zulässige Erstreckung auf Vorfeldaktivitäten steht, wie die §§ 89a, 129a, 129b StGB und die dazu ergangene Rechtsprechung deutlich machen, in einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis, das es ausschließt, eine hinreichend effektive, insbesondere aktive und rechtzeitige Abwehr künftiger Gefahren nach Opportunitätsgesichtspunkten über Strafvorschriften oder unter Bindung an deren Begrenzungen zu gewährleisten.
87 
Wenn der Kläger sich schließlich darauf beruft, stets nur an erlaubten (präziser: nicht verbotenen) Veranstaltungen teilgenommen zu haben bzw. teilzunehmen und stets nur für nicht verbotene Vereine tätig zu sein, greift dies aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht durch: Aus rechtlichen nicht, da § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Gegensatz zu Nr. 3 der Vorschrift gerade nicht auf ein Verbot abstellt und ein solches deren Mitglieder vermehrt zu konspirativem Verhalten veranlassen kann, ohne dass damit für die Gefahrenabwehr viel gewonnen wäre. Es kann daher aus Gründen der Gefahrenabwehr opportun sein, von einem solchen abzusehen. Aus tatsächlichen nicht, da es fern liegt, annehmen zu wollen, dem Kläger sei das auch terroristische Verhalten der PKK in der Türkei entgangen und er sei sich im Unklaren über die Bedeutung seines eigenen Tuns, zumal er sich augenscheinlich fast ausschließlich mit der Kurdenthematik zu beschäftigen scheint und er die vom Gericht mitgeteilten Erkenntnisse zur PKK sowie der YEK-KOM bzw. NAV-DEM noch nicht einmal ansatzweise in Abrede gestellt hat (dazu sogleich unten).
88 
Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen, weitere herausgehobene Tätigkeiten als Redner und Organisator von PKK-nahen Veranstaltungen und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten Aktionen und Veranstaltungen solcher Vereinigungen.
89 
Im Einzelnen sind dem Kläger zunächst die sich aus der Ausweisungsverfügung ergebenden Aktivitäten bis zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis an ihn vorgehalten worden, auf die hier verwiesen wird (Ziffer 1.2. der Ausweisungsverfügung, Seite 3 bis 9; Blatt 16, unten, bis einschl. Blatt 23, erster Absatz oben, der Akte des Verwaltungsgerichts) und die von diesem ebenso wenig in Abrede gestellt werden, wie die weiteren, die der Kläger nach Mitteilung des Beklagten an ihn im Juli 2010, dass eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung mit Blick auf seine Aktivitäten zu Gunsten der PKK geprüft werde, entfaltet hat:
90 
- Am 5. Dezember 2010 nahm er an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim in der Siedlerhalle teil. Dort waren eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht. Ein in Guerillauniform auftretender Redner lobte die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe. Dies habe man dem großen Führer Apo und den Parteimärtyrern zu verdanken. Man dürfe auch die Kämpfer an der Front nicht vergessen, die man von hier aus grüße. Ein weiterer Redner referierte über die Geschichte der PKK.
91 
- Am 20. Februar 2011 nahm der Kläger an einer Mitgliederversammlung der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. (KG HN) teil. Nach einer Schweigeminute für die Märtyrer Kurdistans und der ganzen Welt referierte er über die unzureichende Vorstandstätigkeit des Vereins und forderte dazu auf, verstärkt Mitglieder zu werben. Er wisse, dass im Raum Heilbronn 500 bis 600 kurdische Familien lebten, die meisten von ihnen hätten aber nur deswegen keinen Kontakt zum Verein, weil sie Angst vor den deutschen Behörden hätten. Es bestünde kein Grund zur Furcht, da alles angemeldet und der Verein absolut legal sei. Der Kläger bat die Anwesenden, auf die Kurden zuzugehen, mit ihnen zu reden und ihnen die Angst zu nehmen.
92 
Nach Durchführung der Sicherheitsbefragung am 23. Februar 2011:
93 
- Am 5. August 2011 war der Kläger in der Yeni Özgür Politika (YÖP) abgebildet, dies anlässlich einer Kampagne zur Anerkennung der kurdischen Identität, organisiert von der YEK-KOM. Laut der Berichterstattung hat er im Heilbronner Verein über die Ziele der Kampagne informiert.
94 
- Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums Mannheim vom 30. Januar 2012 war der Kläger am 4. November 2011 Teilnehmer und Redner bei einem Aufzug mit Kundgebung in Mannheim zum Thema „türkische Regierung verwendet Napalmgas und chemische Waffen gegen die türkische Bevölkerung/Schluss mit der Isolationshaft von Öcalan/Schluss mit den Verhaftungswellen in der Türkei gegen die kurdischen Politiker“. Der Redebeitrag des Klägers habe den Eindruck hoher Emotionalität vermittelt.
95 
- Am 2. Dezember 2011 nahm er an einer Gedenkfeier zum 33. Partei-gründungs-Jahrestag, dem 27. November 1978, in Heilbronn teil. Auch dort hingen Bilder von Öcalan und Parteifahnen, auch der ERNK, der früheren Propagandaorganisation der PKK. Nach einer Gedenkminute für die kurdischen Märtyrer und der Begrüßung schilderte ein Redner die Parteigründung durch Öcalan und dessen Genossen. Die Erfolgsgeschichte der Partei dauere bis heute an, leider aber auch ihre Schwierigkeiten, bedauerlicherweise auch in Europa. Es sei erforderlich, die Partei zu unterstützen. Es wurden mehrfach Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert. Auch dort waren fast ausschließlich PKK-Unterstützer zugegen.
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- Am 13. Dezember 2011 wurde der Kläger erneut in der YÖP anlässlich eines Vereinskongresses in Stuttgart erwähnt. Er forderte dort die hier lebenden Kurden auf, stärker für ihre Identität einzutreten.
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Nach Verfügung der Ausweisung am 10. Januar 2012:
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- In der YÖP vom 14. Februar 2012 wurde er als Teilnehmer des 3. Kongresses der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. abgebildet. Er führte dort in seiner Rede aus, dass die Kurden in der Türkei und in Europa unter Beschuss stünden, da ihnen die Existenz ihrer eigenen Kultur abgesprochen werde.
99 
- Aus dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden Württemberg vom 19. Dezember 2012 ergibt sich, dass der Kläger zwar das Amt des 2. Vorsitzenden der YEK-KOM seit Ende 2011 nicht mehr ausübt, er jedoch bereits im Mai 2012 erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt wurde.
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- In dieser Funktion ist er ausweislich des weiteren Berichts des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2013 beispielsweise als Versammlungsleiter des 20. kurdischen Kulturfestivals am 8. September 2012 in Mannheim in Erscheinung getreten. Bei dieser Veranstaltung kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Polizeibeamte.
101 
- Er ergriff am 16. Januar 2013 in Mannheim im Rahmen einer Solidaritätsdemonstration für die drei in Paris ermordeten PKK-Aktivistinnen das Wort und verurteilte das Attentat scharf. Er vertrat die Meinung, dass die Morde nicht nur in den Personen der Aktivistinnen angesiedelt seien, sondern auch auf politische Überlegungen zurückzuführen seien, die einen Fortbestand der kriegerischen Auseinandersetzungen der Heimat zum Ziel hätten. Die Geheimdienste stünden hinter diesem Anschlag. Der französische Staat könne diesen problemlos aufklären, wenn er dies nur wolle. Folglich müssten die Kurden einen legitimen demokratischen Druck auf den französischen Staat ausüben. Der Kläger rief zu Sitzstreiks in allen Städten mit französischen Botschaften und ähnlichen Einrichtungen auf, bis eine Aufklärung des Attentats erfolgt sei.
102 
- Am 21. Mai 2013 war der Kläger im Namen der YEK-KOM bei den Vorstandswahlen der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. anwesend.
103 
- Am 8. September 2013 fungierte der Kläger als Versammlungsleiter bei einer Mitgliederversammlung mit Vorstandswahl des PKK-nahen mesopotamischen Anadolu Kulturvereins e.V. (MAK). Zur PKK-Nähe des MAK Lahr sei auf den Bericht des Landesamtes vom 9. März 2010 an das Innenministerium zu verweisen.
104 
- Am 29. April 2014 war der Kläger in der YÖP als Teilnehmer des Gründungskongresses des kurdischen-demokratischen Gesellschaftszentrums am 27. April 2014 in den Räumlichkeiten des PKK-nahen kurdischen Kulturvereins e.V. in ... abgebildet.
105 
- Am 10. Oktober 2015 hielt der Kläger anlässlich einer Protestaktion in Frankfurt im Namen der NAV-DEM eine Rede.
106 
Nach „Auflösung“ der YEK-KOM am 22. Juni 2014 ließ sich der Kläger am selben Tag in gleicher Sitzung, zusammen mit einem weiteren Vorstandsmitglied der YEK-KOM, in den fünfköpfigen Vorstand der NAV-DEM wählen. Diese Vorstandstätigkeit übt er bis heute aus, und er ist in dieser Funktion seitdem auch als Redner und Versammlungsleiter auf zahlreichen Veranstaltungen aufgetreten, die erkennbar der Propaganda für die PKK dienten. Der Kläger engagiert sich damit seit langem ohne Zäsur in herausgehobener Position unterstützend für die PKK.
107 
Daran, dass die YEK-KOM die PKK unterstützt hat, bestehen weiterhin keine vernünftigen Zweifel. Hierzu hat der Senat schon in seinem Urteil vom 7. Dezember 2011 - 11 S 897/11 -, juris Rn. 47, das vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418, bestätigt wurde, ausgeführt:
108 
„Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder - nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM - für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
109 
Für die NAV-DEM gilt insoweit nicht anderes. Soweit der Kläger unter Verweis auf schriftliche Erklärungen der NAV-DEM meint, dass diese eine andere Ausrichtung als die YEK-KOM habe, nämlich den Kampf gegen den IS, die Förderung der Integration der in Deutschland lebenden Kurden und die Gleichstellung und die Gleichberechtigung der Frauen, überzeugt dies den Senat nicht. Das Verwaltungsgericht hat schon zu Recht auf die fehlende tatsächliche Veränderung der Aktivitäten des Vereins abgestellt, der zudem nicht neu gegründet, sondern nur umbenannt wurde. Es verweist zutreffend auf die Pressemitteilung des Vereins vom 18. Juli 2014, aus der sich ergibt, dass die NAV-DEM selbst nach eigenem Verständnis die Arbeit der YEK-KOM fortführt. Die vom Senat eingesehene Internetpräsenz (navdem.com) bestätigt dies, die Überschrift der Pressemitteilung vom 18. Juli 2014 lautet:
110 
„YEK-COM heißt jetzt NAV-DEM“
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Die weiteren dort aufgeführten Pressemitteilungen verdeutlichen im Übrigen die Fortführung der Veranstaltungen und Kundgebungen mit gleichem Ablauf und gleichen Themen wie zuvor schon unter dem Namen YEK-KOM:
112 
- Eintrag vom 7. September 2014, Interview mit Yüksel Koc „Das Verbot kriminalisiert die Kurden“, anlässlich einer Festnahme eines Mannes durch die Generalbundesanwaltschaft, der Geld für die PKK gesammelt haben soll, was, nach Koc, eine Kriminalisierung politischer Arbeit bedeute, da dieser selbst keine Gewalt ausgeübt habe.
113 
- Eintrag zur Kundgebung am 13. September 2014 in Düsseldorf unter dem Motto „Freiheit für Öcalan - Status für die Kurden“.
114 
- Eintrag vom 6. März 2015: Aufruf zur Newroz-Demonstration am 21. März 2015 in Bonn.
115 
Der Beklagte hat zudem unwidersprochen und zutreffend darauf hingewiesen, dass NAV-DEM und YEK-KOM identische Logos auf ihren Internetpräsenzen verwenden und der Vorsitzende der NAV-DEM im März 2014 erklärt habe, man könne die deutsche Demokratie nicht akzeptieren. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz geht in seiner Broschüre zur „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ vom Juli 2015, dort S. 18, davon aus, dass die NAV-DEM in Nachfolge der YEK-KOM wie diese auch als Dachverband von örtlichen Vereinen diene, in denen die PKK Informationen steuere und Vorgaben umsetze und dass sich die NAV-DEM durch eine aktive Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit sowie den Aufbau von Kontakten zu politischen Entscheidungsträgern bemühe, weitere Unterstützung für deren Anliegen zu erhalten. Diese Einschätzung teilt der Senat aufgrund der dargestellten tatsächlichen Umstände und sieht sich dabei auch die Aktivitäten des Klägers selbst bestätigt.
116 
Soweit der Kläger meint, dass es dem Verwaltungsgericht an ausreichender Sachkunde gefehlt habe, um eine Änderung des Aufgabenspektrums zu verneinen, erschöpft sich dies in einer schlichten Behauptung, die auf nichts gestützt wird. Sämtliche vom Verwaltungsgericht und dem Beklagten ausführlich dargelegten tatsächlichen Aktivitäten der YEK-KOM und nachfolgend der NAV-DEM sowie der Redner und Teilnehmer an deren Veranstaltungen lässt der Kläger gänzlich unkommentiert, obwohl es ihm als 2. Vorstandsmitglied der NAV-DEM ein Leichtes sein müsste, Tatsächliches zum Verein vorzubringen, das die Wertungen des Verwaltungsgerichts und des Beklagten diesbezüglich erschüttern würde. Es spricht hier daher auch nach Überzeugung des Senats nichts dafür, dass sich an der Ausrichtung oder dem Aktivitätenspektrum etwas geändert haben könnte, zumal es seitens des Vereins zu keinem Zeitpunkt zu eine Distanzierung von der PKK oder auch nur der YEK-KOM gekommen ist.
117 
Dem Beweisantrag des Klägers war vor diesem Hintergrund nicht nachzugehen, zumal etwaige weitere Vereinsziele, die unter Beweis gestellt worden sind, die dargelegten Aktivitäten und Zielrichtungen nicht neutralisieren. Überdies konnte der Kläger nicht dartun, weshalb der von ihm benannte Sachverständige hinreichende Sachkunde haben könnte. Dies hätte ihm oblegen, weil der auf die Bestrebungen und Ziele der NAV-DEM gerichtete Beweisantrag die Benennung eines Sachverständigen erforderte, der über eine spezielle Sachkunde, nämlich über interne Kenntnisse über die NAV-DEM, verfügt, die nicht von jedem Sachverständigen gleichermaßen reproduzierbar ist (vgl. Krehl, in: Karlsruher Kommentar StPO, 7. Aufl., 2013, § 244 StPO, Rn. 80).
118 
Bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied sind dem Kläger sämtliche Aktionen der YEK-KOM und der NAV-DEM zuzurechnen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris, Rn. 50, m. w. N.). Soweit der Kläger dies bezweifelt, ist dies nicht nachvollziehbar, da er selbst darauf hinweist, dass die von ihm insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darauf abstellt, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit unter Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände vermutet werden könne. Unbeschadet dessen bestehen für den Senat aber auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass die vom Kläger entfalteten Aktivitäten von diesem in dem Bewusstsein und mit dem Willen erfolgt sind und erfolgen, die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Das wird deutlich, wenn man das Verhalten des Klägers seit 2004 und auch nach Juli 2010 in der gebotenen Gesamtschau in den Blick nimmt, wie es der Beklagte - vom Kläger unwidersprochen - geschildert hat. Der Aspekt des Vertrauensschutzes gebietet es nicht, bei der Würdigung des Verhaltens des Klägers dessen früheres Verhaltes insgesamt auszublenden. Ein schützenswertes Vertrauen besteht nur insoweit, als die zuvor entfalteten Aktivitäten für sich genommen keine Ausweisung mehr rechtfertigen können. Bei der notwendigen Bewertung neuer, nachfolgender Aktivitäten kann weiterhin auf das gesamte Verhalten des Ausländers zurückgegriffen werden (Discher, a.a.O., Rn. 391; BVerfG, Beschluss vom 19.08.1983 - 2 BvR 1284/83 -, NVwZ 1983, 667; OVG Bln.-Bbg., Beschluss vom 24.10.2013 - OVG 3 N 169.12 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris).
119 
Nach wie vor engagiert sich der Kläger unbeschadet des Ausweisungsverfahrens im Rahmen des Vereins als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter und Redner an Veranstaltungen, die angesichts deren Ablaufs, der dort gehaltenen Reden und der klaren Ausrichtung auf den Führerkult um Öcalan und gefallene Märtyrer auch für den Senat keinen Zweifel aufkommen lassen, dass der Kläger sich, wie auch die NAV-DEM, den Zielen der PKK verpflichtet fühlt, diese mit ihrem Tun unterstützen will und dabei deren Mittel umfassend zumindest billigt, insbesondere auch deren spezifisch als terroristisch zu qualifizierendes Handeln. Seine Teilnahme an Veranstaltungen, wie der am 5. Dezember 2010 an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim, bei der eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht waren und in der ein in Guerillauniform auftretender Redner die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation lobte, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe und in der ausgeführt wurde, dass man dies dem großen Führer „Apo“ (gemeint ist Öcalan) und den Parteimärtyrern zu verdanken habe und man die Kämpfer an der Front nicht vergessen dürfe, die man von hier aus grüße, verdeutlichen dies in aller Klarheit. Für seine Teilnahme an einer Gedenkfeier zum 33. Parteigründungs-Jahrestag in Heilbronn am 2. Dezember 2011, bei der zur Unterstützung der PKK aufgefordert und Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert wurden, gilt nichts anderes. Soweit man aus den weiteren dargestellten Aktivitäten des Klägers ableiten wollte, dass dieser sich nach Erlass der Ausweisungsverfügung gemäßigter verhält, ist dies nach Überzeugung des Senats mit Blick auf das laufende Verfahren taktisch motiviert und lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger, der weiterhin eine führende Rolle in der NAV-DEM spielt, von seinem bisherigen Verhalten glaubhaft Abstand nimmt (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz AufenthG). Sein beredtes Schweigen zu sämtlichen vom Beklagten zusammengetragenen Tatsachen macht dies deutlich.
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Das gegenteilige Bild, das der Kläger von seiner Motivation und Haltung zeichnet, ohne hierfür nachvollziehbare Fakten zu benennen, steht daher in offenem Widerspruch zu seinem tatsächlichen Verhalten. Im Übrigen erschöpft sich sein Vortrag hierzu in dem Versuch einer Umdeutung seines Verhaltens, die schon im Ansatz nicht überzeugt. Es ist das eine, um Verstorbene zu trauern oder ihrer zu gedenken, aber etwas gänzlich anderes, Veranstaltungen als Redner oder in Vereinsfunktion zu gestalten oder vorbehaltlos an solchen teilzunehmen, die etwa von in Guerillauniform auftretenden Rednern geprägt werden und in denen der Kampf der PKK in der Türkei glorifiziert wird. Erkennbar geht es auf den vom Kläger mitgestalteten und besuchten Veranstaltungen nicht einfach um die legitime Kundgabe von Meinungen, sondern immer auch um die gezielte moralische, finanzielle und personelle Unterstützung des für legitim gehaltenen und auch terroristische Mittel einsetzenden Kampfes der PKK. Dass damit die PKK auch in der Wahl ihrer Mittel vorbehaltlos unterstützt wird, kann dem Kläger nicht entgangen sein, nachdem dort Auftritte in Guerillauniform stattfinden, den „Märtyrern“ gedacht wird und den Kämpfern an der Front Grußbotschaften gesandt werden. Es greift daher auch viel zu kurz, wenn der Kläger meint, dass es hier um einen ungerechtfertigten Eingriff in sein Recht auf freie Meinungsäußerung gehe. Soweit er daher darauf abstellen will, dass der Sinn von Äußerungen einen deutlich erkennbaren Bezug zur Förderung der PKK aufweisen müsse, mag man dem zustimmen, ein solcher Bezug wird hier aber entgegen der Auffassung des Klägers auch in seinem Handeln deutlich.
121 
Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheits-resolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung einer Gefahr in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, da das konsequent fortgesetzte Handeln des Klägers die gesetzliche Festlegung bestätigt.
122 
2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
123 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Soweit die Vorgaben in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen sind, wovon nach dieser Gesetzesbegründung auszugehen ist (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus), kann daher aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
124 
Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger weder Arbeitnehmer im Sinne des Art. 6 ARB 1/80 noch Familienangehöriger eines solchen Arbeitnehmers nach Art. 7 ARB 1/80 ist, nachdem er in der Vergangenheit nur sporadisch und jeweils nur in kurzen Zeiträumen abhängig beschäftigt gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann. Das wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.
125 
Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
126 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154; a. A.: BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 -, juris), klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
127 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, ist vorliegend auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
128 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
129 
In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
130 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
131 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Einstufung der PKK als eine den Terrorismus jedenfalls unterstützende Vereinigung, deren Unterstützung durch die YEK-KOM bzw. NAV-DEM „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründet. Daran anschließend sind die vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen aufgrund dessen, dass diese von ihm in herausgehobener Funktion für YEK-KOM und NAV-DEM, auf zahlreichen Veranstaltungen seit über zwölf Jahren, unter Beteiligung von offen für die PKK werbenden und deren Kurs vorbehaltlos befürwortenden Akteuren (Auftreten in Guerillauniform, Märtyrergedenken, Grußbotschaften an die Kämpfer an der Front usw.) geleistet wurden und weiter geleistet werden, nicht anders zu bewerten, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat und weiterhin handelt. Diese Bewertung des eine Gefahr für die nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung begründenden Verhaltens des Klägers ist vor diesem Hintergrund auch nicht deshalb zu relativieren, weil die NAV-DEM nicht verboten ist und der Kläger sich im Rahmen von ebenfalls nicht verbotenen Veranstaltungen betätigt hat. Weder entfällt deswegen das Gewicht seiner Unterstützungshandlungen für die PKK noch ergibt sich daraus, dass sich der Kläger über sein Tun im Unklaren gewesen wäre. Dass es gerade aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr geboten sein kann, von einem Vereinsverbot abzusehen, wurde schon dargelegt. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
132 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
133 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
134 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
135 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
136 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nur für jeweils kurze und länger zurückliegende Zeiträume überhaupt einer solchen nachgegangen ist.
137 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk...). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m. w. N.).
138 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
139 
Nach all ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes.
140 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). Insoweit geht der Senat aufgrund der nicht weiter spezifizierten Angabe des Klägers, wonach sechs seiner sieben Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, davon aus, dass jedenfalls auch die noch in seinem Haushalt lebenden minderjährigen Kinder diese besitzen. § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
141 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen oder diesen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen (Bsp.: § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren; § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: 30-jähriger rechtmäßiger Aufenthalt). Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
142 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen.
143 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
144 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
145 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 17 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
146 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m. w. N.).
147 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m. w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a. a. O.).
148 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, juris, Rn. 24). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war nur sporadisch und für kürzere Zeiträume überhaupt erwerbstätig und ist seit längerem von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
149 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
150 
Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
151 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht in Bezug auf die Frage der Verhältnismäßigkeit aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492).
152 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
153 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
154 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren sicherlich gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
155 
Nicht verfahrensgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, nachdem der Kläger mit seinem Berufungsantrag, der gemäß § 124a Abs. 3 VwGO nicht nur begründende sondern auch begrenzende Wirkung hat, alleine die Aufhebung der Ausweisungsverfügung des Beklagten beantragt und er auch in seiner Berufungsbegründung auf die Befristungsfrage nicht abgestellt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2011 - 2 B 37.10 -, juris).
156 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
157 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
158 
Beschluss vom 13. Januar 2016
159 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
160 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Der Vollstreckungsleiter kann die Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe zur Bewährung aussetzen, wenn der Verurteilte einen Teil der Strafe verbüßt hat und dies im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, verantwortet werden kann.

(2) Vor Verbüßung von sechs Monaten darf die Aussetzung der Vollstreckung des Restes nur aus besonders wichtigen Gründen angeordnet werden. Sie ist bei einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr nur zulässig, wenn der Verurteilte mindestens ein Drittel der Strafe verbüßt hat.

(3) Der Vollstreckungsleiter soll in den Fällen der Absätze 1 und 2 seine Entscheidung so frühzeitig treffen, daß die erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung des Verurteilten auf sein Leben nach der Entlassung durchgeführt werden können. Er kann seine Entscheidung bis zur Entlassung des Verurteilten wieder aufheben, wenn die Aussetzung aufgrund neu eingetretener oder bekanntgewordener Tatsachen im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, nicht mehr verantwortet werden kann.

(4) Der Vollstreckungsleiter entscheidet nach Anhören des Staatsanwalts und des Vollzugsleiters. Dem Verurteilten ist Gelegenheit zur mündlichen Äußerung zu geben.

(5) Der Vollstreckungsleiter kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

(6) Ordnet der Vollstreckungsleiter die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe an, so gelten § 22 Abs. 1, 2 Satz 1 und 2 sowie die §§ 23 bis 26a sinngemäß. An die Stelle des erkennenden Richters tritt der Vollstreckungsleiter. Auf das Verfahren und die Anfechtung von Entscheidungen sind die §§ 58, 59 Abs. 2 bis 4 und § 60 entsprechend anzuwenden. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - M. vom 16. Mai 2006 aufgehoben.

2. Die Vollstreckung der restlichen Jugendstrafe aus dem Urteil des Landgerichts - Jugendkammer - Z. vom 24. Mai 2000 wird nach Verbüßung von mehr als zwei Dritteln der Strafe zur Bewährung ausgesetzt.

Der Verurteilte ist am 01. August 2006 zu entlassen.

3. Die Bewährungszeit wird auf drei Jahre festgesetzt.

4. Der Verurteilte wird für die Dauer der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt.

5. Dem Verurteilten werden folgende Weisungen erteilt:

a) Er hat seine Wohnung in Y. beizubehalten.

b) Er hat sich unverzüglich um den Abschluss des Arbeitsvertrages mit der Firma C. zu bemühen, die Arbeitsstelle anzutreten und den Vertragsabschluss sowie den Antritt der Arbeitsstelle dem Landgericht Strafvollstreckungskammer -M. sowie dem Bewährungshelfer mitzuteilen.

c) Er hat sich im Falle der Arbeitslosigkeit unverzüglich - unter Benachrichtigung des Bewährungshelfers - bei der Bundesagentur für Arbeit als Arbeit suchend zu melden, sich ernsthaft um ein festes Arbeitsverhältnis zu bemühen und dieses ggf. beizubehalten.

d) Er hat jeden Wechsel des Wohnsitzes und jeden Wechsel der Arbeitsstelle unverzüglich dem Landgericht -Strafvollstreckungskammer -M. sowie dem Bewährungshelfer anzuzeigen.

6. Die Belehrung über die Dauer und das Wesen der Strafaussetzung zur Bewährung wird der Justizvollzugsanstalt X. übertragen.

7. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

 
I.
Der zur Tatzeit (08.07.1999) 18 Jahre und zehn Monate alte und nun vor Vollendung des 26. Lebensjahres stehende S. wurde vom Landgericht Jugendgericht -Z. am 24.05.2000 wegen versuchter sexueller Nötigung und wegen Mordes zu der Jugendstrafe von neun Jahren verurteilt; das Urteil ist seit dem 01.06.2000 rechtskräftig. In dieser Sache befindet er sich seit dem 15.07.1999 ununterbrochen in Haft, zunächst in Untersuchungshaft und seit Rechtskraft des Urteils in Strafhaft. Auf Grund Beschlusses des Amtsgerichts -Vollstreckungsleiter -X. vom 10.09.2004 wird die Jugendstrafe seitdem nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene vollzogen (§ 92 Abs. 2 Satz 3 JGG); die Vollstreckung wurde am 23.09.2004 gem. § 85 Abs. 6 JGG an die Staatsanwaltschaft Z. abgegeben, mit der Folge, dass die Strafvollstreckungskammer nach § 462 a Abs. 1 StPO für die Entscheidung über die Aussetzung der Restjugendstrafe sachlich zuständig wurde. Zwei Drittel der Strafe waren am 12.07.2005 verbüßt; Strafende ist für den 12.07.2008 notiert.
Durch Beschluss vom 13.07.2005 hatte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts M. eine vorzeitige bedingte Entlassung des Verurteilten wegen eines in seiner Person verbleibenden Risikos abgelehnt. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten verwarf der Senat mit Beschluss vom 04.10.2005 als unbegründet. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten, auch zum Vollzugsverlauf verweist der Senat auf die Darstellung in den Gründen jener Entscheidungen.
Der Verurteilte beantragte mit Verteidigerschriftsatz vom 16.01.2006 erneut, ihn vorzeitig bedingt zu entlassen. Die Staatsanwaltschaft Z. als zuständige Vollstreckungsbehörde tritt bei positivem Ergänzungsgutachten einer Reststrafaussetzung nicht entgegen. Der psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. F. legte im Anschluss an sein Gutachten vom 24.05.2005 nach am 10.04.2006 durchgeführter Exploration des Verurteilten sein -von der Strafvollstreckungskammer mit Verfügung vom 06.02.2006 in Auftrag gegebenes weiteres psychiatrisches Gutachten vom 27.04.2006 vor. Eine ihre Stellungnahme vom 19.01.2005 fortschreibende Äußerung der Justizvollzugsanstalt X. zum weiteren Vollzugsverlauf erhob die Strafvollstreckungskammer nicht. Den Verurteilten hörte sie im Beisein seines Verteidigers am 16.05.2006 an; von einer mündlichen Anhörung des Sachverständigen sah die Kammer - entgegen dem von dem Verurteilten mit Verteidigerschriftsatz vom 10.04.2006 gestellten Antrag - ab.
Mit Beschluss vom 16.05.2006 lehnte die Strafvollstreckungskammer wiederum eine vorzeitige bedingte Entlassung des Verurteilten ab. Dagegen hat der Verurteilte mit Verteidigerschriftsatz vom 22.05.2006 form- und fristgerecht sofortige Beschwerde erhoben und näher begründet. Mit Verteidigerschriftsatz vom 13.07.2006 hat er ergänzend die Bescheinigung der Justizvollzugsanstalt X. -Sozialtherapeutischen Abteilung - vom 27.05.2004 über die Teilnahme am Behandlungsprogramm für Sexualdelinquenten in der Zeit vom März 2003 bis Mai 2004, das Zeugnis der IHK R. vom 26.06.2002 über das Bestehen der Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf "Teilezurichter", deren Zeugnis vom 01.07.2004 über das Bestehen der Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf "Industriemechaniker" sowie die Anmeldebestätigung vom 01.06.2005 bzgl. der Wohnung in Y. vorgelegt; den diesbezüglichen Mietvertrag reichte er mit Verteidigerschriftsatz vom 17.07.2006 nach ebenso eine Bestätigung der Fa. C. vom 12.05.2006 über die Arbeitsplatzzusage.
Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe beantragt mit Schrift vom 09.06.2006, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.
Die Justizvollzugsanstalt X. hat - auf Anforderung des Senats -in Fortschreibung ihrer Stellungnahme vom 19.01.2005 unter dem 19.07.2006 eine ergänzende Stellungnahme abgegeben, zu der der Senat den Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör gewährt hat (BVerfG NJW 1964, 293).
II.
Das zulässige Rechtsmittel des Verurteilten hat Erfolg.
Die formellen und materiellen Voraussetzungen der §§ 57 Abs. 1 StGB, 88 Abs. 1 JGG, unter denen die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe, hier der Jugendstrafe von 9 Jahren, zur Bewährung aussetzbar ist, liegen nun nach Verbüßung von mehr als zwei Dritteln vorliegend gar 7/9 - der Strafe vor. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des - bei Tatbegehung noch heranwachsenden und nun erwachsenen -Verurteilten, seines Vorlebens, der Umstände seiner Tat, seines Verhaltens und seiner Entwicklung im Vollzug, seiner Lebensverhältnisse und der Wirkungen, die von der Aussetzung der Reststrafe für ihn zu erwarten sind, ist es jetzt - auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit und ohne Vernachlässigung des Ausmaßes der Schuld, die der Verurteilte auf sich geladen hat verantwortbar, die Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe von noch etwa zwei Jahren zur Bewährung auszusetzen.
Die Verantwortungsklausel der §§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB, 88 Abs. 1 JGG fordert die Wahrscheinlichkeit des Erfolges der Aussetzung der Vollstreckung, wobei die Kriterien des "Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit" und des "Gewichts des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes" dem Wahrscheinlichkeitsurteil Grenzen setzen; außerdem ist vorliegend, da sich der Verurteilte bis 10.09.2004 im Jugendstrafvollzug befand, der diesen beherrschende Erziehungsgedanke zu beachten. In diesem Rahmen setzt das mit der Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung verbundene "Erprobungswagnis" keine Gewissheit künftiger Straffreiheit voraus (vgl. schon OLG Karlsruhe StV 1993, 260; Senat StV 2002, 322; BVerfG B. v. 05.10.2004 -2 BvR 558/04 -); dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit ist jedoch in angemessener Weise Rechnung zu tragen. Erforderlich ist, dass eindeutig festzustellende positive Umstände die Erwartung i. S. einer wirklichen nahe liegenden Chance rechtfertigen, dass der Verurteilte im Falle seiner Freilassung nicht mehr straffällig wird. Dies entspricht ebenso der ständigen Rechtsprechung des Senats wie die Einschränkung, dass nicht aufklärbare Zweifel, ob solche Umstände in zureichendem Maße vorliegen, zu Lasten des Verurteilten gehen (vgl. Senat a.a.O.; vgl. auch Senat B. v. 16.02.2004 -3 Ws 252/03 -). Bezüglich möglicher Straftaten ist zwar ein Restrisiko einzugehen, zumal ein solches jeder vorausschauenden Beurteilung der weiteren Lebensführung, insbesondere einer Gefahrenprognose zwangsläufig immanent ist; ob dieses Restrisiko vertretbar oder unvertretbar ist, ist durch eine Gesamtabwägung aller entscheidungserheblicher Umstände zu ermitteln. Dabei kommt - wie schon eingangs betont - dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit besonderes Gewicht zu; je höherwertige Rechtsgüter in Gefahr kommen können, umso geringer muss das Risiko eines Rückfalls sein; dies gilt vor allem, wenn - wie hier - der Verurteilung ein Verbrechen gegen das Leben zugrunde liegt. Dies bedeutet indes nicht, dass in diesen Fällen eine vorzeitige Entlassung grundsätzlich ausgeschlossen ist (BVerfG NJW 1998, 2202); es wäre mit Art. 2 Abs. 2 GG nicht vereinbar, im Anwendungsbereich des § 57 Abs. 1 StGB die Aussetzung der Restfreiheitsstrafe im Allgemeinen allein aus Gründen der Schwere der Schuld des Verurteilten, der Generalprävention und der Verteidigung der Rechtsordnung zu versagen (BVerfG NJW 1994, 378; Senat B. v. 04.10.2005 -3 Ws 376/05 -). Bei solchen und sonstigen besonders gefährlichen Taten ist vielmehr eine erhöhte Wahrscheinlichkeit künftiger straffreier Führung zu verlangen (BVerfG NJW 2000, 502, 503). Da es sich vorliegend bei der Anlasstat um Mord handelt, ist auch das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit hoch zu veranschlagen (BVerfG NJW 1998, 2202, 2203). Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Verurteilte ein neues schweres Verbrechen begehen werde, so kommt eine Strafaussetzung nicht in Betracht; umgekehrt schließt die Verantwortungsklausel der §§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB, 88 Abs. 1 JGG es auch hier mit ein, dass ein vertretbares Restrisiko eingegangen wird (BVerfG NJW 1998, 2202, 2203; 1986, 767, 769); wäre ein völliger Risikoausschluss vorausgesetzt, liefe die Bestimmung des § 57 Abs. 1 StGB leer (vgl. etwa OLG Karlsruhe StV 2000, 156, 157). Nicht zuletzt zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Rechtsbrechern hat sich daher das Gericht dem Gebot bestmöglicher Sachaufklärung (BVerfGE 70, 297,309 = NJW 1986, 767, 768; NJW 2000, 502, 503) genügend - ein möglichst umfassendes Bild über den Verurteilten zu verschaffen und zwar bei Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StPO bezeichneten Art - wie vorliegend - durch Einholung eines prognostischen Sachverständigengutachtens (§ 454 Abs. 2 StPO). Selbst bei derartigen Gewaltdelikten ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugleich - auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (BVerfG NJW 1986, 767, 769) - zu berücksichtigen, dass mit zunehmender Dauer des Freiheitsentzuges der Anspruch des Verurteilten auf Achtung seiner Menschenwürde und seiner persönlichen Freiheit zunehmendes Gewicht gewinnt (BVerfG NJW 1998, 2202); deshalb gewinnen für die Prognoseentscheidung i. d. R. die Umstände, die - wie das Verhalten im Vollzug sowie die augenblicklichen und künftig zu erwartenden Lebensverhältnisse des Verurteilten -Erkenntnisse über das Erreichen des Vollzugsziels (§ 2 StVollzG) und damit wichtige Informationen für die Kriminalprognose vermitteln, gegenüber den Umständen der Straftat des Verurteilten mit zunehmender Dauer des Freiheitsentzugs ebenfalls zunehmende Bedeutung (BVerfG NStZ 2000, 109, 110 = NJW 2000, 502, 504); insbesondere sind die Erfahrungen, die die Vollzugsanstalt, aber auch der Verurteilte selbst aus ihm gewährten Vollzugslockerungen gewonnen haben, für die Gefahren- bzw. Kriminal- und Sozialprognose von entscheidungserheblichem Gewicht (vgl. BVerfG NJW 2000, 501, 502).
10 
Unter Anlegung dieses Maßstabes hat der Senat bei der vorausschauenden Beurteilung im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte erwogen und als bestimmend erachtet:
11 
Der Verurteilte, der ein noch junger Erwachsener ist, befindet sich erstmals im Strafvollzug, der nun über mehr als sieben Jahre andauert; er ist - bis zur Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat strafrechtlich nicht in Erscheinung getretener - sog. "Erstverbüßer", bei denen i. d. R. anzunehmen ist, dass sie vom erlittenen Strafvollzug nachhaltig beeindruckt sind (vgl. etwa Senat B. v. 20.05.2005 -3 Ws 143/05 -; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 57 Rdnr. 14 m.N.). Der Zwei-Drittel-Termin (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB), zu dem der Rest einer Freiheitsstrafe bei Erfüllung der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen auszusetzen ist (Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 57 Rdnr. 20 m. N.), liegt bereits mehr als ein Jahr zurück; in diesem Zeitraum wurde der Verurteilte der weiteren Einwirkung des Strafvollzugs unterzogen.
12 
Die in der Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt X. vom 19.01.2005 mitgeteilte vollzugliche Entwicklung des Verurteilten ließ - für sich allein genommen - dessen bedingte Entlassung bereits zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt vertretbar erscheinen. Auch der - vom Senat nach § 454 Abs. 1 Satz 2 StPO angeforderte -aktualisierte, das zwischenzeitliche Verhalten und die weitere Entwicklung des Verurteilten im Vollzug darstellende Bericht der Justizvollzugsanstalt X. vom 19.07.2006, deren Einholung die Strafvollstreckungskammer verfahrensfehlerhaft unterlassen hatte (vgl. hierzu Senat B. v. 07.11.2005 -3 Ws 458/05 -; OLG Düsseldorf NStE Nr. 19 zu § 454 StPO), trägt die Einschätzung, dass die vorzeitige bedingte Entlassung des Verurteilten, gemessen an diesen Gesichtspunkten, verantwortbar ist:
13 
Der Verurteilte hatte seit Juni 2000 bis Oktober 2004 in der Sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt X. an wöchentlich stattfindenden psychotherapeutischen Einzelgesprächen teilgenommen, die für ihn eine wichtige, zur Persönlichkeitsreifung beitragende Rolle spielten (vgl. hierzu näher das im Auftrag des Justizministeriums Baden-Württemberg im Hinblick auf die Gewährung von Vollzugslockerungen erstattete befürwortende nervenärztliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. vom 03.06.2004). Außerdem unterzog sich der Verurteilte dem von der Vollzugsanstalt in der Zeit vom März 2003 bis Mai 2004 durchgeführten Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter, wobei zwar sein Erkenntniszuwachs durch letztere Gruppenbehandlung eher mittelmäßig erschien, er sich aber in der Auseinandersetzung mit seiner Tat insgesamt offen und reflektiert zeigte und sich ein schlüssiges Konzept zur Rückfallvermeidung erarbeiten konnte. Der Verurteilte erlernte während des Vollzuges zwei Berufe; die jeweiligen Abschlussprüfungen bestand er mit der Note "befriedigend". Er hat nach Einschätzung der Justizvollzugsanstalt in seiner Persönlichkeit eine Nachreifung erfahren, die ihn erkennbar erwachsener, kritikfähiger und nachdenklicher wirken lässt. Seit Sommer 2004 erhielt er häufig Gelegenheit, sich in der Wahrnehmung von Vollzugslockerungen, die ihm in der Gestalt von Ausgängen und mehrtägigem Urlaub gewährt wurden, zu bewähren; die dadurch gewonnene "kontrollierte" Freiheit hat er in keinem Fall missbraucht, insbesondere nicht durch die Begehung von Straftaten; die Erprobung verlief jeweils beanstandungsfrei. Gleiches gilt für den offenen Vollzug, in dem er seit Februar 2005 im Freigängerheim in M. untergebracht ist und aus dem er regelmäßig Wochenendurlaub erhält. Seitdem ist er bei der Fa. K. in M. beschäftigt; seine Arbeitsleistung und sein Sozialverhalten werden als mittlerweile sehr zufrieden stellend bewertet. Der noch im geschlossenen Vollzug festgestellte unerlaubte Besitz von 0,9 g Marihuana, weswegen der Verurteilte vom Amtsgericht X. am 20.06.2002 zu der Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je EUR 5 verurteilt worden ist, fällt demgegenüber nicht mehr maßgeblich zu Lasten des Verurteilten ins Gewicht, zumal er sich von der Gruppe Mitgefangener in X., die Cannabis konsumierten, in der Folgezeit distanzierte, Urinproben bis dato negativ ausfielen und keine sonstigen Anhaltspunkte für andauernden Drogenkonsum ersichtlich sind.
14 
Die Entlassungssituation des Verurteilten erscheint gesichert und nicht ungünstig. Er verfügt seit Januar 2006 über eine eigene, von seiner Schwester übernommene Mietwohnung in Y., die er bereits zuvor während seines jeweiligen Hafturlaubs nutzte. Er hat nach seiner Entlassung eine Arbeitsstelle als Hausmeister bei der Fa. C. in Festanstellung in Aussicht, wenn auch nicht in einem seiner während des Vollzugs erlernten Berufe. Das Verhältnis zur Mutter und zur -zwischenzeitlich in die USA verzogenen Schwester wird als herzlich, die Haltung gegenüber der Mutter zugleich als distanzierter und kritischer geschildert.
15 
Hinzu kommt:
16 
Der psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. F. konnte ausweislich seines ersten -kriminalprognostischen Gutachtens vom 24.05.2005 im psychischen Befund, im Umgang des Verurteilten mit der weniger durch persönlichkeitseigene, als durch situative Faktoren bestimmten Tat, in dessen sexuellen Fantasien und in der Reifeentwicklung keine konkreten Kriterien erkennen bzw. solche benennen, auf Grund derer zu befürchten wäre, dass der Verurteilte nach einer Entlassung erneute gravierende Straftaten begehen würde. In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Prof. Dr. B. sieht Prof. Dr. F. wegen der wenig kritischen Haltung des Verurteilten zu einem möglichen Drogenkonsum allenfalls ein geringes, derzeit auch nur abstraktes Risiko hinsichtlich etwaiger Betäubungsmitteldelikte.
17 
Der in der Folgezeit in der Person des Verurteilten neu hervorgetretene Gesichtspunkt, der zu der eine vorzeitige Entlassung ablehnenden Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 13.07.2005 und der des Senats vom 04.10.2005 führte, war Gegenstand der von der Strafvollstreckungskammer im Zuge der neuerlichen Prüfung der Entlassungsreife des Verurteilten am 06.02.2006 in Auftrag gegebenen wiederholten Begutachtung des Verurteilten durch den Sachverständigen Prof. Dr. F. In seinem Prognosegutachten vom 27.04.2006 führt der Sachverständige nach nochmaliger eingehender Exploration des Verurteilten nachvollziehbar aus, dass - entgegen der Bedenken der Strafvollstreckungskammer, der Generalstaatsanwaltschaft und des Senats insbesondere die gehemmte Orgasmusfähigkeit des Verurteilten keinesfalls einen Risikofaktor für eine etwaige künftige Sexual- oder sonstige Delinquenz des Verurteilten darstellt. Zusammenfassend gelangt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass aus psychiatrischer Sicht nach dem zwischenzeitlichen Zeitablauf weiterhin von einer günstigen Prognose insofern auszugehen ist, als sich nach wie vor, insbesondere aus der Freizeitgestaltung, der Beziehungssituation, den von dem Verurteilten berichteten sexuellen Erlebnissen und dem psychischen Befund keine konkreten Kriterien benennen lassen, auf Grund derer zu befürchten wäre, dass der Verurteilte bei einer bedingten Entlassung erneute gravierende Straftaten begehen würde.
18 
Entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer liegen der Wertung des Sachverständigen durchaus eindeutig festgestellte positive Umstände und zwar in ausreichendem Maße zugrunde, die die günstige Prognose i. S. d. §§ 88 Abs. 1 JGG, 57 Abs. 1 StGB tragen, vor allem die Annahme, dass bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, dass dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht (454 Abs. 2 Satz 2 StPO). Der Sachverständige schließt aus seiner Sicht nicht lediglich eine negative Prognose aus, bejaht vielmehr eine positive Prognose. Auch der Senat kann bei der ihm als ureigene Aufgabe selbständig obliegenden prognostischen Beurteilung (vgl. BVerfG NJW 1986, 767, 768) der von der Justizvollzugsanstalt mitgeteilten sowie der von dem Sachverständigen festgestellten und bewerteten Umstände heute -mehr als 7 Jahre nach Beginn der Freiheitsentziehung - in der Person des Verurteilten eine Rückfallgefahr ohne unvertretbares Restrisiko ausschließen . Mit den Ausführungen des Sachverständigen ist vor dem Hintergrund der vom Äußeren her unveränderten konkreten Lebenssituation des Verurteilten im Freigängerheim und an seiner Arbeitsstelle in Anbetracht des regelmäßigen und unauffälligen Verhaltens des Verurteilten während der Absolvierung der Vollzugslockerungen, vor allem im offenen Vollzug, der regelmäßigen Arbeitstätigkeit und der stets negativen Urinkontrollen eine weitere Reifung und Stabilisierung in der Persönlichkeit des Verurteilten zu konstatieren. Dies erhellt schließlich aus einer vergleichenden Betrachtung der zur Tatzeit (08.07.1999) gegebenen Reifeverzögerung des Verurteilten. Insoweit musste die erkennende Jugendkammer des Landgerichts Stuttgart in ihrem Urteil vom 24.05.2000 noch feststellen:
19 
"Der Angeklagte war bei Tatbegehung 18 Jahre und zehn Monate alt, also Heranwachsender im Sinne des § 1 JGG. Er war im Zeitpunkt der Tatbegehung gerade dabei, den Hauptschulabschluss abzulegen. Seine schulische Entwicklung ist daher deutlich verzögert. Dem Angeklagten war es auch nicht gelungen, eine realitätsbezogene Zukunftsperspektive zu entwickeln. Seine bis zur Tatzeit bestehende Lebensführung ist durch Leistungsverweigerung, Ausweichverhalten, Drogengenuss sowie Ablenkung durch Spiele und Modellbau gekennzeichnet. Sie trägt daher Züge unausgereift jugendlichen Verhaltens. Der Angeklagte hatte sich im Tatzeitpunkt vom Elternhaus noch nicht gelöst. Er war materiell von seinen Eltern abhängig. Dass er familiären Konflikten und den sich aus der Adoleszenz ergebenden Problemen seit Jahren ausgewichen ist und sich von den Familienmitgliedern weitgehend zurückgezogen hat, ist Ausdruck einer Verdrängung der Konflikte und nicht des Versuches, diese zu lösen. Es kommt hinzu, dass es dem Angeklagten bisher nicht gelungen ist, seine sexuellen Wünsche und Bedürfnisse in seine Persönlichkeit zu integrieren."
20 
Die damalige Reifeverzögerung in der Person des Verurteilten ist mithin nun nicht nur "nicht mehr nachweisbar", sie erscheint vielmehr aufgearbeitet. Diesem Umstand misst der Senat - entgegen der Einschätzung der Strafvollstreckungskammer und der Generalstaatsanwaltschaft - besondere Bedeutung und Gewicht für die zu stellende Kriminalprognose bei und zwar in positivem Sinne (vgl. wegen der gebotenen vergleichenden Betrachtungsweise zur Begründung einer überzeugenden Prognose: BVerfG NJW 2000, 502, 504). Denn die Anlasstat des Verurteilten vom 08.07.1999 wurde weniger durch dauerhaft in dessen Persönlichkeit verankerte psychische Faktoren/Strukturanteile, insbesondere nicht durch eine sexuelle Fixierung etwa im Sinne einer Perversion ausgelöst, sondern durch in der Reifeentwicklung begründete Defizite; in der Tat kamen vorwiegend situative Faktoren zum Ausdruck; sie war Gipfelpunkt einer Störung der Persönlichkeitsreifung des heranwachsenden, noch einem Jugendlichen gleichstehenden Verurteilten. Die Täter-Opfer-Konstellation war hier entwicklungsspezifisch im Rahmen einer Reifungskrise ein- und dem jugendlichen Alter des Verurteilten zuzuordnen (vgl. die Gründe des Urteils der erkennenden Jugendkammer; vgl. auch das im Erkenntnisverfahren erstattete Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. vom 30.12.1999; im Vollstreckungsverfahren erstattetes Gutachten desselben vom 03.06.2004; Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. vom 24.05.2005).
21 
Vorhanden sind allerdings noch eine leichte Unsicherheit des Verurteilten in der Aufnahme von Beziehungen und eine - zu erhöhtem Nikotinkonsum führende -Belastungsanfälligkeit bei Mehrfachbelastung; diese Defizite erachtet der Senat mit dem Sachverständigen aber bei der gebotenen Gesamtwürdigung nicht als geeignet ist, den Bestand der dem Verurteilten gestellten günstigen Kriminal- und Sozialprognose zu gefährden, zumal sich die Zukunftsplanungen des Verurteilten, insbesondere was die bereits innegehabte Wohnung und die in Aussicht stehende Arbeitsstelle angeht, als adäquat und realistisch erweisen. Hinzu kommt, dass der Verurteilte in finanzieller Hinsicht schuldenfrei ist. Die Wiedereingliederung des Verurteilten in ein normalisiertes Leben erscheint gewährleistet.
22 
Die Voraussetzungen einer Reststrafenaussetzung zur Bewährung sind nach alledem - auch in Anbetracht der nach §§ 56 c, 56 d StGB zur Unterstützung eines beanstandungsfreien Bewährungsverlaufs getroffenen flankierenden Maßnahmen - nun zu bejahen.
III.
23 
Einer mündlichen Anhörung des Sachverständigen, die nach der Bestimmung des § 454 Abs. 2 Satz 3 StPO grundsätzlich geboten ist , bedurfte es hier vor der Entscheidung des Senats nicht.
24 
Zum Einen ist der Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gewahrt (vgl. etwa OLG Stuttgart Die Justiz 2003, 88). Der Verurteilte und sein Verteidiger hatten von dem Inhalt der Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. Kenntnis genommen und Gelegenheit, hierzu, insbesondere bei der am 16.05.2006 in Anwesenheit des Verteidigers von der Strafvollstreckungskammer durchgeführten mündlichen Anhörung des Verurteilten Stellung zu nehmen. Zum Anderen hegt der Senat keine Zweifel hinsichtlich der Sach- und Fachkunde des Sachverständigen, der Zuverlässigkeit der von ihm gewonnenen Erkenntnisse über die Persönlichkeitsstruktur des Verurteilten und dessen Entwicklung im Vollzug und der von dem Sachverständigen - vom Senat ebenfalls selbständig zu beurteilenden -gezogenen Schlussfolgerungen. Bezüglich der der gestellten Kriminal- und Sozialprognose zugrunde liegenden Tatsachen und deren sachverständiger Bewertung besteht kein weiterer Aufklärungsbedarf, zumal Einwendungen gegen diese seitens des Verurteilten und seines Verteidigers nicht erhoben werden.
25 
Die Generalstaatsanwaltschaft ihrerseits, die gegen das Absehen von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen als solches nichts erinnert, stellt mit ihrem Verwerfungsantrag vom 09.06.2006 ebenfalls die Richtigkeit der dem Gutachten zugrunde liegenden Tatsachen und der von dem Sachverständigen gewonnenen Erkenntnisse über die Persönlichkeitsstruktur sowie die Reifeentwicklung des Verurteilten nicht in Frage; sie wertet diese Umstände lediglich in ihrem Zusammenwirken als nicht genügend für die Stellung einer günstigen Kriminalprognose, ohne aber weitere Aufklärungsmöglichkeiten bezüglich der Ausführungen des Sachverständigen durch dessen mündliche Anhörung aufzuzeigen. Sind aber die prognostisch relevanten Tatsachen und Umstände - wie vorliegend -vollständig ermittelt, obliegt es nunmehr dem Gericht, im Zuge der ihm vorbehaltenen normativen Gesamtwürdigung zu beurteilen, ob sie nach den Bestimmungen der §§ 57 Abs. 1 StGB, 88 Abs. 1 JGG ausreichend sind, die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der (Jugend-) Strafe unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantworten zu können.
IV.
26 
Der Senat hebt nach alledem auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten die angefochtene Entscheidung der Strafvollstreckungskammer auf und ordnet die vorzeitige bedingte Entlassung des Verurteilten an.
27 
Der Senat setzt den Entlassungstag auf den 01.08.2006 fest, damit die Entlassung des Verurteilten mit der gebotenen Sorgfalt vorbereitet werden kann.
28 
Der Verurteilte wird auch seitens des Senats darauf hingewiesen, dass er, wenn er während der Bewährungszeit - wider Erwarten -Straftaten begeht, sich der Aufsicht des Bewährungshelfers entzieht oder den erteilten Weisungen in zurechenbarer Weise nicht Folge leistet, mithin das mit vorliegender Entscheidung des Senats in ihn gesetzte Vertrauen enttäuscht, mit dem Widerruf der Strafaussetzung zu rechnen hat.
V.
29 
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 - 1 K 102/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet.
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und wurde am ... 1973 in ... (Türkei) geboren. Er ist verheiratet, reiste mit seiner Frau und seinen damals drei Kindern am ... 1997 in die Bundesrepublik ein und beantragte am folgenden Tag Asyl. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 9. Oktober 1997 wurden die Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt und zugleich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 4 AuslG festgestellt. Inzwischen hat der Kläger mit seiner Frau, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist, sieben Kinder, von denen sechs die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Vier der Kinder studieren, zwei besuchen das Gymnasium und eines die Grundschule.
Der Kläger war zunächst im Besitz von Aufenthaltsbefugnissen bis Mitte 2005. Ein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis vom März 2006 nahm der Kläger mit Blick auf den Bezug von öffentlichen Leistungen zurück. Ende März 2009 beantragte er erneut die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. In diesem Zuge erfolgte eine Regelanfrage nach § 73 Abs. 2 und 3 AufenthG, die zu der Mitteilung führte, dass Erkenntnisse vorlägen. Der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers erbat am 4. Juni 2009 von der Stadt ... die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG, nachdem das Bundesamt am 13. März 2009 mitgeteilt hatte, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme nach § 73 Abs. 1 bzw. 2 AsylG nicht vorliegen würden. Unter dem 9. Juni 2009 teilte die Stadt ... dem Kläger mit, dass die Ermittlungen des Landeskriminalamts noch nicht abgeschlossen seien. Ausweislich eines in der Akte der Stadt ... befindlichen Vermerks vom 19. November 2009 ging die Stadt sodann davon aus, dass auf eine Rückantwort des Landeskriminalamts und auf die Regelanfrage verzichtet werden könne. Die Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG wurde dem Kläger schließlich am 4. Dezember 2009 erteilt.
Das in der Akte der Stadt befindliche Schreiben des Regierungspräsidiums ... an die Stadt vom 22. September 2009, das per Mail an diese gegangen sein soll, findet sich in der Akte erstmals als Anhang einer Mail des Regierungspräsidiums, datierend vom 22. Mai 2010. In diesem bittet das Regierungspräsidium die Stadt um Durchführung einer Sicherheitsbefragung. Die Stadt teilte dem Regierungspräsidium mit, dass die Aufforderung zur Durchführung einer Sicherheitsbefragung nicht zu den Akten gekommen sei, was eventuell mit einer längeren Krankheitszeit der früheren Sachbearbeiterin zusammenhängen könne. Sie informierte das Regierungspräsidium darin im weiteren über die Erteilung der Niederlassungserlaubnis an den Kläger.
Mit Schreiben vom 11. Juni 2010 informierte die Stadt dem Kläger darüber, dass das Regierungspräsidium sie aufgefordert habe, mit ihm eine Sicherheitsbefragung durchzuführen. Das Regierungspräsidium teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23. Juli 2010 mit, dass die Niederlassungserlaubnis in Unkenntnis von Bedenken seitens der Sicherheitsbehörden gegen den weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland erteilt worden sei. Es prüfe derzeit eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung. Hierzu werde dem Kläger die Möglichkeit eines Sicherheitsgesprächs zur weiteren Aufklärung gegeben. Am 23. Februar 2011 fand eine Sicherheitsbefragung des Klägers statt. Am anschließenden Sicherheitsgespräch nahm der Kläger nicht teil.
Mit hier angegriffener Verfügung vom 10. Januar 2012 wurde der Kläger durch das Regierungspräsidium ausgewiesen und verpflichtet, sich zweimal wöchentlich unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt ... begrenzt und die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet.
In der Verfügung wurde im Wesentlichen zunächst in tatsächlicher Hinsicht auf Erkenntnisse über sicherheitsrelevante Aktivitäten des Klägers ab 2001 und bis Dezember 2010 abgestellt und im Übrigen darauf, dass er unverändert Vorstandsmitglied (nunmehr 2. Vorsitzender) der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ (YEK-KOM) sei. Die Ausweisung beruhe auf § 55 AufenthG in Verbindung mit § 54 Nr. 5 AufenthG. Besonderer Ausweisungsschutz nach Art. 14 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei bestehe nicht, da der Kläger nur über wenige Monate hinweg abhängig beschäftigt gewesen sei. Seit Januar 2005 stehe er mit seiner Familie im Leistungsbezug nach dem SGB II. Die vorliegenden Erkenntnisse wiesen ausreichend Tatsachen für die gerechtfertigte Annahme nach, dass der Kläger entsprechende Unterstützungshandlungen gegenüber einer Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze, vorgenommen habe. Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL handle sich um Vereinigungen im Sinne dieser Vorschrift. Die vom Kläger genannten Veranstaltungen, an denen dieser teilweise maßgeblich mitgewirkt habe, hätten erkennbar dazu gedient, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, sondern jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung der inkriminierten Bestrebungen zu fördern. Insoweit sei die Freiheit der Meinungsäußerung beschränkt. Entscheidend sei zudem, dass der Kläger nicht bloß passiver Teilnehmer an denen vom Landesamt für Verfassungsschutz benannten Veranstaltungen der unterstützenden Vereinigung gewesen sei, sondern in hervorgehobener Funktion, beispielsweise als Redner, diese tragend mitgestaltet und er sich auch nicht distanziert habe, wenn durch andere Teilnehmer der PKK bzw. deren Nachfolgeorganisationen gehuldigt worden sei. Er habe damit auch durch den Anschein der Billigung den Terrorismus gefördert. Das Engagement des Klägers als Vorsitzender im kurdischen Kulturverein e.V. ... sei ebenfalls als Unterstützungshandlung zu werten, da dieser nach Erkenntnissen und Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz als KONGRA-GEL-nah einzustufen sei. In der Vergangenheit habe der Vereinssitz mehrfach zwischen ... und ... gewechselt, wobei die Vereine auch unter verschiedenen Namen im Vereinsregister eingetragen worden seien. Nach Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz könne davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesen Vereinen um die Vorgängervereine des heutigen kurdischen Kulturvereins e.V. ... handle. Zum einen bestehe zwischen diesen Vereinen Personengleichheit der Vereinsbesucher und auch von einigen Vorstandsmitgliedern, die im Großraum .../... wohnhaft seien. Zum anderen hätten in allen Vereinen Vereinsfeierlichkeiten anlässlich bestimmter PKK-Gedenktage sowie „Märtyrergedenkveranstaltungen“ und „Volksversammlungen“ stattgefunden. Der Verein sei auch Mitglied in der YEK-KOM, die ein Dachverband von überwiegend KONGRA-GEL-nahen örtlichen Kurdenvereinen sei. Als 2. Vorstandsvorsitzendem seien dem Kläger deren Aktivitäten zuzurechnen. Von einer gegenwärtigen Gefährlichkeit des Klägers sei auszugehen. Die Ausweisung sei danach aus spezialpräventiven Gründen gerechtfertigt. Die Ausweisung des Klägers sei auch nicht unverhältnismäßig mit Blick auf Art. 8 EMRK. Hinsichtlich der Integrationsleistung des Klägers sei zu beachten, dass er seinen Lebensunterhalt für sich und seine Familie nicht selbst sichern könne und weitere Verwurzelungserfolge des Klägers nicht ersichtlich seien. Das öffentliche Ausweisungsinteresse überwiege hier sein Bleibeinteresse, dem im Übrigen durch seine Duldung Rechnung getragen werden könne. Es sei ihm daher zuzumuten, seinen weiteren Aufenthalt auf Grundlage der Aussetzung der Abschiebung auszugestalten. Auch sei einzustellen, dass die Ausweisung auf Antrag befristet werde.
Der Umstand, dass die Stadt ... als untere Ausländerbehörde am 4. Dezember 2009 eine Niederlassungserlaubnis erteilt habe, obwohl die Sicherheitsbehörden auch schon zu diesem Zeitpunkt Erkenntnisse über den Kläger gehabt hätten, welche zu Bedenken gegen seinen weiteren Aufenthalt führen könnten, sei hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung unschädlich. Insbesondere handele es sich nicht um ein rechtsmissbräuchliches, widersprüchliches Behördenverhalten. Der Stadt ... sei lediglich ein Wissen dahingehend zurechenbar, dass überhaupt Erkenntnisse seitens der Sicherheitsbehörden vorgelegen hätten. Über deren Inhalt und Gegenstand sowie den Umstand, dass diese geeignet gewesen seien, Bedenken gegen den weiteren Aufenthalt des Klägers zu begründen, habe die Stadt ... keine Kenntnis gehabt. Vor der Mitteilung der Sicherheitsbehörden seien entsprechende Ausweisungsgründe der Ausländerbehörde noch nicht bekannt gewesen und könnten daher auch nicht verbraucht sein. Es genüge nicht, dass die Ausländerbehörde Kenntnis darüber habe, dass die Sicherheitsbehörden entsprechende Erkenntnisse hätten. Entscheidend sei, dass weitere maßgebliche Erkenntnisse auch nach dem 4. Dezember 2009 erlangt worden seien, wie der Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 17. Juli 2011 sie darstelle.
Die angeordnete zweimalige wöchentliche Meldepflicht und die räumliche Beschränkung auf den Stadtbezirk ... beruhten auf §§ 54a Absatz 1 Satz 1 AufenthG. Die Auflagen seien auch verhältnismäßig. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei zum Schutz der öffentlichen Sicherheit geboten, dies insbesondere mit Blick auf die notwendige Kontrolle des Verhaltens des Klägers. Dies gelte insbesondere auch mit Blick darauf, dass die tatsächliche Beendigung des Aufenthalt des Klägers nicht möglich sei.
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Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2012 erhob der Kläger Klage, mit dem Antrag, die Verfügung vom 10. Januar 2012 aufzuheben.
11 
Das Verwaltungsgericht hörte den Kläger in der mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren persönlich zu den ihm vorgeworfenen Aktivitäten und seiner derzeitigen Funktion in der NAV-DEM und deren Zielrichtung an. Er räumte dabei die ihm vorgehaltenen Teilnahmen an den genannten Veranstaltungen in tatsächlicher Hinsicht vollumfänglich ein. Insbesondere treffe es zu, dass er am 8. September 2012 Versammlungsleiter des kurdischen Kulturfestivals 2012 in ... gewesen und dort eine Videobotschaft von Murat Karayilan ausgestrahlt worden sei. Derzeit sei er 2. Vorsitzender der NAV-DEM. Diese sei durch eine Namens- und Satzungsänderung der YEK-KOM im Juni 2014 entstanden. Ein Antrag auf Löschung im Vereinsregister oder ein Auflösungsbeschluss bezüglich des Vereins YEK-KOM sei nicht erfolgt. Neben ihm und dem 1. Vorsitzenden, die bereits bei der YEK-KOM im Vorstand gewesen seien, seien drei neue Mitglieder in den fünfköpfigen Vorstand gewählt worden. Die NAV-DEM halte, wie die YEK-KOM zuvor, jedes Jahr zwei große Veranstaltungen ab. Er gehe auch weiterhin zu genehmigten Veranstaltungen anderer kurdischer Organisationen, auch in seiner Funktion als 2. Vorsitzender der NAV-DEM trete er als Redner auf. Das Verwaltungsgericht hörte des Weiteren Frau ... als Mitarbeiterin des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg informatorisch zu den Aktivitäten des Klägers und den Erkenntnissen des Landesamtes zu den Organisationen YEK-KOM und NAV-DEM an. Sie führte aus, dass sie die in den vorliegenden Berichten des Landesamtes zum Ausdruck gebrachte Einschätzung der eindeutigen Nähe des Vereins YEK-KOM zur KONGRA-GEL, in dem der Verein der PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen Raum zur Verbreitung ihrer Erklärungen und Äußerungen biete, teile. Dies gelte auch für die NAV-DEM, wie etwa eine Veranstaltung im Dezember 2014 gezeigt habe. Dem Landesamt lägen noch keine konkreten Erkenntnisse vor, dass zwischen YEK-KOM und NAV-DEM insoweit Unterschiede bestünden.
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Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 27. Januar 2015 den Beklagten verpflichtet, die Wirkungen der Ausweisung auf acht Jahre nach Ausreise des Klägers zu befristen und im Übrigen die Klage abgewiesen.
13 
Es hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei nur teilweise begründet, soweit der Beklagte verpflichtet sei, die Wirkungen der Ausweisungsverfügung auf acht Jahre nach Ausreise des Klägers zu befristen. Im Übrigen verletze diese den Kläger nicht in seinen Rechten. Ein erhöhter Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei (ARB 1/80) bestehe nicht, da der Kläger keine assoziationsrechtliche Rechtsposition erworben habe. Dies, da er selbst in der mündlichen Verhandlung angegeben habe, bei seinen Beschäftigungsverhältnissen jeweils kürzer als ein Jahr angestellt gewesen zu sein. Etwaige Rechtspositionen nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80 wären daher durch den jeweils nächstfolgenden Arbeitgeberwechsel erloschen.
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Der Kläger sei in den Jahren von 2001 bis 2003 Vorsitzender des kurdischen Kulturvereins e.V. ... gewesen. Zwischen 2004 und Mitte 2014 sei er mit einer kurzen Unterbrechung Anfang des Jahres 2012 durchgehend Mitglied im Vorstand, zeitweise 2. Vorsitzender, der YEK-KOM gewesen. Im Mai 2012 sei er erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt worden, die inzwischen in die NAV-DEM übergegangen sei.
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Der Kläger erfülle die Tatbestandsvoraussetzung einer Ausweisung nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen seien nach ständiger Rechtsprechung terroristische Vereinigungen im Sinne dieser Vorschrift. Die PKK werde nach wie vor auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen geführt. Soweit sich der Kläger darauf berufe, die PKK habe nunmehr eine geänderte Ausrichtung mit Blick auf die Verteidigung der kurdischen Bevölkerung und der Jesiden im Nordirak gegen den IS, handele es sich um ein temporäres Phänomen, das nicht mit einem dauerhaften Gewaltverzicht und Friedenskurs gegenüber der Türkei einhergehe. Dies ergebe sich auch aus einem Interview des stellvertretenden PKK-Chefs Cemil Bayik vom 10. Oktober 2014, in dem dieser damit gedroht habe, dass sie den Verteidigungskrieg zum Schutze des Volkes auch wieder aufnehmen könnten. Entsprechende Stellungnahmen gebe es auch vom Oberkommandierenden des bewaffneten Arms der PKK „Volksverteidigungskräfte“, der erklärt habe, dass der Friedensprozess mit der Türkei hinfällig sei und die gemeinsamen Übergriffe des türkischen Staates mit dem islamischen Staat einer Kriegserklärung gleichkämen, wie sich aus der Bundestagsdrucksache 18/3491, Seite 4, entnehmen lasse. Zu berücksichtigen sei auch, dass in der Vergangenheit entsprechende Kursänderungen nicht von Dauer gewesen seien.
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Der Kläger unterstütze die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen durch seine langjährige Tätigkeit als Vorstandsmitglied der YEK-KOM bzw. nunmehr der NAV-DEM. Er sei nahezu ununterbrochen seit 2004 im Vorstand beider Vereine gewesen, was er in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich eingeräumt habe. Er habe seine Vorstandstätigkeit aktiv ausgeübt, sei selbst auch als Redner und Versammlungsleiter aufgetreten und habe die Interessen des Dachverbandes gegenüber den Mitgliedsvereinen vertreten. Damit seien dem Kläger die von diesen Organisationen ausgehenden Unterstützungshandlungen zuzurechnen.
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YEK-KOM bzw. NAV-DEM unterstützten wiederum die PKK und deren Nachfolgeorganisationen. Die Vereinigungen schafften insbesondere eine Plattform für Botschaften und Propaganda der PKK und gewährleisteten eine ständige Präsenz der PKK im gesellschaftlichen Leben der Kurden im Bundesgebiet. Sie sicherten der PKK auf diesem Wege einen Raum für die Ansprache und die Sicherung von Unterstützung durch im Bundesgebiet lebende Kurden. Diese Einschätzung werde sowohl durch die Selbstdarstellung der YEK-KOM wie auch von der Gestaltung und dem Ablauf ihrer Veranstaltungen sowie der Veranstaltungen ihrer Mitgliedsvereine getragen. Im nach wie vor auf der Internetpräsenz der YEK-KOM abrufbaren Arbeitsprogramm werde auf das Selbstverständnis der in Europa lebenden Kurden als „logistische UnterstützerInnen des nationalen Befreiungskampfes“ verwiesen. Die Pressemitteilung der YEK-KOM zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen auf dem kurdischen Kulturfestival im Jahr 2012 greife dies ebenfalls auf und spreche davon, dass die PKK für Millionen Kurdinnen und Kurden eine legitime Vertretung sei und einen „gerechten Kampf gegen Krieg und Unterdrückung“ führe. Deswegen lasse sich die kurdische Bevölkerung nicht verbieten, die Symbole der PKK öffentlich zu zeigen und sich zu ihr zu bekennen. Bei diesem Selbstverständnis der Kurden handle es sich letztlich um das Selbstverständnis der YEK-KOM selbst. Denn zum einen begreife sich diese gerade als Dachorganisation der Kurden in Deutschland und als deren Interessenvertretung. Zum anderen werde auf dieses Selbstverständnis ohne jegliche Distanzierung und im Gesamtkontext der Forderung nach einer Aufhebung des PKK-Verbots Bezug genommen. Die YEK-KOM biete zudem eine Plattform für Äußerungen von Funktionären der PKK. Auf ihren Großveranstaltungen würden regelmäßig Grußbotschaften führender PKK-Funktionäre verlesen und als Videobotschaft gezeigt. Auf dem genannten Kulturfestival 2012, dessen Versammlungsleiter der Kläger gewesen sei, sei eine Videobotschaft des oben genannten Murat Karayilan und im Jahr 2013 eine solche des ebenfalls schon genannten Cemal Bayik gezeigt worden. Gleiches sei auf den jährlichen Newroz-Festivals geschehen. Die Veranstaltungen der Mitgliedsvereine der YEK-KOM, an denen der Kläger in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied teilgenommen habe, seien jeweils durch die zeitliche Nähe zu für die PKK bedeutsamen Daten (PKK-Gründungsjahrestag; Tag der Festnahme Öcalans) und das regelmäßig stattfindende Märtyrergedenken gekennzeichnet, wie sich aus den Einschätzungen des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 14. Januar 2015, 29. Januar 2014, 17. Oktober 2013 und 27. August 2012 ergebe. Das Gedenken an Märtyrer möge Teil der kurdischen Kultur sein, wie der Kläger meine, zugleich komme jedoch zum Ausdruck, dass der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel im „Befreiungskampf Kurdistans“ grundsätzlich gebilligt werde. Denn ein Gedenken an Märtyrer schließe eine positive Bewertung der mit den Märtyrertod verbundenen Überzeugung ein. Dies gelte erst recht, weil auf den Veranstaltungen von YEK-KOM und ihren Mitgliedsvereinen soweit ersichtlich keine entsprechende Distanzierung von diesem bewaffneten Kampf erfolgt sei. Es handele sich gerade nicht, wie der Kläger wohl geltend machen wolle, um ein bloßes Gedenken an die verstorbenen des eigenen Volkes, sondern um Verstorbene im „Befreiungskampf“ der kurdischen Bevölkerung und zwar insbesondere derer, die bewaffnete Auseinandersetzungen, beispielsweise als Guerillakämpfer, geführt hätten. Durch die Umbenennung der YEK-KOM in NAV-DEM sowie die damit einhergehenden Satzungsänderungen habe sich die Ausrichtung des Vereins nicht verändert. Bereits aus vereinsrechtlicher Sicht liege keine Neugründung sondern eine bloße Umfirmierung vor. Dies ergebe sich aus dem vom Kläger vorgelegten Protokoll der Delegiertenversammlung vom 22. Juni 2014. In der Pressemitteilung zu Umbenennung vom 18. Juli 2014 spreche die Organisation selbst davon, dass „die Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland YEK-KOM e.V. […] ihre Arbeit fortan unter dem Namen NAV-DEM e.V. fortsetzen [wird]“. Dabei sei nicht in Abrede zu stellen, dass die NAV-DEM auf eine umfassendere Organisation kurdischer Vereine ausgerichtet sein möge und ihre satzungsmäßigen Ziele grundsätzlich legitime politische Anliegen beträfen. § 54 Nr. 5 AufenthG stelle jedoch auf tatsächliche Unterstützungshandlungen ab. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Veränderung des Aktivitätsspektrums der NAV-DEM gegenüber der YEK-KOM. Die NAV-DEM führe nach dem übereinstimmenden Bekunden des Klägers und des Landesamtes für Verfassungsschutz die beiden zentralen Großveranstaltungen (Newroz-Feier und kurdisches Kulturfestival) fort. Eine Änderung des Arbeitsprogramms sei bislang nicht erfolgt. Auch eine Distanzierung von den bisherigen Aktivitäten der YEK-KOM bzw. der Aktivitäten der PKK habe es nicht gegeben und gebe es auch jetzt nicht. Im Gegenteil führe die NAV-DEM die politischen Aktivitäten zur Aufhebung des PKK-Verbots fort. So führe eine Presseerklärung vom 24. November 2014 anlässlich des 21. Jahrestages des Verbots der PKK aus, dass das Betätigungsverbot für die PKK dazu geführt habe, dass „jegliches Engagement gegen den Krieg in Kurdistan und für die Rechte des kurdischen Volkes […] Repressionen und Kriminalisierung ausgesetzt [war]“.
18 
Der Kläger könne sich für seine Tätigkeit bei der YEK-KOM bzw. der NAV-DEM nicht auf den Verbrauch der Ausweisungsgründe durch Erteilung der Niederlassungserlaubnis im Jahr 2009 berufen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes könne eine Ausweisung in der Regel nicht mehr auf solche Tatbestände gestützt werden, in deren Kenntnis die Ausländerbehörde zuvor vorbehaltlos eine Aufenthaltserlaubnis erteilt habe. Für den Vertrauensschutz des Ausländers sei maßgeblich, wie dieser bei verständiger Würdigung die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis verstehen durfte. Insofern dürfe eine Ausweisung nicht mehr allein auf die Betätigung des Klägers vor der Erteilung der Niederlassungserlaubnis im Jahr 2009 gestützt werden, da er insoweit davon habe ausgehen dürfen, dass diese Betätigung im Verfahren zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis überprüft worden sei. Jedenfalls für den Zeitraum ab Erlass der angegriffenen Ausweisungsverfügung bis zum Tag der mündlichen Verhandlung, dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt, könne der Kläger jedoch keinen Vertrauensschutz geltend machen. Mit der Anhörung durch die Beklagte am 3. März 2011, spätestens jedoch mit Zustellung der Ausweisungsverfügung am 12. Januar 2012, habe dem Kläger die unterbliebene Prüfung von Ausweisungsgründen nach § 54 Nr. 5 AufenthG durch die Stadt... bewusst sein müssen. Schutzwürdiges Vertrauen auf seine weitere Betätigung für die YEK-KOM ohne entsprechende ausländerrechtliche Konsequenzen habe der Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr entwickeln können. Der bis dahin bestehende Vertrauensschutz hindere aber nur die Neubewertung vergangener Ereignisse, nicht jedoch die Bewertung der fortgesetzten Tätigkeit des Klägers. Die erneute Wahl des Klägers in den Vorstand der YEK-KOM im Mai 2012 stelle die entscheidende Zäsur dar. Dieser habe sich in Kenntnis der Tatsachen, auf die der Beklagte seine Ausweisungsverfügung gestützt habe, dazu entschlossen, seine Tätigkeit im Vorstand von YEK-KOM bzw. NAV-DEM fortzusetzen und er habe damit zum Ausdruck gebracht, dass er von einer weiteren Betätigung nicht Abstand nehme.
19 
Als anerkannter Flüchtling und Besitzer einer Niederlassungserlaubnis, der sich länger als fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, dürfe der Kläger nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden. Solche lägen insbesondere in den Fällen des §§ 54 Nr. 5 AufenthG vor. Ein Ausnahmefall von dieser Regel sei hier nicht gegeben. Der Kläger habe trotz der im Raum stehenden Ausweisung nunmehr erneut über einen Zeitraum von knapp drei Jahren aktiv die Aktivitäten der PKK über seine Vorstandstätigkeit unterstützt. Dabei habe er durch die Übernahme der Versammlungsleitung beim 20. kurdischen Kulturfestival in ... und seine Rednertätigkeit eine besonders exponierte Rolle eingenommen. Es lägen daher die Voraussetzungen für eine Ausweisung des Klägers im Ermessenswege vor. Die Ermessensausübung sei nicht zu beanstanden.
20 
Die Ausweisung sei auch gemessen an Art. 21 und Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie rechtmäßig. Auf die Frage, ob die Anforderungen für die Beendigung oder Ablehnung eines Aufenthaltstitels Art. 21 Abs. 1 und 2 der Qualifikationsrichtlinie geringer seien als die aus Art. 24 Abs. 1 komme es nicht an. Denn die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie seien erfüllt. Danach dürfe die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings, jedenfalls wenn sie ein unbefristetes Aufenthaltsrechts ersatzlos zum Erlöschen bringe, nur erfolgen, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen sei. Dabei sei eine individuelle Prüfung des Einzelfalls erforderlich. In Anlehnung an das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK reiche die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG noch nicht aus. Vielmehr müsse sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Die Gründe müssten so gravierend sein, dass sie es rechtfertigten, dass Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das setze eine qualifizierte Unterstützung des Terrorismus voraus, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als aktiver Funktionär. Dies setze eine wertende Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles voraus, unter anderem auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und eine Gewaltbereitschaft bestimmt werde. Eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sei auch durch Unterstützung einer Organisation gegeben, die im Bundesgebiet selbst keine Terrorakte verübe, denn es sei grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass sie die Gewalt auch als Mittel zur Lösung politischer Konflikte außerhalb ihres eigentlichen militärischen Aktionsgebiets einsetze. Zudem hätten Funktionäre der PKK auch Kurden in Deutschland zum bewaffneten Kampf in Syrien aufgerufen. Die Rückkehr solcher Kämpfer nach Deutschland stelle sich, wie bei Kämpfern anderer Organisation auch, als unkalkulierbares Sicherheitsrisiko dar. Eine Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch die Aktivitäten der PKK bestehe aber auch dann, wenn die Verübung terroristischer Akte auf dem Bundesgebiet durch die PKK ausgeschlossen wäre und sich alleine auf die Türkei beschränkten. Denn die Türkei und Deutschland seien NATO-Bündnispartner und in ein System kollektiver Verteidigung im Sinne von Art. 24 GG eingebunden. Diese Sicherheitspartnerschaft wäre in Frage gestellt, würde ein Bündnispartner die Unterstützung terroristischer Vereinigungen im Gebiet eines anderen Bündnispartners dulden. Die Duldung solcher Aktivitäten könne zu einer in Stabilisierung der Sicherheitslage im betroffenen Staat führen, die wiederum dessen Handlungs- und Beistandsfunktion gegenüber sein Bündnispartner beeinträchtigen könne.
21 
Der Kläger habe durch seine aktive Funktionärstätigkeit die PKK in diesem Sinne qualifiziert unterstützt. Die aktive Tätigkeit im Vorstand der Vereine sei einer direkten Einbindung in die PKK-Funktionärsebene gleichzusetzen. Ohne die entsprechenden Veranstaltungen der YEK-KOM bzw. NAV-DEM wäre die Organisation und die Sicherung des Zusammenhalts der Anhängerschaft der PKK in Deutschland nicht oder nur unter erheblich erschwerten Bedingungen möglich. Die Aufrechterhaltung eines jahrelangen, bewaffneten Guerillakampfes könne nur aufrechterhalten werden, wenn im Hintergrund der kämpfenden Einheiten ein stabiles und ideologisch gefestigtes Umfeld der Unterstützung, sei es in finanzieller oder politischer Hinsicht, bestehe. Die Bedeutung der YEK-KOM bzw. NAV-DEM für die Aktivitäten der PKK sei als sehr hoch zu bewerten. Besonders deutlich werde dies an den organisierten Veranstaltungen der Vereinigungen. Sie ermöglichten der PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen, unter dem Schirm der Vereine die jeweilige Parteilinie an eine große Zahl von Personen zu vermitteln und dabei das auf den Großveranstaltungen erzeugte Gemeinschaftsgefühl für ihr Anliegen zu nutzen. Eine stärkere Identifikation und Unterstützung der Anliegen einer verbotenen Organisation als die Präsentation der Videobotschaften ihrer Führer vor einem Massenpublikum sei schwerlich vorstellbar. Dies rechtfertige es, die Vorstandstätigkeit in diesen Vereinen, zumal wenn sie im Fall des Klägers ohne jegliche Distanzierung zu den Aktivitäten der PKK erfolge, einer Funktionärstätigkeit in der PKK gleichzusetzen.
22 
Die Anordnung der Meldepflichten und der Aufenthaltsbeschränkung gemäß § 54 a AufenthG sei ebenfalls rechtmäßig. Der Kläger habe einen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf eine Dauer von acht Jahren.
23 
Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen, da die Frage grundsätzliche Bedeutung habe, ob die Tätigkeit im Vorstand eines nicht verbotenen Vereins, der eine Vereinigung unterstütze, die den Terrorismus unterstützt, die Voraussetzung des Art. 21 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 und Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllen könne.
24 
Gegen das dem Kläger am 31. März 2015 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 20. April 2015, eingegangen am selben Tag, beim Verwaltungsgericht Berufung eingelegt.
25 
Er führt im Wesentlichen aus: Dem Verwaltungsgericht fehle die Sachkunde für die Feststellung, dass die Umbenennung der YEK-KOM in NAV-DEM nicht zu einer wesentlichen Änderung des Aktivitätenspektrums der NAV-DEM gegenüber der YEK-KOM geführt habe. Zudem könne aufgrund einer veränderten internationalen Entwicklung nicht mehr ohne weiteres mit Blick auf die PKK von einer terroristischen Vereinigung ausgegangen werden. Einheiten der PKK hätten insbesondere ab August 2014 verfolgte Jesiden im Norden des Iraks vor dem IS geschützt, dies, nachdem die Peschmergas den Schutz verweigert hätten. Auch bei der Verteidigung von Kobane habe die PKK eine wichtige militärische Schutzfunktion für die schutzlose Zivilbevölkerung über ihren syrischen Zweig YPG übernommen. Diese sei dabei von der US-Luftwaffe unterstützt worden. Die PKK müsse nach Einschätzung westlicher Beobachter in den politischen Prozess eingebunden werden. Die US-Regierung weise ausdrücklich darauf hin, dass die YPG ungeachtet ihrer engen Verbindung zur PKK nicht als terroristische Organisation angesehen werde. Dies habe zu einer Überprüfung der Position der USA und westlicher Staaten im Hinblick auf ihre Einstellung gegenüber der PKK geführt. Haupthindernis bei den Bemühungen um eine gemeinsame internationale Strategie gegen den IS sei die türkische Regierung, die völlig eigene Interessen verfolge. Jedenfalls bedürfe es einer sorgfältigen Aufklärung der aufgezeigten Entwicklung und der darauf beruhenden Einschätzung. Das von den Verfassungsschutzbehörden unterstellte separatistische Ziel bezogen auf die Türkei sei seit langem überholt. Von der PKK gebilligte und koordinierte militärische Einsätze gegen die Türkei würden seit zwei Jahren nicht mehr geführt. Entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK müssten dem nicht zwingend entgegenstehen, sondern könnten auch als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat bewertet werden. Terroristische Aktionen in europäischen Ländern seien seit 2005 nicht mehr unternommen worden. Die politische und militärische Strategie der PKK habe sich seit dem Aufkommen des IS nahezu ausschließlich auf eine Schutzfunktion zu Gunsten der jesidischen und kurdischen Bevölkerung in Syrien verändert. Es entspreche jedenfalls dem Willen der jetzigen Führung der PKK, den Kampf der Einheiten vollständig auf den Schutz der bedrohten Zivilbevölkerung in den bezeichneten Ländern zu konzentrieren.
26 
Das Verwaltungsgericht stelle auf die Vorstandstätigkeit des Klägers bei der YEK-KOM bzw. der NAV-DEM ab, bezeichne jedoch keine einzige Aktivität des Klägers, die als individuelle Unterstützung der PKK ausgelegt werden könne. Der Unterstützungsbegriff werde unzutreffend ausgelegt, insbesondere soweit auf Aktivitäten „im Interessenbereich der PKK“, namentlich der Forderung nach Aufhebung des PKK-Verbots unter Freilassung Öcalans abgestellt werde. Von derartigen, politisch neutralen Forderungen könne nicht auf Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bzw. eines bewaffneten Kampfes der PKK geschlossen werden. Es handele sich nicht um den Aufruf zur Begehung terroristischer Taten. Soweit das Verwaltungsgericht anführe, dass in dem „Denken an Märtyrer“ zugleich zum Ausdruck komme, dass der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel im Befreiungskampf Kurdistans grundsätzlich gebilligt werde, habe der Kläger darauf hingewiesen, dass er insgesamt 13 nahestehenden Angehörigen in dem Kurdenkonflikt in der Türkei gedacht habe, die durch das türkische Militär getötet worden seien. Er sei gläubiger Muslim und bekunde so seine Trauer und seinen Respekt vor den Toten. Damit habe sich das Verwaltungsgericht in seiner Bewertung nicht auseinandergesetzt.
27 
Das Bundesverwaltungsgericht verlange für eine Unterstützung des Terrorismus aus rechtsstaatlichen Gründen eine engere Verbindung zu den terroristischen Aktivitäten, da dem Einzelnen anderenfalls ein Verhalten zugerechnet werde, dass weder von seinem Willen noch von der durch ihn unterstützten Vereinigung getragen werde. Lediglich die Befürwortung bestimmter spezifischer Ideologien oder Weltanschauungen, sofern daraus nicht Handlungsanleitungen zur Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer oder religiöser Ziele abgeleitet würden, reichten danach nicht aus. Eine Vereinigung könne nur dann als den Terrorismus unterstützende Vereinigung angesehen werden, wenn sie Dritte mit einer entsprechenden Einstellung für die militante Durchsetzung der Ideologie gewinnen wolle. Das Verwaltungsgericht wende § 54 Nr. 5 AufenthG indessen bereits dann an, wenn z.B. die Aufhebung des Vereinsverbots der PKK oder eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts in der Türkei gefordert werde. Es lasse bereits bloße Sympathiebekundungen für eine Organisation, die durch die Sicherheitsbehörden als terroristische eingestuft werde, für den Unterstützungsbegriff ausreichen, ohne dass zusätzliche Tatsachen festgestellt würden, dass die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung auch auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtet seien, etwa dadurch, dass gezielt bei Veranstaltungen Jugendliche für den bewaffneten Kampf in kurdischen Siedlungsgebieten angeworben oder durch konkrete Aktionen Kämpfer der PKK in diesen Gebieten unterstützt würden.
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Das Verwaltungsgericht verletze § 54 Nr. 5 AufenthG auch, indem es keinen subjektiven Tatbestand voraussetze. Es stelle auf die Vorstandsfunktionen des Klägers in PKK-nahen Vereinigungen ab, berücksichtige aber nicht, dass dieser an seine 13 verstorbenen Verwandten gedacht habe. Im Übrigen fehlten Feststellungen dazu, dass der Kläger bei seinen Aktivitäten bewusst und gewollt den internationalen Terrorismus unterstütze.
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Die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts zum Unterstützungsbegriff werde zudem verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht gerecht. Schon im objektiven Tatbestand sei darauf zu achten, dass der Unterstützungsbegriff nicht unverhältnismäßig namentlich in das Recht auf freie Meinungsäußerung eingreife. Der Organisationsbezug sei daher nicht schon immer dann zu bejahen, wenn in irgendeiner Form auf den verbotenen Verein und seine Aktivitäten hingewiesen werde, ohne dass nach dem deutlich erkennbaren Sinn der Äußerungen die Tätigkeit des Vereins gefördert werden solle. Aus dem Spannungsverhältnis zwischen Grundrechtsschutz und Gefahrenabwehr folge das Erfordernis einer restriktiven Auslegung des Unterstützungsbegriffs. Unterstützungshandlungen müssten auf die Festigung vorhandener terroristischer Strukturen abzielen und der Ausländer selbst müsse einen den Unterstützungsbegriff gerecht werdenden Beitrag zur Unterstützung der Vereinigung leisten. Das Bundesverfassungsgericht weise ausdrücklich darauf hin, dass dem Einzelnen nicht verboten werde, selbst bestimmte politische Ziele anzustreben und zu vertreten, wohl aber, dies durch Förderung der verbotenen Tätigkeit des Vereins zu tun. Die Abwehr richte sich nicht gegen die Handlung des Einzelnen als solche, sondern gegen die mit ihr verbundene Stärkung der Organisation. Es reiche nicht aus, wenn der Außenstehende gleiche Ansichten wie die verbotene Partei vertrete. Einer Meinungsäußerung sei daher nur dann eine objektive Gefahr immanent, wenn zusätzlich äußere, sich nicht nur aus der Willensrichtung des Äußernden ergebende Umstände hinzuträten, die der Äußerung einen unmittelbaren Förderungseffekt geben. Es bedürfe einer auf die terroristische Tätigkeit der Vereinigung bezogene Zweckgerichtetheit und insoweit gelte auch das Regelbeweismaß für Tatsachenfeststellungen. Engagierte Sympathisanten im Umfeld einer terroristischen Organisation, die wie hier der Kläger nicht strukturell in diese eingebunden seien, erfüllten daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht den Begriff der Unterstützung einer Vereinigung, die ihrerseits den Terrorismus unterstütze.
30 
Es müssten die gleichen Maßstäbe gelten wie für den strafrechtlichen Unterstützungsbegriff. Daran fehle es regelmäßig, wenn die Betätigung sich auf Geldspenden, Verteilung von Zeitungen und Flugblättern, die Teilnahme an friedlichen Demonstrationen, Hungerstreiks oder nicht gewalttätigen Besetzungsaktionen beschränke. Von terroristischem Aktivitäten im Einzelfall sei auszugehen, wenn der Betreffende aufgrund seiner hochrangigen Funktionärstätigkeit für die PKK eine qualifizierte Mitverantwortung für deren kriminelle und terroristische Aktivitäten in Deutschland trage. Dies werde auch durch die Rechtsprechung zur Anwendung von Art. 1 GFK, Art. 12 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2004/83/EG, § 3 Abs. 2 Nr. 2 AsylG bestätigt. Auch dort gehe es um eine Zurechnung nach verwaltungsrechtlichen und nicht strafrechtlichen Grundsätzen, wobei dort der Beweisstandard hinsichtlich der materiellen Zurechnungskriterien gegenüber dem Strafrecht nicht herabgesenkt sei. Hier wie dort gehe es um die Gefährdung wichtiger öffentlicher Schutzgüter durch terroristische Gefahren. Verlangt werde dort ein vorsätzlicher Beitrag mit dem Ziel, die kriminelle Tätigkeit oder die strafbare Absicht der Gruppe zu fördern. Die Beiträge müssten also ausreichend sein, die Fähigkeit der Organisation, terroristische Anschläge zu verüben, zu fördern. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union fordere in diesem Zusammenhang eine individuelle Prüfung der genauen tatsächlichen Umstände. Er gehe davon aus, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit vermutet werden könne. Ob diese Vermutung gerechtfertigt sei, erfordere nach seiner Rechtsprechung aber eine Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände.
31 
In vorliegendem Fall sei zur Entlastung des Klägers zu berücksichtigen, dass er nicht in eine Organisation eingebunden sei, die sich terroristischer Mittel bediene. Zwar gehe das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass für den präventiven Gefahrenabwehrschutz gegenüber dem strafrechtlichen Maßstab der Begriff der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung erweitert werden dürfe. Aus verfassungsrechtlichen Gründen setze aber eine präventive Gefahrenabwehrmaßnahme voraus, dass durch das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorgerufen werde. Es bedürfe stets einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die auf konkret umrissenen Tatsachen beruhe. Dass Sympathiebekundungen für eine terroristische Organisation, selbst Sympathiebekundungen für terroristische Aktivitäten, eine Gefahr begründeten, sei eher fern liegend, sofern keine konkreten Anhaltspunkte dafür geliefert werden könnten, dass durch diese die öffentliche Sicherheit gefährdet werde. Die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad dürften nicht beliebig abgesenkt werden. Aufgrund des prognostischen Charakters des Gefahrenbegriffs und der Tatsache, dass nahezu jedes Gut mehr oder weniger risikogeneigt sei und mit Blick auf das Recht auf Inanspruchnahme grundrechtlicher Freiheiten müsse der Gesetzgeber in abstrakter Weise einen Ausgleich dieser widerstreitenden Interessen erreichen. Dies könne dazu führen, dass Grundrechtseingriffe einer bestimmten Eingriffsintensität erst von bestimmten Verdachts- oder Gefahrenstufen an vorgesehen werden dürften. Dies gelte auch für § 54 Nr. 5 AufenthG. Es genüge nicht, dass in irgendeiner Form auf die terroristische Organisation und deren Aktivitäten hingewiesen werde, ohne dass nach dem deutlich erkennbaren Sinn der Äußerung deren terroristische geprägten Tätigkeiten im objektiven Sinne gefördert werden sollten. Gemessen hieran habe der Kläger durch seine Vereinsaktivitäten nicht den internationalen Terrorismus unterstützt. Für § 54 Nr. 5 AufenthG seien ein kognitives und ein voluntatives Element erforderlich. Hinsichtlich des voluntativen Elements des subjektiven Unterstützungsbegriffs fehle es indes an der verfassungsrechtlich gebotenen Eindeutigkeit. Nach der Rechtsprechung genüge es, dass der Einzelne in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst stehe, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringe und damit deren Stellung in der Gesellschaft, vor allem unter Landsleuten, begünstigend beeinflusse, deren Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitere und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefährdungspotenzials beitrage. Dies reiche aus verfassungsrechtlicher Sicht jedoch nicht aus. Auch eine bloße Stärkung eines latenten Gefährdungspotenzials genüge nicht den Anforderungen, die für die Eingriffsverwaltung an das Bestehen einer konkreten Gefahr zu fordern seien. Bei Äußerungen müsse eine vereinsfördernde Zielrichtung eindeutig erkennbar sein. Ob der Betroffene die Grenzen einer erlaubten Tätigkeit überschreite, sei davon abhängig, wie weit der grundrechtlich geschützte Freiheitsbereich reiche. Dies könne ohne voluntative Elemente nicht bestimmt werden. Es sei daher zu verlangen, dass der Einzelne sich mit den Zielvorstellungen und terroristischen Aktivitäten einer Organisation identifiziere. Dementsprechend genüge eine bloße politische Sympathiebekundung des Einzelnen für eine terroristische Organisation nicht. Die Schwelle sei erst überschritten, wenn Sympathie in Form der Verherrlichung des Guerillakampfes bekundet werde. Zwar könne danach auch der Personenkult für Öcalan berücksichtigt werden, weil diesem nach wie vor ein Symbolgehalt für den bewaffneten Kampf der PKK zukomme, es bedürfe aber zusätzlicher tatsächlicher Feststellungen für die Identifikation Einzelner mit dem Terrorismus, in dem Sinne, dass diese mit der Sympathiebekundungen für Personen oder Organisationen zugleich auch deren terroristisch geführten bewaffneten Kampf unterstützen wollten.
32 
Das Verwaltungsgericht habe auch keine schwerwiegenden Gründe im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz der Qualifikationsrichtlinie festgestellt. Eine Regelvermutung, wie das nationale Recht, kenne das Unionsrecht nicht. Es sei eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles erforderlich. Das Refoulementverbot des Art. 33 Abs. 1 GFK müsse hierbei beachtet werden. Daher sei eine eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder Bereitschaft hierzu oder eine strukturelle Einbindung in diese, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, erforderlich. Die bloße Mitgliedschaft des Klägers im Vorstand von YEK-KOM bzw. NAV-DEM sowie dessen Redebeiträge, die im Übrigen nicht dahingehend bewertet worden seien, ob der Kläger in diesen zu Gewaltanwendung aufgerufen habe, genügten nicht.
33 
Aus der Teilnahme an rechtmäßigen Versammlungen und an Veranstaltungen, in der sich die kulturelle Identität als Kurde manifestiert habe, folge nicht automatisch, dass der Betroffene selbst terroristische Handlungen unterstützt habe. Solche Veranstaltung seien auch nicht automatisch terroristische Handlungen.
34 
Zudem sei durch das neue Ausweisungsrecht dem bisherigen Automatismus eine klare Absage erteilt worden. Es sei danach eine ergebnisoffene Abwägung auf Tatbestandsseite erforderlich, die gerichtlich voll überprüfbar sei. Hier fehle es schon an einer konkreten Gefahr als Grundlage einer solchen Abwägung. Generalpräventiv motiviert sei die Ausweisung im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG, dessen Voraussetzungen auch im Übrigen nicht vorlägen, nicht zulässig. Es fehle an der Unerlässlichkeit der Maßnahme. Auch bei Annahme einer vom Kläger ausgehenden Gefahr gehe die Abwägung zu dessen Gunsten aus, da besonders schwerwiegende Ausweisungsinteressen nicht bestünden und zugleich besonders schwerwiegende und schwerwiegende Bleibeinteressen vorlägen. Der langjährige rechtmäßige Aufenthalt des Klägers in Deutschland und die Interessen seiner Familie, mit der er zusammen lebe, seien umfassend zu berücksichtigen. Eine Nachreisen der Familie in die Türkei sei dieser nicht zuzumuten. Auch sei zu beachten, dass eine Beendigung des Aufenthalts des Klägers aufgrund seines Flüchtlingsstatus nicht zulässig sei.
35 
Das Verhalten des Klägers erfülle auch deshalb nicht die Voraussetzungen der Art. 21 Abs. 2 und 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, da er selbst weder terroristische Handlungen begangen habe, noch solche geplant, entschieden oder andere dazu angeleitet bzw. finanziert oder er Mittel dazu beschafft habe. Eine dieser abschließend zu verstehenden Handlungen verlange der Gerichtshof der Europäischen in seiner Entscheidung in der Rechtssache „T.“ (Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 -, juris) jedoch. Auch betone dieser, dass eine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen keine solche Handlung sei und sich daraus nicht zwingend die Unterstützung solcher Taten ergebe.
36 
Der Kläger beantragt,
37 
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 27. Januar 2015 - 1 K 102/12 - die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 10. Januar 2012 aufzuheben.
38 
Der Beklagte beantragt,
39 
die Berufung zurückzuweisen.
40 
Er führt im Wesentlichen aus: Die PKK sei auch nach wie vor als terroristische Organisation zu sehen. Sie sei weiterhin in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 sowie im bindenden Anhang zur Verordnung (EG) 2850/2001, zuletzt aktualisiert durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/513 vom 26. März 2015, aufgeführt. Zudem sei auf die Bundestagsdrucksache 18/3702 vom 7. Januar 2015 zu verweisen, in der die Bundesregierung deutlich mache, weshalb sie am Vereinsverbot bezüglich der PKK festhalte und diese als terroristische Organisation einstufe. Diese halte weiter an ihrem Standpunkt fest, nicht zwischen „guten“ und „bösen“ Terroristen zu unterscheiden. Zwar gehe die Bundesregierung nicht von Angriffen der PKK in Deutschland oder gegen deutsche Ziele aus, dennoch stünden Angriffe gegen Ziele des Nato-Partners Türkei unverändert auf dem Plan der PKK. Dies werde weiterhin von der Bundesregierung missbilligt und im Rahmen der Möglichkeiten deutscher Sicherheitsbehörden verhindert. Die Bundesregierung weise zudem darauf hin, dass die PKK Europa als Rückzugsraum für finanzielle und politische Aktivitäten betrachte. Weiterhin sei der Friedenprozess zwischen der Türkei und den Kurden seit Juli 2015 beendet, da die Waffenruhe zerbrochen und es zu neuen Kämpfen und Anschlägen gekommen sei. Am 22. Juli 2015 seien in Ceylanpinar im Südosten der Türkei zwei Polizisten ermordet worden. Die PKK habe sich hierzu bekannt. Am 10. August 2015 seien mehrere Anschläge in Istanbul erfolgt, darunter einer auf eine Polizeiwache, zu denen sich die PKK ebenfalls bekannt habe. Am 11. August 2015 habe es einen weiteren Anschlag in Südost-Anatolien gegeben, bei dem ein türkischer Soldat ums Leben gekommen sei.
41 
YEK-KOM und NAV-DEM unterstützten die PKK und deren Nachfolgeorganisationen insbesondere durch eine Plattform für Botschaften und Propaganda der PKK; sie gewährleisteten eine ständige Präsenz der PKK im gesellschaftlichen Leben der Kurden im Bundesgebiet. Die bloße Umbenennung der YEK-KOM in die NAV-DEM habe das Verwaltungsgericht zutreffend bewertet, dies werde auch durch den Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 24. August 2015 aufgezeigt. Eine Änderung des Arbeitsprogramms sei nicht erfolgt, es gebe auch keine Distanzierung der NAV-DEM von den Aktivitäten der YEK-KOM. Auf beiden Internetpräsenzen werde jeweils das Logo der NAV-DEM abgebildet, es werde das nahezu identische Layout verwendet, wie die Screenshots vom 20. August 2015 zeigten. Die NAV-DEM sei nach eigenen Angaben Mitglied der KON-KURD-Nachfolgeorganisation (europäischer Dachverband PKK-naher Vereine) und der Vorsitzende der NAV-DEM habe im März 2014 erklärt, dass man die deutsche Demokratie nicht akzeptieren könne, wie sich aus dem Verfassungsschutzbericht des Bundes 2014, Seite 131, ergebe. YEK-KOM bzw. NAV-DEM verträten entgegen der Darstellung des Klägers auch nicht lediglich die selben politischen Forderungen wie die PKK. Vielmehr würden die von der PKK gewählten Mittel der Gewalt zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele öffentlich unterstützt, zumindest aber gebilligt. Die im verwaltungsgerichtlichen Urteil erwähnte Pressemitteilung der YEK-KOM zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Jahre 2012, in der ausgeführt werde, dass sich die kurdische Bevölkerung nicht verbieten lasse, die Symbole der PKK öffentlich zu zeigen und sich zu ihr zu bekennen, zeige das klare Bekenntnis zur PKK. Von der Gewaltanwendung der PKK habe sich die YEK-KOM auch nicht distanziert.
42 
§ 54 Nr. 5 AufenthG sei im Zusammenhang mit der UN-Resolution 1373 vom 28. September 2001 zu sehen, in der die Staaten dazu aufgefordert würden, die Nutzung ihres Staatsgebietes für die Vorbereitung, Durchführung und Finanzierung internationaler terroristischer Akte zu verhindern. Daher setze § 54 Nr. 5 AufenthG nicht voraus, dass von dem betroffenen Ausländer bereits eine konkrete Gefahr ausgehe. Angesichts der außerordentlichen Gefahren des internationalen Terrorismus sei es gesetzgeberischer Wille, dass die Voraussetzungen dieses Ausweisungsgrundes deutlich niedriger anzusetzen sei.
43 
Erforderlich sei eine wertende Gesamtbetrachtung der Aktivitäten und des Verhaltens des Ausländers. Einzelne belegbare Unterstützungshandlungen müssten vorliegen, die nach vernünftiger Wertung den Schluss zuließen, dass der Ausländer in nicht völlig unerheblicher Weise eine terroristische Organisation unterstütze. Zur Sicherung vor unverhältnismäßigen Eingriffen, etwa in die Meinungsfreiheit, müsse die Tätigkeit für den Ausländer erkennbar geeignet sein, sich auf die unterstützte Vereinigung positiv auszuwirken. Lediglich politische, humanitäre oder sonstige Ziele genügten nicht, das sei auch berücksichtigt worden. Die zahlreichen Aktivitäten des Klägers auch in herausgehobener Funktion könnten nicht als bloßes Gedenken an verstorbene Verwandte gewertet werden, da zugleich der Einsatz von Gewalt als politisches Mittel gebilligt worden sei. Der Kläger in seinen herausgehobenen Funktionen habe auch gewusst, dass Märtyrergedenkveranstaltungen für die Sache der PKK instrumentalisiert würden. Zurechenbar seien ihm die Unterstützungshandlungen auch mangels klarer Distanzierung durch ihn oder die Organisationen, für die er tätig gewesen sei und ist.
44 
Die Ausweisungsverfügung sei auch nach neuem Recht rechtmäßig. Die Voraussetzungen des Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie lägen vor, nachdem sogar jene des Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie vom Verwaltungsgericht zu Recht bejaht worden seien. Der Kläger irre, wenn er meine, der Gerichtshof der Europäischen Union habe in seiner Entscheidung in der Rechtssache „T.“ zwingend eine Unterstützung in Form von eigenen terroristischen Tätigkeiten oder eine herausgehobene Stellung in der terroristischen Vereinigung selbst zur Voraussetzung gemacht. Stets sei der Einzelfall zu untersuchen und es gebe danach auch andere Formen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.
45 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den Beweisantrag gestellt: „Es soll eine Auskunft zu den Tatsachen, dass die NAV-DEM insbesondere das Ziel verfolgt, die Interessen aller Kurden aus den Staaten Syrien, Irak und Türkei und die Integration der in Deutschland lebenden Kurden zu fördern sowie die Öffentlichkeit auf die Situation der bedrohten kurdischen Minderheiten im Irak und in Syrien hinzuweisen und für die Leistung humanitärer Hilfe für diese Personengruppe zu werden, eingeholt werden durch eine Auskunft durch den Sachverständigen A. I., Steindamm 39, 20099 Hamburg“. Diesen hat der Senat abgelehnt.
46 
Dem Senat liegen die verfahrensbezogenen Akten der Behörde vor. Es hat im weiteren die sich aus Blatt 165 der Gerichtsakten ergebenden weiteren Erkenntnismittel erhoben, die den Parteien zuvor zugänglich gemacht wurden. Wegen des weiteren Vortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
47 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Nicht streitgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, gegen die sich der Kläger mit seinem Berufungsantrag nicht wendet (II.).
I.
48 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
49 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Nicht mehr entscheidungserheblich ist danach, ob der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren seine Ermessenserwägungen in hinreichender Form nachgebessert hat (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 20.11 -, juris). Denn ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1; terminologisch unzutreffend daher: Marx, Aufenthalts- Asyl- und Flüchtlingsrecht, 5. Aufl. 2015, § 7, Rn. 163).
50 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung des weiteren rechtmäßigen Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Aus all dem folgt auch, dass die Ausweisung vorliegend nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln verstößt (5.).
51 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
52 
Der Kläger unterstützt seit längerem und auch aktuell die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
53 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert,
54 
„die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
55 
Im Weiteren wird auf den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP) Bezug genommen (ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris), der in seinem Artikel 1 Abs. 3 terroristische Handlungen wie folgt definiert:
56 
„Im Sinne dieses Gemeinsamen Standpunkts bezeichnet der Ausdruck "terroristische Handlung" eine der nachstehend aufgeführten vorsätzlichen Handlungen, die durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen kann und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert ist, wenn sie mit dem Ziel begangen wird,
57 
i) die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder
58 
ii) eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigterweise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder
59 
iii) die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören:
60 
a) Anschläge auf das Leben einer Person, die zum Tode führen können;
61 
b) Anschläge auf die körperliche Unversehrtheit einer Person;
62 
c) Entführung oder Geiselnahme;
63 
d) weit reichende Zerstörungen an einer Regierungseinrichtung oder einer öffentlichen Einrichtung, einem Verkehrssystem, einer Infrastruktur, einschließlich eines Informatiksystems, einer festen Plattform, die sich auf dem Festlandsockel befindet, einem allgemein zugänglichen Ort oder einem Privateigentum, die Menschenleben gefährden oder zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen können;
64 
e) Kapern von Luft- und Wasserfahrzeugen oder von anderen öffentlichen Verkehrsmitteln oder Güterverkehrsmitteln;
65 
f) Herstellung, Besitz, Erwerb, Beförderung oder Bereitstellung oder Verwendung von Schusswaffen, Sprengstoffen, Kernwaffen, biologischen und chemischen Waffen sowie die Forschung und Entwicklung in Bezug auf biologische und chemische Waffen;
66 
g) Freisetzung gefährlicher Stoffe oder Herbeiführen eines Brandes, einer Explosion oder einer Überschwemmung, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
67 
h) Manipulation oder Störung der Versorgung mit Wasser, Strom oder anderen lebenswichtigen natürlichen Ressourcen, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
68 
i) Drohung mit der Begehung einer der unter den Buchstaben a) bis h) genannten Straftaten;
69 
j) Anführen einer terroristischen Vereinigung;
70 
k) Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung einschließlich durch Bereitstellung von Informationen oder materiellen Mitteln oder durch jegliche Art der Finanzierung ihrer Aktivitäten in dem Wissen, dass diese Beteiligung zu den kriminellen Aktivitäten der Gruppe beiträgt.
71 
Im Sinne dieses Absatzes bezeichnet der Ausdruck "terroristische Vereinigung" einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die in Verabredung handeln, um terroristische Handlungen zu begehen. Der Ausdruck "organisierter Zusammenschluss" bezeichnet einen Zusammenschluss, der nicht zufällig zur unmittelbaren Begehung einer terroristischen Handlung gebildet wird und der nicht notwendigerweise förmlich festgelegte Rollen für seine Mitglieder, eine kontinuierliche Mitgliedschaft oder eine ausgeprägte Struktur hat.“
72 
Bei der hiernach erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
73 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
74 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2012, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
75 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde, die der Kläger auch nicht in Frage stellt (Ziffer 2.1.1. der Ausweisungsverfügung, Blatt 25 bis 27 der Akte des Verwaltungsgerichts; Ziffer 1. a) des Urteils des Verwaltungsgerichts, Seite 8, unten, letzter Absatz bis Seite 10, Blatt 8 bis 10 der Gerichtsakte).
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Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats und in dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkersparty). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: „Die PKK sieht sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen“, so B.. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Die PKK treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Er, B., sei überrascht, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. Und weiter: In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. „Der Preis für Kritik an der PKK kann der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern, Büros. Ich habe viele Drohungen bekommen.“, so B..
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Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
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Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
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Soweit der Kläger daher auf veränderte politische Umstände und dabei insbesondere darauf abstellen will, dass die PKK sich nunmehr dem Kampf gegen den IS, dem Schutz der Zivilbevölkerung im Norden Syriens verpflichtet fühle, den bewaffneten Kampf gegen die Türkei aufgegeben habe und entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat zu bewerten seien, ist dies auch durch das aktuelle Vorgehen der PKK eindrucksvoll widerlegt. Selbst wenn man mit dem Kläger einmal unterstellt, die PKK sei mit der YPG gleichzusetzen und in Syrien dem Schutz der Kurden und Jesiden verpflichtet, ändert dies nichts an den in der Türkei verübten terroristischen Taten.
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b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger unbestritten entfalteten Aktivitäten ab Dezember 2010 als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch vorgehalten werden dürfen.
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Im konkreten Fall können allerdings nur noch diejenigen Aktivitäten des Klägers ein solches begründen, die dieser nach erfolgter Mitteilung im Juli 2010 an ihn, dass wegen seiner Aktivitäten die Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. seine Ausweisung geprüft werde, entfaltet hat. Davor liegende sind aus Gründen des Vertrauensschutzes verbraucht. Denn ein Ausweisungsinteresse ist, wie auch bislang schon ein Ausweisungsgrund, verbraucht, wenn ein Aufenthaltstitel in Kenntnis bzw. in der Sphäre des Staates zuzurechnender Unkenntnis desselben erteilt bzw. verlängert wurde (Discher, in: GK-AufenthG, Juni 2009, Vor §§ 53. ff. AufenthG, Rn. 382 ff., m. w. N.). So liegt der Fall hier. Darauf, ob solche Aktivitäten der den Titel erteilenden Ausländerbehörde tatsächlich selbst bekannt waren, kommt es mit Blick auf den damit bezweckten Vertrauensschutz, der sich aus der Perspektive des betroffenen Ausländers bestimmt, nicht entscheidend an. Vielmehr genügt es, wenn solche Aktivitäten der Ausländerbehörde hätten bekannt sein können, was hier der Fall ist, nachdem diese selbst eine Sicherheitsüberprüfung mit Blick auf vorliegende Erkenntnisse eingeleitet und sodann die Niederlassungserlaubnis erteilt hat, ohne das Ergebnis der Überprüfung abzuwarten. Dass dies unter der - irrigen - Annahme erfolgte, eine Überprüfung sei vorliegend rechtlich nicht erforderlich, ändert hieran nichts.
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Diese Aktivitäten des Klägers sind auch überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
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Soweit der Kläger die dargestellten rechtlichen Maßstäbe in grundsätzlicher Art angreift, überzeugt dies den Senat nicht.
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Der Senat folgt nicht seiner Auffassung, Verfassungs- bzw. Unionsrecht verlangten, dass das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete mit der jeweiligen Einzelhandlung verbundene Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorrufe. Ein verfassungs- oder unionsrechtlicher Rechtssatz, der dazu zwingen würde, nur konkrete terroristische Gefahren mit der Ausweisung zu bekämpfen, ist nicht ersichtlich. Die dahingehende Argumentation des Klägers bleibt daher auch gänzlich unspezifisch. Es ist nichts Grundsätzliches dagegen einzuwenden, wenn der Gesetzgeber mit Blick auf die spezifischen Gefahren terroristischer Aktivitäten unter Berücksichtigung der Bedeutung der davon betroffenen hochrangigen Rechtsgüter (Leib, Leben, Freiheit der Bevölkerung, hohe Sachwerte sowie die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik) und des zumeist konspirativen (Beweisnot), ideologisch motivierten Vorgehens solcher Vereinigungen (Gruppendynamik), aus denen sich gravierende Nachweisschwierigkeiten und deren erschwerte Bekämpfbarkeit ergeben, mit einer Absenkung des Gefahrenmaßstabs reagiert. Dies entspricht anerkannten Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts.
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Soweit der Kläger meint, es sei stets ein Vollbeweis zu führen, gilt nichts anderes. Der gesetzlich normierte abgesenkte Beweismaßstab der Regelung ist dem Grunde nach, insbesondere mit Blick auf die bereichstypische Beweisnot und die Hochwertigkeit der zu schützenden Rechtsgüter, rechtlich unbedenklich, weil sachangemessen. Die Grenzen sind gegebenenfalls von der Rechtsprechung anhand konkreter Fälle zu präzisieren, was auch geschieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701; vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, NVwZ 2005, 1091; VGH Bad.-Württ, Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 09.11.2005 - 24 CS 05.2621 -, NVwZ 2006, 1306; siehe auch: Berlit, NVwZ 2013, 327, m. w. N; Kirsch, NVwZ 2012, 677; Eckertz-Höfer, in: Barwig u. a., Perspektivwechsel im Ausländerrecht?, 2007, 105 <114>; Marx, ZAR 2004, 275). Auch ist sich der Senat durchaus der Problematik von Beweisketten bewusst, bei denen “sich die Beweiskraft […] umso mehr verringert, je länger die Kette ist, und umso schneller vermindert, je geringer die jeweilige Beweiskraft der je einzelnen Indizien ist“ (so schon: Bender/Röder/Nack, Tatsachenfeststellungen vor Gericht, Band I, 1. Aufl., 1981, S. 181 f.). Daraus erwächst in vorliegendem Fall allerdings schon deshalb kein entscheidungserhebliches Problem, weil weder die dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten in tatsächlicher Hinsicht im Streit stehen, noch die der Vereinigungen, in denen er tätig war und ist und letztlich auch nicht die der PKK, sondern jeweils nur deren Bewertung.
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Zudem ist inzwischen geklärt, dass eine gleichlaufende Auslegung von straf- und ausweisungsrechtlichem Unterstützungsbegriff nicht geboten ist (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701). Die nicht deckungsgleichen Ziele des Strafrechts einerseits und des Rechts der Gefahrenabwehr andererseits schließen die Möglichkeit einer effektiven Abwehr terroristischer Gefahren einzig über das Strafecht oder auf der Grundlage der dieses Rechtsgebiet prägenden Begrenzungen aus. Strafe im verfassungsrechtlichen Sinne, verstanden als auch „sozialethisches Unwerturteil“ (so: BVerfG, Beschluss vom 09.07.1997 - 2 BvR 1371/96 -, BVerfGE 96, 245) dient als reaktive Maßnahme vornehmlich dem Schuldausgleich, die Prävention ist nur ein Teilaspekt der Strafzumessung und diese ist wiederum begrenzt durch die individuelle Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB). Damit ist sie im Kern auf die Aufarbeitung schon geschehener oder versuchter Taten (§ 22 StGB) begrenzt. Ihre daher nur punktuell zulässige Erstreckung auf Vorfeldaktivitäten steht, wie die §§ 89a, 129a, 129b StGB und die dazu ergangene Rechtsprechung deutlich machen, in einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis, das es ausschließt, eine hinreichend effektive, insbesondere aktive und rechtzeitige Abwehr künftiger Gefahren nach Opportunitätsgesichtspunkten über Strafvorschriften oder unter Bindung an deren Begrenzungen zu gewährleisten.
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Wenn der Kläger sich schließlich darauf beruft, stets nur an erlaubten (präziser: nicht verbotenen) Veranstaltungen teilgenommen zu haben bzw. teilzunehmen und stets nur für nicht verbotene Vereine tätig zu sein, greift dies aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht durch: Aus rechtlichen nicht, da § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Gegensatz zu Nr. 3 der Vorschrift gerade nicht auf ein Verbot abstellt und ein solches deren Mitglieder vermehrt zu konspirativem Verhalten veranlassen kann, ohne dass damit für die Gefahrenabwehr viel gewonnen wäre. Es kann daher aus Gründen der Gefahrenabwehr opportun sein, von einem solchen abzusehen. Aus tatsächlichen nicht, da es fern liegt, annehmen zu wollen, dem Kläger sei das auch terroristische Verhalten der PKK in der Türkei entgangen und er sei sich im Unklaren über die Bedeutung seines eigenen Tuns, zumal er sich augenscheinlich fast ausschließlich mit der Kurdenthematik zu beschäftigen scheint und er die vom Gericht mitgeteilten Erkenntnisse zur PKK sowie der YEK-KOM bzw. NAV-DEM noch nicht einmal ansatzweise in Abrede gestellt hat (dazu sogleich unten).
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Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen, weitere herausgehobene Tätigkeiten als Redner und Organisator von PKK-nahen Veranstaltungen und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten Aktionen und Veranstaltungen solcher Vereinigungen.
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Im Einzelnen sind dem Kläger zunächst die sich aus der Ausweisungsverfügung ergebenden Aktivitäten bis zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis an ihn vorgehalten worden, auf die hier verwiesen wird (Ziffer 1.2. der Ausweisungsverfügung, Seite 3 bis 9; Blatt 16, unten, bis einschl. Blatt 23, erster Absatz oben, der Akte des Verwaltungsgerichts) und die von diesem ebenso wenig in Abrede gestellt werden, wie die weiteren, die der Kläger nach Mitteilung des Beklagten an ihn im Juli 2010, dass eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung mit Blick auf seine Aktivitäten zu Gunsten der PKK geprüft werde, entfaltet hat:
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- Am 5. Dezember 2010 nahm er an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim in der Siedlerhalle teil. Dort waren eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht. Ein in Guerillauniform auftretender Redner lobte die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe. Dies habe man dem großen Führer Apo und den Parteimärtyrern zu verdanken. Man dürfe auch die Kämpfer an der Front nicht vergessen, die man von hier aus grüße. Ein weiterer Redner referierte über die Geschichte der PKK.
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- Am 20. Februar 2011 nahm der Kläger an einer Mitgliederversammlung der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. (KG HN) teil. Nach einer Schweigeminute für die Märtyrer Kurdistans und der ganzen Welt referierte er über die unzureichende Vorstandstätigkeit des Vereins und forderte dazu auf, verstärkt Mitglieder zu werben. Er wisse, dass im Raum Heilbronn 500 bis 600 kurdische Familien lebten, die meisten von ihnen hätten aber nur deswegen keinen Kontakt zum Verein, weil sie Angst vor den deutschen Behörden hätten. Es bestünde kein Grund zur Furcht, da alles angemeldet und der Verein absolut legal sei. Der Kläger bat die Anwesenden, auf die Kurden zuzugehen, mit ihnen zu reden und ihnen die Angst zu nehmen.
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Nach Durchführung der Sicherheitsbefragung am 23. Februar 2011:
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- Am 5. August 2011 war der Kläger in der Yeni Özgür Politika (YÖP) abgebildet, dies anlässlich einer Kampagne zur Anerkennung der kurdischen Identität, organisiert von der YEK-KOM. Laut der Berichterstattung hat er im Heilbronner Verein über die Ziele der Kampagne informiert.
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- Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums Mannheim vom 30. Januar 2012 war der Kläger am 4. November 2011 Teilnehmer und Redner bei einem Aufzug mit Kundgebung in Mannheim zum Thema „türkische Regierung verwendet Napalmgas und chemische Waffen gegen die türkische Bevölkerung/Schluss mit der Isolationshaft von Öcalan/Schluss mit den Verhaftungswellen in der Türkei gegen die kurdischen Politiker“. Der Redebeitrag des Klägers habe den Eindruck hoher Emotionalität vermittelt.
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- Am 2. Dezember 2011 nahm er an einer Gedenkfeier zum 33. Partei-gründungs-Jahrestag, dem 27. November 1978, in Heilbronn teil. Auch dort hingen Bilder von Öcalan und Parteifahnen, auch der ERNK, der früheren Propagandaorganisation der PKK. Nach einer Gedenkminute für die kurdischen Märtyrer und der Begrüßung schilderte ein Redner die Parteigründung durch Öcalan und dessen Genossen. Die Erfolgsgeschichte der Partei dauere bis heute an, leider aber auch ihre Schwierigkeiten, bedauerlicherweise auch in Europa. Es sei erforderlich, die Partei zu unterstützen. Es wurden mehrfach Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert. Auch dort waren fast ausschließlich PKK-Unterstützer zugegen.
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- Am 13. Dezember 2011 wurde der Kläger erneut in der YÖP anlässlich eines Vereinskongresses in Stuttgart erwähnt. Er forderte dort die hier lebenden Kurden auf, stärker für ihre Identität einzutreten.
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Nach Verfügung der Ausweisung am 10. Januar 2012:
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- In der YÖP vom 14. Februar 2012 wurde er als Teilnehmer des 3. Kongresses der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. abgebildet. Er führte dort in seiner Rede aus, dass die Kurden in der Türkei und in Europa unter Beschuss stünden, da ihnen die Existenz ihrer eigenen Kultur abgesprochen werde.
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- Aus dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden Württemberg vom 19. Dezember 2012 ergibt sich, dass der Kläger zwar das Amt des 2. Vorsitzenden der YEK-KOM seit Ende 2011 nicht mehr ausübt, er jedoch bereits im Mai 2012 erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt wurde.
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- In dieser Funktion ist er ausweislich des weiteren Berichts des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2013 beispielsweise als Versammlungsleiter des 20. kurdischen Kulturfestivals am 8. September 2012 in Mannheim in Erscheinung getreten. Bei dieser Veranstaltung kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Polizeibeamte.
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- Er ergriff am 16. Januar 2013 in Mannheim im Rahmen einer Solidaritätsdemonstration für die drei in Paris ermordeten PKK-Aktivistinnen das Wort und verurteilte das Attentat scharf. Er vertrat die Meinung, dass die Morde nicht nur in den Personen der Aktivistinnen angesiedelt seien, sondern auch auf politische Überlegungen zurückzuführen seien, die einen Fortbestand der kriegerischen Auseinandersetzungen der Heimat zum Ziel hätten. Die Geheimdienste stünden hinter diesem Anschlag. Der französische Staat könne diesen problemlos aufklären, wenn er dies nur wolle. Folglich müssten die Kurden einen legitimen demokratischen Druck auf den französischen Staat ausüben. Der Kläger rief zu Sitzstreiks in allen Städten mit französischen Botschaften und ähnlichen Einrichtungen auf, bis eine Aufklärung des Attentats erfolgt sei.
102 
- Am 21. Mai 2013 war der Kläger im Namen der YEK-KOM bei den Vorstandswahlen der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. anwesend.
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- Am 8. September 2013 fungierte der Kläger als Versammlungsleiter bei einer Mitgliederversammlung mit Vorstandswahl des PKK-nahen mesopotamischen Anadolu Kulturvereins e.V. (MAK). Zur PKK-Nähe des MAK Lahr sei auf den Bericht des Landesamtes vom 9. März 2010 an das Innenministerium zu verweisen.
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- Am 29. April 2014 war der Kläger in der YÖP als Teilnehmer des Gründungskongresses des kurdischen-demokratischen Gesellschaftszentrums am 27. April 2014 in den Räumlichkeiten des PKK-nahen kurdischen Kulturvereins e.V. in ... abgebildet.
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- Am 10. Oktober 2015 hielt der Kläger anlässlich einer Protestaktion in Frankfurt im Namen der NAV-DEM eine Rede.
106 
Nach „Auflösung“ der YEK-KOM am 22. Juni 2014 ließ sich der Kläger am selben Tag in gleicher Sitzung, zusammen mit einem weiteren Vorstandsmitglied der YEK-KOM, in den fünfköpfigen Vorstand der NAV-DEM wählen. Diese Vorstandstätigkeit übt er bis heute aus, und er ist in dieser Funktion seitdem auch als Redner und Versammlungsleiter auf zahlreichen Veranstaltungen aufgetreten, die erkennbar der Propaganda für die PKK dienten. Der Kläger engagiert sich damit seit langem ohne Zäsur in herausgehobener Position unterstützend für die PKK.
107 
Daran, dass die YEK-KOM die PKK unterstützt hat, bestehen weiterhin keine vernünftigen Zweifel. Hierzu hat der Senat schon in seinem Urteil vom 7. Dezember 2011 - 11 S 897/11 -, juris Rn. 47, das vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418, bestätigt wurde, ausgeführt:
108 
„Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder - nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM - für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
109 
Für die NAV-DEM gilt insoweit nicht anderes. Soweit der Kläger unter Verweis auf schriftliche Erklärungen der NAV-DEM meint, dass diese eine andere Ausrichtung als die YEK-KOM habe, nämlich den Kampf gegen den IS, die Förderung der Integration der in Deutschland lebenden Kurden und die Gleichstellung und die Gleichberechtigung der Frauen, überzeugt dies den Senat nicht. Das Verwaltungsgericht hat schon zu Recht auf die fehlende tatsächliche Veränderung der Aktivitäten des Vereins abgestellt, der zudem nicht neu gegründet, sondern nur umbenannt wurde. Es verweist zutreffend auf die Pressemitteilung des Vereins vom 18. Juli 2014, aus der sich ergibt, dass die NAV-DEM selbst nach eigenem Verständnis die Arbeit der YEK-KOM fortführt. Die vom Senat eingesehene Internetpräsenz (navdem.com) bestätigt dies, die Überschrift der Pressemitteilung vom 18. Juli 2014 lautet:
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„YEK-COM heißt jetzt NAV-DEM“
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Die weiteren dort aufgeführten Pressemitteilungen verdeutlichen im Übrigen die Fortführung der Veranstaltungen und Kundgebungen mit gleichem Ablauf und gleichen Themen wie zuvor schon unter dem Namen YEK-KOM:
112 
- Eintrag vom 7. September 2014, Interview mit Yüksel Koc „Das Verbot kriminalisiert die Kurden“, anlässlich einer Festnahme eines Mannes durch die Generalbundesanwaltschaft, der Geld für die PKK gesammelt haben soll, was, nach Koc, eine Kriminalisierung politischer Arbeit bedeute, da dieser selbst keine Gewalt ausgeübt habe.
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- Eintrag zur Kundgebung am 13. September 2014 in Düsseldorf unter dem Motto „Freiheit für Öcalan - Status für die Kurden“.
114 
- Eintrag vom 6. März 2015: Aufruf zur Newroz-Demonstration am 21. März 2015 in Bonn.
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Der Beklagte hat zudem unwidersprochen und zutreffend darauf hingewiesen, dass NAV-DEM und YEK-KOM identische Logos auf ihren Internetpräsenzen verwenden und der Vorsitzende der NAV-DEM im März 2014 erklärt habe, man könne die deutsche Demokratie nicht akzeptieren. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz geht in seiner Broschüre zur „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ vom Juli 2015, dort S. 18, davon aus, dass die NAV-DEM in Nachfolge der YEK-KOM wie diese auch als Dachverband von örtlichen Vereinen diene, in denen die PKK Informationen steuere und Vorgaben umsetze und dass sich die NAV-DEM durch eine aktive Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit sowie den Aufbau von Kontakten zu politischen Entscheidungsträgern bemühe, weitere Unterstützung für deren Anliegen zu erhalten. Diese Einschätzung teilt der Senat aufgrund der dargestellten tatsächlichen Umstände und sieht sich dabei auch die Aktivitäten des Klägers selbst bestätigt.
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Soweit der Kläger meint, dass es dem Verwaltungsgericht an ausreichender Sachkunde gefehlt habe, um eine Änderung des Aufgabenspektrums zu verneinen, erschöpft sich dies in einer schlichten Behauptung, die auf nichts gestützt wird. Sämtliche vom Verwaltungsgericht und dem Beklagten ausführlich dargelegten tatsächlichen Aktivitäten der YEK-KOM und nachfolgend der NAV-DEM sowie der Redner und Teilnehmer an deren Veranstaltungen lässt der Kläger gänzlich unkommentiert, obwohl es ihm als 2. Vorstandsmitglied der NAV-DEM ein Leichtes sein müsste, Tatsächliches zum Verein vorzubringen, das die Wertungen des Verwaltungsgerichts und des Beklagten diesbezüglich erschüttern würde. Es spricht hier daher auch nach Überzeugung des Senats nichts dafür, dass sich an der Ausrichtung oder dem Aktivitätenspektrum etwas geändert haben könnte, zumal es seitens des Vereins zu keinem Zeitpunkt zu eine Distanzierung von der PKK oder auch nur der YEK-KOM gekommen ist.
117 
Dem Beweisantrag des Klägers war vor diesem Hintergrund nicht nachzugehen, zumal etwaige weitere Vereinsziele, die unter Beweis gestellt worden sind, die dargelegten Aktivitäten und Zielrichtungen nicht neutralisieren. Überdies konnte der Kläger nicht dartun, weshalb der von ihm benannte Sachverständige hinreichende Sachkunde haben könnte. Dies hätte ihm oblegen, weil der auf die Bestrebungen und Ziele der NAV-DEM gerichtete Beweisantrag die Benennung eines Sachverständigen erforderte, der über eine spezielle Sachkunde, nämlich über interne Kenntnisse über die NAV-DEM, verfügt, die nicht von jedem Sachverständigen gleichermaßen reproduzierbar ist (vgl. Krehl, in: Karlsruher Kommentar StPO, 7. Aufl., 2013, § 244 StPO, Rn. 80).
118 
Bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied sind dem Kläger sämtliche Aktionen der YEK-KOM und der NAV-DEM zuzurechnen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris, Rn. 50, m. w. N.). Soweit der Kläger dies bezweifelt, ist dies nicht nachvollziehbar, da er selbst darauf hinweist, dass die von ihm insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darauf abstellt, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit unter Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände vermutet werden könne. Unbeschadet dessen bestehen für den Senat aber auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass die vom Kläger entfalteten Aktivitäten von diesem in dem Bewusstsein und mit dem Willen erfolgt sind und erfolgen, die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Das wird deutlich, wenn man das Verhalten des Klägers seit 2004 und auch nach Juli 2010 in der gebotenen Gesamtschau in den Blick nimmt, wie es der Beklagte - vom Kläger unwidersprochen - geschildert hat. Der Aspekt des Vertrauensschutzes gebietet es nicht, bei der Würdigung des Verhaltens des Klägers dessen früheres Verhaltes insgesamt auszublenden. Ein schützenswertes Vertrauen besteht nur insoweit, als die zuvor entfalteten Aktivitäten für sich genommen keine Ausweisung mehr rechtfertigen können. Bei der notwendigen Bewertung neuer, nachfolgender Aktivitäten kann weiterhin auf das gesamte Verhalten des Ausländers zurückgegriffen werden (Discher, a.a.O., Rn. 391; BVerfG, Beschluss vom 19.08.1983 - 2 BvR 1284/83 -, NVwZ 1983, 667; OVG Bln.-Bbg., Beschluss vom 24.10.2013 - OVG 3 N 169.12 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris).
119 
Nach wie vor engagiert sich der Kläger unbeschadet des Ausweisungsverfahrens im Rahmen des Vereins als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter und Redner an Veranstaltungen, die angesichts deren Ablaufs, der dort gehaltenen Reden und der klaren Ausrichtung auf den Führerkult um Öcalan und gefallene Märtyrer auch für den Senat keinen Zweifel aufkommen lassen, dass der Kläger sich, wie auch die NAV-DEM, den Zielen der PKK verpflichtet fühlt, diese mit ihrem Tun unterstützen will und dabei deren Mittel umfassend zumindest billigt, insbesondere auch deren spezifisch als terroristisch zu qualifizierendes Handeln. Seine Teilnahme an Veranstaltungen, wie der am 5. Dezember 2010 an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim, bei der eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht waren und in der ein in Guerillauniform auftretender Redner die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation lobte, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe und in der ausgeführt wurde, dass man dies dem großen Führer „Apo“ (gemeint ist Öcalan) und den Parteimärtyrern zu verdanken habe und man die Kämpfer an der Front nicht vergessen dürfe, die man von hier aus grüße, verdeutlichen dies in aller Klarheit. Für seine Teilnahme an einer Gedenkfeier zum 33. Parteigründungs-Jahrestag in Heilbronn am 2. Dezember 2011, bei der zur Unterstützung der PKK aufgefordert und Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert wurden, gilt nichts anderes. Soweit man aus den weiteren dargestellten Aktivitäten des Klägers ableiten wollte, dass dieser sich nach Erlass der Ausweisungsverfügung gemäßigter verhält, ist dies nach Überzeugung des Senats mit Blick auf das laufende Verfahren taktisch motiviert und lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger, der weiterhin eine führende Rolle in der NAV-DEM spielt, von seinem bisherigen Verhalten glaubhaft Abstand nimmt (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz AufenthG). Sein beredtes Schweigen zu sämtlichen vom Beklagten zusammengetragenen Tatsachen macht dies deutlich.
120 
Das gegenteilige Bild, das der Kläger von seiner Motivation und Haltung zeichnet, ohne hierfür nachvollziehbare Fakten zu benennen, steht daher in offenem Widerspruch zu seinem tatsächlichen Verhalten. Im Übrigen erschöpft sich sein Vortrag hierzu in dem Versuch einer Umdeutung seines Verhaltens, die schon im Ansatz nicht überzeugt. Es ist das eine, um Verstorbene zu trauern oder ihrer zu gedenken, aber etwas gänzlich anderes, Veranstaltungen als Redner oder in Vereinsfunktion zu gestalten oder vorbehaltlos an solchen teilzunehmen, die etwa von in Guerillauniform auftretenden Rednern geprägt werden und in denen der Kampf der PKK in der Türkei glorifiziert wird. Erkennbar geht es auf den vom Kläger mitgestalteten und besuchten Veranstaltungen nicht einfach um die legitime Kundgabe von Meinungen, sondern immer auch um die gezielte moralische, finanzielle und personelle Unterstützung des für legitim gehaltenen und auch terroristische Mittel einsetzenden Kampfes der PKK. Dass damit die PKK auch in der Wahl ihrer Mittel vorbehaltlos unterstützt wird, kann dem Kläger nicht entgangen sein, nachdem dort Auftritte in Guerillauniform stattfinden, den „Märtyrern“ gedacht wird und den Kämpfern an der Front Grußbotschaften gesandt werden. Es greift daher auch viel zu kurz, wenn der Kläger meint, dass es hier um einen ungerechtfertigten Eingriff in sein Recht auf freie Meinungsäußerung gehe. Soweit er daher darauf abstellen will, dass der Sinn von Äußerungen einen deutlich erkennbaren Bezug zur Förderung der PKK aufweisen müsse, mag man dem zustimmen, ein solcher Bezug wird hier aber entgegen der Auffassung des Klägers auch in seinem Handeln deutlich.
121 
Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheits-resolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung einer Gefahr in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, da das konsequent fortgesetzte Handeln des Klägers die gesetzliche Festlegung bestätigt.
122 
2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
123 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Soweit die Vorgaben in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen sind, wovon nach dieser Gesetzesbegründung auszugehen ist (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus), kann daher aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
124 
Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger weder Arbeitnehmer im Sinne des Art. 6 ARB 1/80 noch Familienangehöriger eines solchen Arbeitnehmers nach Art. 7 ARB 1/80 ist, nachdem er in der Vergangenheit nur sporadisch und jeweils nur in kurzen Zeiträumen abhängig beschäftigt gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann. Das wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.
125 
Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
126 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154; a. A.: BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 -, juris), klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
127 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, ist vorliegend auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
128 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
129 
In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
130 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
131 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Einstufung der PKK als eine den Terrorismus jedenfalls unterstützende Vereinigung, deren Unterstützung durch die YEK-KOM bzw. NAV-DEM „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründet. Daran anschließend sind die vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen aufgrund dessen, dass diese von ihm in herausgehobener Funktion für YEK-KOM und NAV-DEM, auf zahlreichen Veranstaltungen seit über zwölf Jahren, unter Beteiligung von offen für die PKK werbenden und deren Kurs vorbehaltlos befürwortenden Akteuren (Auftreten in Guerillauniform, Märtyrergedenken, Grußbotschaften an die Kämpfer an der Front usw.) geleistet wurden und weiter geleistet werden, nicht anders zu bewerten, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat und weiterhin handelt. Diese Bewertung des eine Gefahr für die nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung begründenden Verhaltens des Klägers ist vor diesem Hintergrund auch nicht deshalb zu relativieren, weil die NAV-DEM nicht verboten ist und der Kläger sich im Rahmen von ebenfalls nicht verbotenen Veranstaltungen betätigt hat. Weder entfällt deswegen das Gewicht seiner Unterstützungshandlungen für die PKK noch ergibt sich daraus, dass sich der Kläger über sein Tun im Unklaren gewesen wäre. Dass es gerade aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr geboten sein kann, von einem Vereinsverbot abzusehen, wurde schon dargelegt. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
132 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
133 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
134 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
135 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
136 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nur für jeweils kurze und länger zurückliegende Zeiträume überhaupt einer solchen nachgegangen ist.
137 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk...). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m. w. N.).
138 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
139 
Nach all ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes.
140 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). Insoweit geht der Senat aufgrund der nicht weiter spezifizierten Angabe des Klägers, wonach sechs seiner sieben Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, davon aus, dass jedenfalls auch die noch in seinem Haushalt lebenden minderjährigen Kinder diese besitzen. § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
141 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen oder diesen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen (Bsp.: § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren; § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: 30-jähriger rechtmäßiger Aufenthalt). Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
142 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen.
143 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
144 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
145 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 17 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
146 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m. w. N.).
147 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m. w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a. a. O.).
148 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, juris, Rn. 24). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war nur sporadisch und für kürzere Zeiträume überhaupt erwerbstätig und ist seit längerem von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
149 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
150 
Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
151 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht in Bezug auf die Frage der Verhältnismäßigkeit aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492).
152 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
153 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
154 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren sicherlich gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
155 
Nicht verfahrensgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, nachdem der Kläger mit seinem Berufungsantrag, der gemäß § 124a Abs. 3 VwGO nicht nur begründende sondern auch begrenzende Wirkung hat, alleine die Aufhebung der Ausweisungsverfügung des Beklagten beantragt und er auch in seiner Berufungsbegründung auf die Befristungsfrage nicht abgestellt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2011 - 2 B 37.10 -, juris).
156 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
157 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
158 
Beschluss vom 13. Januar 2016
159 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
160 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
47 
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete (§ 124a Abs. 6 und Abs. 3 Satz 4 VwGO) Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 2015 ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Ausweisungsverfügung den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO) (I.). Nicht streitgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, gegen die sich der Kläger mit seinem Berufungsantrag nicht wendet (II.).
I.
48 
Die Ausweisungsverfügung ist auf § 53 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung (Art. 9 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BGBl. I, S. 1386 <1399>) zu stützen; maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der der mündlichen Verhandlung des Senats (BVerwG, Urteil vom 04. Oktober 2012 - 1 C 13.11 -, Rn. 16, BVerwGE 144, 230, Rn. 16 und vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 -, BVerwGE 143, 277, Rn. 12).
49 
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer ausgewiesen, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dieser Grundtatbestand des neuen Ausweisungsrechts umreißt die Ausweisungszwecke auf tatbestandlicher Ebene, die in § 54 AufenthG in vertypter und zugleich gewichteter Form als Ausweisungsinteressen ausdifferenziert werden. Nicht mehr entscheidungserheblich ist danach, ob der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren seine Ermessenserwägungen in hinreichender Form nachgebessert hat (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 1 C 20.11 -, juris). Denn ein Ermessen ist der Ausländerbehörde aufgrund des gesetzlichen Systemwechsels, hin zu einer gebundenen Entscheidung auf Tatbestandsseite, nicht mehr eingeräumt (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Ausweisung, Überblick, Stand: 18.01.2016, Rn. 1; terminologisch unzutreffend daher: Marx, Aufenthalts- Asyl- und Flüchtlingsrecht, 5. Aufl. 2015, § 7, Rn. 163).
50 
Hier erfüllt das Verhalten des Klägers das danach besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (1.). § 53 Abs. 3 AufenthG modifiziert den Ausweisungsmaßstab im Sinne erhöhter Anforderungen an das Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung, sofern die in dieser Vorschrift aufgeführten Personengruppen betroffen sind. Der Kläger unterfällt als anerkannter Flüchtling dieser Regelung (2.). Dem Ausweisungsinteresse gegenüberzustellen ist das Bleibeinteresse des Ausländers nach § 55 AufenthG, das der Gesetzgeber ebenfalls vertypt und zugleich gewichtet, aber nicht abschließend aufgeführt hat (3.). § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, im konkreten Fall in Form des Interesses an der Beendigung des weiteren rechtmäßigen Aufenthalts, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende umfassende und abschließende Abwägung des Ausweisungsinteresses mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände einzubeziehen sind (4.). Aus all dem folgt auch, dass die Ausweisung vorliegend nicht gegen die assoziationsrechtlichen Stand-Still-Klauseln verstößt (5.).
51 
1. Im Fall des Klägers liegt ein besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, der bestimmt, dass ein solches im Sinne von § 53 Absatz 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wovon - unter anderem dann - auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
52 
Der Kläger unterstützt seit längerem und auch aktuell die PKK, eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung (a.), und dies überwiegend in herausgehobener Funktion (b.).
53 
a.) Das Aufenthaltsgesetz selbst enthält keine eigene Definition des Terrorismus. Da die - insoweit - tatbestandlich deckungsgleichen Vorgängervorschriften des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; § 54 Nr. 5 AufenthG a. F.) auf die UN-Sicherheitsratsresolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 zurückgehen (Art. 11 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 09.01.2002, BGBl I, Nr. 3, S. 361; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 1. Aufl., 2012, S. 187) und diese das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl 2003 II, S. 1923) in Bezug nimmt, wird in der Rechtsprechung zunächst auf die Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens abgestellt (BVerwG, Urteile vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, BVerwGE 147, 261 und vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, BVerwGE 123, 114; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris). Danach ist eine terroristische Straftat als eine Handlung definiert,
54 
„die den Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Zivilperson oder einer anderen Person, die bei einem bewaffneten Konflikt nicht aktiv an den Feindseligkeiten teilnimmt, herbeiführen soll, wenn diese Handlung aufgrund ihres Wesens oder der Umstände darauf abzielt, die Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder internationale Organisation zu einem Tun oder Unterlassen zu nötigen“.
55 
Im Weiteren wird auf den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (2001/931/GASP) Bezug genommen (ABl. L 344 vom 28.12.2001, S. 93, juris), der in seinem Artikel 1 Abs. 3 terroristische Handlungen wie folgt definiert:
56 
„Im Sinne dieses Gemeinsamen Standpunkts bezeichnet der Ausdruck "terroristische Handlung" eine der nachstehend aufgeführten vorsätzlichen Handlungen, die durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen kann und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert ist, wenn sie mit dem Ziel begangen wird,
57 
i) die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder
58 
ii) eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigterweise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder
59 
iii) die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören:
60 
a) Anschläge auf das Leben einer Person, die zum Tode führen können;
61 
b) Anschläge auf die körperliche Unversehrtheit einer Person;
62 
c) Entführung oder Geiselnahme;
63 
d) weit reichende Zerstörungen an einer Regierungseinrichtung oder einer öffentlichen Einrichtung, einem Verkehrssystem, einer Infrastruktur, einschließlich eines Informatiksystems, einer festen Plattform, die sich auf dem Festlandsockel befindet, einem allgemein zugänglichen Ort oder einem Privateigentum, die Menschenleben gefährden oder zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen können;
64 
e) Kapern von Luft- und Wasserfahrzeugen oder von anderen öffentlichen Verkehrsmitteln oder Güterverkehrsmitteln;
65 
f) Herstellung, Besitz, Erwerb, Beförderung oder Bereitstellung oder Verwendung von Schusswaffen, Sprengstoffen, Kernwaffen, biologischen und chemischen Waffen sowie die Forschung und Entwicklung in Bezug auf biologische und chemische Waffen;
66 
g) Freisetzung gefährlicher Stoffe oder Herbeiführen eines Brandes, einer Explosion oder einer Überschwemmung, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
67 
h) Manipulation oder Störung der Versorgung mit Wasser, Strom oder anderen lebenswichtigen natürlichen Ressourcen, wenn dadurch das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wird;
68 
i) Drohung mit der Begehung einer der unter den Buchstaben a) bis h) genannten Straftaten;
69 
j) Anführen einer terroristischen Vereinigung;
70 
k) Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung einschließlich durch Bereitstellung von Informationen oder materiellen Mitteln oder durch jegliche Art der Finanzierung ihrer Aktivitäten in dem Wissen, dass diese Beteiligung zu den kriminellen Aktivitäten der Gruppe beiträgt.
71 
Im Sinne dieses Absatzes bezeichnet der Ausdruck "terroristische Vereinigung" einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die in Verabredung handeln, um terroristische Handlungen zu begehen. Der Ausdruck "organisierter Zusammenschluss" bezeichnet einen Zusammenschluss, der nicht zufällig zur unmittelbaren Begehung einer terroristischen Handlung gebildet wird und der nicht notwendigerweise förmlich festgelegte Rollen für seine Mitglieder, eine kontinuierliche Mitgliedschaft oder eine ausgeprägte Struktur hat.“
72 
Bei der hiernach erforderlichen wertenden Gesamtschau sind insbesondere die Ausübung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung als auch der Einsatz gemeingefährlicher Waffen zur Durchsetzung politischer Ziele für terroristische Handlungen kennzeichnend, daneben aber auch Tötungen von abtrünnigen Mitgliedern der eigenen Organisation oder von Sicherheitskräften, sofern die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. d und f des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 nicht erfüllt sind (OVG NRW, Urteil vom 02.07.2013 - 8 A 5118/05.A -, juris, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285; BVerwG, Urteile vom 07.07.2011 - 10 C 26.10 -, juris und vom 04.09.2012 - 10 C 13.11 -, BVerwGE 144, 230; jew. zum Ausschluss der Asylberechtigung wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten der PKK) bzw. eine Rechtfertigung über Art. 43 i. V. m. Art. 1 Abs. 4 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte vom 08. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1551) nicht in Betracht kommt (so: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, verneinend zur PKK), Der Senat ist sich danach bewusst, dass für die Definition des Terrorismus nicht schlicht auf die Anwendung von Gewalt abgestellt werden kann und auch Konstellationen denkbar sind, bei denen sich eine Gewaltanwendung als legitimes Mittel zur Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands darstellt.
73 
Davon ausgehend gibt der vorliegende Fall dem Senat keinen Anlass, seine bisherige Bewertung zu revidieren, dass es sich bei der PKK um eine terroristische bzw. eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung handelt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris; Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, NVwZ-RR 2012, 412).
74 
Die PKK ist auch weiterhin auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt (vgl. Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 02.05.2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GSAP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2002/340/GSAP -, ABl. EG L 116 vom 03.05.2002, S. 75, zuletzt aktualisiert mit Beschluss 2015/2430 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 337 vom 22.12.2012, S. 18 und die Durchführungsverordnung 2015/2425 des Rates vom 21.12.2015, ABl. L 334 vom 22.12.2015, S. 1), was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Feststellung erlaubt, dass die Vereinigung terroristischer Art ist (Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09, C-101/09 -, NVwZ 2011, 285). Folgt man der Auffassung der Generalanwältin Sharpston, die in der Aufnahme einer Organisation in die Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 „auf den ersten Blick“ einen „deutlichen Anhaltspunkt dafür“ sieht, „dass die Organisation entweder eine terroristische Organisation ist oder (gestützt auf Beweise, die ihrerseits rechtlich angegriffen werden können) im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein“ (EuGH, Schlussanträge vom 11.09.2014, C- 373/13 -, juris, Rn. 95), führt dies in Bezug auf die PKK zu keiner anderen Bewertung. Der Senat geht unbeschadet der Listung der PKK davon aus, dass von dieser keine Bindungswirkung ausgeht und daher eine eigenständige gerichtliche Prüfung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht entbehrlich ist (so auch: BayVGH, Beschluss vom 08.05.2009 - 19 CS 09.268 -, juris; a. A.: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 83), gleichwohl handelt es sich um ein gewichtiges Indiz, zumal gegen eine Listung effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird (Bauer, in: Sinn/Zöller, Neujustierung des Strafrechts durch Terrorismus und Organisierte Kriminalität, 2013, 103 <111>, unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2012 - C-539/10 P, 550/10 P -, juris).
75 
Der Senat legt in tatsächlicher Hinsicht zunächst die im bisherigen Verfahren vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Aktivitäten der PKK zu Grunde, die der Kläger auch nicht in Frage stellt (Ziffer 2.1.1. der Ausweisungsverfügung, Blatt 25 bis 27 der Akte des Verwaltungsgerichts; Ziffer 1. a) des Urteils des Verwaltungsgerichts, Seite 8, unten, letzter Absatz bis Seite 10, Blatt 8 bis 10 der Gerichtsakte).
76 
Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die PKK, wie in den in Bezug genommenen Entscheidungen des Senats und in dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts schon ausgeführt, zu keinem Zeitpunkt ernst- und dauerhaft von terroristischen Aktionen Abstand genommen hat, da von ihr ausgerufene Waffenruhen stets wieder beendet wurden. Selbst während solcher Waffenruhen kam es weiterhin zu terroristischen Aktivitäten. Die Global Terrorism Database der University of Maryland (start.umd.edu unter dem Stichwort PKK) listet in ihrer aktuell bis Ende 2014 reichenden Datensammlung zahlreiche terroristische Aktivitäten in der Türkei auf, die der PKK bzw. deren militärischen Arm, der HPG, zugerechnet werden. In zwei - im Übrigen gravierenden - Fällen aus dem Jahr 2014 hat diese sogar ausdrücklich die Verantwortung für Anschläge übernommen, und zwar für einen Angriff am 26. September 2014 auf Verkehrspolizisten zwischen Diyarbakir und Bitlis, bei der drei Polizisten getötet und zwei verwundet wurden und einen weiteren „Granatenangriff“ auf eine Fabrikanlage am 24. Oktober 2014 in Kagizman, in der Provinz Kars, bei der drei der Angreifer getötet wurden. Wie sich der aktuellen Tagespresse und den weiteren Erkenntnismitteln des Gerichts entnehmen lässt, hat die PKK zuletzt Ende Juli 2015 die zuvor etwa zwei Jahre währende (relative) Waffenruhe ausdrücklich aufgekündigt. Es kam in der Folge, als Reaktion auf einen Anschlag in der türkischen Stadt Suruc, zur Ermordung zweier türkischer Polizisten in Ceylanpinar, zu der sich die PKK bekannt hat, und in der Folge zudem zu Auseinandersetzungen von pro-türkischen und pro-kurdischen Gruppen auch in Deutschland (Deutscher Bundestag, „Konflikt zwischen der Türkei und PKK“, Parlamentsnachrichten vom 22.10.2015; tagessschau.de, „PKK bekennt sich zu Anschlag auf Polizisten“, 22.07.2015, 15:29 Uhr; Deutschlandfunk.de, „PKK fühlt sich nicht mehr an erklärten Gewaltverzicht gebunden“, 05.11.2015; Wladimir van Wilgenburg, jamestown.org, TerrorismMonitor, Vol. XIII, Issue 19, 17.09.2015, „Turkey`s New Syria Policy: Preventing Islamic State an Kurdish Expansion“, S. 6 f.). Die Australian National Security weist in einer aktuellen Stellungnahme zur PKK darauf hin, dass diese zwar im Zuge der Waffenruhe mit dem türkischen Staat ihre terroristischen Aktivitäten heruntergefahren habe, gleichwohl aber seit dem 20. August 2012 über 50 Menschen durch Attacken der PKK ums Leben gekommen und über 300 gekidnappte Kinder zwischen Dezember 2013 und Mai 2014 zu verzeichnen gewesen seien (nationalsecurity.gov.au/listedterrororganisations/pages/kurdistanworkersparty). Entführungen von Kindern zur Erpressung von Geldzahlungen werden auch durch eine weitere seriöse Quelle bestätigt: M. M. berichtet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 31. Oktober 2015 in einem ausführlichen Hintergrundbericht („Die heimlichen Herrscher von Diyarbakir“, S. 7) von einer größer werdenden Abhängigkeit gewählter Politiker der HDP von der PKK in den kurdischen Gebieten der Türkei mit nach Auskunft von kurdischen Menschenrechtlern, wie etwa S. B., fatalen Folgen für jene Kurden, die bei der PKK nicht wohlgelitten seien: „Die PKK sieht sich keinen moralischen oder rechtlichen Werten unterworfen“, so B.. Wer ins Fadenkreuz der PKK gerate, könne auf niemanden hoffen. Die PKK treibe ihre eigenen Steuern ein und entführe Kinder von Leuten, die nicht zahlten. Er, B., sei überrascht, dass man im Ausland so wenig darüber wisse. Und weiter: In Diyarbakir sei es leichter, Erdogan oder den türkischen Staat anzugreifen als die PKK. „Der Preis für Kritik an der PKK kann der Tod sein, das Verbrennen von Autos, Häusern, Büros. Ich habe viele Drohungen bekommen.“, so B..
77 
Angesichts dieser Erkenntnislage kann keine Rede davon sein, die PKK hätte sich zu einer den Menschenrechten und der Demokratie verpflichteten Organisation gewandelt. Die Erschießung von Verkehrspolizisten, der Angriff auf eine Fabrikanlage mit Granaten sowie die Entführung von Kindern zur Finanzierung der eigenen Aktivitäten lassen sich nach Auffassung des Senats nicht als Kampfhandlungen in einem innerstaatlichen Konflikt oder gar als ein völkerrechtlich gerechtfertigtes Handeln in einem solchen bewerten (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274).
78 
Der Senat sieht sich hier auch in Übereinstimmung mit den aktuellen Bewertungen der PKK und deren Teilorganisationen durch den Bundesgerichtshof, (Beschluss vom 03.09.2015 - AK 27/15 -, BeckRS 2015, 16318; vom 19.03.2015 - AK 2/15 -, juris; vom 06.05.2014 - 3 StR 265/13 -, NStZ-RR 2014, 274, auch zur Zurechnung von Taten der TAK zur PKK; vom 16.02.2012 - AK 1/12 und AK 2/12 -, juris, zur KCK und der HPG; Urteil vom 28.10.2010 - 3 StR 179/10 -, NJW 2011, 542; vgl. auch Haverkamp, ZStW 2011, 92 <96>, Fn. 25, die bezüglich der PKK von einer Allianz von Terrorismus mit organisierter Kriminalität ausgeht).
79 
Soweit der Kläger daher auf veränderte politische Umstände und dabei insbesondere darauf abstellen will, dass die PKK sich nunmehr dem Kampf gegen den IS, dem Schutz der Zivilbevölkerung im Norden Syriens verpflichtet fühle, den bewaffneten Kampf gegen die Türkei aufgegeben habe und entgegenstehende Äußerungen hochrangiger Funktionäre der PKK als Teil der Propaganda zwischen der PKK und dem türkischen Staat zu bewerten seien, ist dies auch durch das aktuelle Vorgehen der PKK eindrucksvoll widerlegt. Selbst wenn man mit dem Kläger einmal unterstellt, die PKK sei mit der YPG gleichzusetzen und in Syrien dem Schutz der Kurden und Jesiden verpflichtet, ändert dies nichts an den in der Türkei verübten terroristischen Taten.
80 
b.) Davon ausgehend stellen sich die vom Kläger unbestritten entfalteten Aktivitäten ab Dezember 2010 als Unterstützungshandlungen zu Gunsten der PKK dar, die ihm als Ausweisungsinteresse auch vorgehalten werden dürfen.
81 
Im konkreten Fall können allerdings nur noch diejenigen Aktivitäten des Klägers ein solches begründen, die dieser nach erfolgter Mitteilung im Juli 2010 an ihn, dass wegen seiner Aktivitäten die Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. seine Ausweisung geprüft werde, entfaltet hat. Davor liegende sind aus Gründen des Vertrauensschutzes verbraucht. Denn ein Ausweisungsinteresse ist, wie auch bislang schon ein Ausweisungsgrund, verbraucht, wenn ein Aufenthaltstitel in Kenntnis bzw. in der Sphäre des Staates zuzurechnender Unkenntnis desselben erteilt bzw. verlängert wurde (Discher, in: GK-AufenthG, Juni 2009, Vor §§ 53. ff. AufenthG, Rn. 382 ff., m. w. N.). So liegt der Fall hier. Darauf, ob solche Aktivitäten der den Titel erteilenden Ausländerbehörde tatsächlich selbst bekannt waren, kommt es mit Blick auf den damit bezweckten Vertrauensschutz, der sich aus der Perspektive des betroffenen Ausländers bestimmt, nicht entscheidend an. Vielmehr genügt es, wenn solche Aktivitäten der Ausländerbehörde hätten bekannt sein können, was hier der Fall ist, nachdem diese selbst eine Sicherheitsüberprüfung mit Blick auf vorliegende Erkenntnisse eingeleitet und sodann die Niederlassungserlaubnis erteilt hat, ohne das Ergebnis der Überprüfung abzuwarten. Dass dies unter der - irrigen - Annahme erfolgte, eine Überprüfung sei vorliegend rechtlich nicht erforderlich, ändert hieran nichts.
82 
Diese Aktivitäten des Klägers sind auch überwiegend als Unterstützungshandlungen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu werten, insoweit gelten die Maßstäbe des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I, S. 1950) - AufenthG a. F. und die hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - weiterhin. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt. Dazu zählt zum Beispiel auch jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an wie auf eine subjektive Vorwerfbarkeit. Allerdings kann nicht jede Handlung, die sich zufällig als für die betreffende Vereinigung bzw. den Terrorismus objektiv vorteilhaft erweist, als tatbestandsmäßiges Unterstützen verstanden werden. Vielmehr muss die eine Unterstützung der Vereinigung bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein, nicht vorausgesetzt wird, dass diese ihm auch bekannt ist und er sich dessen bewusst sein muss. Auch fehlt es an einem Unterstützen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon gegebenenfalls deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern soll durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) gefördert werden, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. bzw. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung kann ferner dann in Betracht kommen, wenn durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung - wie der verbotenen PKK - bei einer wertenden Gesamtschau feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt. Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Unterstützung des Terrorismus (oder das Fehlen jeglicher Distanzierung) gewürdigt werden. Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich. Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich (BVerwG, Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, InfAuslR 2005, 374, zur früheren Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG; vgl. auch Beschluss vom 23.09.2011 - 1 B 19.11 -, juris, m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 08.12.2010 - 11 S 2366/10 -, InfAuslR 2011, 105; Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 - juris, vom 21.04.2010 - 11 S 200/10 -, DVBl 2010, 797; vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris; vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris; BayVGH, Urteil vom 29.11.2010 - 11 K 1763/10 -, juris).
83 
Soweit der Kläger die dargestellten rechtlichen Maßstäbe in grundsätzlicher Art angreift, überzeugt dies den Senat nicht.
84 
Der Senat folgt nicht seiner Auffassung, Verfassungs- bzw. Unionsrecht verlangten, dass das individuelle mit der Ausweisung bekämpfte Verhalten des Einzelnen eine konkrete mit der jeweiligen Einzelhandlung verbundene Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter hervorrufe. Ein verfassungs- oder unionsrechtlicher Rechtssatz, der dazu zwingen würde, nur konkrete terroristische Gefahren mit der Ausweisung zu bekämpfen, ist nicht ersichtlich. Die dahingehende Argumentation des Klägers bleibt daher auch gänzlich unspezifisch. Es ist nichts Grundsätzliches dagegen einzuwenden, wenn der Gesetzgeber mit Blick auf die spezifischen Gefahren terroristischer Aktivitäten unter Berücksichtigung der Bedeutung der davon betroffenen hochrangigen Rechtsgüter (Leib, Leben, Freiheit der Bevölkerung, hohe Sachwerte sowie die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik) und des zumeist konspirativen (Beweisnot), ideologisch motivierten Vorgehens solcher Vereinigungen (Gruppendynamik), aus denen sich gravierende Nachweisschwierigkeiten und deren erschwerte Bekämpfbarkeit ergeben, mit einer Absenkung des Gefahrenmaßstabs reagiert. Dies entspricht anerkannten Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts.
85 
Soweit der Kläger meint, es sei stets ein Vollbeweis zu führen, gilt nichts anderes. Der gesetzlich normierte abgesenkte Beweismaßstab der Regelung ist dem Grunde nach, insbesondere mit Blick auf die bereichstypische Beweisnot und die Hochwertigkeit der zu schützenden Rechtsgüter, rechtlich unbedenklich, weil sachangemessen. Die Grenzen sind gegebenenfalls von der Rechtsprechung anhand konkreter Fälle zu präzisieren, was auch geschieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701; vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 -, NVwZ 2005, 1091; VGH Bad.-Württ, Urteil vom 25.05.2011 - 11 S 308/11 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 09.11.2005 - 24 CS 05.2621 -, NVwZ 2006, 1306; siehe auch: Berlit, NVwZ 2013, 327, m. w. N; Kirsch, NVwZ 2012, 677; Eckertz-Höfer, in: Barwig u. a., Perspektivwechsel im Ausländerrecht?, 2007, 105 <114>; Marx, ZAR 2004, 275). Auch ist sich der Senat durchaus der Problematik von Beweisketten bewusst, bei denen “sich die Beweiskraft […] umso mehr verringert, je länger die Kette ist, und umso schneller vermindert, je geringer die jeweilige Beweiskraft der je einzelnen Indizien ist“ (so schon: Bender/Röder/Nack, Tatsachenfeststellungen vor Gericht, Band I, 1. Aufl., 1981, S. 181 f.). Daraus erwächst in vorliegendem Fall allerdings schon deshalb kein entscheidungserhebliches Problem, weil weder die dem Kläger vorgehaltenen Aktivitäten in tatsächlicher Hinsicht im Streit stehen, noch die der Vereinigungen, in denen er tätig war und ist und letztlich auch nicht die der PKK, sondern jeweils nur deren Bewertung.
86 
Zudem ist inzwischen geklärt, dass eine gleichlaufende Auslegung von straf- und ausweisungsrechtlichem Unterstützungsbegriff nicht geboten ist (BVerwG, Urteil vom 25.10.2011 - 1 C 13.10 -, NVwZ 2012, 701). Die nicht deckungsgleichen Ziele des Strafrechts einerseits und des Rechts der Gefahrenabwehr andererseits schließen die Möglichkeit einer effektiven Abwehr terroristischer Gefahren einzig über das Strafecht oder auf der Grundlage der dieses Rechtsgebiet prägenden Begrenzungen aus. Strafe im verfassungsrechtlichen Sinne, verstanden als auch „sozialethisches Unwerturteil“ (so: BVerfG, Beschluss vom 09.07.1997 - 2 BvR 1371/96 -, BVerfGE 96, 245) dient als reaktive Maßnahme vornehmlich dem Schuldausgleich, die Prävention ist nur ein Teilaspekt der Strafzumessung und diese ist wiederum begrenzt durch die individuelle Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB). Damit ist sie im Kern auf die Aufarbeitung schon geschehener oder versuchter Taten (§ 22 StGB) begrenzt. Ihre daher nur punktuell zulässige Erstreckung auf Vorfeldaktivitäten steht, wie die §§ 89a, 129a, 129b StGB und die dazu ergangene Rechtsprechung deutlich machen, in einem verfassungsrechtlichen Spannungsverhältnis, das es ausschließt, eine hinreichend effektive, insbesondere aktive und rechtzeitige Abwehr künftiger Gefahren nach Opportunitätsgesichtspunkten über Strafvorschriften oder unter Bindung an deren Begrenzungen zu gewährleisten.
87 
Wenn der Kläger sich schließlich darauf beruft, stets nur an erlaubten (präziser: nicht verbotenen) Veranstaltungen teilgenommen zu haben bzw. teilzunehmen und stets nur für nicht verbotene Vereine tätig zu sein, greift dies aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht durch: Aus rechtlichen nicht, da § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Gegensatz zu Nr. 3 der Vorschrift gerade nicht auf ein Verbot abstellt und ein solches deren Mitglieder vermehrt zu konspirativem Verhalten veranlassen kann, ohne dass damit für die Gefahrenabwehr viel gewonnen wäre. Es kann daher aus Gründen der Gefahrenabwehr opportun sein, von einem solchen abzusehen. Aus tatsächlichen nicht, da es fern liegt, annehmen zu wollen, dem Kläger sei das auch terroristische Verhalten der PKK in der Türkei entgangen und er sei sich im Unklaren über die Bedeutung seines eigenen Tuns, zumal er sich augenscheinlich fast ausschließlich mit der Kurdenthematik zu beschäftigen scheint und er die vom Gericht mitgeteilten Erkenntnisse zur PKK sowie der YEK-KOM bzw. NAV-DEM noch nicht einmal ansatzweise in Abrede gestellt hat (dazu sogleich unten).
88 
Nach den dargelegten Maßstäben stehen zur Überzeugung des Senats hier eine Vielzahl von Tatsachen fest, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger die PKK und damit den Terrorismus unterstützt, so die Mitgliedschaft und die Übernahme von Vorstandsfunktionen in PKK-nahen Vereinen, weitere herausgehobene Tätigkeiten als Redner und Organisator von PKK-nahen Veranstaltungen und die über Jahre hinweg fortgesetzte Teilnahme an den unterschiedlichsten Aktionen und Veranstaltungen solcher Vereinigungen.
89 
Im Einzelnen sind dem Kläger zunächst die sich aus der Ausweisungsverfügung ergebenden Aktivitäten bis zur Erteilung der Niederlassungserlaubnis an ihn vorgehalten worden, auf die hier verwiesen wird (Ziffer 1.2. der Ausweisungsverfügung, Seite 3 bis 9; Blatt 16, unten, bis einschl. Blatt 23, erster Absatz oben, der Akte des Verwaltungsgerichts) und die von diesem ebenso wenig in Abrede gestellt werden, wie die weiteren, die der Kläger nach Mitteilung des Beklagten an ihn im Juli 2010, dass eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis bzw. eine Ausweisung mit Blick auf seine Aktivitäten zu Gunsten der PKK geprüft werde, entfaltet hat:
90 
- Am 5. Dezember 2010 nahm er an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim in der Siedlerhalle teil. Dort waren eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht. Ein in Guerillauniform auftretender Redner lobte die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe. Dies habe man dem großen Führer Apo und den Parteimärtyrern zu verdanken. Man dürfe auch die Kämpfer an der Front nicht vergessen, die man von hier aus grüße. Ein weiterer Redner referierte über die Geschichte der PKK.
91 
- Am 20. Februar 2011 nahm der Kläger an einer Mitgliederversammlung der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. (KG HN) teil. Nach einer Schweigeminute für die Märtyrer Kurdistans und der ganzen Welt referierte er über die unzureichende Vorstandstätigkeit des Vereins und forderte dazu auf, verstärkt Mitglieder zu werben. Er wisse, dass im Raum Heilbronn 500 bis 600 kurdische Familien lebten, die meisten von ihnen hätten aber nur deswegen keinen Kontakt zum Verein, weil sie Angst vor den deutschen Behörden hätten. Es bestünde kein Grund zur Furcht, da alles angemeldet und der Verein absolut legal sei. Der Kläger bat die Anwesenden, auf die Kurden zuzugehen, mit ihnen zu reden und ihnen die Angst zu nehmen.
92 
Nach Durchführung der Sicherheitsbefragung am 23. Februar 2011:
93 
- Am 5. August 2011 war der Kläger in der Yeni Özgür Politika (YÖP) abgebildet, dies anlässlich einer Kampagne zur Anerkennung der kurdischen Identität, organisiert von der YEK-KOM. Laut der Berichterstattung hat er im Heilbronner Verein über die Ziele der Kampagne informiert.
94 
- Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums Mannheim vom 30. Januar 2012 war der Kläger am 4. November 2011 Teilnehmer und Redner bei einem Aufzug mit Kundgebung in Mannheim zum Thema „türkische Regierung verwendet Napalmgas und chemische Waffen gegen die türkische Bevölkerung/Schluss mit der Isolationshaft von Öcalan/Schluss mit den Verhaftungswellen in der Türkei gegen die kurdischen Politiker“. Der Redebeitrag des Klägers habe den Eindruck hoher Emotionalität vermittelt.
95 
- Am 2. Dezember 2011 nahm er an einer Gedenkfeier zum 33. Partei-gründungs-Jahrestag, dem 27. November 1978, in Heilbronn teil. Auch dort hingen Bilder von Öcalan und Parteifahnen, auch der ERNK, der früheren Propagandaorganisation der PKK. Nach einer Gedenkminute für die kurdischen Märtyrer und der Begrüßung schilderte ein Redner die Parteigründung durch Öcalan und dessen Genossen. Die Erfolgsgeschichte der Partei dauere bis heute an, leider aber auch ihre Schwierigkeiten, bedauerlicherweise auch in Europa. Es sei erforderlich, die Partei zu unterstützen. Es wurden mehrfach Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert. Auch dort waren fast ausschließlich PKK-Unterstützer zugegen.
96 
- Am 13. Dezember 2011 wurde der Kläger erneut in der YÖP anlässlich eines Vereinskongresses in Stuttgart erwähnt. Er forderte dort die hier lebenden Kurden auf, stärker für ihre Identität einzutreten.
97 
Nach Verfügung der Ausweisung am 10. Januar 2012:
98 
- In der YÖP vom 14. Februar 2012 wurde er als Teilnehmer des 3. Kongresses der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. abgebildet. Er führte dort in seiner Rede aus, dass die Kurden in der Türkei und in Europa unter Beschuss stünden, da ihnen die Existenz ihrer eigenen Kultur abgesprochen werde.
99 
- Aus dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden Württemberg vom 19. Dezember 2012 ergibt sich, dass der Kläger zwar das Amt des 2. Vorsitzenden der YEK-KOM seit Ende 2011 nicht mehr ausübt, er jedoch bereits im Mai 2012 erneut in den Vorstand der YEK-KOM gewählt wurde.
100 
- In dieser Funktion ist er ausweislich des weiteren Berichts des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg vom 17. Oktober 2013 beispielsweise als Versammlungsleiter des 20. kurdischen Kulturfestivals am 8. September 2012 in Mannheim in Erscheinung getreten. Bei dieser Veranstaltung kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Polizeibeamte.
101 
- Er ergriff am 16. Januar 2013 in Mannheim im Rahmen einer Solidaritätsdemonstration für die drei in Paris ermordeten PKK-Aktivistinnen das Wort und verurteilte das Attentat scharf. Er vertrat die Meinung, dass die Morde nicht nur in den Personen der Aktivistinnen angesiedelt seien, sondern auch auf politische Überlegungen zurückzuführen seien, die einen Fortbestand der kriegerischen Auseinandersetzungen der Heimat zum Ziel hätten. Die Geheimdienste stünden hinter diesem Anschlag. Der französische Staat könne diesen problemlos aufklären, wenn er dies nur wolle. Folglich müssten die Kurden einen legitimen demokratischen Druck auf den französischen Staat ausüben. Der Kläger rief zu Sitzstreiks in allen Städten mit französischen Botschaften und ähnlichen Einrichtungen auf, bis eine Aufklärung des Attentats erfolgt sei.
102 
- Am 21. Mai 2013 war der Kläger im Namen der YEK-KOM bei den Vorstandswahlen der kurdischen Gemeinschaft Heilbronn e.V. anwesend.
103 
- Am 8. September 2013 fungierte der Kläger als Versammlungsleiter bei einer Mitgliederversammlung mit Vorstandswahl des PKK-nahen mesopotamischen Anadolu Kulturvereins e.V. (MAK). Zur PKK-Nähe des MAK Lahr sei auf den Bericht des Landesamtes vom 9. März 2010 an das Innenministerium zu verweisen.
104 
- Am 29. April 2014 war der Kläger in der YÖP als Teilnehmer des Gründungskongresses des kurdischen-demokratischen Gesellschaftszentrums am 27. April 2014 in den Räumlichkeiten des PKK-nahen kurdischen Kulturvereins e.V. in ... abgebildet.
105 
- Am 10. Oktober 2015 hielt der Kläger anlässlich einer Protestaktion in Frankfurt im Namen der NAV-DEM eine Rede.
106 
Nach „Auflösung“ der YEK-KOM am 22. Juni 2014 ließ sich der Kläger am selben Tag in gleicher Sitzung, zusammen mit einem weiteren Vorstandsmitglied der YEK-KOM, in den fünfköpfigen Vorstand der NAV-DEM wählen. Diese Vorstandstätigkeit übt er bis heute aus, und er ist in dieser Funktion seitdem auch als Redner und Versammlungsleiter auf zahlreichen Veranstaltungen aufgetreten, die erkennbar der Propaganda für die PKK dienten. Der Kläger engagiert sich damit seit langem ohne Zäsur in herausgehobener Position unterstützend für die PKK.
107 
Daran, dass die YEK-KOM die PKK unterstützt hat, bestehen weiterhin keine vernünftigen Zweifel. Hierzu hat der Senat schon in seinem Urteil vom 7. Dezember 2011 - 11 S 897/11 -, juris Rn. 47, das vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 -, InfAuslR 2013, 418, bestätigt wurde, ausgeführt:
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„Für eine PKK-Nähe des Vereins spricht schon der Umstand, dass dieser Mitglied bei der YEK-KOM, der „Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V.“ war. Dies lässt sich dem vom Kläger im Asylverfahren vorgelegten Protokoll über die Mitgliederversammlung vom 25.01.1997 entnehmen, in welcher die Vereinsmitglieder - nach Darstellung der Arbeit und der Bedeutung der YEK-KOM - für eine Mitgliedschaft des Vereins in dieser Dachorganisation gestimmt haben. Die YEK-KOM, deren Sitz in Düsseldorf ist und der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK durch eine Vielzahl von Aktionen. Dies wird in der überzeugenden „Einschätzung“ des Landesamts für Verfassungsschutz vom 17.06.2010 im Einzelnen ausführlich dargelegt. Die YEK-KOM sei ihrerseits Mitglied der „Konföderation der Kurdischen Vereine in Europa“ (KON-KURD). Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen bzw. ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie „Freiheit für Öcalan“ und „Frieden für Kurdistan“. In einer zusammenfassenden Bewertung heißt es, im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die „logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans“ verankert. Die von der YEK-KOM sowohl in ihren Publikationen als auch bei ihren Veranstaltungen und Aktionen aufgegriffenen Themen lägen im Interessenbereich der PKK. Zu nennen seien insbesondere die Aufhebung des PKK-Verbots und die Freilassung Abdullah Öcalans. Der Verein biete der PKK bzw. ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Zusammenfassend lasse sich daher sagen, dass eine eindeutige Nähe des Vereins YEK-KOM zur PKK bzw. zu ihren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL vorliege.“
109 
Für die NAV-DEM gilt insoweit nicht anderes. Soweit der Kläger unter Verweis auf schriftliche Erklärungen der NAV-DEM meint, dass diese eine andere Ausrichtung als die YEK-KOM habe, nämlich den Kampf gegen den IS, die Förderung der Integration der in Deutschland lebenden Kurden und die Gleichstellung und die Gleichberechtigung der Frauen, überzeugt dies den Senat nicht. Das Verwaltungsgericht hat schon zu Recht auf die fehlende tatsächliche Veränderung der Aktivitäten des Vereins abgestellt, der zudem nicht neu gegründet, sondern nur umbenannt wurde. Es verweist zutreffend auf die Pressemitteilung des Vereins vom 18. Juli 2014, aus der sich ergibt, dass die NAV-DEM selbst nach eigenem Verständnis die Arbeit der YEK-KOM fortführt. Die vom Senat eingesehene Internetpräsenz (navdem.com) bestätigt dies, die Überschrift der Pressemitteilung vom 18. Juli 2014 lautet:
110 
„YEK-COM heißt jetzt NAV-DEM“
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Die weiteren dort aufgeführten Pressemitteilungen verdeutlichen im Übrigen die Fortführung der Veranstaltungen und Kundgebungen mit gleichem Ablauf und gleichen Themen wie zuvor schon unter dem Namen YEK-KOM:
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- Eintrag vom 7. September 2014, Interview mit Yüksel Koc „Das Verbot kriminalisiert die Kurden“, anlässlich einer Festnahme eines Mannes durch die Generalbundesanwaltschaft, der Geld für die PKK gesammelt haben soll, was, nach Koc, eine Kriminalisierung politischer Arbeit bedeute, da dieser selbst keine Gewalt ausgeübt habe.
113 
- Eintrag zur Kundgebung am 13. September 2014 in Düsseldorf unter dem Motto „Freiheit für Öcalan - Status für die Kurden“.
114 
- Eintrag vom 6. März 2015: Aufruf zur Newroz-Demonstration am 21. März 2015 in Bonn.
115 
Der Beklagte hat zudem unwidersprochen und zutreffend darauf hingewiesen, dass NAV-DEM und YEK-KOM identische Logos auf ihren Internetpräsenzen verwenden und der Vorsitzende der NAV-DEM im März 2014 erklärt habe, man könne die deutsche Demokratie nicht akzeptieren. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz geht in seiner Broschüre zur „Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)“ vom Juli 2015, dort S. 18, davon aus, dass die NAV-DEM in Nachfolge der YEK-KOM wie diese auch als Dachverband von örtlichen Vereinen diene, in denen die PKK Informationen steuere und Vorgaben umsetze und dass sich die NAV-DEM durch eine aktive Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit sowie den Aufbau von Kontakten zu politischen Entscheidungsträgern bemühe, weitere Unterstützung für deren Anliegen zu erhalten. Diese Einschätzung teilt der Senat aufgrund der dargestellten tatsächlichen Umstände und sieht sich dabei auch die Aktivitäten des Klägers selbst bestätigt.
116 
Soweit der Kläger meint, dass es dem Verwaltungsgericht an ausreichender Sachkunde gefehlt habe, um eine Änderung des Aufgabenspektrums zu verneinen, erschöpft sich dies in einer schlichten Behauptung, die auf nichts gestützt wird. Sämtliche vom Verwaltungsgericht und dem Beklagten ausführlich dargelegten tatsächlichen Aktivitäten der YEK-KOM und nachfolgend der NAV-DEM sowie der Redner und Teilnehmer an deren Veranstaltungen lässt der Kläger gänzlich unkommentiert, obwohl es ihm als 2. Vorstandsmitglied der NAV-DEM ein Leichtes sein müsste, Tatsächliches zum Verein vorzubringen, das die Wertungen des Verwaltungsgerichts und des Beklagten diesbezüglich erschüttern würde. Es spricht hier daher auch nach Überzeugung des Senats nichts dafür, dass sich an der Ausrichtung oder dem Aktivitätenspektrum etwas geändert haben könnte, zumal es seitens des Vereins zu keinem Zeitpunkt zu eine Distanzierung von der PKK oder auch nur der YEK-KOM gekommen ist.
117 
Dem Beweisantrag des Klägers war vor diesem Hintergrund nicht nachzugehen, zumal etwaige weitere Vereinsziele, die unter Beweis gestellt worden sind, die dargelegten Aktivitäten und Zielrichtungen nicht neutralisieren. Überdies konnte der Kläger nicht dartun, weshalb der von ihm benannte Sachverständige hinreichende Sachkunde haben könnte. Dies hätte ihm oblegen, weil der auf die Bestrebungen und Ziele der NAV-DEM gerichtete Beweisantrag die Benennung eines Sachverständigen erforderte, der über eine spezielle Sachkunde, nämlich über interne Kenntnisse über die NAV-DEM, verfügt, die nicht von jedem Sachverständigen gleichermaßen reproduzierbar ist (vgl. Krehl, in: Karlsruher Kommentar StPO, 7. Aufl., 2013, § 244 StPO, Rn. 80).
118 
Bereits aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied sind dem Kläger sämtliche Aktionen der YEK-KOM und der NAV-DEM zuzurechnen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.12.2011 - 11 S 897/11 -, juris, Rn. 50, m. w. N.). Soweit der Kläger dies bezweifelt, ist dies nicht nachvollziehbar, da er selbst darauf hinweist, dass die von ihm insoweit in Bezug genommene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darauf abstellt, dass bei einer hervorgehobenen Position eine individuelle Verantwortlichkeit unter Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände vermutet werden könne. Unbeschadet dessen bestehen für den Senat aber auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass die vom Kläger entfalteten Aktivitäten von diesem in dem Bewusstsein und mit dem Willen erfolgt sind und erfolgen, die PKK aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen. Das wird deutlich, wenn man das Verhalten des Klägers seit 2004 und auch nach Juli 2010 in der gebotenen Gesamtschau in den Blick nimmt, wie es der Beklagte - vom Kläger unwidersprochen - geschildert hat. Der Aspekt des Vertrauensschutzes gebietet es nicht, bei der Würdigung des Verhaltens des Klägers dessen früheres Verhaltes insgesamt auszublenden. Ein schützenswertes Vertrauen besteht nur insoweit, als die zuvor entfalteten Aktivitäten für sich genommen keine Ausweisung mehr rechtfertigen können. Bei der notwendigen Bewertung neuer, nachfolgender Aktivitäten kann weiterhin auf das gesamte Verhalten des Ausländers zurückgegriffen werden (Discher, a.a.O., Rn. 391; BVerfG, Beschluss vom 19.08.1983 - 2 BvR 1284/83 -, NVwZ 1983, 667; OVG Bln.-Bbg., Beschluss vom 24.10.2013 - OVG 3 N 169.12 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.05.2012 - 11 S 2328/11 -, juris).
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Nach wie vor engagiert sich der Kläger unbeschadet des Ausweisungsverfahrens im Rahmen des Vereins als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter und Redner an Veranstaltungen, die angesichts deren Ablaufs, der dort gehaltenen Reden und der klaren Ausrichtung auf den Führerkult um Öcalan und gefallene Märtyrer auch für den Senat keinen Zweifel aufkommen lassen, dass der Kläger sich, wie auch die NAV-DEM, den Zielen der PKK verpflichtet fühlt, diese mit ihrem Tun unterstützen will und dabei deren Mittel umfassend zumindest billigt, insbesondere auch deren spezifisch als terroristisch zu qualifizierendes Handeln. Seine Teilnahme an Veranstaltungen, wie der am 5. Dezember 2010 an einer PKK-Gründungsfeier in Lampertheim, bei der eine KCK-Fahne und ein Öcalan-Porträt angebracht waren und in der ein in Guerillauniform auftretender Redner die eigene Partei als wichtige und modern ausgerichtete Organisation lobte, die den kurdischen Freiheitskampf auf die internationale Bühne gebracht habe und in der ausgeführt wurde, dass man dies dem großen Führer „Apo“ (gemeint ist Öcalan) und den Parteimärtyrern zu verdanken habe und man die Kämpfer an der Front nicht vergessen dürfe, die man von hier aus grüße, verdeutlichen dies in aller Klarheit. Für seine Teilnahme an einer Gedenkfeier zum 33. Parteigründungs-Jahrestag in Heilbronn am 2. Dezember 2011, bei der zur Unterstützung der PKK aufgefordert und Parolen wie „Es lebe Öcalan“ und „Unsere Märtyrer sind nicht gestorben“ skandiert wurden, gilt nichts anderes. Soweit man aus den weiteren dargestellten Aktivitäten des Klägers ableiten wollte, dass dieser sich nach Erlass der Ausweisungsverfügung gemäßigter verhält, ist dies nach Überzeugung des Senats mit Blick auf das laufende Verfahren taktisch motiviert und lässt nicht den Schluss zu, dass der Kläger, der weiterhin eine führende Rolle in der NAV-DEM spielt, von seinem bisherigen Verhalten glaubhaft Abstand nimmt (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz AufenthG). Sein beredtes Schweigen zu sämtlichen vom Beklagten zusammengetragenen Tatsachen macht dies deutlich.
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Das gegenteilige Bild, das der Kläger von seiner Motivation und Haltung zeichnet, ohne hierfür nachvollziehbare Fakten zu benennen, steht daher in offenem Widerspruch zu seinem tatsächlichen Verhalten. Im Übrigen erschöpft sich sein Vortrag hierzu in dem Versuch einer Umdeutung seines Verhaltens, die schon im Ansatz nicht überzeugt. Es ist das eine, um Verstorbene zu trauern oder ihrer zu gedenken, aber etwas gänzlich anderes, Veranstaltungen als Redner oder in Vereinsfunktion zu gestalten oder vorbehaltlos an solchen teilzunehmen, die etwa von in Guerillauniform auftretenden Rednern geprägt werden und in denen der Kampf der PKK in der Türkei glorifiziert wird. Erkennbar geht es auf den vom Kläger mitgestalteten und besuchten Veranstaltungen nicht einfach um die legitime Kundgabe von Meinungen, sondern immer auch um die gezielte moralische, finanzielle und personelle Unterstützung des für legitim gehaltenen und auch terroristische Mittel einsetzenden Kampfes der PKK. Dass damit die PKK auch in der Wahl ihrer Mittel vorbehaltlos unterstützt wird, kann dem Kläger nicht entgangen sein, nachdem dort Auftritte in Guerillauniform stattfinden, den „Märtyrern“ gedacht wird und den Kämpfern an der Front Grußbotschaften gesandt werden. Es greift daher auch viel zu kurz, wenn der Kläger meint, dass es hier um einen ungerechtfertigten Eingriff in sein Recht auf freie Meinungsäußerung gehe. Soweit er daher darauf abstellen will, dass der Sinn von Äußerungen einen deutlich erkennbaren Bezug zur Förderung der PKK aufweisen müsse, mag man dem zustimmen, ein solcher Bezug wird hier aber entgegen der Auffassung des Klägers auch in seinem Handeln deutlich.
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Liegt ein Unterstützen im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG - wie hier - vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition deutlich macht („…Hiervon ist auszugehen…“). Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem - dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrunde liegenden - Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die gesetzliche Legaldefinition bzw. widerlegbare Vermutung (so: Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 54 AufenthG, zu Abs. 1 Nr. 2, Stand: 16.01.2016, Rn. 45 ff.) der Gefahr begegnet nach Auffassung des Senats in diesem Kontext keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die schon dargestellten spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren, völkerrechtlich verpflichtet hat (UN-Sicherheits-resolution 1373 (2001) vom 28.09.2001; Kießling, Die Abwehr terroristischer und extremistischer Gefahren durch Ausweisung, 2012, S. 188 f.), rechtfertigen diese gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass terroristische Vereinigungen nur allzu schnell ihren Kampf über Ländergrenzen hinweg führen. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise von dieser gesetzlichen Festlegung einer Gefahr in besonderen Fallkonstellationen abgewichen werden kann oder ob insoweit allein auf den Gesichtspunkt des erkennbaren und glaubhaften Abstandnehmens abzustellen ist, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, da das konsequent fortgesetzte Handeln des Klägers die gesetzliche Festlegung bestätigt.
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2. Die Ausweisungsverfügung genügt davon ausgehend auch § 53 Abs. 3 AufenthG, der bestimmt, dass ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt, der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) besitzt, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt, nur ausgewiesen werden darf, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.
123 
Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung unionsrechtlichen Vorgaben für besonders privilegierte Personengruppen Rechnung tragen (BT-Drs. 18/4097, S. 50). Soweit die Vorgaben in ihrer Reichweite vor dem Hintergrund der jeweils betroffenen Personengruppe autonom unionsrechtlich und insbesondere bereichsspezifisch eigenständig auszulegen sind, wovon nach dieser Gesetzesbegründung auszugehen ist (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 53 AufenthG, Abs. 3, Stand: 18.01.2016, Rn. 27, geht von der Notwendigkeit einer ergänzenden Heranziehung zu den angehobenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Ausweisung aus), kann daher aus der Formulierung des Ausweisungsmaßstabs in § 53 Abs. 3 AufenthG nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber, losgelöst von den jeweiligen unionsrechtlichen Maßstäben, einen eigenen nationalen und völlig identischen Maßstab festlegen wollte, der für sämtliche der Norm unterfallenden Personengruppen Geltung beansprucht. Daher soll auch nationalrechtlich kein höheres Schutzniveau versprochen werden, als dieses unionsrechtlich geboten ist. Das wäre mit Blick auf die verschiedenen Geltungsgründe und die Heterogenität der erfassten Personengruppen sowie der sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schutzrichtungen und -niveaus auch nicht begründbar, zumal ein einheitlicher unionsrechtlicher Ausweisungsmaßstab gerade nicht existiert (VGH Bad.-Württ., Vorlagebeschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris, Rn. 154, m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 88, m. w. N; a. A.: Welte, InfAuslR 2015, 426, der auf den unionsrechtlichen Maßstab des § 6 FreizügG/EU verweist). Festzuhalten ist allerdings, dass sämtlichen unionsrechtlich fundierten Ausweisungsmaßstäben gemeinsam ist, dass stets nur auf das persönliche Verhalten des Betroffenen und damit nur auf spezialpräventive Gründe abgestellt werden darf, aus denen sich eine gegenwärtige Gefahr ergeben muss (EuGH, Urteil vom 19.01.1999 - C-348/96 -, InfAuslR 1999, 165 und vom 08.12.2011 - C-371/08 -, InfAuslR 2012, 43; Neidhardt, a. a. O., Rn. 7 f.). Dem entsprechend kann eine an § 53 Abs. 3 AufenthG zu messende Ausweisung nur dann rechtmäßig sein, wenn sie ausschließlich spezialpräventiv motiviert ist.
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Davon ausgehend folgt für den Kläger ein besonderer unionsrechtlich fundierter Ausweisungsmaßstab zunächst nicht aus dem Assoziationsrecht. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger weder Arbeitnehmer im Sinne des Art. 6 ARB 1/80 noch Familienangehöriger eines solchen Arbeitnehmers nach Art. 7 ARB 1/80 ist, nachdem er in der Vergangenheit nur sporadisch und jeweils nur in kurzen Zeiträumen abhängig beschäftigt gewesen war. Für seine Ehefrau gilt nichts anderes, so dass diese ihm ein solches Recht auch nicht vermitteln kann. Das wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.
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Erhöhter Schutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG kommt dem Kläger aber als anerkannter Flüchtling zu. Für diese aufgrund ihres Verfolgungsschicksals gerade in Bezug auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen besonders vulnerable Personengruppe sind Inhalt und Reichweite des Ausweisungsmaßstabs aus der einschlägigen Regelungen der Richtlinie 2004/83, neu gefasst durch Richtlinie 2011/95/EU (ABl. L 337 S. 9, nachfolgend: Qualifikationsrichtlinie), abzuleiten.
126 
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des Senats hin (Beschluss vom 27.05.2013 - 11 S 2336/12 -, juris), betreffend die Unterstützung der PKK durch einen anerkannten Flüchtling, die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit Urteil vom 24. Juni 2015 (- C-373/13 -, juris) geklärt. Der Gerichtshof hat, davon ausgehend, dass Art. 21 der Qualifikationsrichtlinie engere Voraussetzungen statuiert als Art. 24 der Qualifikationsrichtlinie (a.a.O., Rn. 44, 71: Art. 21 als „ultima ratio“; so auch schon der Senat in seinem Vorlagebeschluss, a.a.O., Rn. 154; a. A.: BVerwG, Beschluss vom 08.10.2012 - 1 B 18.12 -, juris), klargestellt, dass die Qualifikationsrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel entweder nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerrufen werden kann, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, oder nach Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie, wenn Gründe für die Anwendung der in Art. 21 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtzurückweisung vorliegen (a.a.O., Rn. 55).
127 
Da die Ausweisung des Klägers verfügt wurde, um dessen Niederlassungserlaubnis zum Erlöschen zu bringen und eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf seinen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, ist vorliegend auch nur Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie maßstäblich. Dies zugrunde gelegt ist die Ausweisung als Widerruf im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu qualifizieren und am Maßstab dieser Vorschrift zu messen, die insoweit den Ausweisungsmaßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG ausfüllt und konkretisiert. Es müssen daher „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vorliegen, um die Ausweisung zu rechtfertigen.
128 
Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang im Anschluss an die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston (Schlussanträge vom 11.09.2014 - C-373/13 -, juris, Rn. 68) zunächst betont, dass für die dargelegte Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie spreche, dass den Mitgliedstaaten mit dieser Regelung die Möglichkeit gegeben werden sollte, unter spezifischen Voraussetzungen die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen im Schengen-Raum zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a. a. O, Rn. 52). Er definiert im weiteren (a.a.O., Rn. 78 ff.) unter Bezugnahme auf die Richtlinie 2004/38 „zwingende Gründe“ als Beeinträchtigungen, die einen besonders hohen Schweregrad aufweisen müssten und fasst unter die „öffentliche Sicherheit“ sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats und somit auch die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 23.11.2010 - C-145/09 -, InfAuslR 2011, 45). Der Begriff der „öffentlichen Ordnung“ sei dahin auszulegen dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstelle, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Mit Blick auf die die Richtlinie 2004/83 und deren 28. Erwägungsgrund gelte der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze. Der Gerichtshof verweist darauf, dass die PKK in der Liste im Anhang dieses Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344, S. 93) aufgeführt sei und nach alledem die Unterstützung, die ein Flüchtling einer Organisation zuteil werden lasse, welche Handlungen begehe, die in den Anwendungsbereich des Gemeinsamen Standpunkts fallen, grundsätzlich einen Umstand darstelle, der belegen könne, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie erfüllt seien. Die Aufnahme einer Organisation in die Liste sei daher ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation sei oder in diesem Verdacht stehe. Ein solcher Umstand sei daher von der zuständigen Behörde notwendig zu berücksichtigen, wenn sie in einem ersten Schritt zu prüfen habe, ob die fragliche Organisation terroristische Handlungen begangen habe. Es sei somit von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie bedrohen könnten. Der Gerichtshof habe schon entschieden, dass terroristische Handlungen, die durch ihre Gewalt gegenüber Zivilbevölkerungen gekennzeichnet seien, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt würden, als schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden müssten (unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 09.11.2010 - C-57/09 und C-101/09 -, NVwZ 2011, 285).
129 
In einem zweiten Schritt müssten die genauen tatsächlichen Umstände einer Würdigung unterzogen werden, um zu ermitteln, ob die Unterstützung der fraglichen Organisation durch eine Mitwirkung beim Sammeln von Geldern und eine regelmäßige Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisation in den Anwendungsbereich von Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie falle. Allein der Umstand, dass die betreffende Person diese Organisation unterstützt habe, könne nicht die automatische Aufhebung ihres Aufenthaltstitels gemäß dieser Vorschrift zur Folge haben. Denn zwischen dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und der Richtlinie 2004/83 bestehe hinsichtlich der verfolgten Ziele kein unmittelbarer Zusammenhang, und es sei nicht gerechtfertigt, dass die zuständige Stelle, wenn sie in Betracht ziehe, einem Flüchtling seinen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie zu entziehen, sich nur auf dessen Unterstützung einer Organisation stütze, die in einer Liste aufgeführt sei, die außerhalb des Rahmens erlassen wurde, den die Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention geschaffen habe. Es bedürfe daher einer individuellen Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände insbesondere dazu, welche Rolle der Betroffene im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt habe, ob dieser etwa selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zweck der Begehung solcher Handlungen beteiligt gewesen sei und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft habe. Soweit dieser an legalen Versammlungen und an Veranstaltungen wie dem kurdischen Neujahrsfest teilgenommen und sich am Sammeln von Spenden für diese Organisation beteiligt habe, bedeute dies nicht notwendig, dass der Betroffene die Auffassung vertreten habe, terroristische Handlungen seien legitim. Erst recht seien derartige Handlungen als solche keine terroristischen Handlungen. In diesem Zusammenhang müsse auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehe. Es sei insbesondere zu prüfen, ob dem Betroffenen eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der PKK zugerechnet werden könne. In Anbetracht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, den die zu ergreifende Maßnahme zu wahren habe, sei zu untersuchen, ob die Gefahr, die die betreffende Person gegebenenfalls in der Vergangenheit für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dargestellt habe, noch immer bestehe. Mit Blick auf das Erfordernis zwingender Gründe müsse etwa, soweit ein Betroffener zu einer Geldstrafe und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, in Anbetracht dieses Umstands und gegebenenfalls der Art der von ihm begangenen Handlungen geprüft werden, ob eine Aufhebung des Aufenthaltstitels zu rechtfertigen sei.
130 
Dies zugrunde gelegt, genügt die Ausweisungsverfügung den Maßstäben des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie in Verbindung mit § 53 Abs. 3 AufenthG. Die Konkretisierung der Maßstäbe hat durch das erkennende nationale Gericht anhand des jeweiligen Falles und den diesen prägenden tatsächlichen Umstände entsprechend deren Gewicht zu erfolgen. Soweit der Gerichtshof in beispielhafter Form einzelne dem im Vorlageverfahren betroffenen Ausländer vorgehaltene Handlungen herausgreift und diese in eher abstrakter Form bewertet und gewichtet, ist dies dem abstrahierenden Charakter der Vorlagefragen in einem Vorabentscheidungsersuchen geschuldet und entbindet den Senat als Tatsachengericht nicht von seiner Verpflichtung, solche Umstände im konkreten Fall umfassend zu bewerten. Nichts anderes gilt, soweit Reichweite und Grenzen der dem Kläger zustehenden weiteren Rechte nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie durch die Ausweisung in Rede stehen.
131 
Danach bestehen für den Senat auch vor dem Maßstab des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Einstufung der PKK als eine den Terrorismus jedenfalls unterstützende Vereinigung, deren Unterstützung durch die YEK-KOM bzw. NAV-DEM „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ begründet. Daran anschließend sind die vom Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen aufgrund dessen, dass diese von ihm in herausgehobener Funktion für YEK-KOM und NAV-DEM, auf zahlreichen Veranstaltungen seit über zwölf Jahren, unter Beteiligung von offen für die PKK werbenden und deren Kurs vorbehaltlos befürwortenden Akteuren (Auftreten in Guerillauniform, Märtyrergedenken, Grußbotschaften an die Kämpfer an der Front usw.) geleistet wurden und weiter geleistet werden, nicht anders zu bewerten, zumal der Kläger nach Überzeugung des Senats in vollem Bewusstsein um deren Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen, gehandelt hat und weiterhin handelt. Diese Bewertung des eine Gefahr für die nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung begründenden Verhaltens des Klägers ist vor diesem Hintergrund auch nicht deshalb zu relativieren, weil die NAV-DEM nicht verboten ist und der Kläger sich im Rahmen von ebenfalls nicht verbotenen Veranstaltungen betätigt hat. Weder entfällt deswegen das Gewicht seiner Unterstützungshandlungen für die PKK noch ergibt sich daraus, dass sich der Kläger über sein Tun im Unklaren gewesen wäre. Dass es gerade aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr geboten sein kann, von einem Vereinsverbot abzusehen, wurde schon dargelegt. Da nach den Feststellungen des Senats das Verhalten des Klägers gefahrbegründend ist und er die tatbestandlichen Festlegungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bestätigt, kann der Senat offen lassen, ob jedenfalls im Kontext des § 53 Abs. 3 AufenthG i. V. m. Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie hier ausnahmsweise und ungeachtet der Fallkonstellation des endgültigen und glaubhaften Abstandnehmens gewissermaßen als „Zwischenstufe“ eine konkrete Widerlegungsmöglichkeit der gesetzlichen Gefahrenannahme zugelassen werden muss.
132 
Soweit der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner in Bezug genommen Entscheidung im weiteren auf das Fortbestehen des Flüchtlingsstatus hinweist, wenn ein Mitgliedstaat das Aufenthaltsrecht aufgrund des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widerruft (a.a.O., Rn. 94 f.; so auch schon der Senat in seinem Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff. m. w. N.) und er daraus ableitet, dass dieser sich bei deshalb weiterhin gestattetem Aufenthalt auch ungeschmälert (a.a.O., Rn. 96) auf die sozialen Vergünstigungen nach Kapitel VII der Qualifikationsrichtlinie berufen kann, steht dies in vorliegendem Fall der Ausweisung nicht entgegen.
133 
Kapitel VII der Richtlinie gewährleistet jedem Flüchtling Schutz vor Zurückweisung, das Recht auf Information, Wahrung des Familienverbands, Ausstellung von Reisedokumenten, Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie Zugang zu Integrationsmaßnahmen. Einschränkungen dieser Rechte sind bei einem anerkannten Flüchtling nur nach Maßgabe dieses Kapitels der Qualifikationsrichtlinie zulässig (a.a.O., Rn. 97).
134 
Die die Ausweisung tragenden „zwingenden Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ stellen, soweit sie diese Rechte nach Kapitel VII berühren, zulässige Beschränkungen im Sinne der Richtlinie dar.
135 
Wird mit der Ausweisung das Erlöschen der Niederlassungserlaubnis (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) bezweckt und ist zugleich eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht beabsichtigt, wovon hier mit Blick auf den Flüchtlingsstatus des Klägers auszugehen ist, werden der Schutz vor Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, das Informationsrecht aus Art. 22 der Qualifikationsrichtlinie sowie der Anspruch auf Wahrung des Familienverbandes nach Art. 23 der Qualifikationsrichtlinie schon nicht tangiert. Dafür, dass vorliegend das Recht auf Bildung nach Art. 27der Qualifikationsrichtlinie, der Zugang zu Wohnraum nach Art. 32 der Qualifikationsrichtlinie oder zu Integrationsmaßnahmen nach Art. 34 der Qualifikationsrichtlinie betroffen sein könnte, ist gleichfalls nichts ersichtlich.
136 
Soweit durch den Duldungsstatus des Klägers dessen Recht auf Aufnahme einer (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbstätigkeit nach Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie zunächst kraft Gesetzes mit einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt belegt ist, ist dieser für sich genommen unbedenklich, zumal sich aus § 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ergibt, dass dieser nicht gilt, wenn dem Ausländer auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung die Erwerbstätigkeit gestattet ist, ohne dass er hierzu durch einen Aufenthaltstitel berechtigt sein muss. So liegt der Fall hier, da diese Vorschrift mit Blick auf den vorrangigen Art. 26 der Qualifikationsrichtlinie auszulegen ist. Unbeschadet dessen ist für den Senat im konkreten Fall aber auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch Einschränkungen seiner rechtlichen Möglichkeiten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar belastet wäre, nachdem er trotz seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland nur für jeweils kurze und länger zurückliegende Zeiträume überhaupt einer solchen nachgegangen ist.
137 
Aufgrund der Ausweisung greifen im konkreten Fall jedoch die angeordneten Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG (Meldepflichten, Aufenthaltsbeschränkung auf den Stadtbezirk...). Diese dienen unmittelbar der Abwehr bzw. Eindämmung der von Kläger ausgehenden Gefahren und schränken insoweit das Recht des Betroffenen auf ein Reisedokument nach Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie sowie das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Bundesrepublik nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie in sachangemessener Weise ein. Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie verpflichtet zur Erteilung eines Reisedokumentes auch für Reisen ins Ausland, es sei denn, Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen dem entgegen. Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, Bewegungsfreiheit in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten „unter den gleichen Bedingungen und Einschränkungen wie für andere Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten“. Nachdem im persönlichen Verhalten des Klägers „zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung“ im Sinne des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie gegeben sind, liegt ein Versagungsgrund im Sinne des Art. 25 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vor, da die Einschränkung seiner Reisemöglichkeiten gerade dazu dient, sein die PKK unterstützendes Verhalten zumindest deutlich zu erschweren. Daraus rechtfertigt sich auch die Einschränkung seiner Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebietes nach Art. 33 der Qualifikationsrichtlinie. Das hat der Senat schon unter Zugrundelegung der Vergleichsgruppe von Drittstaatsangehörigen, die sich nach nationalem Recht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, festgestellt (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.05.2014 - 11 S 2224/13 -, juris, Rn. 128 ff., m. w. N.).
138 
Da der Gerichtshof eine Ausweisung unter Berücksichtigung des Maßstabs des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie auch dann für zulässig erachtet, wenn dadurch der Aufenthalt zwar rein tatsächlich nicht beendet werden soll, es aber dennoch notwendig erscheint, zumindest die Freizügigkeit von Drittstaatsangehörigen zu beschränken, um den Terrorismus zu bekämpfen und Gefahren für die öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzudämmen (a.a.O., Rn. 52), ist es nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen und zur Effektivierung des Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie angezeigt, dessen Wertungen auch insoweit zu berücksichtigen, als Reichweite und Grenzen der weiteren in Kapitel VII aufgeführten Rechte in entscheidungserheblicher Weise in Rede stehen. Denn eine Ausweisung, deren Folge sich im Erlöschen des Titels erschöpfen würde, ohne daran anknüpfend verhaltenssteuernde Wirkungen zu entfalten, die geeignet und erforderlich sind, die Gefahr wirksam einzudämmen, wäre letztlich wegen Zweckverfehlung unverhältnismäßig. Dies würde Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, in Fällen wie dem vorliegenden, die praktische Wirksamkeit nehmen und damit dessen Bedeutung, wie er auch in den Erwägungsgründen 31 und 37 der Richtlinie zum Ausdruck kommt, verfehlen.
139 
Nach all ist es für den Senat auch folgerichtig, auf den Fall des Klägers nicht Art. 29 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie, sondern dessen Absatz 2 entsprechend anzuwenden, nachdem die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Sozialhilfe für Personen, denen (nur) der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, auf Kernleistungen beschränken kann. Dies gilt hier umso mehr, als es der Kläger im Gegensatz zu subsidiär Schutzberechtigten selbst in der Hand hat, durch eine Abkehr von seinen den Terrorismus unterstützenden Handlungen die Ursachen für diese Einschränkungen zu beseitigen und es gerade in der Logik des Duldungsstatus liegt, den Kläger zu einer dahingehenden Verhaltensänderung zu bewegen. Soweit sich demnach ergeben sollte, dass der Kläger aufgrund seines Duldungsstatus und mangels anderweitiger Regelungen, die ihm, etwa als Familienangehöriger aus abgeleitetem Recht, einen vollen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen nach dem SGB II verschaffen könnten, auf die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beschränkt ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG), steht dies nicht in Widerspruch zu Art. 29 der Qualifikationsrichtlinie. Für Leistungsbeschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung (§ 4 AsylbLG) im Sinne des Art. 30 der Qualifikationsrichtlinie gilt nichts anderes.
140 
3. Dem dargestellten und nach gesetzlicher Wertung besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG). Insoweit geht der Senat aufgrund der nicht weiter spezifizierten Angabe des Klägers, wonach sechs seiner sieben Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, davon aus, dass jedenfalls auch die noch in seinem Haushalt lebenden minderjährigen Kinder diese besitzen. § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG tritt vorliegend hinter die insoweit speziellere Vorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG zurück (Neidhardt, in: HTK-AuslR, § 55 AufenthG, zu Abs. 2 Nr. 5, Stand: 18.01.2016, Rn. 3: Auffangnorm).
141 
4. § 53 Abs. 1 AufenthG verlangt davon ausgehend ein Überwiegen des Interesses an der Ausreise, das unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles im Rahmen einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen ist, wobei in die hierbei vorzunehmende Abwägung des Interesses an der Ausreise mit dem Bleibeinteresse die in § 53 Abs. 2 AufenthG niedergelegten Umstände in wertender Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind. Diese sind, nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner, wobei die in Absatz 2 aufgezählten Umstände weder abschließend zu verstehen sind, noch nur zu Gunsten des Ausländers ausfallen müssen. Zudem sind stets die grund- und konventionsrechtliche Stellung des Ausländers und seiner Familie und die sich daraus ergebenden Gewichtungen in den Blick zu nehmen. Umstände im Sinne des § 53 Abs. 2 AufenthG prägen den Einzelfall insoweit, als sie über die den vertypten Interessen zugrunde liegenden Wertungen hinausgehen oder diesen entgegenstehen. Insbesondere in an dieser Stelle der Frage nachzugehen, ob und in welchem Maße die konkreten Umstände des Einzelfalles von vertypten gesetzlichen Wertungen abweichen (Bsp.: § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren; § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: 30-jähriger rechtmäßiger Aufenthalt). Sind im konkreten Fall keine Gründe - etwa auch solche rechtlicher Art - ersichtlich, die den gesetzlichen Wertungen der §§ 54, 55 AufenthG entgegenstehen, wird regelmäßig kein Anlass bestehen, diese Wertungen einzelfallbezogen zu korrigieren.
142 
Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkreten Gewicht, zuwiderlaufen würde, verbietet sich ebenso (BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946) wie eine „mathematische“ Abwägung im Sinne eines bloßen Abzählens von Umständen, die das Ausweisungsinteresse einerseits und das Bleibeinteresse andererseits begründen.
143 
Davon ausgehend erweist sich die Ausweisung des Klägers als verhältnismäßig, da hier das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers unter Berücksichtigung sämtlicher den Fall prägenden Umstände überwiegt.
144 
Vorliegend ist zunächst die dem Flüchtlingsstatus des Klägers geschuldete Besonderheit in Rechnung zu stellen, nach der im konkreten Fall eine tatsächliche Beendigung des Aufenthalts des Klägers wegen dessen Flüchtlingsstatus nicht beabsichtigt ist, obgleich gewichtige Gründe für eine Ausweisung bestehen. Daher ist Bezugspunkt für die Verhältnismäßigkeitsfrage auch nur die Ausweisung in der hier erfolgten Form mit ihrer Folge einer ggf. auch langfristigen Duldung des Klägers im Bundesgebiet und seiner Überwachung nach § 56 AufenthG sowie der schon dargestellten Einschränkungen der verschiedenen Folgerechte.
145 
Dem Ausweisungsinteresse, wie es sich im konkreten Fall darstellt, steht ein nach der gesetzlichen Wertungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gegenüber. Hinzu treten auf Seiten des Klägers dessen Anspruch auf Achtung seiner familiären Bindungen nach Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 6 GG. Im weiteren ist sein mit über 17 Jahren über den in § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verlangten mindestens fünfjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt hinausgehender rechtmäßiger Aufenthalt zu berücksichtigen. Das Gewicht dieser Umstände ist, soweit es nicht schon über § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG erfasst wird, aus § 53 Abs. 2 AufenthG (über fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet) und den grund- und konventionsrechtlichen Wertungen mit Blick auf die Folgen der Ausweisung auf diese Umstände zu ermitteln.
146 
Wegen der familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet folgt aus Art. 6 GG zwar unmittelbar kein Aufenthaltsrecht, dieses Grundrecht gebietet aber die Berücksichtigung der in Art. 6 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm, nach der der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat (vgl. hierzu ausf.: Hoppe/Samel in: Rensen/Brink (Hrsg.) Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2009, S. 137 ff.). Diese verpflichtet dazu, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83, 101/84 313/84 -, NJW 1988, 626 und vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195; Beschluss vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682). Daraus kann sich die Unverhältnismäßigkeit einer Ausweisung ergeben, wenn ein gemeinsames Familienleben in Deutschland durch diese unmöglich gemacht würde und es den Familienmitgliedern nicht zumutbar wäre, die Familiengemeinschaft im Ausland herzustellen (BVerfG, Beschluss vom 18.04.1989 - 2 BvR 1169/84 -, NJW 1989, 2195). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt sich nichts anderes (zu den Kriterien vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, NVwZ 2007, 1279; Urteil vom 02.08.2001 - 54273/00 -, InfAuslR 2001, 476 -; ausführlich Mayer, VerwArch 2010, 482 <530 ff.>, m. w. N.).
147 
Soweit sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bei langjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ergibt, dass die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, die Integration in die deutsche Gesellschaft, auch soweit sie keinen familiären Bezug hat, und das Fehlen tatsächlicher Bindungen an den Staat seiner Staatsangehörigkeit bei einer Ausweisung angemessen zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300), ist ein Gleichlauf zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festzustellen, der unter dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK das Netz an persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen fasst, die für das Privatleben eines jeden Menschen schlechthin konstitutiv sind (EGMR, Urteil vom 09.10.2003 - 48321/99 -, EuGRZ 2006, 560). Diesen Beziehungen kommt bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zu (so BVerfG, Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946; Thym, EuGRZ 2006, 541 <544>; Hoppe, ZAR 2006, 125 <130>; Hofmann, in: Kluth/Heusch, BeckOK AuslR, Art. 8 EMRK, Stand: 01.11.2015, Rn. 20 ff., m. w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl., 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 14 ff.). Daraus folgt auch für Ausweisungen von Ausländern, die über keine schützenswerten familiären Bindungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 6 GG verfügen, eine Verpflichtung zur einzelfallbezogenen Abwägung unter angemessener Berücksichtigung dieser das Recht auf Privatleben konstituierenden Bindungen. Fehlen Bindungen an den Herkunftsstaat kann sich daraus eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung - selbst bei langjährigen Freiheitsstrafen und zahlreichen Verurteilungen - ergeben (vgl. die Nachweise bei Mayer, a. a. O.).
148 
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Ausweisung des Klägers führt nicht zur Beendigung seines tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland. Vorliegend sind die tatsächlichen Bindungen des Klägers durch die Ausweisung allerdings dadurch betroffen, dass ihn die Überwachungsmaßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG in seiner Bewegungsfreiheit beschränken. Soweit ihm diese seine Möglichkeiten zur Fortführung gerade der streitgegenständlichen Aktivitäten erschweren, ist dadurch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers schon nicht berührt. Die Einschränkungen seiner Rechte aus Art. 29 und 30 der Qualifikationsrichtlinie (Sozialhilfe und medizinische Versorgung) sind objektiv betrachtet geeignet und erforderlich, um den Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Die für ihn eintretenden Einschränkungen seiner Bewegungsmöglichkeiten sind aus den schon dargelegten Gründen erforderlich und auch zumutbar. Die für seine Familienmitglieder mit den Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten des Klägers und seiner genannten Rechte verbundenen Folgen sind allenfalls mittelbarer Art und als solche auch verhältnismäßig, zumal sie - als mildere Mittel zur tatsächlichen Beendigung des Aufenthalts - einzig dem Umstand geschuldet sind, dass der Beklagte gerade auf den Flüchtlingsstatus des Klägers Rücksicht nimmt, obwohl dieser Gründe setzt, die gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter erforderlich machen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 -, juris, Rn. 24). Darüber hinaus sind weitere schützens- und nennenswerte Bindungen des Klägers in die hiesige Gesellschaft, die durch die Ausweisung in unzumutbarer Weise beschränkt würden, trotz des langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Der Kläger spricht kaum Deutsch, er war nur sporadisch und für kürzere Zeiträume überhaupt erwerbstätig und ist seit längerem von Sozialleistungen abhängig. Diese Umstände relativieren das Gewicht seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Abwägung entscheidend. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen. Aus all dem ergibt sich bei wertender Betrachtung der widerstreitenden Interessen im konkreten Fall ein Überwiegen des Ausweisungsinteresses.
149 
5. Soweit sich, ungeachtet der Rechtsstellung des Klägers, aus den Stand-Still-Klauseln des Art. 7 ARB 2/76, des Art. 13 ARB 1/80 bzw. des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei (ZP) ein Verbot ergibt, ohne zwingende Gründe neue Beschränkungen für sich ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2013 - C-225/12 -, InfAuslR 2014, 1) im Inland aufhaltende türkische Staatsangehörige einzuführen, die deren Möglichkeiten zur Aufnahme einer (abhängigen oder selbstständigen) Beschäftigung im Verhältnis zur Rechtslage bei Inkrafttreten dieser Regelungen stärker begrenzen würden (vgl. etwa: EuGH, Urteile vom 10.07.2014 - C-138/13 -, NVwZ 2014, 1081 und vom 17.09.2009 - C-242/06 -, InfAuslR 2009, 413), führt dies nicht dazu, dass die §§ 53 ff. AufenthG in der ab dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung außer Anwendung zu bleiben hätten.
150 
Mit der Neukonzeption des Ausweisungsrechts im Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl. I, S. 1386) will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Entwicklung Rechnung tragen, „wonach das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ohnehin mehr und mehr zu einer Ermessensausweisung mit umfassender Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit modifiziert worden ist.“ (BT-Drs. 18/4097). Die Änderungen des Ausweisungsrechts dienen danach der Anpassung an die Entwicklung dieser Rechtsprechung und sie sollen Rechtsunsicherheiten im Ausweisungsrecht beseitigen und die Arbeit der Ausländerbehörden erleichtern. Aus dem mit der Neuregelung einhergehenden Systemwechsel, weg von einer Ausweisung im Ermessenswege, hin zu einer zwar gebundenen, dafür aber anhand des Maßstabes der Verhältnismäßigkeit zu messenden, folgt daher bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keine neue Beschränkung in Sinne der Stand-Still-Klauseln.
151 
Im Vergleich zu den Ausweisungsregelungen der Ausländergesetze seit 1965 und dem Aufenthaltsgesetz a. F. lässt sich feststellen, dass das neue Ausweisungsrecht sich weitgehend von einer in Bezug auf die Interessen des Ausländers auf bloßen Verwaltungsvorgaben beruhenden Ermessensentscheidung des Ausländergesetzes 1965 (vgl. Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl., 1988, § 10 AuslG) ebenso gelöst hat, wie von schematisierenden und insoweit bindenden gesetzlichen Vorgaben des Ausländergesetzes 1990 und des Aufenthaltsgesetzes a. F., die einer umfassenden Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls entsprechend deren Gewicht entgegenstehen konnten. Schematisierungen dieser Art und Wirkung waren auch der Anlass für die Gerichte, das bisherige Recht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, teilweise entgegen seinem Wortlaut, auszulegen und anzuwenden (vgl. Mayer, VerwArch 2010, 482 <483 ff.>, m . w. N.; Beichel-Benedetti, in: Huber, AufenthG, 1. Aufl. 2010, Vorb §§ 53-56 AufenthG, Rn. 19 ff.). Während eine Ausweisung im Ermessenswege gerichtlich bislang nur eingeschränkt überprüfbar war (§ 114 Satz 1 VwGO), stellt das neue Recht eine vollumfassende gerichtliche Überprüfung sicher. Das durch die neuen Regelungen aufgestellte Prüfprogramm garantiert, wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, eine umfassende Berücksichtigung der den Fall prägenden Umstände. Der Verlust der Ermessensebene wird durch die nunmehr umfassende gerichtliche Kontrollpflicht in Bezug auf die Frage der Verhältnismäßigkeit aufgewogen (so auch: Neidhardt, a. a. O., Rn. 31; a. A.: Cziersky-Reis, in: Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl., 2016, § 53 AufenthG, Rn. 42, der davon ausgeht, dass eine Ausweisung nach Ermessen immer günstiger für den Betroffenen sei als eine gebundene nach § 53 Abs. 1 AufenthG n. F.). Es wäre daher verfehlt, für die Frage einer neuen Beschränkung isoliert darauf abzustellen, dass es sich nunmehr bei der Ausweisungsentscheidung um eine gebundene handelt. Weder Unions- noch Assoziationsrecht gebieten eine Ermessensentscheidung, sondern (nur) eine offene Güter- und Interessenabwägung (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.09.2009 - 1 C 2.09 -, InfAuslR 2010, 3; vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung: BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492).
152 
Soweit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr, wie ebenfalls schon dargelegt, die Gefahr gesetzlich aus der Erfüllung des Tatbestandes ableitet, führt auch dies jedenfalls im konkreten Fall zu keiner Verschlechterung der Rechtsstellung des Klägers, nachdem dessen tatsächliches Verhalten die gesetzliche Festlegung gerade bestätigt.
153 
Dass mit § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG im Falle einer Ausweisung die kraft Gesetzes geltenden Überwachungsmaßnahmen - in Abweichung zur früheren Rechtslage - nicht mehr die sofortige Vollziehbarkeit der Ausweisung voraussetzen, stellt gleichfalls keine neue Beschränkung in diesem Sinne dar. Die Stillhalteverpflichtung bedeutet nicht, dass jede Facette des Verwaltungsverfahrens und des Prozessrechts einer Änderung entzogen wäre. Die Mitgliedstaaten verfügen aufgrund ihrer Verfahrensautonomie über einen Gestaltungsspielraum, der allerdings durch den Grundsatz der Effektivität und der Äquivalenz begrenzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 -, InfAuslR 2012, 397; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.02.2012 - 11 S 1361/11 -, NVwZ-RR 2012, 492). Lässt eine Änderung des Verfahrens - wie hier - die Effektivität des Rechtsschutzes mit Blick auf die dem türkischen Staatsangehörigen eingeräumten Rechte unverändert, so liegt keine „neue Beschränkung“ vor. Es kann nicht ernsthaft in Frage stehen, dass insoweit effektiver gerichtlicher Rechtsschutz über eine einstweilige gerichtliche Regelung nach § 123 VwGO erreicht werden kann. Vorliegend kommt es hierauf auch nicht an, da der Beklagte solche Maßnahmen modifizierend und durch Verwaltungsakt erlassen hat und insoweit Rechtsschutz nach §§ 80 ff. VwGO gegeben ist.
154 
Selbst wenn man den Rechtsfolgenwechsel - weg von der Einräumung von Ermessen, hin zu einer gebundenen Entscheidung - bzw. die weiteren dargestellten Änderungen des Ausweisungsrechts grundsätzlich als Maßnahmen ansehen wollte, die bezweckten oder bewirkten, dass die Ausübung der Freizügigkeitsrechte durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen in dem Mitgliedstaat gelten, wären diese Maßnahmen hier rechtlich zulässig. Denn die Einführung dieser - unterstellt - strengeren Voraussetzungen wäre durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, gerade weil der vorgenommene Systemwechsel dazu dient, das ursprüngliche, durch die Anforderungen der Rechtsprechung erheblich - teils gegen den Wortlaut - modifizierte Ausweisungsrecht wieder handhabbar und in sich schlüssig und nachvollziehbar zu machen. Die nunmehr gesetzliche Festlegung der Gefahr nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist mit Blick auf die vom Terrorismus ausgehenden Gefahren sicherlich gerechtfertigt, zumal sich aus praktischer Sicht kaum Fallkonstellationen denken lassen, bei denen eine solche Gefahr zu verneinen sein könnte, obwohl ein Unterstützen einer terroristischen Vereinigung tatbestandlich vorliegt und eine glaubhafte Abwendung hiervon - die das Gesetz ausdrücklich zulässt - nicht erfolgt ist.
II.
155 
Nicht verfahrensgegenständlich ist die vom Verwaltungsgericht getroffene Befristungsentscheidung, nachdem der Kläger mit seinem Berufungsantrag, der gemäß § 124a Abs. 3 VwGO nicht nur begründende sondern auch begrenzende Wirkung hat, alleine die Aufhebung der Ausweisungsverfügung des Beklagten beantragt und er auch in seiner Berufungsbegründung auf die Befristungsfrage nicht abgestellt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.03.2011 - 2 B 37.10 -, juris).
156 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
157 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
158 
Beschluss vom 13. Januar 2016
159 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
160 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. Mai 2015 - 5 K 3589/13 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbots.
Der Kläger wurde nach seinen Angaben am ...1957 in Buffalo im Bundesstaat New York geboren. Er reiste im Jahr 1986 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, den er später zurücknahm. Er ist seit seiner Einreise nicht im Besitz eines ausländischen Ausweisdokuments. Versuche, seine Staatsangehörigkeit zu klären, führten bislang nicht zum Erfolg.Am 18.03.1988 heiratete der Kläger eine deutsche Staatsangehörige. Die Ehe besteht nach wie vor. Die Ehefrau ist mittlerweile infolge eines Schlaganfalls schwerbehindert und auf Betreuungsleistungen angewiesen.
Der Kläger ist siebenmal strafrechtlich in Erscheinung getreten. U.a. verurteilte ihn am 11.07.1994 das Landgericht Stuttgart wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, in zwei Fällen in nicht geringer Menge, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Am 16.10.1997 folgte eine Verurteilung zu der Freiheitstrafe von zwei Jahren sechs Monaten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Zuletzt verurteilte das Landgericht Stuttgart den Kläger am 08.06.2006 wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von sieben Jahren. Nach (nahezu) vollständiger Verbüßung dieser Strafe wurde der Kläger am 31.10.2012 aus der Haft entlassen. Zuvor hatte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Karlsruhe durch Beschluss vom 02.02.2011 die bewährungsweise Aussetzung der Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe abgelehnt.
Durch Beschluss vom 12.09.2012 hatte das Landgericht Stuttgart Führungsaufsicht für die Dauer von fünf Jahren nach Haftentlassung angeordnet und einen Bewährungshelfer bestellt.
Mit Verfügung vom 05.02.2007 hatte das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Die gegen die Verfügung erhobene Klage blieb erfolglos (Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 25.07.2007 - 5 K 2538/07 -).
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 21.06.2013 beantragte der Kläger beim Regierungspräsidium Stuttgart die Befristung der Wirkungen der Ausweisung ohne vorherige Ausreise.
Der Kläger erhob am 27.09.2013 Untätigkeitsklage.
Mit Verfügung vom 06.05.2014 befristete das Regierungspräsidium Stuttgart die Wirkungen der Ausweisung vom 05.02.2007 auf drei Jahre, wobei die Frist mit der Ausreise/Abschiebung beginnt. Das Regierungspräsidium ging in der Verfügung davon aus, dass die Gefahr der Begehung weiterer schwerwiegender Straftaten hoch sei. Unter Berücksichtigung des Gewichts des Ausweisungsgrundes und des verfolgten Ausweisungszwecks setzt es in einem Schritt die Sperrfrist auf sieben Jahre nach erfolgter Ausreise/Abschiebung fest. Als Umstand für die Relativierung berücksichtigte es, dass der Kläger mit einer inzwischen über siebzigjährigen deutschen Ehefrau verheiratet ist, die im Jahr 1996 einen Schlaganfall erlitt hatte, seitdem auf den Rollstuhl angewiesen ist und er mit ihr in Stuttgart in häuslicher Gemeinschaft lebt. Eine Befristung auf sofort kam nach Auffassung des Regierungspräsidiums nicht in Frage. Die deutsche Ehefrau sei bei der Bestreitung ihres Lebensunterhalts nicht zwingend auf die Lebenshilfe des Klägers angewiesen, zumal sie sich dieser während der Inhaftierung des Klägers auch nicht habe bedienen können.
Im April 2014 beantragte der Kläger bei der Landeshauptstadt Stuttgart die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Insoweit ist beim Verwaltungsgericht Stuttgart ein Klageverfahren anhängig.
10 
Zur Begründung seiner Klage trug der Kläger im Wesentlichen vor, die in der Verfügung vorgenommene Interessenabwägung sei höchst peinlich. Die Bedeutung des im Haushalt verfügbaren Ehegattens zur Verrichtung der anfallenden Aufgaben sei übersehen worden. Dass es soziale Dienste gebe, mindere den verfassungsrechtlichen Rang des Angewiesenseins der Ehefrau auf seine Unterstützung nicht.
11 
Der Beklagte trat der Klage entgegen.
12 
Durch Urteil vom 29.05.2015 verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 06.05.2014 zur Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf sofort und ohne vorherige Ausreise. Zur Begründung führte es aus:
13 
Bei der Bestimmung der Länge der Frist seien in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedürfe der prognostischen Einschätzung, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liege, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermöge. Bei einer aus generalpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung komme es - soweit sie zulässig sei - darauf an, wie lange von ihr noch eine abschreckende Wirkung auf andere Ausländer ausgehe. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Höchstfrist müsse sich aber in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den Vorgaben aus Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Die Abwägung sei nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu treffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne in bestimmten Fällen eine vollständige Beseitigung der in § 11 Abs. 1 AufenthG geregelten Wirkungen der Ausweisung geboten sein. Dies könne zum einen deshalb geboten sein, weil seit der Verfügung einer nicht vollzogenen Ausweisung ein so langer Zeitraum verstrichen sei, dass die zum Ausweisungszeitpunkt bestehenden spezial- oder generalpräventiven Gründe entfallen seien. Ein Anspruch auf vollständige Beseitigung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG könne sich aber auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, etwa weil schützenswerte familiäre Belange im Sinne von Art. 6 GG dies erforderten. Die Beseitigung der in §11 Abs. 1 AufenthG geregelten Wirkungen der Ausweisung setze nicht die vorherige Ausreise des Ausländers voraus. Ausgehend von diesen Grundsätzen sei dem Begehren des Klägers zu entsprechen. Allerdings sei auch das Gericht nicht davon überzeugt, dass praktisch ausgeschlossen werden könne, dass der Kläger weitere schwerwiegende Straftaten begehen werde. Insbesondere sei der Kläger nach wie vor nicht bereit, das große Unrecht des zuletzt abgeurteilten versuchten Mordes einzusehen. So habe er in der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Verfahren die wenig glaubhafte Theorie von einer Verschwörung im Zusammenhang mit dem Vorfall vom 28.11.2005 wiederholt; ferner habe er dem Landgericht eine beachtliche Voreingenommenheit wegen seiner Vorstrafen unterstellt. Nach dem Eindruck des Gerichts in der mündlichen Verhandlung habe der Kläger zudem ein ausgeprägtes Anspruchsdenken, das eine Auseinandersetzung mit der Frage der Rechtmäßigkeit und Moralität des eigenen Verhaltens offensichtlich erheblich erschwere. So habe der Kläger auf die gleich zu Beginn seiner Anhörung gestellte Frage nach dem Umfang seiner Betreuungsleistungen für seine Ehefrau erst einmal sein erhebliches Unverständnis mit seiner ausländerrechtlichen Stellung geäußert; offensichtlich wolle er für sich einen Anspruch auf Aufenthalt in der Bundesrepublik (und wohl auch auf Einbürgerung) allein aus dem Umstand herleiten, dass er im Jahr 1988 eine deutsche Ehefrau habe heiraten dürfen und die Ehe fortbestehe. Dass aber etwa selbst das wiederholte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu keinen nennenswerten ausländerrechtlichen Konsequenzen geführt habe, übergehe der Kläger schlicht. Freilich schätzte das Gericht die Wiederholungsgefahr nicht mehr als besonders hoch ein. Die letzte Tat habe der Kläger vor neuneinhalb Jahren begangen; er gehe mittlerweile auf die sechzig zu. Die vollständige Verbüßung der langen Freiheitsstrafe habe den Kläger nach Einschätzung des Gerichts beeindruckt. Zudem sei nach Angaben der Bewährungshilfe der bisherige Verlauf der nunmehr auch schon rund zweieinhalb Jahre andauernden Führungsaufsicht positiv. Welche Länge die Frist ausgehend von den vorstehenden Erwägungen in dem ersten Schritt haben müsse, könne offenbleiben, denn unter Berücksichtigung höherrangigen Rechts sei in jedem Fall die vollständige Beseitigung der Wirkungen der Ausweisung geboten. Nach Auffassung des Gerichts verletze nämlich der mit der Setzung einer Frist verbundene faktische Zwang, das Bundesgebiet zu verlassen, den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichte Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhielten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Der Betroffene brauche es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Ehepartner ständigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit seien nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich seien. Das Gericht habe nach Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die Ehefrau des Klägers auf dessen - von ihm tatsächlich erbrachte - Lebenshilfe angewiesen sei. Der Kläger hat glaubhaft vorgetragen, dass er nahezu sämtliche im Haushalt anfallenden Arbeiten erledige und auch seiner Ehefrau umfassend zur Seite stehe. Der Frage, ob die Lebenshilfe auch etwa durch die - nach Angaben des Klägers: drei - Kinder der Klägerin oder, wie während der Zeit seiner Inhaftierung, durch einen Sozialdienst erbracht werden könne, brauche das Gericht ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nachzugehen. Der Beistand könne auch nur in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.
14 
Auf den rechtzeitig gestellten Antrag des Beklagten hat der Senat durch Beschluss vom 04.09.2015 - dem Beklagten am 15.09.2015 zugestellt - die Berufung zugelassen.
15 
Am 14.10.2015 hat der Beklagte die Berufung unter Stellung eines Antrags wie folgt begründet:
16 
Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG in der seit 01.08.2015 geltenden Fassung sei nunmehr über die Befristung der Ausweisungswirkungen und die Läge der Frist nach Ermessen zu entscheiden. Diese Ermessensentscheidung sei mittlerweile nachgeholt worden. Hiernach gehe vom Kläger nach wie vor eine erhebliche Wiederholungsgefahr aus, wobei hier nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Ausmaß der drohenden Rechtsgutsverletzung sich relativierend auf das Maß der festzustellenden Eintrittswahrscheinlichkeit auswirke, weshalb im Fall des Klägers angesichts der begangenen Straftaten geringe Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit zu stellen seien. Zu berücksichtigen sei, dass beim Kläger bis 31.10.2017 Führungsaufsicht angeordnet worden sei, was aber nach § 68 Abs. 1 StGB vorausgesetzt habe, dass die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten gegeben sei. Im Übrigen sei das Verwaltungsgericht selbst davon ausgegangen, dass die Begehung weiterer Straftaten nicht ausgeschlossen werden könne. In einem ersten Schritt sei daher eine Frist auf sieben Jahre zugrunde gelegt worden. Vor Ablauf von sieben Jahren könne nicht davon ausgegangen werden, dass die spezial- und generalpräventiven Zwecke der Ausweisung erfüllt seien. Diese Frist sei dann unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe auf drei Jahre reduziert worden. Da der Kläger mit Rücksicht auf die Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen und deren gesundheitliche Situation (unter der Voraussetzung gleich bleibender Umstände) weiter geduldet werde, bestehe - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - auch kein faktischer Zwang zur Ausreise, um die Frist überhaupt in Lauf zu setzen. Sollte die Kriminalitätsprognose sich in der Zukunft zugunsten des Klägers verbessern, so bestehe die Möglichkeit einer weiteren Verkürzung der Frist bzw. der vollständigen Aufhebung des Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbots. Gegenwärtig bewirke die Fristsetzung, dass eine Aufenthaltsverfestigung verhindert werde. Nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG solle das Verbot aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Titels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorlägen. Zwar lägen hier an sich die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG vor. Allerdings liege in Anbetracht des massiven Fehlverhaltens des Klägers und seiner groben mehrfachen Missachtung der deutschen Rechtsordnung gegenwärtig noch eine Atypik vor, weshalb der Regelanspruch nicht bestehe und ein Titel nicht zu erteilen sei.
17 
Der Beklagte beantragt,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29.05.2015 - 5 K 3589/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
19 
Der Kläger beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen; hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, das Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbot auf den 31.10.2016 aufzuheben und höchst hilfsweise auf den 31.10.2016 nach vorheriger Ausreise zu befristen.
21 
Entgegen der Auffassung des Beklagten sei ihm aufgrund europarechtlicher Erwägungen kein Ermessen eingeräumt und weiter eine rechtlich gebundene Entscheidung zu treffen. Es lägen aber keine spezialpräventiven Gründe mehr vor. Wenn auch nach Auffassung des Beklagten wegen des Schutzes aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG das Aufenthaltsverbot nicht durchsetzbar sei, so bestehe kein Raum für ein solches Verbot. Europarechtlich sei ein Zwischenstadium, wie das einer Duldung, gerade nicht vorgesehen. Die Nickeligkeiten des deutschen Fremdenrechts seien dem auf Einfachheit bedachten Unionsrecht fremd.
22 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze. Ihm lagen die Akten des Verwaltungsgerichts sowie die Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
23 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung des Beklagten hat Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf (sofortige) Aufhebung des Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbot, er kann eine solche auch nicht auf den 31.10.2016 bzw. eine Befristung auf den 31.10.2016 (nach vorheriger Ausreise) beanspruchen.
24 
Nach der für die Entscheidung des Senats maßgeblichen seit 01.08.2015 geltenden Fassung des § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist über die Befristung des Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbots von Amts wegen zusammen mit der Ausweisung zu entscheiden. In einem sog. Altfall, wie er hier gegeben ist, kann dieses naturgemäß nicht mehr geschehen; vielmehr ist die Befristung nachzuholen.
25 
§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG sieht vor, dass die Entscheidung der Ausländerbehörde über die Länge der Frist von dieser im Ermessenswege zu treffen ist. Davon ausgehend stellt sich die angegriffene Entscheidung im konkreten Fall zwar als rechtmäßig dar (dazu unten 4.). Allerdings ist der Senat der Auffassung, dass Entscheidungen nach § 11 AufenthG nF bei Ausweisungen aufgrund übergeordneter Gründe auch nach neuer Rechtslage als gebundene erfolgen müssen. Denn regelmäßig ist nur dadurch systemkonform die Verhältnismäßigkeit der zugrunde liegenden Ausweisung, die nunmehr stets als gebundene Entscheidung ergeht, sicherzustellen (dazu sogleich unter 1. bis 3.). Insoweit ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 11 AufenthG in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 unverändert zu übertragen.
26 
1. Das Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 (BGBl I S. 2258) hatte das Bundesverwaltungsgericht zum Anlass einer umfassenden Neubestimmung des Befristungsregimes genommen und - jedenfalls in Ermangelung eines ausdrücklichen entgegenstehenden Wortlauts - die Fristbestimmung als gebundene Entscheidung interpretiert und letztlich am Antragserfordernis nicht mehr festgehalten, obwohl der Wortlaut der Norm an sich keine andere Interpretation zuließ. Es hat sich dabei zum einen von den unionsrechtlichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie leiten lassen, aber ausdrücklich offen gelassen, ob etwa die Ausweisungsverfügung eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie ist. Weiter hat es das nationale Verfassungsrecht, nämlich die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, fruchtbar gemacht und schließlich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK herangezogen. Es führt in diesem Zusammenhang im Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - InfAuslR 2012, 255 (vgl. auch Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - InfAuslR 2012, 397; vom 13.12.2012 - 1 C 14.12 - InfAuslR 2013, 141) aus, dass in der Gesamtschau der sich aus den Grundrechten des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie aus dem Unionsrecht ergebenden Argumente und der erstmals mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 im Grundsatz eingeführten Höchstfrist von fünf Jahren die schützenswerten privaten Interessen des Betroffenen an der Befristung nunmehr in einer Weise aufgewertet seien, dass vor dem Hintergrund des insoweit offenen Wortlauts des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. nicht mehr angenommen werden könne, der Verwaltung sei ein Spielraum zur Rechtskonkretisierung im Einzelfall eingeräumt, der nur auf die Einhaltung äußerer Grenzen gerichtlich überprüfbar sei. Die Regelung sei auch in ihrem europäischen Gesamtzusammenhang betrachtet nunmehr so zu verstehen, dass dem Betroffenen ein Recht auf eine vollständige gerichtliche Kontrolle der Dauer der Befristung eingeräumt sei, um sein Recht auf eine verhältnismäßige Aufenthaltsbeendigung zu sichern.
27 
Wenn der Gesetzgeber sich nunmehr entschieden hat, in § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG das Prinzip der Ermessensentscheidung festzuschreiben, so sah er sich offenbar durch die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht daran gehindert, den früheren Rechtszustand bzw. die frühere Sichtweise wieder herzustellen (vgl. den Hinweis auf das Urteil vom 14.02.2012 in BT-Drucks. 18/4097, S. 36). Zwar ist in diesem Zusammenhang einzuräumen, dass das Bundesverwaltungsgericht auf den ersten Blick eine solche Interpretation herausgefordert hat, wenn es auf einen „offenen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F.“ hingewiesen und in der Schwebe gelassen hatte, was im Falle eines nicht offenen Wortlauts zu gelten hätte. Wenn aber Geltungsgrund des Anspruchs auf Befristung und uneingeschränkte richterliche Kontrolle verfassungsrechtliche, unionsrechtliche und menschenrechtliche Vorgaben sein sollen, die das „Recht auf eine verhältnismäßige Aufenthaltsbeendigung“ sichern sollen, so kann die verfassungs- und völkerrechtliche Zulässigkeit eines Ermessensspielraums nicht tragfähig begründet werden. Hinzu kommt ein weiteres: Es bestehen ungeachtet des Ansatzes des Bundesverwaltungsgerichts nunmehr grundlegende strukturelle Einwände gegen die Zulässigkeit der Einräumung eines Ermessensspielraums. Denn nach der neuen Rechtslage ergeht die Ausweisungsentscheidung selbst ausnahmslos und nicht nur im Ausnahmefall ohne jeden behördlichen Ermessensspielraum als eine rechtlich gebundene und umfassend interessenabwägende Entscheidung, die (lediglich) die Rechtsgrenze der Verhältnismäßigkeit zu wahren hat. Dann aber stellte es einen strukturellen Widerspruch bzw. eine gedankliche Ungereimtheit dar, wenn hier ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum bestünde und der Ausländerbehörde eine mehr oder weniger große autonome Steuerungsmöglichkeit eingeräumt wäre. Denn die Dauer des Verbots ist gleichfalls für das Gewicht der Interessenbetroffenheit des Ausländers von essentieller Bedeutung und gestaltet, wenn auch nicht formal, so doch inhaltlich untrennbar die durch die Ausweisung ausgelösten Folgen. Aus den vorgenannten verfassungsrechtlichen wie auch strukturellen Erwägungen folgt, dass bei der Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG kein behördlicher Ermessensspielraum bestehen kann (vgl. GK-AufenthG § 11 Rn. 65 ff; a.A. aber etwa Zeitler, in: HTK-AuslR, § 11 AufenthG zu Abs. 3 Nr. 1, ohne aber überhaupt auf die Problematik einzugehen). Der Senat kann an dieser Stelle allerdings offen lassen, ob in Bezug auf die Rechtsfolgen einer Zurückweisung bzw. Abschiebung und deren Befristung eine Ermessensentscheidung ausgeschlossen ist, denn in diesen Fällen dürfte der argumentative Ansatz nicht identisch sein.
28 
2. Was die Fristbestimmung im Einzelnen betrifft, so nimmt vor dem unionsrechtlichen Hintergrund des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG (RFRL) § 11 Abs. 3 Satz 2 eine grundsätzliche Differenzierung vor. In der Regel darf die Frist zunächst die Dauer von fünf Jahren nicht überschreiten. Ausnahmsweise darf diese Frist aber überschritten werden, wenn der oder die Betreffende aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung ausgewiesen wurde oder wenn von ihm/ihr eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Diese Ausnahmefrist darf sodann in der Regel nicht für einen längeren Zeitraum als zehn Jahre festgesetzt werden.
29 
Aus dieser Differenzierung folgt zunächst im Ausgangspunkt, dass oberhalb der Grenze von fünf Jahren allein spezialpräventive Gründe für die Bestimmung der Fristlänge herangezogen werden dürfen, während unterhalb dieser Grenze grundsätzlich auch generalpräventive Überlegungen maßgeblich sein können (vgl. allerdings den missverständlichen Leitsatz Nr. 1, der davon spricht, dass die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 a.F. allein spezialpräventiven Zwecken diene, der aber keine Entsprechung in den Entscheidungsgründen findet BVerwG, Urteil vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - InfAuslR 2013, 334; vgl. demgegenüber aber wieder Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - InfAuslR 2013, 418). Dieses gilt jedenfalls für die Fallgruppe der schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des Absatzes 3 Satz 2 Alt. 2. Für Alt. 1 - den Fall der strafgerichtlichen Verurteilung - gilt formal betrachtet keine Beschränkung auf spezialpräventive Gründe, wörtlich genommen müssen an sich überhaupt keine Gründe vorliegen (zur Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie GK-AufenthG § 11 Rn. 115). Gleichwohl ist auch hier das Befristungsregime in untrennbarem Zusammenhang mit der Ausweisungsentscheidung zu sehen, die aus spezial- und ggf. generalpräventiver Erwägung den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gewährleisten soll. Deshalb könnte eine Befristungsentscheidung, die nicht mehr der Absicherung und Gewährleistung der mit der Ausweisung selbst verfolgten Zwecke dient, keine Rechtfertigung finden, sie wäre nicht mehr erforderlich und letztlich unverhältnismäßig, weshalb allein der Umstand einer strafgerichtlichen Verurteilung, ohne dass weitere die konkrete Befristung tragende und rechtfertigende Aspekte hinzutreten, eine Verlängerung von vornherein nicht zu rechtfertigen vermag.
30 
Die nunmehr gesetzlich in § 11 Abs. 3 Satz 3 AufenthG bestimmte Regelobergrenze von zehn Jahren ist der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geschuldet, wonach in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellen soll, für den eine Prognose realistischer Weise noch gestellt werden könne und sich die Persönlichkeitsentwicklung weiter in die Zukunft kaum abschätzen lasse, ohne spekulativ zu werden (vgl. Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - InfAuslR 2013, 169; vom 13.12.2012 - 1 C 14.12 - InfAuslR 2013, 141; vom 14.5.2013 - 1 C 13.12 - InfAuslR 2013, 334). Ob diese Annahme ausreichend valide und daher sachgerecht ist bzw. ob es Aufgabe der Verwaltungsgerichte sein kann, ohne nähere Belege eine solche Grenze festzulegen, bedarf hier keiner Entscheidung (mehr). Denn die gesetzliche Festlegung einer solchen Regelfrist von 10 Jahren liegt in der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und überschreitet den hierdurch gesteckten Rahmen nicht, da sie nicht offenkundig sachfremd bzw. unzutreffend ist.
31 
Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen nach der aktuellen Rechtslage die Frist von 10 Jahren überschritten werden darf, bedarf im vorliegenden Fall keiner weiteren Prüfung.
32 
Für den Regelfall, dass die Befristung zusammen mit der Ausweisung erfolgt, sieht mit § 11 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AufenthG das geltende Recht nunmehr vor, dass das Verbot auch aufgehoben werden kann. Aus diesem Grund ist formal betrachtet kein Raum mehr für eine bislang übliche Tenorierung, wonach die Befristung auf sofort (ohne vorherige Ausreise) erfolgt.
33 
Nach dem mittlerweile in ständiger Rechtsprechung vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Ansatz (vgl. Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - InfAuslR 2014, 223 m.w.N.) ist die maßgebliche festzusetzende Frist (und für die Beantwortung der Frage, ob ein Verbot aufzuheben ist, gilt nichts anderes) in zwei deutlich voneinander zu trennenden Schritten zu ermitteln: Im ersten Schritt ist allein der Frage nachzugehen, ob die konkret mit der Ausweisung (besser: dem Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbot) verfolgten Zwecke nach Ablauf der Frist aller Voraussicht erreicht sein werden, ob - mit anderen Worten - die spezial- und/oder ggf. generalpräventiven Zwecke eine Aufrechterhaltung des Verbots nach einer an dieser Stelle zu bestimmenden Höchstfrist nicht mehr zu rechtfertigen vermögen. In einem zweiten Schritt sind sämtliche im konkreten Kontext schutzwürdigen Interessen des Ausländers oder der Ausländerin in den Blick zu nehmen. Nur wenn und soweit die im ersten Schritt ermittelte Frist auch mit Verfassungs-, Unionsrecht und völkerrechtlichen Grundsätzen kompatibel ist, kann diese Bestand haben; erforderlichenfalls ist diese in dem gebotenen Maße zu verkürzen oder ggf. vollständig aufzuheben. Dabei haben Verwaltung und Rechtsprechung zwischen den oftmals erheblichen und gewichtigen öffentlichen Interessen an einer Aufrechterhaltung des Verbots einerseits und den geschützten Interessen der Betroffenen einen praktisch verträglichen und verhältnismäßigen Ausgleich herzustellen. An dieser Entscheidungsstruktur ist auch nach der neuen Rechtslage festzuhalten. Sie findet ihren (andeutungsweisen) Niederschlag in § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, wenn dort die Fallkonstellationen der Zweckerreichung und sodann die der noch nicht erfolgten Zweckerreichung bei gleichzeitig bestehenden (überwiegenden) schutzwürdigen Belangen angesprochen werden. Selbst wenn man im vorliegenden Zusammenhang von der Zulässigkeit einer Ermessensentscheidung ausgeht, ist diese durch die Kriterien der zweistufigen Prüfung in der Regel in erheblichem Umfang gebunden.
34 
Strukturell sieht das Gesetz - verfassungs- und unionsrechtlich unbedenklich - vor, dass die jeweils gesetzte Frist erst mit der erfolgten Ausreise in Lauf gesetzt wird (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Nur im Fall der gänzlichen Aufhebung des Verbots wegen dessen Zweckerreichung oder aus Gründen der Wahrung überwiegender schutzwürdiger Belange des Ausländers oder der Ausländerin wird in diesem Fall eine vorherige Ausreise nicht vorausgesetzt; ein solches Erfordernis wäre nicht nur sinnlos, sondern auch in jeder Hinsicht unverhältnismäßig. Daher kann bereits aus Rechtsgründen auch das vom Kläger hilfsweise unterbreitete Begehren einer Aufhebung zu einem späteren Zeitpunkt (ohne vorherige Ausreise) von vornherein keinen Erfolg haben.
35 
3. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Falle des Klägers eine Überschreitung der Fünf-Jahres-Grenze (sowohl unter dem Aspekt der strafgerichtlichen Verurteilung wie auch dem der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung) zulässig und auch erforderlich ist. In Anbetracht der erheblichen vor der letzten Verurteilung begangenen Drogendelikte und der letzten Verurteilung wegen versuchten Mordes ist auch in Ansehung der Tatsache, dass der Kläger mittlerweile drei Jahre wieder in Freiheit ist, unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung der inmitten stehenden Rechtsgüter und demgemäß des möglicherweise drohenden großen Schadens noch von einem nicht zu vernachlässigenden Risiko der Begehung erheblicher Straftaten auszugehen. Die bereits vom Verwaltungsgericht bewerteten Stellungnahmen des Klägers zu der letzten Verurteilung und der ihr zugrunde liegenden Taten, die er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in bemerkenswerter Offenheit und Eindeutigkeit wiederholt hat, machen deutlich, dass von einer erfolgreichen Überwindung der strafrechtlichen Vergangenheit nicht ausgegangen werden kann. Dieses wird auch nicht zuletzt eindrucksvoll durch die Stellungnahme der Psychotherapeutischen Ambulanz an die Strafvollstreckungskammer vom 04.09.2014 bestätigt, die eine Einstellung der Therapie befürwortet, weil sie trotz ihrer langen Dauer zu keiner Aufarbeitung der begangenen Straftat(en) geführt habe. Der Kläger hat dort und sodann gegenüber dem Verwaltungsgericht sowie dem Senat strikt in Abrede gestellt, das Opfer der der landgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Tat mit Tötungsvorsatz rechtswidrig angegriffen zu haben, sondern sich auf Notwehr berufen. Das Urteil des Landgerichts enthält eine ausführliche und in sich stimmige Beweiswürdigung und liefert keinen Anhalt dafür, die Einlassung des Klägers auch nur ansatzweise für plausibel halten zu können. Die Risikoprognose wird auch nicht durch den Umstand infrage gestellt, dass sich der Kläger unter der angeordneten Führungsaufsicht in nicht zu beanstandender Weise verhalten hat. Auch wenn von der strafgerichtlichen Entscheidung über die Anordnung der Führungsaufsicht keine Bindungswirkung für das Aufenthaltsrecht ausgeht, kann der Senat nicht außer Acht lassen, dass die Anordnung nach § 68 Abs. 1 StGB voraussetzt, dass trotz Verbüßung der Freiheitsstrafe nach wie vor die konkrete Gefahr der Begehung weiterer Straftaten besteht. Zudem kann nicht übersehen werden, dass im Falle des Klägers zunächst die gesetzliche Höchstdauer von fünf Jahre vollständig ausgeschöpft worden war und bislang eine Verkürzung nicht verfügt wurde (vgl. § 68c Abs. 1 StGB). Zwar hat der Bewährungshelfer mittlerweile bei der Strafvollstreckungskammer angeregt, die Dauer der Führungsaufsicht zu verkürzen. Dieses ist aber unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft sowie der Führungsaufsichtsstelle, insbesondere aber der Stellungnahme der Psychotherapeutischen Ambulanz vom 04.09.2014 nicht zu erwarten, abgesehen davon, dass, wie bereits dargelegt, eine Bindung des Senats hiervon nicht ausginge. Auch muss angemessen in Rechnung gestellt werden, dass im Jahre 2011 (Beschluss vom 02.02.2011) der Antrag auf Aussetzung des Strafrestes mit nachvollziehbaren und anschaulich die Wiederholungsgefahr herausarbeitenden Argumenten von der Strafvollstreckungskammer abgelehnt worden war. Deren ausführliche Begründung steht der Annahme entgegen, die spezialpräventiven Gründe könnten mittlerweile vollständig entfallen oder so unbedeutend geworden sein, dass sie unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Klägers nicht mehr relevant sind.
36 
Mit dem Beklagten ist davon auszugehen, dass - bei gleichbleibenden Verhältnissen - eine vollständige Ausschöpfung der Regelobergrenze von 10 Jahren nicht erforderlich ist. Der Senat lässt sich dabei maßgeblich von der Überlegung leiten, dass der Kläger mittlerweile über drei Jahre beanstandungsfrei in Freiheit lebt, weshalb von einem geringeren Risiko der Begehung weiterer erheblicher Straftaten auszugehen ist, als dieses noch zum Zeitpunkt der Freilassung aus der Strafhaft der Fall war. Der Senat sieht keine zwingende rechtliche Notwendigkeit, im ersten Beurteilungsschritt eine exakte Frist festzulegen, wenn ohnehin - wie hier - im zweiten Schritt eine erhebliche Reduzierung erfolgen muss. Allerdings muss etwa die Größenordnung bestimmt werden, um einerseits für die Bestimmung der Frist und die hierfür erforderliche Abwägung im zweiten Schritt einen ausreichend sicheren Ausgangs- und Anhaltspunkt festlegen zu können und andererseits für die Zukunft eine ausreichende Basis für eine etwa erforderlich werdende Verlängerungs- oder Verkürzungsentscheidung festzulegen. Hiernach erachtet der Senat eine moderate Überschreitung der Fünf-Jahres-Grenze und eine Einordnung im Bereich von etwa sieben Jahren für erforderlich, aber auch ausreichend, wovon auch der Beklagte ausgegangen ist.
37 
Der Senat ist weiter der Auffassung, dass - auch heute und von heute an gerechnet (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 11.11.2013 - 1 B 11.13 - juris) - eine Befristung von drei Jahren vor dem Hintergrund der konkreten Situation des Klägers, insbesondere seines Alters und der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, des Gesundheitszustands seiner deutschen Ehefrau und deren Betreuungsbedürftigkeit, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Unterstellt der Kläger würde heute ausreisen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.11.2013 - a.a.O.), endeten die Wirkungen des Verbots etwas über ein Jahr nach Ablauf der angeordneten Führungsaufsicht. Wird der Kläger sich in diesem letzten Zeitraum - gerade ohne die Führungsaufsicht und ohne die Kontrolle durch einen Bewährungshelfer - weiter beanstandungsfrei verhalten, so wäre der Gesichtspunkt der Zweckverfolgung nicht mehr kompatibel mit schützenswerten Belangen des Klägers. In diesem Zusammenhang weist der Beklagte allerdings im Ausgangspunkt zu Recht auf den vom Verwaltungsgericht übersehenen bzw. nicht ausreichend gewürdigten Umstand hin, dass den ehelichen und familiären Belangen gegenwärtig in ausreichendem Maße durch die Erteilung einer Duldung (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) Rechnung getragen werden kann und auch tatsächlich wird, gleichwohl besteht ein beachtliches Interesse des Klägers und seiner Ehefrau, dass sie in überschaubarer Zeit wieder eine Legalisierung des Aufenthalts erreichen können. Nach erfolgreichem Durchlaufen einer angemessenen und überschaubaren „Bewährungszeit“ nach Ablauf der Führungsaufsicht ist es aber, wie der Beklagte zutreffend erkannt hat, nicht mehr gerechtfertigt, dem Kläger eine weitere Legalisierungsperspektive zu verweigern. Sollten bis dahin negative Entwicklungen des Klägers zu Tage treten, so besteht nunmehr nach § 11 Abs. 4 Satz 3 AufenthG die Möglichkeit, die Frist wieder nachträglich zu verlängern, wie es auch der Kläger in der Hand hat, im Falle wesentlicher positiver Veränderungen in seiner Person bzw. sonstiger Veränderungen seiner schützenswerten Belange, eine weitere Verkürzung zu beantragen.
38 
Dem Kläger kann nicht darin gefolgt werden, dass unions- und europarechtlich der vorläufige Verweis auf eine Duldung zur Sicherung eines Mindestmaßes an Ehe- und Familienschutz nicht zulässig ist. Der Senat vermag insoweit keine bindenden Vorgaben zu erkennen. „Einfachheit“ ist kein unions- oder europarechtlich bindender Maßstab für die nationale Norminterpretation oder Normanwendung. Dem Beklagten ist darin zu folgen, dass die vorübergehende Aufrechterhaltung des Verbots ihre verhältnismäßige Rechtfertigung darin findet, dass jedenfalls eine Aufenthaltsverfestigung vermieden wird, um in dieser Zeit eine Konsolidierung und Stabilisierung des Klägers abwarten zu können. Sollten sich wesentliche Veränderungen zugunsten des Klägers ergeben, steht ihm, wie gesagt, ein weiterer Verkürzungsantrag offen.
39 
Eine Verpflichtung zur vollständigen Aufhebung des Verbots besteht hiernach nicht und folgt auch nicht aus § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG. Denn der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass mit Rücksicht auf die nicht ausgeräumte Gefahr der erneuten Begehung erheblicher Straftaten eine Atypik im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG vorliegt. Deshalb kann auch offen bleiben, ob nicht auch im Rahmen des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eine Ermessensentscheidung des Inhalts getroffen werden könnte, nicht vom Vorliegen der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen und damit die Erteilung des Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG abzulehnen mit der Folge, dass die Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ebenfalls nicht vorlägen (vgl. auch GK-AufenthG § 11 Rn. 136).
40 
4. Aber selbst wenn man dem auf die gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gestützten Ansatz des Beklagten folgt und von der Zulässigkeit einer Ermessensentscheidung ausgeht, so ist die von ihm später nachgeholte Entscheidung und deren Begründung (vgl. deren Schriftsatz vom 13.10.2015 an den Senat) nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat, wie sich auch aus den obigen Ausführungen ergibt, alle wesentlichen einzustellenden Abwägungsgesichtspunkte erkannt, nicht fehlerhaft gewichtet und angemessen, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragend abgewogen. Insbesondere ist er unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter und in Ansehung der erheblichen Kriminalitätsbelastung des Klägers vor der letzten Verurteilung von einer noch relevanten und auch in Ansehung der schutzwürdigen Belange des Klägers nicht zu vernachlässigenden Gefahr der Begehung weiterer Straftaten ausgegangen.
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
42 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
43 
Beschluss vom 9. Dezember 2015
44 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG auf5.000,- EUR festgesetzt.
45 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
23 
Die zulässige, insbesondere unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung des Beklagten hat Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf (sofortige) Aufhebung des Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbot, er kann eine solche auch nicht auf den 31.10.2016 bzw. eine Befristung auf den 31.10.2016 (nach vorheriger Ausreise) beanspruchen.
24 
Nach der für die Entscheidung des Senats maßgeblichen seit 01.08.2015 geltenden Fassung des § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist über die Befristung des Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbots von Amts wegen zusammen mit der Ausweisung zu entscheiden. In einem sog. Altfall, wie er hier gegeben ist, kann dieses naturgemäß nicht mehr geschehen; vielmehr ist die Befristung nachzuholen.
25 
§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG sieht vor, dass die Entscheidung der Ausländerbehörde über die Länge der Frist von dieser im Ermessenswege zu treffen ist. Davon ausgehend stellt sich die angegriffene Entscheidung im konkreten Fall zwar als rechtmäßig dar (dazu unten 4.). Allerdings ist der Senat der Auffassung, dass Entscheidungen nach § 11 AufenthG nF bei Ausweisungen aufgrund übergeordneter Gründe auch nach neuer Rechtslage als gebundene erfolgen müssen. Denn regelmäßig ist nur dadurch systemkonform die Verhältnismäßigkeit der zugrunde liegenden Ausweisung, die nunmehr stets als gebundene Entscheidung ergeht, sicherzustellen (dazu sogleich unter 1. bis 3.). Insoweit ist die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 11 AufenthG in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 unverändert zu übertragen.
26 
1. Das Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 (BGBl I S. 2258) hatte das Bundesverwaltungsgericht zum Anlass einer umfassenden Neubestimmung des Befristungsregimes genommen und - jedenfalls in Ermangelung eines ausdrücklichen entgegenstehenden Wortlauts - die Fristbestimmung als gebundene Entscheidung interpretiert und letztlich am Antragserfordernis nicht mehr festgehalten, obwohl der Wortlaut der Norm an sich keine andere Interpretation zuließ. Es hat sich dabei zum einen von den unionsrechtlichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie leiten lassen, aber ausdrücklich offen gelassen, ob etwa die Ausweisungsverfügung eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Rückführungsrichtlinie ist. Weiter hat es das nationale Verfassungsrecht, nämlich die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, fruchtbar gemacht und schließlich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 8 EMRK herangezogen. Es führt in diesem Zusammenhang im Urteil vom 14.02.2012 - 1 C 7.11 - InfAuslR 2012, 255 (vgl. auch Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19.11 - InfAuslR 2012, 397; vom 13.12.2012 - 1 C 14.12 - InfAuslR 2013, 141) aus, dass in der Gesamtschau der sich aus den Grundrechten des Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie aus dem Unionsrecht ergebenden Argumente und der erstmals mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz 2011 im Grundsatz eingeführten Höchstfrist von fünf Jahren die schützenswerten privaten Interessen des Betroffenen an der Befristung nunmehr in einer Weise aufgewertet seien, dass vor dem Hintergrund des insoweit offenen Wortlauts des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F. nicht mehr angenommen werden könne, der Verwaltung sei ein Spielraum zur Rechtskonkretisierung im Einzelfall eingeräumt, der nur auf die Einhaltung äußerer Grenzen gerichtlich überprüfbar sei. Die Regelung sei auch in ihrem europäischen Gesamtzusammenhang betrachtet nunmehr so zu verstehen, dass dem Betroffenen ein Recht auf eine vollständige gerichtliche Kontrolle der Dauer der Befristung eingeräumt sei, um sein Recht auf eine verhältnismäßige Aufenthaltsbeendigung zu sichern.
27 
Wenn der Gesetzgeber sich nunmehr entschieden hat, in § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG das Prinzip der Ermessensentscheidung festzuschreiben, so sah er sich offenbar durch die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht daran gehindert, den früheren Rechtszustand bzw. die frühere Sichtweise wieder herzustellen (vgl. den Hinweis auf das Urteil vom 14.02.2012 in BT-Drucks. 18/4097, S. 36). Zwar ist in diesem Zusammenhang einzuräumen, dass das Bundesverwaltungsgericht auf den ersten Blick eine solche Interpretation herausgefordert hat, wenn es auf einen „offenen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG n.F.“ hingewiesen und in der Schwebe gelassen hatte, was im Falle eines nicht offenen Wortlauts zu gelten hätte. Wenn aber Geltungsgrund des Anspruchs auf Befristung und uneingeschränkte richterliche Kontrolle verfassungsrechtliche, unionsrechtliche und menschenrechtliche Vorgaben sein sollen, die das „Recht auf eine verhältnismäßige Aufenthaltsbeendigung“ sichern sollen, so kann die verfassungs- und völkerrechtliche Zulässigkeit eines Ermessensspielraums nicht tragfähig begründet werden. Hinzu kommt ein weiteres: Es bestehen ungeachtet des Ansatzes des Bundesverwaltungsgerichts nunmehr grundlegende strukturelle Einwände gegen die Zulässigkeit der Einräumung eines Ermessensspielraums. Denn nach der neuen Rechtslage ergeht die Ausweisungsentscheidung selbst ausnahmslos und nicht nur im Ausnahmefall ohne jeden behördlichen Ermessensspielraum als eine rechtlich gebundene und umfassend interessenabwägende Entscheidung, die (lediglich) die Rechtsgrenze der Verhältnismäßigkeit zu wahren hat. Dann aber stellte es einen strukturellen Widerspruch bzw. eine gedankliche Ungereimtheit dar, wenn hier ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum bestünde und der Ausländerbehörde eine mehr oder weniger große autonome Steuerungsmöglichkeit eingeräumt wäre. Denn die Dauer des Verbots ist gleichfalls für das Gewicht der Interessenbetroffenheit des Ausländers von essentieller Bedeutung und gestaltet, wenn auch nicht formal, so doch inhaltlich untrennbar die durch die Ausweisung ausgelösten Folgen. Aus den vorgenannten verfassungsrechtlichen wie auch strukturellen Erwägungen folgt, dass bei der Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG kein behördlicher Ermessensspielraum bestehen kann (vgl. GK-AufenthG § 11 Rn. 65 ff; a.A. aber etwa Zeitler, in: HTK-AuslR, § 11 AufenthG zu Abs. 3 Nr. 1, ohne aber überhaupt auf die Problematik einzugehen). Der Senat kann an dieser Stelle allerdings offen lassen, ob in Bezug auf die Rechtsfolgen einer Zurückweisung bzw. Abschiebung und deren Befristung eine Ermessensentscheidung ausgeschlossen ist, denn in diesen Fällen dürfte der argumentative Ansatz nicht identisch sein.
28 
2. Was die Fristbestimmung im Einzelnen betrifft, so nimmt vor dem unionsrechtlichen Hintergrund des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG (RFRL) § 11 Abs. 3 Satz 2 eine grundsätzliche Differenzierung vor. In der Regel darf die Frist zunächst die Dauer von fünf Jahren nicht überschreiten. Ausnahmsweise darf diese Frist aber überschritten werden, wenn der oder die Betreffende aufgrund einer strafgerichtlichen Verurteilung ausgewiesen wurde oder wenn von ihm/ihr eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht. Diese Ausnahmefrist darf sodann in der Regel nicht für einen längeren Zeitraum als zehn Jahre festgesetzt werden.
29 
Aus dieser Differenzierung folgt zunächst im Ausgangspunkt, dass oberhalb der Grenze von fünf Jahren allein spezialpräventive Gründe für die Bestimmung der Fristlänge herangezogen werden dürfen, während unterhalb dieser Grenze grundsätzlich auch generalpräventive Überlegungen maßgeblich sein können (vgl. allerdings den missverständlichen Leitsatz Nr. 1, der davon spricht, dass die Befristung nach § 11 Abs. 1 Satz 3 a.F. allein spezialpräventiven Zwecken diene, der aber keine Entsprechung in den Entscheidungsgründen findet BVerwG, Urteil vom 14.05.2013 - 1 C 13.12 - InfAuslR 2013, 334; vgl. demgegenüber aber wieder Urteil vom 30.07.2013 - 1 C 9.12 - InfAuslR 2013, 418). Dieses gilt jedenfalls für die Fallgruppe der schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des Absatzes 3 Satz 2 Alt. 2. Für Alt. 1 - den Fall der strafgerichtlichen Verurteilung - gilt formal betrachtet keine Beschränkung auf spezialpräventive Gründe, wörtlich genommen müssen an sich überhaupt keine Gründe vorliegen (zur Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Rückführungsrichtlinie GK-AufenthG § 11 Rn. 115). Gleichwohl ist auch hier das Befristungsregime in untrennbarem Zusammenhang mit der Ausweisungsentscheidung zu sehen, die aus spezial- und ggf. generalpräventiver Erwägung den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gewährleisten soll. Deshalb könnte eine Befristungsentscheidung, die nicht mehr der Absicherung und Gewährleistung der mit der Ausweisung selbst verfolgten Zwecke dient, keine Rechtfertigung finden, sie wäre nicht mehr erforderlich und letztlich unverhältnismäßig, weshalb allein der Umstand einer strafgerichtlichen Verurteilung, ohne dass weitere die konkrete Befristung tragende und rechtfertigende Aspekte hinzutreten, eine Verlängerung von vornherein nicht zu rechtfertigen vermag.
30 
Die nunmehr gesetzlich in § 11 Abs. 3 Satz 3 AufenthG bestimmte Regelobergrenze von zehn Jahren ist der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geschuldet, wonach in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellen soll, für den eine Prognose realistischer Weise noch gestellt werden könne und sich die Persönlichkeitsentwicklung weiter in die Zukunft kaum abschätzen lasse, ohne spekulativ zu werden (vgl. Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 - InfAuslR 2013, 169; vom 13.12.2012 - 1 C 14.12 - InfAuslR 2013, 141; vom 14.5.2013 - 1 C 13.12 - InfAuslR 2013, 334). Ob diese Annahme ausreichend valide und daher sachgerecht ist bzw. ob es Aufgabe der Verwaltungsgerichte sein kann, ohne nähere Belege eine solche Grenze festzulegen, bedarf hier keiner Entscheidung (mehr). Denn die gesetzliche Festlegung einer solchen Regelfrist von 10 Jahren liegt in der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und überschreitet den hierdurch gesteckten Rahmen nicht, da sie nicht offenkundig sachfremd bzw. unzutreffend ist.
31 
Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen nach der aktuellen Rechtslage die Frist von 10 Jahren überschritten werden darf, bedarf im vorliegenden Fall keiner weiteren Prüfung.
32 
Für den Regelfall, dass die Befristung zusammen mit der Ausweisung erfolgt, sieht mit § 11 Abs. 4 Sätze 1 und 2 AufenthG das geltende Recht nunmehr vor, dass das Verbot auch aufgehoben werden kann. Aus diesem Grund ist formal betrachtet kein Raum mehr für eine bislang übliche Tenorierung, wonach die Befristung auf sofort (ohne vorherige Ausreise) erfolgt.
33 
Nach dem mittlerweile in ständiger Rechtsprechung vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Ansatz (vgl. Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2.13 - InfAuslR 2014, 223 m.w.N.) ist die maßgebliche festzusetzende Frist (und für die Beantwortung der Frage, ob ein Verbot aufzuheben ist, gilt nichts anderes) in zwei deutlich voneinander zu trennenden Schritten zu ermitteln: Im ersten Schritt ist allein der Frage nachzugehen, ob die konkret mit der Ausweisung (besser: dem Einreise-, Aufenthalts- und Erteilungsverbot) verfolgten Zwecke nach Ablauf der Frist aller Voraussicht erreicht sein werden, ob - mit anderen Worten - die spezial- und/oder ggf. generalpräventiven Zwecke eine Aufrechterhaltung des Verbots nach einer an dieser Stelle zu bestimmenden Höchstfrist nicht mehr zu rechtfertigen vermögen. In einem zweiten Schritt sind sämtliche im konkreten Kontext schutzwürdigen Interessen des Ausländers oder der Ausländerin in den Blick zu nehmen. Nur wenn und soweit die im ersten Schritt ermittelte Frist auch mit Verfassungs-, Unionsrecht und völkerrechtlichen Grundsätzen kompatibel ist, kann diese Bestand haben; erforderlichenfalls ist diese in dem gebotenen Maße zu verkürzen oder ggf. vollständig aufzuheben. Dabei haben Verwaltung und Rechtsprechung zwischen den oftmals erheblichen und gewichtigen öffentlichen Interessen an einer Aufrechterhaltung des Verbots einerseits und den geschützten Interessen der Betroffenen einen praktisch verträglichen und verhältnismäßigen Ausgleich herzustellen. An dieser Entscheidungsstruktur ist auch nach der neuen Rechtslage festzuhalten. Sie findet ihren (andeutungsweisen) Niederschlag in § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, wenn dort die Fallkonstellationen der Zweckerreichung und sodann die der noch nicht erfolgten Zweckerreichung bei gleichzeitig bestehenden (überwiegenden) schutzwürdigen Belangen angesprochen werden. Selbst wenn man im vorliegenden Zusammenhang von der Zulässigkeit einer Ermessensentscheidung ausgeht, ist diese durch die Kriterien der zweistufigen Prüfung in der Regel in erheblichem Umfang gebunden.
34 
Strukturell sieht das Gesetz - verfassungs- und unionsrechtlich unbedenklich - vor, dass die jeweils gesetzte Frist erst mit der erfolgten Ausreise in Lauf gesetzt wird (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Nur im Fall der gänzlichen Aufhebung des Verbots wegen dessen Zweckerreichung oder aus Gründen der Wahrung überwiegender schutzwürdiger Belange des Ausländers oder der Ausländerin wird in diesem Fall eine vorherige Ausreise nicht vorausgesetzt; ein solches Erfordernis wäre nicht nur sinnlos, sondern auch in jeder Hinsicht unverhältnismäßig. Daher kann bereits aus Rechtsgründen auch das vom Kläger hilfsweise unterbreitete Begehren einer Aufhebung zu einem späteren Zeitpunkt (ohne vorherige Ausreise) von vornherein keinen Erfolg haben.
35 
3. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Falle des Klägers eine Überschreitung der Fünf-Jahres-Grenze (sowohl unter dem Aspekt der strafgerichtlichen Verurteilung wie auch dem der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung) zulässig und auch erforderlich ist. In Anbetracht der erheblichen vor der letzten Verurteilung begangenen Drogendelikte und der letzten Verurteilung wegen versuchten Mordes ist auch in Ansehung der Tatsache, dass der Kläger mittlerweile drei Jahre wieder in Freiheit ist, unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung der inmitten stehenden Rechtsgüter und demgemäß des möglicherweise drohenden großen Schadens noch von einem nicht zu vernachlässigenden Risiko der Begehung erheblicher Straftaten auszugehen. Die bereits vom Verwaltungsgericht bewerteten Stellungnahmen des Klägers zu der letzten Verurteilung und der ihr zugrunde liegenden Taten, die er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in bemerkenswerter Offenheit und Eindeutigkeit wiederholt hat, machen deutlich, dass von einer erfolgreichen Überwindung der strafrechtlichen Vergangenheit nicht ausgegangen werden kann. Dieses wird auch nicht zuletzt eindrucksvoll durch die Stellungnahme der Psychotherapeutischen Ambulanz an die Strafvollstreckungskammer vom 04.09.2014 bestätigt, die eine Einstellung der Therapie befürwortet, weil sie trotz ihrer langen Dauer zu keiner Aufarbeitung der begangenen Straftat(en) geführt habe. Der Kläger hat dort und sodann gegenüber dem Verwaltungsgericht sowie dem Senat strikt in Abrede gestellt, das Opfer der der landgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Tat mit Tötungsvorsatz rechtswidrig angegriffen zu haben, sondern sich auf Notwehr berufen. Das Urteil des Landgerichts enthält eine ausführliche und in sich stimmige Beweiswürdigung und liefert keinen Anhalt dafür, die Einlassung des Klägers auch nur ansatzweise für plausibel halten zu können. Die Risikoprognose wird auch nicht durch den Umstand infrage gestellt, dass sich der Kläger unter der angeordneten Führungsaufsicht in nicht zu beanstandender Weise verhalten hat. Auch wenn von der strafgerichtlichen Entscheidung über die Anordnung der Führungsaufsicht keine Bindungswirkung für das Aufenthaltsrecht ausgeht, kann der Senat nicht außer Acht lassen, dass die Anordnung nach § 68 Abs. 1 StGB voraussetzt, dass trotz Verbüßung der Freiheitsstrafe nach wie vor die konkrete Gefahr der Begehung weiterer Straftaten besteht. Zudem kann nicht übersehen werden, dass im Falle des Klägers zunächst die gesetzliche Höchstdauer von fünf Jahre vollständig ausgeschöpft worden war und bislang eine Verkürzung nicht verfügt wurde (vgl. § 68c Abs. 1 StGB). Zwar hat der Bewährungshelfer mittlerweile bei der Strafvollstreckungskammer angeregt, die Dauer der Führungsaufsicht zu verkürzen. Dieses ist aber unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft sowie der Führungsaufsichtsstelle, insbesondere aber der Stellungnahme der Psychotherapeutischen Ambulanz vom 04.09.2014 nicht zu erwarten, abgesehen davon, dass, wie bereits dargelegt, eine Bindung des Senats hiervon nicht ausginge. Auch muss angemessen in Rechnung gestellt werden, dass im Jahre 2011 (Beschluss vom 02.02.2011) der Antrag auf Aussetzung des Strafrestes mit nachvollziehbaren und anschaulich die Wiederholungsgefahr herausarbeitenden Argumenten von der Strafvollstreckungskammer abgelehnt worden war. Deren ausführliche Begründung steht der Annahme entgegen, die spezialpräventiven Gründe könnten mittlerweile vollständig entfallen oder so unbedeutend geworden sein, dass sie unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Klägers nicht mehr relevant sind.
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Mit dem Beklagten ist davon auszugehen, dass - bei gleichbleibenden Verhältnissen - eine vollständige Ausschöpfung der Regelobergrenze von 10 Jahren nicht erforderlich ist. Der Senat lässt sich dabei maßgeblich von der Überlegung leiten, dass der Kläger mittlerweile über drei Jahre beanstandungsfrei in Freiheit lebt, weshalb von einem geringeren Risiko der Begehung weiterer erheblicher Straftaten auszugehen ist, als dieses noch zum Zeitpunkt der Freilassung aus der Strafhaft der Fall war. Der Senat sieht keine zwingende rechtliche Notwendigkeit, im ersten Beurteilungsschritt eine exakte Frist festzulegen, wenn ohnehin - wie hier - im zweiten Schritt eine erhebliche Reduzierung erfolgen muss. Allerdings muss etwa die Größenordnung bestimmt werden, um einerseits für die Bestimmung der Frist und die hierfür erforderliche Abwägung im zweiten Schritt einen ausreichend sicheren Ausgangs- und Anhaltspunkt festlegen zu können und andererseits für die Zukunft eine ausreichende Basis für eine etwa erforderlich werdende Verlängerungs- oder Verkürzungsentscheidung festzulegen. Hiernach erachtet der Senat eine moderate Überschreitung der Fünf-Jahres-Grenze und eine Einordnung im Bereich von etwa sieben Jahren für erforderlich, aber auch ausreichend, wovon auch der Beklagte ausgegangen ist.
37 
Der Senat ist weiter der Auffassung, dass - auch heute und von heute an gerechnet (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 11.11.2013 - 1 B 11.13 - juris) - eine Befristung von drei Jahren vor dem Hintergrund der konkreten Situation des Klägers, insbesondere seines Alters und der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, des Gesundheitszustands seiner deutschen Ehefrau und deren Betreuungsbedürftigkeit, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Unterstellt der Kläger würde heute ausreisen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.11.2013 - a.a.O.), endeten die Wirkungen des Verbots etwas über ein Jahr nach Ablauf der angeordneten Führungsaufsicht. Wird der Kläger sich in diesem letzten Zeitraum - gerade ohne die Führungsaufsicht und ohne die Kontrolle durch einen Bewährungshelfer - weiter beanstandungsfrei verhalten, so wäre der Gesichtspunkt der Zweckverfolgung nicht mehr kompatibel mit schützenswerten Belangen des Klägers. In diesem Zusammenhang weist der Beklagte allerdings im Ausgangspunkt zu Recht auf den vom Verwaltungsgericht übersehenen bzw. nicht ausreichend gewürdigten Umstand hin, dass den ehelichen und familiären Belangen gegenwärtig in ausreichendem Maße durch die Erteilung einer Duldung (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) Rechnung getragen werden kann und auch tatsächlich wird, gleichwohl besteht ein beachtliches Interesse des Klägers und seiner Ehefrau, dass sie in überschaubarer Zeit wieder eine Legalisierung des Aufenthalts erreichen können. Nach erfolgreichem Durchlaufen einer angemessenen und überschaubaren „Bewährungszeit“ nach Ablauf der Führungsaufsicht ist es aber, wie der Beklagte zutreffend erkannt hat, nicht mehr gerechtfertigt, dem Kläger eine weitere Legalisierungsperspektive zu verweigern. Sollten bis dahin negative Entwicklungen des Klägers zu Tage treten, so besteht nunmehr nach § 11 Abs. 4 Satz 3 AufenthG die Möglichkeit, die Frist wieder nachträglich zu verlängern, wie es auch der Kläger in der Hand hat, im Falle wesentlicher positiver Veränderungen in seiner Person bzw. sonstiger Veränderungen seiner schützenswerten Belange, eine weitere Verkürzung zu beantragen.
38 
Dem Kläger kann nicht darin gefolgt werden, dass unions- und europarechtlich der vorläufige Verweis auf eine Duldung zur Sicherung eines Mindestmaßes an Ehe- und Familienschutz nicht zulässig ist. Der Senat vermag insoweit keine bindenden Vorgaben zu erkennen. „Einfachheit“ ist kein unions- oder europarechtlich bindender Maßstab für die nationale Norminterpretation oder Normanwendung. Dem Beklagten ist darin zu folgen, dass die vorübergehende Aufrechterhaltung des Verbots ihre verhältnismäßige Rechtfertigung darin findet, dass jedenfalls eine Aufenthaltsverfestigung vermieden wird, um in dieser Zeit eine Konsolidierung und Stabilisierung des Klägers abwarten zu können. Sollten sich wesentliche Veränderungen zugunsten des Klägers ergeben, steht ihm, wie gesagt, ein weiterer Verkürzungsantrag offen.
39 
Eine Verpflichtung zur vollständigen Aufhebung des Verbots besteht hiernach nicht und folgt auch nicht aus § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG. Denn der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass mit Rücksicht auf die nicht ausgeräumte Gefahr der erneuten Begehung erheblicher Straftaten eine Atypik im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG vorliegt. Deshalb kann auch offen bleiben, ob nicht auch im Rahmen des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eine Ermessensentscheidung des Inhalts getroffen werden könnte, nicht vom Vorliegen der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen und damit die Erteilung des Titels nach § 25 Abs. 5 AufenthG abzulehnen mit der Folge, dass die Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ebenfalls nicht vorlägen (vgl. auch GK-AufenthG § 11 Rn. 136).
40 
4. Aber selbst wenn man dem auf die gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG gestützten Ansatz des Beklagten folgt und von der Zulässigkeit einer Ermessensentscheidung ausgeht, so ist die von ihm später nachgeholte Entscheidung und deren Begründung (vgl. deren Schriftsatz vom 13.10.2015 an den Senat) nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat, wie sich auch aus den obigen Ausführungen ergibt, alle wesentlichen einzustellenden Abwägungsgesichtspunkte erkannt, nicht fehlerhaft gewichtet und angemessen, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragend abgewogen. Insbesondere ist er unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter und in Ansehung der erheblichen Kriminalitätsbelastung des Klägers vor der letzten Verurteilung von einer noch relevanten und auch in Ansehung der schutzwürdigen Belange des Klägers nicht zu vernachlässigenden Gefahr der Begehung weiterer Straftaten ausgegangen.
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
42 
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsache (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
43 
Beschluss vom 9. Dezember 2015
44 
Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG auf5.000,- EUR festgesetzt.
45 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 21.Oktober 2015 - 7 K 2547/14 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen auf jeweils 237,50 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene und begründete Beschwerde (§§ 146 f. VwGO) ist unbegründet. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Senatsbeschluss vom 27.02.2014 - 8 S 2146/13 - insoweit geändert, als die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragsgegners gegen die Zwangsgeldandrohungen in dem Bescheid des Landratsamts Alb-Donau-Kreis vom 22.05.2013 angeordnet worden ist, und den Antrag auch insoweit abgelehnt. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben zu einer Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts keinen Anlass.
1. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die im Ermessenswege getroffene Entscheidung, Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen einzuleiten, hinreichend begründet worden sei. Das Landratsamt habe darauf abgestellt, dass die Rückbauverfügung aus dem Jahr 1997 rechtskräftig sei und Gespräche mit dem Antragsgegner über deren Umsetzung erfolglos geblieben seien. Es sei nun auch begründet worden, weshalb im Falle des Antragsgegners Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet würden, obwohl in anderen Fällen noch keine - bestandskräftigen - Beseitigungsverfügungen vorlägen.
a) Der Antragsgegner macht hiergegen geltend, dass in der Begründung des ergänzenden Bescheids vom 22.05.2014 darauf hingewiesen werde, dass sein Anwesen mehrere bauliche Anlagen mit insgesamt 440 m3 umbauten Raum im Außenbereich umfasst. Der ergänzende Bescheid enthalte keine Ausführungen zur Vergleichbarkeit dieser Anlagen mit weiteren Baulichkeiten im Gebiet der Erbacher Seenplatte. Dies werde dem Begründungserfordernis, das der Senat in seinem Beschluss vom 27.02.2014 festgehalten habe, in keiner Weise gerecht.
b) Dieses Vorbringen vermag den Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht erfolgreich in Zweifel zu ziehen.
aa) Nach § 39 Abs. 1 LVwVfG ist u.a. ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen (Satz 1). In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (Satz 2). Die Begründung von Ermessensentscheidung soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (Satz 3). Bei der Pflicht aus § 39 Abs. 1 LVwVfG handelt es sich um eine nur formale Pflicht. Darauf, ob die von der Behörde gegebene Begründung auch inhaltlich trägt und die getroffene Entscheidung hinreichend zu rechtfertigen vermag, kommt es deshalb in diesem Zusammenhang nicht an (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.08.2014 - 9 S 1722/13 - juris Rn. 50 m.w.N.).
bb) Diesen Vorgaben wird die Begründung der Zwangsgeldandrohung, wie sie sich im ergänzenden Bescheid vom 22.05.2014 findet, erkennbar gerecht. Denn in der Begründung wird erläutert, weshalb die Verwaltungsvollstreckung eingeleitet worden ist, weshalb das Zwangsmittel des Zwangsgelds gewählt wurde und welche Erwägungen den Antragsteller bei der Bestimmung der Höhe des jeweiligen Zwangsgelds geleitet haben. Die von der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Begründungserfordernis aufgeworfenen Fragen richten sich jeweils auf die inhaltlichen Anforderungen einer Ermessensentscheidung und deren Rechtmäßigkeit. Diese sind, wie dargelegt, im Rahmen des § 39 Abs. 1 LVwVfG entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht zu prüfen.
2. Das Verwaltungsgericht hat weiter entschieden, dass die Erwägungen in dem ergänzenden Bescheid vom 22.05.2014 im Ergebnis nicht zu beanstanden seien. Der Vergleich der baulichen Anlagen des Antragsgegners mit den von ihm in Bezug genommenen Vergleichsfällen zeige, dass die unterschiedliche Behandlung dieser Fälle sachlich gerechtfertigt sei. Die bezeichneten Vergleichsobjekte seien überwiegend deutlich kleiner und wiesen häufig einen provisorischen Charakter auf, während die Anlagen des Antragstellers sich eher als „Freizeitpark“ darstellten. Auch sei anerkannt, dass rechtswidrige Zustände nicht stets flächendeckend zu bekämpfen seien. Vielmehr dürfe die zuständige Behörde auch anlassbezogen vorgehen. Befänden sich innerhalb eines bestimmten räumlichen Bereichs mehrere rechtswidrige Anlagen und werde nicht gegen alle eingeschritten, müsse dem behördlichen Einschreiten allerdings ein der jeweiligen Sachlage angemessenes Konzept zu Grunde liegen. Voraussetzung sei dafür u.a. eine systematische Erfassung des rechtswidrigen Baubestands. Diesem Erfordernis habe der Antragsteller jedenfalls mit den weiteren, im vorliegenden Verfahren angestellten Ermittlungen genügt.
a) Der Antragsgegner macht hiergegen geltend, dass dem Bescheid nach wie vor ausreichende Ermessenserwägungen dazu fehlten, weshalb gegen zahlreiche ungenehmigte Bauten, die seit den 1980er Jahren Gegenstand von mehreren Bestandsaufnahmen gewesen seien, im Einzelnen nicht vergleichbar seien. Der Bescheid berücksichtige überdies nicht, dass sich die baulichen Anlagen auf verschiedenen Grundstücken befänden und nicht - wie im Bescheid geschehen - als ein umbauter Raum zusammengerechnet werden könnten. Die einzelnen Gebäude seien mit anderen rechtswidrigen Einzelgebäuden zu vergleichen. Sie stellten keineswegs eine Gesamtanlage dar. Weiter wird vorgebracht, dass es für zwei ungenehmigte Gebäude im Bereich der Erbacher Seenplatte Abbruchverfügungen aus dem Jahr 1978 gebe. Weder seien die Anlagen abgebrochen worden noch habe der Antragsteller die Verfügungen vollstreckt.
b) Auch dieses Vorbringen zieht den angegriffenen Beschluss nicht erfolgreich in Zweifel.
10 
aa) Der Ansatz sowohl des Verwaltungsgerichts als auch der Beschwerde, eine zutreffende Ermessensausübung bei der Entscheidung über die Androhung des Zwangsgelds erfordere, dass eine systematische Erfassung des rechtswidrigen Baubestands erfolge, trifft bereits nicht zu.
11 
(1) Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung ist, dass der zu vollstreckende Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist (§ 2 Nr. 1 LVwVG) oder die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt (§ 2 Nr. 2 LVwVG). Ist ein Verwaltungsakt unanfechtbar geworden, kommt es im Rahmen seiner Vollstreckung nicht darauf an, ob er rechtmäßig ist. Denn es ist ein tragender Grundsatz des Verwaltungsvollstreckungsrechts, dass die Wirksamkeit und nicht die Rechtmäßigkeit Bedingung für die Rechtmäßigkeit der folgenden Akte und letztlich der Anwendung des Zwangsmittels ist (BVerwG; Urteile vom 13.04.1984 - 4 C 31.81 - NJW 1984, 2591 <2592> und vom 25.09.2008 - 7 C 5.08 - NVwZ 2009, 122 Rn. 12; Senatsurteil vom 10.01.2013 - 8 S 2919/11 -VBlBW 2013, 341; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 08.01.2008 - 10 S 2350/07 - VBlBW 2008, 305; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.04.2012 - 13 E 64/12 - ZfWG 2012, 208). Dieser Grundsatz ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Beschluss vom 07.12.1998 - 1 BvR 831/89 - NVwZ 1999, 290).
12 
Einwendungen gegen die Grundverfügung können im Vollstreckungsverfahren allenfalls in Analogie zu § 767 Abs. 2 ZPO dann zu berücksichtigen sein, wenn sie nach deren Unanfechtbarkeit entstanden sind und ihre Aufrechterhaltung als rechtswidrig erscheinen lassen (so VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.02.1980 - III 1333/79 - BauR 1980, 346; offengelassen im Senatsbeschluss vom 02.06.1997 - 8 S 577/07 - VBlBW 1998, 19). Ob § 767 Abs. 2 ZPO in diesen Fällen tatsächlich zur Anwendung gelangt, kann auch im vorliegenden Verfahren offen bleiben, denn der Antragsgegner hat im Beschwerdeverfahren keine Einwendungen gegen die Grundverfügung vorgetragen, die nach dem 13.01.2009 - dem Tag der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht (4 B 70.08) im Verfahren um die Anfechtung der Abbruchanordnung vom 08.10.1997 - entstanden wären.
13 
(2) Hiervon ausgehend legen das Verwaltungsgericht - und ihm insoweit im Ansatz folgend - die Beschwerde zu hohe Maßstäbe an die Ermessensentscheidung des Antragstellers zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens an. Es steht für das Vollstreckungsverfahren zunächst bindend fest, dass die zu vollstreckende Abbruchanordnung vom 08.10.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 25.03.2004 rechtmäßig ist. Die vom Verwaltungsgericht geforderte systematische Erfassung des rechtswidrigen Baubestands und die Verfolgung eines Konzepts beim Einschreiten gegen rechtswidrige Bauten gehört zu den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen, den Anforderungen des Art. 3 GG gerecht werdenden Ermessensbetätigung beim Erlass einer Abbruchsanordnung im Sinne des § 65 Satz 1 LBO, wenn trotz einer Mehrzahl rechtswidriger baulicher Anlagen nicht flächendeckend gegen diese vorgegangen werden soll (Senatsurteil vom 29.02.1996 - 8 S 3371/95 - NVwZ-RR 1997, 465; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.04.2014 - 3 S 1962/13 - juris). Die Beachtung dieser Anforderungen ist deshalb im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung einer solchen Anordnung nicht erneut zu prüfen.
14 
Vielmehr ist die Ermessensentscheidung, ob eine bestandskräftige Abbruchsanordnung mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden soll, hinsichtlich des Gleichbehandlungsgrundsatzes nur daraufhin zu überprüfen, ob bei mehreren vollstreckbaren Grundverfügungen hinreichend sachliche Gründe dafür vorhanden sind, dass allein eine dieser Verfügungen vollstreckt wird, während die Vollstreckung von Abbruchanordnungen gegenüber anderen Adressaten unterbleibt. Unter anderem kann die Baurechtsbehörde ohne Rechtsverstoß aus ihrer Sicht besonders schwerwiegende Verstöße - auch mit Blick auf eine mögliche Vorbildwirkung - zum Anlass nehmen, die Vollstreckung einzuleiten während sie in anderen Fällen von einer Vollstreckung absieht (vgl. OVG Saarland, Urteil vom 07.11.1995 - 2 R 17/94 - BRS 57 NR. 251).
15 
bb) Gemessen an diesen Maßstäben legt die Beschwerde einen Ermessensfehler nicht dar. Mit ihr werden allein zwei Fälle benannt, bei denen trotz bestandskräftiger Abbruchanordnung bis heute kein Abbruch und keine Vollstreckungsmaßnahmen erfolgt seien. Auch ohne Untersuchung der Gründe für die fehlende Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens in diesem Einzelfall lässt sich aus dem Beschwerdevorbringen eine mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende Ermessensausübung zulasten des Antragsgegners nicht ableiten. Dies käme nur in Betracht, wenn die Handhabung zu seinen Lasten willkürlich wäre. Dies legt der Antragsgegner jedoch nicht dar. Mit seinem Vortrag, zwei Verfügungen zum Abbruch einmal einer Hütte mit einer Grundfläche von 31 -32 m2 und einmal eines ungenehmigten Gebäudes jeweils aus dem Jahr 1978 seien bis heute nicht vollstreckt worden, legt der Antragsgegner nicht dar, dass es sich bezogen auf die von der an ihn gerichteten Abbruchanordnung vom 08.10.1997 erfassten Gebäude um gleichgelagerte Fälle handelt. Insbesondere vermag der Antragsgegner mit seinem Vorbringen, seine zum Abbruch anstehenden Gebäude stellten keine Gesamtanlage dar, im Rahmen der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sachlage nicht durchzudringen. Vielmehr drängt sich angesichts der - nicht angegriffenen - Funktionsbezeichnungen „Gebäude mit Hausmeisterwohnung“, Gebäude mit Dusche, Sauna und WC“, „Bootshaus“ und „Wochenendhaus“ der Schluss, es handele sich insgesamt um einen großzügig angelegten, ungenehmigten Freizeitpark, geradezu auf. Rechtlich unerheblich für die Einordnung der baulichen Anlagen als Gesamtanlage ist, ob die einzelnen von der Abbruchverfügung erfassten baulichen Anlagen auf verschiedenen Grundstücken stehen. Vielmehr kommt es allein auf den optischen Eindruck sowie den funktionalen Zusammenhang der baulichen Anlagen und nicht auf vor Ort nicht ohne Weiteres wahrzunehmende Grundstücksgrenzen an. Einen Ermessensfehler zeigt die Beschwerde daher nicht auf.
16 
Dies gilt auch, soweit mit der Beschwerde geltend gemacht werde, die baulichen Anlagen könnten nicht als ein umbauter Raum zusammengerechnet werden. Es trifft zwar zu, dass in der am 22.05.2014 ergänzten Begründung der Zwangsgeldandrohung angegeben wird, dass die baulichen Anlagen insgesamt 440 m3 umbauten Raumes aufwiesen. Hingegen geht der Vorwurf fehl, der Antragsteller gehe letztlich von einem umbauten Raum aus. Der Bescheid mit seiner ergänzten Begründung lässt deutlich erkennen, dass es dem Antragsteller bewusst war, dass hier verschiedene bauliche Anlagen in Rede stehen.
17 
3. Auch das Vorbringen, nach so langer Zeit fehlten die Gründe, die für einen Sofortvollzug sprächen, die Antragstellerin müsse sich fragen lassen, weshalb nach so langer Zeit und einem so langen Abbruchsverfahren die Vollstreckung im Wege des Sofortvollzugs durchgeführt und nicht jedenfalls auf das Hauptsacheverfahren gewartet werde, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.
18 
a) Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zu prüfen, ob überwiegende öffentliche Belange dafür streiten, den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Der Rechtsschutzanspruch des Betroffenen ist dabei umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt. Das gilt unabhängig davon, ob der Sofortvollzug eines Verwaltungsakts einer gesetzlichen (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1-3 VwGO) oder einer behördlichen Anordnung (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) entspringt (BVerfG, Beschluss vom 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 - BVerfGE 69, 220 < 228 f.>; BVerfG (K), Beschluss vom 11.05.2007 - 2 BvR 2483/06 - BVerfGK 11, 179 < >). Die hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Hauptsacheverfahren zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird, reicht - auch bei gesetzlich angeordnetem Sofortvollzug - nicht aus, um die Umsetzung der Maßnahme vor der endgültigen Klärung ihrer Rechtmäßigkeit im Hauptsacheverfahren zu rechtfertigen. So bedürfen etwa vorläufige Berufsverbote und Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung von Ausländern eine besondere Rechtfertigung, die von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und eine Gefährdungsprognose bezogen auf den Zeitraum zwischen beabsichtigtem Vollzug und Rechtskraft der Entscheidung im Hauptsacheverfahren erfordert (BVerfG (K), Beschluss vom 24.08 2011 - 1 BvR 1611/11 - NVwZ 2012, 104 <105>).
19 
b) Gemessen hieran vermag die lange Dauer des Verwaltungsverfahrens das besondere Vollzugsinteresse nicht in Frage zu stellen. Denn die zeitnahe Durchsetzung bestandskräftiger Entscheidungen mit den Mitteln des Verwaltungszwangs steht einerseits bereits regelmäßig im öffentlichen Interesse, wenn der Betroffene ihr nicht freiwillig Folge leistet. Weder das faktische Ruhen des Widerspruchsverfahrens gegen die Abbruchanordnung in der Zeit zwischen Oktober 1997 und März 2004 - der Antragsgegner begründete seinen Widerspruch erst am 29.03.2003 - noch die Dauer des Verwaltungsrechtsstreits gegen die Abbruchanordnung lassen das besondere öffentliche Interesse am Vollzug der Zwangsgeldandrohung entfallen oder gering erscheinen. Vielmehr durfte der Antragsteller bis zum Eintritt der Bestandskraft der Abbruchanordnung nicht im Vollstreckungswege tätig werden, insbesondere wäre die Anordnung des Sofortvollzugs der Abbruchanordnung rechtlich nicht zulässig gewesen (vgl. Senatsbeschluss vom 11.03.2013 - 8 S 159/13 -juris). Dagegen besteht nunmehr das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Rechtsordnung in besonderer Weise.
20 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung und Abänderung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und folgt den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 56) in Nrn. 1.5 und 1.7.1). Danach ist bei der Androhung von Zwangsmitteln die Hälfte der Höhe des Zwangsgelds in Ansatz zu bringen. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist nur ein Viertel hiervon als Streitwert in Ansatz zu bringen (1.900 EUR x ½ x ¼ = 237,50 EUR), was das Verwaltungsgericht übersehen hat.
21 
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.