Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 14. Okt. 2015 - 10 S 1469/15

bei uns veröffentlicht am14.10.2015

Tenor

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 18. Juni 2015 - 2 K 841/15 - werden zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdefahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich selbst behält.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 18.06.2015 sind zulässig (§§ 146, 147 VwGO), sie bleiben jedoch in der Sache ohne Erfolg.
Nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ist der Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts bei Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beschränkt. Danach prüft der Verwaltungsgerichtshof nur die in einer rechtzeitig eingegangenen Beschwerdebegründung dargelegten Gründe. Allerdings sind nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eintretende jedenfalls offensichtliche entscheidungserhebliche Tatsachen, Rechtsänderungen sowie neue, sowie bislang unverschuldet nicht unterbreitete präsente Beweismittel und der diesbezügliche Vortrag der Beteiligten grundsätzlich berücksichtigungsfähig. Dies gebietet, da der Vortrag des Beschwerdegegners normativ keinen thematischen oder zeitlichen Beschränkungen unterliegt, zugunsten des Beschwerdeführers bereits der Grundsatz der Waffengleichheit, im Übrigen die Amtsermittlungspflicht. Zugleich sprechen prozessökonomische Gründe dafür, da ansonsten ein mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartendes Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO provoziert würde (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 08.03.2011 - 10 S 161/09 - NVwZ-RR 2011, 355). Hiervon ausgehend haben die Beschwerden keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung einschließlich der nach dem Vorstehenden zulässigerweise nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist vorgetragenen Gründe führen nicht dazu, dass die vom Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. i.V.m. § 80a Abs. 3 VwGO vorzunehmende Abwägung zugunsten des Interesses der Antragsteller ausfällt, vom Vollzug bzw. der Ausnutzung der der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 28.10.2014 zur Errichtung eines Biomasseheizwerks bis zu einer endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben.
Bei mehrpoligen Rechtsverhältnissen, insbesondere wie hier bei begünstigenden Verwaltungsakten mit belastender Drittwirkung, stehen sich die Rechtspositionen der entsprechend reziprok betroffenen Privaten grundsätzlich gleichrangig gegenüber. Ein Rechtssatz des Inhalts, dass sich der einen Genehmigungsbescheid anfechtende Dritte gegenüber dem Genehmigungsempfänger von vornherein in einer bevorzugten verfahrensrechtlichen Position befinden müsse, wenn es um die Frage der sofortigen Verwirklichung des Genehmigungstatbestandes geht, ist weder aus dem geltenden Verwaltungsprozessrecht noch aus Art. 19 Abs. 4 GG abzuleiten. Handelt es sich um ein mehrpoliges Rechtsverhältnis, bei dem ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung Gegenstand einer Anfechtungsklage ist (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO), kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass Art. 19 Abs. 4 GG den regelmäßigen Eintritt des Suspensiveffekts verlangt. Denn das Postulat vom Suspensiveffekt als Regelfall stößt bei der Anfechtung von Genehmigungsbescheiden durch Drittbetroffene schon wegen der dabei zu berücksichtigenden Rechtsposition des Genehmigungsempfängers an Grenzen. Dessen Rechtsposition ist grundsätzlich nicht weniger schützenswert als diejenige des Drittbetroffenen. Die einseitige Bevorzugung des Dritten durch die einstweilige Fortschreibung des status quo liefe vielmehr auf eine ungerechtfertigte, mit den Freiheitsgrundrechten des Begünstigten und dem Gleichheitssatz unvereinbare Privilegierung des Dritten hinaus. Kann mithin nicht von einem prinzipiellen prozessualen Vorrang des einen Genehmigungsbescheid anfechtenden Dritten ausgegangen werden, so ist die Frage, wer bis zur Hauptsacheentscheidung das Risiko der Herbeiführung vollendeter Tatsachen tragen muss, primär nach dem materiellen Recht zu beantworten, also nach der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 01.10.2008 - 1 BvR 2466/08 - NVwZ 2009, 240 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 25.11.2014 - 10 S 1920/14 - VBlBW 2015, 253; Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, 1988, S. 1003 ff.). Dem trägt auch § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 2. Alt. VwGO Rechnung, wonach auf das „überwiegende Interesse eines Beteiligten“ zur Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung abgestellt werden kann. Ein überwiegendes Interesse eines durch den Verwaltungsakt begünstigten Beteiligten im Sinne der Vorschrift ist daher dann anzunehmen, wenn das von einem Dritten eingelegte Rechtsmittel mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird und zudem die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung dem anderen, begünstigten Beteiligten gegenüber unbillig erscheinen muss.
Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist die Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG auch nicht dadurch verletzt, dass das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung nicht geprüft hat. Zwar geht das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass im zweipoligen Verwaltungsrechtsverhältnis für die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 1. Alt. VwGO ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich ist, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt. Dabei lässt es sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall bestimmen, wenn der Rechtsschutzanspruch des Einzelnen ausnahmsweise hinter die öffentlichen Belange zurücktreten muss und wann es der Exekutive durch Art. 19 Abs. 4 GG verwehrt ist, der gerichtlichen Prüfung ihrer Maßnahmen vorzugreifen. Jedenfalls ist der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung einen unabänderlichen, nicht mehr rückgängig zu machenden Zustand bewirken (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 21.02.2011 - 2 BvR 1392/10 - NVwZ-RR 2011, 420; und vom 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 - BVerfGE 69, 220). Wird hingegen - wie hier - von einem Dritten die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Genehmigung angegriffen, bedarf es schon nach dem einfachen Recht (vgl. §§ 80a, 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 2. Alt. VwGO und erst recht nicht wegen Art. 19 Abs. 4 GG der Prüfung eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung. Denn in dieser Situation stehen sich nach dem oben Gesagten konkrete Rechtspositionen Privater gegenüber, die grundsätzlich gleichrangig sind. Art. 19 Abs. 4 GG lässt sich nicht entnehmen, dass hier eine der beiden Rechtspositionen bevorzugt wäre oder dass für die sofortige Ausnutzung zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse vorliegen müsste (vgl. BVerwG, Kammerbeschluss vom 01.10.2008 - 1 BvR 2466/08 - a.a.O.; Schoch, a.a.O., S. 1003 ff.). Vor diesem Hintergrund kommt es nicht auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage an, ob eine über das Realisierungsinteresse der Beigeladenen hinausgehende besondere Eilbedürftigkeit durch etwaige Schadensersatzansprüche Dritter wegen unterbliebener Wärmelieferung begründet wird.
Der Senat teilt unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung keinen durchgreifenden, eine überwiegende Aufhebungswahrscheinlichkeit im Hauptsacheverfahren begründenden rechtlichen Bedenken begegnen dürfte. Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten ist zu berücksichtigen, dass in einem von einem Dritten angestrengten Rechtsbehelfsverfahren eine objektive Rechtskontrolle nicht stattfindet. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist vielmehr allein die Frage, ob der das Verfahren betreibende Dritte in eigenen subjektiven Rechten im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt wird. Ob der angefochtene Bescheid insgesamt objektiv rechtmäßig ist, ist insofern nicht maßgeblich. Vielmehr ist die Genehmigung allein daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz des um Rechtsschutz nachsuchenden Dritten dienen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 06.10.1989 - 4 C 14.87 - BVerwGE 82, 343; und vom 05.10.1990 - 7 C 55.89 - BVerwGE 85, 368). Hiervon ausgehend bleiben die Antragsteller mit ihren Einwendungen gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Biomasseheizwerks vom 28.10.2014 aller Voraussicht nach ohne Erfolg. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung begegnet in formell-rechtlicher Hinsicht nicht den von den Antragstellern geltend gemachten Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit (1.). Der angefochtene Genehmigungsbescheid dürfte auch die materiell-rechtlichen Anforderungen drittschützender Vorschriften, auf die sich die Antragsteller berufen können, wahren, insbesondere die des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG; auch steht den Antragstellern kein Anspruch auf eine abweichende, ihre Belange weniger beeinträchtigende Ausführung des Vorhabens zu (2.).
1. Eine Rechtsverletzung der Antragsteller folgt nicht aus der geltend gemachten Verletzung des in § 37 Abs. 1 LVwVfG verankerten Bestimmtheitsgrundsatzes. Hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes bedeutet, dass der Inhalt der getroffenen Regelung für die Beteiligten so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass sie ihr Verhalten danach richten können und auch die mit der Angelegenheit befassten Behörden den Inhalt etwaigen Vollstreckungsmaßnahmen oder sonstigen weiteren Entscheidungen zugrunde legen können. Ein Dritter kann sich jedoch auf die Verletzung dieses Gebots nur dann mit Erfolg berufen, wenn sich die Unbestimmtheit auf einen Regelungsbereich auswirkt, der für die Gewährleistung seiner subjektiven Rechtspositionen von Bedeutung ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.10.2009 - 1 A 10898/07 - juris).
Vor diesem Hintergrund greifen die auch im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Vorbehalte gegen die Bestimmtheit des streitgegenständlichen Genehmigungsbescheides nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat hierzu bereits zutreffend ausgeführt, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht in jeder Hinsicht ausreichend bestimmt ist, insbesondere im Hinblick auf die Beschreibung des Anlieferungskonzepts für den Brennstoff, hierdurch jedoch drittschützende Rechte der Antragsteller nicht verletzt werden. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die noch zu treffende Regelung zum Ablauf der Anlieferung der Holzhackschnitzel eine konkrete Beschreibung des Anlieferkonzepts beinhalten muss; in ihr ist festzulegen, wo genau im öffentlichen Straßenraum der Containerwechsel erfolgen soll und dass für die Wechselvorgänge nicht der Parkplatz auf einer Teilfläche des Grundstücks Flst.-Nr. ... zwischen dem Flst.-Nr. ... und dem Flst.-Nr. ... sowie ... genutzt werden darf. Der Senat teilt die Erwägung des Verwaltungsgerichts, wonach die zwingend vorzunehmende Konkretisierung des Anlieferungskonzepts noch im Widerspruchsverfahren erfolgen kann. Durch den Ausschluss der Wechselvorgänge auf dem oben genannten Parkplatz wird jedenfalls sichergestellt, dass drittschützende Rechte der Antragsteller vor allem im Hinblick auf unzumutbare Geräuschimmissionen nicht zu besorgen sind, mithin sich der Bestimmtheitsmangel nicht zu Lasten der Antragsteller auswirken kann.
2. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu Unrecht wendet sich die Beschwerde gegen die Würdigung des Verwaltungsgerichts, dass die angefochtene Genehmigung auch sonst nicht gegen Rechtsnormen verstößt, die zumindest auch dem Schutz der Antragsteller zu dienen bestimmt sind. Zutreffend dürfte das Verwaltungsgericht entgegen dem Beschwerdevorbringen Verstöße der angefochtenen Genehmigung gegen Schutzpflichten nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ebenso zu Recht verneint haben (2.1) wie ein Recht der Antragsteller auf die Wahl eines anderen Vorhabengrundstücks (2.2).
2.1 Zutreffend dürfte das Verwaltungsgericht davon ausgegangen sein, dass durch das Vorhaben der Beigeladenen keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 BImSchG hervorgerufen werden und deshalb den Schutzpflichten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG genüge getan wird. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; diese Bestimmung ist für Nachbarn drittschützend (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Senatsurteil vom 20.07.2011 - 10 S 2102/09 - ZUR 2011, 600). Die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG als Instrument der Gefahrenabwehr greift ein, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Welche Beeinträchtigungen dabei als erheblich einzustufen sind, bemisst sich danach, was die Betroffenen an Immissionen nicht mehr hinzunehmen brauchen, weil sie unzumutbar sind (vgl. Senatsurteil vom 12.03.2015 - 10 S 1169/13 - juris). Den normkonkretisierenden technischen Regelwerken der TA Luft und der TA Lärm kommt, soweit sie den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Hinblick auf Luftschadstoffe oder Lärm konkretisieren, im Rahmen ihres Anwendungsbereichs eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 - BVerwGE 119, 329; Senatsurteil vom 12.03.2015 - 10 S 1169/13 - a.a.O.). Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass von dem Betrieb des Biomasseheizwerks keine für die Antragsteller unzumutbaren, von ihnen nicht hinzunehmenden Einwirkungen durch Luftschadstoffe hervorgerufen werden. Das Vorhaben genügt den von der Ersten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutz-gesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft - TA Luft) gestellten Anforderungen (2.1.1). Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist die Einhaltung der Grenzwerte der Neununddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (39. BImSchV) keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Erteilung der gegenständlichen Genehmigung (2.1.2).
10 
2.1.1 Soweit die TA Luft für einzelne Stoffe Immissionswerte vorsieht, genügt die geplante Anlage diesen Bestimmungen, soweit sie die Anforderungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisieren. Bei luftverunreinigenden Stoffen, für die in der TA Luft Immissionswerte (Nr. 2.3 TA Luft) als Jahres-, Tages- oder Stundenwerte für Stoffe in der Luft (Nr. 4.2 und Nr. 4.4 TA Luft) festgelegt sind, erfolgt die Prüfung, ob bezüglich des jeweiligen Schadstoffes der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen sichergestellt ist, grundsätzlich durch einen Vergleich der tatsächlichen oder der zu erwartenden Immissionen mit den Immissionswerten. Die zum Vergleich mit den Immissionswerten heranzuziehenden Immissionen bestehen aus der Gesamtbelastung, die sich aus der Summe der Vorbelastung und der Zusatzbelastung durch die neu zu errichtende Anlage ergibt. Der für den jeweiligen Schadstoff angegebene Immissions-Jahreswert ist eingehalten, wenn die Summe aus Vorbelastung und Zusatzbelastung, d. h. die Gesamtbelastung, an den jeweiligen Beurteilungspunkten kleiner oder gleich dem Immissions-Jahreswert ist (Nr. 4.7 TA Luft). Bei Einhaltung der Immissionswerte ist davon auszugehen, dass schädliche Umwelteinwirkungen nicht hervorgerufen werden. Werden die Immissionswerte für Stoffe zum Schutz der menschlichen Gesundheit in Tabelle 1 zu Nr. 4.2.1 TA Luft jedoch überschritten, sind grundsätzlich schädliche Umwelteinwirkungen zu befürchten. Eine Genehmigung kann in diesem Fall nur unter den Voraussetzungen nach Nr. 4.2.2 Abs. 1 Buchst. a) TA Luft erteilt werden, wenn von der zu beurteilenden Anlage kein relevanter Beitrag zu der schädlichen Immissionsbelastung geleistet wird.
11 
Die Ermittlung der Vor-, Zusatz- und Gesamtbelastung für den jeweiligen Luftverunreinigungsstoff erfolgt auf der Grundlage entsprechender Immissionskenngrößen (Nr. 2.2 und Nr. 4.6 TA Luft). Die Kenngröße für die Vorbelastung kennzeichnet die vorhandene Belastung durch einen Schadstoff (Nr. 2.2 Abs. 1 Satz 2 TA Luft). Die Kenngröße für die Zusatzbelastung ist nach Nr. 2.2 Abs. 1 Satz 3 TA Luft der Immissionsbeitrag, der durch das beantragte Vorhaben voraussichtlich hervorgerufen wird. Die Pflicht zur Ermittlung der vorgenannten Kenngrößen besteht indes nicht in jedem Fall. So besteht nach Nr. 4.1 Abs. 4 Satz 1 Buchst. a) TA Luft keine Verpflichtung zur Ermittlung von Immissionskenngrößen für die Vor-, Zusatz- und Gesamtbelastung und zum Vergleich der Gesamtbelastung mit den in Nrn. 4.2 und 4.5 bestimmten Immissionswerten in den Fällen geringer Emissionsmassenströme (Nr. 4.6.1.1 TA Luft).
12 
Obwohl hier von einer Unterschreitung der Bagatellmassenströme nach Nr. 4.6.1.1 der TA Luft auszugehen ist, hat der Vorhabenträger eine Ausbreitungsberechnung des Ingenieurbüros ... vom 28.04.2014 vorgelegt. Danach werden die Immissionsrichtwerte nach Nr. 4.2.1 der TA Luft an den umliegenden Immissionsorten und insbesondere am Grundstück der Antragsteller bei Annahme pessimaler Ansätze deutlich unterschritten. Die gegen die Plausibilität der Immissionsprognose erhobenen Einwendungen der Antragsteller greifen im Ergebnis nicht durch.
13 
2.1.1.1 Die Rügen der Antragsteller im Hinblick auf die fachliche Qualifikation bzw. Unbefangenheit der Gutachter gehen fehl. Für eine Voreingenommenheit der Sachverständigen gibt es keine Anhaltspunkte. Der Umstand, dass das Gutachten von der Beigeladenen in Auftrag gegeben wurde, folgt aus den rechtlichen Vorgaben der 9. BImSchV (vgl. § 4a Abs. 2 9. BImSchV) sowie der Eigenart des vorliegenden Genehmigungsverfahrens. Die tätig gewordenen Gutachter sind als Sachverständige nach § 29b BImSchG für das einschlägige Fachgebiet bekannt gegeben. Zudem haben fachtechnische Bedienstete der Genehmigungsbehörde das Gutachten vom 28.04.2014 auf seine Plausibilität geprüft und im Ergebnis keine Einwände hiergegen erhoben. Gegen eine Voreingenommenheit der Gutachter spricht im Übrigen auch, dass sie weitreichende Anforderungen an die Anlage gestellt haben, damit die rechtlichen Vorgaben der TA Luft eingehalten werden.
14 
2.1.1.2 Keine durchgreifenden Bedenken bestehen zunächst gegen die Ermittlung der in der Prognose eingestellten Vorbelastung. Im Ansatz zutreffend weisen die Antragsteller freilich darauf hin, dass die Gutachter die Schadstoffvorbelastung nicht selbst ermittelt haben, sondern sich auf eine Luftqualitätsuntersuchung durch den Deutschen Wetterdienst im Zeitraum von September 2008 bis September 2009 gestützt haben. Auch hat diese Erhebung nicht am Wohngrundstück der Antragsteller, sondern an den Messpunkten Friedhof (Ortszentrum) und Kurhaus (Verkehrszentrum) stattgefunden. Dieses Vorgehen der Gutachter entspricht nicht in jeder Hinsicht den Vorgaben von Nr. 4.6.3.1 der TA Luft, wonach auf Immissionsmessungen oder vergleichbare Feststellungen über die Immissionsvorbelastung zurückgegriffen werden kann, wenn sie nicht länger als fünf Jahre zurückliegen und sich die für die Beurteilung maßgeblichen Umstände in diesem Zeitraum nicht wesentlich geändert haben. Dies führt entgegen der Auffassung der Beschwerde jedoch zumindest bei summarischer Sachverhaltsprüfung nicht zur Unverwertbarkeit der Immissionsprognose. Nach dem oben Gesagten waren wegen Unterschreitung der Emissionsmassenströme nach Nr. 4.6.1.1 TA Luft nicht zwingend Kenngrößen zu ermitteln; lediglich im Hinblick auf die Anerkennung von ... als Luftkurort hat der Vorhabenträger über die rechtlichen Vorgaben der TA Luft hinausgehende Ermittlungen anstellen und eine Ausbreitungsrechnung durchführen lassen. Vor diesem Hintergrund führt ein teilweises Abweichen von den Vorgaben zur Kenngrößenermittlung in Nr. 4.6.3 der TA Luft nicht zur Unverwertbarkeit des Immissionsgutachtens. Zutreffend dürfte auch die Annahme der Gutachter sein, dass ein Vergleich der Immissionsvorbelastung am Verkehrszentrum mit der bei den Antragstellern herrschenden aufgrund der Nachbarschaft zu einer Landesstraße und weiteren Ortsstraßen zulässig, aber zugleich auch hinreichend konservativ ist. Bei summarischer Prüfung haben die Gutachter jedenfalls im Ergebnis zutreffend eine Vorbelastung mit Schwebstaub (PM-10) in Höhe von 16,4 µg/m³ und mit Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 25,5 µg/m³ angenommen.
15 
2.1.1.3 Zutreffend weist die Beschwerde darauf hin, dass die Gutachter die Zusatzbelastung nicht in jeder Hinsicht ordnungsgemäß ermittelt haben. Wie zwischen den Beteiligten zu Recht nicht strittig ist, werden in der Immissionsprognose vom 28.04.2014 bei der Ermittlung der Zusatzbelastung mit Luftschadstoffen lediglich die Emissionen des Biomasseheizwerks berücksichtigt; die von den Lastkraftwagen bei der Anlieferung der Holzhackschnitzel auf dem Betriebsgrundstück ausgehenden Emissionen sind in die Betrachtung indes nicht eingestellt worden. Fehl geht die Annahme der Genehmigungsbehörde und der Gutachter, die Schadstoffauswirkungen des Anlieferverkehrs seien deshalb nicht zu betrachten, weil die Fahrzeuge den Vorgaben der Verordnung über Emissionsgrenzwerte für Verbrennungsmotoren (28. BImSchV) entsprächen und deshalb die hiervon ausgehende Schadstoffbelastung von den ortsüblichen Verkehrsimmissionen nicht unterschieden werden könnten.
16 
Im Ausgangspunkt zutreffend ist der Antragsgegner zwar davon ausgegangen, dass die schadstoffemittierenden Lastkraftwagen selbst keine „Anlage“ im Sinne des Immissionsschutzrechts sind, da nach § 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG Fahrzeuge nur dann als „Anlage“ im Sinne dieses Gesetzes gelten, wenn sie nicht unter § 38 BImSchG fallen. Dies ist aber für die die Holzhackschnitzel anliefernden Lastkraftwagen zu bejahen. Der Betrieb der Lastkraftwagen ist hier jedoch allein in seinem funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb des Heizwerks auf dem Vorhabengrundstück bzw. auf dem nicht dem öffentlichen Straßenverkehr gewidmeten Anlieferungsweg betroffen. Fahrzeugverkehr, der auf dem Betriebsgelände stattfindet, ausschließlich betriebsbezogen ist und daher einen integralen Teil der betrieblichen Betätigung darstellt, gehört zur Betriebsstätte und damit zum Anlagenbegriff im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG. In einem solchen Fall ist der Kraftfahrzeugverkehr schon der „Betriebsstätte“ selbst und daher dem § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG zuzurechnen, der eine dem § 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG entsprechende Einschränkung nicht enthält. Dies gilt entgegen der Meinung der Beigeladenen unabhängig davon, ob eigene oder fremde Fahrzeuge eingesetzt werden (vgl. zum Ganzen OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.04.1978 - VII A 632/77 - DVBl. 1979, 315; HessVGH, Urteil vom 04.11.1992 - 14 UE 21/88 - NVwZ 1993, 1004; Storost, in: Ule/Laubinger/Repkewitz, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Loseblattkommentar, Stand Juni 2005, Rn. C4 zu § 38 BImSchG). Ausgehend hiervon sind bei der Ermittlung der Zusatzbelastung nicht sämtliche nach den rechtlichen Vorgaben zu betrachtenden Immissionsquellen eingestellt worden.
17 
2.1.1.4 Im Ergebnis zutreffend dürfte das Verwaltungsgericht davon ausgegangen sein, dass trotz des vorstehend aufgezeigten Mangels der Immissionsprognose bei Ermittlung der Zusatzbelastung die zulässige Gesamtbelastung sicher eingehalten wird. Die Immissionsprognose vom 28.04.2014 kommt zu dem Ergebnis, dass an dem Grundstück der Antragsteller mit einer Zusatzbelastung von Schwebstaub (PM-10) in Höhe von unter 0,1 µg/m³ und von Stickstoffdioxid in Höhe von ebenfalls unter 0,1 µg/m³ zu rechnen sei; in Anbetracht der vom Deutschen Wetterdienst ermittelten Vorbelastung sei von einer Gesamtbelastung mit Schwebstaub (am Verkehrszentrum) in Höhe von 17,6 µg/m³ und Stickstoffdioxid in Höhe von 26,0 µg/m³ zu rechnen. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund angenommen, dass die Immissionswerte nach Nr. 4.2.1 TA Luft von jeweils 40 µg/m³ bei jährlicher Betrachtung sicher unterschritten werden.
18 
Bei summarischer Sachverhaltsprüfung gilt dies auch dann, wenn die von dem Anlieferverkehr auf dem Vorhabengrundstück resultierende Zusatzbelastung insbesondere im Hinblick auf den Luftschadstoff Feinstaub berücksichtigt wird. Zu Recht weist der Antragsgegner darauf hin, dass nach dem insoweit bindenden Anlieferkonzept lediglich mit höchstens 189 Anlieferungsfahrten pro Jahr zu rechnen ist, wobei maximal neun Fahrbewegungen an einem Tag erfolgen. Nach dem oben Ausgeführten gelangte die Immissionsprognose vom 28.04.2014 zu einer über das Jahr gemittelten Zusatzbelastung an Feinstaub durch die Emissionen aus den gefassten Quellen des Biomasseheizwerks am Wohnort des Antragstellers von weniger als 0,1 µg/m³. Bei Berücksichtigung der Vorbelastung am Verkehrszentrum von 16,4 µg/m³ Feinstaub der Klasse PM-10 dürfte eine Überschreitung des über das Jahr zu mittelnden Immissionsgrenzwertes für diesen Luftschadstoff von 40 µg/m³ selbst bei Mitberücksichtigung des Anlieferverkehrs ausgeschlossen sein. Aus ähnlichen Gründen dürfte ein Überschreiten des über 24 Stunden zu mittelnden Immissionsgrenzwertes von 50 µg/m³ Schwebstaub durch die maximal neun zusätzlichen Fahrbewegungen mit Lastkraftwagen nicht zu besorgen sein. In Anbetracht der von dem Antragsgegner zu Recht hervorgehobenen kurzen Dauer der Fahrbewegungen dürfte dies selbst bei Berücksichtigung der konkreten Lage des Vorhabens zutreffen, insbesondere der zu überwindenden Gefällestrecke und der Position des Auspuffs der Lastwagen bei der Anlieferung in Richtung des Grundstücks der Antragsteller.
19 
2.1.2 Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Antragsteller, das Vorhaben sei ungeachtet der Höhe der Zusatzbelastung und der eingehaltenen Bestimmungen über die hinzunehmende Gesamtbelastung nicht genehmigungsfähig, weil die Regelungen über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nicht eingehalten würden. Indes stellt die Einhaltung der Grenzwerte der 39. BImSchV, welche die Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.05.2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa umsetzt, keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung dar. Die genannte Richtlinie sieht in erster Linie ein spezielles Planungsinstrumentarium vor, um die Umwelt „insgesamt“ und unter Berücksichtigung aller einzubeziehenden Faktoren zu schützen (vgl. EuGH, Urteil vom 25.07.2008 - Rs. C-237/07 - NVwZ 2008, 984). Die Immissionswerte der 39. BImSchV stehen damit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem System der Luftreinhalteplanung, mit dem der deutsche Gesetz- und Verordnungsgeber in Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben einen abgestuften Regelungsmechanismus vorgesehen hat, der Grenzwertüberschreitungen immissionsquellenunabhängig begegnen soll. Etwas anderes gilt lediglich für den Ausnahmefall, dass durch ein Vorhaben vollendete Tatsachen geschaffen werden, die durch das Instrumentarium der Luftreinhalteplanung nicht wieder zu beseitigen sind und es deswegen auszuschließen ist, dass die vorgegebenen Grenzwerte eingehalten werden können. Das ist insbesondere der Fall, wenn die von dem Vorhaben herrührenden Immissionen bereits für sich genommen die maßgeblichen Grenzwerte überschreiten. Von diesem Fall abgesehen geht der Gesetzgeber jedoch davon aus, dass sich die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung sichern lässt (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.10.2012 - 9 A 19.11 - NVwZ 2013, 649; und vom 26.05.2004 - 9 A 6.03 - BVerwGE 121, 57).
20 
Für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles bestehen jedoch vorliegend keine Anhaltspunkte. Entgegen der Annahme der Beschwerde stellt die Vorbelastung sowie die Zusatzbelastung mit Schwebstaub (PM-10) hier kein ausnahmsweise zu berücksichtigendes Genehmigungshindernis dar. Nach § 4 der 39. BImSchV beträgt der über 24 Stunden gemittelte Kurzzeitimmissionsgrenzwert für den Schutz der menschlichen Gesundheit vor Schwebstaub 50 µg/m³ bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr; der Jahresmittelwert für Partikel beträgt 40 µg/m³. Diese Grenzwerte für PM-10 sind in der Richtlinie 2008/50/EG festgelegt worden; die Beurteilungswerte nach Nr. 4.2.1 der TA Luft entsprechen im Hinblick auf Feinstaub diesen Vorgaben. Wie oben unter 2.1.1.4 näher dargelegt, unterschreitet die zu erwartende Gesamtbelastung des Luftschadstoffes Schwebstaub diese Vorgaben erheblich. Es liegt damit keine Fallkonstellation vor, in der die Vorgaben über die Luftqualitätstandards ausnahmsweise zu einem Genehmigungshindernis für ein Einzelvorhaben führen.
21 
2.2 Entgegen der Auffassung der Beschwerde war im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht zu prüfen, ob das Vorhaben der Beigeladenen in einer anderen Weise verwirklicht werden könnte. Denn die Beigeladene kann weder auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 1 GG noch von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO auf einen anderen, für die Antragsteller aus immissionsschutzrechtlicher Sicht günstigeren Standort verwiesen werden, wenn von dem geplanten Biomasseheizwerk keine unzumutbaren und von den Antragstellern nicht hinzunehmenden Einwirkungen ausgehen. Ergibt die immissionsschutzrechtliche Prüfung, dass die von der Anlage ausgehenden Belastungen an dem von dem Betreiber gewählten Standort zumutbar sind, muss der Nachbar diese auch dann hinnehmen, wenn es einen ihn noch stärker schonenden Alternativstandort gibt. Denn die immissionsschutzrechtliche Prüfung ist ebenso wie die baurechtliche Prüfung an der Standortentscheidung des Anlagenbetreibers bzw. Bauherrn ausgerichtet und hieran gebunden. Der Anlagenbetreiber bestimmt das Vorhaben, dessen Zulässigkeit dann auf der Grundlage der eingereichten Antragsunterlagen von den Behörden zu prüfen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.10.1998 - 4 B 93.98 - UPR 1999, 74 m.w.N. zur Standortbindung im baurechtlichen Verfahren; Senatsurteil vom 12.03.2015 - 10 S 1169/13 - a.a.O.). Vor diesem Hintergrund ist im Beschwerdeverfahren nicht der von den Beteiligten aufgeworfenen Frage nachzugehen, ob die Auffahrt zum Holzhackschnitzelbunker in einer für die Antragsteller günstigeren Weise auch über die ... Straße erfolgen könnte.
22 
3. Soweit in der Beschwerdebegründung auf das Vorbringen im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht verwiesen oder dieses wiederholt wird, genügt dies nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO. Diese Bestimmung steht im engen Zusammenhang mit dem Begründungs- und Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 1 bis 3 VwGO und verlangt, dass sich die Begründung mit der angefochtenen Entscheidung inhaltlich auseinandersetzt. Hierfür reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts, außer in Fällen der Nichtberücksichtigung oder des Offenlassens des früheren Vortrags, grundsätzlich ebenso wenig wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 08.11.2004 - 9 S 1536/04 - NVwZ-RR 2006, 74; sowie vom 11.04.2002 - 1 S 705/02 - NVwZ-RR 2002, 797).
23 
4. Nach allem spricht die obige rechtliche Beurteilung für die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheids. Besondere Umstände, die gleichwohl, etwa wegen bis zur rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung durch die Realisierung der Genehmigung eintretender gravierender (unzumutbarer bzw. irreparabler) Nachteile, eine Suspendierung des Genehmigungsbescheids nahe legten, vermag der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht nicht zu erkennen. Auch nach der Einschätzung des Senats führt die Ausnutzung der Genehmigung jedenfalls nicht zu einer unzumutbaren Immissionssituation für die Antragsteller.
24 
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3, § 159 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO und § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren den Antragstellern nicht aufzuerlegen, weil die Beigeladene keinen Sachantrag gestellt und damit auch kein Prozessrisiko übernommen hat.
25 
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren stützt sich auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen Nrn. 2.2.2 i.V.m. 19.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt unter anderem in Beilage zur VBlBW 2014, Heft 1). Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen des Senats in dem die Streitwertbeschwerde der Antragsteller zurückweisenden Beschluss vom heutigen Tage (10 S 1470/15) verwiesen.
26 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 14. Okt. 2015 - 10 S 1469/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 14. Okt. 2015 - 10 S 1469/15

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 14. Okt. 2015 - 10 S 1469/15 zitiert 22 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 146


(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 15 Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

Zivilprozessordnung - ZPO | § 100 Kosten bei Streitgenossen


(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. (2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Ma

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 159


Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 3 Begriffsbestimmungen


(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80a


(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde 1. auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,2. auf Ant

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 5 Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen


(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt 1. schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigu

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 147


(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt.

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 29b Bekanntgabe von Stellen und Sachverständigen


(1) Die Bekanntgabe von Stellen im Sinne von § 26, von Stellen im Sinne einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung oder von Sachverständigen im Sinne von § 29a durch die zuständige Behörde eines Landes berechtigt die bekannt gegebene

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 38 Beschaffenheit und Betrieb von Fahrzeugen


(1) Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger, Schienen-, Luft- und Wasserfahrzeuge sowie Schwimmkörper und schwimmende Anlagen müssen so beschaffen sein, dass ihre durch die Teilnahme am Verkehr verursachten Emissionen bei bestimmungsgemäßem Betrieb die zum

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 14. Okt. 2015 - 10 S 1469/15 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 14. Okt. 2015 - 10 S 1469/15 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 12. März 2015 - 10 S 1169/13

bei uns veröffentlicht am 12.03.2015

Tenor Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Oktober 2012 - 2 K 2898/09 - wird geändert.Die Klage gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Ludwigsburg vom 22.12.2006 in der Fassung der immissionsschutzrechtlich

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 08. März 2011 - 10 S 161/09

bei uns veröffentlicht am 08.03.2011

Tenor Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 17. Dezember 2008 – 2 K 1066/08 – werden zurückgewiesen.Die Antragsteller Ziffer 1 und 2 als Gesamtschuldner sowie die Antragsteller Ziffer 3 und 4 als

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 21. Feb. 2011 - 2 BvR 1392/10

bei uns veröffentlicht am 21.02.2011

Tenor Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom 9. April 2010 - 13 B 1300/10 - und der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Mai 2010 - 11 ME 129/10 - verle

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 08. Nov. 2004 - 9 S 1536/04

bei uns veröffentlicht am 08.11.2004

Tenor Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 02. Juni 2004 - 8 K 772/04 - wird verworfen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert des Beschwerdever
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 14. Okt. 2015 - 10 S 1469/15.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 22. Nov. 2018 - 7 C 7/17

bei uns veröffentlicht am 22.11.2018

Tatbestand 1 Die Klägerin wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Anordnung zur Vornahme von Schallmessungen. Sie betreibt als öffentliches Eisenbahninfrastruk

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 18. Apr. 2018 - 5 S 2105/15

bei uns veröffentlicht am 18.04.2018

Tenor Der Antrag wird abgewiesen.Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand  1 Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan „Kirchberg-Mittelweg“ der Gemeinde Weingarten (Baden) in

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 25. Jan. 2018 - 10 S 1681/17

bei uns veröffentlicht am 25.01.2018

Tenor Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 2. Juni 2017 - 11 K 1080/17 - wird zurückgewiesen.Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kos

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 16. Feb. 2017 - 10 S 1878/16

bei uns veröffentlicht am 16.02.2017

Tenor Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17. März 2016 - 4 K 2056/15 - wird abgelehnt.Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Ko

Referenzen

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt.

(2) Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 17. Dezember 2008 – 2 K 1066/08 – werden zurückgewiesen.

Die Antragsteller Ziffer 1 und 2 als Gesamtschuldner sowie die Antragsteller Ziffer 3 und 4 als Gesamtschuldner tragen je die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerden der Antragsteller haben keinen Erfolg.
Der Zulässigkeit der Beschwerden und der zu Grunde liegenden Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO steht nicht entgegen, dass die Beigeladene von der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung u.a. durch Errichtung von baulichen Anlagen zwischenzeitlich Gebrauch gemacht hat. Das Rechtsschutzinteresse der Antragsteller im vorliegenden Verfahren besteht insoweit jedenfalls im Hinblick auf die betriebliche Nutzung des Genehmigungsgegenstandes fort.
Die Beschwerden sind jedoch nicht begründet.
Nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ist der Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts bei Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beschränkt. Danach prüft der Verwaltungsgerichtshof nur die in einer rechtzeitig eingegangenen Beschwerdebegründung dargelegten Gründe. Allerdings sind nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eintretende jedenfalls offensichtliche entscheidungserhebliche Tatsachen, Rechtsänderungen sowie neue, bislang unverschuldet nicht unterbreitete präsente Beweismittel und der diesbezügliche Vortrag der Beteiligten grundsätzlich berücksichtigungsfähig. Dies gebietet, da der Vortrag des Beschwerdegegners normativ keinen thematischen oder zeitlichen Beschränkungen unterliegt, zugunsten des Beschwerdeführers bereits der Grundsatz der Waffengleichheit, im Übrigen die Amtsermittlungspflicht. Zugleich sprechen prozessökonomische Gründe dafür, da ansonsten ein mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartendes Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO provoziert würde (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 30.11.2010 - 5 S 933/10 -, juris, und vom 08.07.2008 - 11 S 1041/08 -, VBlBW 2009, 109, jeweils m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 146 RdNr. 43; Eyermann/Happ, VwGO, 13. Aufl., 146 RdNrn 26 ff.). Hiervon ausgehend hat die Beschwerde keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung einschließlich der nach dem Vorstehenden zulässigerweise nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist vorgetragenen Gründe führen nicht dazu, dass die vom Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. i.V.m. § 80a Abs. 3 VwGO vorzunehmende Abwägung zu Gunsten des Interesses der Antragsteller ausfällt, vom Vollzug bzw. der Ausnutzung der der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung des Antragsgegners vom 29.04.2008 in der Fassung der Änderungsverfügungen vom 21.02.2011 und vom 02.03.2011 bis zu einer endgültigen Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben.
Bei mehrpoligen Rechtsverhältnissen, insbesondere wie hier bei begünstigenden Verwaltungsakten mit belastender Drittwirkung, stehen sich die Rechtspositionen der entsprechend reziprok betroffenen Privaten grundsätzlich gleichrangig gegenüber. Ein Rechtssatz des Inhalts, dass sich der einen Genehmigungsbescheid anfechtende Dritte gegenüber dem Genehmigungsempfänger von vornherein in einer bevorzugten verfahrensrechtlichen Position befinden müsse, wenn es um die Frage der sofortigen Verwirklichung des Genehmigungstatbestandes geht, ist weder aus dem geltenden Verwaltungsprozessrecht noch aus Art. 19 Abs. 4 GG abzuleiten. Die einseitige Bevorzugung des Dritten durch die einstweilige Festschreibung des status quo liefe vielmehr auf eine ungerechtfertigte, mit den Freiheitsgrundrechten des Begünstigten und dem Gleichheitssatz unvereinbare Privilegierung des Dritten hinaus. Kann mithin nicht von einem prinzipiellen prozessualen Vorrang des einen Genehmigungsbescheid anfechtenden Dritten ausgegangen werden, so ist die Frage, wer bis zur Hauptsacheentscheidung das Risiko der Herbeiführung vollendeter Tatsachen tragen muss, primär nach dem materiellen Recht zu beantworten, also nach der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 01.10.2008 – 1 BvR 2466/08 -, NVwZ 2009, 240 m.w.N.; Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, 1988, Seite 1003 ff.).
Der Senat teilt auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens und unbeschadet der im Erörterungstermin des Senats vom 03.05.2010 angestellten übergreifenden Erwägungen im Wesentlichen die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass die angefochtene Genehmigung keinen durchgreifenden, eine überwiegende Aufhebungswahrscheinlichkeit im Hauptsacheverfahren begründenden rechtlichen Bedenken begegnen dürfte (I). Vor diesem Hintergrund sowie der im Widerspruchsverfahren zu erwartenden weiteren Überprüfung der Immissionssituation und nötigenfalls entsprechender Reaktion seitens des Antragsgegners vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die gebotene Interessenabwägung gleichwohl eine Suspendierung der Änderungsgenehmigung rechtfertigen könnte, zumal deren Realisierung im Kern keine Verschlechterung, sondern eher eine Verbesserung der Immissionssituation für die Antragsteller mit sich bringen dürfte und zu einem erheblichen Teil der Umsetzung von nachträglichen Anordnungen dient (II). Dies schließt andererseits nicht aus, dass der Antragsgegner gehalten sein kann, den Betrieb der Beigeladenen fortlaufend einer noch engmaschigeren immissionsschutzrechtlichen Kontrolle zu unterziehen sowie nachträgliche Anordnungen zu erlassen und durchzusetzen, um die Konfliktlage von benachbarter Wohn- und betrieblicher Grundstücksnutzung möglichst abzumildern (III).
I.
Rechte der Antragsteller werden entgegen der Auffassung der Antragsteller durch die Praktizierung des vereinfachten Verfahrens nach § 19 BImSchG nicht verletzt (1). Der angefochtene Genehmigungsbescheid dürfte auch die materiell-rechtlichen Anforderungen drittschützender Vorschriften, auf die sich die Antragsteller berufen können, wahren, insbesondere die des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG und nachbarschützender baurechtlicher Bestimmungen (2).
1. Mit ihrer Rüge einer verfahrensrechtlich unzulässigen Anwendung des § 19 BImSchG dringen die Antragsteller nicht durch. Entgegen der nicht näher begründeten Auffassung des Verwaltungsgerichts, die nach seiner rechtlichen Beurteilung aber auch nicht entscheidungserheblich war, dürfte allein eine falsche Verfahrenswahl grundsätzlich keinen Drittschutz vermitteln (a). Davon abgesehen spricht auch Vieles dafür, dass die Durchführung des vereinfachten Verfahrens rechtlich nicht zu beanstanden ist (b).
a) Ein Drittbetroffener kann die Durchführung eines vereinfachten Verfahrens nach § 19 BImSchG statt des förmlichen Verfahrens nach § 10 BImSchG nach in der Rechtsprechung ganz herrschender Auffassung grundsätzlich nicht als Verletzung eigener Rechte geltend machen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 07.10.2009 – 1 A 10872/07 -, juris, insoweit bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 29.12.2010 - 7 B 6.10 -, juris; vom 29.10.2008 – 1 A 11330/07 -, DVBl 2009, 390 mit eingehender Begründung und zahlreichen Nachweisen, insbesondere auch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, sowie zur teilweise anderen Auffassung in der Literatur; a.A. etwa Jarass, BImSchG, 8. Aufl., § 19 RdNr. 22, § 10 RdNrn. 133, 136 m.w.N. zum Streitstand). Entscheidend für den Erfolg einer Anfechtungsklage ist danach, ob eigene materielle Rechte des Drittbetroffenen verletzt sind.
10 
Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang geltend machen, Drittschutz müsse der Verfahrenswahl hier deshalb zukommen, weil sie sich auf die materiell-rechtliche Position der Antragsteller insofern ausgewirkt haben könne, als mit der angefochtenen Änderungsgenehmigung „zugleich den Nachbarn gegenüber die Änderungsgenehmigung von 1993 legalisiert werden soll“, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Eine „Legalisierung“ benötigt die genannte frühere Änderungsgenehmigung vom 26.02.1993 nicht. Diese ist, wie sich aus den nachstehenden Ausführungen (s.u. 2.a) ergibt, den Antragstellern gegenüber bestandskräftig geworden.
11 
b) Unabhängig von der Frage der Rügbarkeit einer falschen Verfahrenswahl dürfte der von den Antragstellern geltend gemachte Verfahrensfehler aber auch nicht vorliegen. Denn der Antragsgegner dürfte das Genehmigungsverfahren zu Recht als vereinfachtes Verfahren nach Maßgabe des § 19 BImSchG durchgeführt haben. Die von den Antragstellern vorgetragenen Einwände gegen diese vom Verwaltungsgericht vertretene und detailliert begründete Auffassung erweisen sich als nicht stichhaltig.
12 
aa) Einschlägig ist insoweit § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 4. BImSchV i.V.m. Nr. 3.7 Spalte 2 des Anhangs. In der zuletzt genannten Vorschrift wird für die Zuordnung zu Spalte 2 allein darauf abgestellt, ob eine Eisen-, Temper- oder Stahlgießerei eine Produktionsleistung von 2 t bis weniger als 20 t Gussteile je Tag aufweist. Bei der gemäß § 1 Abs. 1 Satz 4 4. BImSchV gebotenen Berücksichtigung des rechtlich und tatsächlich möglichen Betriebsumfangs spricht beim derzeitigen Erkenntnisstand alles dafür, dass der Betrieb der Beigeladenen die genannte Mengenobergrenze von 20 t Gussteile je Tag deutlich unterschreitet. Dies hat der Antragsgegner in seiner Beschwerdeerwiderung überzeugend dargelegt. Er hat insbesondere zu Recht darauf hingewiesen, dass für die Zuordnung zur Spalte 1 oder zur Spalte 2 nach der hier anzuwendenden Fassung der Nr. 3.7 des Anhangs zur 4. BImSchV allein die Menge an produzierten Gussteilen ausschlaggebend ist.
13 
Die von den Antragstellern demgegenüber postulierte Aufspaltung der zu diesem Produktionsergebnis führenden einzelnen Arbeitsvorgänge im Betrieb der Beigeladenen ist verfehlt. Ihr könnte nur dann näher getreten werden, wenn und soweit im Anhang zur 4. BImSchV bestimmte Arbeitsschritte eigens genannt und einer je gesonderten Regelung in Spalte 1 unterworfen wären (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.2010 - 7 B 4.10 -, juris). Hierfür ist nichts ersichtlich. Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang mit Blick auf die ursprünglich genehmigte, nach der Änderungsverfügung vom 02.03.2011 hingegen stillzulegende Anlage zum Auftragen von Beschichtungsstoffen auf die Gussteile vor einer Spritzwand mit Filter (Nr. 1.1.3 der angefochtenen Genehmigung) auf Nr. 3.9 bzw. Nr. 3.10 des Anhangs zur 4. BImSchV verweisen, liegen deren Voraussetzungen weder qualitativ noch quantitativ vor. Weder handelt es sich bei dem fraglichen Arbeitsvorgang um das Aufbringen von metallischen Schutzschichten auf Metalloberflächen mit Hilfe von schmelzflüssigen Bädern im Sinne der Nr. 3.9 4. BImSchV noch um eine Oberflächenbehandlung von Metallen oder Kunststoffen durch ein elektrolytisches oder chemisches Verfahren mit einem Volumen der Wirkbäder von 30 qm³ oder mehr im Sinne der Nr. 3.10 des Anhangs 4. BImSchV. Sowohl der Beschichtungsvorgang als auch die von den Antragstellern in diesem Zusammenhang des Weiteren angesprochene Altsandregenerierung sind Verfahrensschritte bzw. Nebeneinrichtungen (vgl. § 1 Abs. 2 4. BImSchV) zum Gießereibetrieb der Beigeladenen, die diesem dienend zu- bzw. untergeordnet und de lege lata keiner gesonderten verfahrensrechtlichen Behandlung zugänglich und bedürftig sind. Der von den Antragstellern in diesem Zusammenhang angeführte Begriff der „Gesamtanlage“, die gewissermaßen subsidiär von der Spalte 1 erfasst sein soll, geht an dem in Nr. 3.7 des Anhangs 4. BImSchV normierten eindeutigen rechtlichen Anknüpfungspunkt der Produktionsleistung vorbei, die ihrerseits einen entsprechenden Produktionsprozess mit ineinandergreifenden einzelnen Arbeitsschritten voraussetzt, wie sie für eine Gießerei typisch sind (vgl. dazu etwa Wikipedia, Stichwort „Gießen (Verfahren)“; allgemein zu Begriff und rechtlicher Zuordnung von „Kernbestand“ und „Nebeneinrichtungen“ einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Gesamtanlage vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.12.2010, a.a.O.).
14 
Soweit die Antragsteller geltend machen, im Rahmen der Änderungsgenehmigung vom 26.02.1993 sei für die dort bezeichneten Anlagenteile von der Einschlägigkeit der Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV ausgegangen worden, ist dies zwar richtig. Dies hing aber, worauf der Antragsgegner zutreffend hingewiesen hat, mit der anderslautenden damaligen Fassung von Nr. 3.7 Spalte 2 4. BImSchV zusammen, die auf eine Leistung von weniger als 80 t Gussteile je Monat abstellte. Da die genehmigte monatliche Produktionsleistung mit 150 t über dieser Mengenschwelle lag, war die Anlage seinerzeit in der Tat der Spalte 1 zuzuordnen. Nach der seit 03.08.2001 (vgl. Gesetz vom 27.07.2001, BGBl. I S. 1950) geltenden Fassung der Nr. 3.7 des Anhangs 4. BImSchV hat es hingegen sein Bewenden mit dem genannten Grenzwert von 20 t Gussteile je Tag.
15 
Die Unterschreitung dieses Grenzwerts bestreitet die Beschwerde zu Unrecht. Zum einen hat sich rechtlich nichts an der in der Änderungsgenehmigung vom 26.02.1993 erfolgten Festlegung des zulässigen Produktionsumfangs geändert, nach welcher die monatliche Produktionsleistung auf 150 t beschränkt ist. Der Antragsgegner hat insoweit auch plausibel auf Überprüfungen der zum Einschmelzen eingekauften Rohwarenmengen im Jahre 2008 verwiesen, die keinen Anhalt für eine Überschreitung der zugelassenen Produktionsleistung ergeben hätten. Der Antragsgegner hat des Weiteren nachvollziehbar anhand der zugelassenen Arbeitszeiten berechnet, dass die Produktion von 150 t pro Monat weit unter der bei voller Ausschöpfung der in Nr. 3.7 des Anhangs 4. BImSchV bestimmten Mengenschwelle liegt. Bei Hochrechnung von täglicher Arbeitszeit und 20 t täglicher Produktionsleistung ergäben sich nämlich 440 t monatlich.
16 
Für den Senat gibt es auch keinen greifbaren Anhaltspunkt für die These der Antragsteller, dass in tatsächlicher Hinsicht durch den gleichzeitigen Einsatz der beiden Schmelztiegelöfen eine höhere Produktionsleistung als 20 t je Tag erzielbar wäre bzw. erzielt würde. Das technische Konzept des Betriebs der beiden Tiegelöfen ist nach dem Vortrag der Beigeladenen wie auch nach den diesbezüglichen Feststellungen des Antragsgegners dadurch gekennzeichnet, dass die Tiegelöfen zwar jeweils ein Fassungsvermögen von 1450 kg aufweisen, jedoch nicht gleichzeitig betrieben werden können, weil sie elektrisch gegeneinander verriegelt sind. Dies haben die Antragsteller auch mit der Beschwerde nicht substantiiert in Zweifel zu ziehen vermocht. Gegenüber der technischen Erläuterung in der Antragserwiderung, dass die Verriegelung so eingerichtet sei, dass in einem elektrischen Schaltschrank die Stromversorgung immer nur auf einen Tiegel geleitet werden könne, und gegenüber dem Hinweis der Beigeladenen, dass die installierte elektrische Leistung für einen gleichzeitigen Betrieb beider Öfen keinesfalls ausreiche, haben die Antragsteller lediglich gegenteilige Vermutungen in den Raum gestellt sowie den Hinweis, dass es keine rechtliche und tatsächliche Absicherung gegen eine Produktionserhöhung unter gleichzeitigem Einsatz beider Tiegelöfen gebe. Dem ist entgegenzuhalten, dass in dem von den Antragstellern selbst angeführten, eine entsprechende Auflage zur Genehmigung vom 26.02.1993 konkretisierenden Schreiben des Antragsgegners vom 16.03.1995 bestimmt ist, dass die „Schmelzwirkung immer nur auf einen Ofen gehen darf“. Sodann gibt es auch keinen Anhalt für eine zwischenzeitliche Veränderung der beschriebenen Verriegelungstechnik. Eine solche ist auch nicht etwa, wie von den Antragstellern geargwöhnt, im Zuge des Austauschs der Schmelzanlage im April 2009 erfolgt. Dies hat der Antragsgegner bei einer Betriebsbesichtigung am 21.04.2009 festgestellt (vgl. Vermerk vom 31.10.2009, Verwaltungsakte S. 731).
17 
bb) Die Durchführung des vereinfachten Verfahrens nach § 19 Abs. 1 BImSchG ist entgegen dem Vorbringen der Beschwerde auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil es sich im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c 4. BImSchV um eine zur Genehmigung gestellte Anlage handeln würde, die ungeachtet der Nennung in Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft hätte. Dies ist mit dem Verwaltungsgericht zu verneinen, das zutreffend auf § 3 c Satz 2 UVPG i.V.m. Nr. 3.7.3 der Anlage 1 zum UVPG abgestellt hat, d. h. darauf, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nur dann durchzuführen ist, wenn auf der Grundlage einer standortbezogenen Vorprüfung nach der Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund besonderer örtlicher Gegebenheiten gemäß den in Anlage 2 Nr. 2 zum UVPG aufgeführten Schutzkriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Soweit die Beschwerde auch in diesem Zusammenhang ihre nach den obigen Ausführungen rechtlich nicht tragfähige Argumentation fortführt, es handle sich bei der mit der Änderungsgenehmigung zugelassenen Verlagerung der Sandregenerierungsanlage und der Anlage zur Beschichtung der Gussteile um eigenständig zu beurteilende Anlagen, gilt das hierzu oben Dargelegte entsprechend. Dies hat zur Folge, dass gemäß § 3 c Abs. 1 Satz 2 UVPG im Rahmen der standortbezogenen Vorprüfung allein zu prüfen war, ob entsprechend den in der Anlage 2 Nr. 2 aufgeführten Schutzkriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Soweit die Beschwerde eine Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit den Kriterien in Anlage 2 Nrn. 3.3 bis 3.5 zum UVPG vermisst, verkennt sie, dass das Verwaltungsgericht zutreffend bereits auf der logisch vorrangigen Prüfungsstufe nach Nr. 2 der Anlage 2 die - ernstlich allein in Betracht kommende - in Nr. 2.3.8 der Anlage 2 alter Fassung bzw. Nr. 2.3.10 der Anlage 2 neuer Fassung genannte Konstellation verneint hat, dass es sich um ein Gebiet mit hoher Bevölkerungsdichte handelt. Es hat daraus ohne Rechtsfehler den Schluss gezogen, dass das Vorhaben der Beigeladenen keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung begründet hat und dass die Darlegungen des Antragsgegners im Rahmen der standortbezogenen Vorprüfung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen. Hiernach kann auf sich beruhen, ob, wie die Beigeladene vorträgt, in Bezug auf die von den Antragstellern geltend gemachte Kobaltbelastung eine Überprüfung durchgeführt worden ist, die über das bei einer Umweltverträglichkeitsprüfung Gebotene sogar hinausgegangen ist.
18 
2. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu Unrecht wendet sich die Beschwerde gegen die Würdigung des Verwaltungsgerichts, dass die angefochtene Änderungsgenehmigung auch sonst nicht gegen Rechtsnormen verstößt, die zumindest auch dem Schutz der Antragsteller zu dienen bestimmt sind.
19 
Nach zutreffender abstrakter Kennzeichnung des Prüfungsgegenstandes - des Änderungsvorhabens einschließlich seiner Auswirkungen auf die vorhandenen Anlagenteile und Verfahrensschritte (vgl. die vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss zitierten Nachweise u.a. zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts) – dürfte das Verwaltungsgericht entgegen dem Beschwerdevorbringen Verstöße der angefochtenen Änderungsgenehmigung gegen Schutzpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ebenso zu Recht verneint haben (a) wie eine Verletzung anderer in § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG in Bezug genommener öffentlich-rechtlicher Vorschriften, soweit diese Drittschutz vermitteln (b).
20 
a) Die im vorliegenden Fall heranzuziehenden, die Schutzpflichten aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG konkretisierenden Regelwerke insbesondere der TA Luft (vom 24.07.2002, GMBl. S. 511, dazu nachstehend aa) und der TA Lärm (vom 26.08.1998, GMBl. S. 530, dazu nachstehend bb) sind voraussichtlich eingehalten.
21 
aa) Die Bestimmung von Immissions-Kenngrößen dürfte nach dem maßgeblichen Erkenntnistand dieser Beschwerdeentscheidung gemäß Nr. 4.6.1.1 TA Luft ohne Rechtsfehler unterblieben sein, weil die für gefasste Quellen in Tabelle 7 zu Nr. 4.6.1.1 TA Luft und für diffuse Emissionen in Nr. 4.6.1.1 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b i.V.m. Tabelle 7 festgelegten Bagatellmassenströme nicht überschritten werden dürften. Emissionen aus diffusen Quellen sind, wie in der im Genehmigungsverfahren eingeholten Fachstellungnahme des TÜV Süd Industrie Service GmbH vom 05.09.2007 auch geschehen, gemäß Nr. 4.6.1.1 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b gesondert zu beurteilen und nicht den Emissionen aus gefassten Quellen zuzuschlagen. Zutreffend weisen die Antragsteller allerdings darauf hin, dass der in jener Fachstellungnahme zugrunde gelegte, auf Grund früherer Messungen an den bisherigen Quellen prognostizierte Gesamtabluft-Volumenstrom in Höhe von 65.000 cbm/h bei einer Messung an den mittlerweile installierten Quellen im Juli 2010 deutlich überschritten wurde; bei dieser Messung ist ein Gesamtabluft-Volumenstrom von 82.316 cbm/h festgestellt worden. Dabei handelt es sich durchaus um eine neue Tatsache bzw. ein neues, ohne Verschulden der Antragsteller erst jetzt zur Verfügung stehendes präsentes Beweismittel, d. h. um einen Umstand, dessen Einbeziehung in die rechtliche Würdigung nach dem oben dazu Ausgeführten (S. 3) nicht schon im Ansatz durch § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO präkludiert ist. Eine andere Frage ist, ob im Hinblick auf die Eigengesetzlichkeit von Emissionsprognosen, die typischerweise vor Errichtung einer Anlage erstellt werden, nur in eingeschränktem Umfang eine Richtigkeitskontrolle statthaft ist, nämlich auf die methodische Fehlerfreiheit der Prognose, so dass eine Falsifizierung einer methodisch einwandfreien Prognose durch spätere Messungen im laufenden Betrieb ausscheidet (zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.01.1991 - 7 B 102/90 -, NVwZ-RR 1991, 236; BayVGH, Beschluss vom 25.10.2010 - 22 ZB 10.1622 -, juris).
22 
Dies kann hier aber auf sich beruhen. Auch wenn zugunsten der Antragsteller von einer methodischen Angreifbarkeit der früheren Prognose - etwa wegen der von ihnen geltend gemachten Nichtberücksichtigung von Staubemissionen der neuen Beschichtungsanlage oder von vornherein zu niedriger Ansetzung des Volumenstroms der Quelle 3 (Putzerei) - ausgegangen wird, und von der Relevanz des neuen Messwerts für die Emissionsprognose, führt dies nicht dazu, dass nunmehr eine Überschreitung der Bagatellmassenströme nach Tabelle 7 zu Nr. 4.6.1.1 TA Luft angenommen werden müsste. Denn nicht nur der genannte neue Messwert, der nach dem Vortrag des Antragsgegners den Maximalwert bei einer Schwankungsbreite nach unten von 30.000 cbm/h darstellt, sondern auch die mit den Verfügungen des Antragsgegners vom 21.02.2011 und 02.03.2011 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgten Modifizierungen der angefochtenen Genehmigung, bezüglich derer die Beigeladene nach dem Vortrag des Antragsgegners auch Rechtsmittelverzicht erklärt hat, sind insoweit zu berücksichtigen. Dass der Antragsgegner die Dispositionsbefugnis über den angefochtenen Verwaltungsakt auch im laufenden gerichtlichen Verfahren behält und Modifizierungen jedenfalls ebenso rechtlich beachtlich sind wie sonstige (offensichtliche) Tatsachen- oder Rechtsänderungen, bedarf keiner weiteren Erläuterung, mag es für die Antragsteller auch unbefriedigend erscheinen, dass der Antragsgegner erst auf Vorhalt der Auswirkungen des gemessenen höheren Gesamtabluft-Volumenstroms die Modifizierungen vorgenommen hat.
23 
Dies hat in Bezug auf den für Staub-Emissionen geltenden Bagatellmassenstrom-Grenzwert von 1 kg/h nach der mit der Änderungsverfügung vom 21.02.2011 bestimmten Herabsetzung des Konzentrations-Grenzwerts (von 15 mg/cbm auf 9 mg/cbm) zur Folge, dass der anzunehmende Staub-Massenstrom nicht, wie von den Antragstellern im Schriftsatz vom 10.02.2011 bei Ansetzung des früheren Konzentrations-Grenzwerts von 15 mg/cbm errechnet, 1,234 kg/h, sondern nur 0,741 kg/h beträgt. Damit wird der Bagatellmassenstrom-Grenzwert von 1 kg/h deutlich unterschritten, auch wenn ein bei der Messung im Juli 2010 festgestellter Gesamtabluft-Volumenstrom von 82.316 cbm/h zugrunde gelegt wird. Dieser Gesamtabluft-Volumenstrom ist mit der weiteren Änderungsverfügung des Antragsgegners vom 02.03.2011 überdies - durch Reduzierung des zulässigen Volumenstroms der Quelle 3 (Putzerei) auf 20.000 cbm/h und Außerbetriebsetzung der Quelle 4 (Beschichtungsanlage) auf insgesamt 45.485 cbm/h begrenzt worden, so dass der Bagatellmassenstrom für Staub-Emissionen um so eher eingehalten werden kann. Aber auch für die übrigen von den Antragstellern problematisierten Parameter der Bagatellmassenströme nach Tabelle 7 zu Nr. 4.6.1.1 TA Luft führt diese Begrenzung des Gesamtabluft-Volumenstroms nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag des Antragsgegners zur rechnerischen Einhaltung der in der Tabelle 7 festgelegten Grenzwerte.
24 
Der insoweit von den Antragstellern geäußerten Kritik, mit dieser Begrenzung entstehe ein Missverhältnis zwischen der bei normalem Betrieb anzunehmenden Absaugmenge an den Betriebseinrichtungen und der gedrosselten Kapazität der Reinigungsanlage, wird im Widerspruchsverfahren nachzugehen sein. Entsprechendes gilt für die Befürchtung einer Zunahme diffuser Emissionen, auch im Zusammenhang mit der Stilllegung der Beschichtungsanlage. Die diesbezüglichen Einwendungen sind im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht weiter zu klären, sondern an Hand einer von der Beigeladenen beizubringenden näheren Erläuterung der mit den Änderungsverfügungen vom 21.02. und 02.03.2011 kompatiblen Abluftkonzeption vom Antragsgegner zu prüfen. Diese Verweisung in das Widerspruchsverfahren hält der Senat auch deshalb für vertretbar, weil selbst eine Überschreitung der Bagatellmassenströme lediglich die verfahrensrechtliche Konsequenz einer Bestimmung von Immissions-Kenngrößen zeitigt. Sie ist nicht schon mit einer materiellen Verletzung der Immissionswerte gleich zu setzen, sondern erzwingt nur die Durchführung des standardisierten Verfahrens zum Abgleich von Kenngrößen und Immissionswerten, mag dem Ausmaß einer - hier nach den obigen Ausführungen bei summarischer Prüfung fehlender - Überschreitung von Bagatellmassenströmen auch eine gewisse indizielle Bedeutung zukommen.
25 
Entgegen der Auffassung der Antragsteller war eine Bestimmung der Immissions-Kenngrößen auch nicht wegen einer besonderen örtlichen Lage oder besonderer Umstände erforderlich (Nr. 4.6.1.1 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz TA Luft). Ob dieser die Maßgeblichkeit der Bagatellmassenströme einschränkende Vorbehalt überhaupt für die hier zur Debatte stehende wesentliche Änderung einer Anlage gilt, ist mit Blick auf Nr. 4.6.1.1 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz TA Luft mit dem Verwaltungsgericht als keineswegs zweifelsfrei zu betrachten. Davon abgesehen vermag der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht dem Heranrücken der Quelle 1 an die Wohnhäuser der Antragsteller auf einen abstandsflächenrechtlich weiterhin zulässigen Abstand keine die Erforderlichkeit einer Bestimmung der Immissions-Kenngrößen auslösende Bedeutung beizumessen. Insoweit ist nicht nur die Immissionsbelastungen tendenziell verringernde Erhöhung der Quelle 1 auf die - der Beigeladenen schon früher aufgegebene - Höhe zu berücksichtigen, sondern als besonderer örtlicher Umstand ergänzend auch die in der Fachstellungnahme festgehaltene Hauptwindrichtung; danach herrschen, abgesehen von einem „Nebenmaximum“ aus nördlicher bis nordnordöstlicher Richtung, südliche bis südsüdwestliche Windrichtungen vor, welche sich relativierend auf die Belastungssituation der südlich der Anlage befindlichen Wohnbevölkerung auswirken.
26 
Auf die von den Beteiligten auch im Beschwerdeverfahren kontrovers diskutierte Problematik der Bestandskraft der früher erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen (vom 10.12.1980 und vom 26.02.1993) kommt es im Zusammenhang mit den ermittelten und bewerteten Bagatellmassenströmen nicht an. Denn insoweit sind nicht lediglich die Zusatzbelastung durch die Realisierung der angefochtenen Änderungsgenehmigung vom 29.04.2008 berücksichtigt worden, sondern die Emissionen des gesamten Betriebs, d. h. unter Einbeziehung auch der schon früher genehmigten Anlagenteile und Verfahrensschritte.
27 
Entsprechendes gilt für die von den Antragstellern als unzureichend berücksichtigt - weil nicht zum Gegenstand einer Sonderfall-Prüfung nach Nr. 4.8 TA Luft gemacht - gerügte Kobaltbelastung. Insoweit dürfte es an „hinreichenden Anhaltspunkten“ im Sinne der Nr. 4.8 dafür fehlen, dass insoweit schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können. Der Senat verkennt nicht, dass die nach dem Vortrag der Antragsteller festgestellten Kobaltwerte im Blut bei ihnen verständliche gesundheitliche Besorgnisse ausgelöst haben. Dies hilft indes nicht darüber hinweg, dass nach den Stellungnahmen des Landesgesundheitsamtes vom 06.06.2007 und vom 30.07.2007 eine kausale Beziehung zu Emissionen aus dem Betrieb der Beigeladenen fern liegt. Denn die den Stellungnahmen zugrunde liegenden Untersuchungen der Landesanstalt für Umweltschutz zum Staubniederschlag aus der Luft und Analysen von Bodenproben haben keinen hinreichenden Anhalt für Emissionen von Kobalt durch den Betrieb der Beigeladenen geliefert. Im Grunde bestätigen dies die Antragsteller, wenn sie in der Beschwerdebegründung vortragen, bislang stehe weder fest, was genau die Kobaltbelastung verursacht habe bzw. wodurch Kobalt freigesetzt werde, noch seien die gesundheitlichen Folgen einer Kobaltbelastung wissenschaftlich erforscht. Aus der von den Antragstellern noch vorgelegten Studie zur erhöhten Sterblichkeit bei Mitarbeitern von Eisengießereien findet sich im Übrigen, worauf die Beigeladene zutreffend hingewiesen hat, kein Anhalt für Kobaltemissionen aus Eisengießereien und einen entsprechenden Wirkungspfad. Hiernach dürfte es in Bezug auf die geltend gemachte Kobaltbelastung schon an einer hinreichenden tatsächlichen Basis für die von Nr. 4.8 TA Luft bezweckte Prüfung fehlen, welche nach Nr. 4.8 Abs. 2 Buchst. a der Feststellung dient, zu welchen Einwirkungen die von der Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen im Beurteilungsgebiet führen. Ergänzend bemerkt der Senat, dass die durchgeführten Untersuchungen des Landesgesundheitsamts und der Landesanstalt für Umweltschutz der Sache nach einer Sonderfall-Prüfung nahe kommen dürften.
28 
Nicht zu folgen vermag der Senat der in diesem Zusammenhang von den Antragstellern vertretene These, das von ihnen geltend gemachte Fehlen der Bestandskraft der früheren immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen aus den Jahren 1980 und 1993 führe zu einer „Umkehrung der Beweislast“ in Bezug auf die Unschädlichkeit der betrieblichen Emissionen. Bereits die Prämisse der Antragsteller dürfte nicht zutreffen, dass die genannten älteren Genehmigungen ihnen gegenüber nicht in Bestandskraft erwachsen seien. Denn die Antragsteller haben nach Aktenlage jedenfalls nicht fristgerecht Widerspruch gegen jene ältere Genehmigungen erhoben, obwohl deren Existenz, wie das Verwaltungsgericht und der Antragsgegner sowie die Beigeladene zutreffend dargelegt haben, den Antragstellern jedenfalls im Jahre 2002 konkret bekannt geworden ist. Dem Antragsteller Ziffer 2 ist die Genehmigung vom 26.02.1993 nach Aktenlage sogar mit Übergabeeinschreiben im Januar 2002 ausdrücklich bekanntgegeben worden, so dass ihm gegenüber im Falle zutreffender Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 70 Abs. 1 VwGO eine Monatsfrist, ansonsten gemäß §§ 70 Abs. 2, 58 Abs. 2 VwGO eine Jahresfrist für eine Widerspruchseinlegung in Lauf gesetzt wurde. Im Übrigen hätten die Antragsteller, deren Grundstückserwerb nicht ohne Kenntnis des laufenden Betriebs der Beigeladenen vorstellbar ist - nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragsgegners sind die Antragsteller Ziffer 1 und 2 seit 23.12.1986 und die Antragsteller Ziffer 3 und 4 seit 21.01.1999 Eigentümer der betreffenden Grundstücke - bereits damals vom Vorliegen einer den Betrieb gestattenden Genehmigung ausgehen und sich nach deren Inhalt erkundigen können, wenn sie gegen den Betrieb hätten vorgehen wollen. Jedenfalls aber nach konkreter Kenntniserlangung von der Existenz der früheren Genehmigungen z.B. durch die Übersendung des Besprechungsvermerks vom 11.10.2002 und der nachtäglichen Anordnung vom 16.10.2002 hätten sie im Sinne einer Anstoßfunktion hinreichend Anlass gehabt, sich über den exakten Inhalt der Genehmigungen zu informieren, und Gelegenheit, dagegen Rechtsbehelfe zu ergreifen. Nach Treu und Glauben war dies in Anlehnung an § 58 Abs. 2 VwGO innerhalb eines Jahres ab Kenntniserlangung vom Inhalt der Genehmigung bzw. ab dem Zeitpunkt, ab dem die Antragsteller sich diese Kenntnis hätten verschaffen können, zu erwarten, eine wesentliche spätere Widerspruchseinlegung hingegen prozessual verwirkt (vgl. außer der vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung Kopp/Schenke, a.a.O., § 70 RdNr. 6h; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vor § 124 RdNr. 60, jeweils m.w.N.).
29 
Dem Akteninhalt ist keine hinreichend klare Äußerung der Antragsteller zu entnehmen, welche mit der prozessrechtlich zu fordernden Klarheit - unbeschadet der nicht auf die Verwendung des Begriffs „Widerspruch“ beschränkten Wortwahl - als Widerspruchseinlegung zu werten wäre. Die Antragsteller haben sich darauf beschränkt, die Befolgung von Nebenbestimmungen zu den früheren Genehmigungen bzw. von nachträglichen Anordnungen des Antragsgegners gegenüber der Beigeladenen einzufordern. Dies spricht dafür, dass die fraglichen Genehmigungen als rechtlich existent vorausgesetzt wurden. Dem entsprechen auch Ausführungen in der Beschwerdebegründung, die Antragsteller wollten sich gar nicht gegen die Genehmigung von 1993 wenden und den Rückbau des damals genehmigten Vorhabens verlangen bzw. die Rücknahme der genehmigten Nutzung; es gehe ihnen lediglich darum zu verhindern, dass die seinerzeit erteilte Genehmigung nunmehr die Grundlage für eine erneute Erweiterung bilden und darauf dann der Bestandsschutz gegründet werden solle. Schließlich führt auch der Hinweis darauf, dass sich die Antragsteller bereits vor und nach 1993 häufig beim Antragsgegner über Immissionen aus dem Betrieb der Beigeladenen beschwert hätten, insoweit nicht zu ihren Gunsten weiter. Diese Beschwerden waren vom Antragsgegner nicht ohne Weiteres als Widersprüche zu werten, sondern wie geschehen als Aufforderungen zu Überprüfungen des Betriebsablaufs und ggf. zum Erlass nachträglicher Anordnungen.
30 
Fehlt es mithin an einer rechtzeitigen Anfechtung der früheren Genehmigungen, so kann auch keine Rede davon sein, dass die nunmehr in Streit stehende Änderungsgenehmigung vom 29.04.2008 eine „Legalisierung“ der alten Genehmigungen bewirken solle bzw. könne. Einer solchen als konstitutiv gedachten nachträglichen rechtlichen Unterfütterung bedürfen nach dem Vorstehenden jene alten Genehmigungen zu ihrer Wirksamkeit und Bestandskraft nicht. Prüfungsgegenstand bleibt daher allein die Änderungsgenehmigung vom 29.04.2008 als solche (in der Fassung der Änderungsverfügungen vom 21.02. und 02.03.2011).
31 
bb) Die Antragsteller dringen im Rahmen des vorliegenden Verfahrens im Ergebnis auch nicht mit ihren Angriffen gegen die vom Verwaltungsgericht angenommene Vereinbarkeit der angefochtenen Änderungsgenehmigung mit der TA Lärm durch. Ob der Betrieb der Beigeladenen den - gemäß Nr. 6 TA Lärm als Vorfrage für die Einschätzung der zumutbaren Geräuschimmissionsbelastung bedeutsamen - Gebietscharakter mitprägt oder aber, wie die Antragsteller meinen, als Fremdkörper außer Betracht zu lassen ist, wird nötigenfalls erst in einem Hauptsacheverfahren abschließend zu beurteilen sein (zu den Abgrenzungskriterien vgl. BVerwG, Urteil vom 15.02.1990 - 4 C 23.86 -, BVerwGE 84, 322; Beschluss vom 23.12.1998 - 4 B 29.98 -, NuR 1999, 275; Urteil vom 07.12.2006 - 4 C 11.05 -, BVerwGE 127, 231; Brügelmann/Dürr, BauGB, § 34 RdNr. 32 m.w.N.). Eine von den Antragstellern insoweit angeregte förmliche Beweisaufnahme insbesondere durch Augenscheinseinnahme ist im vorliegenden Verfahren untunlich und ggf. einem Hauptsacheverfahren vorzubehalten, zumal sich durchaus aussagekräftige Lagepläne und Angaben zur Art der Grundstücksnutzungen im fraglichen Bereich bei den Akten befinden (vgl. dazu Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 RdNr. 125; Dawin in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 86 Fn. 246). Nach Aktenlage spricht nach Auffassung des Senats einiges dafür, dass die vom Verwaltungsgericht und vom Antragsgegner herangezogenen Gesichtspunkte – (bisherige) Gebäudegröße, Immissionen auf die nähere Umgebung, historischer Bestand des (wohl 1932 oder 1933 gegründeten, seit 1980 immissionsschutzrechtlich genehmigten) Betriebs, landwirtschaftlich genutzte Gebäude und im weiteren Umfeld befindliche weitere Gewerbebetriebe sowie Festhalle, Feuerwehrgerätehaus und Gaststätte mit Kegelbahn - die Umgebung des Betriebs der Beigeladenen nicht als insgesamt homogen strukturiert erscheinen lassen, etwa als (faktisches) allgemeines Wohngebiet. Je inhomogener aber ein Gebiet strukturiert ist und je länger ein durch entsprechende Genehmigungen oder zumindest langjährige Duldung gedecktes Nebeneinander von an sich konfliktträchtigen Nutzungen - im Sinne eines historisch gewachsenen Ensembles - besteht, umso weniger werden einzelne Nutzungen, etwa die am stärksten störende oder aber auch eine besonders störungsempfindliche Nutzung, in dem betreffenden Bereich als Fremdkörper bei der Qualifizierung des Gebietscharakters außer Betracht gelassen werden können. Die Unbeachtlichkeit von sogenannten Fremdkörpern ist als Ausnahme grundsätzlich auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen ein bestimmtes Vorhaben in besonders krassem Widerspruch zu der sonstigen, im Wesentlichen homogenen Bebauung steht und außerdem dieses Vorhaben keine größeren städtebaulichen Auswirkungen auf seine Umgebung hat. Soweit das nicht der Fall ist, müssen auch Vorhaben berücksichtigt werden, die städtebaulich unerwünscht sind, weil sie von der sonstigen Bebauung abweichen und städtebauliche Spannungen hervorrufen (vgl. Brügelmann/Dürr, a.a.O., m.w.N. zur Rechtsprechung). Es ist dann Sache des Trägers der Bauleitplanung, eine Entflechtung der kollidierenden Nutzungen ins Auge zu fassen, zum Beispiel durch eine entsprechende Überplanung des betreffenden Gebiets und/oder Schaffung von Anreizen und Beratung zur Verlagerung der immissionsträchtigen Nutzungen in ein weniger störungsempfindliches Umfeld. Im vorliegenden Fall ist insbesondere auch die Ausstrahlungswirkung der betrieblichen Emissionen zu bedenken, die über die Auswirkungen des reinen Baubestands auf die nähere Umgebung hinausgeht (vgl. dazu auch die Anlehnung an das Beurteilungsgebiet nach Nr. 4.6.2.5 TA Luft 2002 bzw. Nr. 2.6.2.2 TA Luft 1986 in der Rechtsprechung zur räumlichen Abgrenzung der Klagebefugnis gegen immissionsschutzrechtliche Genehmigungen, z.B. BayVGH, Urteil vom 30.11.1988 – 20 A 86.40030 u.a. -, BayVBl 1989, 530).
32 
Die zivilrechtliche Betrachtung unter dem Gesichtspunkt der Ortsüblichkeit der Emissionen, auf die die Antragsteller unter Hinweis auf ein Urteil des Landgerichts Offenburg vom 13.07.2010 abheben, ist auf die öffentlich-rechtliche Beurteilung des Gebietscharakters nicht ohne Weiteres übertragbar. Die an das Immissionsniveau in der fraglichen Umgebung anknüpfende Frage der Ortsüblichkeit ist eine andere Fragestellung als die nach der bauplanungsrechtlich prägenden Wirkung einer mit Emissionen verbundenen Grundstücksnutzung. Jedenfalls vermag der Senat nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erkennen, dass der Betrieb der Beigeladenen als Fremdkörper bei der Beurteilung des Gebietscharakters im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB auszuklammern wäre und dass die Eigenart der näheren Umgebung darüber hinaus einem der Baugebietstypen der Baunutzungsverordnung - wie von den Antragstellern geltend gemacht einem allgemeinen Wohngebiet - entsprechen würde mit der Folge, dass daraus in Verbindung mit § 34 Abs. 2 BauGB ein Gebietserhaltungsanspruch gegenüber der Beigeladenen abgeleitet werden könnte. Im übrigen könnte selbst bei Ausklammerung des Betriebs der Beigeladenen als Fremdkörper angesichts der vorhandenen sonstigen Grundstücksnutzungen in Betracht zu ziehen sein, dass es sich um ein diffus geprägtes, nicht in den Anwendungsbereich des § 34 Abs. 2 BauGB fallendes Gebiet handelt.
33 
Ist hiernach im vorliegenden Verfahren eher von einer Gemengelage zwischen industrieller Nutzung und Wohnnutzung sowie sonstiger gewerblicher und landwirtschaftlicher Nutzung auszugehen, so dürfte die auf einem Immissionsrichtwert von 60 db(A) basierende Beurteilung des Vorhabens nach der TA Lärm in dem TÜV-Gutachten vom 12.06.2007 keinen durchgreifenden Bedenken begegnen (zur bei Gemengelagen gebotenen Bildung eines Zwischenwerts vgl. Nr. 6.7 TA Lärm; BVerwG, Beschluss vom 12.09.2007 - 7 B 24.07 -, juris; Beschluss vom 28.09.1993 - 4 B 151.93 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 119). Dieser Wert stellt einen angemessenen Zwischenwert zwischen dem für allgemeine Wohngebiete (gemäß Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. d TA Lärm: 55 db(A)) und für Industriegebiete (gemäß Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. a TA Lärm: 70 db(A) geltenden (Tages-)Immissionsrichtwert dar, der sich an dem für Kerngebiete, Dorfgebiete und Mischgebiete geltenden Wert orientiert (Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c TA Lärm). Er wäre im übrigen wohl auch bei Ausklammerung des Betriebs der Beigeladenen und Annahme eines auch ohne diesen diffus - mit Anteilen aus Wohnnutzung, landwirtschaftlicher und gewerblicher Nutzung - geprägten Gebietscharakters naheliegend.
34 
Dem insoweit zunächst auch von den Antragstellern nicht in Zweifel gezogenen TÜV-Gutachten ist zu entnehmen, dass der Beurteilungspegel von 60 db(A) und der nach Nr. 6.1 Satz 2 TA Lärm maximal zulässige, 30 db(A) höhere Spitzenpegel für einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen an allen 12 berechneten Immissionsorten unterschritten wird. Außer bei einem der 12 Immissionsorte - bei diesem handelt es sich mit 58 db(A) allerdings um das Grundstück der Antragsteller Ziffer 1 und 2 - wird sogar der für allgemeine Wohngebiete maßgebliche Beurteilungspegel von 55 db(A) eingehalten und bei allen 12 Immissionsorten der entsprechend zulässige Spitzenpegel von 85 db(A). Soweit neuere Erkenntnisse in Gestalt von Messergebnissen höhere, Grenzwerte überschreitende Lärmpegel ergeben, wird der Antragsgegner dem, wie nach seinem Schriftsatz vom 02.03.2011 teilweise bereits geschehen, mit entsprechenden Auflagen zu begegnen haben.
35 
Der ergänzenden Anforderung in Nr. 6.7 TA Lärm dürfte das genehmigte Vorhaben im Ansatz entsprechen. Nach dieser Vorschrift ist, wenn ein Gebiet mit erhöhter Schutzwürdigkeit nur in einer Richtung zur Anlage liegt, dem durch die Anordnung der Anlage auf dem Betriebsgrundstück und die Nutzung von Abschirmungsmöglichkeiten Rechnung zu tragen. Die von den Antragstellern in diesem Zusammenhang vorgebrachte Kritik an der Annahme des Verwaltungsgerichts, das TÜV-Gutachten belege schlüssig, dass die Änderungsgenehmigung jedenfalls keine Verschlechterung der Lärmsituation für die Antragsteller mit sich bringe, erscheint schwerlich berechtigt. Der Antragsgegner und die Beigeladene haben insoweit plausibel insbesondere auf eine Verlagerung von lärm- und erschütterungsintensiven Arbeitsvorgängen in die neue, bessere Dämmwerte aufweisende Halle 3 hingewiesen. Freilich dürfte das Verbesserungspotential, etwa in Bezug auf weitere Abschirmungsmöglichkeiten, wie sie auch in der Erörterungsverhandlung des Senats erwogen wurden, noch nicht erschöpft sein. Es wird Aufgabe des Antragsgegners im Widerspruchsverfahren sein, solche weiteren Möglichkeiten und ggf. den Erlass sachdienlicher nachträglicher Anordnungen zu prüfen. Dazu gehört auch die Überprüfung und gegebenenfalls Berücksichtigung der von den Antragstellern in der Erörterungsverhandlung geltend gemachten akustischen Reflektionswirkungen der Südwand der Halle 3 auf die Grundstücke der Antragsteller.
36 
cc) Die Antragsteller beanstanden zu Unrecht, dass das Verwaltungsgericht den Verzicht des Antragsgegners auf eine gutachtliche Beurteilung von - dem Änderungsvorhaben zuzurechnenden - Geruchsimmissionen, etwa nach der Geruchsimmissions-Richtlinie des Länderausschusses Immissionsschutz – GIRL (abgedruckt bei Ule/Laubinger, BImSchG, LAI 52), gebilligt hat. Für eine solche Gutachtenerhebung bestand nach Aktenlage kein hinreichender Anlass. Ein solcher ist von den Antragstellern auch im Beschwerdeverfahren nicht dargetan worden. Zum einen haben Antragsgegner und Beigeladene unwidersprochen vorgetragen, dass stichprobenartige Überprüfungen seitens des Gewerbeaufsichtsamtes in der Vergangenheit keine betriebsbedingten Geruchsbeeinträchtigungen ergeben hätten. Zwar mag dies nicht ausschließen, dass gelegentlich doch Geruchsbelästigungen auftreten. Das Verwaltungsgericht hat seine Einschätzung, die von den Antragstellern gerügten Geruchsimmissionen würden durch die genehmigte Betriebsänderung jedenfalls nicht verstärkt bzw. verschlimmert, aber plausibel mit den entsprechend zu erwartenden betrieblichen Veränderungen begründet. Dem sind die Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten.
37 
b) Das Verwaltungsgericht dürfte entgegen dem Beschwerdevorbringen auch zu Recht angenommen haben, dass die angefochtene Änderungsgenehmigung nicht zum Nachteil der Antragsteller gegen andere öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG verstößt, insbesondere nicht gegen die nachbarschützenden Vorschriften des Bauplanungs- und des Bauordnungsrechts.
38 
aa) In bauplanungsrechtlicher Hinsicht scheitert der mit der Beschwerde geltend gemachte Gebietserhaltungsanspruch aus § 34 Abs. 2 BauGB mit überwiegender Wahrscheinlichkeit daran, dass die nähere Umgebung nicht einem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete entspricht, insbesondere nicht einem allgemeinen Wohngebiet. Hierzu wird auf die obigen einschlägigen Ausführungen verwiesen.
39 
Soweit die Antragsteller in Bezug auf die Anwendung des § 34 Abs. 3a BauGB die Annahme des Verwaltungsgerichts rügen, der Antragsteller habe das in dieser Vorschrift eingeräumte Ermessen auch tatsächlich ausgeübt, dringen sie damit nicht durch. Zwar ist ihnen zuzugestehen, dass sich in der Begründung der angefochtenen Änderungsgenehmigung keine expliziten Ausführungen zur Ermessensbetätigung finden. Insoweit ist jedoch mit Blick auf die Normstruktur zu beachten, dass der Ausgleich der verschiedenen öffentlichen und privaten Interessen bereits im Rahmen der Prüfung der städtebaulichen Vertretbarkeit und der Berücksichtigung nachbarlicher Interessen zu erfolgen hat und deshalb für eine darüber hinausgehende Ermessensentscheidung nur noch ein sehr eingeschränkter Bereich verbleibt. Wenn eine Befreiung städtebaulich vertretbar ist und nachbarliche Interessen nicht entgegenstehen, kann es bei der Ermessensbetätigung im Grunde nur noch um den Umfang der Abweichung von den Anforderungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gehen (vgl. Brügelmann/Dürr, BauGB, § 34 RdNr. 107 l). Immerhin hat der Antragsgegner in der Begründung des angefochtenen Bescheids (S. 20) die Erwägung einer Reduktion der Erschütterungs- und Geräuschimmissionen angestellt, die gewiss primär auf die genannten Tatbestandsvoraussetzungen zu beziehen ist, nach dem Gesagten jedoch auch in den Bereich der Ermessensbetätigung hineinreicht. Im Übrigen könnte ein Ermessensausfall noch im Widerspruchsverfahren durch die Widerspruchsbehörde beseitigt werden.
40 
Einen von den Antragstellern im Gegensatz zum Verwaltungsgericht angenommenen Verstoß gegen das in § 34 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 BauGB inkorporierte Rücksichtnahmegebot vermag der Senat nicht zu erkennen. Hinsichtlich der im Rahmen des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. den technischen Regelwerken geprüften Immissionen gilt das hierzu oben bereits Ausgeführte mit der Maßgabe, dass die Einhaltung der in der TA Luft und der TA Lärm geregelten Grenzwerte insoweit auch die Wahrung des Rücksichtnahmegebots indiziert; denn das Bebauungsrecht vermittelt gegenüber schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG keinen andersartigen oder weitergehenden Nachbarschutz als § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.1992 - 7 C 7.92 -, DVBl. 1993, 111). Für eine Ausnahmekonstellation, die eine Abweichung von diesem Grundsatz rechtfertigen könnte, ist hier nichts ersichtlich. Der Hinweis der Antragsteller, der in der TA Luft festgelegte Grenzwert für Staubimmissionen entspreche nicht dem Stand der Technik, ist zum einen unsubstantiiert geblieben. Zum anderen ist in diesem Zusammenhang auch die mit der Verfügung des Antragsgegners vom 21.02.2011 erfolgte Reduzierung des von der Beigeladenen einzuhaltenden Staubkonzentrations-Grenzwerts auf 9 mg/cbm zu berücksichtigen.
41 
Soweit die Antragsteller einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot mit Blick auf die bauliche Erweiterung des Betriebs durch die neue Halle 3 rügen, weil dieses Gebäude eine erdrückende, abriegelnde Wirkung entfalte, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Nach dem eigenen Vortrag der Antragsteller beträgt der geringste Abstand der Halle 3 zum Grundstück der Antragsteller 41 m, zum Gebäude 45 m; die Höhe der Halle 3 beträgt nach den genehmigten Plänen weniger als 11 m. Dies sind räumliche Dimensionen, die keineswegs mit den Konstellationen vergleichbar sind, in denen die Rechtsprechung trotz der - hier evidenten - Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften ausnahmsweise eine für die Nachbarschaft erdrückende oder einmauernde Wirkung von Bauvorhaben angenommen hat. Das Verwaltungsgericht hat insoweit auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Halle 3 zu einem großen Teil bereits bestehende Gebäudeteile integriert und miteinander verbindet.
42 
Ohne Erfolg macht die Beschwerde weiter geltend, das Verwaltungsgericht habe eine im Sinne des Rücksichtnahmegebots unzulässige erdrückende Wirkung des nächstgelegenen Kamins (Quelle 1) verkannt. Zwar trifft es auch in diesem Zusammenhang zu, dass die unstreitig gegebene Wahrung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften nur im Regelfall eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots ausschließt. Für die Annahme einer Ausnahmekonstellation fehlen nach Aktenlage aber auch hier hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte. Der von den Antragstellern gezogene Vergleich zu Windkraftanlagen ist wegen der bedeutsamen tatsächlichen Unterschiede zwischen diesen und einem Kamin unergiebig, damit auch die von den Antragstellern herangezogene, unter dem Blickwinkel des Rücksichtnahmegebots zu Windkraftanlagen ergangene Rechtsprechung. Die störende Wirkung von Windkraftanlagen basiert, worauf der Antragsgegner zutreffend hingewiesen hat, vor allem auf der durch die Rotoren erzeugten Breitenwirkung sowie dem durch die Rotorbewegungen herbeigeführten optischen Unruhefaktor. Bei den Maßen des Kamins (ca. 21,20 m Höhe, 1 m Durchmesser) liegt auch nach Auffassung des Senats die Annahme einer erdrückenden Wirkung eher fern.
43 
Die bauplanungsrechtliche Anmerkung der Antragsteller, die grenzständige Halle 1 verstoße gegen § 34 Abs. 1 BauGB, weil sie die in der näheren Umgebung vorherrschende offene Bauweise missachte, bedarf keiner näheren Erörterung. § 34 BauGB vermittelt insoweit keinen Nachbarschutz.
44 
bb) Die bauordnungsrechtlich orientierte Kritik der Antragsteller am angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts erweist sich nicht als stichhaltig. Ein im vorliegenden Genehmigungsverfahren relevanter Verstoß gegen die Abstandsflächenflächenvorschrift des § 5 LBO liegt nicht vor. Die Abstandsflächenproblematik wird durch die von der Beigeladenen beantragte Änderung der Betriebsabläufe insbesondere für die Halle 1 nicht neu aufgeworfen. Denn die Umstrukturierung des Betriebsablaufs in Halle 1 führt, wie der Antragsgegner zu Recht darlegt, nicht zu einer Verschlechterung der Immissionssituation für die Nachbarschaft, sondern es wird mit dem Modelllager künftig eine deutlich emissionsärmere Nutzung angesiedelt. Nur nachteiligere Auswirkungen auf die Nachbargrundstücke können aber dazu führen, dass die Abstandsflächenfrage bei unverändertem Baubestand neu zu stellen und zu beantworten ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.09.1998 - 8 S 2137/98 -, VBlBW 1999, 26).
II.
45 
Nach allem spricht die obige rechtliche Beurteilung (I) für die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des Genehmigungsbescheids. Besondere Umstände, die gleichwohl, etwa wegen bis zur rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung durch die Realisierung der Genehmigung eintretender gravierender (unzumutbarer bzw. irreparabler) Nachteile, eine Suspendierung des Genehmigungsbescheids nahe legten, vermag der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht nicht zu erkennen. Auch nach der Einschätzung des Senats führt die Ausnutzung der Genehmigung insgesamt jedenfalls nicht zu einer Verschlechterung der Immissionssituation für die Antragsteller, sondern eher zu einer Verbesserung, z.B. durch die Verlagerung emissionsträchtiger Arbeitsvorgänge in die weiter von den Grundstücken der Antragsteller entfernte neue Halle 3. Die diesbezüglichen überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (Seiten 3 f., 13 des Beschlussabdrucks) haben die Antragsteller nicht durchschlagend zu erschüttern vermocht. Die zuletzt geäußerte Besorgnis der Antragsteller, infolge der mit der Änderungsverfügung vom 02.03.2011 angeordneten Stilllegung der Beschichtungsanlage sei zu erwarten, dass die Gussteile wieder wie früher ohne Emissionserfassung beschichtet würden, wird der Antragsgegner im Widerspruchsverfahren aufzugreifen haben.
46 
Selbst wenn die Beurteilung der Erfolgsaussichten im Widerspruchsverfahren bzw. einem etwaigen anschließenden Hauptsacheverfahren als offen anzusehen wären, würde eine Interessenabwägung im engeren Sinne wohl dazu führen, die sofortige Vollziehbarkeit der Änderungsgenehmigung einstweilen bestehen zu lassen. Das verständliche Schutzanliegen der Antragsteller erfährt insofern eine gewisse Relativierung, als es sich um eine historisch gewachsene Gemengelage handelt und die Antragsteller sich in Bezug auf Luft- und Lärmbelastung in eine durch den bestehenden Betrieb vorbelastete Situation hineinbegeben haben dürften. Die Folgen einer die Änderungsgenehmigung suspendierenden Entscheidung wären für die Beigeladene, wie sie in der Erörterungsverhandlung sinngemäß geltend gemacht hat, voraussichtlich schwerwiegend, nachdem sie in (rechtmäßiger) Ausnutzung der sofortigen Vollziehbarkeit der Änderungsgenehmigung die entsprechenden baulichen Maßnahmen getätigt hat und deren Nutzung kaum ohne Gefährdung des Betriebs suspendiert werden könnten. Dies ändert nichts daran, dass die Beigeladene im Falle einer etwaigen rechtskräftigen Aufhebung der Änderungsgenehmigung die Folgen zu tragen hätte, wozu ggf. auch die Erfüllung der dem Antragsgegner gegenüber eingegangenen Rückbauverpflichtung gehört.
III.
47 
Ungeachtet dessen hat der Senat erwogen, die zu Gunsten der Beigeladenen wirkende Antragsablehnung zugleich mit Auflagen gegenüber der Beigeladenen zu versehen, wie sie etwa Gegenstand des im Anschluss an den Erörterungstermin unterbreiteten Vergleichsvorschlags nach § 106 VwGO gewesen sind. Der Senat hat hiervon aus Rechtsgründen abgesehen, da nach herrschender Auffassung Auflagen nach § 80 Abs. 5 S. 4 VwGO nur gegenüber den Hauptbeteiligten zulässig und im Übrigen nicht selbständig vollstreckbar sind, sondern bei Nichtbefolgung nur Anlass für eine Abänderungsentscheidung nach § 80 Abs. 7 VwGO geben können (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 RdNrn. 169, 207; Eyermann/Schmidt, a.a.O., § 80 RdNrn. 88 ff., jeweils m.w.N.). Er hält es jedoch für geboten, dass der Antragsgegner im Widerspruchsverfahren die im Erörterungstermin angeschnittenen Fragen aufgreift, insbesondere die letztlich von der Beigeladenen nicht in Abrede gestellten, infolge Undichtigkeiten in Dach und Wänden aus der Halle 1 unkontrolliert - soweit nicht von den Quellen 1 und 2 erfasst - entweichenden Emissionen. Denn unbeschadet der obigen summarischen bauplanungsrechtlichen Einschätzung als Gemengelage steht außer Frage, dass die hier vorgefundene bodenrechtliche Konstellation permanentes Konfliktpotential enthält, das nur durch Ausschöpfung des rechtlichen Instrumentariums zur Minderung der wechselseitigen Beeinträchtigungen in akzeptablen Grenzen gehalten werden kann. Zur Ausschöpfung dieses Instrumentariums einschließlich der zwangsweisen Durchsetzung z.B. von nachträglichen Auflagen nach § 17 BImSchG und Maßnahmen nach §§ 26 ff. BImSchG besteht gegenüber der Beigeladenen Anlass, die es in der Vergangenheit mehrfach an Kooperationsbereitschaft und an Information der zuständigen Behörde wie auch der Antragsteller über betriebliche Änderungen oder Störfälle hat fehlen lassen. Dass die Antragsteller und die Beigeladene selbst im Sinne des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses und des Rücksichtnahmegebots das ihrerseits Mögliche und Erforderliche zu einer erträglichen Gestaltung der Gemengelage beitragen, solange die bauplanungsrechtliche Konstellation fortbesteht und keine Verlagerung des Betriebs in ein geeigneteres Umfeld gelingt, liegt nach Auffassung des Senats in ihrem ureigensten Interesse.
IV.
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 159 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO und § 162 Abs. 3 VwGO. Für eine Kostenbeteiligung des Antragsgegners bzw. der Beigeladenen sieht der Senat keine hinreichende rechtliche Grundlage. Mit den Änderungsverfügungen vom 21.02. und 02.03.2011 hat der Antragsgegner von seiner Dispositionsbefugnis Gebrauch gemacht, die angegriffene Änderungsgenehmigung in im Laufe des Verfahrens als rechtlich problematisch erkannten Punkten zu ändern statt sehenden Auges eine Suspendierung der Genehmigung und den Prozessverlust in Kauf zu nehmen. Dies kann angesichts der verfassungsrechtlichen Bindung auch der Verwaltungsbehörden an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG), die sie in jeder Lage des Verfahrens zu beachten haben, nicht beanstandet oder gar als schuldhafte Kostenverursachung etwa im Sinne des § 155 Abs. 4 VwGO gewertet werden. Es hätte den Antragstellern freigestanden, auf die Änderungsverfügungen hin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Im Falle der dann zu erwartenden entsprechenden Erledigungserklärungen der anderen Beteiligten wäre eine Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung desbisherigen Streitstands zu treffen gewesen, die auch eine Anknüpfung an die Herbeiführung der Erledigung in der Sphäre des Antragsgegners bzw. der Beigeladenen erlaubt hätte. Da die Antragsteller jedoch ungeachtet der Änderungsverfügungen den Rechtsstreit - mit prozeduraler wie inhaltlicher Kritik an diesen Verfügungen - fortgeführt haben, muss es sein Bewenden mit der Anwendung der oben genannten Kostenvorschriften haben.
49 
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren stützt sich auf § 63 Abs. 3, § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 2.2.2, 1.1.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004 (VBlBW 2004, 467).
50 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde

1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,
2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.

(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.

(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom 9. April 2010 - 13 B 1300/10 - und der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Mai 2010 - 11 ME 129/10 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Hannover zurückverwiesen.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 8.000,- € (in Worten: achttausend Euro) und für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 4.000,- € (in Worten: viertausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach Ablehnung der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis.

2

1. Der 19jährige Beschwerdeführer ist türkischer und libanesischer Staatsangehöriger. Er wurde im Bundesgebiet geboren und lebt zusammen mit seiner Mutter und vier Geschwistern in häuslicher Gemeinschaft in H.. Seine Mutter, libanesische Staatsangehörige, sowie drei Geschwister besitzen unbefristete Aufenthaltserlaubnisse, sein älterer Bruder die deutsche Staatsbürgerschaft. Der Vater des Beschwerdeführers stammt aus der Türkei; er wurde wegen Nichtableistung des Wehrdienstes aus der Türkei ausgebürgert; während des Ausgangsverfahrens befand er sich in der Justizvollzugsanstalt V. in Haft. Bis zum Eintritt der Volljährigkeit im September 2009 besaß der Beschwerdeführer eine von seiner Mutter abgeleitete Aufenthaltserlaubnis.

3

Der Beschwerdeführer ist bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Er verließ 2007 die Hauptschule mit einem Abgangszeugnis, das durchweg die Noten "mangelhaft" und "ungenügend" ausweist. Anschließend nahm er an einem Berufsvorbereitungsjahr teil und besuchte verschiedene Bildungs- und Integrationsmaßnahmen. Bis Ende Februar 2010 bezog er Leistungen nach dem SGB II.

4

2. Die Ausländerbehörde lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid vom 2. März 2010 ab und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an. Der Aufenthaltserlaubnis stehe nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG die fehlende Lebensunterhaltssicherung entgegen; ein Abweichen von der Regelerteilungsvoraussetzung sei wegen fehlender Integration in Deutschland und geringer Motivation, den Lebensunterhalt dauerhaft aus eigenen Mitteln sicherzustellen, nicht möglich. Der Beschwerdeführer könne sich auch nicht mit Erfolg auf § 25 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 8 EMRK berufen, da er nicht faktisch zum Inländer geworden sei. Seine fehlende Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse sei so stark, dass es auf die Möglichkeit der Integration in der Türkei nur noch untergeordnet ankomme. Dabei dürfe nicht unbeachtet bleiben, dass sein vollziehbar ausreisepflichtiger Vater mit ihm in die Türkei umsiedeln könne; sein Vater habe zudem Freunde in der Türkei, die den Beschwerdeführer dort unterstützen könnten. Das Verlassen des Bundesgebiets würde für den Beschwerdeführer auch keine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG bedeuten.

5

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Klage, über die noch nicht entschieden worden ist. Gleichzeitig beantragte er die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Die Ausländerbehörde habe sich nur unzureichend mit der Reichweite des Art. 8 EMRK, den Integrationsleistungen des Beschwerdeführers und den tatsächlichen Folgen einer Ausreise auseinandergesetzt. Der Beschwerdeführer sei in Deutschland geboren, habe hier sein gesamtes bisheriges Leben verbracht und verfüge über gute Deutschkenntnisse. Trotz des formalen Eintritts der Volljährigkeit sei er auf die Hilfe und Zuwendung seiner Familie angewiesen. Mit der Türkei verbinde ihn nur die Staatsangehörigkeit. Er sei noch nie dort gewesen, verfüge über keine sozialen Bindungen dorthin und habe dort weder Verwandte noch Bekannte; die türkische Sprache beherrsche er nicht. Seine Familie sei nicht in der Lage, ihn in der Türkei finanziell zu unterstützen. Der Beschwerdeführer könne auch nicht gemeinsam mit seinem Vater zurückkehren, da dieser zum einen ausgebürgert worden sei, zum anderen frühestens im Oktober 2010 aus der Haft entlassen werde. Der Verweis auf Freunde des Vaters sei rein spekulativ. Insgesamt sei nicht nachvollziehbar, wie es dem Beschwerdeführer möglich sein solle, sich in der Türkei zu (re-)integrieren.

6

4. Mit Beschluss vom 9. April 2010 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab, da sich der angefochtene Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweise. Das Gericht folgte der Begründung des Bescheids. Ergänzend wies es darauf hin, dass der Beschwerdeführer trotz der Ausbürgerung seines Vaters türkischer Staatsangehöriger bleibe, dass es ihm zumutbar sei, die türkische Sprache zu erlernen, und dass es seinen in Deutschland lebenden Familienangehörigen freistehe, mit ihm in die Türkei zurückzukehren.

7

5. Mit seiner Beschwerde gegen diese Entscheidung machte der Beschwerdeführer geltend, das Verwaltungsgericht habe den zugrundeliegenden Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unzutreffend gewürdigt und sich mit seinen familiären Bindungen in Deutschland nur unzureichend auseinandergesetzt. Soweit es davon ausgegangen sei, Freunde des Vaters könnten den Beschwerdeführer in der Türkei unterstützen, hätte es zwingend weiterer Sachverhaltsklärung bedurft. Offen geblieben sei zudem, wie der Beschwerdeführer in der Zeit bis zum Erlernen der türkischen Sprache in der Türkei kommunizieren solle.

8

6. Mit Beschluss vom 20. Mai 2010 wies das Oberverwaltungsgericht die Beschwerde zurück: Das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben werde, weil der Beschwerdeführer die Regelerteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfülle und keinen Anspruch nach § 25 Abs. 4 Satz 2 oder Abs. 5 AufenthG habe. Eine im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK hinreichende Integration des Beschwerdeführers könne nicht festgestellt werden, da ihm in keiner Weise eine berufliche Verwurzelung gelungen sei. Der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK dürfte auch unter dem Aspekt des Familienlebens nicht betroffen sein, da gesundheitliche Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers nicht ersichtlich seien und er nicht näher dargelegt habe, inwiefern er auf die Hilfe seiner Mutter und seines älteren Bruders angewiesen sei. Jedenfalls sei der Eingriff nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Mangels beruflicher Integration habe das Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen Einwanderungskontrolle ein überwiegendes Gewicht. Das Leben in der Türkei sei dem Beschwerdeführer nicht unzumutbar. Er sei arbeitsfähig und könne sich wegen seiner Deutschkenntnisse insbesondere im Tourismusgewerbe bewerben. Es sei ihm zuzumuten, sich in Regionen niederzulassen, in denen arabisch gesprochen wird; auch sei er in der Lage, in angemessener Zeit türkisch zu lernen. Unabhängig davon, ob Verwandte oder Freunde des Vaters den Beschwerdeführer unterstützen könnten, sei zu berücksichtigen, dass sein Vater jedenfalls nach der Haftentlassung mit ihm ausreisen könnte; die Ausbürgerung des Vaters stelle kein Hindernis dar, da er sich ohne Weiteres wieder einbürgern lassen könne.

9

7. Mit der fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, dass die Gerichte die Bedeutung von Art. 6 Abs. 1 GG verkannt hätten. Das Verwaltungsgericht habe sich mit dem grundrechtlichen Schutz der Familie und den tatsächlichen Familienverhältnissen überhaupt nicht befasst. Das Oberverwaltungsgericht habe die persönlichen Konsequenzen, die der Verlust der familiären Bindungen für den Beschwerdeführer bedeute, bei der Abwägung nicht berücksichtigt. Der Verweis der Gerichte auf den Vater des Beschwerdeführers und dessen vermeintliche Freunde sei ungeeignet, den Eingriff in Art. 6 Abs. 1 GG zu rechtfertigen. Da der Beschwerdeführer in der Türkei wegen Mittellosigkeit und fehlender Sprachkenntnisse einer sozialen Isolation ausgesetzt wäre, sei Art. 6 Abs. 1 GG bereits durch die Versagung von Eilrechtsschutz verletzt.

10

Darüber hinaus lägen Verstöße gegen Art. 2 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG vor. Die angegriffenen Beschlüsse verkennten die Bedeutung, die der Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung von Art. 8 EMRK zukomme, da sie die für die Abwägung wesentlichen Umstände nicht erkannt beziehungsweise unberücksichtigt gelassen hätten. Zudem hätten die Gerichte die Entscheidungen auf die fehlenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt, obwohl eine hinreichende Berücksichtigung des Vortrags des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis geführt hätte, dass die Aussichten der Klage offen seien und ein Anordnungsanspruch bestehe; die eigenen Feststellungen der Gerichte zeigten, dass der Sachverhalt in wesentlichen Punkten noch klärungsbedürftig sei.

11

8. Das Bundesverfassungsgericht untersagte im Wege der einstweiligen Anordnung der Ausländerbehörde, bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde die angedrohte Abschiebung zu vollziehen (Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 2010 - 2 BvR 1392/10 -).

12

9. Dem Niedersächsischen Justizministerium wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

II.

13

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen Art. 19 Abs. 4 GG.

14

1. Der Grundsatz der Subsidiarität (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen. Der Beschwerdeführer hat deutlich gemacht, dass er bereits durch die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes in verfassungsmäßigen Rechten verletzt ist (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 35, 382 <397 f.>; 53, 30 <53 f.>; 59, 63 <83 f.>; 76, 1 <40>). Er zeigt auf, dass und weshalb die angegriffenen Entscheidungen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache hätten abhängig machen dürfen, und greift damit eine spezifische Besonderheit des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes an. Der Beschwerdeführer war daher nicht gehalten, vor der Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts zunächst den Rechtsweg in der Hauptsache zu durchlaufen.

15

2. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG.

16

a) Der in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten Garantie eines umfassenden und effektiven Rechtsschutzes kommt wesentliche Bedeutung bereits für den vorläufigen Rechtsschutz zu, dessen Versagung vielfach irreparable Folgen hat. Die nach § 80 Abs. 1 VwGO für den Regelfall vorgeschriebene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage ist insoweit eine adäquate Ausprägung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie. Andererseits gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe im Verwaltungsprozess nicht schlechthin. Überwiegende öffentliche Belange können es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts ist daher ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt. Der Rechtsschutzanspruch des Bürgers ist dabei umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; 69, 220 <227 f.>; BVerfGK 5, 328 <334>; 11, 179 <186 f.>). Geltung und Inhalt dieser Leitlinien sind nicht davon abhängig, ob der Sofortvollzug eines Verwaltungsakts einer gesetzlichen (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO) oder einer behördlichen Anordnung (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) entspringt (vgl. BVerfGE 69, 220 <228 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. Oktober 2003 - 1 BvR 2025/03 -, NVwZ 2004, S. 93 <94>).

17

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen auch dann nicht gerecht, wenn man hier den in § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG normierten grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses in Rechnung stellt und daraus folgert, dass die Gerichte - neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache - zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten sind, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. Oktober 2003 - 1 BvR 2025/03 -, NVwZ 2004, S. 93 <94>). Ausgehend von der Erkenntnis, dass der Fall im Hauptsacheverfahren zu klärende Sach- und Rechtsfragen aufwirft und deshalb die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache abhängig gemacht werden kann, hätten sich die Verwaltungsgerichte mit den substantiiert vorgetragenen persönlichen Belangen des Beschwerdeführers in einer der Bedeutung dieser Umstände für die Aussetzungsentscheidung angemessenen Weise auseinandersetzen müssen. Daran fehlt es. Zwar ist es grundsätzlich Sache der Fachgerichte, den Sachverhalt zu ermitteln und rechtlich zu würdigen; die Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht ist auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts beschränkt (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; stRspr). Eine solche Verletzung liegt hier jedoch vor. Die Gerichte haben das Vorbringen des Beschwerdeführers einer abschließenden Würdigung in der Art einer Hauptsacheentscheidung unterzogen, ohne naheliegende Einwände zu berücksichtigen und auf die Vorläufigkeit ihrer Würdigung sowie den interimistischen Charakter ihrer Entscheidungen Bedacht zu nehmen, und damit das Gebot effektiven Rechtsschutzes verfehlt.

18

Der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten ist vor allem die Frage, ob die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vor dem Recht auf Achtung des Privatlebens, das Art. 8 Abs. 1 EMRK neben dem Recht auf Achtung des Familienlebens schützt, Bestand haben kann. Die angegriffenen Entscheidungen halten es grundsätzlich für möglich, dass sich ein Ausländer zur Begründung eines Aufenthaltsrechts auf den Schutz des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK berufen kann, stellen jedoch fest, dass die Voraussetzungen, unter denen hieraus ein rechtliches Ausreisehindernis im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG folge oder eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG anzunehmen sei, im Falle des Beschwerdeführers nicht erfüllt seien. Diese Feststellung ist nicht in einer die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes rechtfertigenden Weise begründet. Sowohl das Verwaltungsgericht - durch Inbezugnahme des Bescheids der Ausländerbehörde - als auch das Oberverwaltungsgericht haben einseitig auf die berufliche Integration des Beschwerdeführers abgestellt und damit den Schutzgehalt von Art. 8 Abs. 1 EMRK verkürzt; die Rechtfertigungsprüfung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK lässt eine hinreichende Auseinandersetzung mit den konkreten Lebensverhältnissen des Beschwerdeführers vermissen.

19

aa) Das Recht auf Achtung des Privatlebens umfasst die Summe der persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind (vgl. EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 9. Oktober 2003 - 48321/99 -, Fall Slivenko , EuGRZ 2006, S. 560 <561>) und denen angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (vgl. BVerfGK 11, 153 <159 f.>; BVerwGE 133, 72 <82 f.> m.w.N.). Ein Eingriff in die Rechte aus Art. 8 Abs. 1 EMRK muss nach Art. 8 Abs. 2 EMRK eine in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahme darstellen, die durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und mit Blick auf das verfolgte legitime Ziel auch im engeren Sinne verhältnismäßig ist (vgl. BVerfGK 11, 153 <160> m.w.N.).

20

bb) Hiermit im Einklang steht zwar die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene Maßstabsbildung, wonach zur Herleitung eines Aufenthaltsrechts aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ein durch persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen charakterisiertes Privatleben erforderlich sei, das nur noch im Bundesgebiet geführt werden kann, und dass es hierfür einerseits auf die Integration des Ausländers in Deutschland, andererseits die Möglichkeit zur (Re-)Integration im Staat der Staatsangehörigkeit ankomme. Allerdings wird die konkrete Würdigung der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Umstände zur Verwurzelung in Deutschland und der Entwurzelung hinsichtlich der Türkei dem auf die Erfassung der individuellen Lebensverhältnisse des Ausländers angelegten Prüfprogramm (vgl. BVerfGK 12, 37 <44>; BVerwGE 133, 72 <82 ff.>) nicht gerecht.

21

Die angegriffenen Entscheidungen nehmen keine gewichtende Gesamtbewertung der Lebensumstände des Beschwerdeführers vor (vgl. BVerwGE 133, 72 <84>). Stattdessen stellen sie hinsichtlich des Schutzbereichs von Art. 8 Abs. 1 EMRK einseitig auf die - aus ihrer Sicht fehlenden - wirtschaftlichen Bindungen des Beschwerdeführers an die Bundesrepublik Deutschland ab, indem sie eine misslungene berufliche Integration konstatieren. Die Geburt des Beschwerdeführers in Deutschland sowie das Gewicht des über 18 Jahre andauernden rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet werden nur unzureichend gewürdigt. Der Umstand, dass die gesamte Familie des Beschwerdeführers in Deutschland lebt, und die sonstigen persönlichen Bindungen an die Bundesrepublik Deutschland bleiben gänzlich unberücksichtigt. Nicht in den Blick genommen wird auch das angesichts der bisherigen Straflosigkeit des Beschwerdeführers vergleichsweise geringe Gewicht des die Aufenthaltsbeendigung rechtfertigenden öffentlichen Interesses (vgl. BVerfGK 12, 37 <45>). Im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist das Oberverwaltungsgericht - ebenso wie das Verwaltungsgericht in seinen ergänzenden Hinweisen - dem Fehlen tatsächlicher Verbindungen zur Türkei nicht individuell nachgegangen, obwohl sich in Ansehung der Lebensgeschichte des Beschwerdeführers die Notwendigkeit aufdrängt, die vorgetragene Entwurzelung - insbesondere die fehlenden Kenntnisse der türkischen Sprache und Kultur sowie das Fehlen jeglicher Bezugsperson in der Türkei - aufzuklären. Der Verweis darauf, in angemessener Zeit türkisch lernen und in der Türkei Arbeit finden oder sich jedenfalls in arabisch sprechenden Landesteilen niederlassen und im Tourismusgewerbe bewerben zu können, stützt sich auf globale Erkenntnisse, deren konkrete Bedeutung für den Beschwerdeführer nicht ermittelt worden ist und ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung wohl auch nicht ermittelt werden kann. Entsprechendes gilt für die Behauptung, der ausreisepflichtige Vater könne - jedenfalls nach seiner Haftentlassung - mit dem Beschwerdeführer in die Türkei ausreisen, weil insoweit nicht nur unberücksichtigt geblieben ist, dass die Haftentlassung frühestens im Oktober 2010 möglich war, sondern es auch jeglichen Eingehens auf mögliche konkrete Lebensperspektiven des Vaters und des Beschwerdeführers ermangelt.

22

3. Die angegriffenen Beschlüsse beruhen auf der Grundrechtsverletzung. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte bei hinreichender Berücksichtigung der sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Vorgaben zu einer anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gelangt wären. Die Kammer hebt deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG die angegriffenen Beschlüsse auf und verweist die Sache an das Verwaltungsgericht zurück. Auf das Vorliegen der weiteren gerügten Grundrechtsverstöße kommt es nicht an.

III.

23

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Wertes des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. auch BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt

1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können;
2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen;
3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften;
4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.

(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.

(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung

1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können,
2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und
3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.

(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt

1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können;
2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen;
3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften;
4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.

(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.

(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung

1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können,
2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und
3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.

(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Oktober 2012 - 2 K 2898/09 - wird geändert.

Die Klage gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Ludwigsburg vom 22.12.2006 in der Fassung der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigungen des Landratsamts vom 05.04.2013 sowie vom 31.10.2013 und gegen den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.07.2009 wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im zweiten Rechtszug.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Biogasanlage.
Der Kläger ist Eigentümer der im Außenbereich gelegenen Grundstücke Flst.-Nrn. ... ... ..., H... Weg ... in Sachsenheim, Gemarkung Kleinsachsenheim. Die Grundstücke sind mit einem Wohnhaus und einem Wirtschaftsgebäude bebaut und werden seit 1991 vom Kläger und seiner Familie bewohnt; die frühere gärtnerische Nutzung der Grundstücke wurde im Jahr 1972 aufgegeben. Der Kläger beantragte am 08.05.2009 eine Nutzungsänderungsgenehmigung. In dem diesbezüglich anhängig gewesenen Verwaltungsrechtsstreit (3 S 452/13) verpflichtete sich der Beklagte im Rahmen eines Vergleichs, die Wohnnutzung des Klägers vorbehaltlich einer ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung zu dulden.
Die Beigeladene betreibt auf der gegenüber liegenden Straßenseite auf den südöstlich des Anwesens des Klägers gelegenen Grundstücken FIst.-Nrn. ... ......, H... Weg ..., eine Biogasanlage. Die Entfernung von der Grundstücksgrenze zur Grundstücksgrenze des Klägers beträgt ca. 30 m, die Entfernung zum Wohnhaus ca. 50 m. Als Substrat werden im Wesentlichen nachwachsende Rohstoffe, Gülle sowie Puten- und Pferdemist eingesetzt. Für die Errichtung und den Betrieb der Anlage erteilte das Landratsamt Ludwigsburg am 22.12.2006 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Diese enthält u.a. die Nebenbestimmung, dass die durch die Biogasanlage und durch andere gewerbliche Anlagen verursachten Geruchsimmissionen (Gesamtbelastung) für landwirtschaftliche Anwesen im Außenbereich 0,15 % Jahresgeruchsstunden nicht überschreiten dürfen. Die Biogasanlage wurde im Mai 2007 in Betrieb genommen; in der Folgezeit zeigte die Beigeladene eine Vielzahl von Änderungen an.
Nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren hat der Kläger am 30.07.2009 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, seine schutzwürdige Wohnnutzung in unmittelbarer Nähe zur Biogasanlage sei im Genehmigungsverfahren nicht berücksichtigt worden. Insbesondere werde er unzulässigen Geruchs-, Staub- und Lärmimmissionen ausgesetzt. Der Kläger hat beantragt, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Ludwigsburg vom 22.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.07.2009 aufzuheben. Der Beklagte und die Beigeladene sind der Klage entgegengetreten.
Das Verwaltungsgericht hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2011 Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Dipl.-Ing. Dr. D. zu den Fragen,
- ob der im Genehmigungsbescheid genannte Geruchswert von 0,15 Jahresstunden auf dem Anwesen des Klägers bei Betrieb der streitgegenständlichen Biogasanlage eingehalten werden kann, und
- ob dort die für Staub (PM 10) geltenden Grenzwerte nach der Tabelle 1 zu Nr. 4.2.1 TA Luft und der für Staubniederschlag geltende Grenzwert nach Tabelle 2 zu Nr. 4.3.2 TA Luft eingehalten werden können.
Mit Gutachten vom 27.07.2012 kam der Gutachter zu dem Ergebnis, dass die Irrelevanzschwelle der Jahres-Immissionswerte nach TA Luft für Schwebstaub und Staubniederschlag sowohl nach dem Genehmigungsstand vom 22.12.2006 als auch nach dem derzeitigen Genehmigungstand einschließlich der Lagerung von Puten- und Rindermist sicher unterschritten werde. Bezüglich der Geruchsimmissionen kam der Gutachter auf der Grundlage einer nach der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) erstellten Geruchsimmissionsprognose zu dem Ergebnis, die Geruchswahrnehmungshäufigkeit auf der Beurteilungsfläche für das Wohnhaus des Klägers betrage rund 0,24 Jahresgeruchsstundenanteil. Der festgesetzte Immissionswert von 0,15 für landwirtschaftliche Anwesen im Außenbereich werde daher deutlich überschritten. Dieser Immissionswert könne aber durch ein gasdichtes Verschließen des Gärrestebehälters eingehalten werden; in diesem Fall werde eine Geruchswahrnehmungshäufigkeit von 0,14 ermittelt.
Mit Urteil vom 22.10.2012 hat das Verwaltungsgericht die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Ludwigsburg vom 22.12.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.07.2009 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger werde durch die Errichtung und den Betrieb der Biogasanlage zwar nicht im Hinblick auf Staub, aber im Hinblick auf die Geruchsbelastung schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt. Der Immissionswert von 0,15 sei auf das Grundstück des Klägers anzuwenden; es handele sich um eine drittschützende Nebenbestimmung. Nach der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass der festgesetzte Wert mit der Anlage in der genehmigten Form objektiv nicht einzuhalten sei; hierfür sei eine grundlegende Anlagenänderung erforderlich. Selbst wenn man der Auffassung nicht folge, dass es sich bei dem Immissionswert von 0,15 um eine nachbarschützende Festsetzung handle, sei der Genehmigungsbescheid gleichwohl rechtswidrig, weil dem Kläger Geruchsbelastungen von 0,24 Jahresgeruchsstundenanteil nicht zuzumuten seien.
10 
Mit bestandskräftiger immissionsschutzrechtlicher Anordnung vom 22.11.2012 hat das Landratsamt der Beigeladenen aufgegeben, den Endlagerbehälter zur Lagerung des vergorenen Substrats gasdicht zu verschließen (Nr. 1) und hierfür einen vollständigen immissionsschutzrechtlichen Änderungsantrag beim Landratsamt bis zum 31.12.2012 einzureichen (Nr. 2). Ferner wurde eine Frist zur Abdeckung des Endlagerbehälters bis 30.09.2013 gesetzt. (Nr. 3). Am 05.04.2013 wurde der Beigeladenen die unter dem 30.11.2012/28.02.2013 beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Änderung der bestehenden Biogasanlage durch eine gasdichte Abdeckung des Gärresteendlagers mit einem Doppelmembrangasspeicher erteilt (Nr. I. 1). Die Genehmigung vom 22.12.2006 wird „in Reichweite“ der Änderungsgenehmigung ersetzt (Nr. I.2). Der Kläger hat hiergegen unter dem 15.04.2013 Widerspruch eingelegt, über den soweit ersichtlich noch nicht entschieden ist.
11 
Bereits am 22.02.2013 hat der Kläger beim Verwaltungsgerichtshof einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 22.12.2006 gestellt, in den er am 24.04.2013 seinen Widerspruch gegen die Änderungsgenehmigung vom 05.04.2013 einbezogen hat. Zur Begründung hat er im Wesentlichen eine Beeinträchtigung durch Geruchsimmissionen und Gefährdungen im Brand- und Explosionsfall geltend gemacht. Mit Beschluss vom 03.06.2013 (10 S 393/13) hat der Senat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit der Maßgabe abgelehnt, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung um Nebenbestimmungen zur Umsetzung der Hinweise und Empfehlungen aus der Sicherheitstechnischen Vorprüfung des TÜV Nord vom 10.05.2013 zu ergänzen ist, soweit diese noch nicht Bestandteil der Genehmigung sind. Die Maßgabe wurde mit einer nachträglichen Anordnung des Landratsamts vom 17.07.2013 umgesetzt. Ein Antrag des Klägers nach § 80 Abs. 7 VwGO blieb erfolglos (Senatsbeschluss vom 18.02.2014 - 10 S 1510/13 -).
12 
Am 31.10.2013 erteilte das Landratsamt der Beigeladenen eine weitere immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Änderung des Betriebs der Biogasanlage. Die Änderung besteht im Wesentlichen aus einer Erhöhung der Feuerungswärmeleistung des Blockheizkraftwerks von 1,281 MW auf 1,735 MW, die Erhöhung der eingesetzten Güllemenge von 1.716 t/a auf 3.700 t/a und der Änderung der Nutzung der Vorgruben (Vorgrube 1: Sicker- und Oberflächenwasser; Vorgrube 2: Gülleanlieferung). Der Kläger hat hiergegen unter dem 02.12.2013 Widerspruch eingelegt und beim Verwaltungsgericht Stuttgart die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs beantragt. Mit Beschluss vom 06.03.2014 hat sich das Verwaltungsgericht für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an den Verwaltungsgerichthof verwiesen. Mit Beschluss vom 11.12.2014 hat der Senat den Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt (10 S 473/14).
13 
Bereits mit Beschluss vom 03.06.2013 (10 S 317/13), den Beteiligten zugestellt am 03.06.2013, hat der Senat die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22.10.2012 wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel zugelassen. Der Beklagte und die Beigeladene haben die Berufungen am 02.07.2013 bzw. 01.07.2013 jeweils unter Stellung eines Antrags begründet. Der Kläger ist den Berufungen entgegengetreten und hat mit Schriftsätzen vom 02.09.2013 und vom 14.02.2014 seinen Klagantrag geändert. Er beantragt zuletzt,
14 
die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Ludwigsburg vom 22.12.2006 in der Fassung der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung vom 05.04.2013, der nachträglichen Anordnung vom 17.07.2013 sowie der Änderungsgenehmigung vom 31.10.2013 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.07.2009 aufzuheben.
15 
Zur Begründung der Berufung macht der Beklagte geltend, die Klagänderung sei sachdienlich, die Klage sei aber insgesamt abzuweisen. Mit dem Betrieb der Anlage seien keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Gerüchen verbunden. Es spreche Vieles dafür, dass die Nebenbestimmung, wonach die Geruchsgesamtbelastung bei landwirtschaftlichen Anwesen im Außenbereich den Immissionsrichtwert 0,15 nicht überschreiten dürfe, auf die geduldete Wohnnutzung des Klägers nicht anwendbar sei. Jedenfalls werde durch die Anordnung der gasdichten Abdeckung des Gärrestebehälters als Hauptgeruchsquelle sichergestellt, dass dieser Richtwert auch gegenüber dem Kläger eingehalten und damit die Geruchsbelastung auf ein zumutbares Maß gemindert werde. Die nachträgliche Anordnung vom 20.11.2012, die noch vor Zustellung des Urteils des Verwaltungsgerichts erlassen worden sei, und die Änderungsgenehmigung vom 05.04.2013 seien im Berufungsverfahren zu berücksichtigen. Den sicherheitsrechtlichen Bedenken des Klägers sei hinreichend Rechnung getragen worden. Die Änderungsgenehmigung enthalte zahlreiche sicherheitsrechtliche Nebenbestimmungen, die mit nachträglicher Anordnung vom 17.07.2013 noch entsprechend der Maßgabe im Senatsbeschluss vom 03.06.2013 (10 S 393/13) vor Inbetriebnahme der geänderten Anlage umfangreich ergänzt worden seien. Durch die Anlage entstehe kein Störfallbetrieb; die Mengenschwelle von 10.000 kg hochentzündlichem Gas werde durch die Abdeckung mit einem Doppelmembranspeicher (Innenmembranhöhe von 2 m über Behälterniveau) nicht überschritten. Die von der Beigeladenen vorgelegte Berechnung von Dipl.-Ing. (FH) B., wonach 9.744 kg Biogasmasse Gas in der Anlage vorhanden sei, sei vom Regierungspräsidium Stuttgart im Wesentlichen bestätigt worden. Ungewollt infolge technischer Defekte oder Brand auftretende Stoffe seien nicht „vorhanden“ im Sinne der Störfallverordnung und daher bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen. Bei der eingesetzten Doppelmembranfolie befinde sich entzündliches Gas nur im inneren Kugelsegment, während zwischen den Folien (nicht entzündliche) Stützluft eingeblasen werde; es komme deshalb nicht auf das Volumen der Außenfolie an. Von der Anlage gingen auch keine Brand- und Explosionsgefahren für den Kläger aus. Die Änderungsgenehmigung vom 05.04.2013 enthalte umfangreiche Nebenbestimmungen zum Brand- und Explosionsschutz. Darin sei u.a. eine sicherheitstechnische Prüfung durch einen Sachverständigen nach § 29a BImSchG vor Inbetriebnahme des Gärresteendlagers vorgeschrieben worden, in der auch die Unterschreitung der Mengenschwelle der Störfall-Verordnung zu prüfen sei. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sei eine sicherheitstechnische Vorprüfung des TÜV Nord vom 10.05.2013 vorgelegt worden. Die Umsetzung der darin angeführten Hinweise und Empfehlungen sei der Beigeladenen aufgegeben worden. Die Bedenken des Klägers gegen die Dichtheitsprüfung seien nicht nachvollziehbar; eine solche habe stattgefunden und keine gravierenden Mängel ergeben. Das vom Kläger vorgelegte Gutachten zur Umgebungsgefährdung durch toxische Gasausbreitung vom 19.06.2014 (Dipl.-Ing. S.) beruhe auf der unzutreffenden Annahme eines Störfallbetriebs. Die Störfallverordnung und die störfallrechtlichen Regelungen des § 50 BImSchG sowie Abstandsempfehlungen des Leitfadens KAS-18 seien vorliegend nicht anwendbar. Es bestünden auch Bedenken gegen die vom Gutachter verwendeten Antragsunterlagen und Eingangsdaten. Die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2012 habe ebenfalls einen störfallrechtlichen Hintergrund; im Übrigen verkenne der Kläger, dass er nicht in einem Wohngebiet wohne und eine Legalisierung seiner Wohnnutzung im Außenbereich fehle. Die toxische Gefährdung durch Schwefelwasserstoff sei in der Einzelfallbetrachtung des TÜV Nord vom 16.08.2013 plausibel bewertet worden. Die Annahme von 100 ppm Schwefelwasserstoff im Rohbiogas liege im Hinblick auf die konkrete Anlage und die durchgeführten Messungen auf der sicheren Seite. Die wasserwirtschaftlichen Anforderungen an die Anlage seien durch eine sachverständige Stelle am 31.05.2007 überprüft und nicht beanstandet worden. Es treffe allerdings zu, dass die unterirdischen Rohrleitungen entgegen § 12 VAwS nicht doppelwandig ausgeführt worden seien. Der Beigeladenen sei insoweit aber am 12.08.2014 eine Ausnahmegenehmigung nach § 7 Abs. 2 VAwS erteilt worden. Die vom Gutachter Dipl.-Ing. P. geforderte Rissbreitenbeschränkung auf 0,2 mm - gegenüber den in der Genehmigung festgesetzten 0,3 mm - beruhe auf einem Merkblatt des Umweltministeriums aus dem Jahr 2008 (JGS-Merkblatt), das im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung noch nicht in Kraft gewesen sei. Im Übrigen sei nachgewiesen, dass die Beigeladene strengere Werte umgesetzt habe, als in der Genehmigung festgesetzt worden sei (0,15 mm im Fermenterboden, 0,20 mm im Gärrestelagerbehälter). Die vom Gutachter geforderte wasserdichte Abdeckung des Umschlagplatzes liege vor, weil dieser der in Stahlbeton ausgeführten Decke der Vorgrube entspreche. Eine Aufkantung werde in den in Baden-Württemberg gültigen Regelwerken nicht verlangt. Die Anlage unterliege auch keiner regelmäßigen 5-jährlichen Prüfpflicht; die 12-jährliche Prüfpflicht in der Auflage G 3 entspreche dem bei der Erteilung der Genehmigung geltenden technischen Regelwerk. Eine Umwallung der Anlage werden derzeit in keinem in Baden-Württemberg geltenden Regelwerk gefordert und sei noch nicht Stand der Technik. Die Pumpanlage sei gegen unbefugte Inbetriebnahme Dritter nachgerüstet worden. Die robuste Stahlbetonwandung und die verkehrstechnische örtliche Situation böten ausreichende Gewähr dafür, dass es zu keiner plötzlichen Substratentleerung komme. Die Anlage sei mittlerweile zudem mit einem ausreichenden Anfahrschutz und einem Zaun gegen unbefugtes Betreten ausgerüstet. Die Standsicherheit des abgedeckten Gärrestebehälters sei von dem anerkannten Prüfingenieur für Baustatik Dr. F. geprüft und bestätigt worden. Werde die darin vorgegebene maximale Schneelast von 30 kg/m² überschritten, sei die Beigeladene zur Schneeräumung verpflichtet. Das Räumkonzept der Beigeladenen sei vor Ort auf seine Funktionstüchtigkeit hin überprüft worden. Der Beigeladenen sei aufgegeben worden, die Beseitigung der bei der Bauabnahme durch die Sicherheitstechnische Prüfung des TÜV Nord vom 29.11.2013 festgestellten geringen Mängel nachzuweisen.
16 
Der Beklagte beantragt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22.10.2012 zu ändern und die Klage gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Ludwigsburg vom 22.12.2006 in der Fassung der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigungen vom 05.04.2013 sowie vom 31.10.2013 und gegen den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.07.2009 abzuweisen.
18 
Die Beigeladene trägt zur Begründung der Berufung vor, die Klagänderung werde als sachdienlich angesehen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts leide an erheblichen Verfahrensfehlern, weil das Gericht die bereits absehbare Heilung der Genehmigung im Hinblick auf die Geruchsbelastung verkannt habe, keine Spruchreife herbeigeführt und ihren Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung fehlerhaft abgelehnt habe. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aber auch deshalb zu ändern, weil die für das Urteil tragende Geruchsbelästigung dauerhaft beseitigt worden sei und die sicherheitstechnischen Bedenken des Klägers nicht durchgriffen. Aufgrund der mit Änderungsgenehmigung vom 05.04.2013 angeordneten gasdichten Abdeckung des Gärrestebehälters werde der in der Genehmigung festgesetzte Jahresimmissionsrichtwert von 0,15 Jahresgeruchsstunden eingehalten, Dies ergebe sich nicht nur aus dem vom Verwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. D., sondern auch aus einem Geruchsgutachten der SFI-Sachverständigen für Immissionsschutz vom 13.03.2013, das im Zusammenhang mit einem vorsorglich gestellten Antrag auf Neugenehmigung vorgelegt worden sei. Dieses Gutachten berücksichtige die gasdichte Abdeckung sowie die Erhöhung der jährlichen Güllemenge auf 3.700 t. Gegenüber der um ein Vielfaches höheren Emissionsfracht des bislang offenen Gärrestebehälters führe die Verdoppelung der Gülleanlieferung bei einer Gesamtbetrachtung zu keiner wesentlichen Erhöhung der Geruchsbelastung, zumal gleichzeitig die dem Kläger gegenüberliegende Vorgrube 1 nicht mehr als Einlass für Gülle verwendet werde. Das Gutachten berücksichtige auch das auf der Waschplatte anfallende Oberflächenwasser von ca. 60 m³; die vom Kläger angenommene Wassermenge von 800 m³ sei weit überhöht. Die umfangreichen Anforderungen an den baulichen, organisatorischen und abwehrenden Brandschutz sowie an ein Explosionsschutzkonzept in der Sicherheitstechnischen Stellungnahme der proTerra GmbH vom 28.02.2013 seien zum Gegenstand der Genehmigung gemacht worden. Nach den zahlreichen sicherheitstechnischen Stellungnahmen der proTerra GmbH, des TÜV Nord und des Regierungspräsidiums Stuttgart unterliege die Anlage nicht dem Störfallrecht. Gleichwohl sei eine sicherheitstechnische Vorprüfung sowie eine Auswirkungsbetrachtung für sog. Dennoch-Störfälle veranlasst worden. Der TÜV Nord sei in seiner Stellungnahme vom 10.05.2013 zu dem Ergebnis gelangt, dass unter Beachtung der Hinweise und Empfehlungen für eine höhere Anlagensicherheit keine Gefährdung des Klägers oder der Personals vorliege. Diese Hinweise und Empfehlungen seien umgesetzt worden. Die Änderungen an der Anlage entsprächen dem Stand der Technik. Eine Havarie sei nicht zu befürchten; der Gärrestebehälter sei eine massive Stahlbeton-Konstruktion. Die Statik sei geprüft worden. Ein früherer Vorfall mit auslaufender Gülle beruhe auf einer unbefugten Manipulation der Pumpe, was durch eine technische Nachrüstung nunmehr ausgeschlossen sei. Schließlich seien ein Zaun und ein Rammschutz angebracht worden. Eine toxische Gefährdung durch Schwefelwasserstoff sei nicht zu befürchten. Die regelmäßigen Messungen an der Anlage ergäben infolge der biologischen Entschwefelung sehr günstige Werte zwischen 8 und 30 ppm. Vor der Inbetriebnahme des Gärrestelagers sei vom Errichter, bei der Endabnahme vom TÜV Nord jeweils eine unmittelbare Dichtheitsprüfung durchgeführt worden. Mit Ausnahme eines unbedenklichen Gasaustritts am Schlauch der Eintrittsöffnung für die Stützluft im Nachgärer seien keine Undichtigkeiten festgestellt worden. Die vom Gutachter des Klägers Dipl.-Phys. S. vorgelegte Betrachtung für extrem unwahrscheinliche Dennoch-Störfälle könne nicht zur Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen für eine Anlage führen, die dem Stand der Technik entspreche und kein Störfallbetrieb sei. Im Übrigen lege der Gutachter S. ohne Detailkenntnisse allgemeine Parameter für Schwefelwasserstoffkonzentrationen zugrunde, die in der konkreten Anlage nicht aufträten. Selbst nach diesem Gutachten ergebe sich aber eine Gefährdung des Klägers nur bei einer völlig exzeptionellen Gas-/Leckage-Kombination. Durch die in dem Gutachten Dipl.-Ing. P. dargestellten angeblichen Verstöße werde der Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt; es gehe vorwiegend um den Schutz des Grundwassers. Eine Umwallung könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht verlangt werden. Im Übrigen werde auf das Vorbringen in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Bezug genommen.
19 
Die Beigeladene beantragt,
20 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22.10.2012 zu ändern und die Klage gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Ludwigsburg vom 22.12.2006 in der Fassung der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigungen vom 05.04.2013 sowie vom 31.10.2013 und gegen den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.07.2009 abzuweisen.
21 
Der Kläger beantragt,
22 
die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zurückzuweisen.
23 
Er trägt vor, das Urteil des Verwaltungsgerichts leide weder an verfahrensrechtlichen noch an inhaltlichen Fehlern. Der Charakter der Anlage werde insgesamt so verändert, dass die Erteilung von Änderungsgenehmigungen unzulässig sei. Aufgrund der Erhöhung der Güllemenge sei zu befürchten, dass er auch in Zukunft unzumutbaren Geruchsbelastungen ausgesetzt werde; das Geruchsgutachten Dr. D. sei nicht mehr aussagekräftig. Das mit dem Änderungsgenehmigungsantrag vorgelegte Geruchsgutachten der SFI vom 13.03.2013 gehe von falschen Voraussetzungen hinsichtlich der Windverteilung aus. Außerdem werde die Menge des Waschwassers nicht ausreichend berücksichtigt. Der Ausstoß von Bioaerosolen und Formaldehyd werde nicht hinreichend berücksichtigt. Seine sicherheitstechnischen Belange würden nur zögerlich und unzureichend geprüft; es fehle insbesondere an einer standortbezogenen Betrachtung der Gefahren durch Auslaufen des Gärrestelagers sowie durch Brand und Explosion. Es liege auf der Hand, dass ein Gas-Lager mit fast 10.000 kg hochentzündlichem Gas in nur 50 m Entfernung von einer Wohnnutzung nicht zulässig sein könne. Um sein tiefer gelegenes Grundstück vor auslaufender Gülle zu schützen, sei eine Umwallung zwingend notwendig. Dies sei seit langem Stand der Technik; in der Vergangenheit sei es massenhaft zu einem Teilversagen der Behälter durch Materialermüdung, Explosionen oder Ausführungsfehler gekommen, wie durch eine Untersuchung von Dr. K. nachgewiesen worden sei. Daher sei es unverständlich, dass der TÜV Nord - entgegen früherer Gutachten für andere Anlagen - vorliegend keine Umwallung fordere. Es fehlten ein Anfahrschutz, insbesondere für den Galgen, ein Blitzschutz und ein Schutz gegen das Eindringen Unbefugter. Die Statik sei mangelhaft, weil das ursprünglich offene Endlager nicht auf die höheren Armierungsanforderungen durch das Tragluftdach ausgerichtet sei. Die Gefährdung der Statik und der Dichtheit durch Schneelast und andere Wettereinflüsse sei nicht hinreichend geprüft worden. Die Anlage verfüge weder über eine Heizeinrichtung noch über eine Vorrichtung zur mechanischen Schneeräumung. Das Räumkonzept der Beigeladenen sei nicht belastbar. Die leicht zu beschädigenden Gashauben entsprächen nicht dem Stand der Technik und würden bei Kläranlagen nicht mehr verwendet. Der Brandschutz sei mangelhaft. Die Annahme des TÜV Nord, dass er trotz eines AEGL-Wertes 2 keinen schwerwiegenden Wirkungen im Explosions- oder Brandfall ausgesetzt sei, sei nicht nachvollziehbar. Die vom TÜV Nord angenommene Evakuierungszeit von 10 Minuten sei nicht realistisch, da das Endlager von seinem Wohngebäude, insbesondere zur Schlafenszeit, nicht eingesehen werden könne sei. Die Bildung weiterer Schadgase wie Kohlenmonoxid und Dioxin durch den Abbrand der PVC-Folie sei nicht berücksichtigt worden. Die erforderlichen Sicherheitsabstände, insbesondere der Sicherheitsabstand zur Straße von mindestens 6 m sei nicht eingehalten; dieser sei nach dem Wortlaut von Ziffer 2.4.1 der einschlägigen TI 4 drittschützend. Auch der Abstand zwischen Transformator und Gasspeicher sei nicht ausreichend. In der Sache sei es unerheblich, ob ein Störfallbetrieb vorliege oder nicht; die Anlage habe im Vergleich zur Mengenschwelle lediglich einen um ca. 2,5 % niedrigeren Biogasgehalt, so dass ein hohes Störpotenzial vorliege. Die Einzelfallbetrachtung des TÜV Nord vom 16.08.2013 sei mangelhaft. Die mittelbare Gefährdung durch Glasbruch und Splitter sei nicht betrachtet worden. Es sei unerfindlich, warum der Gutachter von fehlender Explosionsgefahr ausgehe; die Ausführungen hierzu seien nicht plausibel. Maßgeblich sei nicht die Zündwilligkeit, sondern die Zündfähigkeit der Atmosphäre. Letztlich komme aber auch die Einzelfallbetrachtung zu dem Ergebnis, dass sein Grundstück innerhalb der Grenzkonzentrationen für Brand- und toxische Risiken liege. Die von ihm in Auftrag gegebene Störfallbetrachtung durch Dr. H. komme zu besorgniserregenden Ergebnissen. Durch die Verdoppelung der Güllemenge, die bei der Einzelfallbetrachtung des TÜV Nord vom 16.08.2013 noch nicht berücksichtigt worden sei, werde der Gehalt an hochgiftigem Schwefelwasserstoff im Biogas erheblich erhöht. Der Gutachter Dipl.-Phys. S. komme zu dem Ergebnis, dass für die Bewohner des benachbarten Grundstücks ein konkrete Gefährdung durch Schwefelwasserstoff bestehe und die Anlage sofort stillzulegen sei, wenn nicht im Einzelnen benannte Maßnahme durchgeführt würden. Die vorgeschriebene Prüfung der technischen Dichtheit des Gaslagerbehälters sei nicht erfolgt, weil aufgrund der Konstruktion des Membrandachs weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Dichtheitsprüfung erfolgen könne. Bei der Sicherheitstechnischen Prüfung des TÜV Nord vom 29.11.2013 sei ein Gasaustritt festgestellt worden. Der Gutachter Dipl.-Ing. P. komme zu dem Ergebnis, das die einwandigen unterirdischen Rohrleitungen derzeit unzulässig seien, die Rissbreitenbeschränkung in der Genehmigung fehlerhaft sei, die Dichtheitsprüfung der Behälter nicht regelkonform verfügt worden sei und ein Anfahrschutz sowie eine Umwallung unabdingbar seien. Im Übrigen werde auf das Vorbringen in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Bezug genommen.
24 
Der Senat hat die Gutachter Dipl.-Ing. D., Dipl.-Ing. Z., beide TÜV Nord, Dipl.-Phys. S., Dipl.-Ing. P. und Dr. K., in der mündlichen Verhandlung angehört. Auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 12.03.2015 wird Bezug genommen.
25 
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte die aus der Anlage zur Sitzungsniederschrift ersichtlichen Beweisanträge, die in der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2015 abgelehnt wurden.
26 
Dem Senat liegen die einschlägigen Verwaltungsakten, die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart und die Gerichtsakten in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
27 
Der am 02.04.2015 bei Gericht eingegangene Antrag des Klägers auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO) bleibt ohne Erfolg. Eine Wiedereröffnung ist nur bis zum Erlass der die Instanz abschließenden Entscheidung möglich. Der mit den Unterschriften der Mitglieder des erkennenden Senats versehene Tenor des Urteils ist der Geschäftsstelle am 13.03.2015 übergeben und den Beteiligten am 16.03.2015 per Telefax übermittelt worden ist. Damit war das Urteil wirksam und für den Senat bindend (vgl. Stuhlfauth, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 116 Rn. 10). Der Senat war zur Niederlegung und Bekanntgabe des Tenors zu diesem Zeitpunkt auch berechtigt; eine Schriftsatzfrist ist dem Kläger nicht eingeräumt und von ihm auch nicht beantragt worden. Im Übrigen besteht auch in der Sache kein Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (dazu unten 2.2.2.1.2 ).
28 
Die hilfsweise beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das Urteil des Senats nicht rechtskräftig ist (§ 153 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen ist auch kein Restitutionsgrund ersichtlich.
29 
Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen sind nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere fristgerecht und unter Stellung eines Antrags begründet worden (§ 124 Abs. 6 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die Berufungen sind auch begründet. Die Klage ist zwar zulässig (dazu I.), aber unbegründet (dazu II.). Die Klage ist daher unter Änderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts insgesamt abzuweisen.
30 
I. Zulässigkeit der Klage
31 
Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für die gemäß § 125 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 91 VwGO auch noch im Berufungsverfahren statthafte Klagänderung. Die Klagänderung ist nach § 91 Abs. 1 VwGO zulässig, weil die übrigen Beteiligten eingewilligt haben. Sie ist darüber hinaus aus prozessökonomischen Gründen sachdienlich. Die geänderte Klage erfüllt alle Sachurteilsvoraussetzungen. Zwar kann eine Klagänderung nach bislang überwiegender Auffassung durch den obsiegenden Kläger in der Berufungsinstanz nur im Wege einer Anschlussberufung nach § 117 VwGO erfolgen. Das Bundesverwaltungsgericht hat aber in jüngster Zeit offen gelassen, ob die Annahme zutrifft, dass eine Klageänderung i.S.v. § 91 VwGO im Berufungsverfahren nach einem stattgebenden Urteil erster Instanz nur im Wege einer rechtzeitig eingelegten Anschlussberufung nach § 127 VwGO vorgenommen werden kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 23.09.2010 - 7 C 20/09 - juris; sowie vom 04.12.2014 - 4 C 33.13 - juris). Nach Auffassung des Senats ist zumindest in der vorliegenden Fallkonstellation keine Anschlussberufung erforderlich, weil der Beklagte den in erster Instanz angefochtenen Verwaltungsakt während des Berufungsverfahrens modifiziert und teilweise ersetzt hat. Das Gebot der Waffengleichheit und Billigkeit gebietet es daher, dem Kläger die prozessuale Möglichkeit einer Konkretisierung seines Klagantrags im Hinblick auf die aktuelle Fassung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung einzuräumen, ohne an die Form- und Fristerfordernisse einer Anschlussberufung nach § 127 VwGO gebunden zu sein. Sofern auch in solchen Fällen eine Klagänderung nur im Wege einer Anschlussberufung erfolgen kann, hat der Kläger diese jedenfalls mit Schriftsätzen vom 02.09.2013 und 14.02.2014 eingelegt. Er hat damit eindeutig erkennen lassen, dass er über die Zurückweisung der Berufungen hinaus eine Einbeziehung der Änderungsgenehmigungen in das Berufungsverfahren anstrebt. Die Anschlussberufung muss nicht ausdrücklich als solche bezeichnet sein (BVerwG, Urteil vom 23.09.2010 - 7 C 20/09 - a.a.O. m.w.N.). Der Kläger konnte im September 2013 und im Februar 2014 auch noch in zulässiger Weise Anschlussberufung einlegen. Die Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO wurde nicht in Lauf gesetzt, weil die Berufungsbegründungsschrift des Beklagten dem Kläger nicht zugestellt worden ist (§ 57 Abs. 1 VwGO). Die Berufungsbegründungschrift der Beigeladenen wurde dem Kläger zwar am 04.07.2013 zugestellt. Die Befristung kann aber nicht für Anschließungen gelten, mit denen auf während des Berufungsverfahrens vorgenommene Prozesshandlungen des Berufungsklägers reagiert wird (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 127 Rn. 14); dies muss erst recht gelten, wenn der Streitstoff durch den Berufungskläger zu Lasten des ursprünglich obsiegenden Klägers verändert wird. Die Beigeladene hat mit - nicht zugestelltem - Schriftsatz vom 31.07.2013 auf das Berufungsvorbringen der Beklagten Bezug genommen und sich damit ein weiteres rechtserhebliches Vorbringen zu eigen gemacht. Auch der Beklagte hat seine Berufungsbegründung durch zusätzlichen rechtserheblichen Vortrag ergänzt, indem er sich mit einem - nicht zugestellten - Schriftsatz vom 30.07.2013 auf die nachträgliche Anordnung vom 17.07.2013 zur Ergänzung der Nebenbestimmungen der Änderungsgenehmigung vom 05.04.2013 berufen hat. Außerdem hat die Beigeladene im Juli 2013 eine weitere immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung beantragt, die von dem Beklagten am 31.10.2013 erteilt wurde und mit der die ursprüngliche Genehmigung erheblich modifiziert wurde. Die zuletzt genannte Genehmigung war Gegenstand der Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 10 S 1510/13 und 10 S 473/14 und wurde von den Beteiligten auch im Berufungsverfahren erörtert; eine Zustellung der diesbezüglichen Schriftsätze ist im Berufungsverfahren nicht erfolgt. Im Hinblick auf diese veränderte Sach- und Rechtslage muss eine Anschließung nach dem Grundsatz der Waffengleichheit noch zulässig sein. Fristen wurden insoweit nicht in Lauf gesetzt.
32 
II. Begründetheit der Klage
33 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Ludwigsburg vom 22.12.2006 in der Fassung der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigungen vom 05.04.2013 und vom 31.10.2013 sowie der nachträglichen Anordnung vom 17.07.2013 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.07.2009 verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
34 
Wie der Senat in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bereits ausgeführt hat, findet in einem von einem Dritten angestrengten Rechtsbehelfsverfahren eine objektive Rechtskontrolle nicht statt. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist bei der Anfechtungsklage eines Dritten vielmehr allein die Frage, ob der das Verfahren betreibende Dritte in eigenen subjektiven Rechten im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt wird. Ob der angefochtene Bescheid insgesamt objektiv rechtmäßig ist, ist insofern nicht maßgeblich. Vielmehr ist die Genehmigung allein daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz des um Rechtsschutz nachsuchenden Dritten dienen (st. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 6.10.1989 - 4 C 14.87 - BVerwGE 82, 343).
35 
Rechtsgrundlage für die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Ludwigsburg vom 22.12.2006 in der Fassung der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigungen ist § 6 Abs. 1 i.V.m. § 16 BlmSchG. Danach ist die erforderliche Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden (Nr. 1) und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen (Nr. 2). Der Anlagenbetreiber hat nach § 6 Abs. 1 BImSchG einen Rechtsanspruch auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, sofern die formellen und materiellen Voraussetzungen vorliegen. Lassen sich Genehmigungshindernisse durch Nebenbestimmungen ausräumen, ist die Genehmigung mit diesen Nebenbestimmungen zu erteilen (Jarass, BImSchG, Kommentar, 10. Auflage, § 6 Rn. 42).
36 
1. Verfahrensrecht
37 
Die Genehmigung begegnet keinen durchgreifenden verfahrensrechtlichen Bedenken. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, es hätte eine Neugenehmigung der Anlage erfolgen müssen, weil sich der Gesamtcharakter der Anlage grundlegend verändere. Eine Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte des Klägers ist insoweit nicht ersichtlich. Eine Änderungsgenehmigung unterliegt grundsätzlich den gleichen rechtlichen Voraussetzungen wie eine Erstgenehmigung; insbesondere muss die geänderte Anlage den Anforderungen des § 6 Abs. 1 BlmSchG entsprechen (Jarass, BImSchG, a.a.O., § 16 Rn. 35). Eine Öffentlichkeitsbeteiligung wäre auch im Falle einer vollständigen Neugenehmigung der Anlage nicht erforderlich gewesen, weil diese im vereinfachten Verfahren nach § 19 BlmSchG i.V.m. § 2 Satz 1 Nr. 2, Anhang 1 Nr. 1.2.2.2 Spalte c, Nr. 8.6.3.2 Spalte c 4. BlmSchV i.d.F. vom 02.05.2013 (früher Nr. 1.4 Spalte 2 Buchst. b) aa); Nr. 8.6 Spalte 2 Buchst. b)) durchgeführt wird. Der Kläger erleidet daher durch die Erteilung der Änderungsgenehmigung anstelle einer Neugenehmigung keinen Rechtsnachteil (vgl. im Einzelnen den im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Senatsbeschluss vom 11.12.2014 - 10 S 473/14 - juris).
38 
2. Materielles Recht
39 
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlmSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese Bestimmung ist für Nachbarn drittschützend (st. Rspr., vgl. etwa Senatsurteil vom 20.07.2011 - 10 S 2102/09 - juris; OVG NRW, Urteil vom 09.12.2009 - 8 D 6/08.AK - juris). Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass dies nicht nur für den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, sondern auch für die Abwehr sonstiger Einwirkungen im Sinne der 2. Alternative des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlmSchG gilt. Die Erfüllung der Grundpflichten des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG muss für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme sowie für die Dauer des Betriebs sichergestellt sein. Diese Bestimmung hat aber nicht die Bedeutung, dass jedes nur denkbare Risiko der Herbeiführung von schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren ausgeschlossen sein muss. Vielmehr müssen Risiken, die als solche erkannt sind, nach den konkreten Umständen des Falles mit hinreichender, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein (grundlegend BVerwG, Urteil vom 17.02.1978 - I C 102/76 - BVerwGE 55, 250; vgl. auch Jarass a.a.O. § 3 BlmSchG Rn. 39). Nach überwiegender Auffassung muss eine konkrete Gefährlichkeit bestehen; eine abstrakte Störqualität genügt nicht (Jarass a.a.O. § 3 BImSchG Rn. 39). Mithin genügt die bloße Eignung von Einwirkungen, einen Schaden herbeizuführen, nicht, um Schutz- und Abwehransprüche nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu begründen. Die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht greift als Instrument der Gefahrenabwehr vielmehr nur ein, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.11.2014 - 7 B 27.14 - juris; Jarass a.a.O. § 6 Rn. 11 m.w.N.). Je schwerwiegender die zu befürchtenden Schäden sind, desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit zu stellen; umgekehrt muss die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts desto höher sein, je geringer die Schadensfolgen sind (Jarass a.a.O. § 3 Rn. 43 m.w.N.). Nach Durchführung der erforderlichen Amtsaufklärung verbleibende Unsicherheiten lassen sich eventuell durch geeignete Nebenbestimmungen kompensieren (Jarass a.a.O. § 6 Rn. 11 f.; § 12 Rn. 8).
40 
Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlmSchG sind nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 BlmSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Welche Beeinträchtigungen dabei als erheblich einzustufen sind, bemisst sich danach, was die Betroffenen an Immissionen nicht mehr hinzunehmen brauchen, weil sie unzumutbar sind (Jarass a.a.O. § 3 Rn. 47 m.w.N.). Den normkonkretisierenden technischen Regelwerken der TA Luft und der TA Lärm kommt, soweit sie den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Hinblick auf Staub und Lärm konkretisieren, im Rahmen ihres Anwendungsbereichs eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu (st. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29.08.2007 - 4 C 2/07 - juris m.w.N.).
41 
Es ist nicht abschließend geklärt, ob schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 1. Alternative BlmSchG nur diejenigen Immissionen sind, die im Normalbetrieb der Anlage entstehen, oder auch diejenigen, die durch Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs oder durch extern ausgelöste Gefahren verursacht werden (so Jarass a.a.O. § 5 Rn. 12 f. Rn. 24; differenzierend Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand August 2013, § 5 BlmSchG Rn. 96). Durch Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs oder externe Gefahren hervorgerufene negative Einwirkungen sind aber zumindest den sonstigen Gefahren im Sinne des 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2. Alternative BlmSchG zuzuordnen. Hierzu gehören insbesondere auch Explosions- und Brandgefahren sowie die Gefahr von Flüssigkeitsaustritt oder Überflutungen (Jarass a.a.O. § 5 Rn. 27 f.).
42 
2.1. Schädliche Umwelteinwirkungen bei bestimmungsgemäßem Betrieb
43 
Die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung stellt in ihrer gegenwärtigen Fassung hinreichend sicher, dass durch den Anlagenbetrieb keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Staub, Lärm, Gerüche, Bioaerosole und Formaldehyd hervorgerufen werden.
44 
Die Beigeladene hat mit den Antragsunterlagen zur Änderungsgenehmigung vom 31.10.2013 drei Gutachten der SFI - Sachverständige für Immissionsschutz - (Dipl.-Phys. L.) vorgelegt, wonach auch nach der Erhöhung der Güllemenge keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Staub, Lärm und Gerüche von der Anlage ausgehen. Gegen die Verwertbarkeit dieser Gutachten im vorliegenden Verfahren spricht nicht, dass die Gutachten im Zusammenhang mit einem Antrag der Beigeladenen vom 15.03.2013 auf Erteilung einer Neugenehmigung der Anlage erstellt worden sind, der vorsorglich für den Fall der Aufhebung der Erstgenehmigung gestellt und mittlerweile zurückgezogen wurde. Denn der Neuantrag entsprach im Wesentlichen dem Zustand, den die Anlage nach Erteilung der 2. Änderungsgenehmigung vom 31.10.2013 hat, insbesondere ist die Substratmenge einschließlich des erhöhten Gülleumsatzes identisch. Das Ergebnis der Gutachten wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Abstand zwischen dem Wohnhaus des Klägers und der umstrittenen Anlage mit ca. 70 m angenommen wird, wohingegen der Abstand nach Aktenlage lediglich ca. 50 m beträgt. Ungeachtet dessen, dass diese Abweichung darauf beruhen dürfte, dass entweder vom Mittelpunkt oder vom Rand des Gärrestebehälters gemessen wird, hat die genannte Entfernungsangabe keinen Eingang in die Immissionsprognosen gefunden. Diese beruhen vielmehr auf maßstäblich skalierten topographischen Rasterkarten mit integriertem Lageplan, in dem die betroffenen Anlagen zutreffend wiedergegeben werden (vgl. auch Stellungnahme der SFI vom 11.03.2015). Im Einzelnen:
45 
2.1.1 Staub
46 
Nach Nr. 4.3.1 TA Luft ist der Schutz vor erheblichen Belästigungen oder erheblichen Nachteilen durch Staubniederschlag sichergestellt, wenn die nach Nr. 4.7 ermittelte Gesamtbelastung den Immissionswert von 0,35 g/(m 2.d) im Jahresmittel nicht übersteigt. Nach Nr. 4.3.2 Buchst. b) TA Luft darf die Genehmigung auch bei einer Überschreitung nicht versagt werden, wenn die Kenngröße für die Zusatzbelastung durch die Emissionen der Anlage an diesem Beurteilungspunkt einen Wert von 10,5 mg/ (m2.d) im Jahresmittel nicht überschreitet. Nach dem von der Beigeladenem vorgelegten Gutachten der SFI - Sachverständige für Immissionsschutz - (Dipl.-Phys. L.) vom 02.05.2013 zu „Staubimmissionen im Umfeld der Biogasanlage am Standort K." beträgt die Kenngröße für die Zusatzbelastung weniger als 10,5 mg/ (m2.d). Nach den Ausbreitungsradien liegt der Immissionsort Wohnhaus H. Weg Nr. ... (Wohnhaus des Klägers) nur zu einem geringen Teil im untersten Bereich einer Zusatzbelastung durch Staubdeposition (0,0050 bis 0,0105 g/(m2.d), überwiegend aber außerhalb des Einflussbereichs der Anlage.
47 
Im Hinblick auf die Schwebstaubbelastung nimmt das Gutachten unter Zugrundelegung eines zutreffenden Lageplans eine Überschreitung des Irrelevanzwerts an. Darauf basierend berechnet das Gutachten die Gesamtbelastung unter Berücksichtigung der Hintergrundbelastung nach den Messwerten der LUBW und gelangt zu dem Ergebnis, dass sowohl der Jahresimmissionswert von 40 pg/m2 als auch der Tagesmittelwert von 50 pg/m2 mit 35 zulässigen Überschreitungen (vgl. Nr. 4.2.1 TA Luft Tabelle 1) eingehalten werden.
48 
Substantiierte Einwendungen des Klägers gegen das Gutachten wurden nicht erhoben. Das Gutachten stimmt zudem im Ergebnis mit dem vom Verwaltungsgericht eingeholten Gutachten Dr. D. vom 27.07.2012 überein, wonach - allerdings nach damaligem Genehmigungsstand - von der Anlage keine erheblichen Beeinträchtigungen durch Schwebstaub oder Staubdeposition ausgehen.
49 
2.1.2. Lärm
50 
Der Kläger wird keinen unzumutbaren Lärmimmissionen ausgesetzt.
51 
Wie der Senat bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 10 S 393/13 ausgeführt hat, genießt eine Wohnnutzung im Außenbereich nicht den Schutz der Wohnbebauung in dafür ausgewiesenen Baugebieten nach §§ 3 und 4 BauNVO. Angesichts dessen, dass die Eigentümer von Wohngebäuden im Außenbereich stets damit rechnen müssen, dass sich in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft privilegierte Nutzungen, sowohl land- oder forstwirtschaftlicher als auch gewerblicher Art, ansiedeln, die z.B. in einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig wären, können für eine Wohnnutzung im Außenbereich allenfalls die Schutzmaßstäbe in Anspruch genommen werden, die auch für andere gemischt nutzbare Bereiche einschlägig sind, mithin die für Kern-, Dorf- und Mischgebiete gelten (st. Rspr., vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 31.08.1995 - 8 S 1819/95 - BRS 57 Nr. 105, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.05.2006 - 7 ME 6/06 - juris; OVG NRW, Urteil vom 25.03.2009 - 7 D 129/07.NE - juris; BayVGH, Beschluss vom 05.10.2011 - 15 CS 11.1858 - juris). Nach Nr. 6.1 TA Lärm betragen die Immissionsrichtwerte für den Beurteilungspegel für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in Kerngebieten, Dorfgebieten und Mischgebieten tags 60 dB(A) und nachts 45 dB(A). Nach der Schallimmissionsprognose der SFI (Dipl.-Phys. L.) vom 20.03.2013 werden diese Immissionsrichtwerte am Wohnhaus des Klägers als nächstgelegenem Immissionsort tagsüber um 6 dB(A) und nachts um 8 dB(A) unterschritten. Durchgreifende Bedenken gegen die Plausibilität und Verwertbarkeit des genannten Gutachtens sind nicht ersichtlich und werden auch vom Kläger nicht geltend gemacht.
52 
2.1.3 Gerüche
53 
Der Betrieb der umstrittenen Anlage führt auch nicht zu unzumutbaren Geruchsbelästigungen des Klägers.
54 
In der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 22.12.2006 wird der Immissionsrichtwert für die durch die Biogasanlage und durch andere gewerbliche Anlagen verursachten Geruchsimmissionen (Gesamtbelastung) für landwirtschaftliche Anwesen im Außenbereich auf 0,15 (relative Häufigkeiten von Geruchsstunden) festgesetzt. Gegen diese Festsetzung bestehen keine inhaltlichen Bedenken, denn sie entspricht dem Immissionsrichtwert, den die Geruchsimmissions-Richtlinie in der Fassung vom 29.02.2008 und der Ergänzung vom 10.09.2008 - GIRL - für Dorfgebiete empfiehlt (vgl. Tabelle 1). Die GIRL ist eine Richtlinie zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen, die die Bewertung erleichtern soll, ob eine Geruchsimmission als erheblich und damit als schädliche Umwelteinwirkung anzusehen ist; sie konkretisiert mithin die Anforderungen, die sich aus der drittschützenden Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ergeben (vgl. Nr. 1 GIRL, BVerwG, Beschluss vom 22.05.2014 - 7 B 3/14 - juris; BayVGH, Beschluss vom 27.01.2012 - 22 ZB 10.2333 - juris). Bei der tatrichterlichen Bewertung von Geruchsbelästigungen kann die GIRL zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen als zwar rechtlich nicht verbindliche, aber zulässige Erkenntnisgrundlage und Orientierungshilfe herangezogen werden (Erlasse des Umweltministeriums Baden-Württemberg vom 18.06. und vom 17.11.2008, Az. 4-8828.02/87; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 28.07.2010 - 4 B 29/10 - juris; BVerwG, Beschluss vom 07.05.2007 - 4 B 5.07 -, BRS 71 Nr. 168 [2007]; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.04.2010 - 3 S 2786/09 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.01.2011 - 8 S 600/09 - juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.10.2009 - 1 A 10872/07 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 27.04.2014 - 22 ZB 13.692 - juris; OVG NW, Urteil vom 30.01.2014 - 7 A 2555/11 - juris m.w.N.). Danach ist mit der Festsetzung eines Immissionswerts von 0,15 Jahresgeruchsstunden, wie er in der GIRL für Dorfgebiete empfohlen wird, hinreichend sicher, dass der Kläger keinen unzumutbaren Geruchsimmissionen ausgesetzt wird. Demgegenüber kann der Kläger nicht den niedrigeren Immissionswert von 0,10 beanspruchen, den die GIRL für Wohngebiete festsetzt. Denn eine Wohnnutzung im Außenbereich genießt - wie ausgeführt - nicht den Schutz der Wohnbebauung in dafür ausgewiesenen Baugebieten nach §§ 3 und 4 BauNVO, sondern allenfalls das Schutzniveau für andere gemischt genutzte Gebiete.
55 
Entgegen der vom Beklagten wohl vertretenen Auffassung kommt dem Anwesen des Klägers aber auch kein geringerer Schutzanspruch als einem landwirtschaftlichen Anwesen zu, weil eine vergleichbare bauplanungsrechtliche Situation besteht. Historisch gesehen handelt es sich bei der Wohnnutzung des Klägers um die Fortsetzung einer ehemals privilegierten Wohnnutzung eines gärtnerischen Anwesens, deren Bestandsschutz zwischen den Beteiligten umstritten ist. Dem Kläger wurde zwar keine Genehmigung für die Nutzungsänderung des Wohngebäudes von ehemals privilegiertem landwirtschaftlichem Wohnen in jetzt nicht landwirtschaftliches Wohnen erteilt; der Beklagte hat diese Wohnnutzung aber schon bisher faktisch geduldet und sich im Verwaltungsrechtsstreit 3 S 452/13 nunmehr im Rahmen eines Vergleichs zur Duldung verpflichtet. Damit ist die Wohnnutzung des Klägers im Hinblick auf ihren Schutzstatus mit dem - ebenfalls im Außenbereich nur ausnahmsweise zulässigen - Wohnen in einem landwirtschaftlichen Anwesen vergleichbar. Für den Außenbereich gibt die GIRL einen allgemeinen Immissionswert allerdings nicht ausdrücklich vor. In Tabelle 1 der GIRL wird für Dorfgebiete ein Immissionswert von 0,15 genannt; in Einzelfällen seien Zwischenwerte von bis zu 0,20 zwischen Dorfgebiet und Außenbereich möglich. Bezüglich des Außenbereichs wird ausgeführt, es sei in Einzelfällen unter Prüfung der speziellen Randbedingungen möglich, einen Wert bis zu 0,25 heranzuziehen, weil das Wohnen im Außenbereich - anders als die landwirtschaftliche Nutzung - nur ausnahmsweise zulässig und mit einem geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Es kann dahinstehen, ob danach von dem Kläger eventuell auch ein höherer Immissionswert hingenommen werden müsste, wie in der Begründung der Genehmigung zwar zum Ausdruck gebracht wird, aber im Tenor nicht verfügt worden ist. Denn der in der Genehmigung festgesetzte Immissionswert von 0,15 Jahresgeruchstundenhäufigkeit kann im Anlagenbetrieb aller Voraussicht nach eingehalten werden. Das von der Beigeladenen vorgelegte Geruchsimmissionsgutachten der SFI vom 13.03.2013 prognostiziert für das Wohnhaus des Klägers eine Zusatzbelastung von 0,8 sowie eine Gesamtbelastung für die Geruchsstundenhäufigkeit von 0,14 (Abb. 5, S. 28 f.); lediglich an der Grundstücksgrenze ergeben sich Geruchsstundenhäufigkeiten von maximal 0,17.
56 
Durchgreifende Bedenken gegen die Richtigkeit des Gutachtens bestehen nicht. Das Ergebnis des Gutachtens stimmt im Wesentlichen mit der Prognose des vom Verwaltungsgericht in Auftrag gegebenen Geruchsgutachtens Dr. D. für den Fall einer gasdichten Abdeckung des Gärrestebehälters überein, dem allerdings noch eine geringere Güllemenge zugrunde lag. Der damals noch offene Gärrestebehälter wurde im Geruchsgutachten Dr. D. mit der längst möglichen Emissionszeit (8.760 h/a) und der zweithöchsten Emissionsfracht (39.242 (MGE/a) angesetzt. Es erscheint plausibel, dass die Beseitigung dieser wesentlichen Geruchsquelle durch Abdeckung zu einer deutlichen Minderung der Geruchsbelastung führt. Außerdem erscheint es plausibel, dass durch den Verzicht auf Gülleanlieferungen an der dem Grundstück des Klägers am nächsten gelegenen Vorgrube 1 eine weitere Geruchsminimierung erfolgt.
57 
Der Einwand des Klägers, das Geruchsgutachten gehe von einer unzutreffenden Windverteilung aus, greift nicht durch. Das Gutachten der SFI legt die Windverteilungsstatistik der Station Mühlacker zugrunde. Dies beruht auf einem eingehenden meteorologischen Standortgutachten der Argusoft GmbH (Dipl.-Met. F.) vom 25.02.2013, wonach am ehesten die Daten der Station Mühlacker mit dem Standort der Anlage vergleichbar sind. Substantiierte Einwendungen gegen das meteorologische Gutachten wurden nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich. Das Ergebnis des meteorologischen Gutachtens erscheint auch deshalb plausibel, weil die Windrose der Station Mühlacker - mit Ausnahme eines dritten Windmaximums aus nördlicher Richtung - im Wesentlichen der synthetischen Windverteilungsstatistik der LUBW für diesen Standort entspricht, wie sie auch vom Gutachter Dipl.-Ing. D. zugrunde gelegt wurde. Beide Windrosen weisen als Richtungsmaximum eine West-Ost-Richtung und eine schwächere Südost-Nordwestrichtung auf, somit liegt das Grundstück des Klägers nicht in der Hauptwindrichtung. Dass es eine „sekundäre Hauptwindrichtung Ost“ gibt, wie der Kläger geltend macht, ist im Geruchsgutachten berücksichtigt worden (vgl. S. 22: „Nebenmaximum aus südöstlicher Richtung mit relativen Häufigkeiten von 4%“). Der vom Kläger beanstandete Umstand, dass diese Windrichtung im Geruchsgutachten als nachrangig betrachtet wird, entspricht dem Ergebnis des meteorologischen Gutachtens. Auch wenn man das dritte Windmaximum der synthetischen Windverteilungsstatistik der LUBW aus nördlicher Richtung berücksichtigt, liegt das Grundstück des Klägers außerhalb der Hauptwindrichtung.
        
58 
Auch der Einwand des Klägers, bei Berücksichtigung des Waschwassers werde der Immissionswert von 0,15 Jahresgeruchsstunden überschritten, greift nicht durch. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 11.03.2015 hat der Gutachter insoweit ausgeführt:
59 
„Sickerwässer, wozu auch die anfallenden Waschwassermengen auf der Waschplatte gehören, werden über die Drainageleitungen in die Vorgrube 1 eingeleitet. Von dort werden sie in den Fermenter gepumpt (s. Geruchsgutachten S. 13, Abschnitt 5.2). Diese Waschwassermengen verursachen bezüglich des Systems Drainage-Vorgrube-Fermenter keine zusätzlichen Geruchsemissionen.
60 
Auf der Waschplatte evtl. entstehende Geruchsemissionen können über ihren Emissionszeitanteil als unbeachtlich eingestuft werden: bei 15 jeweils 45-minütigen Reinigungsvorgängen der Güllefässer ergibt sich ein Emissionszeitanteil von 11,3 Stunden. Wenn man im ungünstigsten Fall davon ausgeht, dass die während der Reinigungsvorgänge freigesetzten Geruchsemissionen am Immissionsort 1 (H. Weg ...) immer wahrnehmbar sind, beträgt der Zeitanteil lediglich 11,3 h / 8760 h = 0,0013 oder 0,13 %, d. h. die Geruchsstundenhäufigkeit, angegeben in Prozent, würde sich im Nachkommabereich um maximal eine Stelle ändern.“
61 
Diesen plausiblen Ausführungen ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Im Übrigen hat der Geschäftsführer der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Reinigungsvorgänge nunmehr teilweise in anderen Betrieben durchgeführt werden, was die hierdurch verursachte Geruchsbelastung weiter reduziert.
62 
Nach alldem sieht der Senat keinen Anlass zur Einholung eines weiteren Geruchsgutachtens. Der Beweisantrag Nr. 4 des Klägers, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber Beweis zu erheben, dass von der Biogasanlage der Beigeladenen eine erhebliche Geruchsbelastung ausgeht, die den Grenzwert der GIRL von 0,15 Jahresgeruchsstunden überschreitet (Beweisantrag Nr. 4), war deshalb abzulehnen. Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens steht gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 ZPO grundsätzlich im tatrichterlichen Ermessen. Sie ist nur dann geboten, wenn die bereits vorliegenden Gutachten nicht den ihnen obliegenden Zweck zu erfüllen vermögen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. In diesem Sinne kann ein Sachverständigengutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht oder wenn sich herausstellt, dass es sich um eine besonders schwierige Fachfrage handelt, die ein spezielles Fachwissen erfordert, das bei den bisherigen Gutachtern nicht vorhanden ist (st. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 28.03.2013 - 4 B 15/12 - juris m.w.N.). So liegt es hier aber nicht. Das in das Verfahren eingeführte Gutachten der SFI vom 13.03.2013 ist - auch im Vergleich mit dem Geruchsgutachten Dr. D. - plausibel und nachvollziehbar und damit geeignet, dem Senat die erforderliche Sachkunde zu vermitteln. Wie ausgeführt, wurde das Gutachten vom Kläger nicht durchgreifend in Frage gestellt. Die Berücksichtigung des Waschwassers hat keine relevanten Auswirkungen. Die im Gutachten zugrunde gelegte Windverteilungsstatistik wird durch ein eingehendes meteorologischen Gutachten untermauert. Grobe Mängel des Gutachtens sind nicht erkennbar. Auch sonst gibt es keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Immissionswert von 0,15 Jahresgeruchsstunden nicht eingehalten werden kann.
63 
2.1.4 Bioaerosole
64 
Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, schädlichen Umwelteinwirkungen durch Bioaerosole (Keime und Endotoxine) ausgesetzt zu werden. Nach der - soweit ersichtlich - einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung löst die von Bioaerosolen potentiell ausgehende Gefährdung keinen von dem Kläger geltend zu machenden Schutzanspruch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG aus; vielmehr ist sie gegenwärtig nur über das Vorsorgegebot nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG zu berücksichtigen (BVerwG, Beschluss vom 20.11.2014 - 7 B 27.14 - juris; HessVGH, Urteil vom 01.04.2014 - 9 A 2030/12 - juris; BayVGH, Beschluss vom 27.03.2014 - 22 ZB 13.692 - juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.01.2014 - 7 A 2555/11 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.06.2013 - 2 M 16/13 - juris; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.03.2013 - 1 LB 5/12 - juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 19.12.2012 - 1 MN 164/12 - juris). Dem Vorsorgegebot kommt nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich keine drittschützende Wirkung zu, weil die Regelung nicht der Begünstigung eines individualisierbaren Personenkreises, sondern dem Interesse der Allgemeinheit daran dient, potenziell schädlichen Umwelteinwirkungen vorzubeugen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329). Die Bewertung von Bioaerosolen ist weder ein Anwendungsfall der GIRL noch existieren sonstige Normen oder technische Richtlinien, die Anhaltspunkte für einzuhaltende Grenzwerte geben könnten. Zwar gelten Bioaerosole als potentiell schädlich, z. B. als Auslöser von Atemwegserkrankungen und Allergien. Wie ausgeführt, genügt die potentielle Eignung von einwirkenden Luftverunreinigungen, einen Schaden herbeizuführen, jedoch nicht, um einen Schutzanspruch gemäß § 5 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zu begründen. Die immissionsrechtliche Schutzpflicht greift als Instrument der Gefahrenabwehr vielmehr nur ein, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht (BVerwG, Beschluss vom 20.11.2014 - 7 B 27.14 - a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 - BVerwGE 119, 329). Bioaerosole sind bisher nur unzureichend erforscht. Da der aktuelle Kenntnisstand von Umwelthygiene und Umweltmedizin keine hinreichend sicheren Aussagen über die Gefährlichkeit solcher Immissionen für Menschen zulässt, sind die Risiken derartiger Immissionen noch nicht abschließend quantifizierbar. Ausbreitung und kausale Verursachungszusammenhänge sind nicht hinreichend bekannt und es kann keine Wirkschwelle angegeben werden, oberhalb derer mit Gesundheitsschäden beim Menschen zu rechnen ist. Auch die sich verändernde Zusammensetzung der luftgetragenen Bioaerosole und die sich erst allmählich durchsetzende Standardisierung der messtechnischen Erfassung erschweren die Beurteilung der gesundheitlichen Auswirkungen (HessVGH, Urteil vom 01.04.2014 a.a.O.). Aufgrund der Ungewissheit über einen Schadenseintritt können potentiell schädliche Umwelteinwirkungen, bei denen nur ein generelles Besorgnispotential besteht, zwar Anlass für Vorsorgemaßnahmen sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - a.a.O.), begründen aber keinen konkreten Schutz- und Abwehranspruch Dritter im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG.
65 
2.1.5 Formaldehyd
66 
Auch die Rüge des Klägers, dass die Gefährlichkeit des krebserregenden Stoffes Formaldehyd, der bei Verbrennungsmotoren entstehe, nicht berücksichtigt worden und nunmehr unionsrechtlich ein neuer Grenzwert festzusetzen sei, greift nicht durch.
67 
Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass sich ein Abwehranspruch des Klägers nur aus einer Verletzung der Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG, nicht aber aus einer Verletzung der - nicht drittschützenden - Vorsorgepflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG ergeben kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 - a.a.O.). Solange aber für potentiell gesundheitsgefährdende Stoffe keine Immissionswerte bestimmt sind, dienen zur Minimierung des Gesundheitsrisikos erlassene Emissionsgrenzwerte auch dem Schutz eines individualisierbaren Personenkreises im Einwirkungsbereich der Anlage. Im Rahmen des Minimierungsgebots endet die Schutzpflicht regelmäßig dort, wo aufgrund sachverständiger Risikoabschätzung die Irrelevanz einer von der Anlage verursachten Immissionszusatzbelastung durch potentiell gesundheitsgefährdende Stoffe anzunehmen ist (BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19/02 - a.a.O.; Senatsurteil vom 18.12.2001 - 10 S 2184/99 - juris; BayVGH, Beschluss vom 02.06.2014 - 22 CS 14.739 - juris; zweifelnd OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.05.2007 - 11 S 83.06 - juris). Der in der Nummer 5.4.1.4 der TA Luft festgesetzte Emissionsgrenzwert für Formaldehyd ist vor diesem Hintergrund als drittschützend anzusehen (BayVGH, Beschluss vom 02.06.2014 - 22 CS 14.739 - a.a.O.; vgl. auch Senatsurteil vom 18.12.2001 - 10 S 2184/99 - a.a.O.). Zu berücksichtigen ist dabei die potenzielle Gefährlichkeit von Formaldehyd für die menschliche Gesundheit (Krebsrisiko).
68 
Es ist jedoch sichergestellt, dass der derzeit geltende Emissionsgrenzwert eingehalten wird. Nach Nummer 5.4.1.4 TA Luft beträgt der Emissionsgrenzwert für Formaldehyd im Abgas bezogen auf die Massenkonzentration 60 mg/m³. In der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 22.12.2006 wurde dieser Emissionsgrenzwert festgesetzt (Nebenbestimmung D3).
69 
Nach den zum Bestandteil der Änderungsgenehmigung vom 31.10.2013 erklärten Antragsunterlagen hat die Anlage zwar mittlerweile einen Emissionswert von 40 mg/m³ einzuhalten; die Einhaltung dieses Grenzwerts nach Erhöhung der Feuerungswärmeleistung ist innerhalb von 6 Monaten nachzuweisen ist (Nebenbestimmung D1). Mit der Festsetzung des Emissionswertes von 40 mg/m³ soll nach den Erklärungen des Beklagten dem Emissionsminimierungsgebot nach Nr. 5.2.7 TA Luft für als krebserregend eingestufte Stoffe Rechnung getragen werden, das nach Nr. 5.1.1 Abs. 2 Satz 5 TA Luft ergänzend zu den Emissionsgrenzwerten Anwendung findet, und dessen Einhaltung nach dem Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG) gesondert honoriert wird. Der Kläger kann sich aber nicht auf die Einhaltung des Emissionsminimierungsgebots nach Nr. 5.2.7 TA Luft über den Emissionsgrenzwert hinaus berufen, d.h. er kann nicht die Optimierung der Anlage im Hinblick auf die Reduzierung umweltgefährdender Stoffe über die Erfüllung der Mindestanforderungen hinaus verlangen. Gegen eine drittschützende Zielrichtung spricht, dass Nr. 5.2.7 TA Luft ausschließlich der Vorsorge dient, wie sich aus der Einordnung in den 5. Abschnitt der TA Luft ergibt, und nicht auch dem Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, wie die Vorgängervorschrift in der TA Luft 1986 (Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand 2014, Band IV TA Luft Nr. 5.2.7 Rn. 1 f.). Ferner ist es nicht gerechtfertigt, Dritten einen Abwehranspruch zuzubilligen, der noch über die Einhaltung der normierten - grundsätzlich ebenfalls nur der Vorsorge dienenden - Emissionsgrenzwerte hinausgeht. Die Frage des Drittschutzes des Emissionsminimierungsgebots kann aber letztlich dahinstehen, weil die Beigeladene durch die jährlich vorzulegenden Prüfberichte des TV Süd nachgewiesen hat, dass auch der Emissionswert von 40 mg/m³ deutlich unterschritten wird. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die Verordnung (EG) Nr. 605/2014 geltend macht, im Hinblick auf die unionrechtliche Neuklassifizierung der kanzerogenen Wirkungen von Formaldehyd sei nunmehr ein Emissionsgrenzwert von 1 mg/m³ maßgeblich, verkennt er, dass diese Verordnung erst im Juni 2014, mithin nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung vom 31.10.2013, erlassen wurde. Selbst wenn man wegen des noch offenen Widerspruchsverfahrens auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung abstellen wollte, ist der vom Kläger angenommene Grenzwert - dessen Richtigkeit unterstellt - derzeit noch nicht geltendes Recht.
70 
Der Beweisantrag Nr. 5 des Klägers, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber Beweis zu erheben, dass von der Biogasanlage eine erhebliche Belastung durch Formaldehyd ausgeht, die den Grenzwert von 40 mg/m³ überschreitet, was wiederum Leib und Leben des Klägers gefährdet, ist danach abzulehnen. Die unter Beweis gestellte Tatsachenbehauptung ist rechtlich unerheblich, weil der Kläger wie ausgeführt keinen Rechtsanspruch auf Einhaltung des ausschließlich zur Konkretisierung des Emissionsminimierungsgebots festgesetzten Grenzwerts von 40 mg/m³ hat. Im Übrigen ist durch Vorlage der Prüfberichte des TÜV Süd vom Oktober 2012, vom Januar 2014 und vom November 2014 (Gerichtsakte S. 919 ff.) nachgewiesen, dass der genannte Grenzwert eingehalten wird.
71 
2.2 Negative Einwirkungen im Störfall
72 
2.2.1 Störfallrecht
73 
Der Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung können störfallrechtliche Anforderungen, insbesondere die nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu prüfenden Regelungen der Störfall-Verordnung (12. BlmSchV) nicht entgegengehalten werden. Wie der Senat in den Beschlüssen vom 03.06.2013, vom 18.02.2014 und vom 11.12.2014 im Einzelnen dargelegt hat, handelt es sich bei der umstrittenen Biogasanlage auch in der geänderten Betriebsform nicht um einen Betriebsbereich im Sinne der Störfall-Verordnung (vgl. die Legaldefinition in § 3 Abs. 5 Buchst. a BlmSchG; § 1 Abs. 1 12. BImSchV).
74 
Nach der Sicherheitstechnische Stellungnahme der proTerra GmbH (Dipl.-Ing. (FH) B.) vom 28.02.2013 wird die Mengenschwelle nach Anhang I Nr. 8 Spalte 4 der Störfall-Verordnung von 10.000 kg hochentzündliches Gas bei der geplanten Abdeckung mit einer Höhe der Innenmembran im Kugelsegment von 2 m über Behälterniveau sicher unterschritten. Der Gutachter hat bei seinen Berechnungen das größtmögliche Gasvolumen bei ordnungsgemäßem Betrieb zugrunde gelegt, indem er von dem niedrigsten technisch möglichen Füllstand des Gärrestebehälters von 0,40 cm ausging, und mit einem hohen spezifischen Gasgewicht gerechnet. Für die Umsetzung und den sicheren Betrieb der geplanten Abdeckung werden im Gutachten gerade auch im Hinblick auf die Begrenzung des Gasvolumens zahlreiche Anforderungen - wie etwa die automatische Füllstandsüberwachung - gestellt, die als Nebenbestimmungen in die Änderungsgenehmigung aufgenommen worden sind (vgl. Abschnitt III F Nr.10.). Über eine Betriebsanweisung ist sicherzustellen, dass bei besonderen Betriebszuständen, wie etwa der vollständigen Entleerung zu Wartungszwecken, keine höheren Gasmengen auftreten (Gutachten S. 11 f.; ergänzende Stellungnahme vom 30.04.2013). Die Gasmengenberechnungen des Gutachters Dipl.-Ing (FH) B. wurden sowohl vom TÜV Nord („Sicherheitstechnische Vorprüfung“ vom 10.05.2013 S. 18 f.) als auch in der Stellungnahme der Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.05.2013 nachvollzogen und als richtig bestätigt. Auch nach den Berechnungen dieser Stellen werden die Mengenschwellen der Störfall-Verordnung sicher unterschritten. Der Einwand des Klägers, der Gutachter habe bei seinen auf der Grundlage der Arbeitshilfe des Bundesumweltamtes durchgeführten Berechnungen der vorhandenen Gasmenge die Doppelmembran nicht berücksichtigt, greift demgegenüber nicht durch. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die zugrunde gelegten Behältervolumen unzutreffend sind. Der Kläger verkennt, dass die Tragluft zwischen Innen- und Außenfolie bei bestimmungsgemäßem Betrieb keine hochentzündliche Gasmischung enthält. Die Innenmembran ist nach dem den Antragsunterlagen beigefügten Produktdatenblatt des Herstellers weitgehend gasdicht; im Übrigen erfüllt das Tragluftgebläse gerade die Funktion, im Folienzwischenraum keine hochentzündliche Gasmischung entstehen zu lassen. Bei der Berechnung des Gasvolumens ist daher nicht die Höhe des Kugelsegments der Außenmembran mit 7,5 m, sondern die Höhe der Innenmembran von 2 m maßgeblich. Nach den plausiblen Ausführungen des Gutachters B. (Ergänzende Stellungnahme vom 30.04.2013) entspricht die Geometrie der Innenmembran eher einem Kugelsegment als einem Kegel, so dass bei der Berechnung der relevanten Gasmenge anhand der Arbeitshilfe des Bundesumweltamtes zutreffend von einem Zylinder mit aufgesetztem Kugelsegment und nicht von einem aufgesetzten Kegel ausgegangen worden ist. Nicht zuletzt wurde vor Inbetriebnahme des Gärrestelagers nochmals eine sicherheitstechnische Prüfung durch den TÜV Nord durchgeführt, wobei auch die Unterschreitung der Mengenschwelle der Störfall-Verordnung zu prüfen war.
75 
Auch die Erteilung der Änderungsgenehmigung vom 31.10.2013 führt nicht zur Entstehung eines Betriebsbereichs im Sinne der Störfall-Verordnung, weil die genehmigte Erhöhung der Güllemenge nicht mit einer Erhöhung der im Sinne der Störfall-Verordnung vorhandenen Gasmenge einhergeht. Nach den zum Bestandteil der Änderungsgenehmigung vom 31.10.2013 gemachten Antragsunterlagen sind in der Anlage nach wie vor maximal 9.744 kg Biogas vorhanden; damit wird die Mengenschwelle der Störfall-Verordnung von 10.000 kg für hochentzündliches Gas weiterhin unterschritten. Die Mengenangabe in den Antragsunterlagen erscheint aber auch in der Sache schlüssig, weil bauliche Veränderungen, insbesondere eine Vergrößerung der Gasspeicher der Fermenter, des Nachgärers oder des Gärrestelagers nicht Gegenstand der Änderungsgenehmigung sind. Die Erhöhung der Substratzufuhr und der Produktionskapazität führt daher in erster Linie zu einem höheren Durchsatz der Biomasse. Selbst wenn unterstellt wird, dass hierdurch die vorhandenen Gasspeicherkapazitäten in größerem Umfang ausgenutzt werden, dass sich also im Durchschnitt mehr Gas als bisher in der Anlage befindet, ergeben sich keine Änderungen, denn den vom Regierungspräsidium Stuttgart für plausibel gehaltenen Berechnungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) B. sowie den Berechnungen des TÜV Nord (Sicherheitstechnische Vorprüfung vom 10.05.2013 S. 19) liegt das technisch größtmögliche Gasspeichervolumen bei ordnungsgemäßem Betrieb zugrunde.
76 
Auf das Vorhandsein eines Störfallbetriebs kann auch nicht daraus geschlossen werden, dass die Beigeladene im Hinblick auf die benachbarte Wohnnutzung des Klägers vorsorglich Berechnungen über die Auswirkungen von Dennoch-Störfällen vorgelegt hat, in denen hypothetisch ermittelt wird, ob die im Leitfaden KAS-18 der Kommission für Anlagensicherheit empfohlenen Abstände zwischen Betriebsbereichen im Sinne der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im vorliegenden Fall eingehalten würden (Sicherheitstechnische Vorprüfung des TÜV Nord vom 10.05.2013; Einzelfallbetrachtung vom 16.08.2013/10.10.2013). Die Gutachter haben ausgeführt, dass eine Störfallbetrachtung im Hinblick auf die Gasmenge rechtlich nicht erforderlich sei (vgl. etwa Sicherheitstechnische Vorprüfung S. 41). Auch den vom Kläger vorgelegten Sachverständigengutachten von Dr. H. vom 01.12.2013 und der R+D (Dipl.-Phys. S.) vom Juni 2014 lässt sich nichts anderes entnehmen. Diese Störfallbetrachtungen unterstellen, dass es sich um einen Störfall-Betrieb handelt, ohne darzulegen, dass die maßgeblichen Mengenschwellen entgegen der Annahme der oben genannten sachverständigen Stellen überschritten werden. Soweit der Kläger geltend macht, dass sich der Eintritt von Störfällen, die zur Undichtigkeit der Innenmembran führen können, nicht schlechthin ausschließen lässt, ist darauf hinzuweisen, dass sich die Mengenschwellen der Störfallverordnung auf das in der Anlage bei bestimmungsgemäßem Betrieb vorhandene Gas beziehen, sofern - wie hier - ein außer Kontrolle geratenes industrielles chemisches Verfahren nicht in Rede steht (vgl. § 1 Abs. 1, § 2 Nr. 2 Störfall-Verordnung; Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Band IV, § 2 12. BImSchV Rn. 12).
77 
Handelt es sich mithin nicht um einen Störfallbetrieb, kann der Kläger auch aus § 50 BlmSchG und der hierzu von ihm in Bezug genommenen Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 15.09.2011 - C-53/10 - juris; BVerwG, Urteil vom 20.12.2012 - 4 C 12.11 - juris) nichts zu seinen Gunsten herleiten. Das Abstandsgebot des § 50 BlmSchG gilt nur für Betriebsbereiche im Sinne des Art. 3 Nr. 5 der Richtlinie 96/82/EG (Seveso-Il-Richtlinie), zu deren Umsetzung die Störfall-Verordnung ergangen ist. Die umstrittene Anlage ist wie ausgeführt kein Betriebsbereich im störfallrechtlichen Sinne. Auch der Leitfaden KAS-18 der Kommission für Anlagensicherheit in der Fassung vom 06.11.2013 zur Umsetzung des § 50 BlmSchG ist mithin nicht unmittelbar einschlägig. Entsprechendes gilt für den mittlerweile vorliegenden Leitfaden KAS-32 „Arbeitshilfe zu szenarienspezifischen Fragestellungen zum Leitfaden KAS-18“ vom November 2014. Auch diese Arbeitshilfe behandelt die Berechnung von Achtungsabständen in der Bauleitplanung ohne Detailkenntnisse für Biogasanlagen, die der Störfall-Verordnung unterliegen heraus (vgl. Ziff. 1.1, 1.3.1).
78 
Fehl geht der Einwand des Klägers, die maßgebliche Mengenschwelle der Störfall-Verordnung sei nur knapp unterschritten, es mache daher in der Sache keinen Unterschied, ob es sich um einen Störfallbetrieb im Rechtssinne handele. Wie ausgeführt, hat der Betreiber nach § 6 Abs. 1 BImSchG einen Rechtsanspruch auf Erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, wenn die maßgeblichen Rechtsvorschriften erfüllt sind. Die Genehmigung kann daher nicht aufgrund störfallrechtlicher Bestimmungen versagt oder aufgehoben werden, die auf die Errichtung und den Betrieb der Anlage keine Anwendung finden.
79 
2.2.2. Konkrete Gefahren durch Störfälle (Brand, Explosion, Leckagen, Havarie)
80 
Die Störfall-Verordnung stellt allerdings keine abschließende Konkretisierung der störfallbezogenen Vorgaben des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG dar (Jarass a.a.O. § 7 Rn. 31 m.w.N.). Vielmehr sind auch die nicht der Störfall-Verordnung unterfallenden Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass keine konkreten Gefahren im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlmSchG durch betriebsbedingte oder externe Störungen entstehen. Bei der Prognose, ob eine hinreichend konkrete Gefährdung vorliegt, um einen Schutz- und Abwehranspruch zu begründen, ist allerdings die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß der denkbaren Störfälle zu berücksichtigen. Auch außerhalb des Störfallrechts im engeren Sinne können insoweit störfallrechtliche Wertungen herangezogen werden. Handelt es sich der Sache nach um einen sog. Dennoch-Störfall, d.h. um eine vernünftigerweise auszuschließende Störung (vgl. § 3 Abs. 2 letzter Halbsatz Störfall-Verordnung - 12. BImSchV), wird regelmäßig keine hinreichend konkrete Gefahr eines Schadenseintritts bestehen, wenn die erforderlichen Vorkehrungen zur Abwehr vernünftigerweise nicht auszuschließender Gefahren getroffen worden sind. Nach dem Grundsatz der umgekehrten Proportionalität von Schadenwahrscheinlichkeit und Schadensausmaß (dazu oben II.1) kann jedoch auch der mögliche Eintritt eines vernünftiger Weise auszuschließenden Dennoch-Störfalls einen Schutz- und Abwehranspruch begründen, wenn andernfalls erhebliche, nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigungen hochrangiger Rechtsgüter des Nachbarn drohen.
81 
Für die umstrittene Anlage liegen sachverständige Stellungnahmen der proTerra GmbH (Dipl.-Ing. (FH) B.) und des TÜV Nord (Dipl.-Ing. D., Dipl.-Ing. Z.) vor, wonach die Anlage dem Stand der Technik entspricht und alle maßgeblichen Sicherheitsstandards einhält oder übertrifft. Obgleich es sich nicht um einen Störfallbetrieb handelt, wurde eine Gefahren- und Risikoanalyse sowie eine Auswirkungsbetrachtung im Hinblick auf Auslegungs- und Dennoch-Störfälle durchgeführt (vgl. Sicherheitstechnische Vorprüfung vom 10.05.2013, Einzelfallbetrachtung des TÜV Nord vom 16.08./10.10.2013). In Auswertung der Risikoanalyse wurden zahlreiche Hinweise und Empfehlungen zur Verhinderung von Schadensereignissen gegeben (Kapitel 6 Seite 50 ff.), bei deren Beachtung keine Gefahren für Leib und Leben der Nachbarschaft und des Personals zu erwarten sind. Die in den genannten Stellungnahmen geforderten sicherheitsrechtlichen Auflagen, Hinweise und Empfehlungen wurden vollständig und sachlich im Wesentlichen unverändert als Nebenbestimmungen in die angefochtenen Genehmigungen übernommen. Am 08.08.2013, am 31.10.2013, am 22.11.2013, am 03.04.2014 und im Juni 2014 erfolgten sicherheitstechnische Prüfungen der geänderten Gesamtanlage. Mit abschließendem Prüfbericht vom 13.06.2014 stellte der Sachverständige des TÜV Nord fest, dass die Prüfung mangelfrei abgeschlossen worden sei; die im Prüfbericht vom 29.11.2013 noch festgestellten geringen Mängel seien behoben worden. Der Prüfbericht führt tabellarisch im Einzelnen auf, dass alle sicherheitsrelevanten Maßnahmen, d.h. die sicherheitsrelevanten Nebenbestimmungen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 22.12.2006 und der Änderungsgenehmigung vom 05.04.2013 sowie die Vorgaben aus der sicherheitstechnischen Vorprüfung des TÜV Nord vom 10.05.2013 in Verbindung mit der Anordnung des Landratsamts vom 17.07.2013 und die Vorgaben aus der sicherheitstechnischen Stellungnahme der proTerra GmbH vom 28.02.2013 vollständig erfüllt sind. Soweit der Kläger geltend macht, insbesondere die gasdichte Abdeckung des Gärrestebehälters entspreche nicht dem Stand der Technik, wird dieser Vortrag durch die Sachverständigen nicht bestätigt. Die Gutachten führen vielmehr aus, dass die gewählte Anlagen- und Sicherheitstechnik dem Stand der Technik und den einschlägigen Regelwerken und Normen entspricht und technisch umsetzbar ist. Daraus, dass die Beigeladene zunächst andere Abdeckungsvarianten in Erwägung gezogen hat und durch die Dachkonstruktion gezielt eine Reduzierung der Gasmenge unter die maßgebliche Mengenschwelle der Störfall-Verordnung anstrebte, lässt sich nichts zugunsten des Klägers herleiten.
82 
Die Bedenken des Klägers gegen die fachliche Qualifikation bzw. Unbefangenheit der Gutachter greifen nicht durch. Für eine Voreingenommenheit der Sachverständigen gibt es keine Anhaltspunkte. Der Umstand, dass die Gutachten von der Beigeladenen in Auftrag gegeben wurden, folgt aus den rechtlichen Vorgaben des § 29a BImSchG sowie der 9. BImSchV (vgl. § 4a Abs. 2 9. BImSchV) und aus der Dynamik des vorliegenden Verfahrens. Gegen eine Voreingenommenheit der Gutachter des TÜV Nord spricht auch, dass in den ersten sicherheitstechnischen Prüfberichten durchaus Mängel aufgedeckt und auf deren Beseitigung hingewirkt wurde. Die tätig gewordenen Gutachter sind als Sachverständige nach § 29a BImSchG für die einschlägigen Fachgebiete bekannt gegeben, wie die für den TÜV Nord tätig gewordenen Gutachter Dipl.-Ing. D. und Dipl.-Ing. Z. in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt haben. Auch die Bekanntgabe des zunächst tätig gewordenen Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) B. erstreckt sich u.a. auf das Fachgebiet 3 („Erstellung oder Prüfung von Anlagenschutzkonzepten, z.B. Brandschutz, Explosionsschutz, MSR/PLT“) und auf das Fachgebiet 11 („systematische Methoden der Gefahrenanalyse“). Dies entspricht den Empfehlungen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz - LAI - Ausschuss Anlagenbezogener Immissionsschutz/Störfallvorsorge (AISV). Danach genügt das Fachgebiet 3 für normale Prüfungen einer Biogasanlage und das Fachgebiet 11 für die Beurteilung von Störfallbetrieben; die Abdeckung des Fachbereichs 16.1 „Explosionsschutz“ wird nur für komplexere Anlagenkonfigurationen empfohlen (vgl. Arbeitshilfe des AISV für die sicherheitstechnische Prüfung von Biogasanlagen, Stand 08.02.2013,Seite 4 Fußnote 2). Selbst wenn man im Hinblick auf den engen räumlichen Zusammenhang mit einer Wohnnutzung von einer „komplexeren Anlagenkonfiguration“ ausgehen wollte, so wurde die sicherheitstechnische Einschätzung des Gutachters B. mittlerweile von den Sachverständigen des TÜV Nord bestätigt, gegen deren Qualifikation keine Bedenken vorgetragen wurden oder sonst ersichtlich sind.
83 
Auch in der Sache führen die sicherheitstechnischen Bedenken des Klägers nicht zur Aufhebung der umstrittenen Genehmigungen. Dem Kläger ist allerdings zuzugeben, dass Biogasanlagen ein nicht unerhebliches Gefahren- und Belästigungspotential mit sich bringen, das von den Berufungsklägern anfänglich unterschätzt worden sein dürfte. Dieses Gefahrenpotential ist aber mittlerweile - nicht zuletzt aufgrund des Einsatzes des Klägers - nicht nur auf ein für den Kläger zumutbares Maß reduziert worden; das rechtliche gebotene Schutzniveau wurde darüber hinaus noch überschritten. Denn die Anlage ist wegen der besonderen nachbarschaftlichen Verhältnisse teilweise störfallrechtlichen Anforderungen unterworfen worden, obgleich es sich nicht um einen Betriebsbereich im Sinne des Störfallrechts handelt. Im Einzelnen:
84 
2.2.2.1 Explosionen
85 
2.2.2.1.1 Explosionsschutz
86 
Explosionsgefahren sind sonstige Gefahren im Sinn von § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2. Alternative BImSchG. Ferner ist der Explosionsschutz gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG in Verbindung mit den Regelungen der Betriebssicherheitsverordnung zu prüfen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Vorschriften des Brand- und Explosionsschutzes nicht generell nachbarschützend sind, sondern nur insoweit, als sie die Auswirkungen von Explosionen bzw. das Übergreifen von Bränden auf die Nachbargrundstücke oder sonstige brandbedingte Beeinträchtigungen der Nachbarn verhindern sollen; bei Explosionen ist insoweit die Reichweite einer möglichen Explosion maßgeblich. Dienen die Vorschriften hingegen dem Schutz des Anlagengrundstücks selbst sowie der Benutzer und Arbeitnehmer, scheidet eine drittschützende Wirkung aus (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.07.2002 - 7 B 583/02 - juris-; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.05.2007 - OVG 11 S 83.06 - juris Rn. 70; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 31.07.2008 - 1 LA 39/08 - juris; OVG Thüringen, Urteil vom 16.03.2010 - 1 O 656/07 - juris). Namentlich die Bestimmungen der Betriebssicherheitsverordnung über den Explosionsschutz dienen in erster Linie dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung (vgl. Senatsurteil vom 20.07.2011 - 10 S 2102/09 - juris Rn. 315) und sind daher nur insoweit nachbarschützend, als es um Auswirkungen von Explosionen auf betroffene Nachbargrundstücke geht. Auch auf die Verletzung einer potentiell drittschützenden Norm kann sich ein Betroffener aber auch dann nur mit Erfolg berufen, wenn er hierdurch in seinen eigenen Rechten verletzt ist. Sind die arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen an den Explosions- und Brandschutz und die Betriebssicherheit erfüllt, besteht in aller Regel kein darüber hinausgehender Nachbarschutz für Personen, die nicht in der Anlage tätig sind (vgl. BayVGH Beschluss vom 02.06.2014 - 22 CS 14.739 - juris; vgl. auch OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 31.07.2008 - 1 LA 39/08 - juris).
87 
In der sicherheitstechnischen Stellungnahme der proTerra GmbH vom 28.02.2013 sind eine detaillierte Gefährdungsbeurteilung der einzelnen Anlagenteile sowie ein Explosionsschutzkonzept und eine Explosionszonen-Einteilung enthalten. Diese Anforderungen sind nach Abschnitt III C Nr. 1 der Änderungsgenehmigung vollständig umzusetzen; die Einhaltung ist bei der Schlussabnahme von einem Sachverständigen schriftlich zu bestätigen. Ferner ist ein Explosionsschutzdokument nach § 6 BetrSichVO fortzuschreiben (Nebenbestimmung Abschnitt III C Nr. 2, Abschnitt F Nr. 3); nach § 6 Abs. 3 BetrSichVO muss das Explosionsschutzdokument vor der Inbetriebnahme vorliegen. In dem Explosionsschutzdokument sind u.a. die Explosionsgefährdungen zu ermitteln und zu bewerten und die getroffenen Vorkehrungen zum Erreichen der Ziele des Explosionsschutzes darzustellen (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 01.08.2011 - 2 M 84/11 - juris m.w.N.). Die Anlage ist vor Inbetriebnahme und danach in regelmäßigen Abständen nach der Betriebssicherheitsverordnung zu überprüfen (Nebenbestimmung Abschnitt III F Nr. 12). Die Anlage wird durch ein Gaswarnsystem automatisch überwacht. Ferner ist vor der Inbetriebnahme die Dichtheit der gasführenden Leitungen und des Folienspeichers zu überprüfen (Nebenbestimmung Abschnitt III F Nr. 12). Die vollständige Umsetzung dieser Nebenbestimmungen ist durch den abschließenden Prüfbericht des TÜV Nord vom 13.06.2014 nachgewiesen. Insbesondere wurde auch der Blitzschutz in explosionsschutzrechtlicher Hinsicht überprüft (Prüfbericht TÜV Nord vom 13.06.2014).
88 
Der Kläger hat keine belastbaren Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass das Explosionsschutzkonzept nicht den rechtlichen Anforderungen entspricht. Auch die Bedenken des Klägers, dass eine ordnungsgemäße Prüfung der Dichtheit der Folien und Gasleitungen nicht möglich sei, bleiben nach derzeitigem Sach- und Streitstand im Ergebnis ohne Erfolg. Nach dem abschließenden Prüfbericht des TÜV Nord vom 13.0 6.2014 sind Dichtigkeitsprüfungen der Gasleitungen und der Gasspeicherdächer der Fermenter 1 und 2, des Nachgärers und des Gärrestelagers am 22.05.2013 und am 16.07.2013 erfolgt. Dabei ist eine geringfügige Leckage festgestellt worden, die nach den vorliegenden Prüfberichten mittlerweile beseitigt ist. Der Gutachter Dipl.-Ing. D. hat in der mündlichen Verhandlung ergänzend ausgeführt, es habe sich nicht um einen Riss, sondern um die Undichtigkeit eines Stutzens gehandelt, auf dessen Abdichtung er hingewirkt habe; kritische Werte, insbesondere die untere Explosionsgrenze, seien nicht erreicht worden. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 02.04.2014 führt der Sachverständige D. aus, es habe seitens des Errichters sowie seitens des Sachverständigen ein unmittelbare Dichtigkeitsprüfung mittels schaumbildender Mittel und Gassprühgerät stattgefunden (vgl. Arbeitsblatt DWA-M 376, Anhang A.2.5). Im laufenden Betrieb sei zwar weder eine unmittelbare noch eine mittelbare (vgl. dazu Arbeitsblatt DWA-M 376, Anhang A.2.6) Dichtheitsprüfung möglich, eine Leckage sei aber über den Gaswarnsensor an der Austrittsöffnung des Stützluftgebläses feststellbar. In der mündlichen Verhandlung haben die Gutachter Dipl.-Ing. D. und Dipl.-Ing. Z. näher erläutert, dass sich Undichtigkeiten in der Gasmembran durch einen höheren Methangasgehalt, Undichtigkeiten in der Wetterschutzmembran durch einen höheren Sauerstoffgehalt in der Stützluft bemerkbar machen, die vom Gaswarnsensor erfasst werden. Zwar haben die Gutachter eingeräumt, dass Risse am Rand des Behälters nicht in jedem Fall vom Gassensor erkannt werden. Sie haben insoweit aber ausgeführt, dass ein Gasaustritt in dieser Konstellation zum einen voraussetze, dass es zu einem Riss sowohl in der Gasmembran als auch in der Wetterschutzmembran gekommen sei. Zum anderen könnten Risse ab einem gewissen Umfang ohne weiteres optisch erkannt werden, weil es regelmäßig zu einem Flattern oder einer Verformung der Wetterschutzmembran durch Absinken des Stützluftdruckes komme. Soweit sich die Risse nicht optisch bemerkbar machten, handele es sich um so kleine Risse, dass sich ein Gasaustritt nicht über das Betriebsgelände hinaus auswirken könne. Den Auswirkungen eines Gasaustritts innerhalb des Betriebsgeländes werde durch die Ausweisung von Explosionsschutzzonen Rechnung getragen. Der Gutachter D. hat zwar wiederholt darauf hingewiesen, dass ein gewisser Gasaustritt insbesondere infolge von Alterungsprozessen der Membranen auch bei bestimmungsgemäßem Betrieb nicht auszuschließen ist. Dem wird aber durch die Auflage einer wiederkehrenden regelmäßigen Dichtheitsprüfung Rechnung getragen, bei der nach dem oben Gesagten Undichtigkeiten und Leckagen auch tatsächlich feststellbar sind. Nach den Nebenbestimmungen der Änderungsgenehmigung vom 05.04.2013 in Verbindung mit dem Gutachten der pro Terra GmbH (Kap. 5.4) sind Rohrleitungen und gasführende Anlagenbestandteile in jährlichen Abständen zu prüfen; die gesamte Biogasanlage ist alle fünf Jahre auf ihre Dichtigkeit zu überprüfen.
89 
Danach sind die Gefahren durch vernünftigerweise nicht auszuschließende Freisetzung von kleineren Gasmengen bei einem ansonsten störungsfreien Betrieb hinreichend minimiert. Auch der Kläger hat im Übrigen nicht substantiiert dargetan, dass sich ein Gasaustritt bei unentdeckten kleineren Leckagen oder Undichtigkeiten, die nicht vom Gaswarnsensor erfasst werden, trotz der Verdünnung noch auf sein ca. 50 m entfernt liegendes Grundstück rechtserheblich auswirken würden.
90 
2.2.2.1.2 Störfall
91 
Die Aufkonzentration und Zündung einer zusammenhängenden Biogasmenge im Freiraum wird im Gutachten des TÜV Nord vom 16.08./10.10.2013 zwar als Dennoch-Störfall eingestuft; der Gutachter weist insoweit darauf hin, dass das Versagen beider Schutzfolien als ein sehr unwahrscheinliches Szenario erscheine. Gleichwohl stuft der Gutachter Dipl.-Ing. Z. in Übereinstimmung mit den vom Kläger beigezogenen Gutachtern H. und S. Risse im Foliensystem in Längen von mehreren Metern als plausibel ein (so jetzt auch KAS-32 Nr. 1.3.). Bei diesem Fall wird das Anwesen des Klägers nach Überzeugung des Senats aber keinen unzumutbaren Gefahren durch mögliche Gasexplosionen ausgesetzt.
92 
Auf dem Grundstück des Klägers entsteht auch bei Freisetzung der größten zusammenhängenden Biogasmenge bei großflächigen Dachhautleckagen oder Komplettversagen der gesamten Dachhaut aller Voraussicht nach keine zündfähige Atmosphäre in einer Entfernung von mehr als 20 Metern. Die Einzelfallbetrachtung des TÜV Nord vom 16.08./10.10.2013 kommt zu dem Ergebnis, dass die untere Explosionsgrenze bei Ausbreitung einer zündfähigen Atmosphäre sowohl im Auslegungsstörfall (kontinuierliche Biogasfreisetzung durch Dachhautleckagen verschiedener Größen) als auch im Dennoch-Störfall (spontane Freisetzung der größten zusammenhängenden Biogasmenge) nach ca. 20 m bei Weitem unterschritten ist. Selbst bei einer 100%-Freisetzung der gesamten Gasmenge des Gärrestebehälters besteht in 50 m Entfernung keine Gefahr einer Zündung im Bodenbereich. Diese Annahme wird von dem vom Kläger vorgelegten Gutachten Dr. H. nicht durchgreifend in Frage gestellt. Danach würde zwar die untere Explosionsgrenze beim Grundstück des Klägers für ca. 60 Sekunden überschritten. Dieses Ergebnis beruht aber zum einen auf der Annahme einer Leckagefläche von 16,5 m² (16,5 m Länge x 1,0 m Rissbreite), wohingegen nach der Arbeitshilfe KAS-32 selbst für Störfallbetriebe bei der Bemessung der Achtungsabstände in der Bauleitplanung ohne Detailkenntnisse lediglich eine Leckageabmessung von 0,6 m² (3 m x 0,2 m Rissbreite) zugrunde zu legen ist. Ferner beruhen die Ergebnisse des Gutachtens Dr. H. auf der Annahme einer Gaswolkenlänge von 123 m. Nach den plausiblen Ausführungen des Gutachters Dipl.-Ing. Z. in der mündlichen Verhandlung setzt der Gutachter Dr. H. dabei einen konstanten Massestrom voraus. Er vernachlässige, dass der Druck bei einem Folienriss innerhalb kürzester Zeit abgebaut werde. Nach einer von ihm durchgeführten Parallelrechnung werde der Impuls in weniger als einer Sekunde abgebaut. Es sei daher entgegen der Auffassung von Dr. H. nicht anzunehmen, dass der sehr impulsbehaftete Massestrom von 18 kg/s für die ganze Zeitdauer konstant bleibe. Im Hinblick auf den ohnehin nur geringen anzunehmenden Druck von 5 mb im Gärrestebehälter (vgl. KAS-32) und die Größe der unterstellten Leckage erscheint dem Senat die Annahme eines schnellen Druckabfalls überzeugend. Gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens Dr. H., der zudem kein bekannt gegebener Sachverständiger nach § 29a BImSchG ist, spricht ferner, dass er mit fiktiven meteorologischen Daten gerechnet hat und einräumt, dass die Berechnung mit realistischen Daten zu anderen Ergebnissen führen kann (vgl. S. 32); im Gutachten wird mithin nicht berücksichtigt, dass das Anwesen des Klägers nicht in der Hauptwindrichtung liegt.
93 
Der bei einer Gaszündung entstehende Explosionsdruck erreicht nach dem Gutachten des TÜV Nord vom 16.08./10.10.2013 selbst in näherer Entfernung keine Werte, die die Gesundheit von im Freien befindlichen Personen oder Insassen von Kraftfahrzeugen unmittelbar gesundheitlich beeinträchtigen. Allerdings muss bei Zündung im Freiraum bis zu einer Entfernung von 67 m mit dem Bruch von 100 % der Glasscheiben gerechnet werden; der Grenzwert des Leitfadens KAS 18 für Personenschäden wird hingegen nicht erreicht. Der Gutachter weist darauf hin, dass auch diese Annahme unter sehr konservativen Bedingungen erfolgt (Lage in Hauptwindrichtung, geringe Windgeschwindigkeit, 100% Gasinhalt im Gärrestebehälter). Dieses Ergebnis wird durch das vom Kläger vorgelegte Gutachten Dr. H. bestätigt. Danach würde der Explosionsdruck sowohl bei einem großen Riss in der Abdeckung (16,5 m Länge) als auch bei einem Komplettversagen der gesamten Dachhaut keine massiven Schäden hervorrufen, könne aber zu Glasbruch und Schäden an Dächern führen; Personen könnten von der Druckwelle eventuell umgeworfen werden.
94 
Der Senat vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger im Falle einer Explosion einer gefährlichen Wärmestrahlung ausgesetzt wird. Eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung unabhängig von der Einwirkungsdauer der Wärmestrahlung besteht nur für Personen, die sich innerhalb der gezündeten Gaswolke befinden. Nach den plausiblen Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Z. besteht diese Gefahr für auf dem Grundstück des Klägers befindliche Personen nicht. Der Gutachter hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, dass der Rand der gezündeten Gaswolke durch die untere Explosionsgrenze gekennzeichnet wird, die auf dem Grundstück des Klägers nicht erreicht wird. Die zündfähige Gaswolke breite sich nicht mehr als 20 m aus und auch dies nur in der Höhe und nicht in Bodennähe. Dies entspreche auch den Erfahrungen bei anderen Anlagen. Wie ausgeführt, hat der Sachverständige Dipl.-Ing. Z. die abweichende Annahme im Gutachten Dr. H, wonach die Gaswolke eine Reichweite von 123 m erreiche, überzeugend widerlegt. Auch eine unzumutbare Gefährdung durch die Wärmestrahlung ist nicht anzunehmen. Nach dem Gutachten des TÜV Nord vom 16.08./10.10.2013 ist die Wärmestrahlung zu vernachlässigen. Zwar ergaben sich in der mündlichen Verhandlung Ungereimtheiten im Hinblick auf die Flammengeschwindigkeit im Biogas. Der Gutachter Dipl.-Ing. Z. hat eingeräumt, dass sein Gutachten im Hinblick auf die in seinem Gutachten genannte Flammenfrontgeschwindigkeit von 3,5 m/s. eine falsche Angabe enthält, weil nach derzeitigem Erkenntnisstand von einer Flammenfrontgeschwindigkeit von 20 bis 40 m/s ausgegangen werde. Im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung konnte der Gutachter allerdings nachvollziehbar erläutern, dass sich dieser Fehler nicht zu Lasten des Klägers auf das Ergebnis des Gutachtens ausgewirkt hat. Eine hohe Flammenfrontgeschwindigkeit bewirkt vielmehr, dass die Gaswolke rasch abbrennt; je rascher der Abbrand, desto kürzere Zeit werden Personen außerhalb der Gaswolke einer Wärmestrahlung ausgesetzt. Nach den plausiblen Ausführungen des Gutachters würde die Gaswolke nach einer Zündung bei einer Flammengeschwindigkeit von 20 bis 40 m/s spätestens innerhalb einer Sekunde abgebrannt sein, so dass Betroffene der Wärmestrahlung allenfalls eine Sekunde lang ausgesetzt würden. Dieser Zeitraum sei zu vernachlässigen. Die Grundannahme, dass Wärmestrahlung erst ab einer gewissen Expositionsdauer zu Gesundheitsschäden führt, wird vom Gutachter des Klägers Dr. H. bestätigt. Dieser geht ebenfalls von einer Flammengeschwindigkeit von 20 m/s aus und hat die Gefahren durch die Wärmestrahlung selbst bei Annahme einer Gaswolke mit einer Ausbreitung von 123 m stark relativiert, weil diese innerhalb von 3 bis 6 Sekunden abgebrannt sei und die Zündung innerhalb der ersten zwei Minuten erfolgen müsse. Außerdem sinke die Bestrahlungsstärke im Abstand von 50 m unter 10 kW/m³, was erst bei einer Bestrahlungsdauer von 3 Sekunden zu Schmerzen führe. Auch der Gutachter des Klägers geht mithin im Ergebnis nicht von relevanten Gefahren durch Wärmestrahlung aus.
95 
Bedenken gegen die Verwertbarkeit der Einzelfallbetrachtung des TÜV Nord bestehen nicht. Der Einwand des Klägers, das Gutachten entspreche nicht mehr neueren Erkenntnissen, greift nicht durch. Bei immissionsschutzrechtlichen Drittanfechtungsklagen kommt es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an. Nachträglich eintretende Entwicklungen oder neuere Erkenntnisse sind regelmäßig nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidungen im Nachhinein zu erschüttern, geben aber eventuell Anlass zu nachträglichen Anordnungen (vgl. Senatsurteil vom 14.05.2012 - 10 S 2693/09 - VBlBW 2012, 1637; Senatsbeschluss vom 07.08.2014 - 10 S 1853/13 - NVwZ-RR 2015, 18; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 25.02.2014 - 12 LA 97/13 - juris). Es kann dahinstehen, ob dieser Grundsatz auch dann gilt, wenn - wie hier - ein Widerspruchsbescheid noch nicht ergangen ist. Der Gutachter Z. hat eingeräumt, dass sein Gutachten nicht in jeder Hinsicht der neueren Arbeitshilfe KAS-32 vom November 2014 entspricht. Dies ist aber unschädlich. Denn im Gutachten werden Leckage-Abmessungen zugrunde gelegt, die in ihrem Ausmaß deutlich über das Szenario hinausgehen, das nach der Arbeitshilfe KAS-32 für Störfallbetriebe bei der Bemessung der Achtungsabstände in der Bauleitplanung ohne Detailkenntnisse zugrunde zu legen ist (0,6 m² = 3 m Länge x 0,2 m Rissbreite). Demgegenüber legt der TÜV Nord im Szenario 1 16,25 m x 1m; im Szenario 2 ein Freiliegen von 30 % der Zylinder-Kreisfläche und im Szenario 3 eine Komplettfreisetzung von 100% des Biogases zugrunde, mithin Randbedingungen, die nach der sachverständigen Bewertung der Kommission für Anlagensicherheit als so unwahrscheinlich erscheinen, dass sie in der Bauleitplanung nicht zu berücksichtigen sind. Im Hinblick auf den Gehalt an Schwefelwasserstoff im freigesetzten Biogas bleibt der Gutachter zwar hinter den Annahmen der Arbeitshilfe KAS-32 zurück (100 ppm statt 500 ppm). Der Wert von 500 ppm Schwefelwasserstoff gilt jedoch für die Bemessung der Achtungsabstände in der Bauleitplanung ohne Detailkenntnisse im Sinne der Vorsorge; im vorliegenden Fall liegen jedoch hinreichende Detailkenntnisse über die konkrete Anlage vor, die die Zugrundelegung von 100 ppm Schwefelwasserstoff rechtfertigen (dazu im Einzelnen 2.2.2.2.3).
96 
Auch soweit der Kläger dem Sachverständigen entgegenhält, er sei bei anderen Biogasanlagen von anderen Annahmen ausgegangen oder zu anderen Ergebnissen gelangt, stellt er das Gutachten nicht durchgreifend in Frage. Abgesehen davon, dass eine sachverständige Stellungnahme jeweils auf die Gegebenheiten der konkreten Anlage ausgerichtet ist, ist der Gutachter Dipl.-Ing. Z. den einzelnen Vorhalten des Kläger in der mündlichen Verhandlung überzeugend entgegengetreten.
97 
Nach den vorliegenden Gutachten ist somit auf dem Anwesen des Klägers im Explosionsfall unmittelbar nur mit Sachschäden zu rechnen, wobei allerdings mittelbare Personenschäden etwa durch Glassplitter nicht schlechthin auszuschließen sind. Diese Gefahren sind jedoch nicht hinreichend konkret, um einen Abwehranspruch des Klägers zu begründen. Wie ausgeführt, sind Explosionen durch Zündung einer großen zusammenhängenden Gasmenge nach den vorliegenden Erkenntnissen als Dennoch-Störfall zu betrachten, d.h. auch Sachschäden sind nur bei einer vernünftigerweise auszuschließenden Störung zu befürchten, also bei Versagen aller störfallverhindernden Maßnahmen oder dem unwahrscheinlichen Fall des gleichzeitigen Eintritts mehrerer Störungen. Hinzu kommt, dass die Gutachter - wie ausgeführt - Leckagen angenommen haben, die in ihrem Ausmaß noch deutlich über die nach der Arbeitshilfe KAS-32 bei der Bemessung der Achtungsabstände in der Bauleitplanung ohne Detailkenntnisse zugrunde zu legenden Annahmen hinausgehen und an der Grenze zum exzeptionellen Störfall liegen. Insbesondere der Komplettabriss der gesamten Dachhaut (Szenario 3) wird in der Arbeitshilfe KAS-32 nicht berücksichtigt und wurde von den in der mündlichen Verhandlung anwesenden Gutachtern übereinstimmend als exzeptioneller und daher im einzelnen Genehmigungsverfahren nicht zu betrachtender Störfall eingestuft. Darüber hinaus müssen für den Eintritt der genannten Schäden weitere konservative Randbedingungen wie etwa das Vorhandensein der maximalen Gasmenge und bestimmte Witterungsbedingungen hinzukommen. Die Gefahr von Sachschäden ist danach zwar nicht schlechthin auszuschließen, die Wahrscheinlichkeit, dass eine Explosion diesen Ausmaßes eintritt, ist jedoch als äußerst gering zu bewerten.
98 
Hingegen hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger im Falle einer Gasexplosion keinen konkreten Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt wird, insbesondere wird er aller Voraussicht nach keiner direkten Exposition durch die gezündete Gaswolke ausgesetzt. Das vorliegende Gutachten des TÜV Nord ist nach den vorstehenden Ausführungen in Verbindung mit den ergänzenden Erläuterungen der Sachverständigen Dipl.-Ing. Z. in der mündlichen Verhandlung geeignet, dem Senat insoweit die für die richterliche Überzeugungsbildung erforderliche Sachkunde zu vermitteln. Der vom Kläger aufgezeigte Fehler hat sich nach den letztlich plausiblen Ausführungen des Gutachters auf das Ergebnis des Gutachtens nicht ausgewirkt. Die Einzelfallbetrachtung des TÜV Nord wird auch durch das Gegengutachten Dr. H. nicht durchgreifend in Frage gestellt. Wie ausgeführt, vermag sich der Senat der Annahme, die Gaswolke werde sich 123 m ausbreiten, nicht anzuschließen. Im Übrigen fällt auf, dass selbst nach dem vom Kläger vorgelegten Gutachten Dr. H., dessen Richtigkeit unterstellt, die untere Explosionsgrenze auf dem Grundstück des Klägers nur 60 Sekunden überschritten wird und auf dem Grundstück befindliche Personen allenfalls 3 Sekunden Schmerzen durch Wärmestrahlung verspüren. Hinzu kommt der Umstand, dass eine Explosion bei Einhaltung aller sicherheitstechnischen Standards vernünftigerweise auszuschließen ist, und das von Dr. H. angenommene Szenario im Dennoch-Störfall im Vergleich zu der nunmehr vorliegenden Arbeitshilfe KAS-32 sehr konservativ ist. Der Senat sieht daher auch im Hinblick auf das Ergebnis des Gutachtens von Dr. H. keinen Anlass zur Einholung eines Obergutachtens. Entsprechendes gilt auch in Bezug auf die vom Kläger geltend gemachten Ungereimtheiten der Einzelfallbetrachtung des TÜV Nord. Auch die vom TÜV Nord angenommenen Szenarien liegen an der Grenze zum exzeptionellen Störfall oder überschreiten diese, so dass ein Schadenseintritt äußerst unwahrscheinlich erscheint.
99 
Der Beweisantrag Nr. 1 des Klägers, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber Beweis zu erheben, dass von der streitgegenständlichen Biogasanlage bei Freisetzung von Biogas aus dem Gärrestebehälter eine erhebliche Gefahr aufgrund von Wärmestrahlung oder Auswirkungen einer Druckwelle bei Zündung der Gaswolke und anschließendem Abbrand, bzw. Explosion ausgeht und durch ein solches Ereignis das Leib und Leben des Klägers gefährdet wird, war danach abzulehnen, weil die damit aufgeworfenen Fragen bereits aufgrund der vorliegenden Gutachten hinreichend sachverständig gestützt zu klären waren.
100 
2.2.2.2 Brandgefahren
101 
2.2.2.2.1 Brandschutz
102 
Die angefochtene Genehmigung verstößt nicht zu Lasten des Klägers gegen Bestimmungen des Brandschutzes. Die vernünftigerweise nicht auszuschließenden Brandgefahren sind hinreichend minimiert.
103 
Es kann dahinstehen, inwieweit die vom Kläger in Bezug genommenen Abstandsempfehlungen drittschützend sind. Denn die im Interesse des vorbeugenden Brandschutzes einzuhaltenden Schutzabstände sind gewahrt. Der nach der Technischen Information (TI) 4 „Sicherheitsregeln für Biogasanlagen“ der Sozialversicherung für Landwirtschaft (Stand 1/2013) zur Vermeidung von gegenseitiger Beeinflussung u.a. im Brandfall zu wahrende Abstand zwischen Gasspeichern und nicht zur Biogasanlage gehörenden benachbarten Anlagen, Gebäuden oder Verkehrswegen ist bezüglich des Wohngebäudes des Klägers bei weitem eingehalten. Die Berechnung nach dem Merkblatt M-001 „Brandschutz bei Biogasanlagen“ des Fachverbands Biogas e.V. führt zu dem gleichen Ergebnis. Der Auffassung des Klägers, dass die dort genannten Abstände nicht für Wohngebäude gelten, trifft nicht zu. Die genannten technischen Regelwerke differenzieren nicht zwischen den verschiedenen Nutzungsarten; maßgeblich ist allein, dass ein Gebäude nicht zur Anlage selbst gehört.
104 
Aus dem sog. Abstandserlass des Landes Nordrhein-Westfalen („Immissionsschutz in der Bauleitplanung“, Fassung 2007) lässt sich nichts zu Gunsten des Klägers herleiten. Es trifft zwar zu, dass der Erlass für geschlossene Biogasanlagen einen Abstand von 300 m zu Wohngebieten vorsieht (lfd. Nr. 129). Abgesehen davon, dass der Erlass grundsätzlich den nicht drittschützenden Vorsorgegrundsatz konkretisiert (vgl. Einleitung Seite 8), dient er der planungsrechtlichen Zuordnung von Industrie-/Gewerbegebieten und Wohngebieten und beansprucht keine Geltung für immissionsschutzrechtliche Einzelgenehmigungen (Kap. 3.2). Der Kläger wohnt außerdem nicht in einem geschlossenen Wohngebiet, sondern in einem ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesen im Außenbereich; er kann daher nicht das Schutzniveau eines bauplanungsrechtlich ausgewiesenen Wohngebiets beanspruchen. Zu den empfehlenswerten Abständen im Außenbereich verhält sich der Abstandserlass nicht. Im Übrigen führt der Erlass unter der lfd. Nummer 129 aus, dass der Schutzabstand aus Gründen der Luftreinhaltung und des Schallschutzes erforderlich ist; dem Erlass lässt sich mithin nicht entnehmen, dass der 300-Meter-Abstand aus Gründen des Brand- und Explosionsschutzes für erforderlich gehalten wird.
105 
Das Biogashandbuch Bayern verweist bezüglich der empfohlenen Abstände auf die Bestimmungen der Nrn. 5.4.8.6.1 und 5.4.9.36 TA Luft, die zum einen der Vorsorge dienen und somit nicht nachbarschützend sind. Zum anderen wird darauf hingewiesen, dass die Abstände unterschritten werden können, wenn durch primärseitige Maßnahmen die Geruchsbelästigung gemindert wird (S. 5 letzter Absatz). Die vorgeschlagenen Abstände dürften mithin nicht der Vorsorge gegen Brandgefahren, sondern gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Gerüche dienen.
106 
Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob der Gärrestebehälter den nach den oben genannten Regelwerken erforderlichen Mindestabstand von 6 m zum öffentlichen Verkehrsweg einhält, kann dahinstehen. Nach dem Vortrag der Beigeladenen wird dieser Schutzabstand eingehalten, weil nicht die Grenze des Wegegrundstücks, sondern der tatsächliche Ausbauzustand der Straße maßgeblich sei; dies wird vom Kläger bestritten. Durch die geltend gemachte Verletzung des Mindestabstands zum H. Weg wird der Kläger aber nicht in eigenen subjektiven Rechten verletzt. Die Wahrung dieses Abstands dient dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs bzw. der Sicherheit der Anlage selbst und nicht dem Schutz des ca. 50 m entfernten, an der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Grundstücks des Klägers und seiner Bewohner.
107 
Im Übrigen werden in der sicherheitstechnischen Stellungnahme der proTerra GmbH vom 28.02.2013 umfangreiche Anforderungen an den baulichen, organisatorischen und abwehrenden Brandschutz gestellt. Das Brandschutzkonzept ist nach Abschnitt III C Nr. 1 der Änderungsgenehmigung vom 05.04.2013 Teil der angefochtenen Genehmigung und von der Beigeladenen vollständig umzusetzen und wurde mit Anordnung des Landratsamts vom 17.07.2013 um die Hinweise und Empfehlungen aus der Sicherheitstechnischen Vorprüfung vom 10.05.2013 ergänzt. Die Einhaltung dieser Anforderungen wurde bei der Schlussabnahme durch den Prüfbericht des TÜV Nord vom 13.06.2014 schriftlich bestätigt. Insbesondere der Blitzschutz ist mittlerweile installiert (Prüfbericht TÜV Nord vom 13.06.2014). Der Kläger hat keine belastbaren Anhaltspunkte aufgezeigt, dass das Brandschutzkonzept nicht den rechtlichen Anforderungen entspricht.
108 
2.2.2.2.2 Störfall
109 
Nach der Arbeitshilfe KAS-32 sind die toxischen Auswirkungen des Abbrands eines Foliendaches nicht zu betrachten, weil aufgrund der Wärmefreisetzung eine deutliche Überhöhung der Brandwolke und damit eine geringe Gaskonzentration in Bodennähe zu erwarten ist oder die Abbrand- und Gasbildung so gering ist, dass keine für den angemessenen Abstand relevanten Immissionskonzentrationen in Bodennähe auftreten. Auch nach dem vom Kläger vorgelegten Gutachten Dipl.-Phys. S. ist die toxische Einwirkung durch Chlorwasserstoff im Brandfall als nachrangig zu behandeln, weil - wie auch im vorliegenden Fall - nur schwer entflammbare Folien verwendet würden (vgl. S. 7).
110 
Im Gutachten des TÜV Nord vom 16.08./10.10.2013 wird zwar als Dennoch-Störfall das Szenario „Gleichzeitiger Abbrand der gesamten Dachhaut des Gärrestebehälters“ betrachtet. Die Auswertung dieses Brandszenarios ergab aber, dass die auftretende Wärmestrahlung von geringer Bedeutung ist. Ein Übergreifen von Bränden auf das Grundstück des Klägers erscheint daher hinreichend ausgeschlossen. Toxische Gefahren durch Dioxin und Kohlenmonoxid wurden vom Gutachter nicht angenommen. Beim Abbrand der PVC-Folien entsteht aber das giftige Gas Chlorwasserstoff. Nach dem Ergebnis des Gutachtens können Personen, die sich im Freien aufhalten, im Bereich von 50 m ca. 15 Minuten Überschreitungen des AEGL-2-Wert ausgesetzt werden. Der ERPG-Wert für eine 60-minütige Exposition spielt hingegen keine Rolle, weil die Dachhaut spätestens nach 28 Minuten komplett abgebrannt ist.
111 
Diese toxische Gefahr ist aber nicht hinreichend konkret, um einen Abwehranspruch des Klägers zu rechtfertigen. Das Gutachten nimmt eine „Worst-Case“-Betrachtung vor, in dem es mit sehr konservativen Randbedingungen wie etwa der doppelten Menge an Schadstoffen rechnet und außer Acht lässt, dass das Grundstück des Klägers nicht innerhalb der Hauptwindrichtung liegt. Der Gutachter weist ferner darauf hin, dass in geschlossenen Räumen von geringeren Gefährdungen auszugehen ist. Aufgrund der Lage des Wohnhauses des Klägers außerhalb der Hauptwindrichtung und der guten Wahrnehmbarkeit eines großflächigen Brands der Dachhaut sei es gefährdeten Personen außerdem möglich, sich innerhalb von 10 Minuten aus dem gefährdeten Gebiet zu entfernen. Der Kläger hält dem zwar entgegen, dass ein Brand zur Schlafenszeit eventuell nicht rechtzeitig bemerkt werde; Allerdings befinden sich die Bewohner des Grundstücks dann in geschlossenen Räumen, was die Vergiftungsgefahr minimiert.
112 
In der Zusammenschau erscheinen danach die Gefahren im Falle eines Abbrands des gesamten Foliendaches entweder im Hinblick auf die geringe Wahrscheinlichkeit dieses Ereignisses, das zudem das Versagen des gesamten vorbeugenden Brandschutzes voraussetzt, oder im Hinblick auf die Unwahrscheinlichkeit bzw. Vermeidbarkeit eventueller Schadensfolgen als gering.
113 
2.2.2.2.3 Toxische Gefahren durch Schwefelwasserstoff
114 
Der Kläger wird auch keinen unzumutbaren toxischen Gefahren durch Schwefelwasserstoff (H2S) ausgesetzt.
115 
Aus der Ausbereitungsberechnung des TÜV Nord vom 16.08./10.10.2013 ergibt sich, dass am Wohnhaus des Klägers weder im Auslegungsstörfall (Dachhautleckagen verschiedener Größen) noch im Dennoch-Störfall (spontane Freisetzung der größtmöglichen zusammenhängenden Gasmenge durch komplette Entfernung der Dachhaut des Gärrestelagers bei 100%iger Gasfüllung) eine toxische Gefährdung oberhalb des ERPG-2-Wertes für eine einstündige Exposition (30 ppm) oder des AEGL-2-Wertes für zehnminütige Exposition (41 ppm) zu erwarten ist; bei einer Entfernung von 50 m sinkt die Schwefelgaskonzentration unter 10 ppm (0,001 Vol %). Dies steht nicht im Widerspruch zu den vom Kläger in Bezug genommenen Quellen (Merkblatt KAS-12; Internetauftritt der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau u.a.); denn diese schildern die Gefahren von Schwefelwasserstoff durch direktes Einatmen des Gases bei Arbeiten in unmittelbarer Nähe von mit Gülle gefüllten Gruben, Schächten und Behältern, und gehen ohne Detailkenntnis der umstrittenen Anlage von Durchschnittswerten aus. Zu ähnlichen Ergebnissen wie der TÜV Nord gelangt im Übrigen auch das vom Kläger vorgelegte Gutachten von Dr. Ing. H.. Danach werden selbst bei größeren Leckagen (Szenario 1) sowie beim vollständigen Versagen der gesamten Dachhaut (Szenario 2) die ERPG-2- und AEGL-2-Werte nur kurzfristig (< 2min) überschritten, die maßgeblichen Expositionszeiten von 60 bzw. 10 Minuten werden bei weitem nicht erreicht (vgl. S. 23 f.).
116 
Die Schwefelwasserstoffkonzentration wird auch durch die Erhöhung der Güllemenge mit Änderungsgenehmigung vom 31.10.2013 nicht in einer solchen Weise verändert, dass die o.g. Ausbreitungsberechnungen des TÜV Nord bzw. von Dr. Ing. H. nicht mehr aussagekräftig wären. Die Berechnungen der o.g. Gutachter basieren auf der Annahme, dass in dem in der Anlage erzeugten Biogas während des Fermentationsprozesses Schwefelwasserstoffkonzentrationen von maximal 100 ppm (0,01 Vol %) erreicht werden. Zwar können in Biogas - worauf der Kläger zutreffend hinweist - auch höhere Konzentrationen in Abhängigkeit von den Einsatzstoffen und vom Anlagentyp auftreten. Nach der gutachtlichen Stellungnahme des TÜV Nord vom 28.08.2014 (Gerichtsakte S. 381) und den Ausführungen von Dipl.-Ing. D. in der mündlichen Verhandlung liegen aber hinreichende Detailkenntnisse vor, die auch nach der Erhöhung der Güllemenge die Annahme von 100 ppm H2S im Rohbiogas zulassen. Der Gutachter hat ausgeführt, in allen vier Gasspeichern finde eine biologische Entschwefelung durch Zugabe von Luftsauerstoff statt, der Schwefelwasserstoff in Schwefelsäure und elementaren Schwefel umsetze. Jeweils ein Aggregat fördere Luftsauerstoff in die Fermenter 1 und 2 und in den Nachgärer. Das gesamte Biogas werde durch den Gärrestebehälter geleitet. In der Regel würden bei Anlagen mit überwiegend pflanzlichen Inhaltsstoffen und biologischer Entschwefelung im Durchschnitt Schwefelwasserstoffgehalte unter 200 ppm gemessen. Verfahrenstechnische Ursachen für einen hohen H2S-Gehalt seien etwa fehlende Besiedlungsflächen oder das Aufrühren der Schwimmdecke. Der Gärrestebehälter der Anlage der Beigeladenen biete durch eine Mittelstütze und zahlreiche Spanngurte eine große Besiedlungsfläche; das Substrat werde nur im Falle des Abtransports aufgerührt. Die Anlage werde überwiegend mit Substraten mit einem mittleren Schwefelgehalt, zu denen auch Gülle gehöre, versorgt. Da bei Absinken der pH-Werte unter den neutralen Bereich die Biogasproduktion gestört werde, sei der Anlagenbetreiber gehalten, entsprechende Gegenmaßnahmen zu treffen. Ein schneller Substratwechsel sei daher nicht zu erwarten. Die Einsatzstoffe böten nicht das Potential für eine schnelle Absenkung des pH-Wertes und der damit verbundenen verstärkten Freisetzung von Schwefelwasserstoff. Im Übrigen hätten Messungen der Gaswerte vor dem Aktivkohlefilter ergeben, dass der H2S-Wert im Mittel bei 5,4 ppm liege.
117 
Diese Ausführungen erscheinen schlüssig. Nach den Genehmigungsunterlagen verfügt die Biogasanlage über eine biologische Entschwefelung durch Zuführung von Luft; die Luftzufuhr ist bei Bedarf regelbar. Da Schwefelwasserstoff zu Korrosionen an wichtigen Anlagenteilen führt, haben Anlagenbetreiber grundsätzlich auch ein erhebliches Eigeninteresse an der Senkung des Schwefelwasserstoffgehalts (vgl. etwa Biogashandbuch Bayern, Materialienband Kap.1.5.4.2). Maßgebliches Gewicht kommt aber dem Umstand zu, dass ein Messprotokoll über kontinuierliche tägliche Messungen des Schwefelwasserstoffgehalts vor dem Aktivkohlefilter im Rohbiogas der Anlage über 48 Tage vorliegt, und zwar innerhalb eines Zeitraums, in dem die Güllemenge bereits erhöht war. Die Messungen haben einen Mittelwert von 5,4 ppm ergeben, der Maximalwert für Schwefelwasserstoff lag bei 9 ppm. Der Geschäftsführer der Beigeladenen hat zudem eidesstattlich versichert, dass die täglichen Kontrollen Werte von ca. 2 bis ca. 30 ppm ergäben. Lediglich in Einzelfällen würden kurzzeitig Werte bis 150 ppm gemessen, etwa wenn die Gülle aufgerührt worden sei. Dieser etwa im Frühjahr 2014 gemessene Wert sei aber binnen einer Stunde auf 50 ppm abgesunken. Die Werte seien nach der Abdeckung des Gärrestebehälters nochmals gesunken.
118 
Die Annahme, dass die Schwefelwasserstoffkonzentration auch nach der Erteilung der Änderungsgenehmigung im Mittel deutlich unter 100 ppm bleibt, wird durch das vom Kläger vorgelegte Gutachten der R+D - Sachverständige für Umweltschutz (Dipl.-Phys. S.) nicht überzeugend widerlegt. Der Gutachter nimmt für die Beurteilung der konkreten toxischen Gefahren durch eine Gasleckage während des Normalbetriebs der umstrittenen Anlage einen H2S-Gehalt von 50 bis 2.000 ppm (0,005 bis 0,2 Vol %) an (S. 14). Allerdings könne zur Beurteilung der konkreten Gefahr durch einen gestörten Betrieb ein oberer H2S-Gehalt von 20.000 ppm (2 Vol%) nicht ausgeschlossen werden, auch wenn ein plötzlicher vollständiger Ausfall der biologischen Entschwefelung nicht zu erwarten sei (S. 15). Der Gutachter verfügt jedoch nach eigenen Angaben nicht über Detailkenntnisse bezüglich der streitgegenständlichen Anlage (S. 13) und entnimmt seine Einschätzung Messprogrammen anderer Anlagen, über deren Vergleichbarkeit mit der Anlage der Beigeladenen keine Aussage getroffen werden kann. Im Übrigen hält er einen vollständigen Ausfall der biologischen Entschwefelung selbst für unwahrscheinlich.
119 
Auch die auf den genannten Schwefelwasserstoffgehalten basierenden Ausbreitungsberechnungen des Gutachters Dipl.-Phys. S. begegnen Bedenken. Nicht plausibel sind zunächst die dem Gutachten zugrunde gelegten meteorologischen Daten. Dem Gutachter standen keine Zeitreihen für den konkreten Standort zur Verfügung (S. 19). Es wird daher die ungünstigste Ausbreitungssituation zugrunde gelegt (Windstille und Inversionswetterlage) und ohne nähere Begründung mit Schwachwind-Werten der Messstation Stuttgart-Echterdingen belegt. Demgegenüber hat die Beigeladene - wie ausgeführt - mit den Antragsunterlagen ein meteorologischen Gutachten der Argusoft GmbH (Dipl.-Met. F.) vom 14.12.2013 vorgelegt, wonach am ehesten die Daten der Station Mühlacker mit dem Standort der Anlage vergleichbar sind. Da es hier nicht um eine bauleitplanerische Störfall-Vorsorge, sondern um die Feststellung einer konkreten Gefährdung des Klägers geht, spricht zudem vieles dafür, der Ausbreitungsberechnung nicht die meteorologisch denkbar ungünstigsten, sondern mit dem TÜV Nord mittlere Ausbreitungsverhältnisse zugrunde zu legen.
120 
Darüber hinaus ist bei der Bewertung der gutachtlichen Ausbreitungsberechnungen zu berücksichtigen, dass die Annahme der Eignung einer Anlage zur Hervorrufung konkreter Gefahren im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlmSchG - wie ausgeführt - auch von der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts abhängt. Auch nach den Ausbreitungsberechnungen des vom Kläger vorgelegten Gutachtens Dipl.-Phys. S. treten toxische Gefahren am Wohnhaus aber nur bei einer Kombination sehr unwahrscheinlicher Bedingungen auf (vgl. Tabelle 9 S. 22). So wird eine Überschreitung der maßgeblichen ERPG-2- und AEGL-2-Werte für den Leckagefall 4 (Spontanversagen der kompletten Abdeckung des Gärrestebehälters) angenommen. Der Gutachter stuft das Spontanversagen der kompletten Abdeckung des Gärrestebehälters mit der Folge der Komplettfreisetzung der gesamten Gasmenge aber - in Übereinstimmung mit dem Gutachter des Beigeladenen - als unrealistisch ein und ordnet es dem Katastrophenschutz zu (vgl. TÜV Nord vom 27.08.2014 S. 13; Gutachten Dipl.-Phys. S. vom 19.06.2014 S. 17 unten). Diese Einschätzung wurde von den Gutachtern in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Andere Leckagen verschiedener Größenordnungen werden zwar einheitlich als realistisch eingestuft (Auslegungstörfall). Zu einer Gefährdung des Wohngrundstücks des Klägers gelangt aber auch der Gutachter Dipl.-Phys. S. erst bei der Gas-/Leck-Kombination „G3/L3", d.h. ab einer Schwefelwasserstoffkonzentration von 0,2 Vol % (2000 ppm). Wie dargelegt, gibt es derzeit keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass dieser Wert in der Anlage der Beigeladenen erreicht wird. Im Übrigen zeigen die vom Kläger zum Beleg für toxische Gefahren herangezogenen Ausbreitungsradien nach dem Gutachten Dipl.-Phys. S. die Gas-/Leckage-Kombination G 2/L 4 ; d.h. eine Gaskonzentration von 0,05 Vol % (= 500 ppm) mit einem Komplettversagen der gesamten Dachhaut, also einem nach der Auffassung beider Gutachter vernünftigerweise auszuschließenden Leckage-Szenario. Hinzu kommt, dass das Vorhandensein einer Schwefelgaskonzentration von 500 ppm nach den plausiblen Erläuterungen des TÜV Nord unter Berücksichtigung der Detailkenntnisse und der durchgeführten Messungen ebenfalls als ausgeschlossen, zumindest aber als sehr unwahrscheinlich erscheint. Auch die weiteren Gas-/Leckage-Kombinationen, bei denen das Wohnhaus des Klägers nach der Annahme von Dipl.-Phys. S. toxischen Gefahren ausgesetzt würde, nämlich G 5/L 1, d.h. ei- ne Schwefelwasserstoffkonzentration von 2 Vol % (= 20.000 ppm), sowie G 4 (0,5 Vol % = 5000 ppm)/L 2, sind nach dem oben Gesagten äußerst unwahrscheinlich, was der Gutachter auch einräumt (S. 25 unten). Zusammenschauend setzen die genannten Gas-/Leckage-Kombinationen den gleichzeitigen Eintritt mehrerer betrieblicher Störungen, nämlich das Auftreten erheblicher Leckagen gleichzeitig in beiden Dachmembranen (äußere Wettermembran und innere Gasmembran) bei gleichzeitigem Versagen der biologischen Entschwefelung in Verbindung mit dem Ausfall der betrieblichen Kontroll- und Warnsysteme voraus. Damit wird bei Berücksichtigung der konkreten Störfallszenarien auch durch das vom Kläger vorgelegte Gutachten keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine toxische Gefährdung der Bewohner des Grundstücks H. Weg Nr. ... dargetan.
121 
Nicht zuletzt geht auch das Gutachten von Dipl.-Phys. S. davon aus, dass eine konkrete Gefahr für das nächstgelegene Wohnhaus durch bestimmte technische Maßnahmen sicher verhindert werden könne (S. 27). Nach der Stellungnahme des TÜV Nord vom 27.08.2014 sowie nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, in der die einzelnen Maßnahmen eingehend erörtert wurden, sind die vorgeschlagenen Maßnahmen überwiegend bereits durchgeführt oder aufgrund des ohnehin schon hohen Sicherheitsstandards der Anlage nicht erforderlich. Der Gutachter Dipl.-Phys. S. hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass sein Vorschläge ohne Detailkenntnisse der Anlage erfolgten, und sie dahingehend relativiert, dass man damit jedenfalls auf der sicheren Seite sei. Zum Teil handelt es sich bei den unterschiedlichen Auffassungen der Gutachter auch nicht um sachliche, sondern nur um sprachliche Differenzen oder unterschiedliche Definitionen derselben Standards. Der Senat vermochte sich jedenfalls nicht davon zu überzeugen, dass die von Dipl.-Phys. S. unterstellten Sicherheitslücken die Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gebieten; dem von ihm unterbreiteten Maßnahmekatalog liegt vielmehr - abgesehen von der Unkenntnis der sicherheitstechnischen Standards der Anlage im Detail - eine gewisse überschießende Tendenz zugrunde.
122 
Eine konkrete toxische Gefährdung des Klägers durch entweichenden Schwefelwasserstoff ist nach alldem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
123 
Der Beweisantrag Nr. 3 des Klägers, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber Beweis zu erheben, dass von der Biogasanlage eine erhebliche Gefahr durch toxische Gasausbreitung, insbesondere Schwefelwasserstoff, hervorgeht, war danach abzulehnen. Der Senat sieht keinen Anlass zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, weil nach den eingehenden, nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Gutachten bzw. Stellungnahmen des TÜV Nord eine derartige Gefährdung auszuschließen ist und diese Annahme durch das auf einer rein hypothetischen Grundlage erstellte Gutachten Dipl.-Phys. S. nicht durchgreifend in Frage gestellt wird.
124 
2.2.2.2.4 Gefahren durch auslaufendes Substrat (Havarie u.a.)
125 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Genehmigung wegen einer Gefährdung seines Grundstücks durch auslaufendes Substrat. Etwas anderes folgt insbesondere nicht aus dem vom Kläger vorgelegten Gutachten R+D -Sachverständige für Umweltschutz (Dipl.-Ing. P.) vom 13.06.2014. Dieses Gutachten prüft die Vereinbarkeit der Anlage anhand von wasserwirtschaftlichen Anforderungen, insbesondere anhand der Verordnung des Umweltministeriums über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen vom 11.02.1994 (GBI. 1994, 182) - VAwS - sowie des Merkblatts des Umweltministeriums Baden-Württemberg über „Wasserwirtschaftliche Anforderungen an landwirtschaftliche Biogasanlagen" vom Juni 2006. Diese Regelwerke dienen der Konkretisierung von § 62 WHG i.d.F. vom 31.07.2009 - WHG 2009 - (früher § 19g WHG) über den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (vgl. § 1 VAwS, Vorwort des o.g. Merkblatts). Danach müssen Anlagen zum Lagern, Abfüllen, Herstellen, Behandeln oder Verwenden wassergefährdender Stoffe so beschaffen sein und so errichtet und betrieben werden, dass eine nachteilige Veränderung der Eigenschaften von Gewässern nicht zu besorgen ist. Die in dem Gutachten herangezogenen Vorschriften und Hinweise stellen mithin anlagenbezogene Anforderungen im Hinblick auf den Gewässerschutz. Dieser Normenkomplex ist grundsätzlich nicht nachbarschützend. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz für den Bereich des Wasserrechts - nicht anders als für andere Gebiete des öffentlichen Rechts - grundsätzlich nur aus Rechtsvorschriften ableiten, die das individuell geschützte private Interesse Dritter und die Art der Verletzung dieser Interessen hinreichend deutlich erkennen lassen (grundlegend BVerwG, Urteil vom 15.07.1987 - 4 C 56/83 - BVerwGE 78, 40, m.w.N.). Der Schutz des Grundwassers erfolgt im Allgemeinen im Interesse der öffentlichen Wasserversorgung. Damit dienen entsprechende Bestimmungen dem Schutz der Allgemeinheit und nicht dem Schutz der Rechte Einzelner (vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 23.06.2014 - 2 A 104/12 - juris; BayVGH, Beschluss vom 24.03.2009 - 22 ZB 07.224 - juris; anders nur für Trinkwasserversorgungsunternehmen als Träger wasserwirtschaftlicher Gemeinwohlbelange: OVG Lüneburg, Urteil vom 05.09.1996 - 3 I 7866/94 - juris, m.w.N.). Soweit der Kläger der Sache nach die Verletzung von Vorschriften des Wasserrechts rügt, kann daraus mithin keine subjektive Rechtsverletzung folgen.
126 
Auch in der Sache können die vom Sachverständigen Dipl.-Ing. P. gerügten Mängel im Hinblick auf die Ausführung und Dichtheit der Rohrleitungen und Behälter, die Rissbreitenbeschränkung und die Abdeckung des Umschlagsplatzes der Genehmigung nicht entgegengehalten werden. Es trifft zwar zu, dass der wasserrechtliche Besorgnisgrundsatz des § 62 WHG i.V.m. §§ 3, 12 VAwS grundsätzlich eine nicht nur einwandige, sondern doppelwandige Ausführung von unterirdischen Rohrleitungen und Behältern gebietet. Das Landratsamt hat aber aufgrund einer fachtechnischen Prüfung mit Bescheid vom 12.08.2014 mittlerweile eine Ausnahme nach § 7 Abs. 2 VAwS im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 62 WHG 2009/ § 19 g Abs. 1 bis 3 WHG a.F. zugelassen. Dies ist nicht zu beanstanden, weil nach dem Vorwort des Merkblatts „Wasserwirtschaftliche Anforderungen an landwirtschaftliche Biogasanlagen“ vom Juni 2006 Biogasanlagen eine Erleichterung nach § 7 Abs. 2 VAwS erhalten sollen. Soweit der Gutachter die in der Genehmigung festgesetzte Rissbreitenbeschränkung von 0,3 mm beanstandet und eine Beschränkung auf 0,2 mm für geboten hält, hat der Beklagte Nachweise vorgelegt, dass im vorliegenden Fall konkret eine Rissbreite von weniger als 0,2 mm eingehalten wird (Anlage C 43). Im Hinblick auf den wasserdichten Belag des Umschlagplatzes räumt der Gutachter selbst ein, dass ein solcher vorhanden ist und eine Aufkantung zur sicheren Ableitung von verschmutztem Wasser in Baden-Württemberg nicht vorgeschrieben ist. Soweit der Gutachter auf dem Standpunkt steht, in der Genehmigung hätte nach der VAwS anstelle einer 12jährigen eine 5jährige Prüfpflicht für unterirdische Anlagenteile mit wassergefährdenden Stoffen festgesetzt werden müssen, lässt er wiederum außer Acht, dass diese Prüfungen dem Gewässerschutz dienen und dem Kläger keine subjektiven Rechte vermitteln.
127 
Wie der Senat im Verfahren 10 S 1510/13 bereits ausgeführt hat, kann der Kläger sich auch nicht darauf berufen, dass keine Umwallung der Anlage angeordnet worden ist. Das Erfordernis einer Umwallung ist allerdings in § 37 Abs. 3 des Entwurfs der Verordnung des Bundes über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) enthalten. Nach § 68 Abs. 10 des Entwurfs sind bestehende Biogasanlagen grundsätzlich innerhalb vom fünf Jahren nachzurüsten. Im Vorgriff auf den Entwurf haben einige Bundesländer die Umwallung von Biogasanlagen bereits vorgeschrieben. In Baden-Württemberg ist dies aber auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht geltendes Recht; im Fall des Inkrafttretens einer Nachrüstungspflicht wird die Behörde indes eine entsprechende Anordnung zu prüfen haben. Selbst wenn aber eine Umwallung im Hinblick auf den genannten Entwurf bzw. die Verwaltungspraxis in anderen Bundesländern bereits Stand der Technik sein sollte - wie der Kläger geltend macht -, hat er keinen Rechtsanspruch auf den Erlass einer entsprechende Nebenbestimmung oder Anordnung, weil auch die einschlägigen Regelungen der geplanten Bundesverordnung - soweit ersichtlich - grundsätzlich dem objektivrechtlichen Schutz des Wassers dienen werden (vgl. § 1 Abs. 1 AwSV Entwurf). In der Begründung zu § 37 Abs. 3 des Entwurfs zur AwSV wird ausgeführt, dass die vorhandene Anlagentechnik nach der Zahl der Unfälle (48 Unfälle in 8 Jahren allein im Landkreis Rottal-Inn) nicht ausreiche, um Unfälle und ein über Kilometer reichendes Fischsterben zu verhindern. Danach ist auch unter Berücksichtigung der Begründung des Verordnungsentwurfs nicht erkennbar, dass § 37 Abs. 3 AwSV über seinen objektiv-rechtlichen Geltungsanspruchs hinaus Drittschutz vermitteln wird.
128 
Subjektive Rechte des Klägers könnten allenfalls insoweit betroffen sein, als eine Umwallung auch die Gefahr einer Überflutung von Nachbargrundstücken im Falle einer Havarie eindämmt. Nach Überzeugung des Senats besteht aber keine hinreichend konkrete Gefährdung des Grundstücks des Klägers durch auslaufendes Substrat. Entgegen der Auffassung des Klägers kann insoweit nicht der wasserrechtliche Besorgnisgrundsatz des § 62 WHG zum Tragen kommen, wonach der bestmögliche Grundwasserschutz geboten ist. Vielmehr bedarf es - wie mehrfach ausgeführt - in Bezug auf den subjektiven Rechtsschutz einer konkreten Gefahr im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2. Alternative BImSchG, d.h. eine Überflutung des Grundstücks des Klägers durch auslaufendes Substrat muss unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinreichend wahrscheinlich sein. In den Jahren 2008/2009 ist ein solches Schadensereignis zwar unstreitig bereits einmal eingetreten. Die Beigeladene hat jedoch unwidersprochen vorgetragen, dass es sich nicht um ein statisches oder sonstiges technisches Problem des Gärrestebehälters, sondern um eine versehentliche Ableitung von verunreinigtem Oberflächenwasser bei Reinigungsvorgängen bzw. um ein unbefugtes Eingreifen Dritter gehandelt habe, wogegen inzwischen durch technische Maßnahmen und einen Entwässerungsplan Vorsorge getroffen sei. Gegen unbefugte Eingriffe Dritter sind mittlerweile Vorkehrungen getroffen worden. Dies wurde durch die Sicherheitstechnische Prüfung des TÜV Nord vom 13.06.2014 (Pos. H5, E6) bestätigt, wonach die Anlage inzwischen umzäunt und mit einer abschließbaren Toranlage versehen; die Betriebsgebäude müssen außerhalb der regulären Betriebszeit verschlossen werden. Die Standsicherheit und Dichtheit der Behälter und der sonst betroffenen Anlagenteile sind auf die maximalen Füllstände und Speicherkapazitäten ausgelegt. Die Behälterwände bestehen nach den gutachterlichen Stellungnahmen aus praxiserprobtem Stahlbeton bzw. Edelstahl. Die Statik des Gärrestebehälters ist geprüft worden (Bautechnischer Prüfbericht Prof. Dr.-Ing. F. vom 30.04.2013). Mit Nachtragsprüfbericht vom 05.11.2013 (Prof. Dr.-Ing. F.) wurde insbesondere auch die zusätzliche Belastung des Gärrestebehälters durch das Tragluftdach berücksichtigt. Danach können die Zusatzlasten von der früher eingebauten Bewehrung und von der Bodenplatte mittels eines zusätzlichen Sockels aufgenommen werden. Ab 30 kg/m² Schneelast (15 cm Schneehöhe) ist das Tragluftdach allerdings von Schnee zu befreien. Der Prüfstatiker führt aus, dass aufgrund der regelmäßigen Temperatur zwischen den Folien von 8°- 12° Celsius grundsätzlich von einem Abschmelzen bzw. Abrutschen des Schnees ausgegangen werden könne. Ein Temperaturfühler sei nicht erforderlich, wenn eine sofort einsetzbare mechanische Schneeräumung vorhanden sei. Die Durchführbarkeit des Schneeräumkonzepts der Beigeladenen mittels eines mobilen Kranwagens wurde anlässlich der Bauabnahme überprüft (Gerichtsakte Band II, Anlage C 31). Der Sachverständige Dipl.-Ing. D. hat in der mündlichen Verhandlung ergänzend ausgeführt, dass ihm bei seinen Recherchen nur zwei Fälle bekannt geworden sind, in denen Schneeräumungen erfolgt sind; dabei sei von der Feuerwehr ein ähnliches Schneeräum-Konzept, wie es die Beigeladene habe, angewandt worden. Der Sachverständige hat ferner schlüssig ausgeführt, dass Gefahren durch Schneelasten nicht plötzlich auftreten, sondern sich zunächst durch Verformungen der Dachhaut ankündigen und optisch gut wahrnehmbar sind. Es bestehe daher hinreichend Zeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Eine Havarie oder ein Aufreißen der Dachmembran in Folge von Schneelast sei ihm nicht bekannt. Diese Ausführungen werden bestätigt durch das von der Beigeladene im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 10 S 1510/13 vorgelegte Gutachten G., wonach die Schneeräumung über eine vor Ort verfügbare Arbeitsbühne mit entsprechendem Hilfsmaterial gegenüber einer Schneeräumung mittels einer fest installierten Schlagleine gleichwertig und technisch durchführbar sei. Es komme nicht zu einem schlagartigen Zusammenbruch der gesamten Einheit, sondern zu einem langsamen Einsinken und Ablagern auf der Unterkonstruktion.
129 
Der in Ziff. 3.1.4.1 des Merkblatts „Wasserwirtschaftliche Anforderungen an landwirtschaftliche Biogasanlagen" vom Juni 2006 sowie in der Sicherheitstechnischen Vorprüfung geforderte Anfahrschutz durch eine Leitplanke zum Schutz gegen mechanische Beschädigung ist mittlerweile errichtet und durch die Vorlage von Plänen und Fotografien nachgewiesen worden. Entgegen der Auffassung des Klägers hält der Senat den Anfahrschutz im Hinblick auf die Verkehrsverhältnisse für ausreichend. Auf dem angrenzenden H.-Weg besteht eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 40 km/h; der Durchfahrtsverkehr ist grundsätzlich auf Fahrzeuge bis 6 t beschränkt und nur für den landwirtschaftlichen Verkehr und für Anlieger freigegeben. Die Errichtung der Leitplanke erfolgte im Übrigen nach Überprüfung und im Einvernehmen mit dem TÜV Nord.
130 
Schließlich sind die Behälter vor Inbetriebnahme auf ihre Dichtigkeit geprüft worden und auch künftig in regelmäßigen Intervallen auf Leckagen Undichtigkeiten und Korrosion hin zu überprüfen. Danach ist ein Auslaufen von Substrat durch das Versagen von Behälterwänden vernünftigerweise auszuschließen.
131 
Der vom Kläger geforderte Anfahrschutz für die Stütze des Galgens und den Kontrollschacht erscheint hingegen nicht erforderlich, weil diese Anlagenteile nach dem nicht substantiiert bestrittenen Vortrag der Beigeladenen kein Substrat enthalten. Auf die zwischen den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung umstrittene Frage, ob der Galgen bei Nichtgebrauch regelmäßig zu Seite geklappt wird, kommt es danach nicht entscheidungserheblich an. Außerdem sind auch gegen das Auslaufen von Substrat durch das Versagen anderer Anlagenteile als der Behälterwände, wie es vom Kläger in der mündlichen Verhandlung in den Vordergrund gerückt wurde, zahlreiche Vorkehrungen getroffen worden. So ist eine Unterfüllsicherung installiert worden, die auf ein außerplanmäßiges Absinken des Behälterfüllstands anspricht und über das Kommunikationssystem das Betriebspersonal informiert. Außerdem ist die weitere Entnahme von flüssigem Substrat aus dem Gärrestespeicher entweder durch einen automatischen Schieber am Saugstutzen, der bei Unterdruck sowie bei Unterschreiten eines Mindestfüllstands von 0,40 m schließt, oder durch eine dauerhaftes Verschließen des Saugstutzens zu verhindern (vgl. Anordnung vom 17.07.2013, Hinweis Nr. 11). Die Entnahmepumpe ist auf eine Förderdauer von 2,5 Minuten (Zeitdauer einer Fassbefüllung) begrenzt; ab 22 Uhr wird die Stromzufuhr zur Förderpumpe automatisch unterbrochen. Das Bedienungsfeld der Pumpe befindet sich 5 m über Grund und wird nach jedem Pumpeneinsatz mit einem Sicherheitsschloss gegen unbefugte Benutzung gesichert. Eine Füllstandsüberschreitung wird durch die Überfüllsonde registriert, was eine Störmeldung auslöst bei gleichzeitiger Unterbindung der weiteren Substratzufuhr (vgl. zum Ganzen Sicherheitstechnische Vorprüfung des TÜV Nord vom 10.05.2013). Damit sind zahlreiche technische Vorkehrungen gegen das Auslaufen von Substrat infolge von Versagen der Behälterwänden oder sonstigen Anlagenteilen, Überfüllung oder Eingreifen Unbefugter getroffen worden. Bedienungsfehler sind durch entsprechende Betriebsanweisungen und die Unterweisung und Schulung des Personals zu minimieren, wie es bereits in der Sicherheitstechnischen Stellungnahme der proTerra GmbH vom 28.02.2013 sowie in der Sicherheitstechnischen Vorprüfung des TÜV Nord vom 10.05.2013 gefordert wird. Insgesamt ist die Wahrscheinlichkeit eines Substrataustritts oder einer Überfüllung nach der genannten Stellungnahme des TÜV Nord als gering zu bewerten (S. 33 ff.). Allenfalls bei grober Fahrlässigkeit, etwa dem Abreißen von Leitungen, ist danach ein Substrataustritt denkbar. Eine Gefahr von Leib und Leben entsteht hierdurch aber nicht, weil frühzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können, wie etwa Schließen des Schiebers oder durch Umpumpen des Substrats in andere Behälter. Im Übrigen ist das Dachprofil des H.-Wegs nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Landratsamts mittlerweile erhöht und entlang der Grundstücksseite des Klägers aufgekantet worden; dies dürfte auslaufende Gülle jedenfalls in einem bestimmten Umfang vom Grundstück des Klägers fernhalten.
132 
Nach alldem kann ein Abwehranspruch des Klägers im Hinblick auf die Gefahr eines Substrataustritts nicht angenommen werden. Diese Gefahr ist durch sicherheitstechnischen Vorkehrungen hinreichend minimiert; selbst im Schadensfall besteht keine Gefahr für Leib und Leben des Klägers. Die vom Kläger vorgelegte Untersuchung von Dr. K. vom 10.09.2014 zu den Risiken eines Substrataustritts ist nicht geeignet, eine andere Einschätzung zu rechtfertigen. Abgesehen davon, dass der Gutachter nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung von der Fachrichtung her Chemiker und kein nach § 29a BImSchG bekanntgegebener Sachverständiger ist, mag seine Stellungnahme zwar veranschaulichen, dass es bei Biogasanlagen häufig zu Störungen und Unfällen kommt, die zum Auslaufen von Gülle führen. Die konkrete Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines solchen Schadensereignisses in der hier umstrittenen Anlage der Beigeladenen wird durch das Gutachten aber nicht plausibel belegt; der Autor weist selbst darauf hin, dass einige Unsicherheiten bestehen, weitere quantitative Untersuchungen erforderlich seien und eine Risikomatrix geschulten Fachleuten vorbehalten bleiben müsse (S. 14, unten, S. 17, S. 18 unten). Nicht plausibel erscheint insbesondere die Risikomatrix in Abbildung 4 des Gutachtens, wonach eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit (W 3) dafür bestehe, dass es im Falle einer Havarie Leichtverletzte geben werde. In dem Gutachten wird die Gefahr einer Gesundheitsbeeinträchtigung nicht überzeugend begründet. Gefahren für Leib und Leben sowie Hab und Gut im Fall eines Gülleaustritts werden vom Gutachter ohne weiteres unterstellt, so dass eine zuverlässige Aussage zum Schadensausmaß nicht getroffen wird. Das Gutachten enthält auch keine überzeugenden Erläuterungen zur Eintrittswahrscheinlichkeit einer Havarie bei der konkreten Anlage. Der Gutachter rechnet mit einer nicht näher begründeten Eintrittswahrscheinlichkeit von 1 zu 2500, die er wohl statistisch herleitet. Konkrete Störfallszenarien im Hinblick auf die Ursachen von Störungen und den Umfang der hierbei zu erwartenden Schäden durch auslaufende Gülle werden in die Schadensprognose nicht einbezogen. Der Gutachter unterstellt weiter zu Unrecht, dass das Grundstück in einem Hochwasserschutzgebiet liege; ferner findet eine belastbare Fehlerdiskussion nicht statt.
133 
Der Beweisantrag Nr. 2 des Klägers, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber Beweis zu erheben, dass von der Biogasanlage eine erhebliche Gefahr bezüglich eines Substrataustritts besteht und dadurch Leib und Leben des Klägers gefährdet wird und daher zwingend eine Umwallung und ein Anfahrschutz anzubringen ist, um diese Gefahren zu minimieren, war nach den vorstehenden Ausführungen abzulehnen. Wie ausgeführt, hat der Kläger keinen subjektiven Rechtsanspruch auf Maßnahmen wie Umwallung und (weiteren) Anfahrschutz, die in erster Linie dem objektiv-rechtlichen Gewässerschutz dienen; im Übrigen liegen ausreichende Erkenntnisse und sachverständige Stellungnahmen vor, wonach hinreichende Vorkehrungen gegen ein Auslaufen von Substrat getroffen worden sind. Das vom Kläger vorgelegte Gutachten stellt dies nicht durchgreifend in Frage, weil es sich mit den Sicherheitsstandards der konkreten streitgegenständlichen Anlage nicht auseinandersetzt. Der Senat sieht daher keinen Anlass zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Bei der unter Beweis gestellten Tatsache handelt es sich ferner um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag, weil der Kläger gleichsam ins Blaue hinein behauptet, an Leib und Leben gefährdet sein. Auslaufendes Substrat mag zwar auf dem Grundstück des Klägers zu Sachschäden führen; es ist aber nicht ersichtlich und vom Kläger auch in keiner Weise substantiiert worden, dass hierdurch Gefahren für Leib und Leben von Personen entstehen, die sich auf dem Grundstück aufhalten. Selbst wenn von dem Substrat beim Einatmen in nächster Nähe toxische Gefahren ausgehen sollten, können sich Betroffene ohne weiteres rechtzeitig entfernen. Schließlich handelt es sich bei der Frage, ob die Gefahr erheblich ist, nicht um eine dem Beweis zugängliche Tatsache, sondern um eine vom Gericht zu beantwortende Rechtsfrage.
134 
2.3. Bauplanungsrecht
135 
Die Änderungsgenehmigung vom 31.10.2013 verstößt auch nicht gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG, die dem Schutz der Nachbarn zu dienen bestimmt sind.
136 
Nicht entscheidungserheblich ist im vorliegenden Nachbarstreit, ob eine Privilegierung des Vorhabens der Beigeladenen nach § 35 Abs. 1 BauGB anzunehmen ist; insoweit ist allein maßgeblich, ob das Vorhaben der Beigeladenen hinsichtlich der ihm zuzurechnenden Auswirkungen auf schutzwürdige Interessen des Klägers die gebotene Rücksicht nimmt. Der Nachbar erlangt eine schutzwürdige Abwehrposition nämlich nicht allein dadurch, dass das auf dem Nachbargrundstück genehmigte Vorhaben wegen Beeinträchtigung öffentlicher Belange, die nicht dem Schutz privater Dritter zu dienen bestimmt sind, nach § 35 Abs. 3 BauGB unzulässig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.1993 - 4 C 5/93 - NVwZ 1994, 686; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 31.07.2008 - 1 LA 39/08 - a.a.O.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.10.2009 - 1 A 10898/07 - juris).
137 
Nach den Ausführungen unter 2.2. kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung des nachbarschützenden Rücksichtnahmegebots berufen. Das Bauplanungsrecht stellt keine strengeren Anforderungen an die Zumutbarkeit bestimmter Immissionen als das Immissionsschutzrecht (st. Rspr., vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74/78 - juris). Da das Vorhaben nicht der Störfall-Verordnung unterliegt, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Biogasanlage unter störfallrechtlichen Gesichtspunkten rücksichtslos an die Wohnnutzung des Klägers heranrückt. Im Übrigen wurde die immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt, bevor die Baugenehmigung und Nutzungsänderung des Klägers beantragt wurde. Die nunmehr geduldete Wohnnutzung des Klägers kann daher nicht von vorneherein als vorrangig gegenüber dem heranrückenden Betrieb betrachtet werden. Schließlich kann die Beigeladene weder auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 1 GG noch von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO auf einen anderen, für den Kläger aus immissionsschutzrechtlicher Sicht günstigeren Standort verwiesen werden, wenn von der geplanten Biogasanlage keine unzumutbaren Einwirkungen ausgehen. Ergibt die immissionsschutzrechtliche Prüfung, dass die von der Anlage ausgehenden Belastungen an dem von dem Betreiber gewählten Standort zumutbar sind, muss der Nachbar diese auch dann hinnehmen, wenn es einen ihn noch stärker schonenden Alternativstandort gibt. Denn die immissionsschutzrechtliche Prüfung ist ebenso wie die baurechtliche Prüfung an der Standortentscheidung des Anlagenbetreibers bzw. Bauherrn ausgerichtet und hieran gebunden. Der Anlagenbetreiber bestimmt das Vorhaben, dessen Zulässigkeit dann auf der Grundlage der eingereichten Antragsunterlagen von der Behörde zu prüfen ist (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 13.10.1998 - 4 B 93.98 -, UPR 1999, 74 m. w. N. zur Standortbindung im baurechtlichen Verfahren; OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.05.2006 - 7 ME 6/06 - juris).
138 
III. Kosten
139 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im zweiten Rechtszug aufzuerlegen, weil diese im Berufungsverfahren einen Antrag gestellt hat und damit ein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Hingegen wäre es unbillig, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im ersten Rechtszug aufzuerlegen, weil sie im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht keinen Antrag gestellt hat.
140 
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
141 
Beschluss vom 12. März 2015
142 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 47 und § 52 Abs. 3 GKG in Verbindung mit Nrn. 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (veröffentlicht u.a. als Sonderbeilage zur VBlBW, Heft Januar 2014) auf 15.000 EUR festgesetzt.
143 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
27 
Der am 02.04.2015 bei Gericht eingegangene Antrag des Klägers auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO) bleibt ohne Erfolg. Eine Wiedereröffnung ist nur bis zum Erlass der die Instanz abschließenden Entscheidung möglich. Der mit den Unterschriften der Mitglieder des erkennenden Senats versehene Tenor des Urteils ist der Geschäftsstelle am 13.03.2015 übergeben und den Beteiligten am 16.03.2015 per Telefax übermittelt worden ist. Damit war das Urteil wirksam und für den Senat bindend (vgl. Stuhlfauth, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 116 Rn. 10). Der Senat war zur Niederlegung und Bekanntgabe des Tenors zu diesem Zeitpunkt auch berechtigt; eine Schriftsatzfrist ist dem Kläger nicht eingeräumt und von ihm auch nicht beantragt worden. Im Übrigen besteht auch in der Sache kein Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (dazu unten 2.2.2.1.2 ).
28 
Die hilfsweise beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das Urteil des Senats nicht rechtskräftig ist (§ 153 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen ist auch kein Restitutionsgrund ersichtlich.
29 
Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen sind nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere fristgerecht und unter Stellung eines Antrags begründet worden (§ 124 Abs. 6 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die Berufungen sind auch begründet. Die Klage ist zwar zulässig (dazu I.), aber unbegründet (dazu II.). Die Klage ist daher unter Änderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts insgesamt abzuweisen.
30 
I. Zulässigkeit der Klage
31 
Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für die gemäß § 125 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 91 VwGO auch noch im Berufungsverfahren statthafte Klagänderung. Die Klagänderung ist nach § 91 Abs. 1 VwGO zulässig, weil die übrigen Beteiligten eingewilligt haben. Sie ist darüber hinaus aus prozessökonomischen Gründen sachdienlich. Die geänderte Klage erfüllt alle Sachurteilsvoraussetzungen. Zwar kann eine Klagänderung nach bislang überwiegender Auffassung durch den obsiegenden Kläger in der Berufungsinstanz nur im Wege einer Anschlussberufung nach § 117 VwGO erfolgen. Das Bundesverwaltungsgericht hat aber in jüngster Zeit offen gelassen, ob die Annahme zutrifft, dass eine Klageänderung i.S.v. § 91 VwGO im Berufungsverfahren nach einem stattgebenden Urteil erster Instanz nur im Wege einer rechtzeitig eingelegten Anschlussberufung nach § 127 VwGO vorgenommen werden kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 23.09.2010 - 7 C 20/09 - juris; sowie vom 04.12.2014 - 4 C 33.13 - juris). Nach Auffassung des Senats ist zumindest in der vorliegenden Fallkonstellation keine Anschlussberufung erforderlich, weil der Beklagte den in erster Instanz angefochtenen Verwaltungsakt während des Berufungsverfahrens modifiziert und teilweise ersetzt hat. Das Gebot der Waffengleichheit und Billigkeit gebietet es daher, dem Kläger die prozessuale Möglichkeit einer Konkretisierung seines Klagantrags im Hinblick auf die aktuelle Fassung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung einzuräumen, ohne an die Form- und Fristerfordernisse einer Anschlussberufung nach § 127 VwGO gebunden zu sein. Sofern auch in solchen Fällen eine Klagänderung nur im Wege einer Anschlussberufung erfolgen kann, hat der Kläger diese jedenfalls mit Schriftsätzen vom 02.09.2013 und 14.02.2014 eingelegt. Er hat damit eindeutig erkennen lassen, dass er über die Zurückweisung der Berufungen hinaus eine Einbeziehung der Änderungsgenehmigungen in das Berufungsverfahren anstrebt. Die Anschlussberufung muss nicht ausdrücklich als solche bezeichnet sein (BVerwG, Urteil vom 23.09.2010 - 7 C 20/09 - a.a.O. m.w.N.). Der Kläger konnte im September 2013 und im Februar 2014 auch noch in zulässiger Weise Anschlussberufung einlegen. Die Frist des § 127 Abs. 2 Satz 2 VwGO wurde nicht in Lauf gesetzt, weil die Berufungsbegründungsschrift des Beklagten dem Kläger nicht zugestellt worden ist (§ 57 Abs. 1 VwGO). Die Berufungsbegründungschrift der Beigeladenen wurde dem Kläger zwar am 04.07.2013 zugestellt. Die Befristung kann aber nicht für Anschließungen gelten, mit denen auf während des Berufungsverfahrens vorgenommene Prozesshandlungen des Berufungsklägers reagiert wird (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 127 Rn. 14); dies muss erst recht gelten, wenn der Streitstoff durch den Berufungskläger zu Lasten des ursprünglich obsiegenden Klägers verändert wird. Die Beigeladene hat mit - nicht zugestelltem - Schriftsatz vom 31.07.2013 auf das Berufungsvorbringen der Beklagten Bezug genommen und sich damit ein weiteres rechtserhebliches Vorbringen zu eigen gemacht. Auch der Beklagte hat seine Berufungsbegründung durch zusätzlichen rechtserheblichen Vortrag ergänzt, indem er sich mit einem - nicht zugestellten - Schriftsatz vom 30.07.2013 auf die nachträgliche Anordnung vom 17.07.2013 zur Ergänzung der Nebenbestimmungen der Änderungsgenehmigung vom 05.04.2013 berufen hat. Außerdem hat die Beigeladene im Juli 2013 eine weitere immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung beantragt, die von dem Beklagten am 31.10.2013 erteilt wurde und mit der die ursprüngliche Genehmigung erheblich modifiziert wurde. Die zuletzt genannte Genehmigung war Gegenstand der Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 10 S 1510/13 und 10 S 473/14 und wurde von den Beteiligten auch im Berufungsverfahren erörtert; eine Zustellung der diesbezüglichen Schriftsätze ist im Berufungsverfahren nicht erfolgt. Im Hinblick auf diese veränderte Sach- und Rechtslage muss eine Anschließung nach dem Grundsatz der Waffengleichheit noch zulässig sein. Fristen wurden insoweit nicht in Lauf gesetzt.
32 
II. Begründetheit der Klage
33 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Ludwigsburg vom 22.12.2006 in der Fassung der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigungen vom 05.04.2013 und vom 31.10.2013 sowie der nachträglichen Anordnung vom 17.07.2013 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 01.07.2009 verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
34 
Wie der Senat in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bereits ausgeführt hat, findet in einem von einem Dritten angestrengten Rechtsbehelfsverfahren eine objektive Rechtskontrolle nicht statt. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist bei der Anfechtungsklage eines Dritten vielmehr allein die Frage, ob der das Verfahren betreibende Dritte in eigenen subjektiven Rechten im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt wird. Ob der angefochtene Bescheid insgesamt objektiv rechtmäßig ist, ist insofern nicht maßgeblich. Vielmehr ist die Genehmigung allein daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz des um Rechtsschutz nachsuchenden Dritten dienen (st. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 6.10.1989 - 4 C 14.87 - BVerwGE 82, 343).
35 
Rechtsgrundlage für die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Ludwigsburg vom 22.12.2006 in der Fassung der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigungen ist § 6 Abs. 1 i.V.m. § 16 BlmSchG. Danach ist die erforderliche Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden (Nr. 1) und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen (Nr. 2). Der Anlagenbetreiber hat nach § 6 Abs. 1 BImSchG einen Rechtsanspruch auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, sofern die formellen und materiellen Voraussetzungen vorliegen. Lassen sich Genehmigungshindernisse durch Nebenbestimmungen ausräumen, ist die Genehmigung mit diesen Nebenbestimmungen zu erteilen (Jarass, BImSchG, Kommentar, 10. Auflage, § 6 Rn. 42).
36 
1. Verfahrensrecht
37 
Die Genehmigung begegnet keinen durchgreifenden verfahrensrechtlichen Bedenken. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, es hätte eine Neugenehmigung der Anlage erfolgen müssen, weil sich der Gesamtcharakter der Anlage grundlegend verändere. Eine Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte des Klägers ist insoweit nicht ersichtlich. Eine Änderungsgenehmigung unterliegt grundsätzlich den gleichen rechtlichen Voraussetzungen wie eine Erstgenehmigung; insbesondere muss die geänderte Anlage den Anforderungen des § 6 Abs. 1 BlmSchG entsprechen (Jarass, BImSchG, a.a.O., § 16 Rn. 35). Eine Öffentlichkeitsbeteiligung wäre auch im Falle einer vollständigen Neugenehmigung der Anlage nicht erforderlich gewesen, weil diese im vereinfachten Verfahren nach § 19 BlmSchG i.V.m. § 2 Satz 1 Nr. 2, Anhang 1 Nr. 1.2.2.2 Spalte c, Nr. 8.6.3.2 Spalte c 4. BlmSchV i.d.F. vom 02.05.2013 (früher Nr. 1.4 Spalte 2 Buchst. b) aa); Nr. 8.6 Spalte 2 Buchst. b)) durchgeführt wird. Der Kläger erleidet daher durch die Erteilung der Änderungsgenehmigung anstelle einer Neugenehmigung keinen Rechtsnachteil (vgl. im Einzelnen den im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Senatsbeschluss vom 11.12.2014 - 10 S 473/14 - juris).
38 
2. Materielles Recht
39 
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlmSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese Bestimmung ist für Nachbarn drittschützend (st. Rspr., vgl. etwa Senatsurteil vom 20.07.2011 - 10 S 2102/09 - juris; OVG NRW, Urteil vom 09.12.2009 - 8 D 6/08.AK - juris). Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass dies nicht nur für den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, sondern auch für die Abwehr sonstiger Einwirkungen im Sinne der 2. Alternative des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlmSchG gilt. Die Erfüllung der Grundpflichten des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG muss für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme sowie für die Dauer des Betriebs sichergestellt sein. Diese Bestimmung hat aber nicht die Bedeutung, dass jedes nur denkbare Risiko der Herbeiführung von schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren ausgeschlossen sein muss. Vielmehr müssen Risiken, die als solche erkannt sind, nach den konkreten Umständen des Falles mit hinreichender, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein (grundlegend BVerwG, Urteil vom 17.02.1978 - I C 102/76 - BVerwGE 55, 250; vgl. auch Jarass a.a.O. § 3 BlmSchG Rn. 39). Nach überwiegender Auffassung muss eine konkrete Gefährlichkeit bestehen; eine abstrakte Störqualität genügt nicht (Jarass a.a.O. § 3 BImSchG Rn. 39). Mithin genügt die bloße Eignung von Einwirkungen, einen Schaden herbeizuführen, nicht, um Schutz- und Abwehransprüche nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu begründen. Die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht greift als Instrument der Gefahrenabwehr vielmehr nur ein, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.11.2014 - 7 B 27.14 - juris; Jarass a.a.O. § 6 Rn. 11 m.w.N.). Je schwerwiegender die zu befürchtenden Schäden sind, desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit zu stellen; umgekehrt muss die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts desto höher sein, je geringer die Schadensfolgen sind (Jarass a.a.O. § 3 Rn. 43 m.w.N.). Nach Durchführung der erforderlichen Amtsaufklärung verbleibende Unsicherheiten lassen sich eventuell durch geeignete Nebenbestimmungen kompensieren (Jarass a.a.O. § 6 Rn. 11 f.; § 12 Rn. 8).
40 
Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlmSchG sind nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 BlmSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Welche Beeinträchtigungen dabei als erheblich einzustufen sind, bemisst sich danach, was die Betroffenen an Immissionen nicht mehr hinzunehmen brauchen, weil sie unzumutbar sind (Jarass a.a.O. § 3 Rn. 47 m.w.N.). Den normkonkretisierenden technischen Regelwerken der TA Luft und der TA Lärm kommt, soweit sie den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Hinblick auf Staub und Lärm konkretisieren, im Rahmen ihres Anwendungsbereichs eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu (st. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29.08.2007 - 4 C 2/07 - juris m.w.N.).
41 
Es ist nicht abschließend geklärt, ob schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 1. Alternative BlmSchG nur diejenigen Immissionen sind, die im Normalbetrieb der Anlage entstehen, oder auch diejenigen, die durch Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs oder durch extern ausgelöste Gefahren verursacht werden (so Jarass a.a.O. § 5 Rn. 12 f. Rn. 24; differenzierend Dietlein in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand August 2013, § 5 BlmSchG Rn. 96). Durch Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs oder externe Gefahren hervorgerufene negative Einwirkungen sind aber zumindest den sonstigen Gefahren im Sinne des 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2. Alternative BlmSchG zuzuordnen. Hierzu gehören insbesondere auch Explosions- und Brandgefahren sowie die Gefahr von Flüssigkeitsaustritt oder Überflutungen (Jarass a.a.O. § 5 Rn. 27 f.).
42 
2.1. Schädliche Umwelteinwirkungen bei bestimmungsgemäßem Betrieb
43 
Die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung stellt in ihrer gegenwärtigen Fassung hinreichend sicher, dass durch den Anlagenbetrieb keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Staub, Lärm, Gerüche, Bioaerosole und Formaldehyd hervorgerufen werden.
44 
Die Beigeladene hat mit den Antragsunterlagen zur Änderungsgenehmigung vom 31.10.2013 drei Gutachten der SFI - Sachverständige für Immissionsschutz - (Dipl.-Phys. L.) vorgelegt, wonach auch nach der Erhöhung der Güllemenge keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Staub, Lärm und Gerüche von der Anlage ausgehen. Gegen die Verwertbarkeit dieser Gutachten im vorliegenden Verfahren spricht nicht, dass die Gutachten im Zusammenhang mit einem Antrag der Beigeladenen vom 15.03.2013 auf Erteilung einer Neugenehmigung der Anlage erstellt worden sind, der vorsorglich für den Fall der Aufhebung der Erstgenehmigung gestellt und mittlerweile zurückgezogen wurde. Denn der Neuantrag entsprach im Wesentlichen dem Zustand, den die Anlage nach Erteilung der 2. Änderungsgenehmigung vom 31.10.2013 hat, insbesondere ist die Substratmenge einschließlich des erhöhten Gülleumsatzes identisch. Das Ergebnis der Gutachten wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Abstand zwischen dem Wohnhaus des Klägers und der umstrittenen Anlage mit ca. 70 m angenommen wird, wohingegen der Abstand nach Aktenlage lediglich ca. 50 m beträgt. Ungeachtet dessen, dass diese Abweichung darauf beruhen dürfte, dass entweder vom Mittelpunkt oder vom Rand des Gärrestebehälters gemessen wird, hat die genannte Entfernungsangabe keinen Eingang in die Immissionsprognosen gefunden. Diese beruhen vielmehr auf maßstäblich skalierten topographischen Rasterkarten mit integriertem Lageplan, in dem die betroffenen Anlagen zutreffend wiedergegeben werden (vgl. auch Stellungnahme der SFI vom 11.03.2015). Im Einzelnen:
45 
2.1.1 Staub
46 
Nach Nr. 4.3.1 TA Luft ist der Schutz vor erheblichen Belästigungen oder erheblichen Nachteilen durch Staubniederschlag sichergestellt, wenn die nach Nr. 4.7 ermittelte Gesamtbelastung den Immissionswert von 0,35 g/(m 2.d) im Jahresmittel nicht übersteigt. Nach Nr. 4.3.2 Buchst. b) TA Luft darf die Genehmigung auch bei einer Überschreitung nicht versagt werden, wenn die Kenngröße für die Zusatzbelastung durch die Emissionen der Anlage an diesem Beurteilungspunkt einen Wert von 10,5 mg/ (m2.d) im Jahresmittel nicht überschreitet. Nach dem von der Beigeladenem vorgelegten Gutachten der SFI - Sachverständige für Immissionsschutz - (Dipl.-Phys. L.) vom 02.05.2013 zu „Staubimmissionen im Umfeld der Biogasanlage am Standort K." beträgt die Kenngröße für die Zusatzbelastung weniger als 10,5 mg/ (m2.d). Nach den Ausbreitungsradien liegt der Immissionsort Wohnhaus H. Weg Nr. ... (Wohnhaus des Klägers) nur zu einem geringen Teil im untersten Bereich einer Zusatzbelastung durch Staubdeposition (0,0050 bis 0,0105 g/(m2.d), überwiegend aber außerhalb des Einflussbereichs der Anlage.
47 
Im Hinblick auf die Schwebstaubbelastung nimmt das Gutachten unter Zugrundelegung eines zutreffenden Lageplans eine Überschreitung des Irrelevanzwerts an. Darauf basierend berechnet das Gutachten die Gesamtbelastung unter Berücksichtigung der Hintergrundbelastung nach den Messwerten der LUBW und gelangt zu dem Ergebnis, dass sowohl der Jahresimmissionswert von 40 pg/m2 als auch der Tagesmittelwert von 50 pg/m2 mit 35 zulässigen Überschreitungen (vgl. Nr. 4.2.1 TA Luft Tabelle 1) eingehalten werden.
48 
Substantiierte Einwendungen des Klägers gegen das Gutachten wurden nicht erhoben. Das Gutachten stimmt zudem im Ergebnis mit dem vom Verwaltungsgericht eingeholten Gutachten Dr. D. vom 27.07.2012 überein, wonach - allerdings nach damaligem Genehmigungsstand - von der Anlage keine erheblichen Beeinträchtigungen durch Schwebstaub oder Staubdeposition ausgehen.
49 
2.1.2. Lärm
50 
Der Kläger wird keinen unzumutbaren Lärmimmissionen ausgesetzt.
51 
Wie der Senat bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 10 S 393/13 ausgeführt hat, genießt eine Wohnnutzung im Außenbereich nicht den Schutz der Wohnbebauung in dafür ausgewiesenen Baugebieten nach §§ 3 und 4 BauNVO. Angesichts dessen, dass die Eigentümer von Wohngebäuden im Außenbereich stets damit rechnen müssen, dass sich in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft privilegierte Nutzungen, sowohl land- oder forstwirtschaftlicher als auch gewerblicher Art, ansiedeln, die z.B. in einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig wären, können für eine Wohnnutzung im Außenbereich allenfalls die Schutzmaßstäbe in Anspruch genommen werden, die auch für andere gemischt nutzbare Bereiche einschlägig sind, mithin die für Kern-, Dorf- und Mischgebiete gelten (st. Rspr., vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urteil vom 31.08.1995 - 8 S 1819/95 - BRS 57 Nr. 105, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.05.2006 - 7 ME 6/06 - juris; OVG NRW, Urteil vom 25.03.2009 - 7 D 129/07.NE - juris; BayVGH, Beschluss vom 05.10.2011 - 15 CS 11.1858 - juris). Nach Nr. 6.1 TA Lärm betragen die Immissionsrichtwerte für den Beurteilungspegel für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in Kerngebieten, Dorfgebieten und Mischgebieten tags 60 dB(A) und nachts 45 dB(A). Nach der Schallimmissionsprognose der SFI (Dipl.-Phys. L.) vom 20.03.2013 werden diese Immissionsrichtwerte am Wohnhaus des Klägers als nächstgelegenem Immissionsort tagsüber um 6 dB(A) und nachts um 8 dB(A) unterschritten. Durchgreifende Bedenken gegen die Plausibilität und Verwertbarkeit des genannten Gutachtens sind nicht ersichtlich und werden auch vom Kläger nicht geltend gemacht.
52 
2.1.3 Gerüche
53 
Der Betrieb der umstrittenen Anlage führt auch nicht zu unzumutbaren Geruchsbelästigungen des Klägers.
54 
In der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 22.12.2006 wird der Immissionsrichtwert für die durch die Biogasanlage und durch andere gewerbliche Anlagen verursachten Geruchsimmissionen (Gesamtbelastung) für landwirtschaftliche Anwesen im Außenbereich auf 0,15 (relative Häufigkeiten von Geruchsstunden) festgesetzt. Gegen diese Festsetzung bestehen keine inhaltlichen Bedenken, denn sie entspricht dem Immissionsrichtwert, den die Geruchsimmissions-Richtlinie in der Fassung vom 29.02.2008 und der Ergänzung vom 10.09.2008 - GIRL - für Dorfgebiete empfiehlt (vgl. Tabelle 1). Die GIRL ist eine Richtlinie zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen, die die Bewertung erleichtern soll, ob eine Geruchsimmission als erheblich und damit als schädliche Umwelteinwirkung anzusehen ist; sie konkretisiert mithin die Anforderungen, die sich aus der drittschützenden Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ergeben (vgl. Nr. 1 GIRL, BVerwG, Beschluss vom 22.05.2014 - 7 B 3/14 - juris; BayVGH, Beschluss vom 27.01.2012 - 22 ZB 10.2333 - juris). Bei der tatrichterlichen Bewertung von Geruchsbelästigungen kann die GIRL zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen als zwar rechtlich nicht verbindliche, aber zulässige Erkenntnisgrundlage und Orientierungshilfe herangezogen werden (Erlasse des Umweltministeriums Baden-Württemberg vom 18.06. und vom 17.11.2008, Az. 4-8828.02/87; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 28.07.2010 - 4 B 29/10 - juris; BVerwG, Beschluss vom 07.05.2007 - 4 B 5.07 -, BRS 71 Nr. 168 [2007]; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.04.2010 - 3 S 2786/09 - juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.01.2011 - 8 S 600/09 - juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.10.2009 - 1 A 10872/07 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 27.04.2014 - 22 ZB 13.692 - juris; OVG NW, Urteil vom 30.01.2014 - 7 A 2555/11 - juris m.w.N.). Danach ist mit der Festsetzung eines Immissionswerts von 0,15 Jahresgeruchsstunden, wie er in der GIRL für Dorfgebiete empfohlen wird, hinreichend sicher, dass der Kläger keinen unzumutbaren Geruchsimmissionen ausgesetzt wird. Demgegenüber kann der Kläger nicht den niedrigeren Immissionswert von 0,10 beanspruchen, den die GIRL für Wohngebiete festsetzt. Denn eine Wohnnutzung im Außenbereich genießt - wie ausgeführt - nicht den Schutz der Wohnbebauung in dafür ausgewiesenen Baugebieten nach §§ 3 und 4 BauNVO, sondern allenfalls das Schutzniveau für andere gemischt genutzte Gebiete.
55 
Entgegen der vom Beklagten wohl vertretenen Auffassung kommt dem Anwesen des Klägers aber auch kein geringerer Schutzanspruch als einem landwirtschaftlichen Anwesen zu, weil eine vergleichbare bauplanungsrechtliche Situation besteht. Historisch gesehen handelt es sich bei der Wohnnutzung des Klägers um die Fortsetzung einer ehemals privilegierten Wohnnutzung eines gärtnerischen Anwesens, deren Bestandsschutz zwischen den Beteiligten umstritten ist. Dem Kläger wurde zwar keine Genehmigung für die Nutzungsänderung des Wohngebäudes von ehemals privilegiertem landwirtschaftlichem Wohnen in jetzt nicht landwirtschaftliches Wohnen erteilt; der Beklagte hat diese Wohnnutzung aber schon bisher faktisch geduldet und sich im Verwaltungsrechtsstreit 3 S 452/13 nunmehr im Rahmen eines Vergleichs zur Duldung verpflichtet. Damit ist die Wohnnutzung des Klägers im Hinblick auf ihren Schutzstatus mit dem - ebenfalls im Außenbereich nur ausnahmsweise zulässigen - Wohnen in einem landwirtschaftlichen Anwesen vergleichbar. Für den Außenbereich gibt die GIRL einen allgemeinen Immissionswert allerdings nicht ausdrücklich vor. In Tabelle 1 der GIRL wird für Dorfgebiete ein Immissionswert von 0,15 genannt; in Einzelfällen seien Zwischenwerte von bis zu 0,20 zwischen Dorfgebiet und Außenbereich möglich. Bezüglich des Außenbereichs wird ausgeführt, es sei in Einzelfällen unter Prüfung der speziellen Randbedingungen möglich, einen Wert bis zu 0,25 heranzuziehen, weil das Wohnen im Außenbereich - anders als die landwirtschaftliche Nutzung - nur ausnahmsweise zulässig und mit einem geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Es kann dahinstehen, ob danach von dem Kläger eventuell auch ein höherer Immissionswert hingenommen werden müsste, wie in der Begründung der Genehmigung zwar zum Ausdruck gebracht wird, aber im Tenor nicht verfügt worden ist. Denn der in der Genehmigung festgesetzte Immissionswert von 0,15 Jahresgeruchstundenhäufigkeit kann im Anlagenbetrieb aller Voraussicht nach eingehalten werden. Das von der Beigeladenen vorgelegte Geruchsimmissionsgutachten der SFI vom 13.03.2013 prognostiziert für das Wohnhaus des Klägers eine Zusatzbelastung von 0,8 sowie eine Gesamtbelastung für die Geruchsstundenhäufigkeit von 0,14 (Abb. 5, S. 28 f.); lediglich an der Grundstücksgrenze ergeben sich Geruchsstundenhäufigkeiten von maximal 0,17.
56 
Durchgreifende Bedenken gegen die Richtigkeit des Gutachtens bestehen nicht. Das Ergebnis des Gutachtens stimmt im Wesentlichen mit der Prognose des vom Verwaltungsgericht in Auftrag gegebenen Geruchsgutachtens Dr. D. für den Fall einer gasdichten Abdeckung des Gärrestebehälters überein, dem allerdings noch eine geringere Güllemenge zugrunde lag. Der damals noch offene Gärrestebehälter wurde im Geruchsgutachten Dr. D. mit der längst möglichen Emissionszeit (8.760 h/a) und der zweithöchsten Emissionsfracht (39.242 (MGE/a) angesetzt. Es erscheint plausibel, dass die Beseitigung dieser wesentlichen Geruchsquelle durch Abdeckung zu einer deutlichen Minderung der Geruchsbelastung führt. Außerdem erscheint es plausibel, dass durch den Verzicht auf Gülleanlieferungen an der dem Grundstück des Klägers am nächsten gelegenen Vorgrube 1 eine weitere Geruchsminimierung erfolgt.
57 
Der Einwand des Klägers, das Geruchsgutachten gehe von einer unzutreffenden Windverteilung aus, greift nicht durch. Das Gutachten der SFI legt die Windverteilungsstatistik der Station Mühlacker zugrunde. Dies beruht auf einem eingehenden meteorologischen Standortgutachten der Argusoft GmbH (Dipl.-Met. F.) vom 25.02.2013, wonach am ehesten die Daten der Station Mühlacker mit dem Standort der Anlage vergleichbar sind. Substantiierte Einwendungen gegen das meteorologische Gutachten wurden nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich. Das Ergebnis des meteorologischen Gutachtens erscheint auch deshalb plausibel, weil die Windrose der Station Mühlacker - mit Ausnahme eines dritten Windmaximums aus nördlicher Richtung - im Wesentlichen der synthetischen Windverteilungsstatistik der LUBW für diesen Standort entspricht, wie sie auch vom Gutachter Dipl.-Ing. D. zugrunde gelegt wurde. Beide Windrosen weisen als Richtungsmaximum eine West-Ost-Richtung und eine schwächere Südost-Nordwestrichtung auf, somit liegt das Grundstück des Klägers nicht in der Hauptwindrichtung. Dass es eine „sekundäre Hauptwindrichtung Ost“ gibt, wie der Kläger geltend macht, ist im Geruchsgutachten berücksichtigt worden (vgl. S. 22: „Nebenmaximum aus südöstlicher Richtung mit relativen Häufigkeiten von 4%“). Der vom Kläger beanstandete Umstand, dass diese Windrichtung im Geruchsgutachten als nachrangig betrachtet wird, entspricht dem Ergebnis des meteorologischen Gutachtens. Auch wenn man das dritte Windmaximum der synthetischen Windverteilungsstatistik der LUBW aus nördlicher Richtung berücksichtigt, liegt das Grundstück des Klägers außerhalb der Hauptwindrichtung.
        
58 
Auch der Einwand des Klägers, bei Berücksichtigung des Waschwassers werde der Immissionswert von 0,15 Jahresgeruchsstunden überschritten, greift nicht durch. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 11.03.2015 hat der Gutachter insoweit ausgeführt:
59 
„Sickerwässer, wozu auch die anfallenden Waschwassermengen auf der Waschplatte gehören, werden über die Drainageleitungen in die Vorgrube 1 eingeleitet. Von dort werden sie in den Fermenter gepumpt (s. Geruchsgutachten S. 13, Abschnitt 5.2). Diese Waschwassermengen verursachen bezüglich des Systems Drainage-Vorgrube-Fermenter keine zusätzlichen Geruchsemissionen.
60 
Auf der Waschplatte evtl. entstehende Geruchsemissionen können über ihren Emissionszeitanteil als unbeachtlich eingestuft werden: bei 15 jeweils 45-minütigen Reinigungsvorgängen der Güllefässer ergibt sich ein Emissionszeitanteil von 11,3 Stunden. Wenn man im ungünstigsten Fall davon ausgeht, dass die während der Reinigungsvorgänge freigesetzten Geruchsemissionen am Immissionsort 1 (H. Weg ...) immer wahrnehmbar sind, beträgt der Zeitanteil lediglich 11,3 h / 8760 h = 0,0013 oder 0,13 %, d. h. die Geruchsstundenhäufigkeit, angegeben in Prozent, würde sich im Nachkommabereich um maximal eine Stelle ändern.“
61 
Diesen plausiblen Ausführungen ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Im Übrigen hat der Geschäftsführer der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Reinigungsvorgänge nunmehr teilweise in anderen Betrieben durchgeführt werden, was die hierdurch verursachte Geruchsbelastung weiter reduziert.
62 
Nach alldem sieht der Senat keinen Anlass zur Einholung eines weiteren Geruchsgutachtens. Der Beweisantrag Nr. 4 des Klägers, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber Beweis zu erheben, dass von der Biogasanlage der Beigeladenen eine erhebliche Geruchsbelastung ausgeht, die den Grenzwert der GIRL von 0,15 Jahresgeruchsstunden überschreitet (Beweisantrag Nr. 4), war deshalb abzulehnen. Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens steht gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 ZPO grundsätzlich im tatrichterlichen Ermessen. Sie ist nur dann geboten, wenn die bereits vorliegenden Gutachten nicht den ihnen obliegenden Zweck zu erfüllen vermögen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. In diesem Sinne kann ein Sachverständigengutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht oder wenn sich herausstellt, dass es sich um eine besonders schwierige Fachfrage handelt, die ein spezielles Fachwissen erfordert, das bei den bisherigen Gutachtern nicht vorhanden ist (st. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 28.03.2013 - 4 B 15/12 - juris m.w.N.). So liegt es hier aber nicht. Das in das Verfahren eingeführte Gutachten der SFI vom 13.03.2013 ist - auch im Vergleich mit dem Geruchsgutachten Dr. D. - plausibel und nachvollziehbar und damit geeignet, dem Senat die erforderliche Sachkunde zu vermitteln. Wie ausgeführt, wurde das Gutachten vom Kläger nicht durchgreifend in Frage gestellt. Die Berücksichtigung des Waschwassers hat keine relevanten Auswirkungen. Die im Gutachten zugrunde gelegte Windverteilungsstatistik wird durch ein eingehendes meteorologischen Gutachten untermauert. Grobe Mängel des Gutachtens sind nicht erkennbar. Auch sonst gibt es keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Immissionswert von 0,15 Jahresgeruchsstunden nicht eingehalten werden kann.
63 
2.1.4 Bioaerosole
64 
Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, schädlichen Umwelteinwirkungen durch Bioaerosole (Keime und Endotoxine) ausgesetzt zu werden. Nach der - soweit ersichtlich - einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung löst die von Bioaerosolen potentiell ausgehende Gefährdung keinen von dem Kläger geltend zu machenden Schutzanspruch nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG aus; vielmehr ist sie gegenwärtig nur über das Vorsorgegebot nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG zu berücksichtigen (BVerwG, Beschluss vom 20.11.2014 - 7 B 27.14 - juris; HessVGH, Urteil vom 01.04.2014 - 9 A 2030/12 - juris; BayVGH, Beschluss vom 27.03.2014 - 22 ZB 13.692 - juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.01.2014 - 7 A 2555/11 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.06.2013 - 2 M 16/13 - juris; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.03.2013 - 1 LB 5/12 - juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 19.12.2012 - 1 MN 164/12 - juris). Dem Vorsorgegebot kommt nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich keine drittschützende Wirkung zu, weil die Regelung nicht der Begünstigung eines individualisierbaren Personenkreises, sondern dem Interesse der Allgemeinheit daran dient, potenziell schädlichen Umwelteinwirkungen vorzubeugen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329). Die Bewertung von Bioaerosolen ist weder ein Anwendungsfall der GIRL noch existieren sonstige Normen oder technische Richtlinien, die Anhaltspunkte für einzuhaltende Grenzwerte geben könnten. Zwar gelten Bioaerosole als potentiell schädlich, z. B. als Auslöser von Atemwegserkrankungen und Allergien. Wie ausgeführt, genügt die potentielle Eignung von einwirkenden Luftverunreinigungen, einen Schaden herbeizuführen, jedoch nicht, um einen Schutzanspruch gemäß § 5 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zu begründen. Die immissionsrechtliche Schutzpflicht greift als Instrument der Gefahrenabwehr vielmehr nur ein, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht (BVerwG, Beschluss vom 20.11.2014 - 7 B 27.14 - a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 - BVerwGE 119, 329). Bioaerosole sind bisher nur unzureichend erforscht. Da der aktuelle Kenntnisstand von Umwelthygiene und Umweltmedizin keine hinreichend sicheren Aussagen über die Gefährlichkeit solcher Immissionen für Menschen zulässt, sind die Risiken derartiger Immissionen noch nicht abschließend quantifizierbar. Ausbreitung und kausale Verursachungszusammenhänge sind nicht hinreichend bekannt und es kann keine Wirkschwelle angegeben werden, oberhalb derer mit Gesundheitsschäden beim Menschen zu rechnen ist. Auch die sich verändernde Zusammensetzung der luftgetragenen Bioaerosole und die sich erst allmählich durchsetzende Standardisierung der messtechnischen Erfassung erschweren die Beurteilung der gesundheitlichen Auswirkungen (HessVGH, Urteil vom 01.04.2014 a.a.O.). Aufgrund der Ungewissheit über einen Schadenseintritt können potentiell schädliche Umwelteinwirkungen, bei denen nur ein generelles Besorgnispotential besteht, zwar Anlass für Vorsorgemaßnahmen sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - a.a.O.), begründen aber keinen konkreten Schutz- und Abwehranspruch Dritter im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG.
65 
2.1.5 Formaldehyd
66 
Auch die Rüge des Klägers, dass die Gefährlichkeit des krebserregenden Stoffes Formaldehyd, der bei Verbrennungsmotoren entstehe, nicht berücksichtigt worden und nunmehr unionsrechtlich ein neuer Grenzwert festzusetzen sei, greift nicht durch.
67 
Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass sich ein Abwehranspruch des Klägers nur aus einer Verletzung der Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG, nicht aber aus einer Verletzung der - nicht drittschützenden - Vorsorgepflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG ergeben kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 - a.a.O.). Solange aber für potentiell gesundheitsgefährdende Stoffe keine Immissionswerte bestimmt sind, dienen zur Minimierung des Gesundheitsrisikos erlassene Emissionsgrenzwerte auch dem Schutz eines individualisierbaren Personenkreises im Einwirkungsbereich der Anlage. Im Rahmen des Minimierungsgebots endet die Schutzpflicht regelmäßig dort, wo aufgrund sachverständiger Risikoabschätzung die Irrelevanz einer von der Anlage verursachten Immissionszusatzbelastung durch potentiell gesundheitsgefährdende Stoffe anzunehmen ist (BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19/02 - a.a.O.; Senatsurteil vom 18.12.2001 - 10 S 2184/99 - juris; BayVGH, Beschluss vom 02.06.2014 - 22 CS 14.739 - juris; zweifelnd OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.05.2007 - 11 S 83.06 - juris). Der in der Nummer 5.4.1.4 der TA Luft festgesetzte Emissionsgrenzwert für Formaldehyd ist vor diesem Hintergrund als drittschützend anzusehen (BayVGH, Beschluss vom 02.06.2014 - 22 CS 14.739 - a.a.O.; vgl. auch Senatsurteil vom 18.12.2001 - 10 S 2184/99 - a.a.O.). Zu berücksichtigen ist dabei die potenzielle Gefährlichkeit von Formaldehyd für die menschliche Gesundheit (Krebsrisiko).
68 
Es ist jedoch sichergestellt, dass der derzeit geltende Emissionsgrenzwert eingehalten wird. Nach Nummer 5.4.1.4 TA Luft beträgt der Emissionsgrenzwert für Formaldehyd im Abgas bezogen auf die Massenkonzentration 60 mg/m³. In der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 22.12.2006 wurde dieser Emissionsgrenzwert festgesetzt (Nebenbestimmung D3).
69 
Nach den zum Bestandteil der Änderungsgenehmigung vom 31.10.2013 erklärten Antragsunterlagen hat die Anlage zwar mittlerweile einen Emissionswert von 40 mg/m³ einzuhalten; die Einhaltung dieses Grenzwerts nach Erhöhung der Feuerungswärmeleistung ist innerhalb von 6 Monaten nachzuweisen ist (Nebenbestimmung D1). Mit der Festsetzung des Emissionswertes von 40 mg/m³ soll nach den Erklärungen des Beklagten dem Emissionsminimierungsgebot nach Nr. 5.2.7 TA Luft für als krebserregend eingestufte Stoffe Rechnung getragen werden, das nach Nr. 5.1.1 Abs. 2 Satz 5 TA Luft ergänzend zu den Emissionsgrenzwerten Anwendung findet, und dessen Einhaltung nach dem Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG) gesondert honoriert wird. Der Kläger kann sich aber nicht auf die Einhaltung des Emissionsminimierungsgebots nach Nr. 5.2.7 TA Luft über den Emissionsgrenzwert hinaus berufen, d.h. er kann nicht die Optimierung der Anlage im Hinblick auf die Reduzierung umweltgefährdender Stoffe über die Erfüllung der Mindestanforderungen hinaus verlangen. Gegen eine drittschützende Zielrichtung spricht, dass Nr. 5.2.7 TA Luft ausschließlich der Vorsorge dient, wie sich aus der Einordnung in den 5. Abschnitt der TA Luft ergibt, und nicht auch dem Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, wie die Vorgängervorschrift in der TA Luft 1986 (Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand 2014, Band IV TA Luft Nr. 5.2.7 Rn. 1 f.). Ferner ist es nicht gerechtfertigt, Dritten einen Abwehranspruch zuzubilligen, der noch über die Einhaltung der normierten - grundsätzlich ebenfalls nur der Vorsorge dienenden - Emissionsgrenzwerte hinausgeht. Die Frage des Drittschutzes des Emissionsminimierungsgebots kann aber letztlich dahinstehen, weil die Beigeladene durch die jährlich vorzulegenden Prüfberichte des TV Süd nachgewiesen hat, dass auch der Emissionswert von 40 mg/m³ deutlich unterschritten wird. Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die Verordnung (EG) Nr. 605/2014 geltend macht, im Hinblick auf die unionrechtliche Neuklassifizierung der kanzerogenen Wirkungen von Formaldehyd sei nunmehr ein Emissionsgrenzwert von 1 mg/m³ maßgeblich, verkennt er, dass diese Verordnung erst im Juni 2014, mithin nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung vom 31.10.2013, erlassen wurde. Selbst wenn man wegen des noch offenen Widerspruchsverfahrens auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung abstellen wollte, ist der vom Kläger angenommene Grenzwert - dessen Richtigkeit unterstellt - derzeit noch nicht geltendes Recht.
70 
Der Beweisantrag Nr. 5 des Klägers, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber Beweis zu erheben, dass von der Biogasanlage eine erhebliche Belastung durch Formaldehyd ausgeht, die den Grenzwert von 40 mg/m³ überschreitet, was wiederum Leib und Leben des Klägers gefährdet, ist danach abzulehnen. Die unter Beweis gestellte Tatsachenbehauptung ist rechtlich unerheblich, weil der Kläger wie ausgeführt keinen Rechtsanspruch auf Einhaltung des ausschließlich zur Konkretisierung des Emissionsminimierungsgebots festgesetzten Grenzwerts von 40 mg/m³ hat. Im Übrigen ist durch Vorlage der Prüfberichte des TÜV Süd vom Oktober 2012, vom Januar 2014 und vom November 2014 (Gerichtsakte S. 919 ff.) nachgewiesen, dass der genannte Grenzwert eingehalten wird.
71 
2.2 Negative Einwirkungen im Störfall
72 
2.2.1 Störfallrecht
73 
Der Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung können störfallrechtliche Anforderungen, insbesondere die nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu prüfenden Regelungen der Störfall-Verordnung (12. BlmSchV) nicht entgegengehalten werden. Wie der Senat in den Beschlüssen vom 03.06.2013, vom 18.02.2014 und vom 11.12.2014 im Einzelnen dargelegt hat, handelt es sich bei der umstrittenen Biogasanlage auch in der geänderten Betriebsform nicht um einen Betriebsbereich im Sinne der Störfall-Verordnung (vgl. die Legaldefinition in § 3 Abs. 5 Buchst. a BlmSchG; § 1 Abs. 1 12. BImSchV).
74 
Nach der Sicherheitstechnische Stellungnahme der proTerra GmbH (Dipl.-Ing. (FH) B.) vom 28.02.2013 wird die Mengenschwelle nach Anhang I Nr. 8 Spalte 4 der Störfall-Verordnung von 10.000 kg hochentzündliches Gas bei der geplanten Abdeckung mit einer Höhe der Innenmembran im Kugelsegment von 2 m über Behälterniveau sicher unterschritten. Der Gutachter hat bei seinen Berechnungen das größtmögliche Gasvolumen bei ordnungsgemäßem Betrieb zugrunde gelegt, indem er von dem niedrigsten technisch möglichen Füllstand des Gärrestebehälters von 0,40 cm ausging, und mit einem hohen spezifischen Gasgewicht gerechnet. Für die Umsetzung und den sicheren Betrieb der geplanten Abdeckung werden im Gutachten gerade auch im Hinblick auf die Begrenzung des Gasvolumens zahlreiche Anforderungen - wie etwa die automatische Füllstandsüberwachung - gestellt, die als Nebenbestimmungen in die Änderungsgenehmigung aufgenommen worden sind (vgl. Abschnitt III F Nr.10.). Über eine Betriebsanweisung ist sicherzustellen, dass bei besonderen Betriebszuständen, wie etwa der vollständigen Entleerung zu Wartungszwecken, keine höheren Gasmengen auftreten (Gutachten S. 11 f.; ergänzende Stellungnahme vom 30.04.2013). Die Gasmengenberechnungen des Gutachters Dipl.-Ing (FH) B. wurden sowohl vom TÜV Nord („Sicherheitstechnische Vorprüfung“ vom 10.05.2013 S. 18 f.) als auch in der Stellungnahme der Regierungspräsidiums Stuttgart vom 03.05.2013 nachvollzogen und als richtig bestätigt. Auch nach den Berechnungen dieser Stellen werden die Mengenschwellen der Störfall-Verordnung sicher unterschritten. Der Einwand des Klägers, der Gutachter habe bei seinen auf der Grundlage der Arbeitshilfe des Bundesumweltamtes durchgeführten Berechnungen der vorhandenen Gasmenge die Doppelmembran nicht berücksichtigt, greift demgegenüber nicht durch. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die zugrunde gelegten Behältervolumen unzutreffend sind. Der Kläger verkennt, dass die Tragluft zwischen Innen- und Außenfolie bei bestimmungsgemäßem Betrieb keine hochentzündliche Gasmischung enthält. Die Innenmembran ist nach dem den Antragsunterlagen beigefügten Produktdatenblatt des Herstellers weitgehend gasdicht; im Übrigen erfüllt das Tragluftgebläse gerade die Funktion, im Folienzwischenraum keine hochentzündliche Gasmischung entstehen zu lassen. Bei der Berechnung des Gasvolumens ist daher nicht die Höhe des Kugelsegments der Außenmembran mit 7,5 m, sondern die Höhe der Innenmembran von 2 m maßgeblich. Nach den plausiblen Ausführungen des Gutachters B. (Ergänzende Stellungnahme vom 30.04.2013) entspricht die Geometrie der Innenmembran eher einem Kugelsegment als einem Kegel, so dass bei der Berechnung der relevanten Gasmenge anhand der Arbeitshilfe des Bundesumweltamtes zutreffend von einem Zylinder mit aufgesetztem Kugelsegment und nicht von einem aufgesetzten Kegel ausgegangen worden ist. Nicht zuletzt wurde vor Inbetriebnahme des Gärrestelagers nochmals eine sicherheitstechnische Prüfung durch den TÜV Nord durchgeführt, wobei auch die Unterschreitung der Mengenschwelle der Störfall-Verordnung zu prüfen war.
75 
Auch die Erteilung der Änderungsgenehmigung vom 31.10.2013 führt nicht zur Entstehung eines Betriebsbereichs im Sinne der Störfall-Verordnung, weil die genehmigte Erhöhung der Güllemenge nicht mit einer Erhöhung der im Sinne der Störfall-Verordnung vorhandenen Gasmenge einhergeht. Nach den zum Bestandteil der Änderungsgenehmigung vom 31.10.2013 gemachten Antragsunterlagen sind in der Anlage nach wie vor maximal 9.744 kg Biogas vorhanden; damit wird die Mengenschwelle der Störfall-Verordnung von 10.000 kg für hochentzündliches Gas weiterhin unterschritten. Die Mengenangabe in den Antragsunterlagen erscheint aber auch in der Sache schlüssig, weil bauliche Veränderungen, insbesondere eine Vergrößerung der Gasspeicher der Fermenter, des Nachgärers oder des Gärrestelagers nicht Gegenstand der Änderungsgenehmigung sind. Die Erhöhung der Substratzufuhr und der Produktionskapazität führt daher in erster Linie zu einem höheren Durchsatz der Biomasse. Selbst wenn unterstellt wird, dass hierdurch die vorhandenen Gasspeicherkapazitäten in größerem Umfang ausgenutzt werden, dass sich also im Durchschnitt mehr Gas als bisher in der Anlage befindet, ergeben sich keine Änderungen, denn den vom Regierungspräsidium Stuttgart für plausibel gehaltenen Berechnungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) B. sowie den Berechnungen des TÜV Nord (Sicherheitstechnische Vorprüfung vom 10.05.2013 S. 19) liegt das technisch größtmögliche Gasspeichervolumen bei ordnungsgemäßem Betrieb zugrunde.
76 
Auf das Vorhandsein eines Störfallbetriebs kann auch nicht daraus geschlossen werden, dass die Beigeladene im Hinblick auf die benachbarte Wohnnutzung des Klägers vorsorglich Berechnungen über die Auswirkungen von Dennoch-Störfällen vorgelegt hat, in denen hypothetisch ermittelt wird, ob die im Leitfaden KAS-18 der Kommission für Anlagensicherheit empfohlenen Abstände zwischen Betriebsbereichen im Sinne der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im vorliegenden Fall eingehalten würden (Sicherheitstechnische Vorprüfung des TÜV Nord vom 10.05.2013; Einzelfallbetrachtung vom 16.08.2013/10.10.2013). Die Gutachter haben ausgeführt, dass eine Störfallbetrachtung im Hinblick auf die Gasmenge rechtlich nicht erforderlich sei (vgl. etwa Sicherheitstechnische Vorprüfung S. 41). Auch den vom Kläger vorgelegten Sachverständigengutachten von Dr. H. vom 01.12.2013 und der R+D (Dipl.-Phys. S.) vom Juni 2014 lässt sich nichts anderes entnehmen. Diese Störfallbetrachtungen unterstellen, dass es sich um einen Störfall-Betrieb handelt, ohne darzulegen, dass die maßgeblichen Mengenschwellen entgegen der Annahme der oben genannten sachverständigen Stellen überschritten werden. Soweit der Kläger geltend macht, dass sich der Eintritt von Störfällen, die zur Undichtigkeit der Innenmembran führen können, nicht schlechthin ausschließen lässt, ist darauf hinzuweisen, dass sich die Mengenschwellen der Störfallverordnung auf das in der Anlage bei bestimmungsgemäßem Betrieb vorhandene Gas beziehen, sofern - wie hier - ein außer Kontrolle geratenes industrielles chemisches Verfahren nicht in Rede steht (vgl. § 1 Abs. 1, § 2 Nr. 2 Störfall-Verordnung; Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Band IV, § 2 12. BImSchV Rn. 12).
77 
Handelt es sich mithin nicht um einen Störfallbetrieb, kann der Kläger auch aus § 50 BlmSchG und der hierzu von ihm in Bezug genommenen Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 15.09.2011 - C-53/10 - juris; BVerwG, Urteil vom 20.12.2012 - 4 C 12.11 - juris) nichts zu seinen Gunsten herleiten. Das Abstandsgebot des § 50 BlmSchG gilt nur für Betriebsbereiche im Sinne des Art. 3 Nr. 5 der Richtlinie 96/82/EG (Seveso-Il-Richtlinie), zu deren Umsetzung die Störfall-Verordnung ergangen ist. Die umstrittene Anlage ist wie ausgeführt kein Betriebsbereich im störfallrechtlichen Sinne. Auch der Leitfaden KAS-18 der Kommission für Anlagensicherheit in der Fassung vom 06.11.2013 zur Umsetzung des § 50 BlmSchG ist mithin nicht unmittelbar einschlägig. Entsprechendes gilt für den mittlerweile vorliegenden Leitfaden KAS-32 „Arbeitshilfe zu szenarienspezifischen Fragestellungen zum Leitfaden KAS-18“ vom November 2014. Auch diese Arbeitshilfe behandelt die Berechnung von Achtungsabständen in der Bauleitplanung ohne Detailkenntnisse für Biogasanlagen, die der Störfall-Verordnung unterliegen heraus (vgl. Ziff. 1.1, 1.3.1).
78 
Fehl geht der Einwand des Klägers, die maßgebliche Mengenschwelle der Störfall-Verordnung sei nur knapp unterschritten, es mache daher in der Sache keinen Unterschied, ob es sich um einen Störfallbetrieb im Rechtssinne handele. Wie ausgeführt, hat der Betreiber nach § 6 Abs. 1 BImSchG einen Rechtsanspruch auf Erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, wenn die maßgeblichen Rechtsvorschriften erfüllt sind. Die Genehmigung kann daher nicht aufgrund störfallrechtlicher Bestimmungen versagt oder aufgehoben werden, die auf die Errichtung und den Betrieb der Anlage keine Anwendung finden.
79 
2.2.2. Konkrete Gefahren durch Störfälle (Brand, Explosion, Leckagen, Havarie)
80 
Die Störfall-Verordnung stellt allerdings keine abschließende Konkretisierung der störfallbezogenen Vorgaben des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG dar (Jarass a.a.O. § 7 Rn. 31 m.w.N.). Vielmehr sind auch die nicht der Störfall-Verordnung unterfallenden Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass keine konkreten Gefahren im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlmSchG durch betriebsbedingte oder externe Störungen entstehen. Bei der Prognose, ob eine hinreichend konkrete Gefährdung vorliegt, um einen Schutz- und Abwehranspruch zu begründen, ist allerdings die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß der denkbaren Störfälle zu berücksichtigen. Auch außerhalb des Störfallrechts im engeren Sinne können insoweit störfallrechtliche Wertungen herangezogen werden. Handelt es sich der Sache nach um einen sog. Dennoch-Störfall, d.h. um eine vernünftigerweise auszuschließende Störung (vgl. § 3 Abs. 2 letzter Halbsatz Störfall-Verordnung - 12. BImSchV), wird regelmäßig keine hinreichend konkrete Gefahr eines Schadenseintritts bestehen, wenn die erforderlichen Vorkehrungen zur Abwehr vernünftigerweise nicht auszuschließender Gefahren getroffen worden sind. Nach dem Grundsatz der umgekehrten Proportionalität von Schadenwahrscheinlichkeit und Schadensausmaß (dazu oben II.1) kann jedoch auch der mögliche Eintritt eines vernünftiger Weise auszuschließenden Dennoch-Störfalls einen Schutz- und Abwehranspruch begründen, wenn andernfalls erhebliche, nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigungen hochrangiger Rechtsgüter des Nachbarn drohen.
81 
Für die umstrittene Anlage liegen sachverständige Stellungnahmen der proTerra GmbH (Dipl.-Ing. (FH) B.) und des TÜV Nord (Dipl.-Ing. D., Dipl.-Ing. Z.) vor, wonach die Anlage dem Stand der Technik entspricht und alle maßgeblichen Sicherheitsstandards einhält oder übertrifft. Obgleich es sich nicht um einen Störfallbetrieb handelt, wurde eine Gefahren- und Risikoanalyse sowie eine Auswirkungsbetrachtung im Hinblick auf Auslegungs- und Dennoch-Störfälle durchgeführt (vgl. Sicherheitstechnische Vorprüfung vom 10.05.2013, Einzelfallbetrachtung des TÜV Nord vom 16.08./10.10.2013). In Auswertung der Risikoanalyse wurden zahlreiche Hinweise und Empfehlungen zur Verhinderung von Schadensereignissen gegeben (Kapitel 6 Seite 50 ff.), bei deren Beachtung keine Gefahren für Leib und Leben der Nachbarschaft und des Personals zu erwarten sind. Die in den genannten Stellungnahmen geforderten sicherheitsrechtlichen Auflagen, Hinweise und Empfehlungen wurden vollständig und sachlich im Wesentlichen unverändert als Nebenbestimmungen in die angefochtenen Genehmigungen übernommen. Am 08.08.2013, am 31.10.2013, am 22.11.2013, am 03.04.2014 und im Juni 2014 erfolgten sicherheitstechnische Prüfungen der geänderten Gesamtanlage. Mit abschließendem Prüfbericht vom 13.06.2014 stellte der Sachverständige des TÜV Nord fest, dass die Prüfung mangelfrei abgeschlossen worden sei; die im Prüfbericht vom 29.11.2013 noch festgestellten geringen Mängel seien behoben worden. Der Prüfbericht führt tabellarisch im Einzelnen auf, dass alle sicherheitsrelevanten Maßnahmen, d.h. die sicherheitsrelevanten Nebenbestimmungen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 22.12.2006 und der Änderungsgenehmigung vom 05.04.2013 sowie die Vorgaben aus der sicherheitstechnischen Vorprüfung des TÜV Nord vom 10.05.2013 in Verbindung mit der Anordnung des Landratsamts vom 17.07.2013 und die Vorgaben aus der sicherheitstechnischen Stellungnahme der proTerra GmbH vom 28.02.2013 vollständig erfüllt sind. Soweit der Kläger geltend macht, insbesondere die gasdichte Abdeckung des Gärrestebehälters entspreche nicht dem Stand der Technik, wird dieser Vortrag durch die Sachverständigen nicht bestätigt. Die Gutachten führen vielmehr aus, dass die gewählte Anlagen- und Sicherheitstechnik dem Stand der Technik und den einschlägigen Regelwerken und Normen entspricht und technisch umsetzbar ist. Daraus, dass die Beigeladene zunächst andere Abdeckungsvarianten in Erwägung gezogen hat und durch die Dachkonstruktion gezielt eine Reduzierung der Gasmenge unter die maßgebliche Mengenschwelle der Störfall-Verordnung anstrebte, lässt sich nichts zugunsten des Klägers herleiten.
82 
Die Bedenken des Klägers gegen die fachliche Qualifikation bzw. Unbefangenheit der Gutachter greifen nicht durch. Für eine Voreingenommenheit der Sachverständigen gibt es keine Anhaltspunkte. Der Umstand, dass die Gutachten von der Beigeladenen in Auftrag gegeben wurden, folgt aus den rechtlichen Vorgaben des § 29a BImSchG sowie der 9. BImSchV (vgl. § 4a Abs. 2 9. BImSchV) und aus der Dynamik des vorliegenden Verfahrens. Gegen eine Voreingenommenheit der Gutachter des TÜV Nord spricht auch, dass in den ersten sicherheitstechnischen Prüfberichten durchaus Mängel aufgedeckt und auf deren Beseitigung hingewirkt wurde. Die tätig gewordenen Gutachter sind als Sachverständige nach § 29a BImSchG für die einschlägigen Fachgebiete bekannt gegeben, wie die für den TÜV Nord tätig gewordenen Gutachter Dipl.-Ing. D. und Dipl.-Ing. Z. in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt haben. Auch die Bekanntgabe des zunächst tätig gewordenen Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) B. erstreckt sich u.a. auf das Fachgebiet 3 („Erstellung oder Prüfung von Anlagenschutzkonzepten, z.B. Brandschutz, Explosionsschutz, MSR/PLT“) und auf das Fachgebiet 11 („systematische Methoden der Gefahrenanalyse“). Dies entspricht den Empfehlungen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz - LAI - Ausschuss Anlagenbezogener Immissionsschutz/Störfallvorsorge (AISV). Danach genügt das Fachgebiet 3 für normale Prüfungen einer Biogasanlage und das Fachgebiet 11 für die Beurteilung von Störfallbetrieben; die Abdeckung des Fachbereichs 16.1 „Explosionsschutz“ wird nur für komplexere Anlagenkonfigurationen empfohlen (vgl. Arbeitshilfe des AISV für die sicherheitstechnische Prüfung von Biogasanlagen, Stand 08.02.2013,Seite 4 Fußnote 2). Selbst wenn man im Hinblick auf den engen räumlichen Zusammenhang mit einer Wohnnutzung von einer „komplexeren Anlagenkonfiguration“ ausgehen wollte, so wurde die sicherheitstechnische Einschätzung des Gutachters B. mittlerweile von den Sachverständigen des TÜV Nord bestätigt, gegen deren Qualifikation keine Bedenken vorgetragen wurden oder sonst ersichtlich sind.
83 
Auch in der Sache führen die sicherheitstechnischen Bedenken des Klägers nicht zur Aufhebung der umstrittenen Genehmigungen. Dem Kläger ist allerdings zuzugeben, dass Biogasanlagen ein nicht unerhebliches Gefahren- und Belästigungspotential mit sich bringen, das von den Berufungsklägern anfänglich unterschätzt worden sein dürfte. Dieses Gefahrenpotential ist aber mittlerweile - nicht zuletzt aufgrund des Einsatzes des Klägers - nicht nur auf ein für den Kläger zumutbares Maß reduziert worden; das rechtliche gebotene Schutzniveau wurde darüber hinaus noch überschritten. Denn die Anlage ist wegen der besonderen nachbarschaftlichen Verhältnisse teilweise störfallrechtlichen Anforderungen unterworfen worden, obgleich es sich nicht um einen Betriebsbereich im Sinne des Störfallrechts handelt. Im Einzelnen:
84 
2.2.2.1 Explosionen
85 
2.2.2.1.1 Explosionsschutz
86 
Explosionsgefahren sind sonstige Gefahren im Sinn von § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2. Alternative BImSchG. Ferner ist der Explosionsschutz gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG in Verbindung mit den Regelungen der Betriebssicherheitsverordnung zu prüfen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Vorschriften des Brand- und Explosionsschutzes nicht generell nachbarschützend sind, sondern nur insoweit, als sie die Auswirkungen von Explosionen bzw. das Übergreifen von Bränden auf die Nachbargrundstücke oder sonstige brandbedingte Beeinträchtigungen der Nachbarn verhindern sollen; bei Explosionen ist insoweit die Reichweite einer möglichen Explosion maßgeblich. Dienen die Vorschriften hingegen dem Schutz des Anlagengrundstücks selbst sowie der Benutzer und Arbeitnehmer, scheidet eine drittschützende Wirkung aus (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.07.2002 - 7 B 583/02 - juris-; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.05.2007 - OVG 11 S 83.06 - juris Rn. 70; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 31.07.2008 - 1 LA 39/08 - juris; OVG Thüringen, Urteil vom 16.03.2010 - 1 O 656/07 - juris). Namentlich die Bestimmungen der Betriebssicherheitsverordnung über den Explosionsschutz dienen in erster Linie dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung (vgl. Senatsurteil vom 20.07.2011 - 10 S 2102/09 - juris Rn. 315) und sind daher nur insoweit nachbarschützend, als es um Auswirkungen von Explosionen auf betroffene Nachbargrundstücke geht. Auch auf die Verletzung einer potentiell drittschützenden Norm kann sich ein Betroffener aber auch dann nur mit Erfolg berufen, wenn er hierdurch in seinen eigenen Rechten verletzt ist. Sind die arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen an den Explosions- und Brandschutz und die Betriebssicherheit erfüllt, besteht in aller Regel kein darüber hinausgehender Nachbarschutz für Personen, die nicht in der Anlage tätig sind (vgl. BayVGH Beschluss vom 02.06.2014 - 22 CS 14.739 - juris; vgl. auch OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 31.07.2008 - 1 LA 39/08 - juris).
87 
In der sicherheitstechnischen Stellungnahme der proTerra GmbH vom 28.02.2013 sind eine detaillierte Gefährdungsbeurteilung der einzelnen Anlagenteile sowie ein Explosionsschutzkonzept und eine Explosionszonen-Einteilung enthalten. Diese Anforderungen sind nach Abschnitt III C Nr. 1 der Änderungsgenehmigung vollständig umzusetzen; die Einhaltung ist bei der Schlussabnahme von einem Sachverständigen schriftlich zu bestätigen. Ferner ist ein Explosionsschutzdokument nach § 6 BetrSichVO fortzuschreiben (Nebenbestimmung Abschnitt III C Nr. 2, Abschnitt F Nr. 3); nach § 6 Abs. 3 BetrSichVO muss das Explosionsschutzdokument vor der Inbetriebnahme vorliegen. In dem Explosionsschutzdokument sind u.a. die Explosionsgefährdungen zu ermitteln und zu bewerten und die getroffenen Vorkehrungen zum Erreichen der Ziele des Explosionsschutzes darzustellen (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 01.08.2011 - 2 M 84/11 - juris m.w.N.). Die Anlage ist vor Inbetriebnahme und danach in regelmäßigen Abständen nach der Betriebssicherheitsverordnung zu überprüfen (Nebenbestimmung Abschnitt III F Nr. 12). Die Anlage wird durch ein Gaswarnsystem automatisch überwacht. Ferner ist vor der Inbetriebnahme die Dichtheit der gasführenden Leitungen und des Folienspeichers zu überprüfen (Nebenbestimmung Abschnitt III F Nr. 12). Die vollständige Umsetzung dieser Nebenbestimmungen ist durch den abschließenden Prüfbericht des TÜV Nord vom 13.06.2014 nachgewiesen. Insbesondere wurde auch der Blitzschutz in explosionsschutzrechtlicher Hinsicht überprüft (Prüfbericht TÜV Nord vom 13.06.2014).
88 
Der Kläger hat keine belastbaren Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass das Explosionsschutzkonzept nicht den rechtlichen Anforderungen entspricht. Auch die Bedenken des Klägers, dass eine ordnungsgemäße Prüfung der Dichtheit der Folien und Gasleitungen nicht möglich sei, bleiben nach derzeitigem Sach- und Streitstand im Ergebnis ohne Erfolg. Nach dem abschließenden Prüfbericht des TÜV Nord vom 13.0 6.2014 sind Dichtigkeitsprüfungen der Gasleitungen und der Gasspeicherdächer der Fermenter 1 und 2, des Nachgärers und des Gärrestelagers am 22.05.2013 und am 16.07.2013 erfolgt. Dabei ist eine geringfügige Leckage festgestellt worden, die nach den vorliegenden Prüfberichten mittlerweile beseitigt ist. Der Gutachter Dipl.-Ing. D. hat in der mündlichen Verhandlung ergänzend ausgeführt, es habe sich nicht um einen Riss, sondern um die Undichtigkeit eines Stutzens gehandelt, auf dessen Abdichtung er hingewirkt habe; kritische Werte, insbesondere die untere Explosionsgrenze, seien nicht erreicht worden. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 02.04.2014 führt der Sachverständige D. aus, es habe seitens des Errichters sowie seitens des Sachverständigen ein unmittelbare Dichtigkeitsprüfung mittels schaumbildender Mittel und Gassprühgerät stattgefunden (vgl. Arbeitsblatt DWA-M 376, Anhang A.2.5). Im laufenden Betrieb sei zwar weder eine unmittelbare noch eine mittelbare (vgl. dazu Arbeitsblatt DWA-M 376, Anhang A.2.6) Dichtheitsprüfung möglich, eine Leckage sei aber über den Gaswarnsensor an der Austrittsöffnung des Stützluftgebläses feststellbar. In der mündlichen Verhandlung haben die Gutachter Dipl.-Ing. D. und Dipl.-Ing. Z. näher erläutert, dass sich Undichtigkeiten in der Gasmembran durch einen höheren Methangasgehalt, Undichtigkeiten in der Wetterschutzmembran durch einen höheren Sauerstoffgehalt in der Stützluft bemerkbar machen, die vom Gaswarnsensor erfasst werden. Zwar haben die Gutachter eingeräumt, dass Risse am Rand des Behälters nicht in jedem Fall vom Gassensor erkannt werden. Sie haben insoweit aber ausgeführt, dass ein Gasaustritt in dieser Konstellation zum einen voraussetze, dass es zu einem Riss sowohl in der Gasmembran als auch in der Wetterschutzmembran gekommen sei. Zum anderen könnten Risse ab einem gewissen Umfang ohne weiteres optisch erkannt werden, weil es regelmäßig zu einem Flattern oder einer Verformung der Wetterschutzmembran durch Absinken des Stützluftdruckes komme. Soweit sich die Risse nicht optisch bemerkbar machten, handele es sich um so kleine Risse, dass sich ein Gasaustritt nicht über das Betriebsgelände hinaus auswirken könne. Den Auswirkungen eines Gasaustritts innerhalb des Betriebsgeländes werde durch die Ausweisung von Explosionsschutzzonen Rechnung getragen. Der Gutachter D. hat zwar wiederholt darauf hingewiesen, dass ein gewisser Gasaustritt insbesondere infolge von Alterungsprozessen der Membranen auch bei bestimmungsgemäßem Betrieb nicht auszuschließen ist. Dem wird aber durch die Auflage einer wiederkehrenden regelmäßigen Dichtheitsprüfung Rechnung getragen, bei der nach dem oben Gesagten Undichtigkeiten und Leckagen auch tatsächlich feststellbar sind. Nach den Nebenbestimmungen der Änderungsgenehmigung vom 05.04.2013 in Verbindung mit dem Gutachten der pro Terra GmbH (Kap. 5.4) sind Rohrleitungen und gasführende Anlagenbestandteile in jährlichen Abständen zu prüfen; die gesamte Biogasanlage ist alle fünf Jahre auf ihre Dichtigkeit zu überprüfen.
89 
Danach sind die Gefahren durch vernünftigerweise nicht auszuschließende Freisetzung von kleineren Gasmengen bei einem ansonsten störungsfreien Betrieb hinreichend minimiert. Auch der Kläger hat im Übrigen nicht substantiiert dargetan, dass sich ein Gasaustritt bei unentdeckten kleineren Leckagen oder Undichtigkeiten, die nicht vom Gaswarnsensor erfasst werden, trotz der Verdünnung noch auf sein ca. 50 m entfernt liegendes Grundstück rechtserheblich auswirken würden.
90 
2.2.2.1.2 Störfall
91 
Die Aufkonzentration und Zündung einer zusammenhängenden Biogasmenge im Freiraum wird im Gutachten des TÜV Nord vom 16.08./10.10.2013 zwar als Dennoch-Störfall eingestuft; der Gutachter weist insoweit darauf hin, dass das Versagen beider Schutzfolien als ein sehr unwahrscheinliches Szenario erscheine. Gleichwohl stuft der Gutachter Dipl.-Ing. Z. in Übereinstimmung mit den vom Kläger beigezogenen Gutachtern H. und S. Risse im Foliensystem in Längen von mehreren Metern als plausibel ein (so jetzt auch KAS-32 Nr. 1.3.). Bei diesem Fall wird das Anwesen des Klägers nach Überzeugung des Senats aber keinen unzumutbaren Gefahren durch mögliche Gasexplosionen ausgesetzt.
92 
Auf dem Grundstück des Klägers entsteht auch bei Freisetzung der größten zusammenhängenden Biogasmenge bei großflächigen Dachhautleckagen oder Komplettversagen der gesamten Dachhaut aller Voraussicht nach keine zündfähige Atmosphäre in einer Entfernung von mehr als 20 Metern. Die Einzelfallbetrachtung des TÜV Nord vom 16.08./10.10.2013 kommt zu dem Ergebnis, dass die untere Explosionsgrenze bei Ausbreitung einer zündfähigen Atmosphäre sowohl im Auslegungsstörfall (kontinuierliche Biogasfreisetzung durch Dachhautleckagen verschiedener Größen) als auch im Dennoch-Störfall (spontane Freisetzung der größten zusammenhängenden Biogasmenge) nach ca. 20 m bei Weitem unterschritten ist. Selbst bei einer 100%-Freisetzung der gesamten Gasmenge des Gärrestebehälters besteht in 50 m Entfernung keine Gefahr einer Zündung im Bodenbereich. Diese Annahme wird von dem vom Kläger vorgelegten Gutachten Dr. H. nicht durchgreifend in Frage gestellt. Danach würde zwar die untere Explosionsgrenze beim Grundstück des Klägers für ca. 60 Sekunden überschritten. Dieses Ergebnis beruht aber zum einen auf der Annahme einer Leckagefläche von 16,5 m² (16,5 m Länge x 1,0 m Rissbreite), wohingegen nach der Arbeitshilfe KAS-32 selbst für Störfallbetriebe bei der Bemessung der Achtungsabstände in der Bauleitplanung ohne Detailkenntnisse lediglich eine Leckageabmessung von 0,6 m² (3 m x 0,2 m Rissbreite) zugrunde zu legen ist. Ferner beruhen die Ergebnisse des Gutachtens Dr. H. auf der Annahme einer Gaswolkenlänge von 123 m. Nach den plausiblen Ausführungen des Gutachters Dipl.-Ing. Z. in der mündlichen Verhandlung setzt der Gutachter Dr. H. dabei einen konstanten Massestrom voraus. Er vernachlässige, dass der Druck bei einem Folienriss innerhalb kürzester Zeit abgebaut werde. Nach einer von ihm durchgeführten Parallelrechnung werde der Impuls in weniger als einer Sekunde abgebaut. Es sei daher entgegen der Auffassung von Dr. H. nicht anzunehmen, dass der sehr impulsbehaftete Massestrom von 18 kg/s für die ganze Zeitdauer konstant bleibe. Im Hinblick auf den ohnehin nur geringen anzunehmenden Druck von 5 mb im Gärrestebehälter (vgl. KAS-32) und die Größe der unterstellten Leckage erscheint dem Senat die Annahme eines schnellen Druckabfalls überzeugend. Gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens Dr. H., der zudem kein bekannt gegebener Sachverständiger nach § 29a BImSchG ist, spricht ferner, dass er mit fiktiven meteorologischen Daten gerechnet hat und einräumt, dass die Berechnung mit realistischen Daten zu anderen Ergebnissen führen kann (vgl. S. 32); im Gutachten wird mithin nicht berücksichtigt, dass das Anwesen des Klägers nicht in der Hauptwindrichtung liegt.
93 
Der bei einer Gaszündung entstehende Explosionsdruck erreicht nach dem Gutachten des TÜV Nord vom 16.08./10.10.2013 selbst in näherer Entfernung keine Werte, die die Gesundheit von im Freien befindlichen Personen oder Insassen von Kraftfahrzeugen unmittelbar gesundheitlich beeinträchtigen. Allerdings muss bei Zündung im Freiraum bis zu einer Entfernung von 67 m mit dem Bruch von 100 % der Glasscheiben gerechnet werden; der Grenzwert des Leitfadens KAS 18 für Personenschäden wird hingegen nicht erreicht. Der Gutachter weist darauf hin, dass auch diese Annahme unter sehr konservativen Bedingungen erfolgt (Lage in Hauptwindrichtung, geringe Windgeschwindigkeit, 100% Gasinhalt im Gärrestebehälter). Dieses Ergebnis wird durch das vom Kläger vorgelegte Gutachten Dr. H. bestätigt. Danach würde der Explosionsdruck sowohl bei einem großen Riss in der Abdeckung (16,5 m Länge) als auch bei einem Komplettversagen der gesamten Dachhaut keine massiven Schäden hervorrufen, könne aber zu Glasbruch und Schäden an Dächern führen; Personen könnten von der Druckwelle eventuell umgeworfen werden.
94 
Der Senat vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger im Falle einer Explosion einer gefährlichen Wärmestrahlung ausgesetzt wird. Eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung unabhängig von der Einwirkungsdauer der Wärmestrahlung besteht nur für Personen, die sich innerhalb der gezündeten Gaswolke befinden. Nach den plausiblen Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Z. besteht diese Gefahr für auf dem Grundstück des Klägers befindliche Personen nicht. Der Gutachter hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, dass der Rand der gezündeten Gaswolke durch die untere Explosionsgrenze gekennzeichnet wird, die auf dem Grundstück des Klägers nicht erreicht wird. Die zündfähige Gaswolke breite sich nicht mehr als 20 m aus und auch dies nur in der Höhe und nicht in Bodennähe. Dies entspreche auch den Erfahrungen bei anderen Anlagen. Wie ausgeführt, hat der Sachverständige Dipl.-Ing. Z. die abweichende Annahme im Gutachten Dr. H, wonach die Gaswolke eine Reichweite von 123 m erreiche, überzeugend widerlegt. Auch eine unzumutbare Gefährdung durch die Wärmestrahlung ist nicht anzunehmen. Nach dem Gutachten des TÜV Nord vom 16.08./10.10.2013 ist die Wärmestrahlung zu vernachlässigen. Zwar ergaben sich in der mündlichen Verhandlung Ungereimtheiten im Hinblick auf die Flammengeschwindigkeit im Biogas. Der Gutachter Dipl.-Ing. Z. hat eingeräumt, dass sein Gutachten im Hinblick auf die in seinem Gutachten genannte Flammenfrontgeschwindigkeit von 3,5 m/s. eine falsche Angabe enthält, weil nach derzeitigem Erkenntnisstand von einer Flammenfrontgeschwindigkeit von 20 bis 40 m/s ausgegangen werde. Im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung konnte der Gutachter allerdings nachvollziehbar erläutern, dass sich dieser Fehler nicht zu Lasten des Klägers auf das Ergebnis des Gutachtens ausgewirkt hat. Eine hohe Flammenfrontgeschwindigkeit bewirkt vielmehr, dass die Gaswolke rasch abbrennt; je rascher der Abbrand, desto kürzere Zeit werden Personen außerhalb der Gaswolke einer Wärmestrahlung ausgesetzt. Nach den plausiblen Ausführungen des Gutachters würde die Gaswolke nach einer Zündung bei einer Flammengeschwindigkeit von 20 bis 40 m/s spätestens innerhalb einer Sekunde abgebrannt sein, so dass Betroffene der Wärmestrahlung allenfalls eine Sekunde lang ausgesetzt würden. Dieser Zeitraum sei zu vernachlässigen. Die Grundannahme, dass Wärmestrahlung erst ab einer gewissen Expositionsdauer zu Gesundheitsschäden führt, wird vom Gutachter des Klägers Dr. H. bestätigt. Dieser geht ebenfalls von einer Flammengeschwindigkeit von 20 m/s aus und hat die Gefahren durch die Wärmestrahlung selbst bei Annahme einer Gaswolke mit einer Ausbreitung von 123 m stark relativiert, weil diese innerhalb von 3 bis 6 Sekunden abgebrannt sei und die Zündung innerhalb der ersten zwei Minuten erfolgen müsse. Außerdem sinke die Bestrahlungsstärke im Abstand von 50 m unter 10 kW/m³, was erst bei einer Bestrahlungsdauer von 3 Sekunden zu Schmerzen führe. Auch der Gutachter des Klägers geht mithin im Ergebnis nicht von relevanten Gefahren durch Wärmestrahlung aus.
95 
Bedenken gegen die Verwertbarkeit der Einzelfallbetrachtung des TÜV Nord bestehen nicht. Der Einwand des Klägers, das Gutachten entspreche nicht mehr neueren Erkenntnissen, greift nicht durch. Bei immissionsschutzrechtlichen Drittanfechtungsklagen kommt es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an. Nachträglich eintretende Entwicklungen oder neuere Erkenntnisse sind regelmäßig nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidungen im Nachhinein zu erschüttern, geben aber eventuell Anlass zu nachträglichen Anordnungen (vgl. Senatsurteil vom 14.05.2012 - 10 S 2693/09 - VBlBW 2012, 1637; Senatsbeschluss vom 07.08.2014 - 10 S 1853/13 - NVwZ-RR 2015, 18; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 25.02.2014 - 12 LA 97/13 - juris). Es kann dahinstehen, ob dieser Grundsatz auch dann gilt, wenn - wie hier - ein Widerspruchsbescheid noch nicht ergangen ist. Der Gutachter Z. hat eingeräumt, dass sein Gutachten nicht in jeder Hinsicht der neueren Arbeitshilfe KAS-32 vom November 2014 entspricht. Dies ist aber unschädlich. Denn im Gutachten werden Leckage-Abmessungen zugrunde gelegt, die in ihrem Ausmaß deutlich über das Szenario hinausgehen, das nach der Arbeitshilfe KAS-32 für Störfallbetriebe bei der Bemessung der Achtungsabstände in der Bauleitplanung ohne Detailkenntnisse zugrunde zu legen ist (0,6 m² = 3 m Länge x 0,2 m Rissbreite). Demgegenüber legt der TÜV Nord im Szenario 1 16,25 m x 1m; im Szenario 2 ein Freiliegen von 30 % der Zylinder-Kreisfläche und im Szenario 3 eine Komplettfreisetzung von 100% des Biogases zugrunde, mithin Randbedingungen, die nach der sachverständigen Bewertung der Kommission für Anlagensicherheit als so unwahrscheinlich erscheinen, dass sie in der Bauleitplanung nicht zu berücksichtigen sind. Im Hinblick auf den Gehalt an Schwefelwasserstoff im freigesetzten Biogas bleibt der Gutachter zwar hinter den Annahmen der Arbeitshilfe KAS-32 zurück (100 ppm statt 500 ppm). Der Wert von 500 ppm Schwefelwasserstoff gilt jedoch für die Bemessung der Achtungsabstände in der Bauleitplanung ohne Detailkenntnisse im Sinne der Vorsorge; im vorliegenden Fall liegen jedoch hinreichende Detailkenntnisse über die konkrete Anlage vor, die die Zugrundelegung von 100 ppm Schwefelwasserstoff rechtfertigen (dazu im Einzelnen 2.2.2.2.3).
96 
Auch soweit der Kläger dem Sachverständigen entgegenhält, er sei bei anderen Biogasanlagen von anderen Annahmen ausgegangen oder zu anderen Ergebnissen gelangt, stellt er das Gutachten nicht durchgreifend in Frage. Abgesehen davon, dass eine sachverständige Stellungnahme jeweils auf die Gegebenheiten der konkreten Anlage ausgerichtet ist, ist der Gutachter Dipl.-Ing. Z. den einzelnen Vorhalten des Kläger in der mündlichen Verhandlung überzeugend entgegengetreten.
97 
Nach den vorliegenden Gutachten ist somit auf dem Anwesen des Klägers im Explosionsfall unmittelbar nur mit Sachschäden zu rechnen, wobei allerdings mittelbare Personenschäden etwa durch Glassplitter nicht schlechthin auszuschließen sind. Diese Gefahren sind jedoch nicht hinreichend konkret, um einen Abwehranspruch des Klägers zu begründen. Wie ausgeführt, sind Explosionen durch Zündung einer großen zusammenhängenden Gasmenge nach den vorliegenden Erkenntnissen als Dennoch-Störfall zu betrachten, d.h. auch Sachschäden sind nur bei einer vernünftigerweise auszuschließenden Störung zu befürchten, also bei Versagen aller störfallverhindernden Maßnahmen oder dem unwahrscheinlichen Fall des gleichzeitigen Eintritts mehrerer Störungen. Hinzu kommt, dass die Gutachter - wie ausgeführt - Leckagen angenommen haben, die in ihrem Ausmaß noch deutlich über die nach der Arbeitshilfe KAS-32 bei der Bemessung der Achtungsabstände in der Bauleitplanung ohne Detailkenntnisse zugrunde zu legenden Annahmen hinausgehen und an der Grenze zum exzeptionellen Störfall liegen. Insbesondere der Komplettabriss der gesamten Dachhaut (Szenario 3) wird in der Arbeitshilfe KAS-32 nicht berücksichtigt und wurde von den in der mündlichen Verhandlung anwesenden Gutachtern übereinstimmend als exzeptioneller und daher im einzelnen Genehmigungsverfahren nicht zu betrachtender Störfall eingestuft. Darüber hinaus müssen für den Eintritt der genannten Schäden weitere konservative Randbedingungen wie etwa das Vorhandensein der maximalen Gasmenge und bestimmte Witterungsbedingungen hinzukommen. Die Gefahr von Sachschäden ist danach zwar nicht schlechthin auszuschließen, die Wahrscheinlichkeit, dass eine Explosion diesen Ausmaßes eintritt, ist jedoch als äußerst gering zu bewerten.
98 
Hingegen hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger im Falle einer Gasexplosion keinen konkreten Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt wird, insbesondere wird er aller Voraussicht nach keiner direkten Exposition durch die gezündete Gaswolke ausgesetzt. Das vorliegende Gutachten des TÜV Nord ist nach den vorstehenden Ausführungen in Verbindung mit den ergänzenden Erläuterungen der Sachverständigen Dipl.-Ing. Z. in der mündlichen Verhandlung geeignet, dem Senat insoweit die für die richterliche Überzeugungsbildung erforderliche Sachkunde zu vermitteln. Der vom Kläger aufgezeigte Fehler hat sich nach den letztlich plausiblen Ausführungen des Gutachters auf das Ergebnis des Gutachtens nicht ausgewirkt. Die Einzelfallbetrachtung des TÜV Nord wird auch durch das Gegengutachten Dr. H. nicht durchgreifend in Frage gestellt. Wie ausgeführt, vermag sich der Senat der Annahme, die Gaswolke werde sich 123 m ausbreiten, nicht anzuschließen. Im Übrigen fällt auf, dass selbst nach dem vom Kläger vorgelegten Gutachten Dr. H., dessen Richtigkeit unterstellt, die untere Explosionsgrenze auf dem Grundstück des Klägers nur 60 Sekunden überschritten wird und auf dem Grundstück befindliche Personen allenfalls 3 Sekunden Schmerzen durch Wärmestrahlung verspüren. Hinzu kommt der Umstand, dass eine Explosion bei Einhaltung aller sicherheitstechnischen Standards vernünftigerweise auszuschließen ist, und das von Dr. H. angenommene Szenario im Dennoch-Störfall im Vergleich zu der nunmehr vorliegenden Arbeitshilfe KAS-32 sehr konservativ ist. Der Senat sieht daher auch im Hinblick auf das Ergebnis des Gutachtens von Dr. H. keinen Anlass zur Einholung eines Obergutachtens. Entsprechendes gilt auch in Bezug auf die vom Kläger geltend gemachten Ungereimtheiten der Einzelfallbetrachtung des TÜV Nord. Auch die vom TÜV Nord angenommenen Szenarien liegen an der Grenze zum exzeptionellen Störfall oder überschreiten diese, so dass ein Schadenseintritt äußerst unwahrscheinlich erscheint.
99 
Der Beweisantrag Nr. 1 des Klägers, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber Beweis zu erheben, dass von der streitgegenständlichen Biogasanlage bei Freisetzung von Biogas aus dem Gärrestebehälter eine erhebliche Gefahr aufgrund von Wärmestrahlung oder Auswirkungen einer Druckwelle bei Zündung der Gaswolke und anschließendem Abbrand, bzw. Explosion ausgeht und durch ein solches Ereignis das Leib und Leben des Klägers gefährdet wird, war danach abzulehnen, weil die damit aufgeworfenen Fragen bereits aufgrund der vorliegenden Gutachten hinreichend sachverständig gestützt zu klären waren.
100 
2.2.2.2 Brandgefahren
101 
2.2.2.2.1 Brandschutz
102 
Die angefochtene Genehmigung verstößt nicht zu Lasten des Klägers gegen Bestimmungen des Brandschutzes. Die vernünftigerweise nicht auszuschließenden Brandgefahren sind hinreichend minimiert.
103 
Es kann dahinstehen, inwieweit die vom Kläger in Bezug genommenen Abstandsempfehlungen drittschützend sind. Denn die im Interesse des vorbeugenden Brandschutzes einzuhaltenden Schutzabstände sind gewahrt. Der nach der Technischen Information (TI) 4 „Sicherheitsregeln für Biogasanlagen“ der Sozialversicherung für Landwirtschaft (Stand 1/2013) zur Vermeidung von gegenseitiger Beeinflussung u.a. im Brandfall zu wahrende Abstand zwischen Gasspeichern und nicht zur Biogasanlage gehörenden benachbarten Anlagen, Gebäuden oder Verkehrswegen ist bezüglich des Wohngebäudes des Klägers bei weitem eingehalten. Die Berechnung nach dem Merkblatt M-001 „Brandschutz bei Biogasanlagen“ des Fachverbands Biogas e.V. führt zu dem gleichen Ergebnis. Der Auffassung des Klägers, dass die dort genannten Abstände nicht für Wohngebäude gelten, trifft nicht zu. Die genannten technischen Regelwerke differenzieren nicht zwischen den verschiedenen Nutzungsarten; maßgeblich ist allein, dass ein Gebäude nicht zur Anlage selbst gehört.
104 
Aus dem sog. Abstandserlass des Landes Nordrhein-Westfalen („Immissionsschutz in der Bauleitplanung“, Fassung 2007) lässt sich nichts zu Gunsten des Klägers herleiten. Es trifft zwar zu, dass der Erlass für geschlossene Biogasanlagen einen Abstand von 300 m zu Wohngebieten vorsieht (lfd. Nr. 129). Abgesehen davon, dass der Erlass grundsätzlich den nicht drittschützenden Vorsorgegrundsatz konkretisiert (vgl. Einleitung Seite 8), dient er der planungsrechtlichen Zuordnung von Industrie-/Gewerbegebieten und Wohngebieten und beansprucht keine Geltung für immissionsschutzrechtliche Einzelgenehmigungen (Kap. 3.2). Der Kläger wohnt außerdem nicht in einem geschlossenen Wohngebiet, sondern in einem ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesen im Außenbereich; er kann daher nicht das Schutzniveau eines bauplanungsrechtlich ausgewiesenen Wohngebiets beanspruchen. Zu den empfehlenswerten Abständen im Außenbereich verhält sich der Abstandserlass nicht. Im Übrigen führt der Erlass unter der lfd. Nummer 129 aus, dass der Schutzabstand aus Gründen der Luftreinhaltung und des Schallschutzes erforderlich ist; dem Erlass lässt sich mithin nicht entnehmen, dass der 300-Meter-Abstand aus Gründen des Brand- und Explosionsschutzes für erforderlich gehalten wird.
105 
Das Biogashandbuch Bayern verweist bezüglich der empfohlenen Abstände auf die Bestimmungen der Nrn. 5.4.8.6.1 und 5.4.9.36 TA Luft, die zum einen der Vorsorge dienen und somit nicht nachbarschützend sind. Zum anderen wird darauf hingewiesen, dass die Abstände unterschritten werden können, wenn durch primärseitige Maßnahmen die Geruchsbelästigung gemindert wird (S. 5 letzter Absatz). Die vorgeschlagenen Abstände dürften mithin nicht der Vorsorge gegen Brandgefahren, sondern gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Gerüche dienen.
106 
Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob der Gärrestebehälter den nach den oben genannten Regelwerken erforderlichen Mindestabstand von 6 m zum öffentlichen Verkehrsweg einhält, kann dahinstehen. Nach dem Vortrag der Beigeladenen wird dieser Schutzabstand eingehalten, weil nicht die Grenze des Wegegrundstücks, sondern der tatsächliche Ausbauzustand der Straße maßgeblich sei; dies wird vom Kläger bestritten. Durch die geltend gemachte Verletzung des Mindestabstands zum H. Weg wird der Kläger aber nicht in eigenen subjektiven Rechten verletzt. Die Wahrung dieses Abstands dient dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs bzw. der Sicherheit der Anlage selbst und nicht dem Schutz des ca. 50 m entfernten, an der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Grundstücks des Klägers und seiner Bewohner.
107 
Im Übrigen werden in der sicherheitstechnischen Stellungnahme der proTerra GmbH vom 28.02.2013 umfangreiche Anforderungen an den baulichen, organisatorischen und abwehrenden Brandschutz gestellt. Das Brandschutzkonzept ist nach Abschnitt III C Nr. 1 der Änderungsgenehmigung vom 05.04.2013 Teil der angefochtenen Genehmigung und von der Beigeladenen vollständig umzusetzen und wurde mit Anordnung des Landratsamts vom 17.07.2013 um die Hinweise und Empfehlungen aus der Sicherheitstechnischen Vorprüfung vom 10.05.2013 ergänzt. Die Einhaltung dieser Anforderungen wurde bei der Schlussabnahme durch den Prüfbericht des TÜV Nord vom 13.06.2014 schriftlich bestätigt. Insbesondere der Blitzschutz ist mittlerweile installiert (Prüfbericht TÜV Nord vom 13.06.2014). Der Kläger hat keine belastbaren Anhaltspunkte aufgezeigt, dass das Brandschutzkonzept nicht den rechtlichen Anforderungen entspricht.
108 
2.2.2.2.2 Störfall
109 
Nach der Arbeitshilfe KAS-32 sind die toxischen Auswirkungen des Abbrands eines Foliendaches nicht zu betrachten, weil aufgrund der Wärmefreisetzung eine deutliche Überhöhung der Brandwolke und damit eine geringe Gaskonzentration in Bodennähe zu erwarten ist oder die Abbrand- und Gasbildung so gering ist, dass keine für den angemessenen Abstand relevanten Immissionskonzentrationen in Bodennähe auftreten. Auch nach dem vom Kläger vorgelegten Gutachten Dipl.-Phys. S. ist die toxische Einwirkung durch Chlorwasserstoff im Brandfall als nachrangig zu behandeln, weil - wie auch im vorliegenden Fall - nur schwer entflammbare Folien verwendet würden (vgl. S. 7).
110 
Im Gutachten des TÜV Nord vom 16.08./10.10.2013 wird zwar als Dennoch-Störfall das Szenario „Gleichzeitiger Abbrand der gesamten Dachhaut des Gärrestebehälters“ betrachtet. Die Auswertung dieses Brandszenarios ergab aber, dass die auftretende Wärmestrahlung von geringer Bedeutung ist. Ein Übergreifen von Bränden auf das Grundstück des Klägers erscheint daher hinreichend ausgeschlossen. Toxische Gefahren durch Dioxin und Kohlenmonoxid wurden vom Gutachter nicht angenommen. Beim Abbrand der PVC-Folien entsteht aber das giftige Gas Chlorwasserstoff. Nach dem Ergebnis des Gutachtens können Personen, die sich im Freien aufhalten, im Bereich von 50 m ca. 15 Minuten Überschreitungen des AEGL-2-Wert ausgesetzt werden. Der ERPG-Wert für eine 60-minütige Exposition spielt hingegen keine Rolle, weil die Dachhaut spätestens nach 28 Minuten komplett abgebrannt ist.
111 
Diese toxische Gefahr ist aber nicht hinreichend konkret, um einen Abwehranspruch des Klägers zu rechtfertigen. Das Gutachten nimmt eine „Worst-Case“-Betrachtung vor, in dem es mit sehr konservativen Randbedingungen wie etwa der doppelten Menge an Schadstoffen rechnet und außer Acht lässt, dass das Grundstück des Klägers nicht innerhalb der Hauptwindrichtung liegt. Der Gutachter weist ferner darauf hin, dass in geschlossenen Räumen von geringeren Gefährdungen auszugehen ist. Aufgrund der Lage des Wohnhauses des Klägers außerhalb der Hauptwindrichtung und der guten Wahrnehmbarkeit eines großflächigen Brands der Dachhaut sei es gefährdeten Personen außerdem möglich, sich innerhalb von 10 Minuten aus dem gefährdeten Gebiet zu entfernen. Der Kläger hält dem zwar entgegen, dass ein Brand zur Schlafenszeit eventuell nicht rechtzeitig bemerkt werde; Allerdings befinden sich die Bewohner des Grundstücks dann in geschlossenen Räumen, was die Vergiftungsgefahr minimiert.
112 
In der Zusammenschau erscheinen danach die Gefahren im Falle eines Abbrands des gesamten Foliendaches entweder im Hinblick auf die geringe Wahrscheinlichkeit dieses Ereignisses, das zudem das Versagen des gesamten vorbeugenden Brandschutzes voraussetzt, oder im Hinblick auf die Unwahrscheinlichkeit bzw. Vermeidbarkeit eventueller Schadensfolgen als gering.
113 
2.2.2.2.3 Toxische Gefahren durch Schwefelwasserstoff
114 
Der Kläger wird auch keinen unzumutbaren toxischen Gefahren durch Schwefelwasserstoff (H2S) ausgesetzt.
115 
Aus der Ausbereitungsberechnung des TÜV Nord vom 16.08./10.10.2013 ergibt sich, dass am Wohnhaus des Klägers weder im Auslegungsstörfall (Dachhautleckagen verschiedener Größen) noch im Dennoch-Störfall (spontane Freisetzung der größtmöglichen zusammenhängenden Gasmenge durch komplette Entfernung der Dachhaut des Gärrestelagers bei 100%iger Gasfüllung) eine toxische Gefährdung oberhalb des ERPG-2-Wertes für eine einstündige Exposition (30 ppm) oder des AEGL-2-Wertes für zehnminütige Exposition (41 ppm) zu erwarten ist; bei einer Entfernung von 50 m sinkt die Schwefelgaskonzentration unter 10 ppm (0,001 Vol %). Dies steht nicht im Widerspruch zu den vom Kläger in Bezug genommenen Quellen (Merkblatt KAS-12; Internetauftritt der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau u.a.); denn diese schildern die Gefahren von Schwefelwasserstoff durch direktes Einatmen des Gases bei Arbeiten in unmittelbarer Nähe von mit Gülle gefüllten Gruben, Schächten und Behältern, und gehen ohne Detailkenntnis der umstrittenen Anlage von Durchschnittswerten aus. Zu ähnlichen Ergebnissen wie der TÜV Nord gelangt im Übrigen auch das vom Kläger vorgelegte Gutachten von Dr. Ing. H.. Danach werden selbst bei größeren Leckagen (Szenario 1) sowie beim vollständigen Versagen der gesamten Dachhaut (Szenario 2) die ERPG-2- und AEGL-2-Werte nur kurzfristig (< 2min) überschritten, die maßgeblichen Expositionszeiten von 60 bzw. 10 Minuten werden bei weitem nicht erreicht (vgl. S. 23 f.).
116 
Die Schwefelwasserstoffkonzentration wird auch durch die Erhöhung der Güllemenge mit Änderungsgenehmigung vom 31.10.2013 nicht in einer solchen Weise verändert, dass die o.g. Ausbreitungsberechnungen des TÜV Nord bzw. von Dr. Ing. H. nicht mehr aussagekräftig wären. Die Berechnungen der o.g. Gutachter basieren auf der Annahme, dass in dem in der Anlage erzeugten Biogas während des Fermentationsprozesses Schwefelwasserstoffkonzentrationen von maximal 100 ppm (0,01 Vol %) erreicht werden. Zwar können in Biogas - worauf der Kläger zutreffend hinweist - auch höhere Konzentrationen in Abhängigkeit von den Einsatzstoffen und vom Anlagentyp auftreten. Nach der gutachtlichen Stellungnahme des TÜV Nord vom 28.08.2014 (Gerichtsakte S. 381) und den Ausführungen von Dipl.-Ing. D. in der mündlichen Verhandlung liegen aber hinreichende Detailkenntnisse vor, die auch nach der Erhöhung der Güllemenge die Annahme von 100 ppm H2S im Rohbiogas zulassen. Der Gutachter hat ausgeführt, in allen vier Gasspeichern finde eine biologische Entschwefelung durch Zugabe von Luftsauerstoff statt, der Schwefelwasserstoff in Schwefelsäure und elementaren Schwefel umsetze. Jeweils ein Aggregat fördere Luftsauerstoff in die Fermenter 1 und 2 und in den Nachgärer. Das gesamte Biogas werde durch den Gärrestebehälter geleitet. In der Regel würden bei Anlagen mit überwiegend pflanzlichen Inhaltsstoffen und biologischer Entschwefelung im Durchschnitt Schwefelwasserstoffgehalte unter 200 ppm gemessen. Verfahrenstechnische Ursachen für einen hohen H2S-Gehalt seien etwa fehlende Besiedlungsflächen oder das Aufrühren der Schwimmdecke. Der Gärrestebehälter der Anlage der Beigeladenen biete durch eine Mittelstütze und zahlreiche Spanngurte eine große Besiedlungsfläche; das Substrat werde nur im Falle des Abtransports aufgerührt. Die Anlage werde überwiegend mit Substraten mit einem mittleren Schwefelgehalt, zu denen auch Gülle gehöre, versorgt. Da bei Absinken der pH-Werte unter den neutralen Bereich die Biogasproduktion gestört werde, sei der Anlagenbetreiber gehalten, entsprechende Gegenmaßnahmen zu treffen. Ein schneller Substratwechsel sei daher nicht zu erwarten. Die Einsatzstoffe böten nicht das Potential für eine schnelle Absenkung des pH-Wertes und der damit verbundenen verstärkten Freisetzung von Schwefelwasserstoff. Im Übrigen hätten Messungen der Gaswerte vor dem Aktivkohlefilter ergeben, dass der H2S-Wert im Mittel bei 5,4 ppm liege.
117 
Diese Ausführungen erscheinen schlüssig. Nach den Genehmigungsunterlagen verfügt die Biogasanlage über eine biologische Entschwefelung durch Zuführung von Luft; die Luftzufuhr ist bei Bedarf regelbar. Da Schwefelwasserstoff zu Korrosionen an wichtigen Anlagenteilen führt, haben Anlagenbetreiber grundsätzlich auch ein erhebliches Eigeninteresse an der Senkung des Schwefelwasserstoffgehalts (vgl. etwa Biogashandbuch Bayern, Materialienband Kap.1.5.4.2). Maßgebliches Gewicht kommt aber dem Umstand zu, dass ein Messprotokoll über kontinuierliche tägliche Messungen des Schwefelwasserstoffgehalts vor dem Aktivkohlefilter im Rohbiogas der Anlage über 48 Tage vorliegt, und zwar innerhalb eines Zeitraums, in dem die Güllemenge bereits erhöht war. Die Messungen haben einen Mittelwert von 5,4 ppm ergeben, der Maximalwert für Schwefelwasserstoff lag bei 9 ppm. Der Geschäftsführer der Beigeladenen hat zudem eidesstattlich versichert, dass die täglichen Kontrollen Werte von ca. 2 bis ca. 30 ppm ergäben. Lediglich in Einzelfällen würden kurzzeitig Werte bis 150 ppm gemessen, etwa wenn die Gülle aufgerührt worden sei. Dieser etwa im Frühjahr 2014 gemessene Wert sei aber binnen einer Stunde auf 50 ppm abgesunken. Die Werte seien nach der Abdeckung des Gärrestebehälters nochmals gesunken.
118 
Die Annahme, dass die Schwefelwasserstoffkonzentration auch nach der Erteilung der Änderungsgenehmigung im Mittel deutlich unter 100 ppm bleibt, wird durch das vom Kläger vorgelegte Gutachten der R+D - Sachverständige für Umweltschutz (Dipl.-Phys. S.) nicht überzeugend widerlegt. Der Gutachter nimmt für die Beurteilung der konkreten toxischen Gefahren durch eine Gasleckage während des Normalbetriebs der umstrittenen Anlage einen H2S-Gehalt von 50 bis 2.000 ppm (0,005 bis 0,2 Vol %) an (S. 14). Allerdings könne zur Beurteilung der konkreten Gefahr durch einen gestörten Betrieb ein oberer H2S-Gehalt von 20.000 ppm (2 Vol%) nicht ausgeschlossen werden, auch wenn ein plötzlicher vollständiger Ausfall der biologischen Entschwefelung nicht zu erwarten sei (S. 15). Der Gutachter verfügt jedoch nach eigenen Angaben nicht über Detailkenntnisse bezüglich der streitgegenständlichen Anlage (S. 13) und entnimmt seine Einschätzung Messprogrammen anderer Anlagen, über deren Vergleichbarkeit mit der Anlage der Beigeladenen keine Aussage getroffen werden kann. Im Übrigen hält er einen vollständigen Ausfall der biologischen Entschwefelung selbst für unwahrscheinlich.
119 
Auch die auf den genannten Schwefelwasserstoffgehalten basierenden Ausbreitungsberechnungen des Gutachters Dipl.-Phys. S. begegnen Bedenken. Nicht plausibel sind zunächst die dem Gutachten zugrunde gelegten meteorologischen Daten. Dem Gutachter standen keine Zeitreihen für den konkreten Standort zur Verfügung (S. 19). Es wird daher die ungünstigste Ausbreitungssituation zugrunde gelegt (Windstille und Inversionswetterlage) und ohne nähere Begründung mit Schwachwind-Werten der Messstation Stuttgart-Echterdingen belegt. Demgegenüber hat die Beigeladene - wie ausgeführt - mit den Antragsunterlagen ein meteorologischen Gutachten der Argusoft GmbH (Dipl.-Met. F.) vom 14.12.2013 vorgelegt, wonach am ehesten die Daten der Station Mühlacker mit dem Standort der Anlage vergleichbar sind. Da es hier nicht um eine bauleitplanerische Störfall-Vorsorge, sondern um die Feststellung einer konkreten Gefährdung des Klägers geht, spricht zudem vieles dafür, der Ausbreitungsberechnung nicht die meteorologisch denkbar ungünstigsten, sondern mit dem TÜV Nord mittlere Ausbreitungsverhältnisse zugrunde zu legen.
120 
Darüber hinaus ist bei der Bewertung der gutachtlichen Ausbreitungsberechnungen zu berücksichtigen, dass die Annahme der Eignung einer Anlage zur Hervorrufung konkreter Gefahren im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlmSchG - wie ausgeführt - auch von der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts abhängt. Auch nach den Ausbreitungsberechnungen des vom Kläger vorgelegten Gutachtens Dipl.-Phys. S. treten toxische Gefahren am Wohnhaus aber nur bei einer Kombination sehr unwahrscheinlicher Bedingungen auf (vgl. Tabelle 9 S. 22). So wird eine Überschreitung der maßgeblichen ERPG-2- und AEGL-2-Werte für den Leckagefall 4 (Spontanversagen der kompletten Abdeckung des Gärrestebehälters) angenommen. Der Gutachter stuft das Spontanversagen der kompletten Abdeckung des Gärrestebehälters mit der Folge der Komplettfreisetzung der gesamten Gasmenge aber - in Übereinstimmung mit dem Gutachter des Beigeladenen - als unrealistisch ein und ordnet es dem Katastrophenschutz zu (vgl. TÜV Nord vom 27.08.2014 S. 13; Gutachten Dipl.-Phys. S. vom 19.06.2014 S. 17 unten). Diese Einschätzung wurde von den Gutachtern in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Andere Leckagen verschiedener Größenordnungen werden zwar einheitlich als realistisch eingestuft (Auslegungstörfall). Zu einer Gefährdung des Wohngrundstücks des Klägers gelangt aber auch der Gutachter Dipl.-Phys. S. erst bei der Gas-/Leck-Kombination „G3/L3", d.h. ab einer Schwefelwasserstoffkonzentration von 0,2 Vol % (2000 ppm). Wie dargelegt, gibt es derzeit keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass dieser Wert in der Anlage der Beigeladenen erreicht wird. Im Übrigen zeigen die vom Kläger zum Beleg für toxische Gefahren herangezogenen Ausbreitungsradien nach dem Gutachten Dipl.-Phys. S. die Gas-/Leckage-Kombination G 2/L 4 ; d.h. eine Gaskonzentration von 0,05 Vol % (= 500 ppm) mit einem Komplettversagen der gesamten Dachhaut, also einem nach der Auffassung beider Gutachter vernünftigerweise auszuschließenden Leckage-Szenario. Hinzu kommt, dass das Vorhandensein einer Schwefelgaskonzentration von 500 ppm nach den plausiblen Erläuterungen des TÜV Nord unter Berücksichtigung der Detailkenntnisse und der durchgeführten Messungen ebenfalls als ausgeschlossen, zumindest aber als sehr unwahrscheinlich erscheint. Auch die weiteren Gas-/Leckage-Kombinationen, bei denen das Wohnhaus des Klägers nach der Annahme von Dipl.-Phys. S. toxischen Gefahren ausgesetzt würde, nämlich G 5/L 1, d.h. ei- ne Schwefelwasserstoffkonzentration von 2 Vol % (= 20.000 ppm), sowie G 4 (0,5 Vol % = 5000 ppm)/L 2, sind nach dem oben Gesagten äußerst unwahrscheinlich, was der Gutachter auch einräumt (S. 25 unten). Zusammenschauend setzen die genannten Gas-/Leckage-Kombinationen den gleichzeitigen Eintritt mehrerer betrieblicher Störungen, nämlich das Auftreten erheblicher Leckagen gleichzeitig in beiden Dachmembranen (äußere Wettermembran und innere Gasmembran) bei gleichzeitigem Versagen der biologischen Entschwefelung in Verbindung mit dem Ausfall der betrieblichen Kontroll- und Warnsysteme voraus. Damit wird bei Berücksichtigung der konkreten Störfallszenarien auch durch das vom Kläger vorgelegte Gutachten keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine toxische Gefährdung der Bewohner des Grundstücks H. Weg Nr. ... dargetan.
121 
Nicht zuletzt geht auch das Gutachten von Dipl.-Phys. S. davon aus, dass eine konkrete Gefahr für das nächstgelegene Wohnhaus durch bestimmte technische Maßnahmen sicher verhindert werden könne (S. 27). Nach der Stellungnahme des TÜV Nord vom 27.08.2014 sowie nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, in der die einzelnen Maßnahmen eingehend erörtert wurden, sind die vorgeschlagenen Maßnahmen überwiegend bereits durchgeführt oder aufgrund des ohnehin schon hohen Sicherheitsstandards der Anlage nicht erforderlich. Der Gutachter Dipl.-Phys. S. hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass sein Vorschläge ohne Detailkenntnisse der Anlage erfolgten, und sie dahingehend relativiert, dass man damit jedenfalls auf der sicheren Seite sei. Zum Teil handelt es sich bei den unterschiedlichen Auffassungen der Gutachter auch nicht um sachliche, sondern nur um sprachliche Differenzen oder unterschiedliche Definitionen derselben Standards. Der Senat vermochte sich jedenfalls nicht davon zu überzeugen, dass die von Dipl.-Phys. S. unterstellten Sicherheitslücken die Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gebieten; dem von ihm unterbreiteten Maßnahmekatalog liegt vielmehr - abgesehen von der Unkenntnis der sicherheitstechnischen Standards der Anlage im Detail - eine gewisse überschießende Tendenz zugrunde.
122 
Eine konkrete toxische Gefährdung des Klägers durch entweichenden Schwefelwasserstoff ist nach alldem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.
123 
Der Beweisantrag Nr. 3 des Klägers, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber Beweis zu erheben, dass von der Biogasanlage eine erhebliche Gefahr durch toxische Gasausbreitung, insbesondere Schwefelwasserstoff, hervorgeht, war danach abzulehnen. Der Senat sieht keinen Anlass zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, weil nach den eingehenden, nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Gutachten bzw. Stellungnahmen des TÜV Nord eine derartige Gefährdung auszuschließen ist und diese Annahme durch das auf einer rein hypothetischen Grundlage erstellte Gutachten Dipl.-Phys. S. nicht durchgreifend in Frage gestellt wird.
124 
2.2.2.2.4 Gefahren durch auslaufendes Substrat (Havarie u.a.)
125 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Genehmigung wegen einer Gefährdung seines Grundstücks durch auslaufendes Substrat. Etwas anderes folgt insbesondere nicht aus dem vom Kläger vorgelegten Gutachten R+D -Sachverständige für Umweltschutz (Dipl.-Ing. P.) vom 13.06.2014. Dieses Gutachten prüft die Vereinbarkeit der Anlage anhand von wasserwirtschaftlichen Anforderungen, insbesondere anhand der Verordnung des Umweltministeriums über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen vom 11.02.1994 (GBI. 1994, 182) - VAwS - sowie des Merkblatts des Umweltministeriums Baden-Württemberg über „Wasserwirtschaftliche Anforderungen an landwirtschaftliche Biogasanlagen" vom Juni 2006. Diese Regelwerke dienen der Konkretisierung von § 62 WHG i.d.F. vom 31.07.2009 - WHG 2009 - (früher § 19g WHG) über den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (vgl. § 1 VAwS, Vorwort des o.g. Merkblatts). Danach müssen Anlagen zum Lagern, Abfüllen, Herstellen, Behandeln oder Verwenden wassergefährdender Stoffe so beschaffen sein und so errichtet und betrieben werden, dass eine nachteilige Veränderung der Eigenschaften von Gewässern nicht zu besorgen ist. Die in dem Gutachten herangezogenen Vorschriften und Hinweise stellen mithin anlagenbezogene Anforderungen im Hinblick auf den Gewässerschutz. Dieser Normenkomplex ist grundsätzlich nicht nachbarschützend. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz für den Bereich des Wasserrechts - nicht anders als für andere Gebiete des öffentlichen Rechts - grundsätzlich nur aus Rechtsvorschriften ableiten, die das individuell geschützte private Interesse Dritter und die Art der Verletzung dieser Interessen hinreichend deutlich erkennen lassen (grundlegend BVerwG, Urteil vom 15.07.1987 - 4 C 56/83 - BVerwGE 78, 40, m.w.N.). Der Schutz des Grundwassers erfolgt im Allgemeinen im Interesse der öffentlichen Wasserversorgung. Damit dienen entsprechende Bestimmungen dem Schutz der Allgemeinheit und nicht dem Schutz der Rechte Einzelner (vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 23.06.2014 - 2 A 104/12 - juris; BayVGH, Beschluss vom 24.03.2009 - 22 ZB 07.224 - juris; anders nur für Trinkwasserversorgungsunternehmen als Träger wasserwirtschaftlicher Gemeinwohlbelange: OVG Lüneburg, Urteil vom 05.09.1996 - 3 I 7866/94 - juris, m.w.N.). Soweit der Kläger der Sache nach die Verletzung von Vorschriften des Wasserrechts rügt, kann daraus mithin keine subjektive Rechtsverletzung folgen.
126 
Auch in der Sache können die vom Sachverständigen Dipl.-Ing. P. gerügten Mängel im Hinblick auf die Ausführung und Dichtheit der Rohrleitungen und Behälter, die Rissbreitenbeschränkung und die Abdeckung des Umschlagsplatzes der Genehmigung nicht entgegengehalten werden. Es trifft zwar zu, dass der wasserrechtliche Besorgnisgrundsatz des § 62 WHG i.V.m. §§ 3, 12 VAwS grundsätzlich eine nicht nur einwandige, sondern doppelwandige Ausführung von unterirdischen Rohrleitungen und Behältern gebietet. Das Landratsamt hat aber aufgrund einer fachtechnischen Prüfung mit Bescheid vom 12.08.2014 mittlerweile eine Ausnahme nach § 7 Abs. 2 VAwS im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 62 WHG 2009/ § 19 g Abs. 1 bis 3 WHG a.F. zugelassen. Dies ist nicht zu beanstanden, weil nach dem Vorwort des Merkblatts „Wasserwirtschaftliche Anforderungen an landwirtschaftliche Biogasanlagen“ vom Juni 2006 Biogasanlagen eine Erleichterung nach § 7 Abs. 2 VAwS erhalten sollen. Soweit der Gutachter die in der Genehmigung festgesetzte Rissbreitenbeschränkung von 0,3 mm beanstandet und eine Beschränkung auf 0,2 mm für geboten hält, hat der Beklagte Nachweise vorgelegt, dass im vorliegenden Fall konkret eine Rissbreite von weniger als 0,2 mm eingehalten wird (Anlage C 43). Im Hinblick auf den wasserdichten Belag des Umschlagplatzes räumt der Gutachter selbst ein, dass ein solcher vorhanden ist und eine Aufkantung zur sicheren Ableitung von verschmutztem Wasser in Baden-Württemberg nicht vorgeschrieben ist. Soweit der Gutachter auf dem Standpunkt steht, in der Genehmigung hätte nach der VAwS anstelle einer 12jährigen eine 5jährige Prüfpflicht für unterirdische Anlagenteile mit wassergefährdenden Stoffen festgesetzt werden müssen, lässt er wiederum außer Acht, dass diese Prüfungen dem Gewässerschutz dienen und dem Kläger keine subjektiven Rechte vermitteln.
127 
Wie der Senat im Verfahren 10 S 1510/13 bereits ausgeführt hat, kann der Kläger sich auch nicht darauf berufen, dass keine Umwallung der Anlage angeordnet worden ist. Das Erfordernis einer Umwallung ist allerdings in § 37 Abs. 3 des Entwurfs der Verordnung des Bundes über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) enthalten. Nach § 68 Abs. 10 des Entwurfs sind bestehende Biogasanlagen grundsätzlich innerhalb vom fünf Jahren nachzurüsten. Im Vorgriff auf den Entwurf haben einige Bundesländer die Umwallung von Biogasanlagen bereits vorgeschrieben. In Baden-Württemberg ist dies aber auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht geltendes Recht; im Fall des Inkrafttretens einer Nachrüstungspflicht wird die Behörde indes eine entsprechende Anordnung zu prüfen haben. Selbst wenn aber eine Umwallung im Hinblick auf den genannten Entwurf bzw. die Verwaltungspraxis in anderen Bundesländern bereits Stand der Technik sein sollte - wie der Kläger geltend macht -, hat er keinen Rechtsanspruch auf den Erlass einer entsprechende Nebenbestimmung oder Anordnung, weil auch die einschlägigen Regelungen der geplanten Bundesverordnung - soweit ersichtlich - grundsätzlich dem objektivrechtlichen Schutz des Wassers dienen werden (vgl. § 1 Abs. 1 AwSV Entwurf). In der Begründung zu § 37 Abs. 3 des Entwurfs zur AwSV wird ausgeführt, dass die vorhandene Anlagentechnik nach der Zahl der Unfälle (48 Unfälle in 8 Jahren allein im Landkreis Rottal-Inn) nicht ausreiche, um Unfälle und ein über Kilometer reichendes Fischsterben zu verhindern. Danach ist auch unter Berücksichtigung der Begründung des Verordnungsentwurfs nicht erkennbar, dass § 37 Abs. 3 AwSV über seinen objektiv-rechtlichen Geltungsanspruchs hinaus Drittschutz vermitteln wird.
128 
Subjektive Rechte des Klägers könnten allenfalls insoweit betroffen sein, als eine Umwallung auch die Gefahr einer Überflutung von Nachbargrundstücken im Falle einer Havarie eindämmt. Nach Überzeugung des Senats besteht aber keine hinreichend konkrete Gefährdung des Grundstücks des Klägers durch auslaufendes Substrat. Entgegen der Auffassung des Klägers kann insoweit nicht der wasserrechtliche Besorgnisgrundsatz des § 62 WHG zum Tragen kommen, wonach der bestmögliche Grundwasserschutz geboten ist. Vielmehr bedarf es - wie mehrfach ausgeführt - in Bezug auf den subjektiven Rechtsschutz einer konkreten Gefahr im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2. Alternative BImSchG, d.h. eine Überflutung des Grundstücks des Klägers durch auslaufendes Substrat muss unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinreichend wahrscheinlich sein. In den Jahren 2008/2009 ist ein solches Schadensereignis zwar unstreitig bereits einmal eingetreten. Die Beigeladene hat jedoch unwidersprochen vorgetragen, dass es sich nicht um ein statisches oder sonstiges technisches Problem des Gärrestebehälters, sondern um eine versehentliche Ableitung von verunreinigtem Oberflächenwasser bei Reinigungsvorgängen bzw. um ein unbefugtes Eingreifen Dritter gehandelt habe, wogegen inzwischen durch technische Maßnahmen und einen Entwässerungsplan Vorsorge getroffen sei. Gegen unbefugte Eingriffe Dritter sind mittlerweile Vorkehrungen getroffen worden. Dies wurde durch die Sicherheitstechnische Prüfung des TÜV Nord vom 13.06.2014 (Pos. H5, E6) bestätigt, wonach die Anlage inzwischen umzäunt und mit einer abschließbaren Toranlage versehen; die Betriebsgebäude müssen außerhalb der regulären Betriebszeit verschlossen werden. Die Standsicherheit und Dichtheit der Behälter und der sonst betroffenen Anlagenteile sind auf die maximalen Füllstände und Speicherkapazitäten ausgelegt. Die Behälterwände bestehen nach den gutachterlichen Stellungnahmen aus praxiserprobtem Stahlbeton bzw. Edelstahl. Die Statik des Gärrestebehälters ist geprüft worden (Bautechnischer Prüfbericht Prof. Dr.-Ing. F. vom 30.04.2013). Mit Nachtragsprüfbericht vom 05.11.2013 (Prof. Dr.-Ing. F.) wurde insbesondere auch die zusätzliche Belastung des Gärrestebehälters durch das Tragluftdach berücksichtigt. Danach können die Zusatzlasten von der früher eingebauten Bewehrung und von der Bodenplatte mittels eines zusätzlichen Sockels aufgenommen werden. Ab 30 kg/m² Schneelast (15 cm Schneehöhe) ist das Tragluftdach allerdings von Schnee zu befreien. Der Prüfstatiker führt aus, dass aufgrund der regelmäßigen Temperatur zwischen den Folien von 8°- 12° Celsius grundsätzlich von einem Abschmelzen bzw. Abrutschen des Schnees ausgegangen werden könne. Ein Temperaturfühler sei nicht erforderlich, wenn eine sofort einsetzbare mechanische Schneeräumung vorhanden sei. Die Durchführbarkeit des Schneeräumkonzepts der Beigeladenen mittels eines mobilen Kranwagens wurde anlässlich der Bauabnahme überprüft (Gerichtsakte Band II, Anlage C 31). Der Sachverständige Dipl.-Ing. D. hat in der mündlichen Verhandlung ergänzend ausgeführt, dass ihm bei seinen Recherchen nur zwei Fälle bekannt geworden sind, in denen Schneeräumungen erfolgt sind; dabei sei von der Feuerwehr ein ähnliches Schneeräum-Konzept, wie es die Beigeladene habe, angewandt worden. Der Sachverständige hat ferner schlüssig ausgeführt, dass Gefahren durch Schneelasten nicht plötzlich auftreten, sondern sich zunächst durch Verformungen der Dachhaut ankündigen und optisch gut wahrnehmbar sind. Es bestehe daher hinreichend Zeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Eine Havarie oder ein Aufreißen der Dachmembran in Folge von Schneelast sei ihm nicht bekannt. Diese Ausführungen werden bestätigt durch das von der Beigeladene im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 10 S 1510/13 vorgelegte Gutachten G., wonach die Schneeräumung über eine vor Ort verfügbare Arbeitsbühne mit entsprechendem Hilfsmaterial gegenüber einer Schneeräumung mittels einer fest installierten Schlagleine gleichwertig und technisch durchführbar sei. Es komme nicht zu einem schlagartigen Zusammenbruch der gesamten Einheit, sondern zu einem langsamen Einsinken und Ablagern auf der Unterkonstruktion.
129 
Der in Ziff. 3.1.4.1 des Merkblatts „Wasserwirtschaftliche Anforderungen an landwirtschaftliche Biogasanlagen" vom Juni 2006 sowie in der Sicherheitstechnischen Vorprüfung geforderte Anfahrschutz durch eine Leitplanke zum Schutz gegen mechanische Beschädigung ist mittlerweile errichtet und durch die Vorlage von Plänen und Fotografien nachgewiesen worden. Entgegen der Auffassung des Klägers hält der Senat den Anfahrschutz im Hinblick auf die Verkehrsverhältnisse für ausreichend. Auf dem angrenzenden H.-Weg besteht eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 40 km/h; der Durchfahrtsverkehr ist grundsätzlich auf Fahrzeuge bis 6 t beschränkt und nur für den landwirtschaftlichen Verkehr und für Anlieger freigegeben. Die Errichtung der Leitplanke erfolgte im Übrigen nach Überprüfung und im Einvernehmen mit dem TÜV Nord.
130 
Schließlich sind die Behälter vor Inbetriebnahme auf ihre Dichtigkeit geprüft worden und auch künftig in regelmäßigen Intervallen auf Leckagen Undichtigkeiten und Korrosion hin zu überprüfen. Danach ist ein Auslaufen von Substrat durch das Versagen von Behälterwänden vernünftigerweise auszuschließen.
131 
Der vom Kläger geforderte Anfahrschutz für die Stütze des Galgens und den Kontrollschacht erscheint hingegen nicht erforderlich, weil diese Anlagenteile nach dem nicht substantiiert bestrittenen Vortrag der Beigeladenen kein Substrat enthalten. Auf die zwischen den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung umstrittene Frage, ob der Galgen bei Nichtgebrauch regelmäßig zu Seite geklappt wird, kommt es danach nicht entscheidungserheblich an. Außerdem sind auch gegen das Auslaufen von Substrat durch das Versagen anderer Anlagenteile als der Behälterwände, wie es vom Kläger in der mündlichen Verhandlung in den Vordergrund gerückt wurde, zahlreiche Vorkehrungen getroffen worden. So ist eine Unterfüllsicherung installiert worden, die auf ein außerplanmäßiges Absinken des Behälterfüllstands anspricht und über das Kommunikationssystem das Betriebspersonal informiert. Außerdem ist die weitere Entnahme von flüssigem Substrat aus dem Gärrestespeicher entweder durch einen automatischen Schieber am Saugstutzen, der bei Unterdruck sowie bei Unterschreiten eines Mindestfüllstands von 0,40 m schließt, oder durch eine dauerhaftes Verschließen des Saugstutzens zu verhindern (vgl. Anordnung vom 17.07.2013, Hinweis Nr. 11). Die Entnahmepumpe ist auf eine Förderdauer von 2,5 Minuten (Zeitdauer einer Fassbefüllung) begrenzt; ab 22 Uhr wird die Stromzufuhr zur Förderpumpe automatisch unterbrochen. Das Bedienungsfeld der Pumpe befindet sich 5 m über Grund und wird nach jedem Pumpeneinsatz mit einem Sicherheitsschloss gegen unbefugte Benutzung gesichert. Eine Füllstandsüberschreitung wird durch die Überfüllsonde registriert, was eine Störmeldung auslöst bei gleichzeitiger Unterbindung der weiteren Substratzufuhr (vgl. zum Ganzen Sicherheitstechnische Vorprüfung des TÜV Nord vom 10.05.2013). Damit sind zahlreiche technische Vorkehrungen gegen das Auslaufen von Substrat infolge von Versagen der Behälterwänden oder sonstigen Anlagenteilen, Überfüllung oder Eingreifen Unbefugter getroffen worden. Bedienungsfehler sind durch entsprechende Betriebsanweisungen und die Unterweisung und Schulung des Personals zu minimieren, wie es bereits in der Sicherheitstechnischen Stellungnahme der proTerra GmbH vom 28.02.2013 sowie in der Sicherheitstechnischen Vorprüfung des TÜV Nord vom 10.05.2013 gefordert wird. Insgesamt ist die Wahrscheinlichkeit eines Substrataustritts oder einer Überfüllung nach der genannten Stellungnahme des TÜV Nord als gering zu bewerten (S. 33 ff.). Allenfalls bei grober Fahrlässigkeit, etwa dem Abreißen von Leitungen, ist danach ein Substrataustritt denkbar. Eine Gefahr von Leib und Leben entsteht hierdurch aber nicht, weil frühzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können, wie etwa Schließen des Schiebers oder durch Umpumpen des Substrats in andere Behälter. Im Übrigen ist das Dachprofil des H.-Wegs nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Landratsamts mittlerweile erhöht und entlang der Grundstücksseite des Klägers aufgekantet worden; dies dürfte auslaufende Gülle jedenfalls in einem bestimmten Umfang vom Grundstück des Klägers fernhalten.
132 
Nach alldem kann ein Abwehranspruch des Klägers im Hinblick auf die Gefahr eines Substrataustritts nicht angenommen werden. Diese Gefahr ist durch sicherheitstechnischen Vorkehrungen hinreichend minimiert; selbst im Schadensfall besteht keine Gefahr für Leib und Leben des Klägers. Die vom Kläger vorgelegte Untersuchung von Dr. K. vom 10.09.2014 zu den Risiken eines Substrataustritts ist nicht geeignet, eine andere Einschätzung zu rechtfertigen. Abgesehen davon, dass der Gutachter nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung von der Fachrichtung her Chemiker und kein nach § 29a BImSchG bekanntgegebener Sachverständiger ist, mag seine Stellungnahme zwar veranschaulichen, dass es bei Biogasanlagen häufig zu Störungen und Unfällen kommt, die zum Auslaufen von Gülle führen. Die konkrete Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines solchen Schadensereignisses in der hier umstrittenen Anlage der Beigeladenen wird durch das Gutachten aber nicht plausibel belegt; der Autor weist selbst darauf hin, dass einige Unsicherheiten bestehen, weitere quantitative Untersuchungen erforderlich seien und eine Risikomatrix geschulten Fachleuten vorbehalten bleiben müsse (S. 14, unten, S. 17, S. 18 unten). Nicht plausibel erscheint insbesondere die Risikomatrix in Abbildung 4 des Gutachtens, wonach eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit (W 3) dafür bestehe, dass es im Falle einer Havarie Leichtverletzte geben werde. In dem Gutachten wird die Gefahr einer Gesundheitsbeeinträchtigung nicht überzeugend begründet. Gefahren für Leib und Leben sowie Hab und Gut im Fall eines Gülleaustritts werden vom Gutachter ohne weiteres unterstellt, so dass eine zuverlässige Aussage zum Schadensausmaß nicht getroffen wird. Das Gutachten enthält auch keine überzeugenden Erläuterungen zur Eintrittswahrscheinlichkeit einer Havarie bei der konkreten Anlage. Der Gutachter rechnet mit einer nicht näher begründeten Eintrittswahrscheinlichkeit von 1 zu 2500, die er wohl statistisch herleitet. Konkrete Störfallszenarien im Hinblick auf die Ursachen von Störungen und den Umfang der hierbei zu erwartenden Schäden durch auslaufende Gülle werden in die Schadensprognose nicht einbezogen. Der Gutachter unterstellt weiter zu Unrecht, dass das Grundstück in einem Hochwasserschutzgebiet liege; ferner findet eine belastbare Fehlerdiskussion nicht statt.
133 
Der Beweisantrag Nr. 2 des Klägers, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber Beweis zu erheben, dass von der Biogasanlage eine erhebliche Gefahr bezüglich eines Substrataustritts besteht und dadurch Leib und Leben des Klägers gefährdet wird und daher zwingend eine Umwallung und ein Anfahrschutz anzubringen ist, um diese Gefahren zu minimieren, war nach den vorstehenden Ausführungen abzulehnen. Wie ausgeführt, hat der Kläger keinen subjektiven Rechtsanspruch auf Maßnahmen wie Umwallung und (weiteren) Anfahrschutz, die in erster Linie dem objektiv-rechtlichen Gewässerschutz dienen; im Übrigen liegen ausreichende Erkenntnisse und sachverständige Stellungnahmen vor, wonach hinreichende Vorkehrungen gegen ein Auslaufen von Substrat getroffen worden sind. Das vom Kläger vorgelegte Gutachten stellt dies nicht durchgreifend in Frage, weil es sich mit den Sicherheitsstandards der konkreten streitgegenständlichen Anlage nicht auseinandersetzt. Der Senat sieht daher keinen Anlass zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens. Bei der unter Beweis gestellten Tatsache handelt es sich ferner um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag, weil der Kläger gleichsam ins Blaue hinein behauptet, an Leib und Leben gefährdet sein. Auslaufendes Substrat mag zwar auf dem Grundstück des Klägers zu Sachschäden führen; es ist aber nicht ersichtlich und vom Kläger auch in keiner Weise substantiiert worden, dass hierdurch Gefahren für Leib und Leben von Personen entstehen, die sich auf dem Grundstück aufhalten. Selbst wenn von dem Substrat beim Einatmen in nächster Nähe toxische Gefahren ausgehen sollten, können sich Betroffene ohne weiteres rechtzeitig entfernen. Schließlich handelt es sich bei der Frage, ob die Gefahr erheblich ist, nicht um eine dem Beweis zugängliche Tatsache, sondern um eine vom Gericht zu beantwortende Rechtsfrage.
134 
2.3. Bauplanungsrecht
135 
Die Änderungsgenehmigung vom 31.10.2013 verstößt auch nicht gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG, die dem Schutz der Nachbarn zu dienen bestimmt sind.
136 
Nicht entscheidungserheblich ist im vorliegenden Nachbarstreit, ob eine Privilegierung des Vorhabens der Beigeladenen nach § 35 Abs. 1 BauGB anzunehmen ist; insoweit ist allein maßgeblich, ob das Vorhaben der Beigeladenen hinsichtlich der ihm zuzurechnenden Auswirkungen auf schutzwürdige Interessen des Klägers die gebotene Rücksicht nimmt. Der Nachbar erlangt eine schutzwürdige Abwehrposition nämlich nicht allein dadurch, dass das auf dem Nachbargrundstück genehmigte Vorhaben wegen Beeinträchtigung öffentlicher Belange, die nicht dem Schutz privater Dritter zu dienen bestimmt sind, nach § 35 Abs. 3 BauGB unzulässig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.1993 - 4 C 5/93 - NVwZ 1994, 686; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 31.07.2008 - 1 LA 39/08 - a.a.O.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.10.2009 - 1 A 10898/07 - juris).
137 
Nach den Ausführungen unter 2.2. kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung des nachbarschützenden Rücksichtnahmegebots berufen. Das Bauplanungsrecht stellt keine strengeren Anforderungen an die Zumutbarkeit bestimmter Immissionen als das Immissionsschutzrecht (st. Rspr., vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74/78 - juris). Da das Vorhaben nicht der Störfall-Verordnung unterliegt, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Biogasanlage unter störfallrechtlichen Gesichtspunkten rücksichtslos an die Wohnnutzung des Klägers heranrückt. Im Übrigen wurde die immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt, bevor die Baugenehmigung und Nutzungsänderung des Klägers beantragt wurde. Die nunmehr geduldete Wohnnutzung des Klägers kann daher nicht von vorneherein als vorrangig gegenüber dem heranrückenden Betrieb betrachtet werden. Schließlich kann die Beigeladene weder auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 1 GG noch von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO auf einen anderen, für den Kläger aus immissionsschutzrechtlicher Sicht günstigeren Standort verwiesen werden, wenn von der geplanten Biogasanlage keine unzumutbaren Einwirkungen ausgehen. Ergibt die immissionsschutzrechtliche Prüfung, dass die von der Anlage ausgehenden Belastungen an dem von dem Betreiber gewählten Standort zumutbar sind, muss der Nachbar diese auch dann hinnehmen, wenn es einen ihn noch stärker schonenden Alternativstandort gibt. Denn die immissionsschutzrechtliche Prüfung ist ebenso wie die baurechtliche Prüfung an der Standortentscheidung des Anlagenbetreibers bzw. Bauherrn ausgerichtet und hieran gebunden. Der Anlagenbetreiber bestimmt das Vorhaben, dessen Zulässigkeit dann auf der Grundlage der eingereichten Antragsunterlagen von der Behörde zu prüfen ist (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 13.10.1998 - 4 B 93.98 -, UPR 1999, 74 m. w. N. zur Standortbindung im baurechtlichen Verfahren; OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.05.2006 - 7 ME 6/06 - juris).
138 
III. Kosten
139 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im zweiten Rechtszug aufzuerlegen, weil diese im Berufungsverfahren einen Antrag gestellt hat und damit ein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Hingegen wäre es unbillig, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im ersten Rechtszug aufzuerlegen, weil sie im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht keinen Antrag gestellt hat.
140 
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
141 
Beschluss vom 12. März 2015
142 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 47 und § 52 Abs. 3 GKG in Verbindung mit Nrn. 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (veröffentlicht u.a. als Sonderbeilage zur VBlBW, Heft Januar 2014) auf 15.000 EUR festgesetzt.
143 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Bekanntgabe von Stellen im Sinne von § 26, von Stellen im Sinne einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung oder von Sachverständigen im Sinne von § 29a durch die zuständige Behörde eines Landes berechtigt die bekannt gegebenen Stellen und Sachverständigen, die in der Bekanntgabe festgelegten Ermittlungen oder Prüfungen auf Antrag eines Anlagenbetreibers durchzuführen.

(2) Die Bekanntgabe setzt einen Antrag bei der zuständigen Behörde des Landes voraus. Sie ist zu erteilen, wenn der Antragsteller oder die Antragstellerin über die erforderliche Fachkunde, Unabhängigkeit, Zuverlässigkeit und gerätetechnische Ausstattung verfügt sowie die für die Aufgabenerfüllung erforderlichen organisatorischen Anforderungen erfüllt. Sachverständige im Sinne von § 29a müssen über eine Haftpflichtversicherung verfügen.

(3) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Anforderungen an die Bekanntgabe von Stellen und Sachverständigen sowie an bekannt gegebene Stellen und Sachverständige zu regeln. In der Rechtsverordnung nach Satz 1 können insbesondere

1.
Anforderungen an die Gleichwertigkeit nicht inländischer Anerkennungen und Nachweise bestimmt werden,
2.
Anforderungen an das Verfahren der Bekanntgabe und ihrer Aufhebung bestimmt werden,
3.
Anforderungen an den Inhalt der Bekanntgabe bestimmt werden, insbesondere dass sie mit Nebenbestimmungen versehen und für das gesamte Bundesgebiet erteilt werden kann,
4.
Anforderungen an die Organisationsform der bekannt zu gebenden Stellen bestimmt werden,
5.
Anforderungen an die Struktur bestimmt werden, die die Sachverständigen der Erfüllung ihrer Aufgaben zugrunde legen,
6.
Anforderungen an die Fachkunde, Zuverlässigkeit, Unabhängigkeit und gerätetechnische Ausstattung der bekannt zu gebenden Stellen und Sachverständigen bestimmt werden,
7.
Pflichten der bekannt gegebenen Stellen und Sachverständigen festgelegt werden.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

(1) Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger, Schienen-, Luft- und Wasserfahrzeuge sowie Schwimmkörper und schwimmende Anlagen müssen so beschaffen sein, dass ihre durch die Teilnahme am Verkehr verursachten Emissionen bei bestimmungsgemäßem Betrieb die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen einzuhaltenden Grenzwerte nicht überschreiten. Sie müssen so betrieben werden, dass vermeidbare Emissionen verhindert und unvermeidbare Emissionen auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben.

(2) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit bestimmen nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen notwendigen Anforderungen an die Beschaffenheit, die Ausrüstung, den Betrieb und die Prüfung der in Absatz 1 Satz 1 genannten Fahrzeuge und Anlagen, auch soweit diese den verkehrsrechtlichen Vorschriften des Bundes unterliegen. Dabei können Emissionsgrenzwerte unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung auch für einen Zeitpunkt nach Inkrafttreten der Rechtsverordnung festgesetzt werden.

(3) Wegen der Anforderungen nach Absatz 2 gilt § 7 Absatz 5 entsprechend.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

(1) Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger, Schienen-, Luft- und Wasserfahrzeuge sowie Schwimmkörper und schwimmende Anlagen müssen so beschaffen sein, dass ihre durch die Teilnahme am Verkehr verursachten Emissionen bei bestimmungsgemäßem Betrieb die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen einzuhaltenden Grenzwerte nicht überschreiten. Sie müssen so betrieben werden, dass vermeidbare Emissionen verhindert und unvermeidbare Emissionen auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben.

(2) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit bestimmen nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen notwendigen Anforderungen an die Beschaffenheit, die Ausrüstung, den Betrieb und die Prüfung der in Absatz 1 Satz 1 genannten Fahrzeuge und Anlagen, auch soweit diese den verkehrsrechtlichen Vorschriften des Bundes unterliegen. Dabei können Emissionsgrenzwerte unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung auch für einen Zeitpunkt nach Inkrafttreten der Rechtsverordnung festgesetzt werden.

(3) Wegen der Anforderungen nach Absatz 2 gilt § 7 Absatz 5 entsprechend.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 02. Juni 2004 - 8 K 772/04 - wird verworfen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde ist unzulässig, denn sie genügt nicht dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Danach muss die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten, ferner müssen die Gründe dargelegt werden, aus denen die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sie muss sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Zwar enthält die Antragsschrift vom 08.07.2004 einen bestimmten Antrag, mit dem begehrt wird, die Antragstellerin „... im vierten Fachsemester des Studienganges Internationale Betriebswirtschaftslehre im Sommersemester 2004 und in nachfolgenden Semestern weiterhin zu beteiligen“ und sie „... zu den Prüfungen im Sommersemester 2004 und den nachfolgenden Semestern - bis zur Entscheidung in der Hauptsache - vorläufig zuzulassen“. Es fehlt aber an einer Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO.
Aus der Entstehungsgeschichte der mit Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess - RMBereinVpG - vom 20.12.2001 (BGBl. I S. 3987) in die VwGO eingefügten Vorschrift folgt, dass diese an die Auslegungskriterien zum Berufungszulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) anknüpft (siehe hierzu ausführlich VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.07.2002 - 11 S 1293/02 - m.w.N., EzAR 625 Nr. 2 = NVwZ 2002, 1388; Thüringer OVG, Beschluss vom 11.02.2003, Az: - 3 EO 387/02 -, AuAS 2003, 119 = DVBl. 2003, 879 und Beschluss vom 26.11.2003, Az: - 4 EO 627/02 -, KStZ 2004, 57). Die Beschwerdebegründung muss zwar anders als beim Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO keine Bedenken mit dem Gewicht ernstlicher Zweifel an dem Ausgangsbeschluss des Verwaltungsgerichts aufzeigen. Sie muss aber jedenfalls erkennen lassen, aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen dieser Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss nicht nur die Punkte bezeichnen, in denen der Beschluss angegriffen werden soll, sondern auch angeben, aus welchen Gründen er die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt für unrichtig hält. Hierfür reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts, außer in Fällen der Nichtberücksichtigung oder des Offenlassens des früheren Vortrags, grundsätzlich ebenso wenig aus wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.04.2002 - 1 S 705/02 - NVwZ-RR 2002, 797 und vom 16.12.2003 - 7 S 2465/03 - zitiert nach juris).
Ob und in welchem Umfang hingegen ein neuer Vortrag im Rahmen des Darlegungsgebotes nach § 146 Abs. 3 VwGO berücksichtigt werden kann, ist umstritten (für eine unbeschränkte Berücksichtigung: Thüringer OVG, Beschluss vom 26.11.2003, Az. 4 EO 627/02, a.a.O.; für dessen generellen Ausschluss: Bader in Bader, VwGO, 2. Aufl., § 146 RN. 36). Zur Klärung dieser Frage ist vom Zweck der Beschwerde auszugehen. Sie hat ebenso wie die Berufung die Aufgabe einer zweiten Tatsacheninstanz. Das Rechtsmittel umfasst daher eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, weshalb vom Beschwerdegericht auch neue Tatsachen oder Änderungen der Rechtslage zu berücksichtigen sind, auf die sich der Beschwerdeführer fristgerecht beruft und die nach materiellem Recht im Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts maßgeblich sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu der vergleichsweise heranzuziehenden Vorschrift des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ausgeführt, es seien - auch - solche Tatsachen zu berücksichtigen, die nach der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung eingetreten seien (BVerwG, Beschluss vom 15.12.2003 - 7 AV 2.03 -, Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 32 = NVwZ 2004, 744 und Beschluss vom 11.11.2002 - 7 AV 3/02 - Buchholz 310 § 124 VwGO Nr. 31). Ebenso seien Tatsachen zu berücksichtigen, die vom Verwaltungsgericht deshalb im Zeitpunkt seiner Entscheidung außer Betracht gelassen worden sind, weil sie von den Beteiligten nicht vorgetragen und mangels entsprechender Anhaltspunkte auch nicht von Amts wegen zu ermitteln gewesen seien (BVerwG, Beschluss vom 14.06.2002, Buchholz § 124b VwGO Nr. 1 = NVwZ-RR 2002, 894). Ob diese Rechtsprechung ohne Einschränkungen auch auf das Beschwerdeverfahren zu übertragen ist, mag dahin stehen.
Eine Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO findet jedenfalls dann nicht statt, wenn in einem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO, um das es hier geht, der Anordnungsanspruch trotz Aufforderung des Verwaltungsgerichts nicht begründet worden ist und derart „aufgesparte“ Gründe erst im Beschwerdeverfahren vorgetragen werden. Es würde dem Zweck der Neuregelung widersprechen, im Rahmen der gebotenen Darlegung auch einen Vortrag zur Sachlage zu berücksichtigen, der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bereits zum Gegenstand der Prüfung hätte gemacht werden können. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Im Verfahren nach § 123 VwGO hat der Antragsteller den Anordnungsanspruch vorzutragen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Trotz dieser Verweisung auf zivilprozessuale Vorschriften gilt zwar auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht etwa der Beibringungsgrundsatz, sondern - wie allgemein in der Verwaltungsgerichtsordnung - der Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO; siehe hierzu Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 123 VwG0 Rz. 95 m.w.N.). Hat der Antragsteller aber weder von sich aus den geltend gemachten Anordnungsanspruch sachlich begründet noch in der Sache etwas auf eine entsprechende, dem Amtsermittlungsgrundsatz Rechnung tragende Aufforderung des Verwaltungsgerichts vorgetragen, können erst im Beschwerdeverfahren vorgetragene Gründe nicht mehr berücksichtigt werden. Denn der im Gesetzgebungsverfahren gefundene Kompromiss zwischen einerseits Zulassung der Beschwerde und andererseits Verschärfung der Zulässigkeitsschranken durch die eingeschränkte Begründetheitsüberprüfung (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) ist Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, das Beschwerdeverfahren zu beschleunigen und eine Verfahrenskonzentration herbeizuführen (siehe hierzu auch Thüringer OVG, Beschluss vom 11.02.2003, Az: - 3 EO 387/02 -, a.a.O. m.w.N.) Ließe man das „aufgesparte“ Vorbringen zum Anordnungsanspruch zu, würde sich dem Beschwerdegericht eine vom Gesetzgeber nicht gewollte erstmalige und vollständige Prüfung des Falles stellen. Im Hinblick auf diesen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht mehr zu berücksichtigenden Tatsachenvortrag entsteht auch keine „Rechtsschutzlücke“, denn der Antragsteller kann seine Gründe entweder in einem Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO (analog) oder im Hauptsacheverfahren geltend machen.
In Anwendung dieser Grundsätze stellt der Vortrag der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren keine Auseinandersetzung mit den Gründen der angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung dar. Mit Verfügung vom 06.04.2004 hat das Verwaltungsgericht die Antragstellerin aufgefordert, zum Vorliegen eines Anordnungsanspruchs Angaben zu machen. Hierzu hat sich die Antragstellerin aber nicht geäußert. Erst mit der Beschwerdebegründung hat sie vorgetragen, sowohl bei dem ersten Prüfungsversuch im Fach Allgemeine Betriebswirtschaftslehre I als auch bei der Wiederholungsprüfung aufgrund der sie stark belastenden familiären Verhältnisse nicht in der Lage gewesen zu sein, die Prüfungen zu bestehen. Diese Umstände hätten aber von der Antragstellerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren mit der Antragstellung, spätestens aber auf die entsprechende Aufforderung des Gerichts vorgetragen und glaubhaft gemacht werden können. Es handelt sich insoweit nicht um Umstände, die nach Abschluss des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht „neu“ eingetreten sind, diese lagen vielmehr bereits zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung vor und hätten bereits von dem Verwaltungsgericht geprüft werden können - wenn die Antragstellerin sie vorgetragen hätte.
Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass die Beschwerde auch unbegründet gewesen wäre. Bezüglich des Nichtbestehens der Prüfung kann insoweit auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 02.06.2004 verwiesen werden, deren Richtigkeit auch von Seiten der Antragstellerin nicht in Frage gestellt werden. Soweit die Antragstellerin nunmehr vorträgt, aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen zu sein, die Prüfung abzulegen, ist auf die Vorschrift des § 13a der Prüfungsordnung der Universität Tübingen für den Diplom-Studiengang Internationale Betriebswirtschaftslehre hinzuweisen. Für die Antragstellerin hätte nämlich die Möglichkeit bestanden, aufgrund der von ihr nunmehr geltend gemachten familiären Belastungen den Antrag zu stellen, die Frist zur Ablegung der Orientierungsprüfung um zwei Semester zu verlängern (§ 13a Abs. 4 der Prüfungsordnung). Gerade im Hinblick darauf, dass bereits die erste Orientierungsprüfung nach ihren Angaben aufgrund ihrer familiären Situation fehlgeschlagen ist, hätte es nahe gelegen, einen entsprechenden Antrag auf „Herausschieben“ der Orientierungsprüfung zu stellen. Da sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das endgültige Nichtbestehen der Prüfung von ihr im Sinne von § 13a Abs. 3 der Prüfungsordnung nicht zu vertreten sei.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.